Schuster, Kristina, Die Sicherungsverwahrung im Nationalsozialismus und ihre Fortentwicklung bis heute. Eine Aufarbeitung an Hand von Fällen (= Nomos Universitätsschriften Recht Band 954). Nomos, Baden-Baden 2019. 287 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Einer der größten Feinde des Menschen ist der Mensch selbst. Deswegen töten, verletzen, berauben, bestehlen und betrügen Menschen wohl seit der Entstehung des Menschen andere Menschen, wobei wohl die Zahl solcher Handlungen proportional zu der Zahl der Menschen oder sogar darüber hinaus zugenommen hat. Seit langem bemüht sich der Mensch um eine bestmögliche Lösung der damit verbundenen Gefahren und Konflikte, ohne dass ihm dabei bisher eine endgültige vollständige Lösung gelungen wäre.

 

Mit einem besonderen Teilaspekt dieser allgemeinen Problematik beschäftigt sich die vorliegende, Bernd-Rüdiger Kern für den Impuls und die Betreuung dankende, in dem März 2018 von der juristischen Fakultät der Universität Leipzig angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie gliedert sich nach dem Inhaltsverzeichnis und einem Abkürzungsverzeichnis sowie einer kurzen Einleitung in fünf Kapitel. Diese betreffen den ideengeschichtlichen Hintergrund der absoluten Straftheorie, der Generalprävention, der Spezialprävention und der Vereinigungstheorien und der ersten Grundgedanken zu dem zweispurigen Sanktionensystem, die Einführung der Sicherungsverwahrung durch das Gewohnheitsverbrechergesetz (Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung von dem 24. November 1933), die Anwendung in der Praxis, die Bedeutung für die weitere Strafrechtslehre und die Reflexion der kritischen Punkte.

 

In dem Ergebnis bestätigt die Verfasserin in ihrer selbständigen, ansprechenden Untersuchung die Ansicht, dass sich das Instrument der Sicherungsverwahrung, das mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz in das Strafgesetzbuch gelangte, auf naturwissenschaftlichen und kriminalwissenschaftlichen Strömungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zurückführen lässt und keine geistige Neuentwicklung des Nationalsozialismus war. Dabei kann sie zeigen, dass das Fehlen einer gesetzlichen Definition des neuen Tatbestandsmerkmals gefährlicher Gewohnheitsverbrecher, der kaum begrenzte Anwendungsbereich des § 20a StGB und der weite Strafrahmen Art. 116 WRV widersprachen. In der Rechtsanwendung gelangt sie an Hand ausgewählter Verfahren zu der Ansicht, dass trotz einer weitgehend bürokratischen Sorgfalt und der Beachtung formalisierter Prozesse überwiegend „keineswegs von gesetzmäßigen Verfahren gesprochen werden kann“, so dass aus ihrer Sicht vielfältige Änderungen erforderlich sind, um die Rechtsposition des Betroffenen zu verbessern.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler