Mangold, Anna Katharina, Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht. Die Europäisierung der deutschen Rechtsordnung in historisch-empirischer Sicht (= Jus Internationale et Europaeum 55). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XXII, 586 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Obgleich die natürliche Aggressivität des Menschen zwischenmenschliche Konflikte mit großer Wahrscheinlichkeit niemals vollständig ausschließen lassen wird, verständigten sich wichtige Gegner des zweiten Weltkrieges nach seinem Ende auf die Kooperation als Alternative zur Konfrontation. Aus diesen Überlegungen entstand 1951/1952 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Ihr folgte bis zur Gegenwart das Erfolgsmodell einer Europäischen Union mit derzeit 27 Mitgliedstaaten, das eine Europäisierung des Rechts mit sich brachte.

 

Mit diesem weltgeschichtlich bedeutsamen Vorgang befasst sich die von Rainer Wahl im Rahmen eines Projekts zur Erforschung der Geschichte des bundesrepublikanischen öffentlichen Rechts betreute, 2009 in Freiburg im Breisgau angenommene Dissertation der 1977 geborenen, 2010 zum LL. M. an der Universität Cambridge graduierten, seit 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie in Freiburg tätigen Verfasserin. Sie behandelt ein am ehesten mit der Rezeption des gelehrten Rechtes in Europa vergleichbares, im Detail davon freilich auch deutlich verschiedenes Geschehen in beeindruckender Art und Weise. Sie schließt damit eine seit langem bestehende, große Lücke.

 

Gegliedert ist die auf einem umfangreichen Literaturverzeichnis ruhende, durch Register ansprechend aufgeschlossene Untersuchung in insgesamt sechs Teile. Nach einer kurzen Einführung in Erkenntnisinteresse, Methodologie und Europäisierung als Begriff betrachtet die mutige Verfasserin die Grundlagen der Europäisierung mit dem Europäischen Gerichtshof als Motor der Europäisierung und pragmatischer political player, das Verhältnis zwischen Rechtswissenschaft und Gemeinschaftsrecht, die Europäisierung der Legislative, der (Ministerial)Verwaltung und der Justiz, den theoretischen Rahmen samt Systematisierung der Einwirkungsmechanismen des Gemeinschaftsrechts und als Ergebnis auf den Seiten 487-500 das europäsierte Recht. Dabei stellt die Verfasserin überzeugend fest, dass das deutsche Recht als inzwischen europäisiertes deutsches Recht bezeichnet werden muss, dass Komplementarität und Reziprozität die Kennzeichen dieser europäisierten deutschen Rechtsordnung sind und dass wohl nur der differenzierte Umgang mit dem Gemeinschaftsrecht die deutschen Einflussmöglichkeiten auf die weitere Entwicklung des Gemeinschaftsrechts bestmöglich wahrt.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler