Henschel, Ulrike, Vermittler des Rechts. Juristische Verlage von der Spätaufklärung bis in die frühe Nachkriegszeit (= Schriftmedien Band 1). De Gruyter/Saur, Berlin 2015. 480 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Mit dem wohl seit 1548 bezeugten Wort Verlag wird der gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen bezeichnet, der anscheinend in Bezug auf Webwaren in Flandern seit dem 13. Jahrhundert einsetzt, wobei der Verleger oft auch einen Teil der Geräte und Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm vertriebenen Gegenstände bestimmt. Nach der Erfindung des Buchdrucks am Ende des Spätmittelalters entwickelt sich der besondere Verlag für die Werke der Literatur und der Tonkunst und geht im Übrigen der Verlag seit der Industrialisierung überwiegend in der Industrie auf und wird vielfach als (Vermarktung von) Heimarbeit bezeichnet. Von daher ist der Verlag in dem allgemeinen Bewusstsein der Gegenwart hauptsächlich auf Texte und andere geistige Werke und deren Verbreitung konzentriert.

 

Dementsprechend sind für jeden Juristen die juristischen Verlage von grundlegender Bedeutung. Deshalb verdient die Geschichte des juristischen Verlagswesens für jeden geschichtlich interessierten Juristen grundsätzliche Aufmerksamkeit. Die in diesem Rahmen bisher bestehende Lücke schließt die Verfasserin mit ihrer von Ute Schneider vom Institut für Buchwissenschaft in Mainz betreuten und von Michael Stolleis zweitbegutachteten, im Jahre 2014 vom Fachbereich Philosophie der Universität Mainz angenommenen Dissertation in vorbildlicher Weise.

 

Gegliedert ist das stattliche, überzeugende Werk in sieben Abschnitte. Nach einer Einführung über das juristische Verlagswesen als Forschungsgegenstand schildert die Verfasserin die Anfänge als Streben nach verlegerischer Identität (R. von Decker, C. F. Müller, Carl Heymanns, J. C. B. Mohr) und behandelt danach die Rechtswissenschaft als verlegerische Erfolgsbasis sowie die Positionierung auf dem Weg zu ausdifferenzierten Verlagsprofilen. Es folgen die verlegerischen Strategien zur Krisenbewältigung in der Weimarer Zeit und die Kontinuitäten und Brüche im juristischen Verlagswesen nach 1933.

 

Insgesamt ermittelt die Verfasserin dabei als (39) juristische Verleger in alphabetischer Reihung die Familien Johann Ambrosius Barth (1780), C. H. Beck (1763), J. Bensheimer (1838), Richard Boorberg (1927), Cotta (1659), R. von Decker (1537/1713),  J. H. W. Dietz (1881), Ferd. Dümmler (vormals Julius Eduard Hitzig 1808), Duncker & Humblot (1798), Ferdinand Enke (1837), Gustav Fischer (1878), J. Guttentag (1853, ab 1919 Walter de Gruyter), Carl Hermann Hemmerde (1729/1737), Jakob Heß (1818), Georg Friedrich Heyer (1790), Carl Heymanns (1815), Josef Jehle (1912), W. Kohlhammer (1866), Wilhelm Gottlieb Korn (1732), Fr. Kortkampf (1866), Krieger (1725), Otto Liebmann  (1890), Manz (1849), J. B. Metzler (1682), Alfred Metzner (1909), J. C. B. Mohr (1801), C. F. Müller (1799), Puttkammer & Mühlbrecht (1867), Ludwig Roßberg (1854), Dr. Walter Rothschild (1905), Erich Schmidt (1924), Dr. Otto Schmidt (1906), Schulthess (1791), J. Schweitzer (1868), Soldan (1908), Julius Springer (1842), Franz Vahlen (1870), Vandenhoeck & Ruprecht (1735) und Moritz Veit (1834). Dabei kann sie im Ergebnis feststellen, dass juristische Verlage immer dann wirtschaftlich Erfolg hatten, wenn eine breite Mehrheit von Elite und Bevölkerung die herrschende Staatsform bejahte (Kaiserreich im 19. Jahrhundert, Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft, beginnende Bundesrepublik). Die Verlage stabilisieren, indem sie informieren, und werden für diese Vermittlung zwischen Verfassern und Markt wirtschaftlich (meist ausreichend bis sehr gut) belohnt.

 

Die Verleger richteten dabei ihre Programme zu jeder Zeit nach dem herrschenden politischen System aus. Sie waren in ihrer Grundhaltung eher opportunistisch als avantgardistisch oder revolutionär. Langfristige institutionelle Kontinuität als Voraussetzung für eine Marktstellung konnte nur durch unbeschadetes Überstehen von Systemumbrüchen im Staatswesen und Veränderungen des Rechtswesens erreicht werden.

 

Ansehen und Einfluss des Autors in seiner Haupttätigkeit bestimmten dabei die Wirkungsmacht des Werkes. Autoren bilden das Kapital und Potenzial des Verlags. Eine erfolgreiche Juristenkarriere ist demnach typischerweise Voraussetzung für eine erfolgreiche Autorentätigkeit, wobei die Hauptleistung des juristischen Verlags gegenüber dem so gut wie nie hauptamtlich tätigen Autor in reputationswirksamer Öffentlichkeit besteht und nicht in materieller Vergütung für die schöpferische Nebentätigkeit, obwohl auch hier meist der bekannte Satz gilt pecunia non olet.

 

Hinsichtlich der juristischen Verlage stellt die Verfasserin hohe Markthürden für neue Marktteilnehmer in einem relativ geschlossenen Markt fest, weil es für die maßgeblichen Autoren nicht attraktiv war und ist, in einem neuen Verlag zu veröffentlichen. Für seine Anerkennung durch die Öffentlichkeit ist es vielmehr von überragender Bedeutung im Verbund mit anderen bekannten Autoren wahrgenommen zu werden. Renommierte  und absatzfördernde  Autoren und staatliche Stellen bevorzugen führende Verlage und führende Verlage bevorzugen renommierte Autoren und staatliche Stellen, so dass insgesamt ein System gegenseitiger Unterstützung entsteht, zu dem der Zugang nicht einfach ist, bei dem sich im Rahmen des menschlichen Wertesystems die Zugehörigkeit aber meist über Ansehen und Ehre und unmittelbare sowie mittelbare Einkünfte doch sehr lohnt.

 

Abgesehen von diesen allgemeinen Erkenntnissen spürt die Verfasserin vielfältige interessante Einzelheiten auf. Sie werden durch eine Reihe von Tabellenregistern gelungen veranschaulicht. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein Personenregister von Achilles bis Zimmer, ein Werkregister von 500 Zusätzen zum Code Napoleon bis Zur Neugestaltung des Strafverfahrens und Strafvollzugs sowie ein Sach- und Verlagsregister von A.  Bagel (Verlag) – ein vielleicht unter Bagel und in ähnlichen Fällen zu erwartender Eintrag fehlt – bis Zivilprozessordnung runden das eindrucksvolle Werk vorteilhaft ab.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler