Herrmann, Stefanie, Die Entwicklung des Urheberrechtsbewusstseins sowie das Aufkommen urheberrechtlicher Regelungen in Deutschland. Kovač, Hamburg 2017. 407 S. Zugleich Diss. jur. Köln 2016. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.

 

 

Die zeitlich weit ausgreifende Arbeit will ergründen, weshalb und wie in Deutschland ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Urheberrechtsschutzes entstand. Sie will nach ihrem hohen Anspruch die Entwicklungstendenzen und Parallelen zu den einzelnen Epochen aufzeigen und zudem den Zusammenhang mit der gegenwärtigen Legitimationskrise des Urheberrechts herstellen. Untersucht wird von der Antike über das Mittelalter und die frühe Neuzeit vor allem dann das Zeitalter der Privilegien bis hin zu dem des Nachdrucks und bis zum Beginn der urheberrechtlichen Gesetzgebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Basis bilden dabei keine eigenen archivalischen Untersuchungen, sondern vor allem die bisher vorliegenden Forschungen, aus neuerer Zeit insbesondere die von Dölemeyer, Ludwig Gieseke, Gergen, Höffner, Klippel, Mohnhaupt, Siegrist, Wadle, Vogel u. a., wobei auch literatur-, kunst- und buchgeschichtliche Arbeiten z.T. mit einbezogen werden. Zuweilen liest sich die sehr belesene Studie fast wie ein bibliografischer Essay zum Thema. Die reiche englische und französische Literatur wird im Zusammenhang mit der Thematik allerdings wenig konsultiert, obwohl sie selbst bei einer Begrenzung auf Deutschland doch von erheblicher Bedeutung ist. - Ein methodisches Problem ist sicherlich, dass man schwerlich von einem einheitlichen Begriff des „Urheberrechtsbewusstseins“ epochenübergreifend ausgehen kann. Das erschwert die Untersuchung der Frage nach Parallelen, aber auch nach den Gründen, welche Faktoren das Aufkommen eines Urheberrechts in Deutschland begünstigt oder behindert haben. Der vor allem geistesgeschichtliche Ansatz, der sich in einer Reihe von Einzeldarstellungen der rechtshistorischen Lehren ausprägt, muss zwangsläufig die Einsicht in weiter und tiefer gehende Zusammenhänge verstellen. Die Autorin konzentriert sich auf literarische Werke. Sie geht von der allerdings problematischen These aus, dass das Urheberrecht durch ein „allgemeines Rechtsbewusstsein“ und die öffentlichen Diskussionen vor allem von Philosophen, Autoren und Juristen entstanden sei (S. 3f.). Diese These wird in der Arbeit meines Erachtens nicht oder mindestens nicht zwingend belegt. Auch für die hier besonders interessierende Epoche des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts dürfte dies nicht zutreffen, wie die Untersuchungen zum sog. Nachdruckzeitalter zeigen. Die ökonomischen Aspekte hat zuletzt insbesondere Höffner in seinen auch vergleichenden Untersuchungen bemerkenswert und mit dem Akzent auf die wirtschaftlichen Hintergründe aufgezeigt. - Die Arbeit der Verfasserin hat den Vorzug, einen jedenfalls für Deutschland guten Stand der Forschung zu bieten, geht aber auch nicht darüber hinaus. Ein Kernkapitel bildet einmal mehr die bekannte Kontroverse zwischen Bappert und Pohlmann aus den 1960iger Jahren. Hier kommt die Arbeit zu dem Ergebnis, dass den Thesen von Pohlmann nicht zu folgen sei. Wie insbesondere Wadle und andere gezeigt haben, ist eine endgültiges Urteil über die angreifbaren, in Teilen aber anregenden, diskutablen und allzu provozierenden Thesen Pohlmanns dazu aber heute noch nicht möglich, sondern bedarf weiterer Archiv-Forschungen. - Wir können in diesem Rahmen die einzelnen umfänglichen Ergebnisse nicht diskutieren, die sich hinsichtlich der Grundlagen an den bekannten vorliegenden Studien, oftmals allzu referierend, orientieren. Als ein „Fazit“ erscheint der Verfasserin es als angebracht, den Fokus heute im Urheberrecht weniger auf die Verwertungsrechte als auf die Urheberpersönlichkeitsrechte zu legen. Dass das Urheberpersönlichkeitsrecht in vergangenen Epochen seine eigene, zuweilen wichtigere Rolle gespielt hat, erscheint jedoch schwerlich als sinnvolle rechtspolitische Anregung. Im Anschluss an ihre Eingangsüberlegungen sieht die Verfasserin den „Akzeptanzverlust des Urheberrechts“ im Zusammenhang mit der „stetigen Schutzerweiterung“ zugunsten von Werken ohne erkennbare individuelle Prägung und der Komplexität der Regelungen (S. 355f.). Für die Arbeit, die auch fächerübergreifend Studien der Buch-, Kunst- und Literaturgeschichte mit einbezogen hat, wäre eine intensivere und breitere sozialgeschichtliche Perspektive, wie sie in den Arbeiten etwa von Hannes Siegrist, oder von Dommann, aber auch in anderen rechtshistorischen Arbeiten gepflegt wird, von Nutzen gewesen. Dann hätte sich nicht nur die Sicht auf Entwicklungen der frühen Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert differenzierter und plausibler darstellen lassen. Die Unterschiede des „Urheberrechtsbewusstseins“ (in der Sicht der Verfasserin) zwischen dem des 18. zu dem des 19. Jahrhunderts wären dann jedenfalls weit deutlicher hervorgetreten. Der auch ideengeschichtlich markante Bruch zwischen dem Nachdruckerzeitalter und der normativen Positivierung im 19. Jahrhunderts hätte sich an der rechtspolitischen Entwicklung, die das 19. Jahrhundert beherrscht, klarer aufzeigen lassen. Gerade mit den Rückgriffen auf die grundlegenden Arbeiten von Gieseke, Gergen, Nomine, Rehbinder, Siegrist, Wadle und Vogel namentlich für das 19. Jahrhundert hätten sich daher wohl die Fragen nach den Gründen für Genese und Wirkung der Diskurse im Kontext der philosophischen und rechtlichen Debatten im Kontext der rechtspolitischen Auswirkungen im Urheber- und Verlagsrecht klarer beantworten lassen. Auch ein vergleichender und verstärkt interdisziplinärer Blick auf parallele oder ungleichzeitige ausländische Entwicklungen hätte die Perspektiven und die Fragen nach Bewusstsein und Gründen für Fehlen, für Förderungen oder Hindernisse urheberrechtlicher Entwicklungen womöglich erweitert und vertieft.

 

 

Freiburg im Breisgau/Düsseldorf                                          Albrecht Götz von Olenhusen