Zwischen Seelsorge und Politik. Katholische Bischöfe in der NS-Zeit, hg. v. Zumholz, Maria Anna/Hirschfeld, Michael. Aschendorff, Münster 2018. 817 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Auf Grund der Individualität des Menschen konkurrieren in einer Gesellschaft vielfach die unterschiedlichen Vorstellungen miteinander um Vorherrschaft, wobei an sich Gleichläufigkeit ebenso denkbar ist wie Gegenläufigkeit. Auch wenn der Staat der Moderne dabei grundsätzlich weltanschaulich neutral sein soll und muss, ist er dies weder jemals gewesen noch auch in der Gegenwart tatsächlich in vollkommener Art und Weise. Deswegen stellte sich in der nationalsozialistisch geprägten Zeit des Reichskanzlers Adolf Hitler vielfach die Frage, inwieweit die Kirchen den ideologischen Anforderungen des Nationalsozialismus nachkommen sollen und können und inwieweit sie der Seelsorge den Vorrang vor der Politik gewähren müssen oder sollen.

 

Mit einem Teilbereich dieser Problematik beschäftigt sich der gewichtige, auf der Außenseite durch fünfzehn Brustbilder veranschaulichte, dem Initiator Joachim Kuropka in Vechta zu seinem 75. Geburtstag gewidmete, aus einer Tagung anlässlich des 70. Todestags Clemens August von Galens in der katholischen Akademie in Stapelfeld bei Cloppenburg von dem 11. bis zu dem 13. November 2016 erwachsene Sammelband, dem es darum geht, auf der Grundlage von Quellen und Literatur wissenschaftliche Kurzbiographien des Führungspersonals der katholischen Kirche zwischen 1933 und 1945 vorzustellen, weil bisher vor allem die Versäumnisse und weniger die tatsächlichen Leistungen in dem Vordergrund gestanden hätten. Dementsprechend werden an dieser Stelle insgesamt 27 Referate in drei Hauptabschnitten vereint. Diese betreffen nach einer Einführung die Bischöfe der Fuldaer Plenarkonferenz zwischen 1933 und 1945 in den Grenzen von 1937 sowie drei spezielle Perspektiven.

 

Dabei werden nacheinander Adolf Kardinal Bertram (1859-1945) als Fürstbischof/Fürsterzbischof von Breslau 1914-1945, Konrad Graf von Preysing (1880-1950) als 1946 zu einem Kardinal erhobener Bischof von Berlin 1935-1950, Maximilian Kaller (1880-1947) als der das Reich  jetzt neu gezimmert sehende Bischof von Ermland 1930-1947, Karl Joseph Kardinal Schulte (1871-1941) als Erzbischof von Köln 1920-1941, Josef Frings (1887-1978) als 1946 zu einem Kardinal erhobener Erzbischof von Köln 1942-1969, Clemens August Graf von Galen (1878-1946) als Bischof von Münster 1933-1946, Wilhelm Berning (1877-1955) als Bischof von Osnabrück (1914-1955), Franz Rudolf Bornewasser (1866-1951) als Bischof von Trier 1922-1951, Caspar Klein (1865-1941) als Bischof/Erzbischof von Paderborn 1920-1941, Joseph Damian Schmitt (1958-1939) und Johannes Baptist Dietz (1879-1959) als Bischöfe von Fulda 1907-1939 und 1939-1958, Joseph Godehard Machens (1886-1956) als Bischof von Hildesheim 1934-1956,  Conrad Gröber (1872-1948) als Erzbischof von Freiburg 1932-1948, Albert Stohr (1890-1961) als Bischof von Mainz 1935-1961, Joannes Baptista Sproll (1870-1949) als Bischof von Rottenberg 1927-1949, Petrus Legge (1882-1951) als Bischof von Meißen 1932-1951, Michael Kardinal Faulhaber (1869-1952) als Erzbischof von München und Freising 1917-1952, Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf (1855-1936) und Simon Konrad Landersdorfer OSB (1880-1971) als Bischöfe von Passau 1907-1936 und 1936-1968, Michael Buchberger (1874-1961) als Bischof von Regensburg 1927-1961, Jacobus von Hauck (1861-1943) als Erzbischof von Bamberg 1912-1943, Michael Rackl (1883-1948) als Bischof von Eichstätt 1935-1948 und Matthias Ehrenfried (1871-1948) als Bischof von Würzburg 1924-1948 betrachtet. Spezielle Perspektiven betreffen quellenkritische Anmerkungen zu einer Anweisung Adolf Kardinal Bertrams, einen Einblick in die vatikanische Bischofspolitik in der nationalsozialistischen Zeit zwischen 1933 und 1939 sowie die Fuldaer Plenarkonferenz 1933-1945 in dem Spannungsfeld von Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Insgesamt zeigen sich dabei nicht unerwartet Stärken wie Schwächen deutscher,  teils nur die Seelen retten wollender, teils bei vorhandenen Truppen zum Kampf antreten wollender, Hitler teilweise völlig falsch einschätzender Bischöfe innerhalb der durch die Politik deutlich eingeengten, wenn auch keineswegs vollständig beseitigten Handlungsspielräume, wobei ein statistischer Anhang der Herausgeberin die konfessionelle Verteilung und Kirchenbindung in den deutschen Bistümern 1923-1943/1946/1947 sichtbar macht und ein Personenverzeichnis und Ortsverzeichnis von Aachen über Adolf Hitler bis zur Bonsen das weiterführende Werk sechsundzwanziger sachkundiger Bearbeiter benutzerfreundlich für den interessierten Leser aufschließt.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler