Apostolow, Markus, Der „immerwährende Staatssekretär“. Walter Strauß und die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz 1949-1963 (= Die Rosenburg 1). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2018. 366 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Weil die Menschen durch ihren Selbsterhaltungstrieb geprägte Individuen sind, können sie sich trotz allgemeiner einheitlicher Gegebenheiten immer wieder auch eigenen Interessen folgend verhalten. In der Demokratie zeigt sich diese Möglichkeit besonders auffällig in einem infolge von Wahlentscheidungen der Wähler eröffneten Politikwechsel. In diesen und auch in anderen Fällen werden dann bisherige Amtsträger ihrer Ämter entsorgt und neue Amtsträger mit abweichenden Vorstellungen treten in ihre Funktionen ein und verfolgen eine abweichende Politik, solange ihnen dies möglich ist.

 

Mit dem besonderen Aspekt der Personalpolitik in dem Bundesministerium der Justiz der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren zwischen 1949 und 1963 unter dem in Berlin in einer jüdischen Familie als Sohn eines Internisten 1900 geborenen, nach dem Abitur in Rechtswissenschaft ausgebildeten, in Heidelberg 1924 promovierten, nach der zweiten juristischen Staatsprüfung zunächst als Hilfsrichter tätigen, 1928 in das Reichswirtschaftsministerium eintretenden, trotz seines evangelischen Glaubens 1935 in den Ruhestand ohne Versorgungsbezüge versetzten, dann als Wirtschaftsberater und später als Arbeiter in der Rüstungsindustrie tätigen, nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Berlin die Christlich Demokratische Union mitgründenden, als Staatssekretär für Bundesangelegenheiten des Staatsministeriums Hessen tätigen und 1949 nach weiteren wichtigen Positionen zu dem Staatssekretär des Bundesjustizministeriums unter Thomas Dehler, Fritz Neumayer, Hans-Joachim von Merkatz, Fritz Schäffer, Wolfgang Stammberger und Ewald Bucher aufsteigenden, wegen mangelnder Unterrichtung des Bundesjustizministers über die Ermittlungen gegen den Spiegel und über von Franz Josef Strauß erhaltene Informationen aus dem Amt entlassene, aber zu dem Ausgleich als Richter an dem Europäischen Gerichtshof berufenen, in Baldham bei Vaterstetten 1976 verstorbenen Walter Strauß befasst sich die 2018 in Potsdam angenommene geschichtswissenschaftliche Dissertation des als Parlamentsredakteur bei der Verwaltung des Abgeordnetenhauses Berlins wirkenden Verfassers. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in drei Abschnitte. Diese betreffen den Staatssekretär Strauß und den personellen Aufbau des Bundesjustizministeriums zwischen 1949 und 1953, den anschließenden Einzug der Normalität sowie die personalpolitische Situation an dem Ende der Amtszeit unter der Frage „auf dem Zenit der Macht“.

 

In seinem Ergebnis sieht der auch ungedruckte Quellen verwertende Verfasser den Einfluss des in hohem Maße auf durch ihre Tätigkeit während der nationalsozialistischen Herrschaft belastete Beamte zurückgreifenden Strauß‘ auf die Personalpolitik als groß an, weil er als vorheriger Leiter des Rechtsamts in dem Vereinigten Wirtschaftsgebiet viele Beamte von dort mit nach Bonn nehmen konnte, wenn auch eine gewisse Ausgewogenheit zu beachten war. Formal verlor der oberste Beamte an Einfluss auf personelle Fragen, nachdem er sich nach Abschluss der Aufbauphase in die zweite Reihe der Personalpolitik zurückgezogen und das Tagesgeschäft jeweils anderen wie Hans Winners überlassen hatte. Insgesamt hat nach dem überzeugenden Urteil des Verfassers Walter Strauß das Bundesjustizministerium aber durch seine in den Traditionen des preußisch-deutschen Berufsbeamtentums und der Arbeitstechnik der Ministerialbürokratie wurzelnden Einstellung entscheidend mitgeprägt.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler