Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-2002, Band 48 Die vom 27. 05. 1989 bis zum 01. 01. 2002 ergangenen Strafurteile Lfd. Nr. 908-920, bearb. v. Rüter, C(hristiaan) F(rederik)/De Mildt, D(ick) W(elmoed) unter Mitwirkung v. Hekelaar Gombert, L. Amsterdam University Press/De Gruyter, Amsterdam/Berlin 2012. X, 787 S. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Es ist eine bemerkenswerte Koinzidenz, dass die Publikation des ersten Bandes von „Justiz und NS-Verbrechen“ (JuNSV) genau in das „Protestjahr“ 1968 fällt, dessen Protagonisten in ihrer Forderung nach einer offeneren Gesellschaft unter anderem vehement eine tabulose und transparente Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ära reklamiert haben. Und tatsächlich: Die mittlerweile auf 48 Bände angewachsene Sammlung der zunächst westdeutschen, dann gesamtdeutschen Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsdelikte (dazu kommen 14 Bände der Reihe „DDR-Justiz und NS-Verbrechen“ für die seinerzeit auf ostdeutschem Boden ergangenen Entscheidungen) bietet tiefe Einblicke in das abgründige Geschehen jener Jahre, aber auch in die Strafjustiz der letzten Jahrzehnte bis in die unmittelbare Gegenwart. Es ist daher durchaus angebracht, in diesem Zusammenhang von einer zeit- und rechtsgeschichtlichen Quelle ersten Ranges zu sprechen, die mittlerweile auch online verfügbar ist. Ausnahmslos in elektronischer Form ist die zweite, überarbeitete und aktualisierte Auflage der in den Jahren 1968 bis 1981 erschienenen Bände I – XXII der westdeutschen Serie einsehbar, für Abonnenten der Buchreihen wird auf Antrag kostenfreier Zugang gewährt (ansonsten soll der Preis für eine Lizenz bei 5000 Euro liegen).

 

Zu verdanken ist dies der emsigen Editionsarbeit des Teams um Christiaan Frederik Rüter, bis 2003 Ordinarius am Institut für Strafrecht der Universität Amsterdam, dem neben namhaften Juristen wie Willi Dreßen, von 1996 bis 2000 Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, und Historikern mit Karl Dietrich Bracher auch einer der bekanntesten Exponenten der deutschen Zeitgeschichtsforschung angehört. Das groß angelegte Projekt erfasst systematisch und chronologisch fortschreitend die Urteile deutscher Gerichte in NS-Strafverfahren wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen im weiteren Sinn; mit Abschluss des hier vorliegenden 48. Bandes sind dies immerhin 919 Verfahren der (west)deutschen Reihe. Die Struktur der Präsentation bleibt einheitlich: Die mit fortlaufenden Ordnungsziffern versehenen erstinstanzlichen Urteile sind bei durch Revisionsentscheidungen gegebenem Bedarf mit Hilfe von Kleinbuchstaben untergliedert. Einen ersten inhaltlichen Überblick geben Regesten mit der Nennung des zuständigen Gerichts, mit Datum und Aktenzeichen, der Bezeichnung des einfachen oder auch kumulierten Tatkomplexes in allgemeiner und spezifischer Form und der Angabe des Tatortes. Zur weiteren Orientierung dient ein Verfahrensregister; es enthält zunächst eine alphabetisch geordnete namentliche Auflistung der Angeklagten (ihre Familiennamen sind mit wenigen Ausnahmen durch die Beschränkung auf einen bis vier Buchstaben weitgehend anonymisiert) und das Ausmaß der jeweils verhängten Strafe. Ihm folgen entsprechende Aufstellungen der Gerichtsentscheidungen, der seinerzeit in die Straftaten involvierten Dienststellen, der Opfer – jeweils gesondert nach Art und Nationalität, der Tatkomplexe, der Länder, in welchen die Verbrechen begangen worden sind, der Tatorte und der Tatzeiten. Diverse Rangtafeln auf der Innenseite des vorderen und hinteren Einbanddeckels ermöglichen eine Einordnung in die jeweilige Hierarchieebene der Gliederung, der die Beschuldigten einst angehörten, und den Vergleich mit der anderer institutioneller Akteure, eine weitere Übersicht am Ende des Bandes listet über viele Seiten die Abkürzungen auf. So reichhaltig dies alles erscheinen mag, so ist doch zu bemängeln, dass die Editionskriterien, wie in den Vorbemerkungen zum aktuellen Band ausgeführt wird, nur in den Bänden I und XXIII dargelegt worden sind, was den Nutzer, der nicht die gesamte Reihe sein Eigen nennt, ratlos zurücklässt. So ist etwa nicht ersichtlich, nach welchen Gesichtspunkten die Entscheidung, die Namen von Angeklagten und Tatbeteiligten anonymisiert oder doch im vollen Wortlaut aufzunehmen, getroffen wurde. Die spärlich eingesetzten Fußnoten des Textes stellen, sollten Personen bereits früher in anderen erfassten Prozessen aktenkundig geworden sein, in der Regel den Bezug zur Ordnungszahl dieser Verfahren her.

 

Unter den laufenden Nummern 908 bis 919 (Nr. 920 ist, im Widerspruch zur Betitelung, nicht enthalten) verzeichnet der vorliegende 48. Band insgesamt zwölf unterschiedlich umfangreiche Strafverfahren. Mit 235 Druckseiten, inklusive acht Skizzen und Lichtbilder zu Anlagen des Lagerkomplexes Auschwitz-Birkenau, übertrifft Fall Nr. 909 [LG Siegen vom 24. 1. 1991, Ks 130 Js 2/84 (Z)] gegen Ernst August Kön[ig], dem zur Last gelegt wurde, „im Jahre 1943 und Anfang 1944 auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau im Lagerabschnitt B II e (sogenanntes Zigeunerlager) als SS-Angehöriger im Range eines Rottenführers 8 Häftlinge eigenmächtig getötet zu haben sowie an der Tötung einer Häftlingsgruppe aus dem Zigeunerlager und einer auf der sogenannten Rampe ankommenden Häftlingsgruppe jüdischer Herkunft durch Verbringung in die Gaskammern beteiligt gewesen zu sein“ (S. 11), quantitativ alle anderen Prozesse dieses Bandes bei Weitem. Beachtenswert ist vor allem, dass sich das Gericht in diesem Prozess, der fast ausschließlich die Tötung von Zigeunern in Auschwitz zum Gegenstand hat, mit den Besonderheiten der Beweiswürdigung und der Frage der Zuverlässigkeit von Zeugen nach 45 Jahren intensiv auseinandersetzt und dahingehend auch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten erstellen ließ, auf dessen solider Grundlage es „nicht die Auffassung der Verteidigung zu teilen“ vermochte, „dass nach fast einem halben Jahrhundert eine Feststellung von Tatsachen mit Zeugenaussagen nicht mehr möglich sei, so dass eine Überführung des Angeklagten durch Zeugenbeweis unzulässig und unverantwortlich sei“ (S. 85). König wurde „unter Freisprechung im übrigen wegen Mordes in drei Fällen zu einer Gesamtstrafe von lebenslanger Freiheitsstrafe“ (S. 11) verurteilt und nahm sich, bevor das Urteil in Rechtskraft erwachsen konnte, das Leben. Mit Fall Nr. 910, der Strafsache gegen Michael Sche[liner], die mit dessen Freispruch endete, enthält der Band ein weiteres Verfahren, das sich mit an Zigeunern begangenen Verbrechen befasst [LG Kassel vom 26. 9. 1991, 132 Js 29806/81 – 2 (4) Ks].

 

Die prekären Aspekte der Verjährungsbestimmungen werden in der Causa Nr. 914 (a+b) [LG Koblenz vom 18. 1. 1994, 101 Js 35779/90 jug -2 Kls und BGH vom 1. 3. 1995, 2 StR 331/94] gegen Richard Heinz Wolfgang Leh[nigk]-Em[den] anschaulich illustriert, der als Leutnant der Deutschen Wehrmacht im Oktober 1943 im italienischen Caiazzo „des in keiner Weise gerechtfertigten Mordes an 15 Frauen und Kindern überführt“ werden konnte und dessen Prozess wegen Verfolgungsverjährung dennoch eingestellt werden musste. Ausschlaggebend für diesen das Gerechtigkeitsempfinden irritierenden Spruch war die Einschätzung der Kammer, „aus Rechtsgründen unter Anlegung des durch den Bundesgerichtshof für die vorliegende Fallkonstellation konkretisierten Zweifelgrundsatzes nicht die erforderliche Überzeugung (zu) gewinnen, die festgestellte Mordtat wäre [zum Zeitpunkt ihrer Begehung] mit Bestimmtheit nicht geahndet worden“ (S. 543), eine für das Eintreten der Verjährungshemmung aber unabdingbare Voraussetzung. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung und verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft; lediglich die Auslagen- und Entschädigungsentscheidung wurde zu Ungunsten des Angeklagten revidiert. In den Medien fand sich harsche Kritik: „Mit dieser Entscheidung setzt sich der BGH nicht nur in Widerspruch zum BSG; er fällt auch zurück in die Zeit apologetischer Geschichtsbetrachtung“ resümierte „Der Spiegel“ (10/1995), und in einer „Steuermilliarden für Naziverbrecher – Deutsches Recht macht Täter zu Opfern“ betitelten, von der ARD am 30. Januar 1997 ausgestrahlten „Panorama“-Sendung wurde beanstandet, dass „aus dem von der Justiz verschonten Mörder ein Opfer (wurde)“, beziehe doch „der wohlhabende Rentner“ Lehnigk-Emden „wegen einer leichten Beinverletzung von damals […] jeden Monat neben seiner normalen Rente 708.- Mark, eine sogenannte ‚Opferrente‘“. Auf Grundlage des Verfahrenshindernisses der Verjährung sollte ebenso der Fall Nr. 913, die Strafsache gegen Heinrich Schr[…?], der sich 1941 als unerfahrener Kommandant des Zwangsarbeitslagers Sawin der Beihilfe zum Mord in drei tateinheitlich begangenen Fällen schuldig gemacht hatte, mit der Einstellung enden [LG Hamburg vom 3. 12. 1993, 601 Ks 2/93].

 

Eine interessante Konstellation anderer Art bietet das Verfahren Nr. 916 gegen Alfons Göt[zfried] [LG Stuttgart vom 20. 5. 1999, 1 Ks 30 Js 61533/97], der sich am 3. November 1943 im Zuge der als „Aktion Erntefest“ deklarierten Massenerschießung jüdischer Menschen im Konzentrationslager Majdanek, indem er als Angehöriger des Erschießungskommandos „eigenhändig mindestens 500 Menschen erschoss, und, nachdem ihm übel geworden war und er nicht mehr weiterzuschiessen vermochte, noch Waffenmagazine auffüllte“ (S. 625), damit „der tateinheitlich begangenen Beihilfe zum Mord in 17000 Fällen schuldig“ gemacht und „deshalb zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt“ wurde (S. 593). Nach Kriegsende war der Angeklagte in russische Gefangenschaft geraten, von einem Militärtribunal abgeurteilt und bis Juli 1958 in Gefängnissen und Lagern festgehalten worden. Obwohl „intensive Bemühungen, im Rechtshilfeweg die betreffenden sowjetrussischen Akten bzw. Kopien hiervon beizubringen, […] erfolglos geblieben (sind)“, folgte das Gericht den Ausführungen der sachverständigen Gutachter, „dass die ihm nunmehr zur Last fallende Tat bereits Gegenstand des in der ehemaligen Sowjetunion ergangenen Urteils […] und der […] nachfolgenden Strafvollstreckung war“, und verfügte „eine Anrechnung dieses Freiheitsentzuges im Verhältnis 1:2“ (S. 626f.): „Ein Tag des in der Sowjetunion erlittenen Freiheitsentzuges entspricht zwei Tagen Strafhaft“ (S. 593) – womit die Strafe de facto verbüßt war.

 

Mit jeweils über 120 Druckseiten einen größeren Umfang nehmen ferner die Prozesse Nr. 911 gegen den ehemaligen SS-Oberscharführer Josef Schwammberger [LG Stuttgart vom 18. 5. 1992, 9 Ks 22/90], dem als Kommandanten der Zwangsarbeitslager für Juden Rozwadow und „SS-Instandsetzungswerkstätten“ Przemysl mehrfacher Mord und Beihilfe zum Mord nachgewiesen und gegen den eine lebenslängliche Freiheitsstrafe ausgesprochen wurde, und Nr. 912 gegen die früheren SS- Hundeführer Karl Bruno Bla[ch] und Dominik Gle[ba] ein [LG Duisburg vom 25. 3. 1993, IX Ks 130 (24) Js 28/72], deren auf im Lager Wiener Neudorf und während des Evakuierungsmarsches von dort nach Mauthausen begangene Straftaten bezogenes Verfahren mit einem Freispruch und einer Bewährungsstrafe enden sollte. Nicht so glimpflich für den Angeklagten verlief die Strafsache Nr. 919 (a+b) gegen den ehemaligen Aufseher Anton Malloth [LG München I vom 30. 5. 2001, 1 Ks 320 Js 30188/00 und BGH vom 21. 2. 2002, 1 StR 538/01], der für schuldig des Mordes und des versuchten Mordes, begangen in der Gestapohaftanstalt Kleine Festung in Theresienstadt, befunden wurde und dafür lebenslang erhielt, jedoch schon wenig später verstarb. Im nahe gelegenen Leitmeritz wurden noch im Frühjahr 1945 vom damaligen an der Nachrichtenschule der Waffen-SS eingesetzten Untersturmführer Julius V[iel] „allein aus Mordlust sieben jüdische Häftlinge, die im Panzergraben gearbeitet hatten“, erschossen (S. 654), wofür der Angeklagte zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt wurde (Fall Nr. 918); sein baldiger Tod führte zur Einstellung des Revisionsverfahrens vor Rechtskraft [LG Ravensburg vom 3. 4. 2001, 1 Ks 30 Js 36780/98 und BGH vom 16. 5. 2002, 4 StR 551/01].

 

In einem Fall, dem Urteil Nr. 915 [LG Köln vom 19. 12. 1997, B.104-28/97], dokumentiert der Band die Anwendung des milderen Jugendstrafrechts: Weil er als Angehöriger der sogenannten Schutzmannschaft an der Absperrung während der Ermordung mindestens 19 jüdisch-ukrainischer „Mischlingskinder“ in Kowalewka im Sommer 1942 beteiligt war, wurde dem damals gerade 19 Jahre alten Ernst Her[ing] eine „Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten“ auferlegt und „deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt“ (S. 561). Das Gericht kam zur Ansicht, dass sich „aus der Gesamtwürdigung des Angeklagten bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zum Zeitpunkt der Tat nach seiner geistigen und sittlichen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand“ (S. 587). Kaum älter, hatte auch Reimund Zep[…?] etwa zur gleichen Zeit im Einsatzbereich des Außenpostens der Sicherheitspolizei am Wyskow-Pass in ähnlicher Weise die Erschießung von sieben Menschen zu unterstützen (Nr. 917); die zuständige Strafkammer wandte zwar kein Jugendstrafrecht an, kam aber zum Ergebnis, „dass die Schuld des damals sehr jungen Angeklagten an der Beihilfe zum 7-fachen grausamen Mord durch seinen Vorgesetzten gering ist“ und deshalb „von seiner Bestrafung abgesehen worden ist“ (S. 649) [LG Braunschweig vom 23. 6. 1999, 32 KLs 703 Js 19606/97]. Der Freispruch für den Gendarmen Benjamin Paul Fuc[…?] (Nr. 908), dem die Erschießung eines auf Anruf nicht stehen bleibenden Polen in Tomaszow vorgeworfen wurde, stützt sich auf massive Differenzen zwischen der Körpergröße des Beschuldigten und der des von den Zeugen beschriebenen Täters [LG Tübingen vom 17. 10. 1990, Ks 5/89].

 

Es sind nicht nur inspirierende Rechtsfragen, die das Studium dieses Materials aufwirft. Betrachtet man die aufgelisteten Prozessunterlagen in ihrer Gesamtheit, so fällt vor allem die Heterogenität der Täterpersönlichkeiten ins Auge. Neben Überzeugungs- und Exzesstätern finden sich Angeklagte, die – so gewinnt man den Eindruck – mehr durch die Ungunst der Verhältnisse denn durch eigenen Antrieb in schuldhafte Verstrickung gerieten. Es stellt sich die Frage, ob hier nicht unter dem zeitlichen Druck, dem starken Einfluss der Medien, dem hohen Symbolwert des Gegenstandes und in Ermangelung der Verfügbarkeit relevanter Verantwortungsträger in diesen Verfahren auch letztrangige Helfer des Systems, „kleinste Fische“, unbedingt noch im hohen Alter der Strafjustiz zugeführt werden. Ein Indiz für diese Annahme mag der Umstand sein, dass sich unter den Angeklagten immer weniger ehedem „Reichsdeutsche“ finden; im vorliegenden Band liegt der Anteil der „Ausländer“ bei bemerkenswerten 70 Prozent, und auch das jüngste große deutsche Gerichts- und Medienspektakel in diesem Zusammenhang, der Fall des (inzwischen verstorbenen) ukrainischen Wachmanns Demjanjuk, scheint diesen Befund zu bestätigen. Auf der anderen Seite wird auch deutlich, dass es sich die Gerichte - wie oft unterstellt - in diesen Verfahren keineswegs leicht machen und die rechtsstaatlichen Grundsätze konsequent zur Anwendung bringen. Gerade diese Sorgfältigkeit und die oben hinterfragte „Qualität“ der angeklagten Täter bedingen wiederum manches Urteil, das in den Augen der Anklage und ganz besonders der Angehörigen der Opfer nicht selten als mangelhaft und ungerecht - weil der Schwere ihres Verlustes nicht angemessen - empfunden wird. Die Akten dieses Bandes offenbaren den symbolischen Charakter dieser „späten“ Prozesse, die kaum einen der betagten verurteilten Straftäter tatsächlich dem Strafvollzug zuführen können: Von den 13 Angeklagten musste nur ein einziger, der mit lebenslänglicher Haft bestrafte, damals achtzigjährige Josef Schwammberger (Fall Nr. 911), noch längere Zeit - über zwölf Jahre - für seine Taten hinter Gittern einstehen; alle anderen profitierten, sofern sie nicht überhaupt freigesprochen wurden (3), von Verfahrenseinstellungen wegen Verjährung (2), dem Absehen von Bestrafung wegen geringer Schuld (1), Bewährung (2), der Anrechnung von bereits verbüßten Haftstrafen (1), oder sie verstarben noch während des laufenden Prozesses oder im unmittelbaren Anschluss an das Verfahren (3). Dessen ungeachtet wird man grundsätzlich den Umstand, dass die – wie die Schilderungen vieler Tatabläufe unzweifelhaft erkennen lassen - notwendige Strafverfolgung aus dem Titel nationalsozialistischer Tötungsverbrechen allen Widrigkeiten und Bedenken zum Trotz bis dato stattfindet, durchaus als Qualitätsmerkmal eines funktionierenden demokratischen Rechtssystems anerkennen müssen.

 

Kapfenberg                                                     Werner Augustinovic