EbelVanniekerk20000627
Nr. 10098 ZRG 118 (2001)
Van Niekerk, Johan
Petrus,
The Development of the Principles of Insurance Law in the Netherlands from 1500
to 1800. Juta, Kapstadt 1998. XL, 1546
S.
Die Geschichte des Versicherungsrechts scheint Konjunktur zu
haben. Nach der umfassenden Monographie K. Nehlsen‑v. Stryks über
die venezianische Seeversicherung[1] folgte die
vertiefte Darstellung des österreichischen Versicherungswesens von W. Ogris[2], dazu traten
Hilfsmittel für die deutsche Entwicklung[3] (jeweils für
verschieden Zeiträume). Nunmehr liegt mit der Abhandlung van Niekerks
die Geschichte des mit London sicher wichtigsten Versicherungsfeldes für den
nord‑ und westeuropäischen (See‑)Handel, nämlich den Niederlanden
vor. Die zeitlichen Grenzen sind mit 1500[4], dem massierten
Auftauchen der Assekuranz in den Handelsmetropolen Hollands einerseits, der
Kodifikationsepoche[5]
ab der Napoleonischen Zeit zum anderen nachvollziehbar vorgegeben.
Einleitend wird ein Blick auf die allgemeine Entwicklung des
Versicherungsvertrages unter Abgrenzung von anderen Vertragstypen des römischen
Rechts, im Mittelalter, insbesondere der Bodmerei, des cambium maritimum, der commenda
und anderer Gestaltungen der seerechtlichen Risikoteilung gegeben. Das führt
den Verfasser alsbald in das Gebiet des roman-dutch law, das eine spezifische
Theorie des Interesses entwickelt und teilweise auch gesetzlich festlegt. Kap.
III (S. 175ff.) führt dann zum Kern des Versicherungsvertrages. Es werden die
wohl ewigen Fragen erörtert, die Juristen seit Auftreten der Versicherung
bewegen, wie die nach der Rechtsnatur des Versicherungsvertrages. Er wird als
gegenseitiger, entgeltlicher Vertrag gesehen. was zuerst Grotius festgestellt
habe (S. 187ff.), der nämlich die Geldzahlung gegen Risikoübernahme setze. Das
nächste große Kapitel dieses ersten Teils ist der Behandlung des
Versicherungsvertrags durch die Gerichte gewidmet, wobei zunächst die Handels‑
und Versicherungsgerichte bzw. ‑kammern vorgestellt werden, auch ein
Blick auf London und Hamburg erfolgt. Eine besondere Rolle spielen insoweit
auch Gewohnheiten für die Bewertung und Ausgestaltung der
Versicherungsverträge.
Die Prinzipien des Versicherungsrechts bilden den Inhalt des
zweiten Teils (B) des Werkes, also die innere Ausgestaltung, wobei die Seeversicherung
naturgemäß Ausgangs‑ und Schwerpunkt der Darstellung ist, aber auch
andere Versicherungszweige (Binnentransportversicherung, Sklavereiversicherung,
Rückversicherung) abgehandelt werden. Es können hier nicht alle Einzelheiten
des ungeheuer materialreichen Buches nachgezeichnet werden, sondern es möge der
Hinweis genügen, daß alle wichtigen Aspekte vertieft behandelt werden. Ob es
die Seite der Versicherer ist, die Einbeziehung Dritter in den
Versicherungsvertrag, die Prämie oder Fragen der Gefahrverwirklichung ‑
bis hin zum Versicherungsbetrug findet alles seine Darstellung. Der Verfasser
wertet dabei die Literatur der Zeit gründlich aus, häufig beginnend mit
Grotius, aber vor allem auch die zivilistischen und handelsrechtlichen Autoren
vom 16. bis 18. Jahrhundert. Bemerkenswert gründlich und offenbar vollständig
ist die Berücksichtigung der Gesetze, Ordnungen usw. der wichtigen
Handelsplätze der Niederlande, die nicht selten in Beziehung gesetzt werden zu
den Quellen der übrigen Handelsmetropolen Nordwesteuropas; namentlich der
Einfluß von London und der auf Hamburg sind hier wie schon angedeutet sichtbar.
Daß sich in diesen Quellen auch die forensische Praxis widerspiegelt, muß kaum
hervorgehoben werden.
So ist ein Werk entstanden, das eine umfassende Abhandlung
des frühmodernen niederländischen Versicherungsrechts enthält, über die vielen
Details hinaus aber auch die großen Linien erkennen läßt und die gewichtige
Rolle des roman‑dutch law für dieses Rechtsgebiet erweist.
Berlin‑Dahlem Friedrich
Ebel
[1] K. Nehlsen‑v. Stryk, Die venezianische Seeversicherung im 15. Jahrhundert, Ebelsbach 1986; vgl. dazu die Besprechung in dieser Zeitschrift 106 (1989), S. 418‑426.
[2] W. Ogris, Zur Entwicklung des Versicherungs‑Aufsichtsrechts und der Versicherungsvertragsrechte in Österreich von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Monarchie, in: W. Rohrbach (Hg.), Versicherungsgeschichte Österreichs Bd. 2 (Wien 1988), S. 1‑152.
[3] W. Ebel u. F. Ebel, Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts in Deutschland. Karlsruhe 1993; vgl. dazu die Anzeige in dieser Zeitschrift 111 (1994), S. 772, sowie neuere lexikalische Artikel, vgl. P. Koch HdV (1988) S. 223ff.; F. Ebel HdV, S. 617ff.
[4] Merksteine die Ordinantie nopende de wissel brieven ende Assecurantien 1537.
[5] Vorheriger Eckpunkt die Vorschriften über Versicherung und Haverei von Amsterdam 1756/77.