Rückert, Joachim, Unrecht durch Recht. Zur Rechtsgeschichte der NS-Zeit (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 96). Mohr Siebeck, Tübingen 2018. VIII, 386 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Das von den Menschen in dem Laufe ihrer Geschichte entwickelte Recht hat als Kehrseite das Unrecht und sein hauptsächlicher Zweck ist die Beseitigung des in der Wirklichkeit bestehenden oder geschehenden Unrechts. Meist sind dabei in einer Angelegenheit zwei Seiten beteiligt, von denen eine Partei Unrecht tut oder aufrechterhält und die andere Partei Unrecht erleidet und sich um Abhilfe durch eine höhere Macht bemüht. Nicht immer, aber zumindest manchmal, behaupten dabei beide Beteiligte, dass ihr Verhalten Recht ist und das Verhalten der Gegenseite Unrecht.

 

Mit dieser Problematik hat sich der in Pöttmes bei Aichach nach dem Ende des zweiten Weltkriegs an dem 16. August 1945 geborene, 1972 bei Sten Gagnér in München mit einer Dissertation über August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie 1802-1880 promovierte und 1982 mit einer Schrift über Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny habilitierte und danach in Hannover und Frankfurt am Main wirkende Joachim Rückert an vielen Beispielen des mittleren 20. Jahrhunderts zeitlebens beschäftigt. In diesem Zusammenhang hat er vielfältige kleinere Studien zu wichtigen Einzelfragen verfasst. Eine erste Bilanz hat er zuletzt unter dem Titel Rückert, Joachim, Abschiede vom Unrecht – Zur Rechtsgeschichte nach 1945 (= Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 87). Mohr Siebeck, Tübingen 2015 VIII, 573 S. vorgelegt.

 

Dem folgen nunmehr zwölf kleinere Beiträge zu der Rechtsgeschichte der nationalsozialistischen Zeit, die in drei Gruppen über Unrecht durch Recht – Strukturen, Wissenschaftsfelder und Rechtsbereiche sowie in Exempla (Eugen Bolz, Kreisauer Kreis, zwölf Jahre „Dienst am Recht“) gegliedert sind. In ihnen werden etwa das Profil der Rechtsgeschichte der nationalsozialistischen Zeit, das „Dritte Reich“, das gesunde Volksempfinden als fragliche Erbschaft Savignys, die politische Romantik in dem 20. Jahrhundert als fragliche fatale deutsche Erbschaft, der Rechtsbegriff der deutschen Rechtsgeschichte in der nationalsozialistischen Zeit, strafrechtliche Zeitgeschichten, die Perversion der Verwaltung in ihrem Verhältnis zu der Verwaltung der Perversion, die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, die nationalsozialistische Jurisprudenz und ihre methodischen Kontinuitäten tiefgründig und weiterführend erörtert. Im Ergebnis stellt der Verfasser in der notwendigen Erforschung des Menschen in seinem Handeln und Denken eine ungeheuerliche und zugleich lehrreiche Nutzung des Rechtes zu bösem Handeln fest, die in dem beigefügten Personenregister (von Adenauer über Dahm, Gierke, Hedemann, Hitler, Kant, Larenz, Savigny, Schmelzeisen und Wieacker bis Zypries) wie auch in dem Sachregister (von Abendland, ohne Nationalsozialismus, bis Zentrum) benutzerfreundlich aufgeschlossen wird, so dass künftig jedermann sich leicht und eindringlich darüber unterrichten kann, wie leicht der Mensch das von ihm nach außen als gut Behauptete der Verwirklichung des von ihm innerlich gewollten Bösen dienstbar machen kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler