Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Hilgendorf, Eric (= Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 4 Leben und Werk). De Gruyter, Berlin 2010. XIV, 706 S., 21 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Für wohl die meisten Menschen ist nichts so wichtig und interessant wie das eigene ich. Bald danach kommt vermutlich die unmittelbare Umgebung, so dass es kaum überraschen kann, dass ein Sammelband über die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen rasch nach Erscheinen das Interesse eines Rezensenten fand. Leider konnte der Verlag kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen, so dass der Herausgeber auf Grund einer Ausleihe wenigstens in einigen Zeilen auf das gewichtige, Günter Spendel gewidmete Werk hinweisen muss.

 

In seiner abgewogenen Einführung nennt Eric Hilgendorf als verdienstvoller Organisator als Ziel die Beleuchtung der Entwicklung der deutschsprachigen Strafrechtswissenschaft und Strafrechtsgeschichte in den letzten 50 Jahren an Hand repräsentativer Selbstdarstellungen, wodurch die individuelle Entwicklungsgeschichte in die Gesamtgeschichte in der Form der Zeitgeschichte eingebettet wird. Dass die Autobiographie Vorzüge wie Nachteile haben kann, problematisiert er an Hand der bisherigen Literatur. Auch das zweite Kernproblem der Auswahl der Autoren spricht er sachgerecht an, wobei immer ein Rest von Subjektivität bleiben muss.

 

Aufgenommen sind in alphabetischer Reihenfolge Gunther Arzt, Manfred Burgstaller, Albin Eser, Hans Joachim Hirsch, Hans-Heinrich Jescheck, Günther Kaiser, Diethelm Kienapfel, Karl Lackner, Ernst-Joachim Lampe, Klaus Lüderssen, Werner Maihofer, Wolfgang Naucke, Claus Roxin, Hans-Ludwig Schreiber, Friedrich-Christian Schroeder, Günter Spendel, Günter Stratenwerth, Klaus Tiedemann, Herbert Tröndle und Ulrich Weber sowie Erinnerungen an Theodor Lenckner durch Eduard Schramm. Oft nur mit Wehmut verbindbares Bildnis und Schriftenverzeichnis runden jedes auf den intellektuellen Werdegang und das wissenschaftliche Werk einschließlich seiner Entstehungsgrundlagen konzentrierte Selbstporträt vorteilhaft ab. Insgesamt werden auf diese Weise interessante und auch ungewohnte persönliche Einblicke in die Geschichte der international bedeutsamen Strafrechtsentwicklung in Deutschland gewährt, auch wenn entgegen der Einführung die Strafrechtsgeschichte vielleicht doch nicht gleichwertig neben der Strafrechtswissenschaft stehen dürfte.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler