Notare und Notarssignete vom Mittelalter bis zum Jahr 1600 aus den Beständen der Staatlichen Archive Bayerns. Folgeband Funktionen und Beurkundungsort, Quellennachweise, Indizes und Nachträge, erfassung und bearb. v. Kern, Elfriede/Weileder, Magdalena unter Mitwirkung v. Lupprian, Karl-Ernst/Wolf, Susanne. Gesamtredaktion Wolf, Susanne (= Sonderveröffentlichungen der Staatlichen Archive Bayerns 8). Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, München 2012. 615 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg.

 

Wer einmal als Archivar oder Benutzer in staatlichen Archiven mit spätmittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Akten und Urkunden zu tun hatte, dem ist bewusst, welch reichhaltige Nachweise an Notarszeichen in den Beständen zu finden sind. Zeugenprotokolle, Protestschreiben, Verträge, Beglaubigungen: Sie alle waren, wenn sie erhöhte Rechtskraft haben sollten, notariell unterzeichnet oder in einem Notariatsinstrument eingebunden. Nur sind diese Signete – anders als die dem Historiker vertrauteren Siegelabdrücke – nur selten inventarisiert und selbst von Archivaren häufig übersehen worden. Dabei geben sie mit ihren Emblemen und Sinnsprüchen in bisweilen künstlerischer Ausgestaltung viel über das Selbstverständnis eines recht selbstbewussten Notarstands wieder. Insofern ist das von der Bayerischen Archivverwaltung installierte Projekt einer Erfassung der Notarszeichen für die Zeit bis 1600 einzigartig, da damit ein Überblick über den Gesamtbestand im Münchener Hauptstaatsarchiv und anderen bayerischen Staatsarchiven für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung gestellt werden konnte. Auch für den Rechtshistoriker ist eine solche Zusammenstellung von großem Wert, da sie zur Identifizierung der Mitglieder eines im Heiligen Römischen Reich tätigen Standes beiträgt, der – ohne dem engeren Juristenstand anzugehören – doch erheblich zur Professionalisierung von Justiz und Verwaltung im Alten Reich beigetragen hat. Als kaiserliche oder päpstliche Notare, als immatrikulierte Notare am Reichskammergericht, als Stadt- und Gerichtsschreiber und als „Urkundebeamten der Geschäftsstelle“, wie man sie heute bezeichnen würde, waren sie in kaiserlichen, städtischen, gerichtlichen oder fürstlichen Diensten vielfältig einsetzbar und gefragt kurzum: als „polygraphi“(Vielschreiber) tätig, wie sich ein hessischer Notar am Ende des 16. Jahrhunderts bezeichnete. Die Legitimation ihrer Tätigkeit fanden sie in der im kanonischen Recht schon frühzeitig festgelegten Regel, dass notariell unterfertigten Dokumenten besondere Beweiskraft zukommen sollte.

 

Schon 2008 sind die von Elfride Kern seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts aus Beständen der Staatlichen Archive Bayerns erfassten knapp 3.000 Notarszeichen publiziert worden. Vorliegender Band bringt dazu lediglich noch zwei Nachträge, verbunden allerdings mit einer Fülle von Korrigenda, wie sie bei derartigen Inventarisierungsarbeiten üblich sind (Die vielfach inzwischen geänderten Archivsignaturen wurden in einer gesonderten Konkordanz aufgelistet). Aufgenommen wurden in diesem Band Informationen zur Herkunft, ihrer beruflichen Autorisierung durch den Papst bzw. den Kaiser, die Nennung akademischer Titel und des religiösen Stands, verbunden mit der Inkardination in einer Diözese. Grundlage waren über 8.000 Notariatsinstrumente der Zeit von 1166 bis 1600. Damit lag schon seit vier Jahren ein beachtlicher Korpus vor.

 

Der vorliegende Band, erschienen zur 500jährigen Wiederkehr der Reichsnotariatsordnung Kaiser Maximilians vom 8.Oktober 1512, will diesen älteren Band mit Detailinformationen zu den erfassten  Notaren ergänzen. In chronologischer Auflistung werden die ermittelten Notare namentlich aufgeführt und mit Nachweisen zu den von ihnen jeweils verantworteten Beurkundungen versehen. Außer den Namen werden, soweit vorhanden, auch weitere Angaben aufgeführt, welche die Notare selbst ihren Namen hinzufügten. Damit wird es auf dieser Grundlage möglich, zu ermitteln, an welchen Orten und in welchen Zeiträumen die erfassten Notare tätig waren. Damit liegen sichere Grundlagen für die Forschung vor, die damit in die Lage versetzt wird, Notarskarrieren und Tätigkeitsschwerpunkte festzulegen.. Für die Benutzung von großem Wert sind die am Ende des Bandes gebrachten, mehr als 100 Seiten umfassendn Personen- und Ortsindindices einschließlich einem Register der erwähnten Diözesen. Über ihn können – zumal auch ältere Schreibweisen der erfassten Begriffe aufgenommen wurden - auch regionale Gruppen und verwandtschaftliche Vernetzungen bis hin zu Notarsdynastien ermittelt werden. Gerade anhand solcher Namenregister zeigt es sich, dass die heute allenthalben angebotenen digitalen Suchfunktionen, die unterschiedliche historische Schreibweisen nicht erfassen können, keineswegs einen sorgfältig erstellten, abweichende Schreibweisen erfassenden analogen Index ersetzen können.

 

Darmstadt                                                                                          J. Friedrich Battenberg