SchildtMagdeburger20000908 Nr. 723 ZRG 118 (2001)

 

 

Magdeburger Recht, Band 2 Die Rechtsmitteilungen und Rechtssprüche für Breslau. Teil 1 Die Quellen von 1261-1452 (= Mitteldeutsche Forschungen 89/II), Teil 2 Die Quellen von 1453 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts (= Mitteldeutsche Forschungen 89/II/2). Böhlau, Köln – Wien/Köln – Weimar– Wien 1989, 1995. XXXIV, 723 S., XLII, 817 S.

Da das Archiv des Schöppenstuhls bei der Zerstörung Magdeburgs durch Tilly im Jahre 1631 nahezu vollständig vernichtet wurde, läßt sich die Spruchtätigkeit des für das spätmittelalterliche Rechtsleben überaus bedeutsamen Magdeburger Oberhofes nunmehr nur noch über das in den Empfängerarchiven lagernde Material erschließen. Auf diese Weise entstanden einige ältere Editionen, bis in den vierziger Jahren im Rahmen der Arbeiten des Instituts zur Erforschung des Magdeburger Rechts von Klein-Bruckschwaiger das Breslauer Material transkribiert und zur Edition vorbereitet wurde. Die zweite Zerstörung Magdeburgs im Jahre 1945 vernichtete die zur Edition vorbereiteten Bände. Erst in den achtziger Jahren wurde das Vorhaben einer systematischen Rekonstruktion der Spruchtätigkeit des Magdeburger Oberhofes von Friedrich Ebel wieder aufgenommen. 1983 erschien mit Band 1: Die Rechtssprüche für Niedersachsen der erste Band eines ehrgeizigen Editionsprogramms zum Magdeburger Recht.[1]

Nunmehr liegt mit den 1989 bzw. 1995 erschienenen beiden Bänden für Breslau eine umfangreiche Edition vor, die mit dem Ziel einer vollständigen Erfassung des verfügbaren Materials der Forschung die an Breslau gerichteten Rechtsmitteilungen und Rechtssprüche zur Verfügung stellt. Dies ist um so wichtiger, als der Breslauer Schöppenstuhl seinerseits als Oberhof für schlesische und mährische Städte fungierte. Damit liegen nunmehr 720 Rechtsmitteilungen/Rechtssprüche aus der Zeit von 1321 bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in einer textkritischen Edition vor. Richtigerweise hat der Herausgeber sich dazu entschlossen, auch bereits gedruckte Stücke in seine Edition aufzunehmen, so daß sich ein vollständiges Bild der vorhandenen Überlieferung darbietet. Hinzu kommt, daß die älteren Drucke häufig schwer verfügbar, teilweise sogar kaum noch bibliographisch zu ermitteln sind. Ferner sind in die Edition auch die beiden bekannten Magdeburger Weistümer von 1261 und 1295, sowie die in Latein abgefaßte Rechtsmitteilung für Goldberg (1211-1238) aufgenommen worden; auch dies zweifelsohne eine sinnvolle Ergänzung.

Anders als in Band 1 für Niedersachsen werden die einzelnen Stücke für Breslau in chronologischer Reihenfolge mitgeteilt; abweichend davon wurde lediglich die Rechtsmitteilung für Goldberg an das Ende des zweiten Teiles plaziert. Beim Vergleich der beiden im Umfang etwa gleichgewichtigen Bände fällt auf den ersten Blick die ungleiche Anzahl der in jedem Band mitgeteilten Sprüche ins Auge. Während der erste Teilband für die etwa zwei Jahrhunderte von 1261 bis 1452 insgesamt 540 Rechtsmitteilungen/Rechtssprüche enthält, sind es im zweiten Teilband, der den Zeitraum von 1453 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts erfaßt, bei etwa gleichem Umfang lediglich 180 Sprüche; die jüngeren Quellen sind also um das drei- bis vierfache länger als die älteren.

Die beiden Bänden jeweils vorangestellte Einleitung ist insgesamt leider nur schwer zu handhaben, da sie beim Leser ein hohes Maß an speziellen Kenntnissen über den Problemkreis deutschrechtlicher Oberhöfe und deren quellenmäßigen Besonderheiten voraussetzt. Selbst dem mit dieser speziellen Problematik nicht sonderlich vertrauten Rechtshistoriker fällt es schwer, sich anhand des vom Herausgeber Mitgeteilten ein Bild von den quellenmäßigen Voraussetzungen der Überlieferung zur Geschichte des Magdeburger Oberhofes zu machen. Da Ebel kein Quellen- und Literaturverzeichnis anbietet, bereitet es einige Schwierigkeiten, einen Überblick zu gewinnen, wo die einzelnen Handschriften, auf die in der Einleitung Bezug genommen wird, heute verwahrt werden. Dies ist nur sehr mühsam über das insgesamt eher mißlungene Abkürzungsverzeichnis in Verbindung mit den Fußnoten erschließbar. Bei der Benutzung des Abkürzungsverzeichnisses ist es überaus lästig, daß dort gerade bei den gängigen Abkürzungen für die einzelnen Handschriften keine sachbezogene Auflösung vorgenommen wird, sondern lediglich auf Anmerkungen in der Einleitung verwiesen wird. Noch schwieriger wird dies im zweiten Teilband, wo dann zwangsläufig auf die Ausführungen im ersten Teilband verwiesen wird. Hier hätte mit einer kurzen verbalen Auflösung sehr viel zur Verständlichkeit beigetragen werden können. Bedauerlich ist ferner, wenn an verschiedenen Stellen die Edition der „ Summa der Rechte Weg gnant“ (RW) des Kaspar Popplau in Aussicht gestellt wird (Teil 2 S. XV) und auf deren Erscheinen an anderer Stelle (Teil 1 S. XX) verwiesen wird, ohne die in Aussicht genommene Stelle der Publikation näher zu bezeichnen.

Ebel hat seiner Quellenedition verschiedene Konkordanzen beigegeben, wobei die auch für Teil 1 relevante Konkordanz zur Summa der Rechte Weg gnant erst in Teil 2 nachgetragen wird. Bei der in Teil 2 zunächst angebotenen Konkordanz der Quellen und erfaßten Parallel-überlieferung (1. vgl. S. IXXff.) erscheint einigermaßen unvermittelt als erste Parallelüberlieferung Rep. 2. Worum es sich dabei handelt, läßt sich nur äußerst mühevoll über Teil 1 erschließen; gemeint sind damit nämlich die im Staatsarchiv Breslau unter der Repositur 2 „Magdeburger Schöffensprüche“ verwahrten originalen Sprüche. Hier hätte eine Übersicht über die einzelnen Handschriften und ihre jeweiligen archivalischen Standorte den Überblick wesentlich erleichtert.

Der Erschließung der einzelnen Rechtsmitteilungen/Rechtssprüche dienen ein Orts-, Personen- und Sachregister. Bei der Benutzung des Sachregisters muß sich der Leser jedoch darüber im klaren sein, daß es nicht auf Quellenbegriffen, sondern auf den vom Herausgeber in Form von Kopfregesten den jeweiligen Sprüchen vorangestellten Sachbegriffen basiert. Insoweit ist der Leser bei der Benutzung dieses Registers auf die interpretatorischen Vorleistungen des Herausgebers beschränkt. Gleichwohl bietet die vorgelegte Edition gute Voraussetzungen für eine quantifizierende Analyse, die mit den Mitteln moderner Datenverarbeitungstechnik relativ problemlos zu bewerkstelligen sein dürfte.

Eine seriöse Analyse inhaltlicher Schwerpunkte der Rechtsbelehrungen durch die Magdeburger Schöffen kann im Rahmen dieser Besprechung auch nicht ansatzweise geleistet werden. Auffällig ist aber immerhin, daß prozessuale und erbrechtliche sowie familienrechtliche und sachenrechtliche Probleme insgesamt recht häufig auftreten. Ausweislich des Sachregisters nehmen die Rechtssprüche demgegenüber relativ selten Bezug auf die ihnen zugrunde liegenden Rechtsquellen; Bezugnahmen auf magdeburgisches Rechts finden sich sechsmal, solche auf römisches Recht dreimal und auf sächsisches Recht lediglich zweimal. Hinzu kommen drei Verweise auf gemeines Recht; das ist gemessen an der Gesamtzahl der mitgeteilten Rechtssprüche eher bescheiden.

Alles in allem hat Ebel eine wertvolle textkritische Edition der für Breslau bestimmten Rechtsmitteilungen und Rechtssprüche des Magdeburger Oberhofes vorgelegt. Für künftige Editionen wäre es indes wünschenswert, wenn die Darstellung der quellenmäßigen Grundlagen der Edition benutzerfreundlicher gestaltet und durch eine analytische Einleitung angereichert werden würden.

Bochum                                                                                                          Bernd Schildt



[1] Allerdings finden sich in diesem Band nicht nur Rechtssprüche aus dem heutigen Niedersachsen, sondern zu einem guten Teil auch aus Sachsen-Anhalt und Thüringen.