Brauneder, Wilhelm, Europäische Privatrechtsgeschichte (= UTB 3487). Böhlau, Wien 2014. 278 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wilhelm Brauneder (*1943) wurde nach seiner Wiener Promotion 1966 von Hans Lentze an Werner Ogris empfohlen und1971 mit 28 Jahren auf Grund seiner 1973 gedruckten Schrift über die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich für deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, österreichische Verfassungsgeschichte und österrreichische Verwaltungsgeschichte promoviert. Trotz seines Ausgangspunkts im Privatrecht wandte er sich anschließend besonders der Verfassungsgeschichte zu, für die er das führende, vielfach aufgelegte Lehrbuch Österreichs verfasste. Dessenungeachtet konnte er auf Grund seines weitgespannten Horizonts 1994 sowohl Studien (1) über die Entwicklung des öffentlichen Rechts wie auch Studien (2) über die Entwicklung des Privatrechts und nach weiteren Forschungen 2002 Studien (3) über die Entwicklung des öffentlichen Rechts II und 2012 Studien (4) über Entwicklungen des öffentlichen (Rechts) und Privatrechts vorlegen.

 

Der vorliegenden Darstellung, die nach seiner Vorbemerkung ein Grundriss sein will, liegt ein Lehrbehelf in der Form eines nicht über den Buchhandel vertriebenen Skriptums zu Grunde, der durch etwa dreißig Jahre verschiedene Lehrveranstaltungen an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien begleitete und dort einfach unmittelbar erworben werden konnte. Ursprünglich als österreichische Privatrechtsgeschichte verfasst, unterlag er einer zunehmenden Ausweitung auf Europa und erhielt zuletzt den Namen Europäische Privatrechtsgeschichte. Nach Veröffentlichung einer ungarischen Buchausgabe unter dem Titel neuere Privatrechtsgeschichte Mitteleuropas am Beispiel Osterreichs bis 1900 (1995) und nach der frühere Möglichkeiten einengenden Emeritierung hat sich der Verfasser erfreulicherweise auch für eine deutsche Buchhandelsausgabe an prominenter Stelle entschieden.

 

Dabei war ihm nach seinen Worten das an sich denkbare Ziel einer sozusagen flächendeckenden Privatrechtsgeschichte Europas von vornherein verwehrt. Zum einen benötigen die zahlreichen Studenten als in den Blick genommene Käufer für ihre Prüfungen kein umfassendes wissenschaftliches Grundlagenwerk, sondern nur einen möglichst preiswerten Grundriss. Zum anderen fehlen trotz des nach den zutreffenden Worten des Verfassers unvollständigen Handbuchs Helmut Coings für ein an sich wünschenswertes Großprojekt notwendige oder hilfreiche Detailuntersuchungen und Übersetzungen, so dass im Ergebnis die Sicht des Verfassers auf die großen Entwicklungslinien ausgerichtet bleiben muss und bleibt, in deren Rahmen die vorgestellten Quellen vor allem auch der Vertiefung des Textes dienen, die ehemals handelnden Personen nur knapp erfasst werden und dogmatische Beispiele den Vorzug vor längeren  Erörterungen theoretischer Erwägungen haben sollen.

 

Gegliedert ist das nunmehr über den Buchhandel vertriebene, insgesamt 160 Textseiten umfassende Werk nach einer kurzen Einführung über das Verhältnis von öffentlichem Recht und Privatrecht, über europäische Privatrechtsgeschichte, heimisches und deutsches Recht, römisches und gemeines Recht, kanonisches Recht und Naturrecht in insgesamt 15 Kapitel. Sie betreffen das Mittelalter (dogmatische Beispiele der heimischen Rechte bzw. des deutschen Rechtes Sachrenrecht, Lebensgemeinschaften, Ehegüterrecht, Erbrecht, am Ende Rechtsbücher, Weistümer und frühe Gesetze sowie regionale Rechtsfamilien), das Common Law (dogmatische Beispiele Liegenschaftsrechte, Miteignerschaften, Trust, Sicherungsrechte, Ehegüterrecht, Erbrecht), die frühe Neuzeit, das Ius Romano Germanicum (dogmatische Beispiele gemeinrechtliche Institute, Mischformen, Neukonstruktionen), das skandinavische Recht (und dogmatische Beispiele), das Naturrecht, die naturrechtlichen Kodifikationen (ALR, Code civil, ABGB), die europäischen Privatrechtsfamilien um 1800, die kodifikationsgebundene Rechtswissenschaft (Österreich, Italien-Österreich, Frankreich), die historische Rechtsschule (mit dogmatischen Veränderungen), die pandektistischen Kodifikationen (BGB des Deutschen Reiches, ZGB der Schweiz, ABGB mit jeweils dogmatischen Beispielen), Reaktionen auf Pandektistik und Germanistik, das Privatrecht totalitärer Staaten (Nationalsozialismus, DDR mit dogmatischen Beispielen), Dekodifikation und Rekodifikation (mit dogmatischen Beispielen) und die europäischen Privatrechtsfamilien um 2000 (Kontinentaleuropa, skandinavischer Rechtskreis, sozialistischer Rechtskreis, Common Law).

 

Der danach gebotene Quellenteil zur Privatrechtsgeschichte Europas beginnt in seinen 56 Nummern auf der Seite 177 mit dem Wiener Stadtrechtsbuch des Spätmittelters und endet auf der Seite 256 mit einer Entscheidung des obersten Gerichtshofs Österreichs aus dem Jahre 1953. Anschließend bietet der Verfasser unter Voranstellung der abgekürzten Vornamen Hinweise auf die Literatur, darunter für die Institutionengeschichte besonders U. Flossmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte, 6. Aufl. 2008 (Mitteis-Lieberich folgend) und H. Coing, Europäisches Privatrecht, Band 1f. 1985ff. Ein Verzeichnis der neun eingewobenen Abbildungen und ein die ausgeschriebenen Vornamen den Familiennamen nachordnendes Register von ABGB bis Zivilehe runden das über Jahrzehnte in der privatrechtsgeschichtlichen Ausbildung Wiener Juristen wohl führende, Privatrecht von öffentlichem Recht grundsätzlich sondernde Werk, dem man eine ebenso erfolgreiche Zukunft angesichts des unabänderlichen Generationenwechsels nur wünschen kann, vorteilhaft ab.

 

Innsbruck                                Gerhard Köbler