Das Politbüro der DDR vor Gericht, hg. v. Wolff, Friedrich, mit einem Nachwort von Albrecht, Peter-Alexis. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2016. 1115 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

An dem Ende des zweiten Weltkriegs entschieden sich mit der Sowjetunion zusammenarbeitende deutsche Kommunisten und Sozialisten für die mögliche Bildung eines sowjetsozialistisch geprägten deutschen Staates auf dem Boden des geschlagenen Deutschen Reiches Adolf Hitlers. Von 1949 bis 1989 setzten sie und ihre von ihnen ausgewählten Nachfolger ihre Vorstellungen durch, ohne den freien wirklichen Willen der Beherrschten zu ermitteln. Nach der Feier des Jubiläums wurde der unvermutet deutlich sichtbare Volkswille vielleicht wegen Michael Gorbatschow in der Sowjetunion nicht mehr wie früher gewaltsam unterdrückt und nach freien Wahlen endete ziemlich rasch die Deutsche Demokratische Republik durch Beitritt zu der Bundesrepublik Deutschland, wodurch die strafrechtliche Verfolgung bis dahin begangener Straftaten möglich wurde.

 

Da sie in einzelnen Verfahren erfolgte, bestand zunächst keine Übersicht über das Gesamtergebnis. Dem hilft der vorliegende gewichtige, von dem in Berlin-Neukölln 1922 als Sohn eines jüdischen Arztes geborenen, 1941 bis 1943 zu einem Kaufmann ausgebildeten  und danach als Munitionsarbeiter tätigen, 1945 der Kommunistischen Partei Deutschlands beigetretenen und nach einem kurzen Versuch eines Medizinstudiums in Berlin an der Humboldt-Universität in Rechtswissenschaft ausgebildeten und von 1954 bis 1990 als Vorsitzender des Rechtsanwaltskollegiums Berlin in der Deutschen Demokratischen Republik tätigen und in vielen bedeutenden Strafverfahren sowie in Fernsehsendungen wirkenden Juristen (und Politiker) herausgegebene Band in gewisser Weise ab. Er ist in drei Abschnitte über die rechtliche Verfolgung von Politbüromitgliedern in der DDR, die rechtliche Verfolgung von Politbüromitgliedern in der BRD und einen kurzen Abschnitt über kritische Stimmen aus Rechtswissenschaft, Rechtspraxis und veröffentlichter Meinung zur Vergangenheitsbewältigung durch Strafrecht gegliedert.

 

Die rechtliche Verfolgung in der früheren Deutschen Demokratischen Republik betrifft Erich Honecker, Erich Mielke, Willi Stoph, Hermann Axen und Werner Krolikowski sowie die Konfiskation der Sparkonten Hermann Axens und anderer Politbüromitglieder nach dem Gesetz über den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Umstellungsguthaben. Die rechtliche Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland bezieht sich auf Erich Honecker, Erich Mielke, Willi Stoph, Heinz Keßler, Fritz Streletz, Hans Albrecht., Hermann Axen, Werner Krolikowski, Harry Tisch, (Erich Mielke,) Günter Schabowski, Günther Kleiber, Egon Krenz, Herbert Häber, Werner Eberlein, Siegfried Lorenz, Hans-Joachim Böhme und die Konfiskation der Sparkonten Hermann Axens und anderer Politbüromitglieder nach dem Gesetz über den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Umstellungsguthaben in der Bundesrepublik Deutschland und den Entzug der Entschädigungsrenten Hermann Axens und Erich Honeckers. Die insgesamt 21 und 102 einzelnen, aus Wolffs Unterlagen aus den entsprechenden Prozessen stammenden Dokumente werden in kritischen Stimmen und in dem Nachwort zusammenfassend aus unterschiedlichen Sichten beleuchtet und in einem schätzungsweise knapp 400 Personen umfassenden Verzeichnis von Abel, Michael über Axen, Böhme, Gorbatschow, Honecker, Krolikowski, Lorenz, Mielke und Wolff bis (Richter) Zupančič für den Leser aufgeschlossen, so dass der Nutzer sich nach dem Umschlagtext selbst ein eigenes Bild schaffen kann, ob und inwieweit der der strafrechtliche Versuch der Bewältigung einer in dem Ergebnis für den schlichten Bürger wohl mehr Unglück als Glück verursachenden politischen Vergangenheit gelungen ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler