ZieglerDerfriede20000731
Nr. 1149 ZRG 118 (2001)
Der Friede von Rijswijk 1697, hg. v. Duchhardt, Heinz
in Verbindung mit Schnettger, Matthias/Vogt, Martin (=
Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz Abteilung
Universalgeschichte Beiheft 47). Zabern, Mainz 1998. VIII, 340 S.
1. Während
die 350jährige Wiederkehr des Westfälischen Friedens von 1648 im Jubiläumsjahr
1998 eine Fülle von Gedenkveranstaltungen und Publikationen zur Folge hatte,
hat der 1697 zustandegekommene Friede von Rijswijk[1], der ebenfalls
ein europäisches Ereignis gewesen war, nach 300 Jahren aus verschiedenen
Gründen keine auch nur annähernde Resonanz gehabt. Umso erfreulicher ist es,
daß man unter der Leitung von Heinz Duchhardt im Mainzer Institut für
Europäische Geschichte im Jahre 1997 auf einer internationalen Historiker‑Konferenz
des Rijswijker Friedenswerkes gedacht hat. Die Ergebnisse dieser Zusammenkunft
enthält der hier anzuzeigende Sammelband, der endlich die verengte Sicht
traditioneller nationaler Geschichtsschreibung überwunden hat und zu einer den
Dingen angemessenen, weiterreichenden Perspektive gelangt.
Der
Neunjährige Krieg, der 1697 in dem niederländischen Rijswijk förmlich beendet
wurde, hat in den Geschichtsbüchern, wie der Herausgeber im Vorwort (VIII) mit
Recht betont, höchst unterschiedliche Namen gefunden, vom „Raubkrieg Ludwigs
XIV.“ und „Pfälzischen Erbfolgekrieg“ bis zu „King William’s War“. Die den
Zeitgenossen noch des 18. Jahrhunderts stets bewußte internationale Dimension
wird auch darin deutlich, daß der „Friede von Rijswijk“ aus nicht weniger als
vier von Schweden vermittelten Friedensverträgen besteht, nämlich den drei am
20. September 1697 geschlossenen Friedensverträgen zwischen Frankreich und den
Niederlanden[2],
Frankreich und England[3], Frankreich und
Spanien[4], sowie dem erst
über einen Monat später ‑ am 30. Oktober 1697 ‑ zustandegekommenen
Friedensvertrag zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich deutscher
Nation[5]. Aufgrund der
komplizierten Verfassungsstruktur des Alten deutschen Reiches wurde das Instrumentum Pacis Ryswicensis in die
Sammlungen der Grund‑Gesetze des Reiches aufgenommen[6]. Namentlich der
Verzicht des Kaisers auf die alte Reichsstadt Straßburg (Art. XVI) und die in
Abweichung von den Bestimmungen des Westfälischen Friedens zugunsten der
katholischen Kirche in den von Frankreich zurückzugebenden Gebieten vereinbarte
sog. ‚Rijswijker Klausel’ (in Art. IV: Religione
tamen Catholica Romana in locis sic restitutis, in statu quo nunc est
remanente), gegen die sich die Protestanten verwahrten, hat in der
deutschen Historiographie eine bisweilen
unverhältnismäßige
Beachtung gefunden. Von den bedeutsameren völkerrechtlichen Ergebnissen des von
Frankreich mit dem Heiligen Römischen Reich geschlossenen Friedens von Rijswijk
ist die Einbeziehung Savoyens in den Vertrag zu nennen (Art. XLVIII), ebenso
die Einbeziehung der Schweiz (Art. LVIf.) sowie der Krone Schweden (Art. LV).
Im Rijswijker Vertrag zwischen Frankreich und Spanien war die Rückgabe der
südlichen („spanischen“) Niederlande und Luxemburgs folgenreich (Art.Vff.).
2. Nach
diesen einleitenden Bemerkungen soll nun der reiche Inhalt des dem Frieden von
Rijswijk gewidmeten Konferenzbandes kurz berichtet werden. Grundlegender Natur
ist der an der Spitze stehende Beitrag von Klaus Malettke (Marburg):
„Der Friede von Rijswijk (1697) im Kontext der Mächtepolitik und der
Entwicklung des europäischen Staatensystems“ (1‑46), eine eindringliche
Gesamtwürdigung unter dem Aspekt der Staatengeschichte.
Es folgen
Beiträge, in denen die Politik einzelner Partner des Rijswijker Friedens näher
beleuchtet wird. Christine Roll (Konstanz) nennt ihre Analyse der
kaiserlichen Diplomatie „Im Schatten der spanischen Erbfolge? Zur kaiserlichen
Politik auf dem Kongreß von Rijswijk“ (47-91). Jean Berenger (Paris)
untersucht auf relativ knappem Raum anschaulich „Die Politik Frankreichs bei
den Rijswijker Verhandlungen“ (93‑113). Seine Schlußsentenz verdient es,
hier im Wortlaut zitiert zu werden: „Das Haus Habsburg stellte im Reich und in
Italien keine Gefahr mehr dar, und Frankreich verfolgte eine defensive
Strategie, die auf sicheren Grenzen beruhte, um seine Interessen in Übersee
verteidigen zu können“ (113). Eine das 18. Jahrhundert mit einbeziehende, mit
Ausblicken in das 20. Jahrhundert schließende, spannend zu lesende tour
d’horizon bietet Jeremy Black (Exeter) dem Leser: „The Treaty of
Rijswijk and the Long‑Term Development of Anglo‑Continental
Relations“ (115‑127). Die Ausdehnung der europäischen Macht‑ und
Rechtssphäre durch die Übersee‑Kolonisation reflektiert der instruktive,
glänzend geschriebene Beitrag von Martin Vogt (Mainz) über „Die
Bedeutung der Peripherie in der Zeit des Friedens von Rijswijk“ (129‑149).
Hier wird auch deutlich, daß der Rijswijker Friede gewissermaßen nur eine
Atempause im Ringen um die koloniale Vormacht zwischen England und Frankreich
war. Rechtsgeschichtlich bemerkenswert ist der Hinweis des Verfassers auf die
„weitgehend gleichlautenden Formulierungen, nach denen eroberte Länder,
Kolonien, Forts und Inseln dem Staat zurückzugeben waren, unter dessen
Oberhoheit sie vor Kriegsbeginn gestanden hatten“ (144)[7]. Mit der Rolle
der Niederlande, die ja durch den englischen König Wilhelm III. aus dem Hause
Oranien damals eng mit der britischen Seemacht verbunden war, beschäftigt sich Helmut
Gabel (Münster): „Ein ‚Ende auf Nimweguische arth’“? Der Friede von
Rijswijk und die Republik der Vereinigten Niederlande“ (151‑177).
Daß große
europäische Politik in Alteuropa oft auch mit regionalen Problemen verschränkt
war, zeigt der anschauliche Beitrag von Reginald De Schryver (Leuven)
über „Spanien, die Spanischen Niederlande und das Fürstbistum Lüttich während
der Friedenskonferenz von Rijswijk“ (179‑194). Mit Recht weist der
Verfasser gleich zu Beginn darauf hin, daß die Spanischen Niederlande spanisch‑habsburgischer
Kronbesitz waren, während das Fürstbistum Lüttich ein „selbständiges Fürstentum
des Heiligen Römischen Reiches“ (180) war, was sowohl rechtliche wie politische
Konsequenzen hatte. Wir erhalten ein faszinierendes Bild von dem Hin und Her der
Verhandlungen, in denen insbesondere auch um die Rückgabe von Luxemburg an
Spanien gerungen wurde. Vorzüglich gelungen ist auch der Beitrag von Matthias
Schnettger (Mainz), der auch den Aufstieg des Herzogtums Savoyen‑Piemont
zur Regionalmacht behandelt: „Zwischen Spanien, Frankreich und dem Kaiser.
Italien zur Zeit des Friedens von Rijswijk“ (195-218). Verdienstvoll ist auch
der Beitrag von Werner Buchholz (Greifswald), der sich mit der
schwierigen Rolle, die dem im neunjährigen Krieg neutralen Schweden in den
Friedensverhandlungen zugefallen war, beschäftigt: „Zwischen Glanz und
Ohnmacht. Schweden als Vermittler des Friedens von Rijswijk“ (219‑255).
Kompliziert war diese Rolle dadurch, daß zum einen in Schweden während der Friedensverhandlungen
ein Thronwechsel stattfand und dass zum anderen durch die zwischen dem
französischen König und dem römisch‑deutschen Kaiser überraschend
vereinbarte Rijswijker Klausel zugunsten der katholischen Kirche die Rolle
Schwedens als protestantische Schutz‑ und Garantiemacht des Westfälischen
Friedens (und als Inhaber der Reichsstandschaft für die schwedischen Gebiete in
Deutschland) tangiert wurde[8]. Die
völkerrechtliche Stellung der traditionell im internationalen Bereich
agierenden größeren Reichsstädte wird verdeutlicht durch den Beitrag von Antekathrin
Graßmann (Lübeck), „Lübeck auf dem Friedenskongreß zu Rijswijk. Chancen und
Probleme für eine Reichs‑ und Hansestadt“ (257‑269). Die
Verfasserin betont auch mit Recht die besondere Aufmerksamkeit, die Frankreich
der alten Vormacht der Hanse widmete[9]. Mit den
Auswirkungen der schon erwähnten Klausel zugunsten der katholischen Kirche in
Art. IV des französisch‑kaiserlichen Vertrages beschäftigt sich Christoph
Flegel (Odernheim): „Die Rijswijker Klausel und die lutherische Kirche in
der Kurpfalz“ (271‑279).
Eine
wertvolle Bereicherung des Sammelbandes bietet der kurze, geschliffene (wenn
auch ohne Anmerkungen verfaßte) Beitrag von Jacek Staszewski (Torun):
„Frieden im Westen ‑ im Osten Vorbereitung zum Krieg“ (281‑289), in
dem die 1697 erfolgte Wahl und Krönung des sächsischen Kurfürsten Friedrich
August II. zum polnischen König ‑ eine gravierende Niederlage der
französischen Diplomatie - historisch gewürdigt wird. Höchst verdienstvoll ist
der weltpolitische Ausblick nach Südosten, den auf der Grundlage auch eigener
Archivstudien Ernst D Petritsch (Wien) eröffnet: „Rijswijk und
Karlowitz. Wechselwirkungen europäischer Friedenspolitik“ (291 ‑311). Die
zeitliche Nähe des militärischen Sieges, den Prinz Eugen von Savoyen als
kaiserlicher Feldherr im September 1697 in Ungarn gegen das osmanische
Reichsheer erzielte, zum Friedensschluß in Rijswijk, ist den meisten
Beobachtern der westeuropäischen Geschichte selten im Gedächtnis. Instruktiv
werden vom Verfasser die Verhandlungen geschildert, die 1699 zu dem durch
England und die Niederlande vermittelten Friedensvertrag von Karlowitz führten
(299ff.), mit dem Kaiser Leopold I. und der türkische Sultan Mustafa II. auf
fünfundzwanzig Jahre Frieden schlossen[10].
Der
abschließende kurze, aber reichhaltige Beitrag stammt von dem Herausgeber des
Bandes, Heinz Duchhardt (Mainz): „Der Friede von Rijswijk in der
Perspektive der Nachwelt“ (313‑320), in dem namentlich auch die früher
bei deutschen Autoren überwiegende Sicht kritisch dargestellt wird.
Die Benutzung des reichhaltigen Bandes wird durch ein Personenregister (323‑331) und ein Sachregister ( 333‑340) erleichtert.
3. Wer
immer sich künftig mit dem Frieden von Rijswijk beschäftigt, wird Heinz
Duchhardt und seinen Mitautoren für den von ihnen vorgelegten Sammelband
dankbar sein. Ihre eindrucksvollen historischen Forschungen machen indessen
eine dem heutigen Forschungsstand entsprechende spezifisch rechtshistorische
Aufarbeitung der Rijswijker Friedensverträge, die bisher noch nicht umfassend
geleistet ist, keinesfalls entbehrlich. Einiges ist oben (unter 1.) schon
angeklungen. Ulrich Scheuner hat schon vor über einer Generation „Die
großen Friedensschlüsse als Grundlage der europäischen Staatenordnung zwischen
1648 und 1815“[11]
hervorgehoben. In die Tradition, in späteren Friedensverträgen auf die
voraufgegangenen Verträge ausdrücklich zu verweisen[12], reiht sich
auch der Frieden von Rijswijk ein. Im französisch‑kaiserlichen Vertrag
von Rijswijk namentlich werden in Art. III der Westfälische Frieden und der
Frieden von Nimwegen ausdrücklich als Grundlage des gegenwärtigen
Friedensvertrages genannt (Pacis huius
basis et fundamentum sit pax Westphalica et Neomagensis etc.). Auch die
Friedensklausel in Art. I (Pax sit
Christiana, universalis et perpetua, veraque amicitia inter etc.[13])
entspricht nahezu wörtlich der 1648 gewählten Formulierung in den Verträgen
von Münster und Osnabrück[14]. Wie in den
Präambeln dieser Verträge geschieht auch in den Präambeln der 1697
geschlossenen Friedensverträge die vertragliche Einigung „zur Ehre Gottes und
zum Heil der Christenheit“[15]. Diese
Hinweise müssen hier genügen. Für die Bewertung des Rijswijker Friedens schon
in der Mitte des 18. Jahrhunderts ist
schließlich die Äußerung des Abbé Gabriel Bonnot de Mably in seinem
epochemachenden „Le Droit Public de l’Europe, fondé sur les traités“
bemerkenswert: „Aucune paix n’a été plus critiqué que celle de Ryswick, et rien
ne prouve mieux que ces critiques, combien l’Europe étoit encore éloignée des
saines idées de politique“.[16]
Hamburg Karl‑Heinz
Ziegler
[1] Vgl. dazu auch den Artikel „Ryswicker Friede“ von R. Hoke, Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte (HRG) Bd. 4 Sp. 1214ff. (1988).
[2] Französischer Originaltext jetzt in: The Consolidated Treaty Series (CTS), ed. C. Parry, Bd. 21 S. 349ff.
[3] Lateinischer Originaltext jetzt in: CTS Bd. 21 S. 411ff.
[4] Französischer Originaltext jetzt in: CTS Bd. 21 S. 455ff.
[5] Lateinischer Originaltext jetzt in: CTS Bd. 22 S. 7ff.
[6] Vgl. dazu etwa B. G. Struve, Corpus Iuris Publici Academicum, 2. Aufl. Jena 1734, bei dem (S. 786ff.) das Instrumentum Pacis Ryswicensis zwischen der Reichshofrats‑Ordnung von 1654 und der Wahl‑Kapitulation Kaiser Karls VI. von 1711 eingeordnet ist.
[7] Treffend auch die Bemerkung des Verfassers 144 Anm.76: „Die Texte der Friedensverträge vom 20. September zeigen, welche Mühe darauf verwendet worden ist, sie dort, wo dies möglich erschien, in Aufbau, Wortwahl und Bestimmungen parallel und gleichlautend zu gestalten und zu formulieren. Insofern ist es berechtigt, von einem Friedensschluß zu sprechen.“
[8] Vgl. dazu nur die Hinweise in meinem Beitrag über „Die Bedeutung des Westfälischen Friedens von 1648 für das europäische Völkerrecht“, Archiv des Völkerrechts 37 (1999) 129ff. (bes. 141f. und 136ff.).
[9] Vgl. dazu die schon in einem Privileg König Karls VIII. von 1489 gebrauchte, von Franz I. (1536), Heinrich II. (1552), Heinrich IV. (1604) und noch von Ludwig XIV. (1655) wiederholte Formulierung „nos tres‑chers, grands amis et confederez“ für die Vertreter der Hanse; die Urkunden hat schon G. W. Leibniz in seiner „Mantissa Codicis Iuris Gentium Diplomatici“ (Hannover 1700) Pars II S. 176ff. zusammengestellt.
[10] Zur rechtsgeschichtlichen Bewertung vgl. auch meinen Beitrag über „Völkerrechtliche Beziehungen zwischen der Habsburgermonarchie und der Hohen Pforte“, Zeitschr. f. Neuere Rechtsgeschichte 18 (1996) 177ff. (185f.).
[11] In: Spiegel der Geschichte. Festgabe für Max Braubach, Münster 1964, 220ff.
[12] Vgl. dazu auch die Hinweise in meinem Studienbuch „Völkerrechtsgeschichte“, München 1994, S. 186f.
[13] In Art. l des französisch‑englischen Friedens heißt es: pax sit universalis perpetua veraque, et sincera amicitia; im französisch‑niederländischen Friedens dagegen „une Paix bonne, ferme, fidelle et inviolable“, im französisch‑spanischen Frieden wiederum „une bonne, ferme et durable Paix, Conféderation et perpetuelle Alliance et Amitié“.
[14] Vgl. dazu meinen in Anm. 8 angeführten Beitrag, S. 143 mit Anm. 79.
[15] Französisch‑kaiserlicher Vertrag: ad Divini Numinis gloriam et Christianae Reipublicae salutem; entsprechend der französisch‑englische Vertrag; französisch‑niederländischer und französisch‑spanischer Vertrag jeweils: „à la gloire de Dieu, et pour le bien de la Chrêtienté“.
[16] Zitiert nach den „Oeuvres complètes de l’Abbé de Mably“, Nouvelle Edition, Toulouse-Nismes 1793, Bd. 8 S. 314; das VI. Kapitel seines „Droit Public de l’ Europe“ (ebd. 308‑341) hat Mably überschrieben „Pacification de Ryswick“.