Hammouti-Reinke, Nariman, Ich diene Deutschland. Ein Plädoyer für die Bundeswehr – und warum sie sich ändern muss. Rowohlt, Reinbek 2019. 255 S. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Friedenszeiten sind für das Militär schwierige Zeiten. Das Unterhalten einer bewaffneten Macht mit entsprechenden Fähigkeiten ist für jeden Staat eine budgetäre Belastung, die er nach Möglichkeit zu minimieren sucht. Das in aller Regel aus dieser Haltung resultierende, langjährige finanzielle Aushungern der Streitkräfte gefährdet dann zunehmend die Erfüllung ihrer verfassungsmäßig verankerten Aufgaben. In dem gleichen Ausmaß sinkt die Bereitschaft in der Gesellschaft, die Last der Landesverteidigung solidarisch zu tragen, symptomatisch dafür sind das Aufgeben der allgemeinen Wehrpflicht und deren Ersatz durch Berufsarmeesysteme. Die Besonderheit des Soldatenberufs, sich auf bewaffnete Auseinandersetzungen vorzubereiten und im Fall des Falles zu töten, setzt dessen Vertreter vielfältigen Anfeindungen aus, scheint doch ihr Verhalten den Werten einer vorgeblich allgemein friedfertigen Menschheit zu widersprechen. Dass, wie ein Blick in die Welt rasch deutlich macht, der Friede in Freiheit allerdings keine Selbstverständlichkeit ist, sondern immer wieder neu gegen Anfechtungen aller Art verteidigt und erkämpft werden muss, im Extremfall auch unter Einsatz des Lebens, wird dabei großzügig unter den Tisch gekehrt.

 

Letzteres ärgert die Verfasserin des vorliegenden Bandes, die sich 2004 bewusst für eine Laufbahn als Berufssoldatin in der deutschen Bundeswehr entschieden hat und mittlerweile nach zwei Auslandseinsätzen in Afghanistan den Offiziersdienstgrad eines Leutnants zur See bekleidet. Kraft ihrer Erfahrungen und erworbenen Kompetenzen rechtfertigt sie ihre Berufswahl und nimmt ihren Arbeitgeber gegen unqualifizierte Angriffe in Schutz, nicht ohne sich dabei mit den vermeintlichen und realen Missständen in den Streitkräften kritisch auseinanderzusetzen. Das zweite große Thema der 1979 als Kind marokkanischer Eltern in Gehrden bei Hannover geborenen Nariman Hammouti-Reinke ist ihr Migrationshintergrund und ist die erlebte Weigerung von Teilen der deutschen Gesellschaft, sie wegen ihres mediterranen Äußeren und ihres muslimischen Glaubens als vollwertige Deutsche zu akzeptieren. Ihr Wunsch: „Ich möchte als das wahrgenommen werden, was ich bin, ohne Vorurteile. Ich bin ein Mensch, eine Frau mit dunklen Haaren, Angehörige einer Weltreligion. Ich bin Deutsche und Offizier der deutschen Marine. Nicht mehr. Aber auch kein bisschen weniger!“ (S. 245). Als Vorsitzende des Vereins Deutscher.Soldat. und Mitglied der „Kommission für Migration und Teilhabe des Niedersächsischen Landtags“ engagiert sie sich öffentlich für Anliegen der Integration. In den Ausführungen ihres Buches greifen die beiden Themenkomplexe – die in vielem inadäquate Wahrnehmung der Bundeswehr und der problematische Umgang der autochthonen mit den „neuen Deutschen“ – eng ineinander. Es formt sich das Bild einer Bundeswehr, deren Schwierigkeiten nur in wenigen Fällen „hausgemacht“ seien; in weit überwiegendem Maß handle es sich bei den Angriffspunkten der öffentlichen Kritik um keine genuinen Spezifika des Militärs, sondern um allgemeine gesellschaftliche Probleme wie Diskriminierung oder Extremismus, die sich selbstverständlich auch in den Streitkräften abbilden, oder aber um die unliebsamen Konsequenzen politischer Fehlentscheidungen.

 

Die Verfasserin kombiniert wirkungsvoll die Schilderung ihrer persönlichen Erfahrungen mit allgemeinen Erörterungen des Status quo der deutschen Bundeswehr. Die Beziehung zwischen Bundeswehr und Gesellschaft nimmt sie „in vieler Hinsicht als paradox“ wahr: „Einerseits stehen wir unter wahnsinnig genauer Beobachtung. Jeder Fehltritt und jede Panne werden unnachsichtig in allen Medien rauf und runter behandelt. Andererseits kümmert man sich im Normalfall nur wenig darum, wie es um die Bundeswehr steht, sondern will am liebsten gar nichts mit ihr zu tun haben. Uns wird vorgeworfen, dass wir eine Art geschlossene Gesellschaft darstellen, aber Kontakt wird möglichst vermieden“ (S. 19). Oft seien es leider gerade „politisch sehr interessierte Menschen, die ihre Vorurteile gegen die Bundeswehr pflegen“, vor allem „das sogenannte fortschrittliche und erst recht das radikale linke Spektrum“ (S. 21). Als ausführendes Organ des Bundestags vollziehe die Bundeswehr aber nur, was Bundestag und Bundesregierung für richtig und notwendig befänden. Folgerichtig sei beispielsweise grundsätzliche Kritik an den Auslandseinsätzen nicht an die militärische, sondern an die politische Adresse zu richten. Dies gelte auch für Maßnahmen wie die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht 2011. Der daraus resultierenden dramatischen Mangellage auf dem Personalsektor sei man durch vielversprechende Projekte wie die „Agenda Attraktivität“, die „Trendwende Personal“ oder hippe Reality-Dokus auf You Tube zur Nachwuchswerbung nur bedingt Herr geworden, zumal intern eine überbordende Bürokratie und extern oft unfaire Polemik diese sinnvollen Ansätze konterkariert hätten.

 

Die Beziehung zwischen Bundeswehr und Gesellschaft nimmt sie „in vieler Hinsicht als paradox“ wahr: „Einerseits stehen wir unter wahnsinnig genauer Beobachtung. Jeder Fehltritt und jede Panne werden unnachsichtig in allen Medien rauf und runter behandelt. Andererseits kümmert man sich im Normalfall nur wenig darum, wie es um die Bundeswehr steht, sondern will am liebsten gar nichts mit ihr zu tun haben. Uns wird vorgeworfen, dass wir eine Art geschlossene Gesellschaft darstellen, aber Kontakt wird möglichst vermieden“ (S. 19). Oft seien es leider gerade „politisch sehr interessierte Menschen, die ihre Vorurteile gegen die Bundeswehr pflegen“, vor allem „das sogenannte fortschrittliche und erst recht das radikale linke Spektrum“ (S. 21). Als ausführendes Organ des Bundestags vollziehe die Bundeswehr aber nur, was Bundestag und Bundesregierung für richtig und notwendig befänden. Folgerichtig sei beispielsweise grundsätzliche Kritik an den Auslandseinsätzen nicht an die militärische, sondern an die politische Adresse zu richten. Dies gelte auch für Maßnahmen wie die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht 2011. Der daraus resultierenden dramatischen Mangellage auf dem Personalsektor sei man durch vielversprechende Projekte wie die „Agenda Attraktivität“, die „Trendwende Personal“ oder hippe Reality-Dokus auf You Tube zur Nachwuchswerbung nur bedingt Herr geworden, zumal intern eine überbordende Bürokratie und extern oft unfaire Polemik diese sinnvollen Ansätze konterkariert hätten.

 

Viel Raum widmet Leutnant Nariman Hammouti-Reinke der Frage der Integration von Deutschen mit Migrationshintergrund im Allgemeinen und dem Umgang mit Muslimen in den Streitkräften im Besonderen. Alltagserfahrungen hätten sie gelehrt, dass „die bluts- und rassebezogene Einordnung von Deutschtum weiterhin lebendig (ist), auch bei denen, die sich selbst nie als Rassisten oder ausländerfeindlich bezeichnen würden“. Dem hält sie die Leistungen ihres persönlichen Werdegangs, in dem sie ihre Zugehörigkeit zur 16. Bundesversammlung bei der Wahl des Nachfolgers von Bundespräsident Joachim Gauck mit einem besonderen patriotischen Stolz erfüllt, entgegen: „Ich bin von Geburt an deutsch, politisch interessiert und aktiv, ehrenamtlich engagiert, Berufssoldatin, war zweimal im Einsatz in Afghanistan und habe auch sonst einiges auf mich genommen, um meine Pflichten in der Bundeswehr zu erfüllen. Was gibt es denn Deutscheres als mein Leben? Wie viele Bio-, Alt-, Urdeutsche […], die nicht so aussehen wie ich und die schon in der dritten oder hundertsten Generation hier leben, kümmern sich so intensiv um deutsche Belange wie ich? Und wie lange soll dieses Sortieren aufgrund äußerer Merkmale noch weitergehen?“ (S. 86f.). Der als Reaktion auf die provokanten Thesen Thilo Sarrazins von der gescheiterten Integration der Migranten gegründete Verein Deutscher.Soldat., dem die Verfasserin vorsteht, habe es sich zum Ziel gesetzt, in Anbetracht der mittlerweile 15 Prozent an Soldaten mit Migrationshintergrund in der deutschen Bundeswehr „aus den Streitkräften heraus einen positiven Impuls für die problematische und einseitige Integrationsdebatte zu geben“ (S. 100). Zwar sei selbstverständlich auch die Bundeswehr „keine heile Welt“, doch „die Vorurteile, die jemand mitbringt, lassen sich in der Bundeswehr schlechter pflegen. Kameradschaft verträgt eben keine Diskriminierung. Die klare hierarchische Struktur tut ein Übriges“ (S. 102). Mit seinem Einsatz für die Etablierung eines strategischen Diversity Managements in den Streitkräften will der Verein zukünftig eine optimale Ausschöpfung des Potenzials und der Kompetenzen von männlichen und weiblichen Soldaten mit Migrationshintergrund sicherstellen.

 

Im Umgang mit Muslimen, die leider von Teilen der deutschen Gesellschaft allzu häufig nur als eine „große, ununterscheidbare Masse“ und nicht in ihrer Individualität als einzelne Menschen wahrgenommen würden (S. 140), sei in den deutschen Streitkräften noch manches zu verbessern. Gerade die existentiellen Nöte des Auslandseinsatzes verlangten nach einem starken spirituellen Rückhalt, wie er für Angehörige dieser Glaubensrichtung in adäquater Form nur durch islamische Militärgeistliche gewährleistet werde, die bis dato aber in der Bundeswehr fehlen. Vorbildliche Lösungen böten hier Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika, und selbst das österreichische Bundesheer verfüge bereits seit 2015 über einen Imam zur seelsorgerischen Betreuung seiner muslimischen Soldaten. Auf Gedankenlosigkeit zurückzuführende mangelnde Rücksichtnahme im Hinblick auf die Einhaltung der für Muslime bedeutsamen Speisevorschriften würde zwar immer wieder durch kreatives Engagement einzelner Soldaten kompensiert, doch dürften solche Provisorien nicht auf Dauer strukturelle Lösungen ersetzen.

 

Das durch verschiedene medial verstärkte Skandale in Teilen der Öffentlichkeit kursierende Bild der Bundeswehr als eines Hortes der Frauenfeindlichkeit, des Machtmissbrauchs und des Rechtsextremismus weist die Verfasserin als überzogene Aufbauschung von so ernsten wie beklagenswerten Einzelfällen zurück, die in Wahrheit als Niederschlag allgemeingesellschaftlicher Probleme eben auch das Militär nicht verschonten. Der „eigentliche Skandal“ sei, „dass es überhaupt Menschen gibt – bei der Bundeswehr und anderswo –, die sich erlauben, andere Menschen so zu behandeln“. Dass die Zahl der gemeldeten Vorkommnisse steige, betrachtet sie, „so traurig diese Geschichten auch sind, als gutes Zeichen. Offenbar wagen Soldatinnen und Soldaten doch mittlerweile häufiger, solche Dinge anzuzeigen“. Man könne hier nur dem Inspekteur des Heeres uneingeschränkt beipflichten, der klargestellt habe: „Verschweigen, Weghören, Wegschauen ist falsch verstandene Kameradschaft, Eingreifen und Verhindern eine Frage der Ehre“ (S. 189f.). Der prominente Rechtsextremismus-Fall „Oberleutnant Franco A.“ – der Offizier hatte sich mit falscher Identität als syrischer Asylwerber registrieren lassen, um, so die Vermutung, unter dieser Camouflage einen Anschlag auf asylfreundliche Politiker zu inszenieren, der dann den Flüchtlingen angelastet würde – kommt in seiner ganzen Ungereimtheit ausführlich zur Sprache. Vor den Gerichten habe sich „der scheinbar so eindeutige Fall“ als sachlich und juristisch äußerst komplex erwiesen, sodass der vorläufig des Dienstes enthobene Franco A. seit November 2017 bis auf weiteres wieder auf freiem Fuß sei. Vorschnell hatte sodann die damalige Bundesministerin der Verteidigung, Ursula von der Leyen, durch die verallgemeinernde Unterstellung „ein(es) Haltungsproblem(s) und eine(r) offensichtliche(n) Führungsschwäche“ ihre Vertrauensbasis in der Bundeswehr erheblich beschädigt (S. 199f.). Dieser unberechtigte Generalverdacht verdecke die Tatsache, dass in den Streitkräften die „Selbstregulierung in den allermeisten Fällen funktioniert. Es ist halt keine Nachricht, dass etwas klappt“ (S. 203). Aus dem neuen Traditionserlass vom März 2018, der den Schwerpunkt der Traditionspflege nun auf die Jahre seit 1955 legt, könne „etwas sehr Fruchtbares wachsen“, denn nunmehr seien „unsere Leistungen als Bundeswehr beispielgebend […], etwa die Hilfen in humanitären Notsituationen und die Einsätze in internationalen Krisenherden, die Bewährung in Einsätzen und im Gefecht“ (S. 213f.). Das letzte Kapitel moniert die fehlenden Mittel, die die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr als „Sparschwein der Nation“ (S. 217) erheblich beeinträchtigen, bevor die Verfasserin zum Abschluss ihre dringlichsten Wünsche für die Zukunft (mehr Wertschätzung für die Leistungen der Soldaten, eine deutlich sichtbare Vielfalt, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Unterstützung der Bundestagsabgeordneten für die Bedürfnisse der Bundeswehr, bessere Einsatzbedingungen, eine effizientere Beschaffung, ein tieferes Verständnis für sicherheitspolitische Notwendigkeiten, ein menschliches Miteinander in der deutschen Gesellschaft) artikuliert.

 

Insgesamt verkörpert der Band die betont subjektive, persönliche Bilanz einer überzeugten deutschen Soldatin mit Migrationshintergrund, die sich uneingeschränkt zu den Werten des Grundgesetzes bekennt und nationale Zugehörigkeit über Einstellung und Leistung definiert. Aus ihren nachdenklich machenden Ausführungen geht hervor, dass nicht nur deklarierte Rassisten, sondern immer noch weite Teile der deutschen Gesellschaft der Anschauung anhängen, nicht Staatsbürgerschaft und Leistung, sondern eine bestimmte ethnische Verfasstheit konstituiere die Zugehörigkeit zur Nation. Unter dieser dem Grundgesetz zuwiderlaufenden, ihr patriotisches Engagement ignorierenden, aus historischen und sozialpsychologischen Mechanismen erklärbaren Zurücksetzung leidet die Verfasserin sichtlich und lehnt sich entsprechend heftig dagegen auf. Ihr emotionales Bekenntnis zur Bundeswehr und ihr vorbehaltloses Eintreten für deren Anliegen berührt ein ganzes Bündel an Themen, die zum Teil spezifisch die deutschen Streitkräfte betreffen, in ihrer Mehrheit aber auch in anderen Armeen oder in dem System Militär schlechthin zu beobachten sind. Ein vergleichender Blick über die Grenzen zum österreichischen Nachbarn macht dies rasch deutlich. Beispielsweise ist eine langfristige chronische Unterdotierung auch für die Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres zu einer eklatanten Bedrohung geworden. Die Erfassung und Veröffentlichung von Missständen im Ressort, in der Bundesrepublik Aufgabe des Wehrbeauftragten, besorgen in Österreich die Mitglieder der Parlamentarischen Beschwerdekommission, die Agenden der Jugendoffiziere werden von sogenannten Informationsoffizieren wahrgenommen. Eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit bemüht sich, über ein offensives Informationsmanagement das Aufgabenspektrum des Bundesheeres im Rahmen sicherheitspolitischer Ziele zu erläutern, Vorurteile abzubauen und der Entstehung von Gerüchten entgegenzuwirken. Dies mag unter anderem dazu beigetragen haben, dass sich die österreichische Bevölkerung so klar für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht entschieden und damit dem Bundesheer langfristig viele der Personalprobleme erspart hat, mit denen die deutsche Bundeswehr aktuell konfrontiert ist.

 

Kapfenberg                                                    Werner Augustinovic