Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bonner Republik – Aspekte einer Geschichte des Bundesverfassungsgerichts, hg. v. Meinel, Florian (= Recht – Wissenschaft – Theorie 16). Mohr Siebeck, Tübingen 2019. VIIII, 461 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Seit der Virginia Bill of Rights von dem 12. Juni 1776 hat die formelle Verfassung weltweit wesentliche Bedeutung erlangt. Obwohl auch bereits wenig später Verfassungsgerichte geschaffen wurden, hat erst die Errichtung des Bundesverfassungsgerichts an dem 7. September 1951 mit Sitz in Karlsruhe der Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland zu echtem Durchbruch verholfen. Auf Grund seiner Rechtsprechung hat es allgemeine Anerkennung über die Bundesrepublik hinaus gefunden.

 

Ihm sind in dem Laufe seiner nunmehr fast siebzigjährigen Geschichte bereits zahlreiche Studien gewidmet worden. In dem April 2016 fand an dem Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin eine von der Fritz Thyssen Stiftung großzügig geförderte Tagung zu seiner Geschichte statt. Viele Beiträge des vorliegenden Bandes sind aus dieser wissenschaftlichen Zusammenkunft hervorgegangen.

 

Gegliedert ist der wichtige und weiterführende Sammelband nach einer sachkundigen Einleitung des Herausgebers in drei Teile über das Bundesverfassungsgericht in der Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik, Konturen und Wendepunkte der Rechtsprechung und vergleichende Perspektiven, die sich insgesamt aus vierzehn Untersuchungen zusammensetzen, die Ulrich Herbert mit der zeitgeschichtlichen Frage nach dem Nutzen einer Historisierung des Bundesverfassungsgeríchts eröffnet. Danach werden die Entwicklungsgeschichte der Institution und der Rechtsprechung, Phasen der öffentlichen Kritik, Richter und Richterinnen in ihren Rückwirkungen auf Entscheidungen, die Akten des Bundesverfassungsgerichts in dem Bundesarchiv, die Notwendigkeit der Historisierung und Kontextualisierung aus der Sicht der Verfassungsdogmatik, das Elfes-Urteil, das Redezeiturteil das G 131-Urteil, das Feldmühleverfahren, das Urteil zu dem Vorschaltgesetz Niedersachsens, die Deutungen und Entwicklungen in dem Religionsverfassungsrecht beleuchtet und Vergleiche mit der Verfassungsgerichtsbarkeit des globalen Südens  und mit dem Europäischen Gerichtshof hinsichtlich des Selbstverständnisses und der Eigenstabilisierung gezogen. Wer immer wissen möchte, wie das Bundesverfassungsgericht seine grundlegende Herrschaft über das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erlangt und wie es sich auf diesem Wege selbst verändert hat, wird den von vierzehn vorzüglichen Sachkennern in der Form eines vielfältigen Mosaiks geschaffenen, mit einem ausführlichen Personenregister und einem Register der rund hundert zitierten, bis 2017 führenden Entscheidungen ausgestatteten Sammelband mit reichem Informationsgewinn nutzen können.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler