Blickle, Peter, Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 1), 3. Aufl. Oldenbourg, München 2012. VIII, 179 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Stand gehört zu dem starken Verb stehen, stand, gestanden und ist damit die Stelle, an der ein Mensch in der Gesellschaft steht. Die vor der mit der französischen Revolution des Jahres 1789 einsetzenden formalen Egalisierung aller Menschen bestehende europäische Gesellschaft ist durch die Einteilung in unterschiedliche Stände gekennzeichnet. Sie ist stationär und nicht dynamisch, sie will Ruhe bewahren und muss deswegen Unruhe vermeiden, so dass Unruhe in ihr immer nur die Ausnahme von ihrem Grundsatz sein kann, weshalb Unruhen in der ständischen Gesellschaft eigentlich ein Widerspruch in sich sein sollten oder könnten.

 

Peter Blickle hat diesen Gegensatz schöpferisch aufgegriffen und im Jahre 1988 als Band 1 einer Enzyklopädie deutscher Geschichte behandelt. Gedanklich legte er nach seinem Vorwort die Überlegung zu Grunde, dass entsprechend den seinerzeitigen Forschungsfeldern und Diskussionsschwerpunkten der Gegenstandsbereich soziale Konflikte nicht nur für das 19. und 20. Jahrhundert zu thematisieren sei, sondern auch für die vorrevolutionäre Periode der deutschen Geschichte aufgegriffen werden müsse. Deswegen versuchte er erstmals, Unruhen auf dem Lande und in der Stadt sowie in Spätmittelalter und Frühneuzeit darzustellen, auf dabei erkennbare Gemeinsamkeiten hinzuweisen und damit Unruhe als geradezu wesentlich für die ständische Gesellschaft zu erfassen.

 

Zwei Jahrzehnte später konnte er mit Genugtuung feststellen, dass Unruhe seit seiner Ersterscheinung bemerkenswert an Interesse gewonnen habe. Die dabei erzielten Erkenntnisgewinne ließen sich synthetisch aber nur mittels einer großangelegten Monographie sinnvoll bearbeiten, so dass sie in eine zweite Auflage des Bandes nur unter 5. Unruhen-Forschung zwischen 1988 und 2008 - Vom Revoltieren zum Aushandeln nach S. 109 im Umriss abgebildet werden konnten. Die wenig später notwendige dritte Auflage arbeitet die nach 2010 erschienene Literatur in dieses Kapitel und in die Nachtragsliteratur (S. 160ff.) ein, so dass damit zwar kein neues Werk, aber doch eine erfolgreiche Untersuchung auf aktualisiertem Literaturstand mit insgesamt 460 Quellen- und Literaturhinweisen zur allgemeinen Verfügung steht.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler