Georg Schreiber (1882-1963). Ein Leben für Wissenschaft, Politik und Kirche vom Kaiserreich bis zur Ära Adenauer, hg. v. Morsey, Rudolf. Konrad Adenauer Stiftung, Sankt Augustin 2016. 313 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Georg Schreiber wurde in Rüdershausen bei Duderstadt an dem 5. Januar 1882 als Sohn eines Försters geboren und studierte nach dem Abitur und baldigem Beitritt zu der katholischen Studentenverbindung Unitas Frisia ab 1901 Theologie, Geschichte und Rechtswissenschaft in Münster und Berlin. In Hildesheim wurde er 1905 er als Priester geweiht, in Berlin 1905 in Philosophie und in Freiburg im Breisgau 1913 in Theologie promoviert und in Münster noch in dem gleichen Jahr habilitiert, woraufhin er an der Philosophisch-theologischen Hochschule in Regensburg Kirchenrecht, Staatsrecht und Verwaltungsrecht lehrte. Von 1917 bis 1935 und von 1945 bis 1951 wirkte er als ordentlicher Professor für mittlere und neuere Kirchengeschichte und historische Caritaswissenschaft in Münster, wurde aber ab April 1935 als Regimegegner bekämpft, so dass er nach dem 20. Juli 1944 sicherheitshalber in Bayern und Tirol untertauchte.

 

Nach dem kurzen Vorwort des in Recklinghausen 1927 geborenen, in Münster ausgebildeten, in Bonn 1966 habilitierten und danach in Würzburg und Speyer wirkenden Herausgebers des vorliegenden Werkes gibt es kein geschlossenes Manuskript von Memoiren Georg Schreibers, doch hat Schreiber autobiographische Mitteilungen in vielen Publikationen ab 1949 veröffentlicht, in denen er politische Abläufe, andere Wissenschaftler sowie sein Wirken in Institutionen wie der gemeinsamen Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft oder der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften schildert. Seit 1951 hat er zu unterschiedlichen Zeiten und in wechselndem Umfang weitere Teile seiner Erinnerungen in verschiedenen Formen aufgezeichnet oder Dritten mündlich berichtet. Darüber hinaus wurde 2013 bekannt, dass in Münster auf dem Dachboden seines Sterbehauses ein Teilnachlass aufgefunden und dem Universitätsarchiv Münster übergeben wurde.

 

Auf Grund dieser vielfältigen, fragmentarischen Unterlagen hat der Herausgeber, dem Schreiber als 45 Jahre jüngerem Studenten seit 1950/1951 häufig Bruchstücke von Erinnerungen überwiegend in dem Arbeitszimmer seines Wohnhauses in der Kanalstraße 14 mitgeteilt und der 1953 bereits ein Schriftenverzeichnis Schreibers vorgelegt hatte, den vorliegenden Band veröffentlicht. Er gliedert sich in eine ausführliche Einleitung, kurze Bemerkungen zu der Edition sowie etwa 50 Seiten Dokumente zu Erinnerungen von dem Kaiserreich bis in die Ära Adenauer sowie mehr als hundert alphabetisch geordnete kurze Erinnerungen an einzelne Menschen, Ereignisse und Einrichtungen von Amelunxen über Hindenburg bis zu dem Zentrumsstreit von 1906 bis 1912. Insgesamt kann der Herausgeber Prälat Georg Schreiber als führende Persönlichkeit des katholischen Deutschland in der frühen Republik (Arbeitsbiene des Reichstags, Vater der Reichshaushaltsordnung) erweisen, der als Reichstagsmitglied die Kirchenpolitik  und Kulturpolitik  mitbestimmte, sich für Volkstum und Minderheitenschutz einsetzte und neben zahlreichen anderen Schriften über Mutter und Kind, deutsche Kulturpolitik und Katholizismus, das Auslandsdeutschtum, nationale und internationale Volkskunde, deutsche Bauernfrömmigkeit, deutsche Mirakelbücher oder das Weltkonzil von Trient 1980 auch eine deutsche Weingeschichte vorlegte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler