Gönczi, Katalin/Carls, Wieland unter Mitwirkung von Bily, Inge, Sächsisch-magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien. Autonomie und Rechtstransfer im Donau- und Karpatenraum (= Ius Saxonico-Maideburgense in oriente 3). De Gruyter, Berlin 2013. 223 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Der Rezensent muss den Herausgebern dieser Reihe Abbitte tun, denn in überaus erfreulicher Geschwindigkeit erscheint nunmehr nach dem Einleitungsband und dem Band 2 über die Rechtsentwicklung in Polen (2011) der Band 3 zur Rechtssituation im Donau- und Karpatenraum unter Mitarbeit von Inge Bily. Von Katalin Gönczi, einer ausgewiesenen Kennerin der Rechtsentwicklung in Ungarn, ist der gewichtigere Teil der Veröffentlichung mit den Unterkapiteln zur Rechtsentwicklung, der Forschungsgeschichte, dem Landesausbau und der Stadtentwicklung sowie dem Rechtstransfer erarbeitet. Wieland Carls, als Arbeitsstellenleiter, behandelt die Rechtsquellen sächsisch-magdeburgischen Rechts im Untersuchungsgebiet. Dieses Gebiet umfasst Ungarn und Rumänien in ihren heutigen Grenzen. Die Rechtsentwicklung in Rumänien beschränkt sich auf die autonome Rechtsgestaltung der Siebenbürger Sachsen, denn das Rechtsleben der in Rumänien lebenden Ungarn und Szekler in Siebenbürgen richtete sich nach ungarischem Gewohnheitsrecht (consuetudo). Die Fürstentümer Moldau und Walachei sind weitgehend aus der Erörterung ausgeschlossen worden, da ihre Sprache und Rechtskultur mindestens seit dem 14. Jahrhundert nach Byzanz ausgerichtet waren, später gerieten sie in den Einflussbereich des Osmanischen Reichs. Die engen Verbindungen der Zips als Siedlungsgebiet der aus Thüringen, Sachsen und Schlesien stammenden Zipser Sachsen zum Königreich Ungarn machte es wohl unvermeidlich, dass auch ihre Rechtsentwicklung zusammen mit dem Recht im heutigen Ungarn behandelt wurde. Naheliegend wäre es gewesen, in der beigefügten Basiskarte des Untersuchungsgebietes die Slowakei in das Gebiet einzubeziehen und auch den Titel der Untersuchung entsprechend zu erweitern.

 

Bei den Aussagen zur Beeinflussung der städtischen Rechtsordnungen, welche die Verfasser erst ab der Zeit der Rechtsaufzeichnungen im 15. Jahrhundert als gegeben ansehen, wird nicht deutlich gemacht, welcher Verlust an schriftlichen Aufzeichnungen während der verschiedenen Kriegshandlungen vom 13. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, zum Beispiel bei den Einfällen der Osmanen, eingetreten ist. Eine Überlieferungsgeschichte der erhaltenen Archivalien im städtischen, kirchlichen und staatlichen Besitz müsste die Untersuchung ergänzen.

 

Soweit Handschriften heute in ungarischen Bibliotheken aufbewahrt werden, wäre bei ihnen in jedem Falle die Besitzgeschichte sorgfältig zu bestimmen, um entscheiden zu können, welche Bedeutung sie für die Rechtsüberlieferung des Königreichs Ungarn besitzen. Bearbeiter von Rechtsquellen können sich aus Überlieferungszeugen bedient haben, die heute nicht mehr im Untersuchungsgebiet vorhanden sind. Die heute im Untersuchungsgebiet vorhandenen Textzeugen können aus wissenschaftlichem Interesse späterer Rechtsinteressierter an den heutigen Ort gelangt sein, ohne in Verbindung zur Rechtsentwicklung im Untersuchungsgebiet gestanden zu haben. Gerade bei den drei Handschriften des Schwabenspiegels (S. 133) in Budapest, die sich um 1830 im Besitze des Sammlers N. Jankovich befanden, ist es wahrscheinlich, daß sie vorher in Bayern oder Österreich in Gebrauch waren und erst spät nach Ungarn gelangt sind. In gleicher Weise gibt das Colophon der Schwabenspiegel-Handschrift in Kaschau Hinweise darauf, daß auch diese Handschrift 1430 nicht in Kaschau entstanden ist, sondern in Bayern geschrieben wurde. Eine sorgfältige Bearbeitung der Wasserzeichen und der Schriftheimat dieser Handschrift könnte Hinweise auf den Entstehungsort zutage fördern. Erst danach wäre zu klären, wann und gegebenenfalls auf welchem Wege diese Handschrift nach Kaschau gelangte. Die Angaben der Herausgeber der Edition (Berlin 2000) zum Entstehungsort der Handschrift sind nicht verlässlich und weichen ohne jegliche Begründung von Annahmen früherer Bearbeiter dieser Handschrift ab.

 

Ohne derartige Detailstudien ist es schwierig, Handschriften, die heute im Untersuchungsgebiet verwahrt werden, als Belege für die Rechtsquellen, die dem örtlichen Recht als Vorlage gedient haben könnten, zu nutzen.

 

Inge Bilys Beitrag zu den Ortsnamen der beiliegenden Karte ist bei der Vielzahl der möglichen Namensformen eine Zugabe, deren Wert jeder zu schätzen weiß, der sich mit der Namensvielfalt im Untersuchungsgebiet befassen musste. Das erfreulich ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 143-183) bringt verschiedene Hinweise auf elektronische Verfügbarkeit. Wünschenswert wäre es, wenn bei allen vor dem Jahre 1900 erschienenen Drucken der Nachweis auf digitale Präsentationen gegeben würde. Zwar ändert sich nahezu täglich die Verfügbarkeit von Texten, jedoch wäre dem mit einer Angabe zu einem Stichtag zu begegnen. Im Vergleich zu anderen Veröffentlichungen sind die Autoren den digitalen Nachweisen überaus aufgeschlossen.

 

Die zuverlässig gearbeiteten Register der Orte, Personen, Sachen, Rechtsquellen und (nach Orten sortierten) Handschriften (S. 185-223) erschließen den Inhalt des Werkes in benutzerfreundlicher Weise.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz