Willoweit, Dietmar, Staatsbildung und Jurisprudenz. Spätmittelalter und frühe Neuzeit. Gesammelte Aufsätze 2003-2016 (= Würzburger rechtswissenschaftliche Schriften 105). Ergon, Baden-Baden 2019. 711 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Wann der Staat als die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer größeren Zahl von Menschen auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft erfolgreichen obersten Willensträger entstanden ist, weiß niemand genau. Bereits den Hochkulturen des Altertums wird dabei aber überwiegend Staatsqualität zugesprochen, wenn diese sich auch wieder verflüchtigt hat. Spätestens in dem Hochmittelalter und dem Spätmittelalter wird dann der moderne Staat sichtbar.

 

Mit diesem entstehenden Staat verbindet sich schon früh der an den römischen Rechtsquellen wissenschaftlich ausgebildete Jurist, weil er dadurch ein interessantes Beschäftigungsobjekt findet und der moderne Staat seinerseits sachkundig für Zweifelsfragen ausgebildete Sachkenner benötigt. Zwar wird längst nicht jeder Jurist auch Diener eines Staates, sondern gewinnen wohl die meisten auch unabhängig von dem Staate einträgliche Betätigungsfelder. Aber insgesamt verleiht das Handeln für die Macht so viel Glanz und Möglichkeiten, dass sich viele davon angezogen fühlen.

 

Mit diesem ambivalenten Verhältnis von Macht und Recht hat sich Dietmar Willoweit seit seinen frühesten Arbeiten so ausführlich und vielfältig beschäftigt, dass er 2009 in den Jahren zwischen 1974 und 2002 entstandene Aufsätze in zwei stattlichen Sammelbänden der von dem Verlag Keip als Bibliotheca Eruditorum edierten, inzwischen aber eingestellten Reihe veröffentlichen konnte. Weil die ersten beiden Bände vergriffen sind und die Rechtsgeschichte somit in der Wissenschaft eine größere Bedeutung behalten haben dürfte, als ihr die Juristenausbildung einräumen möchte, hat er sich nach dem kurzen Vorwort des vorliegenden Werkes entschlossen, auch seine thematisch verwandten Arbeiten aus den Jahren 2001 bis 2016 in einem dritten Band unter demselben Titel zu publizieren und in diesem Rahmen auch ein Verzeichnis der früheren Beiträge beizugeben. Die zu diesem Zwecke zusammengefassten und durch umfangreiche Register erschlossenen 35 Studien zu mittelalterlicher Rechtsbildung und Herrschaftsbildung, Gericht, Sühne und Strafe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Staatsbildung und Jurisprudenz in Osteuropa, Jurisprudenz und Staatlichkeit zwischen Humanismus und Aufklärung sowie staatsübergreifende Prozesse haben inzwischen das besondere Interesse eines erfahrenen Sachkenners gefunden, so dass es genügt, an dieser Stelle vorläufig allgemein auf sie hinzuweisen und die Besonderheiten einer ausführlicheren Besprechung vorzubehalten.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler