Booß, Christian, Im goldenen Käfig – Zwischen SED, Staatssicherheit, Justizministerium und Mandant – Die DDR-Anwälte im politischen Prozess (= Analysen und Dokumente 48). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017. 813 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Deutsche Demokratische Republik entstand zwar auch auf der Grundlage der Kapitulation des Deutschen Reiches in dem zweiten Weltkrieg, hatte aber von Anfang an eine andere politische Ausrichtung als die Bundesrepublik. Ging es in dieser um eine westliche Demokratisierung vor allem nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika, so war in jener die Sozialisierung nach dem Muster der Sowjetunion angestrebt. Das hatte durchaus erhebliche Auswirkungen auf hergebrachte Einrichtungen wie etwa die Rechtsanwaltschaft.

 

Mit einem wichtigen Teilaspekt dieser Thematik beschäftigt sich die vorliegende umfangreiche Untersuchung des in Berlin (West) 1953 geborenen, an der Universität Berlin (FU) in Geschichte und Germanistik ausgebildeten, danach hauptsächlich als Journalist und seit 2009 als Projektkoordinator in der Abteilung Bildung und Forschung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiensts der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wirkenden Verfassers, der nach zeitweiliger Betreuung durch Rainer Schröder 2016 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität promoviert wurde. Seine Arbeit gliedert sich nach einem vorangestellten kurzen Schlaglicht auf die Justiz zu dem Ende der Ära Honecker und einer Einleitung über Themenstellung, Literatur, Quellenbelege und Methode in neun Sachabschnitte. Sie betreffen das Kollegium, die Institutionen zur Steuerung und Kontrolle der Anwaltschaft (durch das Ministerium der Justiz, die SED, das Ministerium für Staatssicherheit, Gerichte und Staatsanwaltschaft, Nomenklaturkaderabstimmungen), die Anwaltskarriere, Erziehung zu sozialistischer Anwaltschaft, geheimpolizeiliche und operative Einflussnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit, die Vorsitzenden des Rechtsanwaltskollegiums Ostberlin, das Stadium vor dem Prozess, den sozialistischen Strafprozess und Anwälte zwischen Anpassung und Aufbegehren in dem Umbruchjahr 1989.

 

Insgesamt betrachtet der Verfasser mit Unterstützung verschiedener Mitarbeiter mehr als 1000 Ermittlungsakten und Prozessakten. In seinem Ergebnis kann er ansprechend feststellen, dass zwar der Rechtsanwalt ein wesentliches Element in dem Verfahrensleben der Deutschen Demokratischen Republik sein sollte, dass er aber die Verurteilung des Angeklagten als das wesentliche Ziel politischer Verfahren nicht gefährden sollte. Dementsprechend war der Rechtsanwalt in dem politischen Prozess in der Deutschen Demokratischen Republik in erster Linie demokratische Dekoration mit erheblichen persönlichen Vorteilen etwa in der Form von Spitzenverdiensten bei überwiegendem Arrangement.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler