LaufsReinhardt20000825 Nr. 10137 ZRG 118 (2001)

 

 

Reinhardt, Stefan, Die Darstellung der Revolution von 1848/49 in den Lebenserinnerungen von Carl Schurz und Otto von Corvin (= Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770-1850“ 27). Lang, Frankfurt am Main – Berlin – Bern – Brüssel – New York – Oxford – Wien 2000. 101 S.

Das Bändchen bietet ein geschichts‑ und literaturwissenschaftliches Lehrstück zu der altbekannten Erfahrung, dass „die Darstellung desselben historischen Ereignisses in autobiographischen Schriften unterschiedlich ausfällt“. Beide Bewegungsmänner und Freiheitshelden nahmen an den Kämpfen in der Pfalz und in Baden 1849 teil, Schurz (1829-1906) als Leutnant, von Corvin‑Wiersbitzki (1812‑1886) als Generalstäbler, und beide gehörten am Ende zu den Eingeschlossenen in der von preußischen Truppen belagerten Festung Rastatt. Schurz gelang die waghalsige Flucht durch einen Abwasserkanal. Von Corvin, der sich für die Kapitulation auf Gnade und Ungnade eingesetzt hatte, wurde durch ein preußisch‑badisches Standgericht zum Tode verurteilt; nach seiner Begnadigung verbüßte er sechs Jahre Einzelhaft in Bruchsal. Auf unterschiedlichen Wegen gelangten beide Achtundvierziger nach Nordamerika, wo Schurz bis zum Staatsmann aufstieg, während von Corvin als Korrespondent und Kriegsberichterstatter arbeitete, um schließlich als Journalist und Schriftsteller in Deutschland sein Brot zu verdienen. „Ein angesehener Minister im Ruhestand musste anders auf sein Leben zurückblicken als ein gestrandeter Glücksritter, der zeitlebens auf das falsche Pferd gesetzt hatte“.

Schurz erweist sich im ersten, 1906 auf deutsch, 1907 in amerikanischer Übersetzung erschienenen Band seiner „Lebenserinnerungen“ als gelassener und objektiver denn Corvin. Im Verrat der Fürsten, die ihre Versprechungen nicht hielten, sah er den wahren Grund für das Scheitern der Revolution. Die einseitige Verklärung der demokratischen Revolutionäre lag nicht in seiner Absicht. In Corvins vierbändigem, 1861 in Amsterdam herausgekommenen Werk „Aus dem Leben eines Volkskämpfers“ tritt das Bedürfnis des Autors nach Rehabilitierung stark hervor: er wollte für das Debakel der „Deutschen Legion“ und die Rastatter Kapitulationsbedingungen nicht verantwortlich gemacht werden. Das Büchlein erschließt die unterschiedlichen ideellen, charakterlichen und schicksalhaften Züge historischer Persönlichkeiten und trägt so zum besseren Verständnis der geschichtlichen Vorgänge in den Jahren 1848 ‑ 1849 bei.

Heidelberg                                                                                                        Adolf Laufs