Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine, Angst essen Freiheit auf. Warum wir unsere Grundrechte schützen müssen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Theiss, Darmstadt 2019. 206 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019). 85. IT

 

Nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens war der erste Mensch von der Beherrschung durch andere Menschen frei, war aber zugleich durch viele Gefahren bedroht, vor denen er sich in dem wirklichen Umfeld nach Möglichkeit auch durch die Entwicklung von Angst sicherte. Zwar sind in dem Laufe seiner Geschichte manche Gefahren in ihrer Bedeutung für den Menschen zurückgetreten, doch sind andererseits auch viele neue Gefahren hinzugekommen, zu deren Bekämpfung der Mensch rechtliche Vorschriften zu einer Erhöhung der Sicherheit erlassen hat. Deswegen kann die positiv zu bewertende Freiheit des Menschen gefährdet werden durch die aus Angst geschaffenen und von daher nicht unproblematischen Freiheitsbeschränkungen.

 

Mit diesem wichtigen Themenbereich beschäftigt sich das vorliegende Werk der in Minden 1951 geborenen, in Göttingen und Bielefeld in der Rechtswissenschaft ausgebildeten und nach der zweiten juristischen Staatsprüfung und dem Beitritt zu der Freien Demokratischen Partei Deutschlands seit 1979 bei dem Deutschen Patentamt in München tätigen, 1990 in die Politik wechselnden und von 1992 bis 1995 sowie von 2009 bis 2013 als Bundesjustizministerin Deutschlands tätigen Verfasserin. Gegliedert ist diese engagierte Erörterung nach einem kurzen Prolog in zwölf Kapitel. Diese betreffen ein kleines Buch von 1949 mit großer Wirkung, die Unantastbarkeit der Menschenwürde ganz konkret als Antwort auf Nazi-Unrecht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Privatsphäre als massiv bedrohtes Gut, den möglichen Widerspruch zwischen Big Data und Datenschutz, das Recht auf Vergessenwerden, den Menschen als möglichen Datenhaufen, das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit, die mögliche Zuordnung der Verfechter der Freiheitsrechte zu den Anhängern des Nachtwächterstaats, die Meinungsfreiheit und ihre Grenzen in einer offenen Gesellschaft, die Grenzen der Religionsfreiheit und das politische Asylrecht.

 

Insgesamt ist das Werk schon nach seinem Prolog ein flammendes Plädoyer für die Freiheitsrechte, eine Liebeserklärung an die Freiheit und die Verteidigungsschrift einer glühenden Verfechterin der Freiheit. Dementsprechend beschäftigt es sich mit der größten Angst der Deutschen, die es neben der Unberechenbarkeit der Politik Präsident Donald Trumps in der Überforderung durch Flüchtlinge und der Spannung mit Ausländern erkennt, auf Grund deren Menschen anderer Herkunft oder anderen Glaubens von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten Grundrechte verwehrt werden. Deswegen verlangt die Verfasserin eindringlich einen neuen Grundrechtsstolz von Bürgerinnen und Bürgern, die nicht Nationalisten sein wollen, sondern Verfassungspatrioten, damit die Angst der Deutschen nicht die Freiheiten des Grundgesetzes auch für Fremde beseitigt, selbst wenn sogar nach ihrer eigenen Ansicht an bestimmten Stellen eine Einschränkung von Freiheit notwendig sein kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler