Adlgasser, Franz, Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente 1848-1918. Konstituierender Reichstag 1848-1849, Reichsrat 1861-1918. Ein biographisches Lexikon, Teilband 1 A-L, Teilband 2 M-Z (= Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 33). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2014. CII, 1-745, 747-1540 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Geschichte der formellen Verfassung der europäischen Großmacht Österreich ist komplex und kompliziert. Die revolutionären Strömungen des Jahres 1848 trafen den Kaiser unerwartet und unvorbereitet, doch sah er wohl unmittelbar keine Alternative zur Gewährung einer Konstitution. Nach Niederschlagung der Unruhen hielt er dies für einen großen politischen Fehler und lehnte letztlich bis Dezember 1867 nach Möglichkeit mit allen verfügbaren Mitteln Zugeständnisse gegenüber den politischen Forderungen des Liberalismus ab.

 

Dessenungeachtet gestand er unter dem ihn umgebenden politischen Druck 1848 einen 1849 aufgelösten Reichstag und 1861 einen bis 1918 bestehenden Reichsrat zu. Deren Mitglieder waren bislang nicht zu einer gut und leicht greifbaren Einheit zusammengefasst. Deswegen initiierte Helmut Rumpler, der langjährige Obmann der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie ein Projekt zur kollektivbiographischen Erforschung des österreichischen Parlaments bis 1918, das seit dem Jahr 2002 an der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie, seit der Neuorganisation des Jahres 2013 an dem Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt wird. Das vorliegende Lexikon ist nach dem Vorwort des Bearbeiters das erste große Ergebnis dieses Vorhabens.

 

Es gliedert sich in eine umfangreiche sachkundige Einleitung des nach dem Studium der Geschichte an der Universität Salzburg 1989 graduierten und 1992 mit einer Dissertation über den American Individualism Abroad (Herbert Hoover, die American Relief Administration und Österreich, 1919-1923) promovierten, seit 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der genannten Kommission tätigen Bearbeiters, die biographischen Dokumente und Übersichten über die abgekürzt zitierten Archivbestände sowie die abgekürzt zitierte Literatur. Der biographische Teil beginnt mit Abensperg-Traun, Hugo Graf (1828-1904) und endet mit Żyguliński, Michał (1864-1912), wobei der älteste der etwa 3500 erfassten Männer am 24. Februar 1774 geboren wurde (Ignaz Maria Graf Attems), der letzte nachweisbare Todesfall an dem 2. 9. 1976  eintrat und Victor Freiherr von Fuchs von 1879 bis 1918 ohne Unterbrechung einen Sitz in dem Abgeordnetenhaus des Reichsrats einnahm. Insgesamt sieht sich das wichtige und umfangreiche Werk überzeugend als ein Kaleidoskop der Geschichte des mitteleuorpäischen Raumes in seiner ganzen Vielfalt von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, das in einem zweiten Schritt in eine Kollektivbiographie umgesetzt werden soll.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler