BuschmannOhler20000314 Nr. 1034 ZRG 118 (2001)
Ohler,
Norbert, Krieg und Frieden im
Mittelalter (= Beck’sche Reihe 1226). Beck, München 1997. 366 S.
Die vorliegende Studie ist für einen breiteren Leserkreis gedacht und soll über das Problem von Krieg und Frieden im Mittelalter anhand der Auswertung von Schriftquellen, aber auch von gegenständlichen Quellen unterrichten. Der Verfasser beginnt mit einer Erörterung über die im Mittelalter verwendeten Begriffe von Krieg und Streit sowie die verschiedenen Friedensformen, die uns aus dieser Zeit überliefert sind. Es folgen geographische, klimatologische, wirtschaftliche und technologische Ausführungen über das Umfeld von Krieg und Frieden, die der Verfasser unter dem Stichwort „Grundgegebenheiten von Krieg und Frieden“ zusammenfaßt und die dazu dienen sollen, die Rolle des Krieges in der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des mittelalterlichen Lebens zu beleuchten. Ausführlich beschäftigt sich der Verfasser mit dem Verhältnis von religiösen Vorstellungen zum Krieg bzw. zur Führung von Kriegen, für die es im Mittelalter reichlich Anschauungsmaterial gibt. Behandelt werden auch die militärischen Abwehrmaßnahmen und deren Formen sowie die verschiedenen militärischen Organisationsformen, ferner die verschiedenen Ursachen kriegerischer Auseinandersetzungen, deren verschiedene Arten, die vom Verfasser als „Typen von Kriegen“ bezeichnet werden, sowie die verschiedenen Phasen der militärischen Auseinandersetzungen im einzelnen. Den Schluß bildet eine Darstellung der Folgen eines militärischen Sieges für den unterlegenen Gegner sowie der verschiedenen Versuche, kriegerische Auseinandersetzungen zu verhindern oder die diesen vorausliegenden Konflikte auf andere Weise zu lösen – Maßnahmen, die heutzutage als Konfliktvermeidung bezeichnet werden. Mit einem Ausblick auf die zeitlos gültige Friedenssehnsucht der Menschen und das sich daraus ergebende Gebet um Frieden – Friede als Gnade und Geschenk Gottes verstanden – beschließt der Verfasser seine Ausführungen.
Lebendig
und anschaulich geschrieben versucht das Buch das Thema Krieg und Frieden im
Mittelalter in seiner Gesamtheit unter Einbeziehung sämtlicher Gesichtspunkte
zu behandeln und dem interessierten Leser vor Augen zu stellen. Hierbei geht
der Verfasser zu Recht von der Vorstellung aus, daß Krieg und Frieden keine
Phänomene sind, die sich auf einzelne Lebensbereiche beschränken, sondern im
Gegenteil die Totalität des menschlichen Lebens erfassen und dementsprechend
auch im Gesamtzusammenhang des menschlichen Daseins erörtert werden müssen.
Dies gilt, wie man weiß, für die Gegenwart und die jüngste Vergangenheit, gilt
aber ebenso, wie der Verfasser darzutun bemüht ist, für das Mittelalter. Daß dem Verfasser bei seiner Darstellung nicht selten
Pauschalurteile unterlaufen, ist gelegentlich von anderen Rezensenten gerügt
worden und soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Auch der
zuweilen doch etwas freie Umgang mit Quellenbelegen mag hier nur erwähnt, nicht
hingegen im einzelnen besprochen werden, ebensowenig wie fehlende Erwähnung
wichtiger, für das Thema unmittelbar einschlägiger Rechtsquellen. Gewichtiger
dagegen ist der Einwand, daß mit der Formulierung des Themas „Krieg und Frieden
im Mittelalter“ eine unzulässige Verallgemeinerung für die verschiedenen Formen
der Konflikte und Konfliktbeseitigungen im Mittelalter vorgenommen worden ist,
die den tatsächlichen Verhältnissen im Mittelalter, soweit sie von der
bisherigen Forschung rekonstruiert worden sind, nicht gerecht wird. Der Begriff
des Krieges wie der des Friedens in dem vom Verfasser verwendeten Sinn sind zu
moderne Begriffe, als daß sie für die Erklärung mittelalterlicher Lebensformen
in dieser verallgemeinernden Weise verwendet werden dürften. Hier hätte es
einer sorgfältigen Differenzierung bedurft, auch wenn es sich bei der
vorliegenden Studie um ein Buch für einen breiteren Adressatenkreis von
historisch Interessierten handelt. Möglicherweise wäre es sogar besonders
reizvoll gewesen, die verschiedenen Formen der Konflikte und Konfliktbeseitigungen
im einzelnen zu erörtern und die Reichhaltigkeit der Lösungen vor Augen zu
stellen, die im Mittelalter entwickelt wurden, wie dies etwa in jüngster Zeit
von G. Althoff und anderen versucht worden
ist. Schade, daß diese Chance vertan worden ist und statt dessen eine eher
pauschale Darstellung geliefert wurde.
Salzburg Arno
Buschmann