Polster, Bernd, Walter Gropius – Der Architekt seines Ruhms. Hanser, München 2019. 654 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Für den Menschen besonders bedeutsam ist der ihn mit vielen anderen Lebewesen verbindende Selbsterhaltungstrieb, auf Grund dessen er in dem Laufe der Geschichte nach möglichst günstigen Lebensbedingungen gesucht hat. Von anderen Lebewesen unterscheidet ihn außer der Sprache wohl auch das Bewusstsein, auf Grund dessen er zu der Suche nach Anerkennung durch andere jenseits der bloßen körperlichen Kraft gelangt ist. Seitdem streben viele Menschen auch nach Ruhm, für dessen Gewinnung die unterschiedlichsten Momente bedeutsam sein können, darunter außer Geld, Gewalt und Geschick auch das Glück.

 

Der in Berlin an dem 18. Mai 1883 geborene Walter Adolf Georg Gropius war der Sohn eines Baurats und Großneffe eines Architekten, der seinerseits Schüler Karl Friedrich Schinkels war, mit dem der Großvater Gropius‘ als Junggeselle in Berlin eine Wohnung geteilt hatte. 1903 begann Gropius ein Studium der Architektur an der Technischen Hochschule in München, wechselte 1906 an die Technische Hochschule Charlottenburg, brach das Studium aber 1908 wegen Überforderung durch die zeichnerischen Aufgaben ohne Diplom ab und wirkte als Faktotum in einem Architekturbüro, ehe er sich selbständig machte und die zeichnerischen Fähigkeiten anderer nutzte. Dessenungeachtet gründete er in Weimar 1919 als gerade ernannter Direktor der großherzoglich-sächsischen Hochschule für bildende Kunst das rasch berühmt werdende Staatliche Bauhaus und wurde mit Ludwig Mies van der Rohe, Frank Lloyd Wright und Le Corbusier zu einem Mitbegründer der modernen Architektur.

 

Zu dem hundertsten Geburtstag des Bauhauses legt der Verfasser eine abwertende Biographie des nach Angriffen von Nationalsozialisten auf der Suche nach Aufträgen 1938 über England in die Vereinigten Staaten von Amerika wechselnden und in Boston an dem 5. Juli 1969 verstorbenen Gründers des Bauhauses vor, der Georg Christoph Lichtenbergs Aphorismus vorangestellt ist, dass die gefährlichsten Unwahrheiten mäßig entstellte Wahrheiten sind. Gegliedert ist sie in chronologischer Ordnung nach den Jahren 1883, 1893, 1903, 1908, 1910 und 1914 in dem zweiten deutschen Reich, 1918, 1919, 1925 und 1928 in der Weimarer Republik und 1934 und 1937 in England und Amerika. Nach Ansicht des in Celle 1952 geborenen, in Boch und Bonn ausgebildeten Verfassers ist die bisher führende, in zwanzig Jahren entstandene Biographie Reginald Isaacs‘ (1983) von Anfang an ein Buch der falschen Fährten, die er sehr kritisch zu berichtigen versucht, ohne dass dies voraussichtlich die bisherige Wertschätzung Gropius wirklich erheblich ändern wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler