Wulffen, Erich, Karl Mays Inferno. Eine kriminalpsychologische Biografie, hg. und kommentiert v. Götz von Olenhusen, Albrecht/Seul, Jürgen. Karl-May-Verlag, Bamberg 2017. 480 S. Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Carl Friedrich May wurde in Ernstthal an dem 25. Februar 1842 als fünftes von 13 Kindern eines armen Webers geboren, das zwar kurz nach seiner Geburt erblindete, aber 1847 geheilt wurde. Als junger Volksschullehrer wurde er wegen Diebstahls entlassen und verbrachte insgesamt mehr als sieben Jahre wegen verschiedener Eigentumsdelikte in Haft. Auf Grund seiner überragenden Phantasie wurde er unter Verwendung zeitgenössischer Literatur einer der meistgelesenen Verfasser idealisierender Abenteuerromane deutscher Sprache, ohne die Handlungsorte je gesehen zu haben.

 

Fast zwanzig Jahre nach seinem Tode in Radebeul an dem 30. März 1912 versammelte seine Witwe Klara (1864-1944) in dem so genannten Kaminzimmer des Blockhauses nach nordamerikanischem Vorbild (Villa Bärenfett) in dem Garten des früheren Wohnhauses Mays (Kirchstraße 5 bzw. Karl-May-Straße 5 in Radebeul) einige Freunde und Wegbegleiter zwecks Vernichtung eines aus ihrer Sicht schändlichen Manuskripts durch Feuer in dem Kamin. Das Werk mit dem Titel Karl Mays Inferno stammte von dem Juristen, Staatsanwalt, Richter, Schriftsteller und zuletzt als Ministerialdirektor in Dresden wirkenden Dr. Erich Wulffen (1862-1936), der Karl May schon früh als Staatsanwalt in Dresden begegnet war und auf Bitten der Witwe und des Verlags nach dem Ende des ersten Weltkriegs die Aufgabe einer Biographie übernommen hatte. Obwohl das Ergebnis den Vorstellungen der hagiographisch ausgerichteten Klara May so wenig entsprach, dass sie es schließlich vernichtete, blieben zwei Abschriften erhalten, welche die Grundlage der nunmehrigen verdienstvollen Ausgabe bilden.

 

Gegliedert ist sie in drei Teile, von denen als erster Teil die umfängliche Einführung der von Sigrid Seltmann unterstützten Herausgeber von der Idee einer juristischen Biografie über das Veto der Witwe, Interessenkollisionen, Theorien, Empirie und Intuition bis zu Danksagungen reicht, danach der zweite Teil auf Grund der erhaltenen Abschriften Erich Wulffens Text über Karl Mays Inferno von 1928 (der Seminarist, der Schullehrer ohne Taschenuhr, „im Abgrund“, Inferno, Auslandsreisen, Psychiatrisches, die strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit, Analyse von Mays Persönlichkeit, Blicke in die Weltliteratur) ediert und anschließend der dritte Teil Briefwechsel (zwischen Klara May, Erich Wulffen und Euchar Albrecht Schmid) zur Entstehungsgeschichte von Karl Mays Inferno veröffentlicht. Abgerundet wird das Werk durch einen Epilog, eine Zeittafel Erich Wulffen, ein Personenregister, ein Literaturverzeichnis und ein Abbildungsverzeichnis. Insgesamt bietet die Veröffentlichung eindrucksvolle Ausblicke auf das Verhältnis von Dichtung und Wahrheit in dem Leben eines mit seiner beeindruckenden Phantasie ganze Generationen junger Leser in seinen Bann schlagenden literarischen Erfinders leuchtender Vorbilder wie Kara Ben Nemsi (schwarzer [Carl] Sohn der Deutschen) oder Winnetou (brennendes Wasser).

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler