Nagel, Anne Christine, Ein Mensch und zwei Leben – Erwin Stein (1903-1992). Böhlau, Wien 2019. 254 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Erwin Stein wurde in Grünberg in Hessen an dem 7. März 1903 als Sohn eines evangelischen Bahnmeisters und Eisenbahningenieurs geboren, legte nach Schulbesuchen in Hamborn, Vilbel, Offenbach und Frankfurt am Main 1922 das Abitur und nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Heidelberg, Frankfurt am Main und Gießen in dem November 1925 die erste juristische Staatsprüfung ab. Nach der von Leo Rosenberg betreuten Promotion in Gießen 1928 über die Geltendmachung von Mehransprüchen nach rechtskräftigem Urteil und der zweiten juristischen Staatsprüfung an dem 8. April 1929 wurde er Staatsanwalt und Richter an Gerichten Hessens. Da er am 21. Mai 1931 Hedwig Herz aus Gaulsheim geheiratet hatte, schied er nach der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler wegen des jüdischen Glaubens seiner Frau aus dem Staatsdienst aus und wirkte in der Folge als Rechtsanwalt in Offenbach.

 

Nach der durch die antisemitische Politik Hitlers veranlassten Selbsttötung seiner Frau an dem 23. März 1943, kurzer Tätigkeit in der Wehrmacht des deutschen Reiches und kurzer Kriegsgefangenschaft durch Großbritannien konnte er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt wieder aufgreifen und seit dem 28. November 1945 in Hessen als Mitglied Nummer 61 für die Christlich Demokratische Union auftreten. In diesem Rahmen war er maßgeblich an der Erarbeitung der Verfassung Hessens beteiligt, wurde für die CDU an dem 7. Januar 1947 Kultusminister und an dem 9. November 1949 zugleich als Nachfolger Georg August Zinns Justizminister Hessens, wechselte aber auf der Suche nach größerer unpolitischer Beständigkeit an dem 2. April 1951 in den Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland und kurz danach an dem 6. September 1951 in den ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts, dem er bis zu dem 31. Dezember 1971 angehörte. 1963 wurde er Honorarprofessor an der Universität Frankfurt am Main, an dem 17. Dezember 1975 auch an der Universität Gießen und verstarb mit 89 Jahren an dem 15. August 1992 kinderlos in seinem Wohnhaus in Annerod bei Gießen, von wo aus er auf dem kleinen Friedhof des Klosters Arnsburg an der Seite seiner zweiten, in dem April 1947 geheirateten, an dem 11. September 1988 gestorbenen Frau Lotte Lena Prill bestattet wurde.

 

Angestoßen und materiell ermöglicht wurde die vorliegende, verdienstvolle Studie der in Hilfarth 1962 geborenen, in Marburg in neuerer Geschichte, Russisch und alter Geschichte ausgebildeten, 1995 mit einer Dissertation über Martin Rade promovierten und in Gießen 2003 bei Peter Moraw mit einer Schrift über Mittelalterforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1990 im Schatten des Dritten Reiches habilitierten, durch weitere Arbeiten über das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1935-1945 und Johannes Popitz hervorgetretenen Verfasserin nach ihrer Danksagung durch die aus dem ersparten Vermögen Steins errichtete Erwin-Stein-Stiftung. Gegliedert ist sie in zwei Teile über den jungen Erwin Stein auf der Suche nach sich selbst und den späteren Politiker Erwin Stein der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Eindringlich kann sie auf vielfältiger, bestmöglicher Quellengrundlage zeigen, wie entschieden und nachdrücklich sich Erwin Stein für die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschlands eingesetzt hat, so dass seiner auch in Zukunft rühmend gedacht werden kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler