Georgi, Oliver, Und täglich grüßt das Phrasenschwein. Warum Politiker keinen Klartext reden – und wieso dies auch an uns liegt. Duden, Berlin 2019. 224 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 82. IT

 

Wohl allen Lebewesen ist von ihrem Werden bis zu ihrem Vergehen ein gewisses Maß von Selbsterhaltungstrieb vorgegeben, das sich grundsätzlich in einem selbverständlichen Egoismus auswirkt und nur ausnahmsweise zu Gunsten anderer beeinflusst wird. Das gilt auch für den Menschen, der sich durch seinen Verstand, seine Sprache und die darauf aufbauenden Möglichkeiten und Fähigkeiten aus den übrigen Lebewesen heraushebt. In dem langen Lauf seiner Entwicklung hat er den Staat, die Politik, die Schrift, die Wirtschaft, das Geld und vieles andere erfunden, mit deren Hilfe er an der Stelle der rohen urtümlichen Gewalt seine Mitmenschen seinem Egoismus unterordnen kann.

 

Mit einem besonderen Aspekt dieses Problemfelds beschäftigt sich das das vorliegende schlanke Werk des in Hamburg 1977 geborenen, in Koblenz aufgewachsenen, nach journalistischem Beginn in Marburg und Frankfurt am Main in Politik, Geschichte und deutscher Literatur ausgebildeten, von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderten und über die Saarbrücker Zeitung und die Welt Kompakt zu der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gelangten, als politischer Redakteur tätigen Verfassers. Es gliedert sich nach einer Einleitung über Phrasen, Floskeln und leere Sätze in zehn Abschnitte. Sie betreffen Vertrauen, Ehrlichkeit, klare Kante, nah bei die Leut‘, Empörung, Verantwortung, Mut, Stabilität, Zukunft und Klartext.

 

Er beginnt mit der Feststellung, dass Politiker nach eigenen Aussagen meist mit Augenmaß handeln, ihre große Einigkeit betonen, sich nach Niederlagen ehrlich machen und die Leitplanken ihres Handelns neu ausrichten, weil es an der Tatsache nichts zu beschönigen gibt, dass das Profil dringend wieder geschärft werden muss, wenden Schaden ab, sagen Dinge in aller Deutlichkeit und versachlichen die Diskussion mit einer authentischen und zukunftsfähigen Dynamik, wobei dem Verfasser in der deutschen Gegenwart die seit vielen Jahren von einer Mehrheit der Deutschen getragene Angela Merkel als Meisterin  der Technik gilt, viel zu reden und wenig zu sagen. Dieses politische Verhalten dürfte in seinem Kern darauf beruhen, dass Politiker vor allem in der Demokratie für ihr persönliches Auskommen und ihre persönlichen Handlungsmöglichkeiten sowie die Verwirklichung der Ziele ihrer Hintermänner auf eine Mehrheit von Wählerstimmen angewiesen sind, die sie am ehesten dann gewinnen können, wenn sie das sagen, was ihre möglichen Wähler hören wollen, nämlich objektive Werte (anderen vortragen und sich in dem Einzelfall subjektiv egoistisch abweichend davon verhalten). Da dieser Vortrag selten die reine Wahrheit ist, hat es sich bisher als auf der Suche nach Mehrheiten erfolgreich erwiesen, mit feuchten Augen und ergriffener Stimme den blauen Himmel über dem Ruhrgebiet (ungeachtet der Klimaschädlichkeit der Industrie für die gesamte Menschheit) und ähnliche Lösungen zu versprechen und keine noch so kluge Redaktion hat dies bisher verhindert, wofür die Politik in vielseitiger Weise ihre Lage stützt, so dass von der an sich berechtigten Forderung "seit mutiger und sprecht klarer" angesichts des egoistischen Wesens des Menschen keine wesentliche Veränderung zu erwarten sein wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler