WassermannPieper20000725 Nr. 10025 ZRG 118 (2001)
Pieper, Karl-Heinz, Palais im Park. Vom
Erbgroßherzoglichen Palais zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe (= Juristische
Studiengesellschaft 240). C. F. Müller, Heidelberg 1999, X, 75 S.
Die
beeindruckenden Justizpaläste, die im 19. Jahrhundert für die obersten Gerichte
europäischer Staaten im Stil der Zeit errichtet wurden, verstanden sich als
Herrschaftsarchitektur, die Macht und Stärke des Rechts zum Ausdruck bringen
sollte, spiegelten aber auch das Selbstgefühl des liberalen Bürgertums wider,
das Recht und Justiz als Palladium bürgerlicher Freiheit betrachtete. Als
besonders gelungen galt der Wiener Justizpalast, dem Zeitgenossen attestierten,
daß er Anmut mit Würde verband. Als 1950 der Deutsche Bundestag Karlsruhe zum
Sitz des Bundesgerichtshofs bestimmte, dachte man ‑ anders als beim
Bundesverfassungsgericht ‑ nicht daran, einen auf die Bedürfnisse des
Gerichts zugeschnittenen Neubau zu errichten. Das oberste ordentliche Gericht
der Bundesrepublik Deutschland wurde vielmehr in einem privaten Palais in der
Karlsruher Herrenstraße untergebracht, das Ende des 19. Jahrhunderts für den
Sohn des Großherzogs von Baden erbaut wurde. Dabei ist es geblieben. Die
Wiedervereinigung bot die Chance, das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig zu
beziehen, in dem das oberste deutsche Gericht bis 1945 sein Domizil hatte. Der
Bundesgerichtshof lehnte jedoch den Umzug ab. In den letzten Jahren wurde das
Erbgroßherzogliche Palais, das nun den Bundesgerichtshof auf Dauer beherbergt,
zum 50jährigen Bestehen des Gerichtshofs gründlich renoviert, so daß die alte
Pracht des Palais, das nach den Worten seines Präsidenten Geiß für den
Bundesgerichtshof „hohe emotionale Relevanz“ hat, wiederhergestellt ist. Für
einen Erweiterungsbau, der u. a. die große juristische Bibliothek aufnehmen
soll, wurde der Grundstein gelegt.
Karl‑Heinz
Pieper ist dafür zu danken, daß nunmehr jene ausführliche
Beschreibung des Palais und seiner Geschichte vorliegt. Zunächst geht der Autor
auf den Architekten Josef Daum (1837‑1919) ein, der sich zunächst durch
den Bau von Geschäfts‑ und Privathäusern einen Namen machte, aber auch
kommunale Bauaufträge ausführte, 1886 Ehrendoktor der Karlsruher Technischen
Hochschule wurde und ein Jahr später die Leitung der Oberbaudirektion des
Großherzogtums übernahm. Zu den von ihm erbauten Gebäuden gehört das Karlsruher
Oberlandesgericht. Um das Erbgroßherzogliche Palais, das dem herrschenden
Historismus entsprechend im Neobarock errichtet wurde, kam es zu heftigen
Auseinandersetzungen, die zur Versetzung des „badischen Baugewaltigen“ in den
Ruhestand führten. Professor Friedrich Ratzel (1869‑1906) führte das Werk
fort, wobei auf sein Konto vornehmlich die innere Ausgestaltung des Gebäudes
ging.
Im
Mittelpunkt der Schilderung steht eine konkrete, in die Einzelheiten gehende
Rekonstruktion des Palais, seiner Räume und seiner Nebengebäude. Die Grundrisse
und vor allem die zahlreichen Fotos insbesondere der Säle geben ein plastisches
Bild. Das Treppenhaus im Hauptgebäude und der ehemalige prunkvolle Speisesaal,
der heute der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe als Vortragssaal
dient, beeindrucken die Besucher. Viel Raum widmet der Verfasser dem
wechselvollen Schicksal des Palais und seinen Bewohnern. Er schildert den
großherzoglichen Hofstaat (der Erbgroßherzog wohnte auch nach seinem
Regierungsantritt weiter im Palais), die Verwendung des Palais als Ministerium
in der Republik (ab 1920) und als Dienststelle des Badischen
Reichsarbeitsdienstes (ab 1933), schließlich die Wirkung der alliierten
Luftangriffe im Jahre 1944. Bei dem Wiederaufbau des Palais wurde das
Mansardendach durch ein flachgedecktes zusätzliches Obergeschoß ersetzt, das,
wie der Verfasser zu Recht sagt, dem Gebäude viel von seiner ursprünglichen
Schönheit genommen hat. Bei der Renovierung sind jetzt die Kuppel erneuert und
die in dem Gebäude angelegt en Achsen hergestellt worden.
Dem
Literaturverzeichnis hätte größere Sorgfalt gut getan. Bei den
Schrifttumsangaben fehlen zum Teil die Verfasser, zum Teil die Angaben über
Jahreszahl oder Erscheinungsort. Weniger fällt ins Gewicht, daß dem ersten
Präsidenten des Bundesgerichtshofs das zweite „f“ in seinem Namen vorenthalten
wird (S. 55). Schwerlich nachvollziehbar ist die wohl dem Zeitgeist geschuldete
Formulierung, der Prachtbau solle durch seine Erscheinung dem rechtsuchenden
Bürger Schutz und Sicherheit vermitteln (S. 63). Ein Gebäude, das ein
Revisionsgericht beherbergt, wird kaum von Bürgern, fast nur von Juristen
aufgesucht. Besser hätte man davon sprechen können, daß das Palais ein würdiges
Domizil für das oberste ordentliche Gericht Deutschlands ist.
Goslar
Rudolf Wassermann