Melber, Takuma: Pearl Harbor - Japans Angriff und der Kriegseintritt der USA. – München, Beck 2016. 223 S. Besprochen von Karsten Ruppert.

 

Die Darstellung setzt ein mit dem Beginn der Verhandlungen zwischen Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika im Frühjahr 1941. Ihr Zweck war es, nach einer Lösung zu suchen, wie das Streben Japans nach einer Dominanz in China und Südostasien („südostasiatische Wohlstandssphäre“) mit den dortigen amerikanischen Interessen angesichts der rasanten Eroberungen des nationalsozialistischen Deutschlands in Europa und Nordafrika in Einklang gebracht werden könnten. Da Japan weder seine chinesischen Eroberungen noch das Bündnis mit Deutschland und Italien aufgeben wollte, sind die Verhandlungen an diesen amerikanischen Forderungen gescheitert. Der Disput der Diplomaten wird weitgehend auf der Grundlage veröffentlichter Quellen bis zu ihrem Ende Anfang Dezember 1941 geschildert. Der Verfasser konzentriert sich ganz auf die Verhandlungen und die ihnen zugrunde liegenden Dokumente. Die für die Positionen beider Seiten ja mitbestimmende militärische Lage im Pazifik und in Europa wie auch die weltpolitische Entwicklung im Jahre 1941 bleiben fast vollständig ausgeblendet.

 

Die Entstehung des japanischen Kriegsplanes wird konventionell erzählt. Eher anekdotenhaft wird berichtet, wie der Vater der Angriffsstrategie, Admiral Yamamoto, auf die taktisch neuartige Idee gekommen ist, eine große Schlachtflotte mit Flugzeugen anzugreifen. Ein Vorbild gab es bereits in dem Angriff der britischen Luftwaffe auf die italienische Marine im Jahre 1940. Leider bleibt unklar, ob und inwieweit dieses Ereignis Yamamoto beeinflusst hat. Hier wie auch später liebt es der Verfasser, ausführlicher auf die militärischen Laufbahnen der japanischen Hauptakteure einzugehen. So erfährt man auch, dass Yamamoto wie die gesamte Marine eher zu den gemäßigten Kräften in Japan gezählt haben und er für die Vereinigten Staaten von Amerika, die er aus eigener Anschauung recht gut kannte, durchaus Sympathien hegte. Dafür vermisst man stark vertiefende Informationen über die doch erheblichen logistischen Anstrengungen, im Jahre 1941 einen Angriff von der japanischen Insel aus auf eine in Hawaii stationierte Flotte durchzuführen.

 

Die beiden am Sonntagmorgen des 7. Dezember 1941 von den sechs etwa 300 km nördlich von Hawaii ankernden Flugzeugträgern aus gestarteten Angriffswellen werden so detailliert geschildert, dass es für den Leser nicht leicht ist, den Überblick zu bewahren. Auch hier wäre etwas mehr militärtechnische Aufklärung hilfreich gewesen, die den großen Erfolg verständlicher machen würde. Dieser bestand nicht nur darin, die amerikanische Pazifikflotte zwar nicht zu vernichten, doch schwer zu schädigen, sondern auch darin, die feindlichen Kampfflugzeuge, welche die ganzen Aktion hätten zunichte machen können, noch am Boden auszuschalten. Zwar werden der Schaden, den die amerikanische Pazifikflotte erlitten hat, und auch die kaum ins Gewicht fallenden japanischen Verluste statistisch korrekt bilanziert, doch wird ihre militärgeschichtliche Bedeutung zu wenig herausgearbeitet.

 

Die Grenzen dieser Darstellung werden vor allen Dingen bei der Abwägung der Folgen der Eröffnung des unerklärten Krieges Japans gegen die Vereinigten Staaten von Amerika deutlich. Die Kriegserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika an Japan und die dann folgenden Kriegserklärungen seiner Verbündeten Deutschland und Italien an die Vereinigten Staaten von Amerika werden kurz angerissen, doch nicht in den historischen Zusammenhang gestellt. Es erfolgt auch keine Bewertung der Bedeutung des Kriegseintritts der Vereinigten Staaten von Amerika für den Gang des Zweiten Weltkriegs. Ebenfalls zu kursorisch wird die nicht endende Diskussion aufgearbeitet, inwiefern Amerika diesen Schlag hätte verhindern können oder aber inwiefern er absichtlich, vor allen Dingen durch Präsident Roosevelt, hingenommen wurde.

 

Das Buch ist deswegen eine Enttäuschung, weil es nur Bekanntes ausbreitet, das, auch in Deutsch, an anderer Stelle schon besser gesagt worden ist. Das ist insofern besonders bedauerlich, als der des Japanischen mächtige Verfasser nicht die Chance genutzt hat, die deutsche Geschichtswissenschaft mit der japanischen Forschung vertraut zu machen. Als Korrektur zur dominierenden amerikanischen Sicht auf die Ereignisse wäre das ein anerkennenswertes Verdienst gewesen. So aber ist das Buch des junger Militärhistorikers, Sohn einer japanischen Mutter und eines deutschen Pfarrers, eine weitgehend militärgeschichtliche Darstellung geworden, zu der greifen kann, wer sich kurz über die Vorgeschichte und die Folgen des japanischen Angriffs auf die amerikanische Pazifikflotte im Pearl Harbor informieren möchte. Die Forschung kann sie ignorieren.

 

Eichstätt/Römerberg                                                 Karsten Ruppert