KernGross20000306 Nr. 1035 und Nr. 1039 ZRG 118 (2001)
Gross, Norbert, Der
Code Napoléon in Baden und sein Verleger C. F. Müller. Eine
deutsch-französische Rechtsbegegnung. Ein Beitrag zur Verlagsgeschichte. C. F.
Müller, Heidelberg 1997, 48 S., mehrere Abbildungen.
Code Napoléon. Badisches Landrecht. Wegbereiter Deutscher
Rechtsgeschichte. Ausstellung in der Badischen Landesbibliothek anläßlich des
200. Jahrestages der Gründung des Verlages C. F. Müller 1797. Katalog bearb. v.
Müller-Wirth, Christof/Wagner, Christina. C. F. Müller, Heidelberg 1997.
200 S., mehrere Abbildungen.
I.
Im Mittelpunkt der zu besprechenden Schriften steht der Code
Napoléon als Badisches Landrecht, jeweils vorgestellt von Gross. Er ist
nicht nur der Verfasser der kleinen Schrift, sondern zugleich der Verfasser des
entsprechenden Abschnittes in dem Ausstellungskatalog. Grundlage für beide
Veröffentlichungen bildet sein 1993 erschienenes Bändchen „Der Code Civil in
Baden. Eine deutsch-französische Rechtsbegegnung und ihr Erbe“ in der
Schriftenreihe der Deutsch-Französischen Juristenvereinigung (Band 3). Der
Einzelband von 1997 ist eine leicht erweiterte Fassung dieses frühen Bandes,
sein Beitrag in dem Sammelwerk wiederum eine Kurzfassung beider.
II.
In seiner kleinen Schrift geht Gross auf die
Bedeutung das französischen Rechts für Deutschland im allgemeinen und Baden im
besonderen ein. Die Entstehungsgeschichte des Code civil fällt etwas sehr
oberflächlich und unwissenschaftlich aus. Neuere Literatur ‑ insbesondere
die von Bürge ‑ wird zwar zitiert, nicht aber wirklich
aufgenommen. So wird etwa immer noch die angebliche Modernität der
Eigentumsfreiheit des Gesetzbuches betont.
Die folgenden Kapitel hinterlassen einen positiveren
Eindruck. Die Darstellung der Übernahme des französischen Rechts als Badisches
Landrecht erfolgt sehr detailgenau und übersichtlich. Von noch größerem
Interesse sind dann die Ausführungen zum Inhalt und zur Bedeutung des Badischen
Landrechts. Insbesondere fällt hier auf, wie geschickt sich der Verfasser Brauer
verhielt, als er keine Änderungen des französischen Textes vornahm, sondern
lediglich Zusätze einfügte. In anderen Ländern gelang das nicht. In diesem
Zusammenhang sollte nach den zitierten Brauer-Texten einmal untersucht werden,
inwieweit Brauer als Montesquieu‑Schüler anzusehen ist und inwieweit
Montesquieu doch in die Vorgeschichte der deutschen historischen Schule gehört.
Die folgenden Erörterungen gelten der badisch‑französischen
Rechtsschule insbesondere in Heidelberg. Von hier aus wurde eine eher an der
Systematik orientierte Schule gegen die französische Exegetik begründet, der es
gelang, großen Einfluß auf die französische Entwicklung zu nehmen. Es bleibt
anzumerken, das die Bedeutung der Universität Bonn wohl etwas zu gering
eingeschätzt wird. Die abschließenden Kapitel dienen der Darstellung des
französischen Senats des Reichsgerichts und der Untersuchung des Einflusses auf
das Bürgerliche Gesetzbuch. Über die Arbeit des Reichsgerichts vor
Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ist wohl immer noch zu wenig
bekannt, obwohl ein Blick in einen der ersten 50 Bände der Entscheidungen schon
Aufschluß geben könnte. Bis kurz nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen
Gesetzbuches jedenfalls war das Reichsgericht eines der beiden bedeutenden
Gerichte, die zur Vereinheitlichung des französischen Rechts beitrugen. Den
Einfluß auf das Bürgerliche Gesetzbuch veranschlagt Gross eher gering.
Insgesamt ist zu bemerken, daß für den Einfluß auf die
deutsche Rechtsentwicklung ein gelungener Überblick vorliegt, dem zu wünschen
wäre, daß er auch für die Ausbildung zugänglich gemacht würde, zumal die
Lehrbücher in aller Regel diesem Aspekt eher wenig Bedeutung schenken. Zu
bedauern ist eine etwas unkritische, nicht auf der Höhe der Zeit befindliche
Diskussion über die Modernität des Code civil. In diesem Zusammenhang wird doch
etwas zuviel Weihrauch verbreitet. Das ist um zu verwunderlicher, als die
moderne Literatur weithin erfaßt ist. Auffällig ist allein, daß das
grundlegende Werk Werner Schuberts (Französisches Recht in Deutschland
zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977) fehlt. Alles in allem liegt also ein
jedenfalls für den Unterricht nützliches Werk vor, das aber auch manchen
Forschungsanstoß geben mag.
III.
Der Ausstellungsband enthält ‑ neben dem Beitrag von Gross
und den Begleittexten zur Ausstellung ‑ noch weitere Beiträge von
rechtshistorischem Interesse: Julius Federer, „Juristische Bücher des
19. Jahrhunderts aus dem Verlag C. F. Müller“, Bernhard R. Kroener,
„Johann Nikolaus Friedrich Brauer (1754‑1813)“, Christina Wagner
„Der Verlag C. F. Müller und die badische Zensur“, Rainer Fürst „Die
Diskussion um Nachdruck und Urheberrecht“ und „Der Verlag C. F. Müller und die
Badische Landesbibliothek“ sowie Christoph Bergfeld „Rechtsgeschichte
bei C. F. Müller von 1945 bis heute“. Die weiteren Beiträge sind eher von
verlagshistorischem Interesse und werden hier nicht mitbesprochen.
Bei dem Beitrag Federers handelt es sich um eine neue
Publikation eines Aufsatzes von 1970. Federer beschreibt kurz den Inhalt
der wesentlichen juristischen Bücher, die bei C. F. Müller erschienen sind.
Dazu gehören nicht nur die Gesetze, wobei an erster Stelle das Badische
Landrecht zu nennen ist, sondern insbesondere auch der dazugehörige Kommentar Brauers
sowie das Werk „Ueber deutsche Nationalgesetzgebung“ von Anton Christ aus dem
Jahre 1842.
Auch der sehr knapp gehaltene Beitrag über Brauer ist ein
Neudruck. Kroener beschäftigt sich im wesentlichen mit den Stationen von
Brauers Karriere und mit seiner Teilnahme an der Überarbeitung des Code civil.
Eine geistesgeschichtliche Einordnung fehlt. Immerhin werden die Studienorte,
darunter Göttingen, erwähnt.
Der folgende Beitrag Wagners behandelt die
Entwicklung der Zensurvorschriften in Baden seit den letzten Jahrzehnten des
Alten Reiches bis zum liberalen Pressegesetz des Jahres 1832. An den
entsprechenden Stellen wird auf die Auswirkungen auf den C. F. Müller Verlag
eingegangen. Das gilt insbesondere für die Zeitungsprojekte.
Die beiden Beiträge von Rainer Fürst haben
urheberrechtsgeschichtliche und verwandte Fragen zum Gegenstand. Zum einen
handelt es sich um das „Bureau der deutschen Classiker“, in das der Verlag C.
F. Müller unmittelbar nach dem Tod der jeweiligen Autoren deren Werke aufnahm,
ohne dafür die Einwilligung einzuholen oder Tantiemen zu zahlen. Diese
Vorgehensweise entsprach der Rechtslage nach dem Badischen Landrecht. Als sich
die rechtliche Situation 1835 im Deutschen Bund änderte, stellte C. F. Müller
sein diesbezügliches Unternehmen ein. Der zweite Beitrag Fürsts „Der
Verlag C. F. Müller und die Badische Landesbibliothek“ gibt einen interessanten
Abriß über die Geschichte der rechtlichen Grundlagen für die Abgabe von
Pflichtexemplaren und stellt dieses Institut in seiner Verbindung einerseits
zur Zensur und andererseits zum Urheberrecht dar.
Der Artikel Bergfelds über die rechtsgeschichtlichen
Werke aus dem Verlag C. F. Müller seit 1945 erstaunt den Leser wegen der Fülle
führender Lehrbücher, die in diesem Verlag erschienen ist. Genannt seien nur
die „Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte“ von Molitor, die Schlosser
zu einem vollwertigen Lehrbuch ausbaute, die „Deutsche Rechtsgeschichte“ von Hermann
Conrad und der Kleinheyer/Schröder, der wohl weithin den
biographischen Zugang zur Rechtsgeschichte überhaupt erst eröffnet hat.
Wirkliche Ausfälle sind kaum zu verzeichnen. Insgesamt handelt es sich also um
ein erstaunliches Verlagsprogramm.
IV.
Alles in allem geben die besprochenen Bände einen
informativen Einstieg in die neuere Badische Rechtsgeschichte, darüber hinaus
auch in die Wirkungsgeschichte des französischen Rechts in Deutschland. Da die
Badische Rechtsgeschichte ansonsten nicht unbedingt in Hochblüte steht, sind
beide eher populärwissenschaftlichen Werke von großem Nutzen und sollten in
der Rechtsgeschichte Beachtung finden.
Leipzig Bernd‑Rüdiger
Kern