Die DDR im Blick der Stasi 1956. Die geheimen Berichte an die SED-Führung, bearb. v. Bispinck, Henrik. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016. 320 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Seit seiner Entstehung beherrscht der Staat seine Bürger, auch wenn er sie gerne glauben macht, dass sie ihn beherrschen. Daran dürfte sich auch mit der Durchsetzung des Grundsatzes der Volkssouveränität wenig geändert haben, wie beispielhaft der Erlass von Steuergesetzen auch in der Demokratie zeigt. Umso mehr gilt dieses Prinzip auch in den so genannten Volksdemokratien.

 

Dementsprechend vertraute die Sozialistische Einheitspartei der Deutschen Demokratischen Republik ihren Arbeitern und Bürgern ebenfalls nicht. Um deren Stimmung zu erkunden und Gefährdungen der eigenen, in Scheinwahlen abgesicherten Herrschaft vorzubeugen, sammelte die Parteiführung geheime Berichte. Nach dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik war deren Veröffentlichung möglich, die ein besseres Bild der damaligen Wirklichkeit vermittelt als die parteiliche Propaganda, wenn auch kein unbegrenzt wahres Abbild der Wirklichkeit.

 

Seit 2009 sind in diesem Zusammenhang 12 Veröffentlichungen erschienen, die etwa die Jahre 1976, 1989, 1988, 1977, 1953, 1965, 1960, 1981 und 1961 betreffen. Der vorliegende weitere Band beginnt nach einem kurzen Vorwort mit einer Einleitung über den zeitgeschichtlichen Hintergrund,  bietet ausgewählte Themenfelder (Stimmung zum XX. Parteitag der KPdSU, Diskussionen in der Arbeiterschaft, Arbeitsniederlegungen und Streiks, Gründung der Nationalen Volksarmee, Flucht und Abwanderung, Intelligenz, Intellektuelle und Studenten), behandelt das Ministerium für Staatssicherheit und die Abteilung Information, legt die Struktur der Berichte dar und enthält zusätzliche Informationen. Ausgewählten Dokumenten (S. 85-294) folgt eine Gesamtübersicht der 397 Dokumente vom 4. Januar  bis 28. Dezember 1956, so dass damit auch für das Jahr 1956 jedem Interessierten das der Staatssicherheit bekannte Material zur Verfügung steht, wofür dem Bearbeiter sehr zu danken ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler