Franke, Christoph, Legalisiertes Unrecht. Devisenbewirtschaftung und Judenverfolgung am Beispiel des Oberfinanzpräsidiums Hannover 1931-1945 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 257). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2011. 349 S. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die geringfügig geänderte Fassung der von Hans-Dieter Schmid betreuten, im November 2008 von der philosophischen Fakultät der Universität Hannover angenommenen, von der Oberfinanzdirektion Niedersachsen und der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen unterstützten Dissertation des in Frankfurt am Main 1971 geborenen, in Hannover in Geschichte und politischer Wissenschaft ausgebildeten, von 2001 bis 2004 am von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt Finanzverwaltung und Judenverfolgung am Beispiel des Oberfinanzpräsidenten Hannover beschäftigten Verfassers. Sie lässt sich in die in den vergangenen 20 Jahren erfolgte Zuwendung der Forschung zum Holocaust zur wirtschaftlichen Dimension einordnen. In deren Rahmen ist zuletzt die staatliche Verwaltung gerückt, für die der Verfasser einen detaillierten Überblick über den bisherigen Forschungsstand bietet.

 

Seine eigene, sorgfältige, auf umfangreiches ungedrucktes Material gestützte Darstellung gliedert der Verfasser im Kern in vier Einheiten. Nach seiner Einleitung behandelt er zunächst das Devisenrecht und die Judenverfolgung unter besonderer Berücksichtigung der Vorgeschichte und der Entwicklung des Devisenrechts seit 1931 sowie die Organisation der Devisenbewirtschaftung im Deutschen Reich (Reichswirtschaftsministerium, Reichsbank, Devisenstellen, Überwachungsstellen, Zollfahndungsstellen, Devisenfahndungsamt, Devisenschutzkommandos). Auf dieser Grundlage wendet er sich der Devisenstelle bei dem Oberfinanzpräsidenten Hannover und geht dabei besonders auf Albert Kolb, Otto Grothe, Hermann Bönig, Paul Armstedt, Dr. Herbert Weyher, Paul Friedrich Möller sowie Eugen Pape ein, um danach detailliert die Verfolgung der Juden durch die Devisenstelle Hannover an den Fällen Paul Blum, Dr. Horst Berkowitz, Max Oppenheimer, Joseph und Elisabeth Löwenstein, Gebrüder Thalheimer und A. J. Rothschild & Söhne zu zeigen.

 

Im Ergebnis stellt er einleuchtend fest, dass die Devisenbewirtschaftung der Ära Brüning (ab 1931) nach der nationalsozialistischen Machtübernahme zu einem bedeutenden Politikinstrument wurde und neue Möglichkeiten staatlicher Kontrolle und Lenkung eröffnete. Unter Verweis auf die angespannte Vermögenslage bewirkten die Devisenstellen zusammen mit anderen Stellen auf der Grundlage des gesetzlichen Instrumentariums eine weitreichende Enteignung jüdischen Vermögens zu Gunsten des Staates und seiner Profiteure. Einleuchtend setzt er der seinerzeitigen Behauptung, die Juden hätten der deutschen Volkswirtschaft ihr Vermögen in Wahrheit durch ihr zweifelhaftes Geschäftsgebaren entzogen und hätten insofern gar kein Recht der Mitnahme bei der Auswanderung, die eigene Feststellung entgegen, dass die Opfer bei dem Verlassen ihrer Heimat nur mitnehmen wollten, was sie zuvor selbst erwirtschaftet oder ererbt hatten, woran der Staat sie aber mit Unterstützung der Devisenstellen rechtswidrig hinderte.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler