Gottschalk, Maren, Johannes Gutenberg. Mann des Jahrtausends, Böhlau, Köln 2018, 160 S., zahlr. Abb. Besprochen von Reinhard Schartl.

 

In den letzten Jahrzehnten sind mehrere Biografien über Johannes Gutenberg, dessen richtiger Name Johannes Gensfleisch lautete, verfasst worden (Helmut Presser 1967; Friedrich Feld, 1979; Andreas Venske, 2000; Stefan Füssel 2013; Klaus-Rüdiger Mai 2016). Die in mittelalterlicher Geschichte promovierte Autorin legt nunmehr anlässlich Gutenbergs 550. Todestages eine weitere Biografie zu Gutenberg vor. Sie wendet sich an den historisch interessierten Leser, will aber keine neuen Erkenntnisse beisteuern. Der Umstand, dass nur wenige urkundliche Belege zum Lebenslauf des Erfinders des Buchdrucks mit „beweglichen“ – die Verfasserin plädiert für eine Korrektur: „bewegbaren“, noch genauer kann man formulieren: „beliebig kombinierbaren“ – Lettern überliefert sind, hat die historische Forschung veranlasst, auf weitere Einzelheiten aus seinem Leben aus zusätzlichen Tatsachen und naheliegenden Überlegungen zu schließen. So wird allgemein vermutet, dass Gutenberg an der Universität Erfurt unter dem in den Matrikelbüchern für das Jahr 1418 eingetragenen Namen Johannes de alta villa (Eltville) studierte. Die wenigen Lebenszeugnisse zu Gutenberg sind großenteils auch rechtshistorisch interessant, so dass die Befassung mit ihm für die Rechtsgeschichte nicht nur deshalb von Bedeutung ist, weil seine Erfindung ganz wesentlich die Verbreitung der gerade durch die Aufnahme des römischen Rechts veranlassten Gesetze (wie den Reformationen des späten 15. und 16. Jahrhunderts) sowie rechtswissenschaftlichen Schriften ermöglichte. Daneben sind die zu Gutenberg erhaltenen urkundlichen Überlieferungen selbst interessante Belege zum Recht des 15. Jahrhunderts. Dies beginnt bereits mit der Frage nach Gutenbergs Geburtsjahr. Er wird 1420 erstmals urkundlich erwähnt, als er mit seinen Geschwistern eine Auseinandersetzung über den Nachlass des gemeinsamen Vaters traf. Zu Recht wird der Urkunde entnommen, dass Gutenberg bereits volljährig (mündig) gewesen sein muss, weil er nicht durch einen Vormund vertreten wurde. Um sein spätestes Geburtsjahr zu ermitteln, muss das Mündigkeitsalter von dem Urkundendatum abgezogen werden. Genau darin liegt jedoch das Problem. Nachdem in offensichtlich verfehlter Weise zunächst das Volljährigkeitsalter des Bürgerlichen Gesetzbuchs von damals 21 Jahren angesetzt worden war, wurde erkannt, dass das um 1400 übliche örtliche Mündigkeitsalter – für Knaben – ermittelt und verwendet werden muss. Dieses ist jedoch für Mainz, soweit ersichtlich, nicht überliefert, so dass nur Analogieschlüsse aus verwandten Rechten des Spätmittelalters gezogen werden können (Friedberg 1262:12 Jahre; Kleines Kaiserrecht circa 1340: 12 Jahre; Ingelheim 1412: 12 Jahre; Worms 13. bis 14. Jahrhundert: 14 Jahre; Ingelheim 1448: 13 Jahre). Dies legt eine Altersgrenze von 12 Jahren, möglicherweise bis zu 14 Jahren nahe. Die Verfasserin geht dem Problem selbst nicht näher nach, sondern schließt sich einer Auffassung an, die die Geburt auch unter Berücksichtigung der Übertragung einer lebenslänglichen Rente von dessen älterem Bruder Friele auf Gutenberg auf die Zeit zwischen 1393 und 1404 datiert. Neben den Renten, die Gutenbergs Vater vererbte und die Gottschalk vor dem Hintergrund des kanonischen Zinsverbotes eingehend erläutert, sind es die urkundlich dokumentierten Gerichtsverfahren, an denen Gutenberg beteiligt war. So ließ er während seiner Straßburger Zeit (ab 1434) den Mainzer Stadtschreiber in Schuldarrest nehmen, weil ihm die Stadt Mainz Rentenzahlungen nicht leistete. Dies referiert Gottschalk ebenso wie eine Klage gegen Gutenberg wegen Bruchs eines Eheversprechens. Diese hatte zur Folge, dass ein Zeuge, der das behauptete Eheversprechen bekundet hatte und deshalb von Gutenberg beschimpft worden war, ihn ebenfalls verklagte. Gottschalk spricht nachfolgend die beiden 1438 zwischen Gutenberg, Andreas Dritzehn und zwei weiteren Geschäftspartnern in Straßburg geschlossenen Verträge an, auf deren rechtlicher Grundlage Wallfahrtsspiegel hergestellt werden sollten. Mit den Verträgen beteiligten sich die Genannten an einer gemeinsamen Gesellschaft und verpflichteten sich zur Lehrgeldzahlung für die Unterweisung durch Gutenberg in einer Herstellungstechnik. Weiterhin wurde eine Gewinnverteilung vereinbart. Der spätere der Verträge enthielt zudem eine Regelung für den Fall, dass einer der vier Gesellschafter vor Ablauf der auf fünf Jahre festgelegten Vertragsdauer versterben würde. Die Verfasserin erwähnt sodann kurz den für die Gutenbergforschung wichtigen Prozess, in dem die Brüder des inzwischen verstorbenen Andreas Dritzehn Gutenberg auf die Herausgabe dessen Anteils am Gesellschaftsvermögen verklagten. Die Klage blieb jedoch erfolglos. Gottschalk weist schließlich darauf hin, dass Gutenberg sich 1441 als Bürge für einen Kredit zur Verfügung stellte und im Folgejahr selbst einen Kredit über 80 Gulden aufnahm. Nach seiner letzten überlieferten Erwähnung in Straßburg aus dem Jahr 1444 behandelt die Verfasserin die so genannte Vier-Jahres-Lücke, die sich mit der Frage befasst, wo sich Gutenberg bis zu einer Nennung im Jahr 1448 in Mainz aufgehalten habe. Dabei übergeht sie allerdings eine Erwähnung in den Frankfurter Geschichtsbüchern, bei der 1447 in einem Rechtsstreit gegen Hans von Dettlingen als Kläger Henne Genßfleisch von Menze aufgeführt ist. In Mainz nahm Gutenberg – von Gottschalk im Originaltext wiedergegeben – ein Darlehen bei seinem Verwandten Arnold Gelthus auf,  was die Gutenbergforschung zu dem Schluss veranlasst, er habe seit 1448 in Mainz eine Urdruckerei betrieben. In der Folge stellt die Verfasserin detailliert Einzelheiten der Gutenbergischen Erfindung – Herstellung der Lettern, Entwicklung von Winkelhaken und Setzschiff, Druckfarbe, Druckerballen und Druckerpresse – dar und beschreibt die ersten ihm zugeschriebenen Drucke, die Grammatik des Aelius Donatus und den Türkenkalender, gefolgt von den ersten Bibeldrucken, insbesondere die 42zeilige Bibel (die sogenannte B 42). Zur Schilderung des Endes der Geschäftsbeziehung zwischen Gutenberg und seinem Geldgeber Johannes Fust befasst sich Gottschalk mit dem Helmaspergischen Notariatsinstrument, das als wichtigstes Dokument zur erfinderischen Tätigkeit des Mainzers gelten muss. Das notarielle Schriftstück dokumentiert nicht nur die vom Mainzer Stadtgericht angeordnete Eidesleistung durch Fust auf seine Klage gegen Gutenberg, mit der er die Rückzahlung von zwei Darlehen nebst Zinsen und Zinsschadens verlangte, sondern auch die Klage und die Erwiderung Gutenbergs. Diese Urkunde ist 2008 von Hans-Michael Empell aus rechtshistorischer Sicht eingehen analysiert worden, worauf die Autorin allerdings nicht eingeht. Neben der Fortführung der weiteren Lebensstationen Gutenbergs bis zu seinem Tod 1468 erwähnt Gottschalk auch den wichtigen Beleg, dass gerade der Urenkel Fusts, Johannes Schöffer, 1505 (wie bereits 1499 die Kölner Chronik) bestätigte, die „wunderbare Kunst des Buchdrucks“ (richtig heißt es: „der Trückerey“) sei zuerst von dem „kunstreichen“ Johann Gutenberg im Jahr 1450 erfunden worden. Insgesamt kann der Biografie bescheinigt werden, dass sie in leicht verständlicher Sprache gehalten und dadurch gut lesbar ist. Einige ausgelassene Details schmälern nicht ihren Wert, eine qualifizierte Einführung in die Lebensgeschichte Gutenbergs und die Erfindung einer Buchdrucktechnik bereitzustellen. Instruktiv ist die großzügige Bebilderung.

 

Bad Nauheim                                                             Reinhard Schartl