ValentinitschWestermann20000214 Nr. 335 ZRG 118 (2001)

 

 

Westermann, Angelika, Entwicklungsprobleme der Vorderösterreichischen Montanwirtschaft im 16. Jahrhundert. Eine verwaltungs-, rechts-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Studie als Vorbereitung für einen multiperspektivischen Geschichtsunterricht. Forschen – Lehren – Lernen (= Beiträge aus dem Fachbereich IV – Sozialwissenschaften - der Pädagogischen Hochschule Heidelberg 8). Schulz-Kirchner, Idstein 1993. 220 S.

Im 16. Jahrhundert umfaßten die habsburgischen Vorlande in Südwestdeutschland und im heutigen Frankreich mehrere Territorien unterschiedlicher Größe. Als Regalherren wandten die Habsburger dem vorderösterreichischen Montanwesen ihre besondere Aufmerksamkeit zu. Sie waren bestrebt, den Abbau und die Verhüttung der hier befindlichen Silbererze durch gezielte Maßnahmen in der Verwaltung und im Rechtswesen zu fördern. In der vorliegenden Monographie werden nun der Verwaltungsaufbau sowie die vielfältigen Beziehungen zwischen dem Regalherren und den am Montanwesen beteiligten Personen untersucht. Die Verfasserin stützte sich dabei auf das im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck aufbewahrte umfangreiche Quellenmaterial der als Zentralbehörde für Vorderösterreich zuständigen Oberösterreichischen Kammer. In der Einleitung grenzt die Verfasserin den Forschungsgegenstand ab und befaßt sich sehr eingehend mit methodischen Fragen. Ein eigener Abschnitt beschäftigt sich mit den Amtssitzen der vorderösterreichischen Montanverwaltung und deren funktionaler Bedeutung. Besonders ergiebig für den Rechtshistoriker ist der Abschnitt über das Bergrecht. Eine zentrale Stellung nimmt hier die 1517 von Kaiser Maximilian I. in Anlehnung an das Schwazer Bergrecht für die Vorlande erlassene Bergordnung ein. Dieses überregional geltende Bergrecht sollte die Stellung des Regalherren festigen und zugleich die Rechtssicherheit im Montanwesen erhöhen. In der Vorderösterreichischen Bergordnung wird dem Bergrichter eine besondere Rolle eingeräumt. Als landesfürstlicher Beamter erhielt er ein festes Gehalt, durfte sich aber in seinen Revieren nicht privat am Bergbau beteiligen. Seine Zuständigkeit im Gerichtswesen wurde erweitert und auch auf Zivilsachen ausgedehnt. Zahlreiche Artikel legten die verschiedenen Verwaltungs- und Kontrollaufgaben des Bergrechtes fest. Das Allgemeine Berggericht sollte viermal im Jahr einberufen werden. Interessant ist die freilich recht kostspielige Möglichkeit, bei den übergeordneten landesfürstlichen Behörden Berufung gegen das Berggericht einzulegen. Mit den Rechten und Pflichten der Gewerken befassen sich nur relativ wenige Artikel der Bergordnung. Als Vertreter der Gewerken fungierte ein Verweser, der dem vom Landesfürsten eingesetzten Bergrichter gegenüberstand. Die Arbeits- und Lohnverhältnisse wurden durch zahlreiche Bestimmungen geregelt. Die Verf. unterscheidet hier in Anlehnung an das moderne Schichtenmodell zwischen Gewerken (Oberschicht), Lehenheuern (Mittelschicht) und Arbeitern (Unterschicht), wobei auch innerhalb der Gruppe der Arbeiter beträchtliche soziale Unterschiede bestanden.

Die Verfasserin vergleicht die Bergordnung Kaiser Maximilians I. mit der 1557 speziell für das Weilertal erlassenen Bergordnung und zeigt dabei Kontinuität und Wandel in der Bergrechtsentwicklung auf. Ein sehr umfangreicher Abschnitt behandelt einzelne Entwicklungsprobleme des vorderösterreichischen Montanwesens, wie die Wahrung der Regalhoheit, die Förderung von Investoren, die Sicherstellung der Versorgung der Bergleute sowie des Betriebsbedarfs und schließlich das Hüttenwesen. In der Zusammenfassung hebt die Verfasserin besonders hervor, daß das oberste Ziel der vorderösterreichischen Montanverwaltung darin bestand, die Einnahmen des Landesfürsten bzw. des Regalherren zu vermehren. Das unternehmerische Risiko trugen freilich nicht die Habsburger, sondern die Gewerken. Die verwendeten Aktenbestände lassen keine Aussagen über die tatsächlichen Gewinne und Verluste zu, weshalb die Verf. konkrete Vorschläge für weiterführende Forschungen auflistet.

Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, eine Verwaltungsgeschichte der Montanwirtschaft für einen „multiperspektivischen Geschichtsunterricht“ in der Sekundarstufe I heranzuziehen. Die Verf. untermauert ihre Thesen mit interessanten Vorschlägen. Eine Umsetzung in die Praxis würde allerdings von den Lehrern ein außerordentlich breites Fachwissen und ein überdurchschnittliches Engagement fordern. In diesem Kapitel werden auch 25 bisher nur wenig bekannte Zeichnungen aus dem 16. Jahrhundert abgebildet, die verschiedene Arbeitsvorgänge eines Bergbau- und Hüttenbetriebes zeigen. Einige Bilder sind für den Rechtshistoriker besonders interessant. So wird z. B. sehr deutlich, daß bestimmte Arbeiten im Montanwesen den Frauen vorbehalten waren. Bemerkenswert ist auch eine Abbildung über die Lohnauszahlung der Knappen. Sie wurde vom Bergwerksverwalter der Gewerken durchgeführt, erfolgte aber in Anwesenheit des Bergrichters, womit das Interesse des Landesfürsten an einer ungestörten Betriebsführung dokumentiert wird. Der Anhang enthält eine chronologische und eine synoptische Übersicht der in den einzelnen Revieren tätigen Amtsinhaber. Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis, mehrere instruktive Karten sowie Register runden die in vieler Hinsicht vorbildliche Arbeit ab. Insgesamt stellt die Monographie einen gelungenen Beitrag zur Montangeschichte Mitteleuropas im 16. Jahrhundert dar.

Graz                                                                                                                Helfried Valentinitsch