Der Allgemeine Teil des Privatrechts. Erfahrungen und Perspektiven zwischen Deutschland, Polen und den lusitanischen Rechten, hg. v. Baldus, Christian/Dajczak, Woiciech (= Schriften zur Entwicklung des Privatrechtssystems 10). Lang, Frankfurt am Main 2013. 556 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Laufe seiner Geschichte ist der Mensch zu der Erkenntnis gelangt, dass die Welt aus zahllosen Individualitäten besteht, dass diese differenzierten Erscheinungen aber doch auf verhältnismäßig wenigen grundlegenden Bausteinen beruhen. Dementsprechend konnte er zwischen Besonderem und Allgemeinem unterscheiden, wie etwa im Altertum bereits die Trennung von lateinisch genus und species belegt. Für das Recht sonderte nach älteren Vorüberlegungen Christian Wolffs Schüler Georg Darjes 1740 in seinen Institutiones jurisprudentiae universalis eine pars generalis aus, worin ihm im 19. Jahrhundert deutsche Gesetzgeber folgen.

 

Ob diese Entscheidung eher Vorteile oder Nachteile mit sich bringt, ist eine vielfach erörterte Frage. Mit ihr befasste sich ein internationales, vom Ministerium für Forschung und Hochschulbildung Polens großzügig gefördertes Projekt der Jahre von 2010 bis 2012. Dessen vielfältige Forschungsergebnisse legen die Herausgeber verdienstvollerweise in einem stattlichen Sammelband vor, der 26 gehaltvolle Referate zu einer interessanten Einheit verbindet.

 

Gegliedert ist das Werk in insgesamt vier Teile, in deren Rahmen die philosophischen und historischen Grundlagen als allgemeine Gegebenheiten vorangestellt und an Hand von Physik und Metaphysik (Tomasz Giaro) bzw. der Digesten (Martin Avenarius) erörtert werden. Der zweite Teil fragt nach der Rationalität der Verallgemeinerung des Rechtsstoffs, während der dritte Teil die Idee des allgemeinen Teiles den nationalen allgemeinen Teilen des Privatrechts gegenüberstellt (Ulrich Ernst für Deutschland, Polen und Portugal, Jan Peter Schmidt für Brasilien, Susanne Hähnchen für die Pandektistik und Deutschland am Beispiel der Rechtsfähigkeit, Andrzej Gulczyński für Polen am Beispiel des Rechtssubjekts, Rafael Longhi für Brasilien und Portugal am Beispiel der Geschäftsfähigkeit, Jerzy Pisuliński für Polen am Beispiel des Rechtsgeschäfts und der Willenserklärung, Jan Dirk Harke für Brasilien, Deutschland und Portugal am Beispiel der Arglistanfechtung, Jerzy Pisuliński für Polen am Beispiel der Handlungsvollmacht, Wojciech Dajczak für Polen am Beispiel der Sache sowie Andrzej Gulczyński für Polen am Beispiel des Verhältnisses von allgemeinem Teil und Familienrecht) und der vierte Teil ausgewählte Fragen der Methodenlehre aufgreift. Am Ende des erfreulicherweise mit einer kurzen Ausführung anstelle eines rapport de synthèse bzw. einer ganz kurzen Zusammenfassung an Stelle eines summary bzw. résumé auf Englisch und Französisch sowie einem Index ausgestatteten Werkes wird die Suche nach einer neuen pandektistischen Methologie vorgeschlagen, bei der, weil der allgemeine Teil heute - wenn auch als fragmentierte Metaphysik in fragmentierten Physiken - überall ist, nach Möglichkeit außer Deutschland, Polen und den lusitanischen Rechten auch weitere Rechtsgestaltungen der gesamten Welt einbezogen werden sollten.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler