Wejwoda, Marek, Sächsische Rechtspraxis und gelehrte Jurisprudenz. Studien zu den rechtspraktischen Texten und zum Werk des Leipziger Juristen Dietrich von Bocksdorf (ca. 1410-1466) (= Monumenta Germaniae Historica. Studien und Texte 54) Hahn, Hannover 2012. XXIX, 318 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Der sächsische Landeshistoriker Enno Bünz regte eine Dissertation zu dem Leipziger Juristen Dietrich von Bocksdorf an, die Mark Wejwoda in außerordentlich gelungener Weise abschließen konnte. Ihr Umfang bedingte, dass die Arbeit in vier Teilbänden erscheinen musste, die bei verschiedenen Verlagen veröffentlicht wurden. Der bewusst kurz gehaltenen Einführung in Leben und Werk Bocksdorfs, ausführlich sind die Angaben in dem Teilband ‚Spätmittelalterliche Jurisprudenz …‘ enthalten, der 2012 in Leiden/Boston erschienen ist, folgt die Darstellung der rechtspraktischen Arbeiten Bocksdorfs als Advokat und Gutachter für Parteien und Richter (S. 6-76). Verschiedene seiner Arbeiten sind im ‚Zeitzer Kopialbuch‘ überliefert. Neben einer inhaltlichen Würdigung sucht Wejwoda auch durch Analysen des Textes und der Überlieferungsträger zu klären, inwieweit Bocksdorf als Verfasser der jeweiligen Texte zu bestimmen ist. Wenn auch neben klar Bocksdorf zuzuordnenden Stücken bei anderen Texten viele Hinweise zu Bocksdorf zu finden sind, ist Wejwoda zurückhaltend genug, diese Belege nicht für ausreichend zu halten. Hierbei kommen Wejwoda seine gründlichen kodikologischen Kenntnisse und Erfahrungen zugute. An dieser Stelle zeigt sich die Problematik der Verteilung der Arbeit auf vier Bände, denn die kodikologischen Aussagen werden auch durch Abbildungen in ‚Dietrich von Bocksdorf und seine Bücher‘ (2015) belegt. In diesem Teil finden sich Angaben zu den Schreibern, die für Bocksdorf tätig waren. Texte, die im Kopialbuch nicht in Bocksdorfs Handschrift stehen, können demnach trotzdem ihn als Verfasser (und einen anderen Schreiber) haben. Deutlich wird dies an Schriftsätzen im Rechtsstreit des Ritters Kunz von Kauffungen mit dem Kurfürsten Friedrich II., die hier überliefert sind. Ähnlich ist es bei Schriftsätzen, die Guido Kisch in den ‚Informaciones‘ (1923) behandelt. In seiner Argumention um die Urheberschaft Bocksdorfs an Urteilssprüchen zeigt Wejwoda eine vertiefte Kenntnis des gerichtlichen Verfahrens und seiner Praxis im 15. Jahrhundert. Überzeugend legt er dar, dass die Informaciones eine Schrift Bocksdorfs für einen Bürgermeister waren, die dieser als Auftragsarbeit gewünscht hatte. Bei diesem Vergleich kam Wejwoda die Vertrautheit mit den bis heute überlieferten Texten zugute, die seinen Vorgängern Hugo Böhlau und G.uido Kisch so nicht zur Verfügung standen. Die weiter gegangenen Forschungen, etwa zum ‚Rechten Weg‘, wurden für die Arbeit herangezogen. Bei seinen Sucharbeiten im Hauptstaatsarchiv in Dresden gelang es ihm weitere Hinweise auf Arbeiten Bocksdorfs zu finden, die nicht mehr überliefert sind. Überzeugend stellt er in diesem Zusammenhang dar, dass es bei der Überlieferungssituation in Archiven unmöglich ist, einen Gesamtüberblick über die Tätigkeit eines für den Hof wirkenden Juristen zu gewinnen. Bei Beachtung dieser Unwägbarkeiten ist das gefundene Ergebnis beeindruckend. In Teil III (S. 77-147) wendet sich Wejwoda den Ausarbeitungen und Abhandlungen zu, die Bocksdorf als Autor nennen und die damit sein wissenschaftliches „Werk“ ausmachen. Erfreulich ist, dass für die Mängel an der Dokumentation des „Werkes“ in Handschriftenverzeichnissen auf die Defizite des Erschließungsstands und Forschungsstands Bezug genommen wird. Hatten die Ausgaben Homeyers (1856, 1931/1934) insbesondere mit den Problemen der Beständeerschließung in Bibliotheken und Archiven zu tun, so standen Arbeiten in den 1980er Jahren zusätzlich Probleme eines grenzüberschreitenden Zugangs zu Bibliotheken und Archiven entgegen. Bei diesen mängelbelasteten Vorarbeiten ist es erfreulich zu sehen, dass Wejwoda zwar Angaben in den Vorarbeiten korrigieren konnte, jedoch hat er nicht in nennenswerter Anzahl Neufunde machen können, die den Vorarbeiten entgangen waren. Selbst die Quedlinburger Handschrift (S. 67 Anm. 56) wurde in den Vorarbeiten nicht übersehen, sondern als Nr. 1088 (Homeyer) und Nr. 658 (Oppitz) behandelt. Für das ‚Remissorium zu Sachsenspiegel und Weichbild‘, Arbeiten zur Erbfolge und zu den Sippzahlregeln, die ‚Gerichtsformeln‘ und die ‚Weise des Lehnrechts‘ belegt Wejwoda Bocksdorfs Verfasserschaft. Abschließend stellt er die Arbeiten Bocksdorfs zur Landrechtsglosse dar. Eine kurze Zusammenfassung (S. 148-152) weist auf den Strukturwandel angesichts der Verbindung des einheimischen Gerichtswesens mit der neuen schriftlichen Praxis und den gelehrten Rechten hin, für dessen juristische Würdigung in der Arbeit das Material bereitgestellt wurde. Die Auswertung erwartet Wejwoda zu Recht von den Rechtshistorikern. In einem materialreichen Anhang (S. 153-296) sind die Textzeugen der Überlieferung ausführlich dargestellt. Ein Namenregister erschließt die Arbeit.

 

Schwer zu entscheiden bleibt, ob Dietrich von Bocksdorf nur der produktivste Jurist seiner Zeit war, dessen Werke in erfreulicher Vollständigkeit überliefert sind, oder ob er der hervorragende Jurist war, neben dem es keine vergleichbare Person gab. Leider ist sehr daran zu zweifeln, dass in einer weiteren Promotionsarbeit die Bestände in Sachsens Archiven daraufhin gesichtet werden. In jedem Falle setzt Wejwodas Werk Standards für die Arbeit zu der Arbeit gelehrter Juristen anderer Territorien am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz