PaulyHofmann20000720 Nr. 10138 ZRG 118 (2001)
Hofmann,
Hasso, Einführung in
die Rechts- und Staatsphilosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt 2000. 224 S.
Statt einer Einführung, wie der bescheidene Titel lautet, liefert Hofmann einen hochreflektierten Durchgang durch die Geschichte der praktischen Philosophie. Souverän präsentiert, positioniert und kritisiert der Autor die rechtsphilosophischen Klassiker, um sie für systematische Fragestellungen in beeindruckender Komplexität auszuwerten. Das anzuzeigende Werk untersucht in seinem ersten Teil den Begriff des Rechts im Horizont des „Rechten“. Hierbei werden die Antworten u. a. von Kelsen, Kant, Dworkin und Rawls sowie des Rechtsrealismus und diverser Anerkennungstheorien durchgespielt. Aus der Theoriegeschichte zieht Hofmann unübergehbare Einsichten, die wie Scherben einer zerbrochenen Wahrheit nebeneinanderliegen. Weil aber eine universell gültige Letztbegründung des Rechts nicht zu gelingen vermag, schreitet der Autor in einem zweiten Teil zur „philosophischen Aufarbeitung der je geschichtlich partikulären praktischen Vernunft einer Sozietät oder der kulturellen Einheit eines Rechtskreises“ (S. 69). Diese Einsicht in die historische wie kulturelle Relativität des Rechts soll den Weg in eine Rechts- und Staatsphilosophie pluralistischer Gesellschaften öffnen. Hierbei thematisiert Hofmann Gerechtigkeit als Negation von Ungerechtigkeit und spürt dem Sinn für Ungerechtigkeit u. a. nach in Kreons Verletzung des himmlischen Rechts in Sophokles’ „Antigone“ sowie in dem biblischen Gleichnis der scheinbar ungerecht entlohnten Arbeiter im Weinberg. Die unterschiedliche Aufnahme der Relativität zeigt auf der einen Seite Pascal, der deswegen auf die Macht setzt, und auf der anderen Seite die Stoa, die kosmopolitisch, zugleich aber fatalistisch ergeben reagiert (S. 90). In diesem Zusammenhang rekurriert Hofmann zudem auf Aristoteles, dessen Lehre allerdings zu Unrecht auf eine privatrechtliche Tauschgerechtigkeit und eine öffentlich-rechtliche Zumessungslehre reduziert werde. Ein Auslöser hierfür liege in der ersten lateinischen Übersetzung von 1246, auf die auch die thomistischen Termini iustitia commutativa bzw. iustitia distributiva zurückgingen (S. 99). Im dritten Teil entfaltet Hofmann die Rechtsidee freiheitsphilosophisch, ausgehend von Hobbes’ Friedensmodell über Locke und Rousseau bis Kant. Bei Hegel habe die Freiheit dann ihre Abstraktheit verloren, weil die Einzelnen dort ab ovo in ein historisch verortetes geistiges bzw. soziales Ganzes zurückgebunden erschienen (S. 187). Im vierten und letzten Teil widmet Hofmann sich der sozialen Gerechtigkeit. Grundsätzlich gelte, daß der Markt besser als jede andere menschliche Organisationsform zur Bedürfnisbefriedigung imstande sei (S. 212). Dennoch soll soziale Gerechtigkeit deswegen keine bloße Illusion darstellen. Auch hier bestehe die Möglichkeit einer negativen „Ungerechtigkeitsprüfung“ (S. 214), die ausgehend vom Empfinden der Anstößigkeit zu einem Diskurs über Verteilungsgerechtigkeit führen könne, der im Zeitalter des Globalismus selbstredend über den staatlichen Bereich hinausweisen müßte.
Jena Walter Pauly