Reichsgesetzblatt
für die im Reichrathe vertretenen Königreiche und Länder.
(Jahrgang
1895, 365) LX. Stück. - Ausgegeben und versendet am 9. August 1895.
Inhalt
No 113. Gesetz über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
(Civilprocessordnung)
113.
Gesetz
vom 1. August 1895, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten (Civilprocessordnung).
Mit
Zustimmung beider Häuser des Reichsrathes finde Ich anzuordnen, wie folgt:
Erster
Theil.
Allgemeine
Bestimmungen.
Erster
Abschnitt.
Parteien.
Erster
Titel.
Processfähigkeit.
§.
1. Eine Person ist insoweit fähig, selbständig vor Gericht als Partei zu
handeln (Processfähigkeit), als sie selbständig giltige Verpflichtungen
eingehen kann. Das Vorhandensein dieser Verpflichtungsfähigkeit, die
Nothwendigkeit der Vertretung von Parteien, welchen die Processfähigkeit
mangelt, sowie das Erfordernis einer besonderen Ermächtigung zur Processführung
oder zu einzelnen Processhandlungen ist, soweit nicht dieses Gesetz abweichende
Anordnungen enthält, nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu
beurtheilen.
§.
2. Insbesondere bedarf der Minderjährige in Rechtsstreitigkeiten, welche nur
dasjenige zum Gegenstand haben, worüber er zufolge der §§. 151, 246 und 247 a.
b. G. B. frei verfügen darf, nicht der Mitwirkung seines gesetzlichen
Vertreters.
§.
3. Ein Ausländer, welchem nach dem Recht seines Landes die Processfähigkeit
mangelt, ist vor den inländischen Gerichten als processfähig zu behandeln, wenn
ihm nach den im Inland geltenden gesetzlichen Bestimmungen die Processfähigkeit
zukommt.
§.
4. Die gesetzlichen Vertreter solcher Parteien, welchen die Processfähigkeit
mangelt, haben ihre Vertretungsbefugnis und die im einzelnen Falle etwa noch
nöthige besondere Ermächtigung zur Processführung, soweit nicht beides bereits
bei Gericht offenkundig ist, bei der ersten Processhandlung urkundlich
nachzuweisen, welche sie vor Gericht vornehmen.
Die
zu einer einzelnen Processhandlung erforderliche besondere Ermächtigung muss in
gleicher Weise bei Vornahme dieser Processhandlung nachgewiesen werden.
§.
5. Soweit dieses Gesetz nicht unterscheidet, sind dessen Bestimmungen über
Parteien auch auf deren gesetzliche Vertreter zu beziehen.
§.
6. Der Mangel der Processfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung, sowie der etwa
erforderlichen besonderen Ermächtigung zur Processführung ist in jeder Lage des
Rechtsstreites von amtswegen zu berücksichtigen.
Kann
dieser Mangel beseitigt werden, so hat das Gericht die hiezu erforderlichen
Aufträge zu ertheilen und zu ihrer Erfüllung von amtswegen eine angemessene
Frist zu bestimmen, bis zu deren fruchtlosem Ablauf der Anspruch über die
Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibt. Ist jedoch mit dem Verzug für die
processunfähige Partei Gefahr verbunden, so kann diese oder die für dieselbe
als Vertreter einschreitende Person noch vor Ablauf dieser Frist, vorbehaltlich
der
(366)
Beseitigung des Mangels, zur Vornahme der nothwendigen Processhandlungen
zugelassen werden.
Die
im Absatz 2 bezeichneten gerichtlichen Verfügungen können durch ein
abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden. Eine Verlängerung der zur
Behebung des Mangels gewährten Frist ist nur dann zulässig, wenn die Behebung
des Mangels durch Umstände behindert wird, auf deren Beseitigung die Partei
oder der Vertreter einen Einfluss zu nehmen nicht vermag.
§.
7. Wenn der Mangel der Processfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung oder der
Ermächtigung zur Processführung nicht beseitigt werden kann, oder doch die
hiezu gewährte Frist fruchtlos abgelaufen ist, hat das Gericht erster oder
höherer Instanz, bei welchem die Rechtssache eben anhängig ist, die Nichtigkeit
des von dem Mangel betroffenen Verfahrens durch Beschluss auszusprechen.
Dieser
Ausspruch kann nicht erfolgen, wenn demselben in Ansehung des Grundes der
Nichtigkeit eine von demselben oder von einem anderen inländischen Gerichte
gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht.
§.
8. Soll wider eine processunfähige Partei, die eines gesetzlichen Vertreters
entbehrt, eine Processhandlung vorgenommen werden, und wäre mit dem Verzuge für
den Gegner der processunfähigen Partei Gefahr verbunden, so hat das
Processgericht auf dessen Antrag für die processunfähige Partei einen Curator
zu bestellen.
Der
Curator hat für diese Partei bis zum Eintreten des gesetzlichen Vertreters am
gerichtlichen Verfahren theilzunehmen und, wenn nöthig, die Bestellung des
gesetzlichen Vertreters durch geeignete Anträge zu veranlassen.
§.
9. Die Entscheidung über einen im Sinne des §. 8, Absatz 1, gestellten Antrag
erfolgt durch Beschluss und, wenn der Antrag nicht bei einer mündlichen
Verhandlung gestellt wurde, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Es können
jedoch vor der Entscheidung alle zur Aufklärung erforderlichen Erhebungen eingeleitet
werden.
Im
Verfahren vor Gerichtshöfen hat über den Antrag, wenn derselbe nicht während
einer mündlichen Verhandlung gestellt wird, der Vorsitzende des Senates zu
entscheiden, dem die Rechtssache zugewiesen ist.
Das
Gleiche gilt in allen anderen Fällen, in welchen nach den Bestimmungen des
bürgerlichen Rechts oder nach diesem Gesetze durch das Processgericht für eine
Partei in bürgerlichen Streitsachen ein Curator zu bestellen ist.
§.
10. Die Kosten, welche mit der Bestellung eines Curators verbunden sind, sowie
die durch die Thätigkeit des Curators entstehenden Kosten hat die Partei, durch
deren Processhandlung die Bestellung veranlasst wurde, unbeschadet eines ihr
etwa zustehenden Ersatzanspruches zu bestreiten.
Zweiter
Titel.
Streitgenossenschaft
und Hauptintervention.
§.
11. Außer den in anderen Gesetzen besonders bezeichneten Fällen können mehrere
Personen gemeinschaftlich klagen oder geklagt werden (Streitgenossenschaft):
1.
wenn sie in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder
aus demselben thatsächlichen und rechtlichen Grunde berechtigt oder
verpflichtet sind;
2.
wenn gleichartige, auf einem im wesentlichen gleichartigen thatsächlichen und
rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des
Rechtsstreites bilden, und zugleich die Zuständigkeit des Gerichtes
hinsichtlich jedes einzelnen Beklagten begründet ist.
§.
12. Soweit nicht die Beschaffenheit der eingegangenen Bürgschaft im Wege steht,
können der Hauptschuldner und der Bürge gemeinschaftlich geklagt werden.
§.
13. Jeder der Streitgenossen ist dem Gegner gegenüber im Process derart
selbständig, dass die Handlungen oder Unterlassungen des einen Streitgenossen
dem anderen weder zum Vortheile noch zum Nachtheile gereichen.
§.
14. Wenn die Wirkung des zu fällenden Urtheiles sich Kraft der Beschaffenheit
des streitigen Rechtsverhältnisses oder Kraft gesetzlicher Vorschrift auf
sämmtliche Streitgenossen erstreckt, so bilden dieselben eine einheitliche
Streitpartei. Sind einzelne Streitgenossen säumig, so erstreckt sich die
Wirkung der Processhandlungen der thätigen Streitgenossen auch auf sie.
§.
15. Das Recht zur Betreibung des Processes kann von jedem einzelnen der
Streitgenossen ausgeübt werden.
Unter
den in §. 14 angegebenen Voraussetzungen sind zu jeder auf Antrag eines der
Streitgenossen oder
(367)
des Gegners anberaumten Tagsatzung außer den sonst betheiligten Personen stets
auch sämmtliche Streitgenossen, und zwar selbst dann zu laden, wenn eine
frühere, in derselben Rechtssache abgehaltene Tagsatzung von ihnen versäumt
wurde.
§.
16. Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein
Rechtsstreit anhängig ist, ganz oder theilweise für sich in Anspruch nimmt,
kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites beide Parteien
gemeinschaftlich klagen (Hauptintervention).
Dritter
Titel.
Betheiligung
Dritter am Rechtsstreite.
Nebenintervention.
§.
17. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen
Personen anhängigen Rechtsstreite die eine Person obsiege, kann dieser Partei
im Rechtsstreite beitreten (Nebenintervention).
Zu
solchem Beitritte sind ferner alle Personen befugt, welchen durch gesetzliche
Vorschriften die Berechtigung zur Nebenintervention eingeräumt ist.
§.
18. Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreites bis zu dessen
rechtskräftiger Entscheidung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide
Parteien erfolgen. Der Intervenient hat das Interesse, welches er am Siege
einer der Processparteien hat, bestimmt anzugeben.
Über
den von einer der Processparteien gestellten Antrag auf Zurückweisung des
Nebenintervenienten ist nach vorhergehender mündlicher Verhandlung zwischen dem
Bestreitenden und dem Intervenienten durch Beschluss zu entscheiden. Hiedurch
wird der Fortgang des Hauptverfahrens nicht gehemmt.
Solange
dem Zurückweisungsantrage nicht rechtskräftig stattgegeben ist, muss der
Intervenient dem Hauptverfahren zugezogen werden und können Processhandlungen
desselben nicht ausgeschlossen werden.
Die
Entscheidung, durch welche die Nebenintervention für zulässig erklärt wird,
kann nicht durch ein abgesondertes Rechtsmittel angefochten werden.
§.
19. Der Intervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in welcher
sich derselbe zur Zeit seines Beitrittes befindet. Er ist berechtigt, zur
Unterstützung derjenigen Partei, an deren Sieg er ein rechtliches Interesse hat
(Hauptpartei), Angriffs- und Vertheidigungsmittel geltend zu machen, Beweise
anzubieten und alle sonstigen Processhandlungen vorzunehmen. Seine Processhandlungen
sind insoweit für die Hauptpartei rechtlich wirksam, als sie nicht mit deren
eigenen Processhandlungen im Widerspruche stehen.
Mit
Einwilligung beider Processparteien kann der Intervenient auch an Stelle
desjenigen, dem er beigetreten ist, in den Rechtsstreit als Partei eintreten.
§.
20. Wenn das in einem Processe ergehende Urtheil kraft der Beschaffenheit des
streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auch in Bezug
auf das Rechtsverhältnis des Intervenienten zum Gegner der Hauptpartei
rechtlich wirksam ist, kommt dem Intervenienten die Stellung eines
Streitgenossen zu (§. 14).
Streitverkündung.
§.
21. Wer behufs Begründung civilrechtlicher Wirkungen einen Dritten von einem
Rechtsstreite zu benachrichtigen hat (Streitverkündigung), kann dies durch
Zustellung eines Schriftsatzes bewirken, in welchem auch der Grund der
Benachrichtigung anzugeben und die Lage des Rechtsstreites, falls derselbe
bereits begonnen hat, kurz zu bezeichnen ist.
Mit
einer solchen Benachrichtigung kann eine in den Vorschriften des bürgerlichen
Rechtes begründete Aufforderung zur Leistung der Vertretung im bereits
anhängigen oder erst einzuleitenden Rechtsstreite (Nebenintervention) verbunden
werden.
Die
Streitverkündigung gibt der benachrichtigenden Partei nicht das Recht, die
Unterbrechung des anhängigen Rechtstreites, die Erstreckung von Fristen oder
die Verlegung einer zur Verhandlung bestimmten Tagsatzung zu begehren.
Benennung
des Auctors.
§. 22.
Wer als Besitzer einer Sache oder eines dinglichen Rechtes geklagt wird, sich
aber in den Rechtsstreit nicht einlassen will, weil er im Namen eines Dritten
zu besitzen behauptet, hat diesen (Auctor) sogleich nach Zustellung der Klage
aufzufordern, sich über sein Verhältnis zum Streitgegenstande oder zu dem in
der Klage geltend gemachten Anspruch bei der vor dem Processgericht anberaumten
ersten Tagsatzung zu erklären.
Die
Aufforderung an den Auctor und dessen Ladung erfolgt durch Zustellung eines
Schriftsatzes, welcher die zur Begründung dieser Aufforderung erforderlichen
Mittheilung über den eingeleiteten Rechtsstreit
(368)
zu enthalten hat. Eine Ausfertigung dieses Schriftsatzes ist dem Kläger noch
vor der ersten Tagsatzung mitzutheilen.
§.
23. Erkennt der Auctor bei der Tagsatzung das vom Beklagten behauptete
Verhältnis an, so kann er mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle als
Partei in den Rechtsstreit eintreten. Die Zustimmung des Klägers ist hiezu nur
insoweit erforderlich, als derselbe Ansprüche geltend macht, welche durch das
zwischen dem Auctor und dem Beklagten bestehende Vertretungsverhältnis nicht
berührt werden.
Infolge
der Übernahme des Processes durch den Auctor ist der Beklagte auf seinen Antrag
durch Beschluss des Processgerichtes von der Klage zu entbinden (§. 241). Kommt
hingegen bei der ersten Tagsatzung eine Einigung wegen der Übernahme des
Processes durch den Auctor nicht zustande, so kann der Beklagte die Einlassung
in den Rechtsstreit nicht weiter verweigern.
§.
24. Erscheint der Auctor trotz gehöriger Ladung bei der anberaumten ersten
Tagsatzung nicht, bestreitet er die Behauptung des Beklagten oder erklärt er
sich bei der Tagsatzung überhaupt nicht, so ist der Beklagte berechtigt, sich
durch Befriedigung des Anspruches des Klägers von der Klage zu befreien.
Inwiefern
dem Auctor hieraus ein Anspruch auf Schadenersatz erwächst, ist nach dem
bürgerlichen Recht zu beurtheilen.
§.
25. Die Zustellung der in den §§. 18, 21 und 22 bezeichneten Schriftsätze wird
vom Vorsitzenden ohne vorgängige Beschlussfassung des Senates verfügt.
Vierter
Titel.
Bevollmächtigte.
§.
26. Die Parteien können, sofern in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt
ist, Processhandlungen entweder in Person oder durch Bevollmächtigte vornehmen.
Die
Vertretung durch einen Bevollmächtigten schließt auch in jenen Fällen, in
welchen die Vertretung durch Advocaten geboten ist, nicht aus, dass die Partei
in Begleitung ihres Bevollmächtigten vor Gericht erscheint und daselbst neben
diesem mündliche Erklärungen abgibt.
§.
27. Vor den Gerichtshöfen erster Instanz und vor allen Gerichten höherer
Instanz müssen sich die Parteien durch Advocaten vertreten lassen
(Anwaltsprocess).
Diese
Vorschrift findet keine Anwendung auf das Verfahren erster Instanz in Ehesachen
und, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, auch nicht auf
diejenigen Processhandlungen, welche vor einem ersuchten oder beauftragten
Richter, vor dem Gerichtsvorsteher oder Vorsitzenden eines Senates vorgenommen
werden; sie gilt auch nicht für die in der Gerichtskanzlei vorzunehmenden
Erklärungen und Handlungen.
Die
Vertretungsbefugnis der Finanzprocuratur bleibt auch in den Fällen, in welchen
die Vertretung der Parteien durch Advocaten geboten ist, unberührt.
§.
28. Advocaten, Notare, sowie die zur Ausübung des Richteramtes befähigten und
bei Gericht angestellten Personen bedürfen, wenn sie in einem Rechtsstreite als
Partei einschreiten, weder in der ersten noch in einer höheren Instanz der
Vertretung durch einen Advocaten.
Wird
gegen eine solche Partei während der Dauer des Processes die Disciplinarstrafe
der Streichung von der Advocatenliste, der Entsetzung vom Amte, der Versetzung
in den Ruhestand oder der Dienstentlassung verhängt, so ist von ihr für das
weitere Verfahren, sofern in demselben die Vertretung durch Advocaten geboten
ist, ein Advocat zu bestellen. Eine Unterbrechung des Verfahrens findet deshalb
nicht statt.
§.
29. Insoweit eine Vertretung durch Advocaten nicht geboten ist und der
Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von fünfhundert Gulden
nicht übersteigt, kann jede eigenberechtigte Person männlichen Geschlechtes zum
Bevollmächtigten bestellt werden. In Streitsachen über fünfhundert Gulden sind
an Orten, an welchen wenigstens zwei Advocaten ihren Sitz haben, nur Advocaten
als Bevollmächtigte zuzulassen.
Personen,
welche dem Richter als Winkelschreiber bekannt sind, dürfen weder zur
Verhandlung, noch zu anderen Processhandlungen als Bevollmächtigte zugelassen
werden. Gegen diese Verweigerung der Zulassung ist ein abgesondertes
Rechtsmittel nicht statthaft.
§.
30. Advocaten und sonstige Bevollmächtigte haben bei der ersten von ihnen in
einer Streitsache vorgenommenen Processhandlung ihre Bevollmächtigung durch
Urkunde (Vollmacht) darzuthun, welche in Urschrift oder in beglaubigter
Abschrift vorzulegen ist und bei Gericht zurückbehalten werden kann.
(369)
Wenn die Bevollmächtigung mittels einer Privaturkunde geschah und gegen deren
Echtheit Bedenken entstehen, kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen
eine gerichtliche oder notarielle Beglaubigung der Unterschrift anordnen. Diese
Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn ein dem Gerichte bekannter Advocat
oder Notar als Bevollmächtigter einschreitet und die Echtheit der Unterschrift
mit Berufung auf seinen Eid bestätigt. Die Anordnung der Beglaubigung kann
durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.
Die
Erklärung über die ertheilte Bevollmächtigung kann vor Bezirksgerichten, wenn
die Partei bei einer in der Streitsache anberaumten Tagsatzung mit dem
Bevollmächtigten persönlich vor Gericht erscheint, auch zu gerichtlichem
Protokoll aufgenommen werden.
§.
31. Die einem Advocaten ertheilte Vollmacht zur Processführung
(Processvollmacht) ermächtigt kraft Gesetzes:
1.
zur Anbringung und Empfangnahme der Klage und zu allen den Rechtsstreit
betreffenden Processhandlungen, einschließlich derjenigen, welche durch eine
Widerklage, durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens, durch den Antrag auf
einstweilige Verfügungen, oder durch eine im Sinne des §. 16 erfolgende
Klageführung veranlasst werden;
2.
zum Abschluss von Vergleichen über den Gegenstand des Rechtsstreites, zu
Anerkenntnissen der vom Gegner behaupteten Ansprüche, sowie zu
Verzichtleistungen auf die von der bevollmächtigenden Partei geltend gemachten
Ansprüche;
3.
zur Einleitung der Execution wider den Processgegner, zur Vornahme aller im
Executionsverfahren auf Seiten des Executionsführers vorkommenden Handlungen
und zur Erwirkung des Sicherungsverfahrens;
4.
zur Empfangnahme der von dem Processgegner zu erstattenden Processkosten.
Der
Advocat kann die ihm ertheilte Processvollmacht für einzelne Acte oder
Abschnitte des Verfahrens an einen anderen Advocaten übertragen, er kann sich
ferner bei Verhandlungen, für welche die Beiziehung eines Advocaten gesetzlich
vorgeschrieben ist, durch einen bei ihm in Verwendung stehenden
substitutionsberechtigten Advocaturscandidaten vertreten lassen und auf Grund
seiner Processvollmacht für Processhandlungen, zu deren Vornahme die Vertretung
durch Advocaten nicht geboten ist, auch andere Stellvertreter bestellen.
Substitutionsberechtigte
sind die im §. 15 der Advocaten-Ordnung bezeichneten Advocaturscandidaten,
falls sie bereits die Advocatursprüfung mit Erfolg abgelegt haben und nicht
eine der im §. 12, lit. c) des Gesetzes vom 1. April 1872, R. G. Bl. Nr. 40,
angeführten Disciplinarstrafen wider sie verhängt ist. Das Erfordernis der
Advocatursprüfung kann auf Ansuchen eines Advocaten vom Ausschusse der
Advocatenkammer mit Zustimmung des Oberlandesgerichtes aus rücksichtswürdigen
Gründen solchen bei ihm in Verwendung stehenden Advocaturscandidaten erlassen
werden, die an einer inländischen Universität den juridischen Doctorgrad
erlangt haben und mindestens eine einjährige, bei einem Gerichtshofe
vollstreckte, civil- und strafgerichtliche Praxis und eine zweijährige Praxis
bei einem Advocaten oder bei einer Finanzprocuratur nachzuweisen vermögen. Die
Nachsicht der Advocatursprüfung gilt jedoch nur für die Dauer der Verwendung
des Advocaturscandidaten bei demjenigen Advocaten, auf dessen Ansuchen sie
bewilligt wurde.
§.
32. Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfanges der Processvollmacht hat, auch
wenn sie in der Urkunde ausgedrückt ist, dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche
Wirkung, als die Beschränkung die im §. 31, Z. 2 und 3, bezeichneten Befugnisse
betrifft und dem Gegner besonders bekannt gegeben wurde.
§.
33. Personen, welche nicht Advocaten sind, kann die Partei entweder eine
Processvollmacht ertheilen, oder sie kann dieselben auch nur für einzelne
bestimmte Processhandlungen bevollmächtigen.
Umfang,
Wirkung und Dauer der Processvollmacht sind nach den Bestimmungen dieses
Gesetzes, Umfang, Wirkung und Dauer einer Vollmacht zu einzelnen
Processhandlungen aber, sofern im folgenden nichts anderes angeordnet ist, nach
dem Inhalte dieser Vollmacht und nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes
zu beurtheilen.
§.
34. Die auf Grund einer Processvollmacht von dem Bevollmächtigten vorgenommenen
Processhandlungen haben im Verhältnis zur Gegenpartei dieselbe Wirkung, als
wenn sie von der Partei selbst vorgenommen worden wären. Dies gilt jedoch von
Geständnissen und anderen thatsächlichen Erklärungen nur insoweit, als sie
nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
§.
35. Die Processvollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch
durch eine Veränderung in Betreff seiner Processfähigkeit oder seiner
gesetzlichen Vertretung aufgehoben.
(370)
Die Rechtsnachfolger des Vollmachtgebers, der für die processunfähig gewordene
Partei bestellte gesetzliche Vertreter und der an Stelle des bisherigen
gesetzlichen Vertreters neu eintretende gesetzliche Vertreter einer Partei
können jedoch die Processvollmacht jederzeit widerrufen.
§.
36. Die durch Widerruf oder Kündigung herbeigeführte Aufhebung der Vollmacht
zur Processführung oder zur Vornahme einzelner Processhandlungen erlangt dem
Processgegner gegenüber erst dann rechtliche Wirksamkeit, wenn ihm das
Erlöschen der Vollmacht, in Rechtssachen aber, in welchen die Vertretung durch
Advocaten geboten ist, die Bestellung eines anderen Advocaten von der Partei
angezeigt wird. Diese Anzeige hat durch Zustellung eines Schriftsatzes zu
geschehen. In Bezug auf diese Zustellung gilt die Vorschrift des §. 25.
Nach
Kündigung der Vollmacht bleibt der Bevollmächtigte noch durch vierzehn Tage
berechtigt und verpflichtet, für den Vollmachtgeber zu handeln, soweit dies
nöthig ist, um letzteren vor Rechtsnachtheilen zu schützen.
§.
37. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreites
von amtswegen zu berücksichtigen.
Im
Anwaltsprocesse überreichte Klage- und Klagebeantwortungsschriften, welche den
Nachweis der Bestellung eines Advocaten nicht enthalten, sind vom Vorsitzenden
des Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, zurückzuweisen, wenn die
Partei nicht innerhalb einer ihr vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist einen
Advocaten bestellt und denselben dem Gerichte unter Vorlegung der Vollmacht
namhaft macht. Eine Verlängerung dieser Frist ist nicht zulässig.
§.
38. Wer für eine Partei, ohne die erfolgte Bevollmächtigung nachweisen zu
können, behufs Vornahme einzelner dringlicher Processhandlungen einschreiten
will, kann nach Ermessen des Gerichtes entweder gegen vorgängige Sicherheitsleistung
für Kosten und Schäden, oder auch ohne solche Sicherheitsleistung als
Bevollmächtigter einstweilen zugelassen werden.
Das
Gericht hat zugleich die nachträgliche Vorlage einer zu jenen Processhandlungen
berechtigenden Vollmacht oder die Beibringung der Genehmigung der Partei
anzuordnen und bis zum Ablaufe der hiefür bestimmten Frist mit der zu
erlassenden Entscheidung oder Verfügung inne zu halten. Nach fruchtlosem Ablauf
der Frist ist ohne Rücksicht auf jenes Einschreiten vorzugehen; der Gegner hat
Anspruch auf Ersatz der durch die einstweilige Zulassung verursachten Kosten
und Schäden.
Mit
Ausnahme des Beschlusses über den Ersatz der Kosten und Schäden können die im
Sinne der vorstehenden Absätze ergehenden gerichtlichen Beschlüsse durch ein abgesondertes
Rechtsmittel nicht angefochten werden.
§.
39. Soweit dieses Gesetz nicht unterscheidet, sind dessen Bestimmungen über die
Parteien auch auf deren Bevollmächtigte zu beziehen.
Fünfter
Titel.
Processkosten.
§.
40. Jede Partei hat die durch ihre Processhandlungen verursachten Kosten
zunächst selbst zu bestreiten. Die Kosten solcher gerichtlicher Handlungen,
welche von beiden Parteien gemeinschaftlich veranlasst oder vom Gerichte im
Interesse beider Parteien auf Antrag oder von amtswegen vorgenommen werden,
sind von beiden Parteien gemeinschaftlich zu bestreiten.
Inwieferne
den Parteien ein Anspruch auf Ersatz der von ihnen bestrittenen Kosten zusteht,
ist, soweit dieses Gesetz nicht besondere Anordnungen enthält, nach den
Bestimmungen dieses Titels zu beurtheilen.
§.
41. Die in dem Rechtsstreite vollständig unterliegende Partei hat ihrem Gegner,
sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten alle durch die
Processführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsvertheidigung nothwendigen Kosten zu ersetzen. Welche Kosten als
nothwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei Feststellung des Kostenbetrages
ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem von sorgfältiger Würdigung
aller Umstände geleiteten Ermessen zu bestimmen.
Soweit
das Maß der Entlohnung des Advocaten oder sonst die Höhe der Kosten durch
Tarife geregelt ist, hat die Feststellung des Kostenbetrages nach diesen
Tarifen zu geschehen.
Die
Vorschriften des ersten Absatzes gelten insbesondere auch hinsichtlich der
Kosten, welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitze des Processgerichtes
oder des ersuchten Richters wohnenden Advocaten entstanden sind. Die Kosten,
welche dadurch verursacht wurden, dass für die nämliche Partei mehrere
Advocaten beigezogen wurden, sind jedenfalls nur insoweit zu erstatten, als sie
die Kosten der Beiziehung eines Advocaten nicht übersteigen, oder als in der
Person des Advocaten ein Wechsel eintreten musste.
(371)
§. 42. Für ihre persönlichen Bemühungen kann die Partei wie der Nebenintervenient
bei Feststellung der Processkosten eine Vergütung nicht ansprechen. Wenn deren
persönliches Erscheinen vor Gericht nothwendig war, und insbesondere wenn die
Partei in dem Verfahren vor Bezirksgerichten ohne einen Bevollmächtigten
erscheint, ist für den durch Zeitversäumnis etwa entstandenen Schaden, sowie
für die Reiseauslagen Ersatz zu leisten.
Wird
eine Partei durch Bevollmächtigte vertreten, welche nicht dem Advocaten- oder
Notariatsstande angehören, so ist der unterliegende Gegner nur zum Ersatz der
Stempel- und anderen Staatsgebüren und der durch Processführung verursachten
nothwendigen Barauslagen zu verhalten. Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für
die Kostenersatzansprüche der durch die Finanzprocuratur vertretenen Parteien.
§.
43. Wenn jede Partei theils obsiegt, theils unterliegt, so sind die Kosten
gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu theilen. Der zu ersetzende
Theil kann ziffermäßig oder im Verhältnis zum Ganzen bestimmt werden.
Das
Gericht kann jedoch auch bei solchem Ausgange des Rechtsstreites der einen
Partei den Ersatz der gesammten, dem Gegner und dessen Nebenintervenienten
entstandenen Kosten auferlegen, wenn der Gegner nur mit einem verhältnismäßig
geringfügigen Theile seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies
besondere Kosten nicht veranlasst hat, unterlegen ist, oder wenn der Betrag der
von ihm erhobenen Forderung von der Feststellung durch richterliches Ermessen,
von der Ausmittlung, durch Sachverständige, oder von einer gegenseitigen
Abrechnung abhängig war.
§.
44. Werden thatsächliche Behauptungen oder Beweismittel unter Umständen
angebracht, aus welchen das Gericht die Überzeugung gewinnt, dass die Partei
imstande war, dieselben früher geltend zu machen, und wird durch die Zulassung
eines solchen Vorbringens die Erledigung des Rechtsstreites verzögert, so kann
das Gericht auf Antrag oder von amtswegen der Partei, welche ein solches
Vorbringen gemacht hat, auch wenn sie obsiegt, den Ersatz der Processkosten
ganz oder theilweise auferlegen.
Dies
gilt insbesondere auch von Anführungen und Beweisanbietungen, die bereits in
einem von der obsiegenden Partei überreichten vorbereitenden Schriftsatze
hätten angebracht werden sollen und deren späteres Vorbringen eine Verzögerung
der Verhandlung oder der Erledigung des Rechtsstreites bewirkt hat.
§.
45. Hat der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage nicht
Veranlassung gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort bei der
ersten Tagsatzung anerkannt, so fallen die Processkosten dem Kläger zur Last.
Er hat auch die dem Beklagten durch das eingeleitete gerichtliche Verfahren
verursachten Kosten zu ersetzen.
§.
46. Besteht der zum Kostenersatz verpflichtete Theil aus mehreren, in der
Hauptsache nicht solidarisch haftenden Personen, so ist denselben der
Kostenersatz nach Kopftheilen aufzuerlegen. Bei einer erheblichen
Verschiedenheit der Betheiligung am Rechtsstreite hat jedoch das Gericht die
Ersatzantheile nach dem Verhältnisse dieser Betheiligung zu bestimmen.
Sofern
die zum Kostenersatz verpflichteten Personen nach den Vorschriften des
bürgerlichen Rechtes in der Hauptsache solidarisch zu haften haben, erstreckt
sich diese Haftung auch auf die dem Gegner zugesprochenen Processkosten. Für
die Kosten, welche durch die von einzelnen Betheiligten vorgenommen besonderen
Processhandlungen erwachsen sind, haben die übrigen Betheiligten nicht zu
haften.
§.
47. Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleiches sind, wenn nicht etwas anderes
vereinbart wird, als gegenseitig aufgehoben anzusehen. Dasselbe gilt von den
Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreites, soweit deren Ersatz nicht
bereits einer der Parteien rechtskräftig auferlegt ist.
Bleiben
Vergleichsverhandlungen erfolglos, so ist die Verpflichtung zum Ersatz der mit
denselben verbundenen Kosten von der Entscheidung der Hauptsache abhängig.
§.
48. Wenn im Laufe des Verfahrens Zwischenfälle eintreten, welche einer Partei
lediglich vermöge des Verschuldens des Gegners oder eines dem letzteren
widerfahrenen Zufalles Kosten verursachen, so kann ihr das Gericht auf Antrag
oder von amtswegen den Ersatz dieser Kosten unabhängig vom Ausgange des
Rechtsstreites zusprechen.
Die
Partei, welcher der Ersatz solcher Kosten bereits während des Rechtsstreites
zugesprochen wurde, ist zu deren Wiedererstattung auch dann nicht
(371)
verpflichtet, wenn sie in der Hauptsache zum Ersatze der Gerichtskosten
verurtheilt wird.
§.
49. Gesetzlichen Vertretern, Advocaten und anderen Bevollmächtigten kann vom
Gerichte auf Antrag oder von amtswegen auferlegt werden, diejenigen Kosten zu
tragen oder zu ersetzen, welche sie durch ihr grobes Verschulden verursacht
haben.
Dies
gilt insbesondere auch von den Mehrkosten, welche aus groben Verschulden
entweder durch Aufnahme nicht zur Sache gehöriger Anführungen in die
Schriftsätze oder durch überflüssige Weitläufigkeiten in den Schriftsätzen
verursacht wurden.
Sofern
die Entscheidung nicht in das Urtheil in der Hauptsache aufgenommen wird, hat
sie mittels Beschluss zu erfolgen. Vor der Entscheidung ist der betheiligte
Vertreter oder Bevollmächtigte zu hören. Der Beschluss ist nach Rechtskraft in
das Vermögen dieser Personen vollstreckbar.
§.
50. Die Bestimmungen der §§. 40 bis 49 sind auch für das Rechtsmittelverfahren
und für die Entscheidungen maßgebend, welche von den Gerichten zweiter und
dritter Instanz über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, sowie im Falle der
Änderung einer untergerichtlichen Entscheidung, über die Kosten des gesammten
vorangegangenen Verfahrens zu fällen sind. Der Umstand, dass eine Partei
Sprüche der unteren Instanz für sich hat, ist für die Frage des Kostenersatzes
nicht maßgebend.
§.
51. Wenn das Verfahren infolge eines Rechtsmittels oder von amtswegen
aufgehoben oder dessen Nichtigkeit ausgesprochen wird, und wenn es zugleich einer
der Parteien zum Verschulden zugerechnet werden kann, dass das Verfahren trotz
des vorhandenen Aufhebungs- oder Nichtigkeitsgrundes eingeleitet oder
fortgeführt wurde, oder wenn der Grund der Aufhebung im Verschulden einer
Partei selbst gelegen ist, so kann dieser Partei auf Antrag oder von amtswegen
der Ersatz der Kosten des aufgehobenen Verfahrens, sowie des etwaigen
Rechtsmittelverfahrens auferlegt werden.
Sofern
die Nichtbeachtung des vorhandenen Aufhebungs- oder Nichtigkeitsgrundes auf
einem offenbaren groben Verschulden des Gerichtes beruht oder ein offenbares
grobes Verschulden des Gerichtes die Aufhebung des Verfahrens verursacht hat,
kann der Ersatz der Kosten des aufgehobenen Verfahrens sowie des etwaigen
Rechtsmittelverfahrens auf Antrag oder von amtswegen dem Gerichte auferlegt
werden.
Außer
diesen Fällen sind die Kosten gegenseitig aufzuheben.
§.
52. In jedem Urtheil und in den Beschlüssen, welche eine Streitsache für die
Instanz vollständig erledigen, ist auch über die Verpflichtung zum Kostenersatze
zu entscheiden. In anderen Beschlüssen kann über den Ersatz der Kosten nur
insoweit erkannt werden, als die Ersatzpflicht von dem Ausgange der Hauptsache
unabhängig ist.
Ist
das Gericht bei Erlassung eines Theilurtheiles nicht in der Lage, hinsichtlich
des abgeurtheilten Anspruches oder Theilanspruches zugleich über die Kosten zu
entscheiden, so ist im Urtheile auszusprechen, inwieferne eine solche
Entscheidung noch einem weiteren Urtheile vorbehalten bleibt.
Über
die Verpflichtung zum Kostenersatze ist auch ohne einen bezüglichen
Parteiantrag zu entscheiden, sofern nur das Kostenverzeichnis rechtzeitig
vorgelegt wurde (§. 54).
§.
53. Gleichzeitig mit der Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatze
hat das Gericht, sofern nicht die Kosten gegeneinander aufgehoben werden, den
Betrag der zu ersetzenden Kosten festzustellen.
Bei
der mündlichen Verkündigung des Urtheiles oder eines die Verpflichtung zum
Kostenersatze aussprechenden Beschlusses kann jedoch in allen Fällen, in
welchen das Urtheil oder der Beschluss noch schriftlich auszufertigen sind, die
Festsetzung des Kostenbetrages dieser schriftlichen Ausfertigung vorbehalten
werden.
§.
54. Die Partei, welche Kostenersatz anspricht, hat bei sonstigem Verlust des
Ersatzanspruches das Verzeichnis der Kosten sammt den zur Bescheinigung der
Ansätze und Angaben dieses Verzeichnisses etwa erforderlichen Belegen vor
Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatzanspruch (§. 52) unmittelbar
vorangehenden Verhandlung, wenn aber die Beschlussfassung ohne vorgängige
Verhandlung erfolgen soll, bei ihrer Einvernehmung oder gleichzeitig mit dem
der Beschlussfassung zu unterziehenden Antrage dem Gerichte zu übergeben.
§.
55. Die in einem Urtheile des Processgerichtes erster Instanz oder des
Berufungsgerichtes enthaltene Entscheidung über den Kostenpunkt kann ohne
gleichzeitige Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung nur
mittels Recurs angefochten werden.
(373)
Sechster Titel.
Sicherheitsleistung.
Art
der Sicherheitsleistung.
§.
56. Die Bestellung einer auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes zu
leistenden Sicherheit erfolgt, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren,
durch gerichtlichen Erlag von barem Gelde oder von inländischen Wertpapieren,
welche sich nach den hierüber bestehenden Vorschriften zur Anlegung der Gelder
von Minderjährigen eignen, und nur in Ermangelung solcher durch den
gerichtlichen Erlag von anderen inländischen, an der Börse notirten
Wertpapieren, welche nach richterlichem Ermessen genügende Deckung bieten. Die Wertpapiere
dürfen nicht außer Kurs gesetzt und müssen mit den laufenden Zins- oder
Gewinnantheilscheinen und Talons versehen sein. Sie sind nach dem Kurse des
Erlagstages zu berechnen.
Nach
Ermessen des Gerichtes können insbesondere auch Einlagebücher einer
inländischen Sparkasse oder einer inländischen landwirtschaftlichen oder
sonstigen Vorschusskasse behufs Bewirkung einer Sicherheitsleistung zugelassen
werden. Eine Sicherheitsleistung mittels einer gesetzlichen Sicherheit
bietenden Hypothek an einem inländischen Grundstück oder durch zahlungsfähige
Bürgen, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inlande haben, kann der Richter
zulassen, wenn eine andere Art der Sicherheit von dem zur Sicherheitsleistung
Verpflichteten nicht oder nur schwer beschafft werden kann.
Mit
dem gerichtlichen Erlage wird an dem Gegenstand desselben ein Pfandrecht für
den Anspruch begründet, in Ansehung dessen die Sicherheitsleistung erfolgt.
Sicherheitsleistung
für Processkosten.
§.
57. Wenn Ausländer vor einem im Geltungsgebiete dieses Gesetzes gelegenen
Gerichte als Kläger auftreten, haben sie dem Beklagten auf dessen Verlangen für
die Processkosten Sicherheit zu leisten, sofern nicht durch Staatsverträge
etwas anderes festgesetzt ist.
Eine
solche Verpflichtung zur Sicherheitsleistung tritt jedoch nicht ein:
1.
wenn nach den Gesetzen des Staates, dem der Kläger angehört, österreichische
Staatsangehörige im gleichen Falle zur Sicherheitsleistung für Processkosten
nicht verpflichtet sind;
2. wenn
der Kläger im Geltungsgebiete dieses Gesetzes ein zur Deckung der Processkosten
hinreichendes Vermögen an unbeweglichen Gütern oder an Forderungen besitzt, die
auf solchen Gütern bücherlich sichergestellt sind;
3.
bei Klagen in Ehestreitigkeiten;
4. bei
Klagen im Mandats- und Wechselverfahren, bei Widerklagen, sowie bei Klagen,
welche infolge einer öffentlichen, gerichtlichen Aufforderung angestellt
werden.
Sofern
sich ein Zweifel über die Gesetzgebung, die Einrichtungen oder das Verhalten
des Staates ergibt, welchem der Kläger angehört, ist hierüber die Erklärung des
Justizministers einzuholen. Dieselbe ist für das Gericht bindend.
§.
58. Der Beklagte kann auch dann Sicherheitsleistung verlangen, wenn der Kläger
während des Rechtsstreites die Eigenschaft eines Inländers verliert oder die
Voraussetzung, unter welcher der Ausländer von der Sicherheitsleistung befreit
war, wegfällt und nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenen
Anspruches unbestritten ist.
§.
59. Außer den beiden Fällen des §. 58 muss der Antrag auf Sicherheitsleistung
für Processkosten bei sonstigem Ausschluss in der ersten Tagsatzung und vor
Einlassung in die Hauptsache gestellt werden.
In
dem Antrage ist stets die Höhe der Sicherheitssumme anzugeben. Über den Antrag
ist durch Beschluss zu entscheiden.
§.
60. Wird dem Antrage stattgegeben, so ist zugleich der Betrag der zu leistenden
Sicherheit und die Frist zu bestimmen, binnen welcher dieser Betrag gerichtlich
zu erlegen oder die Unfähigkeit zum Erlage vom Kläger eidlich zu bekräftigen
ist.
Bei
Bestimmung der Höhe der Sicherheitssumme sind die Kosten, welche der Beklagte
zu seiner Vertheidigung wahrscheinlich aufzuwenden haben wird, nicht aber auch
die durch eine etwaige Widerklage erwachsenden Kosten in Anschlag zu bringen. Zum
Zwecke der eidlichen Bekräftigung seiner Unfähigkeit zum Erlage der
Sicherheitssumme hat der Kläger bei dem Processgerichte innerhalb der ihm hiezu
offen gestellten Frist zum Anberaumung einer Tagsatzung anzusuchen. Die
Ablegung des Eides kann bei dem Gerichte des Wohnsitzes oder Aufenthaltes des
Klägers erfolgen.
In
der dem Kläger zuzustellenden schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses ist
ihm zu eröffnen, dass im Falle fruchtlosen Ablaufes der im Absatze 1 erwähnten
Frist die Klage auf Antrag des Beklagten vom Gerichte für zurückgenommen
erklärt, oder, wenn der Antrag während des Rechtsmittelverfahrens gestellt wird
(§. 58), das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel als zurückgezogen angesehen
würde. Beides
(374)
geschieht mittels Beschluss; der Beschlussfassung hat die mündliche oder
schriftliche Einvernehmung des Klägers vorauszugehen.
§.
61. Wird ein Antrag auf Sicherheitsleistung für Processkosten rechtzeitig
gestellt, so ist der Beklagte bis zur Entscheidung über denselben zur
Fortsetzung des Verfahrens in der Hauptsache nicht verpflichtet.
Wird
der Antrag abgewiesen, so kann die Fortsetzung dieses Verfahrens vom Gerichte
angeordnet werden, ohne dass die Rechtskraft des abweisenden Beschlusses
abgewartet werden muss. Gegen diese Anordnung findet ein Recurs nicht statt.
§.
62. Nach rechtzeitigem Erlage der Sicherheitssumme oder Ableistung des Eides
ist das Verfahren in der Hauptsache auf Antrag einer Partei fortzusetzen.
Ergibt
sich im Laufe des Rechtsstreites, dass die geleistete Sicherheit nicht hinreicht,
so kann der Beklagte die Ergänzung derselben beantragen, sofern nicht ein zur
Deckung ausreichender Theil des erhobenen Anspruches unbestritten ist. Einem
solchen Antrage kommt aufschiebende Wirkung nicht zu; der Beschluss, wodurch
die Ergänzung der Sicherheit angeordnet wird, ist nach eingetretener
Rechtskraft vollstreckbar.
Siebenter
Titel.
Armenrecht.
§.
63. Wer ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie erforderlichen
nothdürftigen Unterhaltes die Kosten einer Processführung zu bestreiten
außerstande ist, kann für dieselbe die Bewilligung des Armenrechtes erwirken.
Ausländern
wird dieses Recht nur unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit gewährt. Ist
die Einhaltung der Gegenseitigkeit zweifelhaft, so ist darüber die Erklärung
des Justizministers einzuholen. Dieselbe ist für das Gericht bindend.
§.
64. Durch die Bewilligung des Armenrechtes erlangt die Partei für den
bestimmten Process:
1.
die einstweilige Befreiung von den aus Anlass des Rechtsstreites zu
entrichtenden Stempeln und anderen Staatsgebüren;
2.
die Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Processkosten;
3.
sofern in der Rechtssache die Vertretung durch Advocaten durch das Gesetz
geboten ist, das Recht, zu begehren, dass für sie zur vorläufig unentgeltlichen
Wahrung ihrer Rechte ein Advocat bestellt werde;
4.
wenn in einer Rechtssache, für welche die Vertretung durch Advocaten gesetzlich
nicht geboten ist, die Klage bei einem Gerichte außerhalb des Wohnsitzes oder
ständigen Aufenthaltes der armen Partei angebracht werden muss, die Befugnis,
die Klage bei dem Bezirksgerichte ihres Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltes
zu Protokoll zu erklären, und das Recht, zu begehren, dass dieses Protokoll dem
Processgerichte übersendet, und dass von diesem für die arme Partei zur unentgeltlichen
Wahrung ihrer Rechte bei der mündlichen Verhandlung ein Vertreter bestellt
werde; mit dieser Vertretung sind Beamte der Staatsanwaltschaft oder des
Gerichtes zu betrauen;
5.
die einstweilige Befreiung von der Berichtigung der Gebüren (!) abgeordneter
gerichtlicher Beamten und Diener, der Gebüren von Vollstreckungsorganen, Zeugen
und Sachverständigen, der Kosten der gerichtlichen Anfertigung von Protokolls-
und Beilagenabschriften sowie von Rubriken, der Kosten der nothwendigen
Verlautbarungen und endlich der nothwendigen baren Auslagen, welche von den
durch das Processgericht bestellten gesetzlichen Vertretern oder von dem der
armen Partei beigegebenen Advocaten oder Vertreter gemacht wurden. Diese
Gebüren und Auslagen werden vorläufig aus dem Staatsschatze geleistet.
§.
65. Das Gesuch um Bewilligung des Armenrechtes ist bei dem in erster Instanz
zuständigen Processgerichte schriftlich oder zu Protokoll anzubringen. Falls
die arme Partei ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt nicht im Sprengel des
Processgerichtes hat, kann sie das Gesuch um Bewilligung des Armenrechtes bei
dem Bezirksgerichte ihres Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltes zu Protokoll
erklären.
In
dem Gesuche ist die Rechtssache zu bezeichnen, für welche das Armenrecht
bewilligt werden soll. Zugleich ist ein Zeugnis über die Vermögensverhältnisse
der Partei beizubringen, welcher das Armenrecht ertheilt werden soll. In dem
Zeugnisse muss das Einkommen, welches die Partei durch ihren Erwerb oder aus
anderen Quellen bezieht, angegeben und unter Namhaftmachung der Person, für
deren Unterhalt die Partei etwa zu sorgen hat, ausdrücklich deren Unvermögen
zur Bestreitung der Processkosten (§. 63, Absatz 1) bestätigt werden.
Das
Zeugnis ist von der Gemeindevorstehung derjenigen Gemeinde, in welcher die
Partei zur Zeit ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat, auszustellen und bedarf,
sofern es sich nicht um Gemeinden mit eigenen
(375)
Statuten handelt, der Bestätigung seitens der landesfürstlichen politischen Bezirksbehörde.
Die näheren Vorschriften über das Verfahren bei Ausfertigung und Bestätigung
solcher Zeugnisse sind im Verordnungswege zu erlassen.
Für
Pflegebefohlene kann dieses Zeugnis auch von der Pflegschaftsbehörde
ausgestellt werden.
§.
66. Ob der um Gewährung des Armenrechtes ansuchenden Partei ein Advocat
beizugeben ist, hat gleichfalls das Processgericht erster Instanz zu
entscheiden. Zu dieser Entscheidung ist dasselbe auch dann berufen, wenn sich
die Veranlassung zur Bestellung eines Advocaten wegen der Nothwendigkeit eines
Rechtsmittelverfahrens oder aus anderen Gründen erst nach Bewilligung des
Armenrechtes ergibt.
Die
Bestellung des Advocaten selbst erfolgt durch den hiezu berufenen Ausschuss der
Advocatenkammer.
§.
67. Tritt im Laufe des Rechtsstreites die Nothwendigkeit ein, der Mitwirkung
eines Advocaten bedürfende Processhandlungen außerhalb des Sprengels des
Gerichtshofes erster Instanz vorzunehmen, in welchem der für die arme Partei
bestellte Advocat seinen Wohnsitz hat, so ist hiezu auf Antrag des letzteren
oder auf Begehren der armen Partei von dem Ausschusse der hienach zuständigen
Kammer ein Advocat zu bestellen, welcher in dem Sprengel des Gerichtshofes
erster Instanz seinen Wohnsitz hat, in welchem die Processhandlung vorzunehmen
ist.
§.
68. Der Tod der Partei, welcher das Armenrecht bewilligt wurde, sowie
Änderungen in den Vermögensverhältnissen
der
Partei, durch welche die Bedingungen der ursprünglichen Bewilligung des
Armenrechtes nachträglich beseitigt werden, bewirken das Erlöschen des
Armenrechtes. Letzterenfalls ist das Erlöschen des Armenrechtes durch das
Processgericht erster Instanz von amtswegen oder auf Antrag durch Beschluss
auszusprechen.
Das
Armenrecht ist der Partei durch Beschluss des Processgerichtes erster Instanz
auf Antrag oder von amtswegen zu entziehen, sobald sich herausstellt, dass die
bei der Bewilligung des Armenrechtes als bestehend angenommenen Voraussetzungen
schon damals nicht vorhanden waren.
§.
69. Gegen Parteien, welche die Bewilligung des Armenrechtes durch unwahre
Angaben erschlichen haben, ist eine Mutwillensstrafe zu verhängen.
Wer
in dem im §. 65 bezeichneten Zeugnisse wissentlich unrichtige Angaben macht
oder Unrichtiges wissentlich als wahr bestätigt, haftet, wenn das Armenrecht
bewilligt wurde, für die Beträge, von deren Berichtigung die Partei einstweilen
befreit war, für die Kosten einer etwaigen Advocatenvertretung und für allen
sonstigen verursachten Schaden.
§.
70. Falls dem Gegner der armen Partei der Ersatz von Processkosten auferlegt
wird, können die im §. 64, Z. 1 und 5, bezeichneten Kosten, von deren
Bestreitung die arme Partei einstweilen befreit ist, sowie die Gebüren und
Auslagen des für die arme Partei bestellten Advocaten unmittelbar bei dem
Gegner eingehoben werden.
Dem
Advocaten können hiebei Einreden aus den zwischen der armen Partei und ihrem
Gegner bestehenden Rechtsbeziehungen nur insoweit entgegengesetzt werden, als
es sich um Aufrechnung von Kosten handelt, deren Ersatz der armen Partei in
demselben Rechtsstreite zu Gunsten ihres Gegners auferlegt wurde.
§.
71. Wenn die Voraussetzungen für eine nachträgliche Entziehung des Armenrechtes
vorhanden sind, so ist die zum Armenrechte zugelassene Partei auf Antrag eines
Betheiligten zur Nachzahlung der Beträge zu verhalten, von deren Berichtigung
sie auf Grund des Armenrechtes einstweilen befreit war. Nach Maßgabe der
Vermögensverhältnisse der armen Partei kann derselben auch bloß eine theilweise
Nachzahlung auferlegt werden.
Bei
solcher Verpflichtung zur Nachzahlung ist der Partei zunächst der Ersatz der
baren Auslagen aufzuerlegen, welche der Staatskasse nach §. 64, Z. 5, zur Last
fallen, dann die Berichtigung der Gebüren des Advocaten und endlich die
Bezahlung der Stempel und Gebüren.
Ein
im Sinne des Absatzes 1 ergehender Beschluss ist nach eintretender Rechtskraft
in das Vermögen der zur Nachzahlung verpflichteten Partei vollstreckbar.
§.
72. In den in den §§. 65, 66, 68 und 71 bezeichneten Fällen ist über die
gestellten Anträge ohne vorhergehende mündliche Verhandlung zu entscheiden. Die
ihm etwa nothwendig scheinenden Aufklärungen kann das Gericht von amtswegen
einholen.
Die
Entscheidung, durch welche einer Partei das Armenrecht bewilligt wird, sowie
die Entscheidung, dass ein Advocat für die arme Partei zu bestellen ist, kann
durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.
(376)
Einer Vertretung durch Advocaten bedürfen die Parteien bei den nach Vorschrift
dieses Titels vor Gericht vorzunehmenden Handlungen auch dann nicht, wenn ein
Gerichtshof als Processgericht erster Instanz eingeschreitet.
§.
73. Das Anbringen eines Gesuches um Bewilligung des Armenrechtes, sowie die
Stellung eines anderen nach den Bestimmungen dieses Titels zulässigen Antrages
berechtigt keine der Parteien zur Verweigerung der Einlassung in den
Rechtsstreit oder der Fortsetzung der Verhandlung oder zum Begehren um
Erstreckung von Fristen oder Verlegung von Tagsatzungen.
Im
Verfahren vor Gerichtshöfen kann jedoch weder wegen nicht rechtzeitiger
Überreichung der Klagebeantwortung noch deswegen, weil die geklagte arme Partei
bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung ohne
Advocaten erscheint, ein Versäumungsurtheil gegen die arme Partei erlassen
werden, wenn das von ihr ohne Verzug nach Zustellung der Kage angebrachte
Gesuch um Bewilligung des Armenrechtes noch keine Erledigung gefunden hat oder
im Falle der Bewilligung des Armenrechtes für die arme Partei noch kein Advocat
bestellt worden ist.
Zweiter
Abschnitt.
Verfahren.
Erster Titel.
Schriftsätze.
§. 74.
Die eine Steitsache betreffenden, außerhalb der mündlichen Verhandlung
vorzubringenden Anträge, Gesuche oder Mittheilungen erfolgen, soweit das Gesetz
nicht ein Anbringen zu Protokoll gestattet, mittels Schriftsätzen.
§.
75. Jeder Schrifsatz hat zu enthalten:
1.
die Bezeichnung des Gerichtes, dann der Parteien nach Namen (Vor- und Zuname),
Beschäftigung, Wohnort und Parteistellung, die Angabe der für die Parteien
handelnden Vertreter und die Bezeichnung des Streitgegenstandes;
2.
die Bezeichnung der Beilagen und ihrer Zahl sowie die Angabe, ob die Beilagen
in Urschrift oder Abschrift angeschlossen sind;
3.
die Unterschrift der Partei selbst oder ihres gesetzlichen Vertreters oder
Bevollmächtigen, im Anwaltsprocesse aber, wenn nicht die Bestimmung des §. 28,
Absatz 1, zur Anwendung kommt, die Unterschrift des Advocaten.
§.
76. In jedem Schriftsatze sind ferner die tatsächlichen Verhältnisse, durch
welche die im Schriftsatze gestellten Anträge begründet werden, in knapper, übersichtlicher
Fassung gedrängt darzustellen und, wenn es eines Beweises oder einer
Glaubhaftmachung dieser Anführungen bedarf, auch die Beweismittel im Einzelnen
zu bezeichnen, deren man sich behufs Erbringung dieses Nachweises oder behufs
Glaubhaftmachung bedienen will.
§.
77. Wenn über den im Schriftsatze gestellten Antrag mündlich verhandelt werden
soll, sind dem Schriftsatze nur Abschriften der Urkunden beizulegen, auf welche
im Schriftsatze Bezug genommen wird; falls nur einzelne Theile einer Urkunde in
Betracht kommen, genügt die Beifügungn eines Auszuges, welcher den Eingang, die
zur Sache gehörende Stelle, den Schluss, das Datum und die Unterschriften
enthält.
Sind
die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfange, so ist es
ausreichend, wenn im Schriftsatze die Urkunden genau bezeichnet und das
Anerbieten gemacht wird, deren Einsicht dem Gegner zu gewähren, oder dieselben
dem Gerichte auf Verlangen vorzulegen.
Befinden
sich die Urkunden nicht in den Händen der Partei, so hat sie anzugeben, auf
welche Weise die Herbeischaffung dieser Urkunden zu veranlassen sei.
§.
78. Schriftsätze, die zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung bestimmt
sind (vorbereitende Schriftsätze), haben nebst den sonstigen Erfordernissen
eines Schriftsatzes zu enthalten:
1.
die Anträge, welche die Partei bei der mündlichen Verhandlung zu stellen
beabsichtigt;
2.
eine der Vorschrift des §. 76 entsprechende Darstellung der tatsächlichen
Verhältnisse, auf welche sich die Partei zur Begründung ihrer Anträge oder
Bekämpfung gegnerischer Anträge bei der mündlichen Verhandlung berufen will,
sowie die Angabe der Beweismittel, welche die Partei bei dieser Verhandlung zur
Bewahrheitung ihrer eigenen Anführungen oder zur Widerlegung thatsächlicher
Behauptungen des Gegner zu benützen beabsichtigt;
3.
nach Lage der Sache die Erklärungen über die Wahrheit, Richtigkeit und
Vollständigkeit des in einem vorausgegangenen Schriftsatze des Gegners
enthaltenen thatsächlichen Vorbringens und über die Zufälligkeit der vom Gegner
bezeichneten Beweismittel.
Rechtsausführungen
und Darlegungen über die Wahrscheinlichkeit oder Glaubwürdigkeit einzelner
thatsächlicher Behauptungen oder über die vermuthliche Beweiskraft angebotener
Beweise sind in einen vorbereitenden Schriftsatz nicht aufzunehmen.
(377)
§. 79. Ein die Stelle des Schriftsatzes versehendes protokollarisches Anbringen
ist nach den Bestimmungen über die Schriftsätze einzurichten.
Erfolgt
das Anbringen außerhalb einer mündlichen Verhandlung, so ist im Verfahren vor
Gerichtshöfen das Protokoll von dem durch den Gerichtsvorsteher oder den
Vorsitzenden einer Senates hiezu bestimmten richterlichen Beamten ausfzunehmen.
§.
80. Falls ein Antrag mittels Schriftsatzes gestellt wird, oder eine auch dem
Gegner zur Kenntnis zu bringende Mittheilung an das Gericht mittels
Schriftsatzes erfolgt, desgleichen von allen vorbereitenden Schriftsätzen,
sind, soweit nicht in diesem Gesetze etwas anderes angeordnet wird, so viele
gleichlautende Ausfertigungen des Schriftsatzes zu überreichen, dass jedem der
Gegner eine Ausfertigung zugestellt und überdies eine für die Gerichtsacten
zurückbehalten werden kann. Den Schriftsätzen sind ferner die zur Verständigung
sonstiger Betheiligter erforderlichen Rubriken beizulegen.
Die
Rubriken haben die Bezeichnung des Gerichtes, der Parteien und des
Streitgegenstandes in der in §. 75 bestimmten Weise zu enthalten.
§.
81. Sofern nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ein Exemplar des überreichten
Schriftsatzes dem Gegner zuzustellen ist, sind demselben auch Abschriften der
Beilagen des Schriftsatzes anzuschließen.
Die
bei dem Gerichte zurückbehaltenen Urschriften von Beilagen sind dem Gegner auf
sein Verlangen jederzeit zur Einsichtnahme vorzulegen.
§.
82. Wenn eine Partei in einem Schriftsatze auf in ihren Händen befindliche
Urkunden Bezug genommen hat, ist sie auf Verlangen des Gegners verpflichtet,
diese Urkunden in Urschrift innerhalb drei Tagen bei Gericht niederzulegen und
den Gegner hievon zu benachrichtigen. Der Gegner kann sodann die Urkunden
innerhalb drei Tagen nach empfangener Benachrichtigung einsehen und davon
Abschrift nehmen.
Die
Frist zur Einsichtnahme kann, wenn die Partei die Urkunde erweislich dringend
benöthigt, vom Gerichte und im Verfahren vor Gerichtshöfen vom Vorsitzenden des
Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, auf Antrag entsprechend abgekürzt
werden. Gegen den über einen solchen Antrag ergehenden Beschluss findet ein
Rechtsmittel nicht statt.
§.
83. Advocaten steht es frei, die Mittheilung der Urschriften von Urkunden von
Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung vorzunehmen.
Gibt
ein Advocat die ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der vereinbarten Frist
und mangels einer Vereinbarung binnen drei Tagen nach Empfang zurück, so ist er
auf Antrag nach vorgängiger mündlicher oder schriftlicher Einvernehmung durch
Beschluss zu unverzüglicher Zurückgabe zu verhalten. In Bezug auf diesen
Beschluss haben die Bestimmungen des §. 82, Absatz 2, zu gelten. Der Beschluss
ist sofort vollstreckbar.
§.
84. Soweit in diesem Gesetze nichts anderes angeordnet ist, hat das Gericht die
Beseitigung von Formgebrechen, welche die ordnungsmäßige geschäftliche
Behandlung eines überreichten Schriftsatzes zu hindern geeignet sind, von
amtswegen anzuordnen. Ein solcher Beschluss kann durch ein abgesondertes Rechtsmittel
nicht angefochten werden.
Als
derartiges Formgebrechen ist es insbesondere anzusehen, wenn die Vorschriften
der §§. 75 und 77 nicht beachtet wurden, oder wenn es an der erforderlichen
Anzahl von Schriftsatzexemplaren oder von Rubriken fehlt.
Zum
Verfahren vor Gerichtshöfen steht die Erlassung dieser Anordnungen dem
Vorsitzenden des Senates zu, dem die Rechtssache zugewiesen ist.
§.
85. Zum Zwecke der Beseitigung von Formgebrechen kann die Partei vorgeladen
oder ihr der Schriftsatz mit der Anweisung zur Behebung der gleichtzeitig zu
bezeichnenden Formgebrechen zurrückgestellt werden.
War
bei Überreichung des Schriftsatzes eine Frist einzuhalten, so ist
letzterenfalls für die Wiederanbringung eine neuerliche Frist festzusetzen, bei
deren Einhaltung der Schriftsatz als am Tage seines ersten Einlangens
überreicht anzusehen ist. Eine Verlängerung dieser Frist ist nicht zulässig.
Gegen
die auf Grund vorstehender Bestimmungen ergehenden Beschlüsse ist ein
abgesondertes Rechtsmittel nicht statthaft; inwiefern deshalb das
Aufsichtsrecht der übergeordneten Gerichtsbehörden angerufen werden kann, ist
nach den über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte
erlassenen Vorschriften zu beurtheilen.
§.
86. Gegen eine Partei, welche die dem Gerichte schuldige Achtung in einem
Schriftsatze durch beleidigende Ausfälle verletzt oder welche in einem
Schriftsatze
(378)
den Gegner, einen Vertreter, Bevollmächtigten, Zeugen oder Sachverständigen
beleidigt, kann unbeschadet der deshalb etwa eintretenden strafgerichtlichen
Verfolgung vom Gerichte eine Ordnungsstrafe verhängt werden.
Aus
den gleichen Gründen ist die Verhängung einer Ordnungsstrafe gegen den
Advocaten zulässig, welcher den Schriftsatz unterfertigt hat.
Zweiter
Titel.
Zustellungen.
§. 87.
Zustellungen erfolgen, sofern in diesem Gesetze nichts anderes vorgeschrieben
ist, von amtswegen.
1. Im Inlande.
§.
88. Zustellungen sind im Inlande in der Regel durch die Post zu vollziehen.
Inwieweit Zustellungen innerhalb des Gerichtsortes oder sonst im Inlande durch
Gerichtsdiener oder durch Vermittlung des Gemeindevorstehers oder der
Geschäftsführer ausgeschiedener Gutsgebiete bewirkt werden können, ist im
Verordnungswege zu bestimmen.
Wenn
hienach für die Zustellung die Mitwirkung von Gemeinden, welche kein eigenes
Statut haben, oder von ausgeschiedenen Gutsgebieten in Anspruch genommen werden
soll, ist die Äußerung des Landesausschusses einzuholen.
Die
Gerichtsdiener können nur innerhalb des Sprengels des Gerichtes, bei welchem
sie angestellt sind, die Gemeindeorgane und Bestellten der Geschäftsführer
ausgeschiedener Gutsgebiete nur innerhalb des bezüglichen Gemeinde- oder
Gutsgebietes zu Bewirkung von Zustellungen verwendet werden.
§.
89. Die Bestimmung der Zustellungsart obliegt dem Gerichte, dessen Urtheile,
Beschlüsse oder Ladungen zugestellt werden sollen oder bei welchem der
zuzustellende Schriftsatz überreicht oder das Protokoll aufgenommen worden ist.
Dieses Gericht hat auch die wegen der Zustellung nöthigen Verfügungen zu
treffen.
Im
Verfahren vor Gerichtshöfen kann eine solche Verfügung an Stelle des Gerichtes
durch den Vorsitzenden des Senates getroffen werden, dem die Rechtssache
zugewiesen ist.
§.
90. Haben mehrere Betheiligte einen gemeinschaftlichen Vertreter, so wird mit
der Übergabe einer einzigen Ausfertigung, Ladung, Protokollsabschrift oder nur
eines Schriftsatzexemplares an diesem Vertreter die Zustellung an alle für
vollzogen angesehen. Be dem Vorhandensein mehrerer zu Empfangnahme
gerichtlicher Zustellungen ermächtigten Vertreter eines Betheiligten, ist die
Zustellung als vollzogen anzusehen, wenn einem dieser Vertreter ein Exemplar
des Zuzustellenden Schriftstückes übergeben wird.
Dieselben
Bestimmungen gelten auch in Ansehung der zuzustellenden Abschriften von
Beilagen eines Schriftsatzes oder Protokolles.
§.
91. Wenn das Verhalten einer der mit der Ausführung der Zustellung beauftragten
Personen (Zustellungsorgane) zur Beschwerde Anlass gibt, so hat der Vorsitzende
des Senates, der mit der Aufsicht über die Gerichtskanzlei betraute Richter
oder der Gerichtsvorsteher, sobald er hievon Kenntnis erlangt, das Geeignete zu
veranlassen, um Abhilfe zu gewähren. Der Beschwerdegrund kann mündlich
angezeigt werden.
§.
92. Zustellungen, welche für die in aktiver Dienstleistung stehenden Personen des Mannschaftsstandes des
Heeres, der Kriegsmarine und der Landwehr, sowie für die in aktiver
Dienstleistung stehenden Personen des Mannschaftsstandes der Gendarmerie
bestimmt sind, haben durch den Chef der zunächst vorgesetzten Kommandobehörde zu
erfolgen.
Sofern
sonst Zustellungen in militärischen oder vom Militär besetzen Gebäuden
vorzunehmen sind, haben dieselben nach vorläufiger Anzeige an den Kommandanten
des Gebäudes und unter Zuziehung einer von diesem beigegebenen Militärperson zu
geschehen.
§.
93. Hat eine Patei für einen Rechtsstreit Processvollmacht ertheilt, so haben
bis zur Aufhebung des Processvollmacht (§. 36) alle diesen Rechtsstreit
betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu
geschehen.
In
Rechtssachen, die sich auf den Betrieb des Handelsgewerbes einer Person
beziehen, kann die Zustellung für den Prinzipal an den Procuristen geschehen.
Zustellungsbevollmächtigter.
§.
94. Ist eine am Orte des Processgerichtes wohnhafte Person zum Empfange der für
einen am Processe betheiligten bestimmten Schriftstücke bevollmächtigt worden
(Zustellungsbevollmächtigter), so erfolgen die Zustellungen an diesen.
(379)
Dem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Betheiligten sind soviele Exemplare
des zuzustellenden Schriftstückes zu übergeben, als Betheiligte vorhanden sind.
Hinsichtlich der Abschriften vn Beilagen eines Schriftsatzes oder Protokolles
genügt jedoch die Zustellung je einer Abschrift jeder Beilage an den
gemeinschaftlichen Zustellungsbevollmächtigten.
§.
95. Einer Partei kann vom Gerichte auf Antrag oder von amtswegen aufgetragen
werden, innerhalb einer ihr zugleich zu bestimmenden Frist einem am Orte des
Processgerichtes wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen:
1.
wenn diese Partei außerhalb des Sprengels des Gerichtshofes erster Instanz
wohnt, welcher als Processgericht einschreitet oder in dessen Sprengel sich das
als Processgericht einschreitende Bezirksgericht befindet;
2.
wenn die Partei während des Rechtsstreites ihren Wohnsitz ausserhalb des in
Absatz 1 bezeichneten Gerichtshofsprengels verlegt.
Zur
Erlassung einer solchen Anordnung, gegen welche ein abgesondertes Rechtsmittel
nicht zulässig ist, ist im Verfahren vor Gerichtshöfen der Vorsitzende des
Senates berufen, dem die Rechtssache zugewiesen ist.
§.
96. Wird eine gemäß §. 95. erlassene Anordnung nicht befolgt, so können alle
späteren Zustellungen dadurch vollzogen werden, dass die Schriftstücke der Post
mit der zuletzt bekannt gewordenen Adresse der Partei übergeben werden. Die
Zustellung wird mit der Übergabe an die Post als bewirkt angesehen, wenn auch
die Sendung als unbestellbar zurückkommt.
Ist
die Zustellung durch die Post im einzelnen Falle nicht gestattet, so ist die
Partei nach furchtlosem Ablaufe der ihr zu Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten
gegebenen Frist zu verständigen, dass fortan die für sie bestimmten
Schriftstücke mit der Wirkung der erfolgten Zustellung bei Gericht würden
hinterlegt werden.
Die
Übergabe an die Post im Sinne des ersten Absatzes findet keine Anwendung, wenn
die Zustellungen außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes erfolgen
müssten.
§.
97. Streitgenossen, welche keinen gemeinschaftlichen Vertreter haben, müssen,
und zwar als Kläger in der Klage, sonst bei Vornahme der ersten Processhandlung
einen am Orte des Processgerichtes wohnhaften gemeinschaftlichen
Zustellungsbevollmächtigten dem Gerichte namhaft machen. Die Streitgenossen
können jedoch einen aus ihrer Mitte auch dann zum gemeinschaftlichen
Zustellungsbevollmächtigten bestellen, wenn er zwar nicht am Orte des
Processgerichtes, aber innerhalb des Sprengels des Gerichtshofes erster Instanz
wohnt, welcher als Processgericht einschreitet oder in dessen Sprengel sich das
als Processgericht einschreitende Bezirksgericht befindet, und wenn zugleich
nach dem Wohnorte dieses Streitgenossen eine regelmäßige Zustellung von
Postsendungen durch Bedienstete der Post stattfindet.
Unterlassen
Streitgenossen die rechtzeitige Namhaftmachung eines gemeinschaftlichen
Zustellungsbevollmächtigten, so ist auf Antrag der Gegenpartei eine am Orte des
Processgerichtes wohnhafte geeignete Person auf Gefahr und Kosten der
Streitgenossen zum gemeinschaftlichen Zustellungsbevollmächtigten derselben zu
bestellen; dieser Beschluss kann nicht angefochten werden.
Im
Verfahren vor Gerichtshöfen steht diese Beschlussfassung dem Vorsitzenden des
Senates zu, dem die Rechtssache zugewiesen ist.
§.
98. Als Zustellungsbevollmächtigter des als Streitgenosse zu behandelnden
Nebenintervenienten hat die Hauptpartei, welcher sich der Nebenintervenient
angeschlossen hat, insolange zu gelten, als nicht mit Zustimmung des
Nebenintervenienten ein anderer gemeinschaftlicher Zustellungsbevollmächtigter
vom Gerichte bestellt wurde (§. 97, Absatz 2 und 3).
§. 99.
Der für eine einzelne Person bestellte Zustellungsbevollmächtigte hat dieser
die für sie bestimmten, ihm zugestellten Schriftstücke jeweils ohne Aufschub zu
übersenden. Desgleichen hat der gemeinschaftliche Zustellungsbevollmächtigte,
wenn nicht durch Vereinbarung etwas anderes bestimmt wird, die empfangenen
Schriftstücke den Personen, für welche er Zustellungen übernommen hat, jeweils
ohne Aufschub zu übersenden und denselben die Einsicht der von ihm zu
verwahrenden Beilageabschriften, sowie deren weitere Abschriftnahme zu
gestatten.
Zeit der Zustellung.
§.
100. An Sonn- und Feiertagen darf eine Zustellung, sofern sie nicht durch die
Post vollzogen wird, nur mit richterlicher Erlaubnis erfolgen. Diese Erlaubnis
kann vom Vorsitzenden des Senates, sowie vom Vorsteher des Processgerichtes
oder des Bezirksgerichtes, in dessen Sprengel die Zustellung geschehen soll,
ertheilt werden und ist auf dem zuzustellenden Schriftstücke ersichtlich zu
machen.
(380)
Der Beschluss, durch welchen die Erlaubnis ertheilt, oder verweigert wird, kann
durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.
Die
vorstehenden Bestimmungen haben auch Anwendung zu finden, wenn eine Zustellung
zur Nachtzeit bewirkt werden soll.
Ort der Zustellung.
§.
101. Die Zustellung hat am Zustellungsorte in der Wohnung, in der gewerblichen
Betriebsstätte, im Geschäftslokale oder am Arbeitsplatze der betreffenden
Person und bei Advocaten und Notaren in deren Kanzlei zu erfolgen; eine
außerhalb dieser Räume vorgenommene Zustellung ist nur gültig, wenn die Annahme
des Schriftstückes nicht verweigert wurde.
In
Ermanglung einer Wohnung, einer gewerblichen Betriebsstätte, eines
Geschäftslokales oder eines Arbeitsplatzes können Zustellungen vorgenommen
werden, wo die Person, welcher zugestellt werden soll, angetroffen wird.
Ersatzzustellung.
§.
102. Wird die Person, welcher zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht
angetroffen, so kann die Zustellung mit Wirksamkeit an jeden dem
Zustellungsorgane bekannten, in der Wohnung befindlichen erwachsenen, zur
Familie gehörigen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene
Person geschehen.
Werden
auch solche Personen nicht angetroffen, so kann das zuzustellende Schriftstück
dem in demselben Hause wohnenden Vermieter oder einer von diesen bestellten, ebenda
wohnenden Aufsichtsperson eingehändigt werden, wenn dieselben zu Annahme bereit
sind.
§.
103. Für Personen, welche in ihrem Geschäftslokale oder an der Stätte ihres
Gewerbebetriebes nicht angetroffen werden, kann die Zustellung an eine der
daselbst anwesenden erwachsenen Personen geschehen, von welcher das
Zustellungsorgan weiß, dass sie zur Familie des Adressaten gehört, oder in
dessen Geschäft oder Gewerbe bedienstet ist.
Wird
der Advocat oder Notar, dem zugestellt werden soll, in seiner Kanzlei nicht
angetroffen, so kann die Zustellung an jeden daselbst anwesenden, dem
Zustellungsorgane bekannten Angestellten oder Bediensteten des Advocaten oder
Notars erfolgen.
Die
Zustellung an einen der in Absatz 1 und 2 und in §. 102 bezeichneten
Familienangehörigen, Hausgenossen, Angestellten, Bediensteten u. s. w. ist
unstatthaft, sofern dieselben an dem Rechtsstreite als Gegner der Person, an
welche die Zustellung erfolgen soll, betheiligt sind.
§.
104. Wenn sich die Zustellung weder unmittelbar an die Person, welcher
zugestellt werden soll, noch nach den Bestimmungen der §§. 102 und 103 bewirken
lässt, kann sie dadurch erfolgen, dass das zuzustellende Schriftstück, falls
die Zustellung durch die Post zu vollziehen war, bei dem Postamte, zu dessen
Amtsbereich der Zustellungsort gehört, in allen anderen Fällen aber bei dem
Gemeindevorsteher des Zustellungsortes oder bei dem Geschäftsführer des
ausgeschiedenen Gutsgebietes niedergelegt und diese Hinterlegung sowohl durch
eine an der Türe der Wohnung oder an der Eingangstür des Geschäfts- oder
Gewerbelokales zu befestigende schriftliche Anzeige, als auch nach Thunlichkeit
durch mündliche Mittheilung an in der Nachbarschaft wohnende Personen bekannt
gemacht wird.
Die
Befestigung der schriftlichen Anzeige an der Eingangstüre eines verschlossenen
Geschäftslokales darf nur an einem Werktage geschehen.
Die
mit Beachtung der vorstehenden Bestimmungen vorgenommene Niederlegung des
zuzustellenden Schriftstückes hat die Wirkung der Zustellung. Die Beschädigung
oder das Abreißen des Anzeige ist auf die Giltigkeit der Zustellung ohne
Einfluss.
§.
105. Zustellungen an die zu Vertretung des Ärars berufenen öffentlichen Organe
oder an andere Behörden, an Gemeinden, Corporationen und Anstalten sind, sofern
im einzelnen Falle nichts anderes angeordnet wird, an den Beamten oder
Bediensteten zu bewirken, der zur Empfangnahme der an die Behörde, Gemeinde,
Corporation oder Anstalt gerichteten Schriftstücke bestellt ist, falls aber ein
solcher nicht bekannt wäre, an jeden dem Zustellungsorgane bekannten, im
fraglichen Amte oder Geschäftslokale anwesenden Beamten oder Bediensteten der
Behörde, Gemeinde, Corporation oder Anstalt, für welche das zuzustellende
Schriftstück bestimmt ist.
Zustellung von Klagen.
§.
106. Klagen können nur zu eigenen Handen des Geklagten (!)(§. 92), eines zu
Empfangnahme von Klagen ermächtigten Vertreters desselben oder in Rechtssachen,
die sich auf den Betrieb des Handelsgewerbes einer Person beziehen, zu Handen
des Procuristen der geklagten Firma zugestellt werden.
Kann
eine solche Zustellung nicht bewirkt werden, so ist die Partei, welcher
zugestellt werden soll, durch eine in ihrer Wohnung oder Kanzlei, in ihrem
(381)
gewerblichen oder Geschäftslokale zurückzulassende oder, falls diese
Räumlichkeiten verschlossen sind, an deren Eingangstür zu befestigende
schriftliche Anzeige aufzufordern, behufs Entgegennahme der Zustellung an einem
ihr gleichzeitig zu bestimmenden Tag und Stunde in dem betreffenden Lokale
anwesend zu sein. Wenn die Partei dieser Aufforderung nicht entspricht, ist
sodann im Sinne des §. 104 vorzugehen.
Die
Beschädigung oder das Abreißen der schriftlichen Aufforderung ist auf die
Giltigkeit des Vorganges ohne Einfluss.
§.
107. Hätte die Zustellung durch die Post oder durch den Gerichtsdiener erfolgen
sollen, und könnte die neuerliche Zustellung wegen zu großer Entfernung des
Zustellungsortes oder wegen schwieriger Zugänglichkeit desselben nicht alsbald
vorgenommen werden, so kann die Klage sogleich nach der ersten fruchtlos
versuchten Zustellung dem Gemeindevorsteher oder dem Geschäftsführer des
ausgeschiedenen Gutsgebietes zu dem Zwecke übergeben werden, damit dieser
nunmehr die Zustellung an den Beklagte veranlasse.
Wenn
sodann die Zustellung zu Handen des Beklagten oder seines ermächtigten
Vertreters auch auf diesem Wege innerhalb vier Wochen nach Übergabe der Klage
an den Gemeindevorsteher oder den Geschäftsführer des Gutsgebietes nicht
bewirkt werden kann, so ist der Beklagte gemäß §. 104 zu verständigen, dass das
zuzustellende Schriftstück bei dem Gemeindevorsteher oder dem Geschäftsführer
des Gutsgebietes haben diese Verständigung sogleich nach Ablauf der
obbezeichneten Frist zu veranlassen. Der Tag, an welchem die schriftliche
Anzeige an der Türe der Wohnung des Beklagten oder an der Eingangstüre seines
Geschäfts- oder Gewerbelokales befestigt wurde, gilt als Tag der erfolgten
Zustellung.
Die
Ermächtigung, die zuzustellende Klage nötigenfalls dem Gemeindevorsteher oder
dem Geschäftsführer des ausgeschiedenen Gutsgebietes zur Zustellung zu übergeben,
ist schon bei Anordung der Klagestellung zu ertheilen (§. 89).
§.
108. Die Bestimmungen der §§. 106 und 107 haben für alle Zustellungen zu
gelten, welche zufolge gesetzlicher Anordnung nach den für die Zustellung von
Kagen erlassenen Vorschriften vorzunehmen sind.
Verweigerung der Annahme.
§.
109. Wird die Annahme des zuzustellenden Schriftstückes von einer Person, an
welche die Zustellung giltig erfolgen kann, ohne gesetzlichen Grund verweigert,
so ist das Schriftstück am Orte der Zustellung zurückzulassen oder, falls dies
nicht möglich wäre, bei dem im §. 104 bezeichneten Postamte, Gemeindevorsteher
oder Geschäftsführer des ausgeschiedenen Gutsgebietes zu hinterlegen. Die
Zurücklassung oder Hinterlegung hat die Wirkung der Zustellung.
Zustellungsschein.
§.
110. Der Vollzug der Zustellung ist von der mit Vornahme der Zustellung
beauftragten Person zu beurkunden (Zustellungsschein).
Wohnungsänderung.
§.
111. Die Partei, welche während des Processes den Wohnort oder die Wohnung
ändert, hat hievon dem Gerichte Mittheilung zu machen; das Gleiche gilt von dem
zur Empfangnahme von Zustellungen berechtigten Vertreter oder Bevollmächtigten
einer Partei.
Wird
diese Anzeige unterlassen und sind die genannten Personen infolge der
Wohnungsänderung nicht mehr zu finden, so sind alle weiteren, diese Streitsache
betreffenden Zustellungen am bisherigen Zustellungsorte nach den Vorschriften
des §. 104 mit der Maßgabe vorzunehmen, dass sich die im §. 104, Absatz 1,
geforderte Verständigung auf die mündliche Mittheilung an den im selben Hause
wohnenden Vermieter oder an eine von diesem bestellte, ebenda wohnhafte
Aufsichtsperson zu beschränken hat.
Zustellung zwischen
Advicaten.
§.
112. Sind beide Parteien durch Advocaten vertreten, so können alle Zustellungen
an die Parteien in der Art bewirkt werden, dass der Advocat der Partei, durch
deren Processhandlung die Zustellung veranlasst wird (betreibende Partei), das
zuzustellende Schriftstück dem Advocaten der Gegenpartei durch einen Boten oder
durch die Post übersendet. Das zuzustellende Schriftstück ist in diesem Falle
dem Advocaten der betreibenden Partei vom Gerichte zum Zwecke der Übersendung
an den gegnerischen Advocaten gegen Empfangsbestätigung auszuhändigen.
Zum
Nachweise der bewirkten Zustellung genügt die mit Datum und Unterschrift
versehene schriftliche Empfangsbestätigung des Advocaten, welchem zugestellt
worden ist.
Alle
in Sachen der Zustellung sonst den Zustellungsorganen obliegenden Anzeigen und
Mittheilungen an das Gericht sind bei Zustellungen zwischen Advocaten von dem
Advocaten der betreibenden Partei zu bewerkstelligen.
(382)
§. 113. So lange sich ein Advocat nicht mit Zustimmung des gegnerischen
Advocaten zu Besorgung der Zustellung bei Gericht bereit erkärt hat, sind die
in der betreffenden Streitsache vorkommenden Zustellungen von amtswegen zu
vollziehen.
Die
durch die Zustellung zwischen Advocaten im Vergleiche zu sonstigen Zustellung
von amtswegen etwa erwachsenden Mehrkosten hat die Partei, deren Advocat sich
zu Besorgung der Zustellung erboten hat, und zwar ohne Anspruch auf Rückersatz
zu tragen.
Unmittelbare Ausfolgung
bei Gericht.
§.
114. Alle einer Person zuzustellenden Schriftstücke sind derselben unmittelbar
bei Gericht auszufolgen, wenn sie sich zur Empfangnahme des Schriftstückes bei
Gericht meldet, bevor noch das Schriftstück der Post übergeben wurde, der
Gerichtsdiener die Zustellung auszuführen begonnen hat, das Ersuchen um
Zustellung an den Gemeindevorsteher oder an den Geschäftsführer des
ausgeschiedenen Gutsgebietes abgegangen oder die sonst zum Vollzuge der
Zustellung nöthige Einleitung getroffen ist.
In
solchen Fällen wird der Vollzug der Zustellung durch eine besondere
Empfangsbestätigung der Person, welcher das Schriftstück ausgefolgt wurde, oder
durch deren Unterschrift in dem hiezu bestimmten amtlichen Register beurkundet.
Zustellung durch
öffentliche Bekanntmachung.
§.
115. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Aufenthalt einer Person, an welche
eine Zustellung erfolgen soll, unbekannt ist, kann die Zustellung auf Antrag,
sofern nicht die Bestimmungen des §. 111 zur Anwendung zu kommen haben, durch
öffentliche Bekanntmachung vollzogen werden. Die Entscheidung über diesen
Antrag erfolgt, falls derselbe nicht bei einer mündlichen Verhandlung gestellt
wurde, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung, und im Verfahren vor
Gerichtshöfen durch den Vorsitzenden des Senates, dem die Rechtssache
zugewiesen ist.
Die
Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung geschieht mittels Anschlag des
zuzustellenden Schriftstückes an der Gerichtstafel des Processgerichtes.
Wenn
nicht vom Gerichte bei Bewilligung der öffentlichen Bekanntmachung eine längere
Frist festgesetzt wird, oder sich die Person, welcher zugestellt werden soll,
schon früher zur Empfangnahme des Schriftstückes bei Gericht meldet, ist das
Schriftstück als zugestellt anzusehen, wenn seit Vornahme des Anschlages
dreißig Tage verstrichen sind. Die Giltigkeit der Zustellung wird dadurch nicht
berührt, dass der Anschlag noch vor dieser Zeit von der Gerichtstafel
abgerissen oder beschädigt wurde.
Zustellung an den
Curator.
§.
116. Für Personen, an welche die Zustellung wegen Unbekanntheit des
Aufenthaltes nur durch öffentliche Bekanntmachung geschehen könnte, hat das
Gericht auf Antrag oder von amtswegen einen Curator zu bestellen (§. 9), wenn
diese Personen infolge der an sie zu bewirkenden Zustellung zur Wahrung ihrer
Rechte eine Processhandlung vorzunehmen hätten und insbesondere, wenn das
zuzustellende Schriftstück eine Ladung derselben enthält.
§.
117. Die Bestellung des Curators, dessen Name und Wohnort und eine kurze Angabe
des Inhaltes des zuzustellenden Schriftstückes sind nebst der Bezeichnung des
Processgerichtes und der Streitsache durch Edict bekannt zu machen. Das Edict
hat die Bemerkung zu enthalten, dass die Person, für welche der Curator bestellt
wurde, bis zu ihrem eigenen Auftreten oder der Namhaftmachung eines
Bevollmächtigten auf ihre Gefahr und Kosten durch den Curator vertreten werde.
Das
Edict ist an der Gerichtstafel des Processgerichtes anzuschlagen und in die zur
Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen dieses Gerichtes bestimmte
Zeitung einmal einzuschalten. Wenn dies im einzelnen Falle zweckmäßig erscheint
und nicht mit einem im Vergleiche zum Streitgegenstande zu großen Kostenaufwand
verbunden ist, kann auf Antrag oder von amtswegen angeordnet werden, dass das
Edict auch in anderen Zeitungen oder dass es mehreremale eingeschaltet werde.
Gegen diese Anordnung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. Im Verfahren vor
Gerichtshöfen steht diese Anordnung dem Vorstizenden des Senates zu, dem die
Rechtssache zugewiesen ist. Anschlag und Einschaltung des Edictes sind von
amtswegen zu bewirken.
In
Rechtssachen bis einhundert Gulden kann die Kundmachung statt durch
Edictseinschaltung auf die ortsübliche Weise geschehen.
§.
118. Die Zustellung gilt mit Vornahme des Anschlages und der ihr nachfolgenden
Einhändigung des zuzustellenden Schriftstückes an den Curator als vollzogen.
Die
Kosten des Bekanntmachung und der Curatorsbestellung sind unbeschadet eines
Anspruches auf Ersatz von der Partei zu bestreiten, durch deren Processhandlung
beides veranlasst wurde.
(383) Zustellung an
Exterritoriale.
§.
119. Behufs Vornahme von Zustellungen an Personen, welche die Exterritorialität
genießen, oder an Personen, welche sich in der Wohnung eines Exterritorialen
befinden, hat das Gericht die Vermittlung des Obersthofmarschallamtes
anzusuchen.
Kann
die Zustellung auf diesem Wege nicht bewirkt werden, so hat das Gericht, bei
welchem die Rechtssache anhängig ist, für die Person, an welche zugestellt werden
soll, auf Antrag oder von amtswegen einen Curator zu bestellen (§. 9), an
welchen mit Wirksamkeit zugestellt werden kann.
Der
Curator hat seine Bestellung unter Angabe des Inhaltes des ihm eingehändigten
Schriftstückes, des Processgerichtes und der Streitsache der Person, welcher
zugestellt werden sollte, ohne Aufschub mitzutheilen und für dieselbe bis zu
ihrem eigenen Auftreten oder der Namhaftmachung eines Bevollmächtigten am
gerichtlichen Verfahren theilzunehmen, wenn jedoch die Voraussetzungen der §§.
115 oder 116 vorliegen, die Erlassung einer öffentlichen Bekanntmachung im
Sinne der §§. 115 oder 117 zu beantragen.
In
Bezug auf die Kosten der Curatorsbestellung und öffentlichen Bekanntmachung hat
§. 118, Absatz 2, zu Anwendung zu kommen.
2. Im Auslande.
Zustellungen
an die in einem fremden Staate sich aufhaltenden und dort das Recht der
Exterritorialität genießenden österreichischen Staatsangehörigen werden auf
Ansuchen des Gerichtes durch das Ministerium des Äußern bewirkt.
§.
121. Zustellungen an Personen, welche sich außerhalb des Geltungsgebietes
dieses Gesetzes befinden und nicht zu den im §. 120 bezeichneten Personen
gehören, erfolgen, sofern nicht hiezu nach den dafür geltenden Bestimmungen die
Vermittlung eines österreichisch-ungarischen Consularbehörde in Anspruch
genommen werden kann, mittels Ersuchen an die zuständige ausländische Behörde.
Das Ersuchen ist unter Beobachtung der hinsichtlich der einzelnen Staatsgebiete
erlassenen besonderen Anordnungen vom Gerichte zu stellen, bei welchem die
Rechtssache eben anhängig ist.
Wenn
die Bestätigung über die erfolgte Zustellung binnen einer angemessenen Zeit
nicht einlangt, kann die betreibende Partei je nach Lage der Sache die
Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung oder eine Curatorsbestellung im
Sinne des §. 116 beantragen. Gleiches gilt auch für den Fall, dass eine
Zustellung im Auslande vergeblich versucht wurde oder das Ersuchen wegen
offenkundiger Verweigerung der Rechtshilfe seitens der ausländischen Behörde
keinen Erfolg verspricht.
§.
122. Die nach den §§. 119 bis 121 zu erlassenden Ersuchen um Vornahme von
Zustellungen sind bei Gerichtshöfen durch den Vorsitzenden des Senates zu
stellen, dem die Rechtssache zugewiesen ist.
Die
Zustellung wird in diesen Fällen durch das schriftliche Zeugnis der ersuchten
Behörde oder deren schriftliche Mittheilung über die bewirkte Zustellung
nachgewiesen. Zum Zwecke des Zustellungsnachweises kann dem Ersuchschreiben
auch ein Zustellungsschein zur Benützung bei der Zustellungsvornahme beigelegt
werden.
Dritter
Titel.
Fristen und Tagsatzungen.
Fristen.
§.
123. Soweit
die Dauer der Fristen zur Vornahme von Processhandlungen nicht unmittelbar
durch das Gesetz bestimmt wird (gesetzliche Fristen), hat sie der Richter mit
Rücksicht auf die Erfordernisse und die Beschaffenheit des einzelnen Falles
festzusetzen (richterliche Fristen).
§.
124. Der Lauf einer richterlichen Frist beginnt, sofern nicht bei Festsetzung
derselben etwas anderes bestimmt wurde, mit Zustellung des die Frist
anordnenden Beschlusses an die Partei, welcher die Frist zugute kommt; wenn es
aber einer Zustellung des Beschlusses nicht bedarf, mit der Verkündung des
Beschlusses.
§.
125. Bei Berechnung einer Frist, welche nach Tagen bestimmt ist, wird der Tag
nicht mitgerechnet, in welchen der Zeitpunkt oder die Ereignung fällt, nach der
sich der Anfang der Frist richten soll.
Nach
Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablaufe desjenigen
Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, welcher durch seine Benennung
oder Zahl dem Tage entspricht, an welchem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser
Tag in dem letzten Monate, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages
dieses Monates.
Das
Ende einer Frist kann auch durch Angabe eines bestimmten Kalendertages
bezeichnet werden.
(384)
§. 126. Der Beginn und Lauf von gesetzlichen und richterlichen Fristen wird
durch Sonn- und Feiertage nicht behindert.
Fällt
das Ende einer Frist auf einen Sonntag oder Feiertag, so ist der nächste
Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen.
§.
127. Laufen die den einzelnen Streitgenossen zur Vornahme derselben
Processhandlung zustehenden gesetzlichen oder richterlichen Fristen zu
verschiedenen Zeiten ab, so kann die fragliche Processhandlung von allen
Streitgenossen so lange vorgenommen werden, als noch einem der Streitgenossen
eine Frist für diese Processhandlung offen steht.
§.
128. Gesetzliche Fristen, mit Ausnahme derjenigen, deren Verlängerung das
Gesetz ausdrücklich untersagt (Nothfristen), sowie die richterlichen Fristen,
hinsichtlich welcher in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, können vom
Gerichte verlängert werden. Eine Verlängerung von Fristen durch Übereinkommen
der Parteien ist unzulässig.
Das
Gericht kann eine solche Verlängerung auf Antrag bewilligen, wenn die Partei,
welcher die Frist zugute kommt, aus unabwendbaren oder doch sehr erheblichen
Gründen an der rechtzeitigen Vornahme der befristeten Processhandlung gehindert
ist und insbesondere ohne die Fristverlängerung einen nicht wieder
gutzumachenden Schaden erleiden würde.
Der
Antrag muss vor Ablauf der zu verlängernden Frist bei Gericht angebracht
werden. Über den Antrag kann ohne vorhergehende mündliche Verhandlung
entschieden werden; vor Bewilligung der wiederholten Verlängerung einer Frist
ist jedoch, wenn der Antrag nicht von beiden Parteien einverständlich gestellt
wird, der Gegner einzuvernehmen.
Die
zur Rechtfertigung des Antrages angeführten Umstände sind dem Gerichte auf
Verlangen glaubhaft zu machen. Mangels hinreichender Begründung ist der Antrag
zu verwerfen.
Bei
Verlängerung der Frist ist stets zugleich der Tag zu bestimmen, an welchem die
verlängerte Frist endet.
§.
129. Alle Fristen können durch Vereinbarung der Parteien abgekürzt werden. Die
Vereinbarung muss, um für das Gericht wirksam zu sein, urkundlich nachgewiesen
werden.
Das
Gericht kann richterliche und gesetzliche Fristen auf Antrag nur einer der
Parteien abkürzen, wenn Umstände glaubhaft gemacht werden, welche eine solche
Abkürzung zu Anwendung drohender erherblicher Nachtheile geboten erscheinen lassen
und wenn zugleich der Partei, für deren Handeln die Frist bestimmt ist, die
Vornahme der bezüglichen Processhandlung während der abgekürzten Frist ohne
Schwierigkeit möglich ist. Vor Bewilligung der Abkürzung ist der Gegner
einzuvernehmen.
Tagsatzungen.
Die
Anberaumung von Tagsatzungen erfolgt, sofern das Gesetz nichts anderes
anordnet, auf Antrag einer Partei. Vorbehaltlich besonderer in diesem Gesetze
enthaltener Bestimmungen obliegt die Anberaumung der Tagsatzung einschließlich
der Festsetzung von Ort, Tag und Stunde der Tagsatzung dem Gerichte.
Die
Anberaumung einer Tagsatzung, sowie jede Ladung zu einer Tagsatzung kann durch
ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden.
§.
131. Die Verständigung von der Anberaumung der Tagsatzung und Aufforderung zum
Erscheinen bei derselben (Ladung) erfolgt an die Partei, welche um die
Anberaumung der Tagsatzung angesucht hat, mittels Rubrik, an die Gegenpartei
durch Zustellung eines mit der Ausfertigung der Ladung versehenen Exemplares
des Schriftsatzes oder der Protokollsabschrift. Bei einer von amtswegen
erfolgenden Anberaumung der Tagsatzung sind beide Parteien durch Zustellung von
Rubriken zu laden.
Im
Anwaltsprocesse muss die erste Ladung zur mündlichen Verhandlung, sofern dieselbe
nicht bereits an einen Advocaten ergeht, insbesondere auch die Aufforderung
enthalten, rechtzeitig einen Advocaten als Vertreter zu bestellen, und den
Parteien bekanntgeben, welche Nachtheile das Gesetz mit der Nichtbestellung
eines Advocaten und mit dem Versäumen der Tagsatzung verbindet.
Zu
Tagsatzungen, welche in mündlich verkündeten gerichtlichen Entscheidungen
anberaumt werden, sind die Parteien nur insoweit besonders zu laden, als weder
sie noch ihre Vertreter oder Bevollmächtigten bei der Verkündung anwesend
waren.
§.
132. Die Tagsatzungen werden, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, im
Gerichtshause abgehalten.
Tagsatzungen
zur mündlichen Verhandlung können an einem Orte außerhalb des Gerichtshauses
anberaumt werden, wenn die Verhandlung an diesem Orte leichter
(385) durchgeführt oder hiedurch ein größerer
Kostenaufwand vermieden werden kann.
§. 133. Die Tagsatzung beginnt mit dem Aufrufe der
Sache.
Die Tagsatzung ist von einer Partei versäumt, wenn die
Partei zu der für die Tagsatzung anberaumten Zeit nicht erscheint oder, wenn
erschienen, ungeachtet richterlicher Aufforderung nicht verhandelt oder nach
dem Aufrufe der Sache sich wieder entfernt.
Als versäumt gilt die Tagsatzung auch dann, wenn die
Partei bei denjenigen Processhandlungen, für welche die Beiziehung eines
Advocaten im Gesetze vorgeschrieben ist, ohne Advocaten erscheint.
§. 134. Tagsatzungen können nur durch richterliche
Entscheidung verlegt werden (Erstreckung). Solche Erstreckung kann auf Antrag
oder von amtswegen stattfinden:
1. wenn sich dem rechtzeitigen Erscheinen einer oder
beider Parteien oder der Aufnahme oder Fortsetzung der Verhandlung zwischen
ihnen ein für sie unübersteigliches oder doch sehr erhebliches Hindernis
entgegenstellt und insbesondere ohne die Erstreckung eine Partei einen nicht
wieder gut zu machenden Schaden erleiden würde;
2. wenn das Gericht durch anderweitige unaufschiebbare
amtliche Obliegenheiten oder aus sonstigen wichtigen Gründen an der Aufnahme
oder Fortsetzung der Verhandlung behindert ist.
3. wenn eine nicht sofort vor dem Processgerichte
vollziehbare, für die Weiterführung der Verhandlung jedoch wesentliche
Beweisaufnahme angeordnet wird oder sich behufs Fortsetzung und Durchführung
der Verhandlung die Herbeischaffung von Urkunden, Auskunftssachen oder
Augenscheinsgegenständen nothwendig erweist;
4. Wenn die Verhandlung bei der vom Gerichte hiezu
anberaumten Tagsatzung auch ohne Dazwischenkunft der vorerwähnten Hindernisse
nicht zum Abschlusse gebracht werden kann.
§. 135. Der Antrag auf Erstreckung einer Tagsatzung
ist im Falle des §. 134, Z. 1, auch dann, wenn er von beiden Parteien
einverständlich gestellt wird, durch Angabe der das Erscheinen oder die
Aufnahme oder Fortsetzung der Verhandlung hindernden Umstände zu rechtfertigen.
Die zur Begründung des Antrages angeführten Umstände sind dem Gerichte auf
Verlangen glaubhaft zu machen.
Mangels hinreichender Begründung ist der Antrag zu
verwerfen.
§. 136. Der Antrag auf Erstreckung einer Tagsatzung
kann bei dieser Tagsatzung selbst oder vor Beginn derselben gestellt werden.
Im ersteren Falle ist über den Antrag, nach Anhörung
des anwesenden Gegners, ohne Aufschub durch Beschluss zu entscheiden und, wenn
die Erstreckung verweigert wird, ohne weitere Unterbrechung die Verhandlung
aufzunehmen oder fortzusetzen. Gegen die Partei, welche sich vor der
Entscheidung entfernt hat oder nach Zurückweisung des Antrages sich weigert,
zur Sache zu verhandeln, treten die Rechtsfolgen der Versäumung der Tagsatzung
ein.
Auf Erstreckungsanträge, welche vor der Tagsatzung
einlangen, finden die Bestimmungen des §. 128, Absatz 3, entsprechende
Anwendung.
§. 137. Wird eine Tagsatzung erstreckt, so ist vom
Gerichte Tag und Stunde der neuerlichen Tagsatzung den Parteien, wenn thunlich,
sofort mündlich bekanntzugeben. Andernfalls hat die Verständigung mittels
Rubrik zu geschehen.
Diese Bestimmung hat insbesondere auch Anwendung zu
finden, wenn die Erstreckung einer Tagsatzung zum Zwecke einer Beweisaufnahme
erfolgt.
§. 138. Wenn nicht wegen einer Veränderung in der Besetzung
des Gerichtes eine neuerliche Verhandlung stattfinden muss, hat im Falle der
Erstreckung einer Tagsatzung der Richter oder der Vorsitzende des Senates, vor
welchem die Verhandlung stattfindet, bei der späteren Tagsatzung die
wesentlichen Ergebnisse der früheren mündlichen Verhandlung auf Grund des
Verhandlungsprotokolles und der sonst zu berücksichtigenden Processacten
mündlich vorzuführen und die Fortsetzung der abgebrochenen Verhandlung hieran
anzuknüpfen.
§. 139. Wenn die Zustellung eines vorbereitenden
Schriftsatzes oder einer Protokollabschrift, über welche eine Ladung erging,
derart verzögert wird, dass die zwischen der Zustellung der Ladung und der
anberaumten Tagsatzung liegende Frist dem Gegner eine genügende Vorbereitung
für die mündliche Verhandlung oder in den Fällen des Anwaltsprocesses die
rechtzeitige Bestellung eines Advocaten nicht mehr gestattet, und wenn zugleich
der Gegner an dieser Verzögerung der Zustellung keine Schuld trägt, so hat das
Gericht oder im Verfahren vor Gerichtshöfen der Vorsitzende des Senates, vor
welchem die Verhandlung stattfinden soll, die anberaumte Tagsatzung auf
(386)
Antrag oder von amtswegen, noch vor ihrer Abhaltung zu erstrecken. Hievon sind
alle zur Tagsatzung geladenen Personen ohne Aufschub zu verständigen.
Gemeinsame
Bestimmungen.
§.
140. Wenn die Bestimmungen von Fristen oder die Anberaumung von Tagsatzungen
nicht in einer Entscheidung des Gerichtes oder bei einer mündlichen Verhandlung
erfolgt, obliegt sie im Verfahren vor Gerichtshöfen dem Vorsitzenden des
Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist.
Gleiches
gilt von der Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung oder Abkürzung
einer Schrift oder auf Erstreckung einer Tagsatzung, falls nicht der Antrag
während einer mündlichen Verhandlung gestellt wird.
§.
141. Die erste Verlängerung einer Frist und die erste Erstreckung einer
Tagsatzung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden, soferne die
bewilligte Fristverlängerung die Dauer der ursprünglichen Frist und die
bewilligte Erstreckung der Tagsatzung die Dauer von vier Wochen nicht
überschreitet. Gegen die Verweigerung der Abkürzung einer Schrift ist ein
Rechtsmittel ausgeschlossen.
§.
142. Der Partei, welche zur Verlängerung einer Frist oder zur Erstreckung einer
Tagsatzung Anlass gegeben hat, ist auf Antrag des Gegners der Ersatz der diesem
hierdurch verursachten Kosten in dem vom Gerichte festzustellenden Betrage
aufzuerlegen. Die Wiedererstattung dieser Kosten kann auch dann nicht begehrt
werden, wenn der Gegner in der Hauptsache zum Ersatze der Gerichtskosten
verurtheilt wird.
Wird
ein solcher Antrag auf Kostenersatz bei einer Tagsatzung gestellt, so ist über
denselben unverweilt, nach der Anhörung des anwesenden Gegners, zu entscheiden.
Wird
eine Tagsatzung durch das Nichterscheinen beider Parteien vereitelt, so fällt
jeder Partei die Hälfte der dadurch verursachten Kosten zur Last.
§.
143. Die in diesem Titel dem Gerichte oder dem Vorsitzendem des Senates
beigelegten Befugnisse stehen auch dem beauftragten oder ersuchten Richter in
Ansehung der von demselben zu bestimmten Fristen und Tagsatzungen zu.
Vierter
Titel.
Folgen
der Versäumung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Folgen
der Versäumung.
§.
144. Die Versäumung einer Processhandlung hat, unbeschadet der in diesem
Gesetze für einzelne Fälle bestimmten weiteren Wirkungen, zur Folge, dass die
Partei von der vorzunehmenden Processhandlung ausgeschlossen wird.
§.
145. Einer Androhung der gesetzlichen Folgen der Versäumung bedarf es nur in den
im Gesetze besonders bezeichneten Fällen. Diese Folgen treten von selbst ein,
sofern nicht durch die Bestimmungen dieses Gesetzes ihr Eintritt von einem auf
Verwirklichung der Rechtsnachtheile der Versäumunggerichteten Anträge abhängig
gemacht ist.
Im letzteren
Falle kann die versäumte Processhandlung, wenn für dieselbe eine Frist bestimmt
war, bis zu dem Tage, an welchen der Antrag bei Gericht gestellt wurde, wenn
aber die versäumte Processhandlung bei einer Tagsatzung vorzunehmen war, bis
zum Schlusse der über den Antrag auf Verwirklichung der Versäumungsfolgen
stattfindenden Verhandlung nachgeholt werden.
Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand.
§.
146. Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unanwendbares Ereignis
am rechtzeitigen Erscheinen bei einer Tagsatzung oder an der rechtzeitigen
Vornahme einer befristeten Processhandlung verhindert wurde, und die dadurch
verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachtheil des Ausschlusses von
der vorzunehmenden Processhandlung zur Folge hatte, so ist dieser Partei,
soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand zu bewilligen.
Der
Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die das
Gericht bereits für unzureichend befunden hat, um daraufhin derselben Partei
die Verlängerung der sodann versäumten Frist oder die Erstreckung der
versäumten Tagsatzung zu bewilligen.
§.
147. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung ist ohne weiteres
Verfahren zurückzuweisen, solange die Partei die versäumte Processhandlung
imSinne des §. 145, Absatz 2, unmittelbar nachholen kann.
(387)
Wird von derselben Partei die Wiedereinsetzung gegen ein infolge Versäumung
ergangenes Urtheil und die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Frist zur
Berufung wider dieses Urtheil beantragt, so ist das Verfahren über letzteren
Wiedereinsetzungsantrag bis nach rechtskräftiger Entscheidung über das erstere
Wiedereinsetzungsverfahren aufzuschieben.
Dem
Antrage auf Bewilligung der Wiedereinsetzung ist nicht stattzugeben, wenn die
Partei wegen der zur Rechtfertigung des Wiedereinstellungsantrages angeführten
Behinderung um Verlängerung der Frist oder Verlegung der Tagsatzung hätte
einschreiten können, aber wenn diese Behinderungen bereits wieder zu einer Zeit
weggefallen sind, da die Partei gemäß §. 145, Absatz, die Processbehandlung
selbst noch hätte nachholen können.
§.
148. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung ist bei dem Gerichte
anzubringen, bei welchem die versäumte Processhandlung vorzunehmen war.
Der
Antrag muss, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, innerhalb vierzehn
Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das
Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht
verlängert werden.
Offenbar
verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
§.
149. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung beantragt, hat in dem bezüglichen
Schriftsatze oder in den Schriftsatz ersetzenden Anbringen zu Protokoll alle
den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Umstände anzuführen und die Mittel zu
ihrer Glaubhaftmachung anzugeben. Zugleich mit dem Antrage ist auch die
versäumte Processhandlung selbst, oder bei Versäumung einer Tagsatzung
dasjenige nachzuholen, was zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung seitens
der säumigen Partei vorzubringen war.
Über
den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung hat das Gericht nach
vorgängiger mündlicher Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.
§.
150. Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt der Rechtstreit in die
Lage zurück, in welcher er sich vor dem Eintritte der Versäumung befunden hat.
Ein infolge der Versäumung bereits erlassenes Urtheil ist bei Bewilligung der
Wiedereinsetzung aufzuheben.
Wurde
eine Tagsatzung versäumt, so kann schon bei der zur Verhandlung über den
Wiedereinsetzungsantrag anberaumten Tagsatzung das Verfahren über den Antrag
auf Bewilligung der Wiedereinsetzung mit der Verhandlung, zu deren Vornahme die
versäumte Tagsatzung bestimmt war, verbunden oder doch im Falle der Bewilligung
des Wiedereinstellungsantrages sogleich diese Verhandlung vorgenommen werden.
§.
151. Wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages und
wegen Versäumung der zur Verhandlung über den Wiedereinstellungsantrages
anberaumten Tagsatzung findet eine Wiedereinsetzung nicht statt.
§.
152. Durch den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wird der Fortgang des Rechtsstreites nicht gehemmt. Das Gericht kann jedoch auf
Antrag dessen einstweilige Unterbrechung anordnen, wenn dies unumgänglich
nothwendig erscheint, um der voraussichtlich zu bewilligenden Wiedereinsetzung
vollen Erfolg zu sichern, und wenn zugleich die Unterbrechung des Processes dem
Gegner des Wiedereinsetzungswerbers einen erheblichen Nachtheil nicht zufügt.
Wird
der Rechtstreit zu dieser Zeit in einer höheren Instanz verhandelt, so ist
dieselbe von der angeordneten einstweiligen Unterbrechung des
Rechtsmittelverfahrens sofort zu verständigen.
Nach
Erledigung des Wiedereinsetzungsverfahrens ist das unterbrochene Verfahren auf
Antrag oder von amtswegen aufzunehmen.
§.
153. Gegen die Entscheidung, wodurch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
bewilligt wird, ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
§.
154. Der Partei, welche die Wiedereinsetzung beantragt hat, ist ohne Rücksicht
darauf, ob dem Antrage stattgegeben wurde oder nicht, der Ersatz aller Kosten,
welche dem Gegner durch die Versäumung und durch die Verhandlung über den
Wiedereinsetzungsantrag verursacht sind, sowie der Ersatz der Kosten den
infolge der Wiedereinsetzung unwirksam gewordenen Verfahrens aufzuerlegen.
(388)
Fünfter Titel.
Unterbrechung
und Ruhen des Verfahrens.
Tod
einer Partei.
§.
155. Durch den Tod einer Partei wird das Verfahren nur dann unterbrochen, wenn die
verstorbene Partei weder durch einen Advocaten, noch durch eine andere von ihr
mit Processvollmacht ausgestattete Person vertreten war.
Die
Unterbrechung dauert bis zur Aufnahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolger
der verstorbenen Partei, oder wenn der Gegner früher die Bestellung eines
Curators beantragt (§. 811 a. b. G. B.), um wider diesen das Verfahren
fortzusetzen, bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den Curator.
Um
die Aufnahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei
zu bewirken, kann der Gegner bei dem Gerichte, bei welchem die Rechtssache zur
Zeit des Todes der verstorbenen Partei anhängig war, auch die Ladung dieser
Rechtsnachfolger beantragen. Zufolge eines solchen Antrages sind dieselben zur
Aufnahme des Verfahrens und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache oder zur
Fortführung dieser Verhandlung zu laden.
Die
Zustellung dieser Ladung hat nach den Vorschriften der §§. 106 und 107 zu
geschehen.
§.
156. Erscheint keiner der geladenen Rechtsnachfolger, so ist das Verfahren bei
genügender Bescheinigung der behaupteten Rechtsnachfolge auf Antrag des Gegners
vom Gerichte durch Beschluss als von den Rechtsnachfolgern der verstorbenen
Partei aufgenommen zu erklären.
Bei
der Tagsatzung, in welcher der die Aufnahme des Verfahrens betreffende
Beschluss verkündet wurde, kann gleich das Verfahren in der Hauptsache
aufgenommen werden.
§.
157. Wenn die geladenen Rechtsnachfolger oder einzelne derselben bei der
Tagsatzung erscheinen und die Verpflichtung, in den Process einzutreten
bestreiten, hat das Gericht hierüber nach mündlicher Verhandlung zu
entscheiden. Falls das Gericht im Sinne einer Verpflichtung zur Aufnahme des
Verfahrens entscheidet, kann nach Verkündung dieser Entscheidung in der
nämlichen Tagsatzung nachLage der Sache das Verfahren in der Hauptsache
aufgenommen oder fortgesetzt werden. Dies hat insbesondere zu gelten, wenn ein
Rekurs gegen den verkündeten Beschluss voraussichtlich ohne Erfolg bleiben
dürfte.
Verlust
der Processfähigkeit, Wechsel in der Person des gesetzlichen Vertreters.
§.
158. Wenn eine Partei die Processfähigkeit verliert, oder wenn der gesetzliche
Vertreter einer Partei stirbt oder dessen Vertretungsbefugnis aufhört, ohne
dass die Partei processfähig geworden ist, wird das Verfahren nur dann unterbrochen,
wenn die von dieser Veränderung betroffene Partei weder durch einen Advocaten,
noch durch eine andere mit Processvollmacht ausgestattete Person vertreten ist.
Die
Unterbrechung dauert in diesen Fällen so lange, bis der gesetzliche Vertreter
oder der neue gesetzliche Vertreter von seiner Bestellung dem Gegner Anzeige
macht und das Verfahren aufnimmt.
Um
eine solche Aufnahme zu bewirken, kann auch der Gegner die Ladung des
gesetzlichen Vertreters der processunfähig gewordenen Partei oder des neuen
gesetzlichen Vertreters beantragen.
Konkurseröffnung.
§.
159. Inwiefern bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei eine
Unterbrechung des Verfahrens eintritt, wird durch die Konkursordnung bestimmt.
Wechsel
in der Person des Advocaten.
§. 160.
Wenn der Advocat einer Partei stirbt oder unfähig wird, die Vertretung der
Partei fortzuführen, tritt insoweit, als die Vertretung durch Advocaten
gesetzlich geboten ist, eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis ein anderer
Advocat von der Partei bestellt und von diesem Advocaten seine Bestellung unter
gleichzeitiger Aufnahme des Verfahrens dem Gegner angezeigt wird.
Um
die Aufnahme des Verfahrens zu bewirken, kann auch der Partei, welche einen
neuen Vertreter zu bestellen hat, auf Antrag ihres Gegners vom Gerichte
aufgetragen werden, diese Bestellung binnen einer ihr gleichzeitig zu
bestimmenden Frist vorzunehmen. Dieser Antrag ist bei dem Gerichte anzubringen,
bei welchen die Rechtssache zur Zeit des Todes des Advocaten oder des
Eintrittes seiner Unfähigkeit zur ferneren Vertretung anhängig war. Wird der
neue Vertreter nicht innerhalb der festgesetzten Frist dem Gerichte unter
Vorlegung der Vollmacht bekannt gegeben, so ist mit Ablauf der Frist das
Verfahren als aufgenommen anzusehen, und es treffen die mit der Anzeige säumige
Partei von da an alle Rechtsnachtheile, welche dieses Gesetz mit der
Nichtbestellung eines Advocaten in den Fällen des Anwaltsprocesses verbindet.
In Bezug auf die von der säumigen Partei
(389)
nach Ablauf der Frist überreichten Schriftsätze hat die Vorschrift des §. 37,
Absatz 2, sinngemäß zur Anwendung zu kommen.
Im
Verfahren vor Gerichtshöfen ist zur Erlassung des Auftrages zur Bestellung
eines neuen Advocaten der Vorsitzende des Senates berufen, welchem die
Rechtssache zugewiesen ist.
Einstellung
der Amtstätigkeit des Gerichtes.
§.
161. Hört infolge eines Krieges oder eines anderen Ereignisses die Tätigkeit
eines Gerichtes auf, so wird das Verfahren in allen bei diesem Gerichte
anhängigen Rechtssachen für die Dauer jenes Zustandes unterbrochen.
Nach
Wegfall des Hindernisses kann jede der beiden Parteien die Aufnahme des
Verfahrens erwirken.
Zufällige
Verhinderung einer Partei.
§.
162. Wenn sich eine Partei zu Kriegszeiten im Militärdienste befindet, oder
wenn sie sich an einem Orte aufhält, der durch obrigkeitliche Anordnung, durch
Krieg oder durch andere Ereignisse von dem Verkehre mit dem Gerichte
abgeschnitten ist, bei welchem die Rechtssache anhängig ist, und wenn zugleich
die Besorgnis besteht, dass diese Umstände die Processführung zu Ungunsten der
abwesenden Partei beeinflussen könnten, so kann selbst in dem Falle, dass die
abwesende Partei durch eine mit Processvollmacht ausgestattete Person vertreten
ist, auf Antrag oder von amtswegen die Unterbrechung des Verfahrens bis zur
Beseitigung des Hindernisses angeordnet werden.
Ein
darauf gerichteter Antrag ist bei dem Gerichte anzubringen, bei welchem die
Rechtssache anhängig ist; das Gericht kann jedoch vor der Entscheidung die zur
Aufklärung nothwendigen Erhebungen einleiten.
Die
Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens kann von jeder der Parteien erwirkt
werden.
Wirkung
der Unterbrechung.
§.
163. Die Unterbrechung des Verfahrens hat die Wirkung, dass während der Dauer
der Unterbrechung Ladungen zur Verhandlung der Streitsache nicht erfolgen
können, die etwa schon früher für die Zeit nach Eintritt der Unterbrechung
ergangenen Ladungen ihre Wirksamkeit verlieren und endlich der Lauf einer jeden
Frist zur Vornahme einer Processhandlung aufhört. Mit Aufnahme des Verfahrens
beginnt die volle Frist von neuem zu laufen.
Die
während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der anhängigen
Streitsache vorgenommenen Processhandlungen sind der anderen Partei gegenüber
ohne rechtliche Wirkung.
Durch
die nach dem Schlusse einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung
wird die Verkündung der auf Grund dieser Behauptung zu erlassenden Entscheidung
nicht gehindert.
Aufnahme
des unterbrochenen Verfahrens.
§.
164. Die Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens wird, soferne in den
vorstehenden Bestimmungen nichts anderes angeordnet ist, durch den Antrag auf
Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung oder zur Fortsetzung
der mündlichen Verhandlung, wenn aber die Unterbrechung während des Laufes
einer Frist zur Vornahme einer Processhandlung eintrat, durch den Antrag auf
neuerliche Bestimmung einer Frist für diese Processhandlung eingeleitet. Das
Erlöschen des Unterbrechungsgrundes ist glaubhaft zu machen. Diese Bestimmungen
gelten insbesondere auch, wenn wegen des Todes einer Partei im Sinne des §. 811
a. b. G. B. oder aus anderen Gründen für deren Verlassenschaft ein Curator
bestellt worden ist; Die Aufnahme kann nicht bloß vom Curator, sondern auch vom
Gegner der verstorbenen Partei beantragt werden.
§.
165. Der gemäß §. 164 behufs Erwirkung der Aufnahme des Verfahrens
erforderliche Antrag ist bei dem Gerichte zu stellen, bei welchen die
Rechtssache zur Zeit des Eintrittes des Unterbrechungsgrundes anhängig war.
Die
Entscheidung über die in §. 164 bezeichneten Anträge erfolgt ohne vorhergehende
mündliche Verhandlung; Es kann jedoch das Gericht vor dieser Entscheidung den
Gegner einvernehmen, wenn das Erlöschen des Unterbrechungsgrundes zweifelhaft
erscheint.
Bei
Anberaumung einer Tagsatzung zur Verhandlung über den Aufnahmeantrag (§. 155),
sowie in den Beschlüssen, durch welche einem gemäß §§. 158, 159, 160, 161, 162
und 164 gestellten Aufnahmeantrage stattgegeben oder das Verfahren von
amtswegen aufgenommen wird, sind den Parteien die im Falle der Versäumung
eintretenden Folgen anzukündigen.
§.
166. In den Fällen der §. 156, 157, und 158, Absatz 3, ist der Zeitpunkt, mit
welchem das Verfahren als aufgenommen zu gelten hat, in der über die
Verpflichtung zur Aufnahme des Verfahrens ergehenden Entscheidung anzugeben,
wenn nicht das Verfahren in
(390)
derHauptsache gleich bei der zur Verhandlung über den Aufnahmeantrag
anberaumten Tagsatzung aufgenommen wurde.
In
allen anderen Fällen ist dieser Zeitpunkt, sofern nicht die Vorschriften des §.
160 zur Anwendung kommen, in der Entscheidung über den Aufnahmeantrag oder in
dem Beschlusse, durch welchen das Verfahren von amtswegen aufgenommen wird, vom
Gerichte zu bestimmen.
§.
167. Die vorstehenden Bestimmungen haben sinngemäß zur Anwendung zu kommen, wenn
nach dem gegenwärtigen Gesetze aus anderen als den in diesem Titel bezeichneten
Gründen eine Unterbrechung des Verfahrens stattzufinden hat und hierüber nichts
Abweichendes angeordnet ist.
Ruhen
des Verfahrens.
§.
168. Die Parteien können vereinbaren, dass das Verfahren ruhen solle; eine
solche Vereinbarung ist erst von dem Zeitpunkte an wirksam, in welchem sie dem
Gerichte von beiden Parteien angezeigt wurde. Mit dem Ruhen des Verfahrens sind
die Rechtswirkungen einer Unterbrechung des Verfahrens mit der Ausnahme
verbunden, dass der Lauf von Nothfristen nicht aufhört. Das Ruhen des
Verfahrens hat außerdem zur Folge, dass das Verfahren vor Ablauf von drei
Monaten seit der Anzeige der getroffenen Vereinbarung nicht aufgenommen werden
kann.
§.
169. Das Ruhen des Verfahrens dauert so lange, bis von einer der Parteien die
Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung oder, wenn das
Verfahren während des Laufes einer Frist zur Vornahme einer Processhandlung
eingestellt wurde, die neuerliche Bestimmung einer Frist für diese
Processhandlung beantragt wird. Geschieht dies vor Ablauf der dreimonatlichen
Frist (§. 168) oder der zwischen den Parteien für das Ruhen des Verfahrens
vereinbarten Zeit, so hat das Gericht den bezüglichen Antrag von amtswegen oder
auf Begehren des Gegners ohne Verhandlung zurückzuziehen oder die Unwirksamkeit
der etwa erfolgten Anberaumung einer Tagsatzung oder Fristbestimmung
auszusprechen.
§.
170. Wenn bei einer zur mündlichen Verhandlung anberaumten Tagsatzung keine der
Parteien erscheint, hat dies, soweit nicht solches Ausbleiben nach den
Bestimmungen dieses Gesetzes ohne Einfluss auf den Fortgang des Processes ist,
das Ruhen des Verfahrens zur Folge.
Von
dem Einlangen einer Anzeige über ein vereinbartes Ruhen des Verfahrens, sowie
von dem Ausbleiben beider Theile von der Tagsatzung hat das Gericht nebst den
Processbevollmächtigten auch noch die Parteien selbst zu verständigen; den
Parteien sind dabei die gesetzlichen Folgen des Ruhens des Verfahrens bekannt
zu geben.
Dritter
Abschnitt.
Mündliche
Verhandlung.
Erster
Titel.
Öffentlichkeit.
§.
171. Die Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte, einschließlich der
Verkündung der richterlichen Entscheidung, erfolgt öffentlich.
Als
Zuhörer haben nur erwachsene unbewaffnete Personen Zutritt. Personen, welche
vermöge ihres öffentlichen Dienstes zum Tragen einer Waffe verpflichtet sind,
darf der Zutritt nicht verweigert werden.
§.
172. Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn durch sie die Sittlichkeit
oder die öffentliche Ordnung gefährdet erscheint, oder wenn die begründete
Besorgnis besteht, dass die Öffentlichkeit der Verhandlung oder der Erschwerung
der Sachverhaltsfeststellung missbraucht werden würde.
Überdies
kann das Gericht auf Antrag auch nur einer der Parteien die Öffentlichkeit
ausschließen, wenn zum Zwecke der Entscheidung des Rechtstreites Tatsachen des
Familienlebens erörtert und bewiesen werden müssen.
Der
Ausschluss der Öffentlichkeit kann für die ganze Verhandlung oder für einzelne
Theile derselben stattfinden; auf die Begründung des Urtheils darf er sich in
keinem Falle erstrecken. Insoweit die Öffentlichkeit einer Verhandlung
ausgeschlossen wird, ist die öffentliche Verlautbarung des Inhaltes der
Verhandlung untersagt.
§.
173. Die Verhandlung über einen Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit
erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung.
Der
Beschluss über die Ausschließung der Öffentlichkeit muss öffentlich verkündet
werden. Gegen denselben ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
(391)
§. 174. Wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, so kann jede Partei verlangen,
dass außer ihrem Bevollmächtigten drei Personen ihres Vertrauens die
Anwesenheit bei der Verhandlung gestattet werde.
Wirklich
angestellten Richtern, dann Konzeptsbeamten der Staatsanwaltschaft und des Justizministeriums,
sowie Advocaten bleibt trotz Ausschlusses der Öffentlichkeit der Zutritt
gestattet, sofern die Öffentlichkeit nicht aus dem im §. 172, Absatz 2,
angeführten Grunde ausgeschlossen wurde.
§. 175.
Das Erfordernis der Öffentlichkeit der Verhandlung gilt nicht für die nach den
Vorschriften dieses Gesetzes der Beschlussfassung über einen Antrag
vorausgehende Einvernehmung oder Anhörung einer oder beider Parteien.
Die
außerhalb einer Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte stattfindende
Einvernehmung von Parteien, Zeugen, Sachverständigen und anderen Personen
erfolgt gleichfalls mit Ausschließung der Öffentlichkeit.
Zweiter
Titel.
Vorträge
der Parteien und Processleitung.
Vorträge
der Parteien.
§. 176.
Vor dem erkennenden Gerichte verhandeln die Parteien über den Rechtsstreit
mündlich. In Rechtssachen, in welchen die Vertretung durch Advocaten geboten
ist, wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet. Außerdem
ist die Überreichung vorbereiteter Schriftsätze nur in den in diesem Gesetze
besonders bezeichneten Fällen nothwendig.
§.
177. Nach dem Aufrufe der Sache sind die Parteien mit ihren Anträgen, mit dem
zur Begründung derselben oder zur Bekämpfung der gegnerischen Anträge bestimmten
thatsächlichen Vorbringen, sowie mit ihren Beweisen und Beweisanbietungen und
mit den das Streitverhältnis betreffenden rechtlichen Ausführungen zu hören
(Vorträge der Parteien). Das Ablesen schriftlicher Aufsätze statt mündlichen
Vorbringens ist unzulässig.
Schriftstücke,
auf welche in den Vorträgen Bezug genommen wird, sind nur insoweit vorzulegen,
als diese Schriftstücke dem Gerichte oder dem Gegner noch nicht bekannt sind
oder als es auf den wörtlichen Inhalt ankommt.
§.
178. Jede Partei hat in ihren Vorträgen alle im einzelnen Falle zur Begründung
ihrer Anträge erforderlichen thatsächlichen Umstände der Wahrheit gemäß
vollständig und bestimmt anzugeben, die zur Feststellung ihrer Angaben nöthigen
Beweise anzubieten, sich über die von ihrem Gegner vorgebrachten thatsächlichen
Angaben und angebotenen Beweise mit Bestimmtheit zu erklären, die Ereignisse
der geführten Beweise darzulegen und sich auch über die bezüglichen
Ausführungen ihres Gegners mit Bestimmtheit auszusprechen.
§.
179. Die Parteien können bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung neue auf
den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche thatsächliche Behauptungen und
Beweismittel vorbringen. Solches Vorbringen kann jedoch vom Gerichte auf Antrag
oder von amtswegen als unstatthaft erklärt werden, wenn die neuen Angaben und
Beweise offenbar in der Absicht, den Process zu verschleppen, nicht früher
vorgebracht wurden und deren Zulassung die Erledigung des Processes erheblich
verzögern würde.
Dafern
hierbei auch dem Advocaten der Partei ein großes Verschulden zur Last fällt,
kann außerdem gegen denselben eine Ordnungsstrafe verhängt werden.
Processleitung.
1.
Durch den Vorsitzenden.
§.
180. Die mündliche Verhandlung wird bei Gerichtshöfen von dem Vorsitzenden des
Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, geleitet.
Der
Vorsitzende eröffnet, leitet und schließt die Verhandlung, er ertheilt das Wort
und kann es demjenigen entziehen, der seinen Anordnungen nicht Folge leistet,
er vernimmt die Personen, welche zum Zwecke der Beweisführung auszusagen haben,
und verkündet die Entscheidungen des Senates.
Der
Vorsitzende hat dafür Sorge zu tragen, dass die Sache erschöpfende Erörterung
finde, die Verhandlung aber auch nicht durch Weitläufigkeit und unerhebliche
Nebenverhandlungen ausgedehnt und, soweit thunlich, ohne Unterbrechung zu Ende
geführt werde.
§.
181. Wenn die Fortsetzung einer bereits begonnenen Verhandlung auf eine spätere
Tagsatzung verlegt werden muss, hat der Vorsitzende nicht nur, sofern dies
möglich ist, die neue Tagsatzung sofort zu bestimmen, sondern zugleich von
amtswegen alle Verfügungen zu treffen, welche erforderlich sind, um die
(392)
Streitsache bei der nächsten Tagsatzung erledigen zu können. Vor Erlassung
solcher Verfügungen kann der Vorsitzende, wenn es ihm nöthig erscheint, eine
Beschlussfassung des Senates einholen.
Es
kann insbesondere den Parteien aufgetragen werden, binnen einer ihnen
gleichzeitig zu bestimmenden Frist die als Beweismittel zu benützenden Urkunden
zur Einsicht für den Gegner bei Gerichte zu erlegen, und Namen und Wohnort
einzuvernehmender Zeugen bekanntzugeben. Wenn die Partei einem solchen Antrage
in der Absicht, den Process zu verschleppen, nicht nachkommt und die
geforderten Beweismittel erst bei der fortgesetzten mündlichen Verhandlung
vorbringt, so kann dieses Vorbringen vom Senate auf Antrag oder von amtswegen
als unstatthaft erklärt werden, falls durch dasselbe die Fortführung der
Verhandlung verzögert würde.
§.
182. Der Vorsitzende hat bei der mündlichen Verhandlung durch Fragestellung
oder in anderer Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung
erheblichen thatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die
zur Begründung oder Bekämpfung des Anspruches geltend gemachten Umstände
vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die
angebotenen Beweise ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden,
welche zur wahrheitsgemäßem Feststellung des Thatbestandes der von den Parteien
behaupteten Rechte und Ansprüche nothwendig erscheinen.
Wenn
eine Partei in ihrem Vortrage von dem Inhalte eines von ihr überreichten
vorbereitenden Schriftsatzes abweicht oder wenn die Vorträge der Parteien mit
sonstigen von amtswegen zu berücksichtigenden Processacten nicht im Einklange
stehen, hat der Vorsitzende darauf aufmerksam zu machen. Ebenso hat er die
Bedenken hervorzuheben, welche in Ansehung der von amtswegen zu
berücksichtigenden Punkte obwalten.
Außer
dem Vorsitzenden können auch die anderen Mitglieder des Senates an die Parteien
die zur Ermittlung des Streitverhältnisses und zur Feststellung des
Thatbestandes geeigneten Fragen richten.
§.
183. Behufs Erfüllung der dem Vorsitzenden nach §. 182 obliegenden
Verpflichtungen kann der Vorsitzende insbesondere:
1.
die Parteien zum persönlichen Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung
auffordern;
2.
verfügen, dass die Parteien in ihren Händen befindliche Urkunden, auf welche
sich die eine oder die andere berufen hat, Acten, Auskunftssachen oder
Augenscheinsgegenstände, ferner Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige
Zeichnungen und Zusammenstellungen vorlegen und eine bestimmte Zeit bei Gericht
belassen;
3.
die Herbeischaffung der bei einer öffentlichen Behörde oder bei einem Notar
verwahrten Urkunden, auf welche sich eine der Parteien bezogen hat, der
Auskunftssachen und Augenscheinsgegenstände veranlassen;
4.
die Vornahme eines Augenscheins unter Zuziehung der Parteien und die
Begutachtung durch Sachverständige anordnen, sowie Personen als Zeugen laden,
von welchen nach der Klage oder dem Gange der Verhandlung Aufklärung über erhebliche
Thatsachen zu erwarten ist.
Diese
Verfügungen können jedoch vom Vorsitzenden in Ansehung von Urkunden und Zeugen
nicht getroffen werden, wenn sich beide Parteien dagegen erklären.
Solche
Erhebungen können selbst vor Beginn der mündlichen Verhandlung angeordnet
werden, wenn zu besorgen ist, dass sich andernfalls für die Entscheidung
wichtige Umstände nicht mehr feststellen ließen, oder ein Beweismittel später
nicht mehr oder doch nur unter erheblich schwereren Bedingungen benützt werden
könnte.
§. 184.
Jede Partei kann zur Aufklärung des Sachverhaltes über alle den Gegenstand des
Rechtsstreites oder der mündlichen Verhandlung betreffenden, für die
Processhandlung erheblichen Umstände und insbesondere auch über das
Vorhandensein und die Beschaffenheit der zur Processführung dienlichen
Urkunden, Auskunftssachen und Augenscheinsgegenstände an die anwesende
Gegenpartei oder deren Vertreter Fragen durch den Vorsitzenden stellen lassen
oder mit dessen Zustimmung unmittelbar selbst stellen.
Wird
eine Frage vom Vorsitzenden als unangemessen zurückgewiesen oder die
Zulässigkeit einer Frage vom Gegner bestritten, so kann die Partei darüber die
Entscheidung des Senates begehren.
§.
185. Ist eine ohne Bevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung erschienene
Partei einer verständlichen Äußerung über den Gegenstand des Rechtsstreites
oder der mündlichen Verhandlung nicht fähig, so ist die Tagsatzung vom
Vorsitzenden auf thunlichst kurze Zeit zu erstrecken und die betreffende Partei
anzuweisen, bei der neuerlichen Tagsatzung unter Vertretung eines geeigneten
Bevollmächtigten, erforderlichenfalls eines Advocaten zu erscheinen, widrigens
sie als ausgeblieben angesehen werden würde. Eine wiederholte Erstreckung der
Tagsatzung kann aus diesem Grunde nicht stattfinden.
(393)
Die vorstehenden Bestimmungen haben auch dann sinngemäße Anwendung zu finden,
wenn der Bevollmächtigte einer Partei einer verständlichen Äußerung über den
Gegenstand des Rechtsstreites oder der mündlichen Verhandlung unfähig ist und
entweder die Partei selbst nicht anwesend ist oder die Verhandlung mit ihr mit
Rücksicht auf die Bestimmungen des §. 27, Absatz 1, nicht durchgeführt werden
kann. Wenn ein solches Hindernis in Bezug auf den gesetzlichen Vertreter einer
Partei eintritt, hat der Vorsitzende zugleich wegen Bestellung eines geeigneten
Bevollmächtigten die erforderlichen Aufträge zu ertheilen.
§.
186. Wird eine auf die Processleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden
oder eine vom Vorsitzenden oder einem Mitgliede des Senates gestellte Frage von
einer der an der Verhandlung betheiligten Personen als unzulässig bestritten,
so entscheidet über solchen Widerspruch der Senat.
Gegen
die Entscheidung des Senates ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Gleiches gilt von den gemäß §. 179, Absatz 1, 181, Absatz 2, und 184, Absatz 2,
ergehenden Entscheidungen des Senates.
2.
Durch den Senat.
§.
187. Sind bei einem Gerichte mehrere Rechtsstreite anhängig, die zwischen den
nämlichen Personen geführt werden oder in welchen die nämliche Person verschiedenen
Klägern oder verschiedenen Beklagten als Processgegner gegenübersteht, so
können diese Processe, wenn dadurch voraussichtlich deren Erledigung
vereinfacht oder beschleunigt oder der Aufwand für die Kosten der
Processführung vermindert werden wird, durch Beschluss des Senates zur
gemeinsamen Verhandlung verbunden werden.
Mit
einem gemeinschaftlichen Urtheile können jedoch nur Rechtsstreite zwischen
denselben Parteien entschieden werden.
§.
188. Der Senat kann anordnen, dass über mehrere in derselben Klage erhobene
Ansprüche getrennt verhandelt werde. Ebenso kann eine getrennte Verhandlung
über die vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen angeordnet werden.
§.
189. Ergeben sich bei der Begründung oder bei der Bekämpfung eines und
desselben Anspruches mehrere selbstständige Streitpunkte, oder werden in
Ansetzung desselben Anspruches mehrere selbständige Angriffs- oder
Vertheidigungsmittel geltend gemacht, so kann der Senat anordnen, dass die
Verhandlung zunächst auf einen oder einige dieser Streitpunkte beschränkt
werde.
Insbesondere
kann, wenn die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichtes, der
Streitanhängigkeit oder der rechtskräftig entschiedenen Streitsache erhoben
wird, vom Senate verfügt werden, dass zunächst über die diese Einreden abgesondert
verhandelt werde.
§.
190. Wenn die Entscheidung eines Rechtsstreites ganz oder zum Theile von dem
Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches
Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites ist, oder welches in einem
anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist, so kann der Senat anordnen,
dass das Verfahren auf so lange Zeit unterbrochen werde, bis in Ansehung dieses
Rechtsverhältnisses eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.
Eine
solche Unterbrechung kann der Senat auf Antrag auch im Falle des Streites über
die Zulässigkeit einer Nebenintervention, sowie dann anordnen, wenn beide
Parteien wegen des von einem Dritten auf den Gegenstand des Rechtsstreites
erhobenen Anspruches gemeinschaftlich beklagt werden (§. 16).
Nach
rechtskräftiger Erledigung des bezüglichen Processes oder Verwaltungsverfahrens
ist das Verfahren in der Hauptsache auf Antrag oder von amtswegen aufzunehmen.
§.
191. Ergibt sich im Laufe eines Rechtsstreites der Verdacht einer strafbaren
Handlung, deren Ermittlung und Aburtheilung für die Entscheidung des
Rechtsstreites voraussichtlich von maßgebendem Einfluss ist, so kann der Senat
anordnen, dass der Rechtsstreit bis zur Erledigung des Strafverfahrens
unterbrochen werde.
Eine
solche Unterbrechung kann insbesondere stattfinden, wenn sich Verdachtsgründe
dafür ergeben, dass eine für die Processentscheidung wichtige Urkunde
fälschlich angefertigt oder verfälscht ist. Oder dass sich eine über
wesentliche Umstände einvernommene Partei oder ein Zeuge oder Sachverständiger,
dessen Aussage der Senat sonst bei der Entscheidung voraussichtlich
berücksichtigen würde, einer falschen Aussage schuldig gemacht hat.
Nach
rechtskräftiger Erledigung des Strafverfahrens ist das unterbrochene Verfahren
in der Hauptsache auf Antrag oder von amtswegen aufzunehmen.
(394)
§. 192. Der Senat kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder
Unterbrechung der Verhandlung oder des Verfahrens betreffenden Anordnungen auf
Antrag oder von amtswegen wieder aufheben. Die Aufhebung kann nicht mehr
verfügt werden, wenn der Senat durch ein von ihm gefälltes Urtheil gebunden
ist, oder wenn die Anordnung zum Gegenstande der Entscheidung einer höheren
Instanz geworden ist.
Die
nach §§. 187 bis 191 erlassenen Anordnungen können, soweit sie nicht eine
Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten
werden.
Schluss
der Verhandlung.
§.
193. Der Vorsitzende hat die Verhandlung für geschlossen zu erklären, wenn der
Senat die Streitsache oder den abgesondert zu erledigenden Antrag, über welchen
die Verhandlung stattfindet, als vollständig erörtert und auf Grund der
aufgenommenen Beweise zur Entscheidung reif erachtet.
Die
Verhandlung ist bis zur Verkündung ihres Schlusses als ein Ganzes anzusehen.
Die
Verhandlung kann auch vor Aufnahme aller zugelassenen Beweise für geschlossen
erklärt werden, wenn nur mehr die durch einen ersuchten Richter zu bewirkende
Aufnahme einzelner Beweise aussteht und entweder beide Parteien auf die
Verhandlung über das Ergebnis dieser Beweisaufnahme verzichten, oder der Senat
eine solche Verhandlung für entbehrlich hält. In diesem Falle ist nach
Einlangen der Beweisaufnahme-Acten ohne neuerliche Anordnung einer mündlichen
Verhandlung die Entscheidung vom Gerichte zu fällen.
§.
194. Der Senat kann die Wiedereröffnung einer bereits geschlossenen Verhandlung
anordnen, wenn sich zum Zwecke der Entscheidung eine Aufklärung oder Ergänzung
des Vorgebrachten oder die Erörterung über den Beweis einer Tatsache als
nothwendig zeigt, welche der Senat erst nach Schluss der Verhandlung als
beweisbedürftig erkannt hat, ferner wenn der Senat im Falle des §. 193, Absatz
3, nach Einlangen der Beweisaufnahmeacten mit Rücksicht auf die Ergebnisse der
Beweisaufnahme oder auf die von den Parteien bei der Beweisaufnahme abgegebenen
Erklärungen eine weitere Verhandlung für nothwendig hält.
§.
195. Die in den §§. 180 bis 194 dem Vorsitzenden des Senates und dem Senate
beigelegten Befugnisse kommen im Verfahren vor Bezirksgerichten dem
Einzelrichter zu, vor welchem die mündliche Verhandlung stattfindet.
Rüge
von Mängeln.
§.
196. Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer
Processhandlung regelnden Vorschrift kann von der deshalb zur Beschwerdeführung
berechtigten Partei nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sich letztere in
die weitere Verhandlung der Sache eingelassen hat, ohne diese Verletzung zu
rügen, obwohl dieselbe ihr bekannt war oder bekannt sein musste.
Diese
Bestimmung findet keine Anwendung, wenn eine Vorschrift verletzt wurde, auf
deren Befolgung eine Partei nicht wirksam verzichten kann.
Erfolgt
die Rüge während einer mündlichen Verhandlung und wird derselben nicht gleich
bei der Verhandlung durch Behebung der behaupteten Verletzung entsprochen, so ist
sie im Protokolle zu bemerken.
Dritter
Titel.
Sitzungspolizei.
§.
197. Bei Verhandlungen vor Gerichtshöfen hat der Vorsitzende des Senates für
die Aufrechthaltung der Ordnung bei der mündlichen Verhandlung zu sorgen. Er
ist berechtigt, Personen, welche durch unangemessenes Betragen die Verhandlung
stören, zur Ordnung zu ermahnen und sie zur Aufrechthaltung der Ordnung
nöthigen Verfügungen zu treffen.
§.
198. Äußerungen des Beifalles und der Missbilligung sind untersagt.
Wer
sich trotz Ermahnung einer Störung der Verhandlung schuldig macht, kann von der
Verhandlung entfernt werden. Die Entfernung einer an der Verhandlung
betheiligten Person kann erst nach vorausgegangener Androhung und Erinnerung an
die Rechtsfolgen einer solchen Maßregel angeordnet werden.
Die
Partei muss insbesondere auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht werden, dass
infolge ihrer Entfernung gegen sie ein Versäumungsurtheil erlassen oder das
Urtheil in Gemäßheit des §. 399 gefällt werden kann.
Wenn
eine an der Verhandlung betheiligte Person entfernt wurde, kann auf Antrag
gegen sie in gleicher Weise verfahren werden, als wenn sie sich freiwillig
entfernt hätte.
(395)
§. 199. Demjenigen, der sich bei der Verhandlung einer gröberen Ungebür,
insbesondere einer Beleidigung der Mitglieder des Gerichtes, einer Partei,
eines Vertreters, Zeugen oder Sachverständigen schuldig macht, kann,
vorbehaltlich der strafgerichtlichen oder disciplinaren Verfolgung, eine
Ordnungsstrafe bis zu fünfzig Gulden durch Beschluss des Senates auferlegt
werden.
Gegen
denjenigen, welcher sich den zur Erhaltung der Ordnung und Ruhe getroffenen
Anordnungen des Vorsitzenden oder des Senates widersetzt, kann Haft bis zu drei
Tagen verhängt werden.
§.
200. Macht sich ein Processbevollmächtigter einer Störung der Verhandlung (§.
198) oder einer Ungebür oder Beleidigung (§. 199) schuldig, so kann er vom
Senate mit einem Verweise oder einer Geldstrafe bis zum Betrage von einhundert
Gulden belegt werden.
Setzt
der Bevollmächtigte sein ungehöriges Benehmen fort, oder widersetzt er sich den
zur Erhaltung der Ordnung und Ruhe getroffenen Anordnungen des Vorsitzenden
oder des Senates, so kann ihm durch Beschluss des Senates das Wort entzogen
und, wenn nöthig, die Partei aufgefordert werden, einen anderen
Bevollmächtigten zu bestellen; kann dies nicht sogleich geschehen, so ist die
Tagsatzung von amtswegen zu erstrecken. Die Kosten der vereitelten Tagsatzung
und der Erstreckung treffen den schuldtragenden Bevollmächtigten.
Bei
erschwerenden Umständen kann der Senat, wenn der Bevollmächtigte Advocat oder
Advocaturscandidat ist, überdies die Angelegenheit an die zuständige
Disciplinarbehörde desselben leiten.
§.
201. Die nach den vorstehenden Bestimmungen gefassten Beschlüsse sind sofort
vollstreckbar.
Im
Verfahren vor Gerichtshöfen kann die Entfernung einer an der Verhandlung
betheiligten Person nur durch Beschluss des Senates verhängt werden.
§.
202. Macht sich eine in Strafsachen der Militärgerichtsbarkeit unterstehende
Militärperson einer nach §. 199 zu betrafenden Handlung schuldig, so hat sich
der Vorsitzende wegen Bestrafung dieser Person an die nächste Militärbehörde zu
wenden.
§.
203. Die in diesem Titel dem Vorsitzenden des Senates und dem Senate
beigelegten Befugnisse stehen auch dem Einzelrichter, vor welchem die mündliche
Verhandlung stattfindet, und dem ersuchten oder beauftragten Richter bei den
vor ihnen stattfindenden Verhandlungen und Beweisaufnahmen, sowie bei Vornahme
von Amtshandlungen außerhalb einer mündlichen Verhandlung zu.
Vierter
Titel.
Vergleich.
§.
204. Das Gericht kann bei der mündlichen Verhandlung in jeder Lage der Sache
auf Antrag oder von amtswegen eine gütliche Beilegung des Rechtsstreites oder
die Herbeiführung eines Vergleiches über einzelne Streitpunkte versuchen. Kommt
ein Vergleich zustande, so ist dessen Inhalt auf Antrag ins
Verhandlungsprotokoll einzutragen.
Zum
Zwecke des Vergleichsversuches oder der Aufnahme des Vergleiches können die
Parteien, sofern sie zustimmen, vor einen beauftragten oder ersuchten Richter
verwiesen werden. Inwiefern wegen Vergleichsvorschlägen oder anhängiger
Vergleichsverhandlungen die Aufnahme oder Fortführung der Verhandlung
aufgeschoben werden könne, ist nach den Bestimmungen der §§. 128 und 134 zu
beurtheilen.
§.
205. In einem gerichtlichen Vergleiche kann die Anerkennung eines
Rechtsverhältnisses oder die Übernahme der Verbindlichkeit zu einer Leistung,
Duldung oder Unterlassung von der Ablegung eines vereinbarten Eides abhängig
gemacht werden. Der Eid darf nur streitige Thatsachen zum Gegenstande haben.
Im
Vergleiche muss die Tagsatzung, bei welcher der Eid abzulegen ist, oder doch
die Frist bestimmt werden, innerhalb welcher die eidespflichtige Partei um
Bestimmung dieser Tagsatzung einzuschreiten hat. Die Ablegung des Eides erfolgt
vor dem richterlichen Beamten, welcher vom Vorsteher des im Vergleiche
genannten Gerichtes mit der Abnahme des Eides beauftragt wird.
§.
206. Den Parteien sind auf ihr Verlangen und auf ihre Kosten Ausfertigungen des
Vergleichsprotokolles oder des den Vergleich enthaltenden Verhandlungsprotokolles
zu ertheilen. Ebenso ist, wenn ein durch Vergleich vereinbarter Eid abgelegt
wurde, der darum ansuchenden Partei eine Abschrift des über die Eidesablegung
aufgenommenen Protokolles zu ertheilen.
(396)
Fünfter Titel.
Protokolle.
Verhandlungsprotokolle.
§.
207. Über jede mündliche Verhandlung vor Gericht ist ein Protokoll
(Verhandlungsprotokoll) aufzunehmen. Dasselbe hat außer den durch das Gesetz im
einzelnen angeordneten Aufzeichnungen und Angaben zu enthalten:
1.
die Benennung des Gerichtes, die Namen der Richter, des Schriftführers, und
wenn ein Dolmetsch zugezogen wird, dessen Namen; die Angabe von Zeit und Ort
der Verhandlung, und bei einer Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte die
Angabe, ob die Verhandlung öffentlich gepflogen wurde oder die Öffentlichkeit
ausgeschlossen war;
2.
die Namen der Parteien und ihrer Vertreter, sowie die kurze Bezeichnung des
Streitgegenstandes;
3.
die Benennung der Personen, welche als Parteien oder als deren Vertreter oder Bevollmächtigte
zur Verhandlung erschienen sind.
§.
208. Durch die Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll sind festzustellen:
1.
die Parteierklärungen, welche eine Einschränkung oder Abänderung des
Klagebegehrens, eine ausdrückliche Anerkennung einer Schuld oder eines Theiles
derselben oder Verzichtleistungen auf den geltend gemachten Anspruch oder einen
Theil desselben oder auf Rechtsmittel enthalten, sowie Erklärungen über die
beantragte eidliche Vernehmung einer Partei;
2.
die während der Verhandlung von den Parteien gestellten Anträge, welchen vom
Gerichte nicht stattgegeben wurde oder die bis zum Schlusse der Tagsatzung von
den Parteien nicht zurückgezogen worden sind, insoweit dieselben die Hauptsache
betreffen, oder für den Gang oder die Entscheidung des Processes von
Erheblichkeit sind;
3.
die bei der Verhandlung gefällten und verkündeten gerichtlichen Entscheidungen,
sowie jene Anordnungen und Verfügungen des Vorsitzenden, wider welche ein
Rechtsmittel zulässig ist.
Die
unter Z. 1 und 2 erwähnten Erklärungen und Anträge können auch in besonderen
Schriftstücken dem Protokolle als Anlagen beigefügt werden. In diesem Falle hat
deren Feststellung durch das Verhandlungsprotokoll zu unterbleiben.
Gleiches
gilt hinsichtlich der verkündeten gerichtlichen Entscheidungen, wenn dieselben
gleichzeitig mit der Verkündung in schriftlicher Fassung dem Protokolle
beigelegt werden.
§.
209. In jedes Protokoll über eine mündliche Verhandlung ist neben den Angaben,
welche den Gang der Verhandlung im allgemeinen erkennen lassen, der Inhalt des
auf den Sachverhalt sich beziehenden beiderseitigen Vorbringens in gedrängt
zusammenfassender Darstellung aufzunehmen.
Ferner
sind in dem Protokolle die von den Parteien für streitig gebliebene Anführungen
angebotenen Beweismittel zu bezeichnen.
Das
Gericht kann auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass einzelne Theile des
thatsächlichen Vorbringens oder der Beweisanbietungen ausführlicher in das
Protokoll aufgenommen werden.
Kann
eine Verhandlung nicht an einem Tage zu Ende geführt werden, so ist bei jeder
einzelnen Tagsatzung das während derselben Vorgebrachte besonders zu
protokolliren.
§.
210. Bei Angabe des Inhaltes des thatsächlichen Vorbringens und der
Beweisanbietungen ist nach Thunlichkeit auf die vorbereitenden Schriftsätze,
auf die Acten eines vorbereitenden Verfahrens, sowie auf die Darstellung des
Sachverhaltes in einer Ausfertigung des Beweisbeschlusses Bezug zu nehmen;
soweit vorbereitende Schriftsätze oder Acten eines vorbereitenden Verfahrens
vorliegen, genügt es, wenn alle erheblichen Abweichungen des mündlichen
Vorbringens protokolliert werden.
Eine
Protokollirung der einzelnen Parteivorträge ist unstatthaft. Entwürfe zu
Verhandlungsprotokollen dürfen nicht angenommen werden.
Die
Weigerung der Parteien, am Protokollirungsacte theilzunehmen, hindert die
Vornahme der Beurkundung nicht.
§.
211. Die im §. 209 vorgeschriebene Protokollirung kann auch in der Art
geschehen, dass der Vorsitzende oder der die Verhandlung leitende Einzelrichter
unverzüglich nach Beendigung der Parteiverhandlung in Gegenwart der Parteien
(§. 210, Absatz 3) den aus ihrem Vorbringen sich ergebenden Sachverhalt in
übersichtlicher Zusammenfassung darlegt und diese Darstellung, soweit thunlich,
unter Bezugnahme auf den Inhalt der Processacten zu Protokoll gebracht wird.
Wenn
der Umfang des Verhandlungsstoffes oder andere Umstände eine frühere
Beurkundung nothwendig oder zweckmäßig erscheinen lassen, so kann eine
derartige Protokollirung auch schon während der mündlichen Verhandlung in der
Weise stattfinden, dass der Inhalt einzelner Abschnitte der Verhandlung (§§.
188, 189) zusammengefasst und zu Protokoll gebracht wird.
(397)
§. 212. Das aufgenommene Protokoll ist den Parteien zur Durchsicht vorzulegen
oder vorzulesen und von ihnen zu unterschreiben. Den Parteien ist gestattet,
nach der Einsichtnahme oder Verlesung des Protokolles auf jene Punkte
aufmerksam zu machen, in welchen die im Protokolle enthaltene Darlegung des
Verhandlungsinhaltes dem thatsächlich Verlaufe der Verhandlung nicht
entspricht. Eine dem Gerichte nothwendig scheinende Richtigstellung des
Protokollsinhaltes hat durch einen Anhang zum Protokolle zu geschehen. Bleiben
dagegen die Erklärungen der Parteien unberücksichtigt, so kann gegen die
bezüglichen Angaben des Verhandlungsprotokolles Widerspruch eingelegt werden.
Wenn
aus diesem oder aus einem anderen Grunde von einer Partei gegen einzelne
Angaben des Protokolles Widerspruch erhoben wird, ist in einem Anhange zum
Protokolle zu bemerken, dass und welche Einwendungen gegen die Protokollirung
erhoben wurden.
Bei
Vertretung durch einen Advocaten kann vom Gerichte angeordnet werden, dass der
Widerspruch durch das Überreichen einer kurzen, dem Protokolle als Anlage
beizufügenden Niederschrift festgestellt werde.
§.
213. Kann eine Partei gar nicht oder nur mittels eines Handzeichens
unterfertigen, so ist deren Name dem Protokolle durch den Schriftführer
beizusetzen.
Entfernt
sich eine Partei vor Vornahme der Protokollirung oder wird die Unterfertigung
des Protokolles von ihr angelehnt, so sind diese Vorgänge sowie die von der
Partei dafür geltend gemachten Gründe in einem Anhange zum Protokolle
anzugeben.
Dem
Protokolle hat der Vorsitzende oder der die Verhandlung leitende Einzelrichter,
der Schriftführer und ein der Verhandlung etwa beigezogener Dolmetsch seine
Unterschrift beizusetzen. Bei Verhinderung des Vorsitzenden unterschreibt an
dessen Statt das älteste Mitglied des Senates.
§.
214. Gegen die die Protokollirung betreffenden Beschlüsse und Verfügungen der
die Verhandlung leitenden Einzelrichter ist ein abgesondertes Rechtsmittel
nicht zulässig.
Wird
im Verfahren vor Gerichtshöfen gegen die bezüglichen Beschlüsse und Verfügungen
des Vorsitzenden Einsprache erhoben, so hat darüber der Senat zu entscheiden.
Gegen dessen Entscheidung findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt.
§.
215. Soweit nicht ein ausdrücklicher Widerspruch einer Partei vorliegt, liefert
das in Gemäßheit der vorstehenden Vorschriften errichtete Protokoll über den
Verlauf und Inhalt der Verhandlung vollen Beweis.
Die
Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten
kann nur durch das Protokoll bewiesen werden.
Die
Beweiskraft der protokollarischen Beurkundung wird durch einen Wechsel in der
Person der Richter nicht berührt.
Außerhalb
einer Verhandlung aufgenommene Protokolle.
§.
216. Die Protokolle, welche außerhalb einer mündlichen Verhandlung aufgenommen
werden, haben nebst den im §. 207 erwähnten Angaben und den gemäß §. 208 etwa vorzunehmenden
Feststellungen eine kurze Darstellung der Amtshandlung und eine gedrängte
Angabe des Inhaltes des thatsächlichen Vorbringens der streitenden Theile oder
dritter zugezogener Personen zu enthalten.
Die
Bestimmungen der §§. 209 bis 215 haben auch für diese Protokolle Geltung.
Protokollsinhalt.
§.
217. Der Inhalt des Verhandlungsprotokolles und seiner Beilagen, dann der im
Laufe eines Rechtsstreites durch einen beauftragten oder ersuchten Richter
aufgenommenen und dem erkennenden Gerichte vorliegenden Protokolle und ihrer
Beilagen ist von amtswegen zu beachten.
Wenn
die Parteien bei der durch einen beauftragten oder ersuchten Richter
vorgenommenen Amtshandlung nicht anwesend waren, ist ihnen, sofern nicht die
Bestimmungen des §. 193, Absatz 3, zur Anwendung kommen, vor der Entscheidung
Gelegenheit zu geben, sich in mündlicher Verhandlung über die Ergebnisse der
bezüglichen Amtshandlung und die Angaben der eingesendeten Acten zu äußern.
Sechster
Titel.
Acten.
§.
218. Jede Partei kann zur Begründung ihrer Anträge auch auf die ihr auf
Veranlassung des Gegners zugestellten Schriftstücke Bezug nehmen. Sie kann,
wenn diese Schriftstücke in Verlust geraten sind, und sich auch kein Exemplar
derselben bei Gericht befindet, verlangen, dass ihr der Gegner gestatte, auf
ihre Kosten von den in seinen Händen befindlichen bezüglichen Schriftstücken
Abschriften zu nehmen.
(398)
§. 219. Die Parteien können von sämmtlichen ihre Rechtssache betreffenden, bei
Gericht befindlichen Acten (Processacten), mit Ausnahme der Entwürfe zu
Urtheilen und Beschlüssen, der Protokolle über Berathungen und Abstimmungen des
Gerichtes und solcher Schriftstücke, welche Disciplinarverfügungen enthalten,
Einsicht nehmen und sich davon auf ihre Kosten Abschriften und Auszüge
ertheilen lassen. Zum Zwecke der Vorbereitung ihrer Vorträge ist ihnen
insbesondere auch in die Protokolle und Acten eines vorbereitenden Verfahrens
Einsicht zu gewähren.
Mit
Zustimmung beider Parteien können auch dritte Personen von den Processacten
Einsicht nehmen und Abschriften erheben. Fehlt eine solche Zustimmung, so kann
einem Dritten, insoweit er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, eine
solche Einsicht- und Abschriftnahme vom Vorsteher des Gerichtes gestattet
werden.
Die
von einer Partei dem Gerichte übergebenen Schriftstücke sind dieser Partei auf
ihr Begehren wieder auszufolgen, wenn der Zweck der Aufbewahrung entfallen ist.
Siebenter
Titel.
Strafen.
§.
220. Eine Ordnungsstrafe darf den Betrag von fünfzig Gulden, oder wenn dieselbe
gegen einen Advocaten verhängt wird, den Betrag von hundert Gulden, eine
Muthwillensstrafe den Betrag von dreihundert Gulden nicht übersteigen.
Die
nach den Bestimmungen dieses Gesetzes gegen eine Person verhängten Geldstrafen
fließen dem Armenfonde des Ortes zu, in welchem diese Person ihren Wohnsitz
hat; wenn aber ein solcher Wohnsitz im Geltungsgebiete dieses Gesetzes nicht
begründet oder nicht bekannt ist, dem Armenfonde des Ortes, in welchem das
Gericht seinen Sitz hat, das die Strafe verhängte.
Im
Falle der Zahlungsunfähigkeit ist die Geldstrafe in Haft umzuwandeln. Die Dauer
der Haft hat das Gericht zu bestimmen; die Haft darf jedoch zehn Tage nicht
überschreiten.
Strafverfügungen
sind von amtswegen zu vollziehen.
Achter
Titel.
Sonntagsruhe
und Gerichtsferien.
§.
221. An Sonntagen, sowie am Weihnachtstage dürfen Tagsatzungen nicht abgehalten
werden. Die Anberaumung einer Tagsatzung auf einen anderen Feiertag ist nur bei
Gefahr im Verzuge zulässig.
Welche
Tage im Sinne dieses Gesetzes als Feiertage zu gelten haben, wird durch Verordnung
bestimmt.
§.
222. Die Gerichtsferien dauern sechs Wochen. Der Beginn derselben wird für die
einzelnen Königreiche und Länder im Verordnungswege festgesetzt.
§.
223. Während der Gerichtsferien werden nur in Ferialsachen Tagsatzungen
abgehalten und Entscheidungen erlassen.
Auf
das Mahnverfahren, sowie auf das Executionsverfahren mit Einschluss der
Verhandlung über die Meistbotvertheilung haben die Gerichtsferien keinen
Einfluss.
§.
224. Ferialsachen sind:
1.
Wechselstreitigkeiten;
2.
Processe, in welchen über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten
wird;
3.
Streitigkeiten wegen Störung des Besitzstandes bei Sachen und bei Rechten, wenn
das Klagebegehren nur auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten
Besitzstandes gerichtet ist;
4.
Streitigkeiten über Aufkündigung, Übergabe und Übernahme gepachteter oder
gemieteter Sachen, Wohnungen oder anderer Räume und solcher Sachen, die gegen
einen Zins in Früchten (§. 1103 a.b.G.B.) zum Gebrauche überlassen wurden;
5. Streitigkeiten
aus dem Dienst- und Lohnvertrage zwischen Dienstgebern und Dienstboten oder
anderen im Dienstvertrage stehenden Personen, zwischen Land- und Forstwirten
und ihren land- und forstwirtschaftlichen Hilfsarbeitern und Taglöhnern,
zwischen Bergwerksbesitzern und allen sonstigen Arbeitgebern und den von ihnen
beschäftigten Werkführern, Gehilfen, Arbeitern oder Lehrlingen, sowie
Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnisse der Schiffsmannschaft;
6.
Streitigkeiten zwischen Wirten, Schiffern, Flößern oder Fuhrleuten einerseits
und ihren Gästen, Reisenden oder Auftraggebern andererseits über die aus diesen
ihren gegenseitigen Verhältnissen entspringenden Verpflichtungen;
7.
alle sonstigen Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren
Gegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von fünfzig Gulden nicht
übersteigt;
(399)
8. Anträge auf Bewilligung, Einschränkung oder Aufhebung von einstweiligen
Verfügungen.
Der
Vorsteher des Gerichtes oder der Vorsitzende des Senates, dem eine Rechtssache
zugewiesen ist, kann überdies auch andere Sachen, soweit sie einer schleunigen
Erledigung bedürfen, von Fall zu Fall als Ferialsache erklären. Eine solche
Verfügung kann durch Rechtsmittel nicht angefochten werden.
§.
225. Die Gerichtsferien hemmen den Lauf einer Frist; der noch übrige Theil der
Frist beginnt mit dem Ende der Gerichtsferien zu laufen.
Fällt
der Umfang einer Frist in die Gerichtsferien, so beginnt der Lauf der Frist mit
dem Ende der Gerichtsferien. Auf Anfang und Ablauf von Nothfristen und von Fristen
in Ferialsachen hat der Eintritt der Gerichtsferien keinen Einfluss.
Zweiter
Theil.
Verfahren
vor den Gerichtshöfen erster Instanz.
Erster
Abschnitt.
Verfahren
bis zum Urtheile.
Erster
Titel.
Klage,
Klagebeantwortung, vorbereitendes Verfahren und Streitverhandlung.
Klage.
§.
226. Die mittels vorbereitenden Schriftsatzes anzubringende Klage hat ein
bestimmtes Begehren zu enthalten, die Thatsachen, auf welche sich der Anspruch
des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet, im einzelnen kurz und vollständig
anzugeben, und ebenso die Beweismittel im einzelnen genau zu bezeichnen, deren
sich der Kläger zum Nachweise seiner thatsächlichen Behauptung bei der
Verhandlung zu bedienen beabsichtigt.
Wenn
die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes vom Werte des Streitgegenstandes
abhängt und die Klage nicht auf eine Geldsumme gerichtet ist, sind in die Klage
auch die erforderlichen Angaben über den Wert des Streitgegenstandes
aufzunehmen. Wenn die Klage einen Gegenstand der Handels-, See- oder
Berggerichtsbarkeit betrifft, jedoch bei einem Gerichtshofe angebracht wird,
welchem nicht nur diese besondere, sondern auch die allgemeine Gerichtsbarkeit
zusteht, so ist bei der Bezeichnung des Gerichtes ersichtlich zu machen, dass
die Verhandlung der Rechtssache vor dem Handelssenate oder vor dem zur Ausübung
der Bergerichtsbarkeit bestimmten Senate beantragt wird.
Im
übrigen sind auf die Klageschrift die allgemeinen Vorschriften über
vorbereitende Schriftsätze anzuwenden.
§.
227. Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn
sie nicht in thatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhange stehen, in derselben
Klage geltend gemacht werden, wenn für sämmtliche Ansprüche das Processgericht
zuständig und dieselbe Art des Verfahrens zulässig ist.
§.
228. Es kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses oder Rechtes, auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde
oder Feststellung der Unechtheit derselben Klage erhoben werden, wenn der
Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtverhältnis oder
Recht oder die Urkundenechtheit durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald
festgestellt werde.
§.
229. Schon in der Klage kann der Antrag gestellt werden:
1.
dass dem Beklagten bei der Ladung zur ersten Tagsatzung oder bei der Ladung zur
mündlichen Streitverhandlung aufgetragen werde, gewisse genau zu bezeichnende,
dem Kläger zu einer Beweisführung nöthig scheinende und im Besitze des
Beklagten befindliche Urkunden, Auskunftssachen oder in Augenschein zu nehmende
Gegenstände zur Verhandlung mitzubringen;
2.
dass das Erforderliche verfügt werde, damit die für eine Beweisführung
voraussichtlich nöthigen, bei einer öffentlichen Behörde oder bei einem Notar
verwahrten Urkunden, Auskunftssachen oder Augenscheinsgegenstände, die gleichfalls
genau zu bezeichnen sind, zur ersten Tagsatzung oder zur mündlichen
Streitverhandlung rechtzeitig herbeigeschafft werden;
3.
dass die zur Bewahrheitung thatsächlicher Behauptungen in der Klage namhaft
gemachten Zeugen zur ersten Tagsatzung oder zur mündlichen Streitverhandlung
geladen werden.
Dem
unter Z. 2 erwähnten Antrage ist nur dann stattzugeben, wenn sich die Partei
die betreffenden Urkunden, Auskunftssachen oder Augenscheinsgegenstände nach
den bestehenden gesetzlichen Vorschriften ohne Mitwirkung des Gerichtes nicht
zu verschaffen vermag, oder wenn ihr deren Ausfolgung von der
(400)
Behörde oder dem Notar in ungerechtfertigter Weise verweigert wurde.
In
Bezug auf Beweismittel, welche sich auf andere als die der ersten Tagsatzung
vorbehaltenen Fragen beziehen, kann bei Anberaumung der ersten Tagsatzung eine
Verfügung nicht getroffen werden.
§.
230. Auf Grund der Klage hat der Vorsitzende des Senates, welchem die
Rechtssache zugewiesen ist, eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zu
bestimmen.
Wenn
er jedoch der Ansicht ist, dass die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichtes
oder wegen des Mangels der Processfähigkeit oder der erforderlichen
gesetzlichen Vertretung auf Seiten des Klägers oder Beklagten unzulässig ist,
so hat er die Entscheidung des Senates darüber einzuholen, ob die Tagsatzung
anzuberaumen oder eine Verfügung im Sinne des §. 6 zu erlassen oder die Klage
als zur Bestimmung der Tagsatzung ungeeignet zurückzustellen sei.
§.
231. Die erste Tagsatzung ist mit Bedachtnahme auf die für die Zustellung der
Klage voraussichtlich erforderliche Zeit so anzuberaumen, dass zwischen der
Zustellung und der Tagsatzung ungefähr ein Zeitraum von vierzehn Tagen zu
liegen kommt.
Wenn
der Aufenthalt des Beklagten unbekannt ist, kann die erste Tagsatzung nach
Maßgabe der Verhältnisse auch auf einen entfernteren Zeitpunkt, in dringenden
Fällen hingegen, wenn sich der Beklagte am Gerichtsorte aufhält oder doch
diesen Ort leicht in kurzer Zeit erreichen kann, auf Antrag auf einen näher
gelegenen Zeitpunkt, und wenn nöthig selbst so bestimmt werden, dass zwischen
der Zustellung und der Tagsatzung nur ein Zeitraum von vierundzwanzig Stunden
liegt.
Streitanhängigkeit.
§.
232. Die Rechtshängigkeit der Streitsache (Streitanhängigkeit) wird durch die
Zustellung der Klageschrift an den Beklagten begründet. Zur Wahrung einer Frist
sowie zur Unterbrechung des Ablaufes einer Frist genügt, wenn nichts anderes
vorgeschrieben ist, die Überreichung der Klage bei Gericht.
Wird
von einer Partei erst im Laufe des Processes ein Anspruch erhoben, so tritt die
Streitanhängigkeit in Ansehung dieses Anspruches mit dem Zeitpunkte ein, in
welchem derselbe bei der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wurde.
§.
233. Die Streitanhängigkeit hat die Wirkung, dass während ihrer Dauer über den
geltend gemachten Anspruch weder bei demselben noch bei einem anderen Gerichte
ein Rechtsstreit durchgeführt werden darf. Eine während der Streitanhängigkeit
wegen des nämlichen Anspruches angebrachte Klage ist auf Antrag oder von
amtswegen zurückzuweisen.
Nach
dem Eintritte der Streitanhängigkeit kann der Beklagte, wenn die sonstigen
gesetzlichen Bedingungen des Gerichtsstandes der Widerklage vorhanden sind, bei
dem Gerichte der Klage insolange eine Widerklage anbringen, als nicht die
mündliche Verhandlung in erster Instanz geschlossen ist.
§.
234. Die Veräußerung einer in Streit verfangenen Sache oder Forderung hat auf
den Process keinen Einfluss. Der Erwerber ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung
des Gegners als Hauptpartei in den Process einzutreten.
Klagsänderung.
§.
235. Zu einer Änderung der bei Gericht überreichten Klage, und namentlich zu
einer Erweiterung des Klagebegehrens, durch welche die Zuständigkeit des
Processgerichtes nicht ausgeschlossen wird, ist der Kläger vor Eintritt der
Streitanhängigkeit stets berechtigt.
Nach
Eintritt der Streitanhängigkeit bedarf er hiezu der Einwilligung des Gegners;
diese Einwilligung ist als vorhanden anzunehmen, wenn der Beklagte, ohne gegen
die Abänderung Einwendung zu erheben, über die abgeänderte Klage verhandelt.
Das
Gericht kann jedoch solche Änderung selbst nach Eintritt der Streitanhängigkeit
und ungeachtet der Einwendung des Gegners zulassen, wenn aus der Änderung eine
erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist.
Als
eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des
Klagegrundes die thatsächlichen Angaben der Klage und die in derselben
angebotenen Beweise geändert, ergänzt, erläutert oder berichtigt werden, oder
wenn, gleichfalls ohne Änderung des Klagegrundes, das Klagebegehren in der
Hauptsache oder in Beziehung auf Nebenforderungen beschränkt oder statt des
ursprünglich geforderten Gegenstandes ein anderer Gegenstand oder das Interesse
gefordert wird.
Zwischenantrag
auf Feststellung.
§.
236. Der Kläger kann ohne Zustimmung des Beklagten bis zum Schlusse der
mündlichen Verhandlung,
(401)
über welche das Urtheil ergeht, den Antrag stellen, dass ein im Laufe des
Processes streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen
oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Theile
abhängt, in dem über die Klage ergehenden oder in einem demselben
vorausgehenden Urtheile festgestellt werde.
Dieses
Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn über den Gegenstand des neuen
Antrages nur in einem besonderen, für Angelegenheiten dieser Art ausschließlich
vorgeschriebenen Verfahren verhandelt werden kann, oder wenn die Vorschriften
über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte der beantragten Entscheidung
entgegenstehen.
Zurücknahme
der Klage.
§.
237. Die Klage kann ohne Zustimmung des Beklagten nur bis zum Beginn der ersten
Tagsatzung, wenn aber der Beklagte zu dieser nicht erscheint, auch noch bei der
ersten Tagsatzung zurückgenommen werden.
Die
Zurücknahme der Klage geschieht durch einen dem Beklagten zuzustellenden
Schriftsatz oder durch eine bei der mündlichen Verhandlung abgegebene
Erklärung. Die Zustellung des Schriftsatzes erfolgt auf Grund einer Verfügung
des Vorsitzenden ohne vorgängige Beschlussfassung des Senates.
Die
Zurücknahme der Klage hat zur Folge, dass die Klage als nicht angebracht
anzusehen ist und der Kläger dem Beklagten alle Processkosten zu ersetzen hat,
zu deren Tragung der Beklagte nicht bereits rechtskräftig verpflichtet erkannt
wurde. Über den Antrag auf Zuerkennung des Kostenersatzes entscheidet der Senat
nach vorhergehender mündlicher Verhandlung durch Beschluss.
Die
zurückgenommene Klage kann neuerlich angebracht werden, wenn nicht bei deren
Zurücknahme auf den geltend gemachten Anspruch verzichtet wurde.
§.
238. Die in §. 237 bezeichneten Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn eine
Klage in Gemäßheit der Bestimmungen dieses Gesetzes als zurückgenommen zu
gelten hat.
Erste
Tagsatzung.
§.
239. Die erste Tagsatzung findet vor dem Vorsitzenden des Senates oder vor
einem von diesem beauftragten Mitglied des Senates statt.
Die
erste Tagsatzung ist zur Vornahme eines Vergleichsversuches, zur Anmeldung der
Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Unzuständigkeit des Gerichtes,
der Streitanhängigkeit und der rechtskräftig entschiedenen Streitsache, sowie
zur Entgegennahme der Erklärung des benannten Auctors bestimmt. Bei der ersten
Tagsatzung ist ferner der Antrag auf Sicherheitsleistung für die Processkosten
zu stellen; auch kann bei der ersten Tagsatzung die Streitsache auf Grund eines
Anerkenntnisses oder Verzichtes oder infolge Versäumnis durch Urtheil erledigt
oder vom Kläger der Antrag auf Bewilligung der Änderung der Klage angebracht
werden.
Über
den Antrag auf Sicherheitsleistung für die Processkosten oder auf Gestattung
der Klagsänderung, sowie über den bei der ersten Tagsatzung von einer Partei
wegen der Processunfähigkeit eines der Streittheile oder wegen mangelnder
Berechtigung der als Vertreter einschreitenden Person gestellten Antrag auf
Zurückweisung der Klage ist sogleich bei der ersten Tagsatzung zu verhandeln
und zu entscheiden. Auch von amtswegen kann eine Erörterung über die letzteren
Punkte oder über eine durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht zu
beseitigende Unzuständigkeit des Gerichtes bei der ersten Tagsatzung
eingeleitet und auf Grund dessen ein Beschluss über die Einstellung des
Verfahrens gefasst werden.
Alles
andere Anbringen ist von der ersten Tagsatzung ausgeschlossen.
§.
240. Die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichtes muss bei der ersten
Tagsatzung angemeldet werden.
Nach
Abhaltung der ersten Tagsatzung kann die Unzuständigkeit des Gerichtes nur mehr
insoweit berücksichtigt werden, als es sich um eine durch ausdrückliche
Vereinbarung der Parteien nicht zu beseitigende Unzuständigkeit handelt.
Die
Unzulässigkeit des Rechtsweges, die Streitanhängigkeit und die Rechtskraft eines
die Streitsache betreffenden Urtheiles sind jederzeit von amtswegen zu
berücksichtigen.
§.
241. Wenn bei der ersten Tagsatzung infolge der vom benannten Auctor
abgegebenen Erklärung eine Einigung der Betheiligten in Ansehung der Übernahme
des Processes durch den Auctor zustande kommt, so hat der Vorsitzende oder der
mit der Abhaltung der ersten Tagsatzung beauftragte Richter auf entsprechenden
Antrag gleich bei der Tagsatzung den Beklagten durch Beschluss von der Klage zu
entbinden.
§.
242. Erfolgt die Erstreckung der ersten Tagsatzung wegen eines Umstandes, der
sich dem rechtzeitigen Erscheinen des Beklagten entgegenstellt oder diesen
daran hindert, bei der Tagsatzung die Einreden anzumelden
(402)
und die Anträge zu stellen, zu deren Anbringung die erste Tagsatzung bestimmt
ist, so finden die Bestimmungen über die erste Tagsatzung auch auf die
erstreckte Tagsatzung Anwendung.
Diese
findet gleichfalls vor dem Vorsitzenden des Senates oder vor dem von diesem
beauftragten Mitgliede des Senates statt.
Beantwortung
der Klage.
§.
243. Der mit der Abhaltung der ersten Tagsatzung betraute Richter hat, falls
sich nach den Ergebnissen dieser Tagsatzung die Anordnung einer
Streitverhandlung als nothwendig darstellt, sogleich bei der Tagsatzung dem
Beklagten die Beantwortung der Klagschrift durch Beschluss aufzutragen und für
die Beantwortung eine den Umständen des einzelnen Falles angemessene, vier
Wochen nicht überschreitende Frist zu bestimmen. Gegen diesen Beschluss ist ein
abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Die
Beantwortung hat mittels vorbereitenden Schriftsatzes zu geschehen. Soferne
nicht inzwischen bereits vom Gerichte eine abgesonderte Verhandlung über die
vom Beklagten vorgebrachten Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der
Unzuständigkeit, der Streitanhängigkeit oder der rechtskräftig entschiedenen
Streitsache angeordnet wurde, hat der Beklagte in dem von ihm zu überreichenden
Schriftsatze insbesondere auch die zur Begründung dieser Einreden dienenden
Umstände anzugeben und die zu deren Bewahrheitung dienenden Beweise zu
bezeichnen.
In
dem Schriftsatze kann der Beklagte auch einen oder mehrere der in §. 229
angeführten Anträge oder den Antrag auf Einleitung eines vorbereitenden
Verfahrens vor einem beauftragten Richter stellen.
Einleitung
der Streitverhandlung.
§.
244. Nach rechtzeitig überreichter Klagebeantwortung hat der Vorsitzende des
Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, wenn die Einleitung eines
vorbereitenden Verfahrens beantragt wurde, oder der Vorsitzende die Einleitung
eines solchen Verfahrens geboten oder zweckmäßig hält, hierüber die
Entscheidung des Senates einzuholen, andernfalls aber die Tagsatzung zur
mündlichen Streitverhandlung anzuberaumen.
Letzeres
hat auch dann zu geschehen, wenn der Senat die Einleitung eines vorbereitenden
Verfahrens abzulehnen beschließt.
Vorbereitendes
Verfahren.
§.
245. Ein die mündliche Streitverhandlung vorbereitendes Verfahren vor einem
beauftragten Richter kann angeordnet werden:
1.
in den Rechtsstreitigkeiten, welche die Richtigkeit einer Rechnung, eine
Vermögensauseinandersetzung oder ähnliche Verhältnisse betreffen, in welchen
über eine erhebliche Zahl von streitigen Ansprüchen oder Gegenansprüchen und
Erinnerungen zu verhandeln ist;
2.
wenn das in den vorbereitenden Schriftsätzen enthaltene thatsächliche
Vorbringen von solchem Umfange oder von solcher Art ist, dass sich die
vorgängige Ordnung und Sichtung desselben behufs Beschleunigung und
Vereinfachung der mündlichen Streitverhandlung als geboten darstellt;
3.
wenn sich die Parteien zur Bewahrheitung von bestrittenen, aber erheblich
scheinenden Thatumständen auf Beweise berufen, welche während der mündlichen
Streitverhandlung vor dem Processgerichte nicht aufgenommen werden können, oder
deren Aufnahme die mündliche Streitverhandlung voraussichtlich erheblich
erschweren oder unverhältnismäßig verzögern würde, insbesondere wenn sich die
Parteien auf Zeugen berufen, welche weder am Sitze des Processgerichtes, noch
in dessen Nähe wohnen, oder wenn es zur Ermittlung der Wahrheit dienlich scheint,
namhaft gemachte Zeugen außerhalb der Verhandlung an Ort und Stelle zu
vernehmen.
§.
246. Die Einleitung eines vorbereitenden Verfahrens kann vom Senate auf Antrag
des Klägers selbst nach Anberaumung der Tagsatzung zur mündlichen
Streitverhandlung angeordnet werden, wenn dieser Antrag innerhalb einer Woche
nach Zustellung der Klagebeantwortung angebracht wird.
Ergibt
sich die Nothwendigkeit der im §. 245, Z. 3, angeführten Beweisaufnahmen erst
während der mündlichen Streitverhandlung, so kann der Senat jederzeit nach
Anhörung der Parteien den Rechtsstreit oder einen oder mehrere selbständige
Streitpunkte zu vorbereitendem Verfahren vor einen beauftragten Richter
verweisen, falls diese Maßregel zur Erleichterung der Sachverhaltsfeststellung
oder zur Beschleunigung der Processerledigung geeignet erscheint und dadurch
voraussichtlich auch der Kostenaufwand keine Steigerung erfährt.
§.
247. Über die Einleitung eines vorbereitenden Verfahrens entscheidet der Senat
mit Ausnahme des in §. 246, Absatz 2, angegebenen Falles, ohne vorhergehende
mündliche Verhandlung. Der Senat kann jedoch stets vor der Entscheidung alle zu
seiner Aufklärung erforderlichen Erhebungen pflegen. Die Beschlüsse, durch
welche ein vorbereitendes Verfahren angeordnet oder der Antrag auf Einleitung
eines solchen abgewiesen wird, können durch Recurs nicht angefochten werden.
(403)
In dem Beschlusse, durch welchen ein vorbereitendes Verfahren angeordnet wird,
ist zugleich der beauftragte Richter zu bezeichnen, vor welchem dieses
Verfahren stattfinden soll. Wird derselbe verhindert, den Auftrag zu
vollziehen, so hat der Vorsteher des Gerichtshofes ein anderes Mitglied des
Gerichtes zur Durchführung des vorbereitenden Verfahrens zu bestellen.
§.
248. Die Tagsatzung für das vorbereitende Verfahren und, falls eine Erstreckung
stattfindet, jede weitere Tagsatzung wird von dem beauftragten Richter bestimmt
und den Parteien oder deren Vertretern bekanntgegeben.
§.
249. Der beauftragte Richter hat im vorbereitenden Verfahren alle in §§. 180
bis 185 angeführten Befugnisse und Obliegenheiten des Vorsitzenden. Er kann die
im vorbereitenden Verfahren zulässigen Beweisaufnahmen anordnen und entweder
selbst ausführen oder durch einen ersuchten Richter ausführen lassen. Bei einer
Beweisaufnahme kommen ihm insbesondere auch die Befugnisse zu, welche im
Verfahren vor Gerichtshöfen bei einer vor dem erkennenden Gerichte
stattfindenden Beweisaufnahme vom Vorsitzenden geübt werden. Desgleichen hat
der beauftragte Richter in Ansehung der von einem ersuchten Richter eingesendeten
Beweisaufnahmeacten die Obliegenheiten des Vorsitzenden auszuüben.
Die
eidliche Vernehmung der Parteien kann im vorbereitenden Verfahren nicht
erfolgen.
§.
250. Wenn einer der im §. 245, Z. 1, erwähnten Processe zu vorbereitendem
Verfahren verwiesen wurde, so ist in diesem Verfahren über die einzelnen von
den Parteien geltend gemachten Ansprüche und Gegenansprüche, Angriffs- und
Vertheidigungsmittel, Erinnerungen und Erläuterungen in der vom beauftragten
Richter zu bestimmenden Reihenfolge abgesondert mündlich zu verhandeln. Auf
Grund dieser Verhandlung ist zu Protokoll festzustellen:
1.
welche Ansprüche und Gegenansprüche erhoben und welche Angriffs- und
Vertheidigungsmittel geltend gemacht werden;
2.
welche von diesen Ansprüchen, Gegenansprüchen, Angriffs- und
Vertheidigungsmitteln streitig und welche unbestritten sind;
3.
in Ansehung der bestrittenen ist das vollständige Sachverhältnis, wie es sich
aus dem Vorbringen der Parteien ergibt, darzustellen, unter Angabe der von den
Parteien bezeichneten Beweismittel, der geltend gemachten Beweiseinreden und
der abgegebenen Erklärungen über Beweismittel und Beweiseinreden.
Der
beauftragte Richter hat zugleich dafür zu sorgen, dass die Urkunden, auf welche
sich die Parteien für bestrittene Behauptungen bezogen haben und welche nach
den Ergebnissen der Verhandlung zur Beweisführung dienlich scheinen, von den
Parteien vorgelegt werden; nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes hat er
diese Urkunden herbeizuschaffen. Gleiches gilt in Ansehung der zur Beweisführung
dienlichen Auskunftssachen und der zu besichtigenden Augenscheinsgegenstände,
welche vor Gericht gebracht werden können. Eine Aufnahme von Beweisen hat im
vorbereitenden Verfahren nur dann stattzufinden, wenn hinsichtlich dieser
Beweise einer der im §. 245, Z. 3, angeführten Umstände zutrifft oder die
Aufnahme des Beweises zum Zwecke der Sicherung des Beweises nothwendig ist.
§.
251. Wenn ein Rechtsstreit wegen der Beschaffenheit des thatsächlichen Vorbringens
zu vorbereitendem Verfahren verwiesen wird (§. 245, Z. 2), hat der beauftragte
Richter durch Einvernehmung der Parteien oder im Wege der mündlichen
Verhandlung mit denselben in Ansehung aller nach dem Inhalte der vorbereitenden
Schriftsätze bestrittenen Ansprüche, Angriffs- und Vertheidigungsmittel das
vollständige Sachverhältnis zu ermitteln und dasselbe unter Anführung der
Beweismittel, der geltend gemachten Beweiseinreden und der über Beweismittel
und Beweiseinreden von den Parteien abgegebenen Erklärungen zu Protokoll
festzustellen. Außerden hat der beauftragte Richter das Beweisverfahren vor dem
erkennenden Gerichte im Sinne der Bestimmungen des §. 250, letzter Absatz,
vorzubereiten.
§.
252. Über die in den vorbereitenden Schriftsätzen geltend gemachten Ansprüche
und Gegenansprüche darf im vorbereitenden Verfahren nicht hinausgegangen
werden; jedoch können die Parteien vor dem beauftragten Richter zur Begründung
und Bekämpfung dieser Ansprüche auch solche thatsächliche Behauptungen vorbringen
und Beweise anbieten, welche in den vorbereitenden Schriftsätzen noch nicht
angeführt waren.
Die
Ermittlungen, protokollarischen Feststellungen und Beweisaufnahmen des
vorbereitenden Verfahrens haben sich auch auf die zur Begründung der Einreden
der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Unzuständigkeit des Gerichtes, der
Streitanhängigkeit und der rechtskräftig entschiedenen Streitsache
vorgebrachten Umstände zu erstrecken, falls nicht über diese Einreden vom
Gerichte eine besondere Verhandlung angeordnet wurde.
(404)
Soweit zu Protokoll festzustellende Behauptungen, Erklärungen und
Beweisanbietungen einer Partei in einem bei Gericht überreichten, dem
beauftragten Richter vorliegenden Schriftsatze enthalten sind, ist die
Protokollierung durch Bezugnahme auf den Schriftsatz zu ersetzen.
Wird
bei einer Tagsatzung des vorbereitenden Verfahrens ein Anspruch vom Gegner
anerkannt, so ist von einer protokollarischen Feststellung des Inhaltes der
etwa vorangegangenen, den zugestandenen Anspruch betreffenden Verhandlung
abzusehen.
§.
253. Wenn ein vorbereitendes Verfahren zum Behufe der Aufnahme von Beweisen
angeordnet wird (§. 245, Z. 3), hat der beauftragte Richter vorerst durch
Einvernehmung der Parteien das Sachverhältnis insoweit zu ermitteln, als die
Kenntnis desselben nothwendig ist, um die ihm übertragenen Beweisaufnahmen
leiten und so vollständig durchführen zu können, wie es der Zweck der
Erleichterung und Beförderung der wahrheitsgemäßen Sachverhaltsfeststellung in
der mündlichen Streitverhandlung im einzelnen Falle verlangt. Das Ergebnis
dieser Einvernehmung ist zu Protokoll festzustellen (§. 252, Absatz 3). Die
Beweisaufnahmen des beauftragten Richters haben sich auf diejenigen Beweise zu
beschränken, wegen welcher die Rechtssache zu vorbereitendem Verfahren verwiesen
wurde.
§.
254. Wenn ein Theil bei einer, nicht bloß zur Beweisaufnahme bestimmten,
Tagsatzung vor dem beauftragten Richter nicht erscheint, ist das Vorbringen der
erschienenen Partei nach Maßgabe der für das vorbereitende Verfahren im
einzelnen Falle geltenden Vorschriften zu Protokoll festzustellen und eine neue
Tagsatzung anzuberaumen. Zu dieser Tagsatzung ist die bei der früheren
Tagsatzung nicht erschienene Partei, und zwar auf Antrag ihres Gegners unter
Mittheilung einer Abschrift des Protokolls und unter Ankündigung der mit ihrem
abermaligen Nichterscheinen verbundenen Folgen zu laden.
Wenn
die Partei auch bei der neuerlichen Tagsatzung nicht erscheint, so sind die in
der zugestellten Protokollsabschrift enthaltenen thatsächlichen Behauptungen
der erschienenen Partei für wahr zu halten und es können die von der nicht
erschienenen Partei über angebotene oder vorgelegte Beweismittel abzugebenden
Erklärungen nicht mehr nachgeholt werden.
§.
255. Gegen die von dem beauftragten Richter während des vorbereitenden
Verfahrens erlassenen Anordnungen und Beschlüsse, deren Anfechtung im Wege
eines besonderen Rechtsmittels nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zulässig
erscheint, kann beim Vorsitzenden des Senates, welchem die Rechtssache
zugewiesen ist, Abhilfe gesucht werden. Der bezügliche Antrag kann mündlich
angebracht werden. Vor der Entscheidung ist dem beauftragten Richter
Gelegenheit zur Äußerung zu geben; auch können andere Erhebungen früher
eingeleitet werden.
Desgleichen
hat der Vorsitzende auf Anzeige einer der Parteien oder von amtswegen die
Abstellung etwaiger Verzögerungen in der Erledigung des vorbereitenden
Vefahrens zu verfügen.
Gegen
die Entscheidung des Vorsitzenden ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
Von
dem beauftragten Richter zurückgewiesene Anträge auf Aufnahme von Beweisen oder
Herbeischaffung von Urkunden, Auskunftssachen, Augenscheinsgegenständen können
in der Verhandlung vor dem Processgerichte erneuert werden.
§.
256. Nach thunlich zu beschleunigendem Abschlusse des vorbereitenden Verfahrens
sind die gesammten Acten und insbesondere auch alle während des vorbereitenden
Verfahrens aufgenommenen Protokolle und die dem beauftragten Richter
vorgelegten oder ausgefolgten Beweisurkunden, Auskunftssachen und
Augenscheinsgegenstände dem Vorsitzenden des Senates, vor welchem die
Streitverhandlung stattfinden soll, zu übergeben. Wenn nicht vom Vorsitzenden
oder auf dessen Antrag vom Senate in nicht öffentlicher Sitzung eine Ergänzung
des vorbereitenden Verfahrens verfügt wird, hat der Vorsitzende die Tagsatzung
zur mündlichen Streitverhandlung von amtswegen anzuberaumen.
Gegen
den Beschluss auf Ergänzung des vorbereitenden Verfahrens ist ein Rechtsmittel
nicht zulässig.
Mündliche
Streitverhandlung.
§.
257. Die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung ist so anzuberaumen, dass
den Parteien von Zustellung der Ladung an mindestens eine Frist von acht Tagen
zur Vorbereitung für die Streitverhandlung offen bleibt.
Bei
Anberaumung der Tagsatzung hat der Vorsitzende zugleich über die gemäß §. 229
in einem vorbereitenden Schriftsatze gestellten Anträge, sofern dieselben nicht
etwa bereits bei Anberaumung der ersten Tagsatzung oder durch ein eingeleitetes
vorbereitendes Verfahren ihre Erledigung gefunden haben, die nöthigen
Anordnungen zu erlassen. Gegen diese Anordnungen ist ein Rechtsmittel nicht
zulässig; es können jedoch die Anträge, welchen vom Vorsitzenden nicht
willfahrt wurde,
(405)
bei der mündlichen Streitverhandlung von der Partei erneuert werden.
Desgleichen bleibt es den Parteien unbenommen, ihre etwaigen Einwendungen gegen
die vom Vorsitzenden über derlei Anträge erlassenen Anordnungen bei der
mündlichen Streitverhandlung vorzubringen.
Von
den Anordnungen und Beschlüssen, welche über die im vorgehenden Absatze
bezeichneten Anträge ergehen, ist auch der Gegner der antragstellenden Partei
stets ohne Aufschub zu verständigen.
§.
258. Falls die Streitverhandlung ohne vorgängiges vorbereitendes Verfahren
angeordnet wird, können sich die Parteien in der Klage oder Klagebeantwortung
noch nicht enthaltene Anträge, Angriffs- und Vertheidigungsmittel, Behauptungen
und Beweise, welche sie in der Streitverhandlung geltend machen woööen, in der
Zeit zwischen Anberaumung und Beginn der Streitverhandlung durch besonderen
vorbereitenden Schriftsatz mittheilen. Unter der gleichen Bedingung können von
den Parteien während dieser Zeit noch Anträge im Sinne des §. 229 mittels
Schriftsatz oder zu gerichtlichem Protokoll gestellt werden. Der Vorsitzende
hat hierüber die ihm nöthig scheinenden Anordnungen ohne Aufschub zu erlassen
(§. 257).
Wenn
auf diese Art Beweise für die Streitverhandlung angekündigt werden, bezüglich
deren Aufnahme eine der Voraussetzungen des §. 245, Z. 3, zutreffen würde, so
kann das Gericht unverzüglich unter Aufhebung der anberaumten Tagsatzung die
Verweisung der Rechtssache zu vorbereitendem Verfahren vor einem beauftragten
Richter aussprechen (§. 247).
§.
259. Die Streitverhandlung erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften über die
mündliche Verhandlung; sie umfasst auch die Beweisaufnahme und die Erörterung
ihrer Ergebnisse.
Während
der mündlichen Streitverhandlung kann der Beklagte, ohne der Zustimmung des
Klägers zu bedürfen, einen Antrag auf Feststellung im Sinn des §. 236 stellen.
§.
260. Die Partei, welche eine der im §. 239, Absatz 2, bezeichneten Einreden
erhebt, ist nicht berechtigt, deshalb die Einlassung in die Verhandlung zur
Hauptsache zu verweigern. Der Senat kann schon vor Beginn der mündlichen
Streitverhandlung die abgesonderte Verhandlung über solche Einreden anordnen; in
diesem Falle ist zugleich die Tagsatzung zur Verhandlung über die Einrede von
amtswegen anzuberaumen.
In
Bezug auf diese Anordnungen gelten die Vorschriften des §. 192.
Die
vorstehenden Bestimmungen haben auch Anwendung zu finden, wenn eine Partei erst
während der mündlichen Streitverhandlung die Unzulässigkeit des Rechtsweges,
die Unzuständigkeit des Gerichtes, die Streitanhängigkeit oder das
Vorhandensein einer rechtskräftigen Entscheidung über den Klagsanspruch geltend
macht (§. 240). Die Partei kann deshalb nicht die weitere Theilnahme an der
Verhandlung zur Hauptsache verweigern.
§.
261. Über die wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, wegen Unzuständigkeit des
Gerichtes, wegen Streitanhängigkeit oder Rechtskraft vorgebrachten Einreden und
Anträge ist nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Die
Entscheidung hat mittels Beschlusses zu erfolgen; wurde jedoch über diese
Einreden und Anträge in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt, so ist die
Entscheidung, womit dieselben abgewiesen werden, nicht besonders auszufertigen,
sondern in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen.
Wenn
die Einrede oder der Antrag zwar bei dem mündlichen Streitverhandlung, jedoch
auf Grund abgesonderter Verhandlung verworfen wird, so kann der Senat nach
Begründung des Beschlusses auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass die
Verhandlung zur Hauptsache sogleich aufgenommen werde. In diesem Falle ist die
verkündete Entscheidung über die Zulässigkeit oder Rechtskraft nicht besonders
auszufertigen, sondern gleichfalls in die Entscheidung aufzunehmen, welche in
der Hauptsache gefällt wird. Gegen die wegen Aufnahme der Verhandlung zur
Hauptsache ergehende Anordnung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
Sofern
der Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsweges, Zuständigkeit,
Streitanhängigkeit oder Rechtskraft in die über die Hauptsache ergehende
Entscheidung aufgenommen wird, kann derselbe nur mittels des gegen die
Entscheidung in der Hauptsache offen stehenden Rechtsmittels angefochten
werden.
Wenn
eine der obgedachten Einreden oder Anträge durch eine abgesonderte Entscheidung
abgewiesen wird, ohne dass sogleich zur Verhandlung der Hauptsache übergegangen
würde, kann jede Partei nach Rechtskraft des Beschlusses die Anberaumung einer
Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung in der Hauptsache beantragen.
Die
vorstehenden Bestimmungen haben auch Anwendung zu finden, wenn der Senat die
Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges, der Streitanhängigkeit oder Rechtskraft
einer über den Klagsanspruch ergangenen Entscheidung von amtswegen aufwirft und
zum Gegenstande der mündlichen Verhandlung macht.
(406)
§. 262. Wenn der Streitverhandlung ein vorbereitendes Verfahren gemäß §§. 250
oder 251 vorausgegangen ist, sind die Ergebnisse des vorbereitenden Verfahrens
bei der Streitverhandlung auf Grund der gerichtlichen Protokolle durch ein
Mitglied des Senates vorzutragen.
Bei
der Streitverhandlung können die Protokolle über die in einem vorbereitenden
Verfahren stattgefundenen Verhandlungen, Einvernehmungen und Beweisaufnahmen
auf Antrag oder von amtswegen ganz oder zum Theile vorgelesen werden. Die
Vorlesung geschieht durch ein Mitglied des Senates oder durch den
Schriftführer.
§.
263. Die im vorbereitenden Verfahren vor dem beauftragten Richter erschienene
Partei kann eine trotz Aufforderung des Richters unterlassene oder verweigerte
Erklärung über Thatsachen, angebotene oder vorgelegte Beweise in der mündlichen
Streitverhandlung nicht mehr nachholen.
Wenn
der Streitverhandlung ein vorbereitendes Verfahren gemäß §§. 250 und 251
vorausgegangen ist, können neue Ansprüche, Behauptungen, Beweismittel und
Beweiseinreden, welche sich auf die im vorbereitenden Verfahren erörterten
Theile des Rechtsstreites beziehen, in der mündlichen Streitverhandlung im
Falle gegnerischen Einspruches nur geltend gemacht werden, wenn von der Partei
glaubhaft gemacht wird, dass sie von dem Bestande dieser Ansprüche, sowie von
den neu vorgebrachten Behauptungen, Beweismitteln und Beweiseinreden zur Zeit
des vorbereitenden Verfahrens keine Kenntnis hatte.
§.
264. Zum vorbereitenden Verfahren bereits abgehörte Zeugen oder einvernommene
Sachverständige sind in der mündlichen Streitverhandlung neuerlich
einzuvernehmen, wenn der Senat eine solche Erneuerung der Beweisaufnahme zur
Behebung begründet erscheinender Einwendungen gegen die Vollständigkeit oder
Richtigkeit einer im vorbereitenden Verfahren stattgefundenen Beweisaufnahme
oder zur wahrheitsmäßigen Feststellung des für die Processentscheidung
erheblichen Sachverhaltes für nothwendig erachtet.
Feststellungen
zu Protokoll.
§.
265. Der Vorsitzende kann anordnen, dass Anträge und Erklärungen, die zufolge
§§. 208 und 209 in das Verhandlungsprotokoll aufzunehmen sind, von der Partei,
welche den Antrag gestellt oder die Erklärung abgegeben hat, niedergeschrieben
und dem Vorsitzenden übergeben werden. Den Parteien kann auch dann, wenn die
Vorlage einer Niederschrift von Vorsitzenden nicht angeordnet wurde, auf Antrag
gestattet werden, die oben bezeichneten Anträge und Erklärungen durch die
Überreichung kurzer Niederschriften festzustellen.
Die
Niederschrift hat sogleich bei der mündlichen Verhandlung zu geschehen. Die dem
Vorsitzenden überreichten Schriftstücke sind dem Verhandlungsprotokolle als
Unterlage beizufügen.
Die
angeordneten oder zugelassenen schriftlichen Feststellungen sind vorzulesen;
über deren Richtigkeit entscheidet der Senat.
Der
Beschluss, durch welchen solche schriftliche Feststellung angeordnet oder
zugelassen wird, sowie die über die Richtigkeit einer schriftlichen
Feststellung ergehende Entscheidung kann durch ein Rechtsmittel nicht
angefochten werden.
Zweiter
Titel.
Allgemeine
Bestimmungen über den Beweis und die Beweisaufnahme.
Beweis.
§.
266. Die von einer Partei behaupteten Thatsachen bedürfen insoweit keines
Beweises, als sie vom Gegner in einem vorbereitenden Schriftsatze, im Laufe des
Rechtsstreites bei einer mündlichen Verhandlung oder im Protokolle eines
beauftragten oder ersuchten Richters ausdrücklich zugestanden werden. Zur
Wirksamkeit eines gerichtlichen Thatsachengeständnisses ist dessen Annahme
seitens des Gegners nicht erforderlich.
Inwieferne
ein solches Geständnis durch demselben von der Partei beigefügte Zusätze und
Einschränkungen aufgehoben oder in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt wird, und
welchen Einfluss ein Widerruf auf die Wirksamkeit des Geständnisses hat, ist
vom Gerichte nach seinem durch sorgfältige Erwägung aller Umstände geleiteten
Ermessen zu beurtheilen.
Zu
gleicher Weise hat das Gericht zu beurtheilen, inwieferne zufolge eines
außergerichtlichen Geständnisses die Nothwendigkeit des Beweises entfalle.
§.
267. Ob thatsächliche Behauptungen einer Partei mangels eines ausdrücklichen
Geständnisses des Gegners als zugestanden anzusehen seien, hat das Gericht
unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesammten Inhaltes des gegnerischen
Vorbringens zu beurtheilen.
In
gleicher Weise hat das Gericht insbesondere auch zu beurtheilen, ob die
Erklärung mit Nichtwissen
(407)
oder Nichterinnernals eine die Annahme eines Zugeständnisses ausschließende
oder aber eine Zugeständnis in sich schließende Erklärung anzusehen sei.
§.
268. Wenn die Entscheidung von dem Beweise und der Zurechnung einer strafbaren
Handlung abhängt, ist der Richter an den Inhalt eines hierüber ergangenen
rechtskräftigen verurtheilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes gebunden.
§.
269. Thatsachen, welche bei dem Gerichte offenkundig sind, bedürfen keines
Beweises.
§.
270. Thatsachen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermuthung aufstellt,
bedürfen keines Beweises. Der Beweis des Gegentheils ist zulässig, sofern das
Gesetz denselben nicht ausschließt. Dieser Gegenbeweis kann auch durch
Vernehmung der Parteien gemäß §§. 371 ff. geführt werden.
§.
271. Das in einem anderen Staatsgebiete geltende Recht, Gewohnheitsrechte,
Privilegien und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem
Gerichte unbekannt sind.
Bei
Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien
angebotenen Beweise nicht beschränkt; es kann alle zu diesem Zwecke ihm nöthig
scheinenden Erhebungen von amtswegen einleiten und insbesondere, soweit
erforderlich, das Einschreiten des Justizministers in Anspruch nehmen.
§.
272. Das Gericht hat, soferne in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt
ist, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesammten
Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurtheilen, ob eine
thatsächliche Angabe für wahr zu halten sei oder nicht.
Es
hat insbesondere in gleicher Weise zu entscheiden, welchen Einfluss es auf die
Beurtheilung des Falles hat, wenn eine Partei die Beantwortung von Fragen
verweigert, welche durch den Vorsitzenden oder mit dessen oder des Senates
Zustimmung an sie gestellt werden.
Die
Umstände und Erwägungen, welche für die Überzeugung des Gerichtes maßgebend
waren, sind in der Begründung der Entscheidung anzugeben.
§.
273. Wenn feststeht, dass einer Partei der Ersatz eines Schaden oder des
Interesses gebürt oder dass sie sonst eine Forderung zu stellen hat, der Beweis
über den streitigen Betrag des zu ersetzenden Schadens oder Interesses oder der
Forderung aber gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu
erbringen ist, so kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen selbst mit
Übergehung eines von der Partei angebotenen Beweises diesen Betrag nach freier
Überzeugung festsetzen. Der Festsetzung des Betrages kann auch die eidliche
Vernehmung einer der Parteien über die für die Bestimmung des Betrages
maßgebenden Umstände vorausgehen.
Glaubhaftmachung
(Bescheinigung).
§.
274. Wer eine thatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat (Bescheinigung),
kann sich hiezu aller Beweismittel mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung der
Parteien bedienen. Eine Beweisaufnahme, die sich nicht sofort ausführen lässt,
eignet sich nicht zum Zwecke der Glaubhaftmachung.
Eine
behufs Glaubhaftmachung eines Umstandes erfolgende Beweisaufnahme ist an die
besonderen, für das Beweisverfahren bestehenden Vorschriften nicht gebunden.
Beweisaufnahme.
§.
275. Von den Parteien angebotene, jedoch dem Gerichte unerheblich scheinende
Beweise sind ausdrücklich zurückzuweisen.
Die
Aufnahme angebotener Beweise kann vom Gerichte auf Antrag oder von amtswegen
verweigert werden, wenn es die Überzeugung gewinnt, dass die Beweise nur in der
Absicht, den Process zu verschleppen, angeboten werden.
§.
276. Die Beweise, welche das Gericht für erheblich hält, sind im Laufe der
Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte aufzunehmen, sofern nicht:
1.
das Gericht in Gemäßheit der Bestimmungen dieses Gesetzes eine Beweisaufnahme
außerhalb der Verhandlungstagsatzung anordnet, oder
2.
Beweise bereits in einem vorbereitenden Verfahren aufgenommen wurden und ihre
wiederholte Aufnahme nach den Bestimmungen dieses Gesetzes unstatthaft ist oder
doch dem Gerichte entbehrlich scheint.
Wird
die Aufnahme eines Beweises außerhalb der Verhandlungstagsatzung durch einen
beauftragten oder ersuchten Richter nothwendig, so ist vom Processgerichte das
Erforderliche zu verfügen.
(408)
§. 277. Die Beweisaufnahme wird durch Beschluss angeordnet (Beweisbeschluss).
In diesen Beschlüssen sind die streitigen Thatsachen, über welche der Beweis zu
erheben ist, und die Beweismittel genau zu bezeichnen.
An
die einem Beweisbeschlusse zugrunde liegende Auffassung ist das Gericht im
weiteren Verlaufe des Rechtsstreites nicht gebunden.
Solche
Beschlüsse bedürfen nur dann einer schriftlichen Ausfertigung, wenn die
Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden soll.
In diesem Falle ist auch der aus der Verhandlung sich ergebende Sachverhalt
insoweit in die Ausfertigung aufzunehmen, als die Kenntnis dieses Sachverhaltes
dem Richter zur Leitung und vollständigen Durchführung der Beweisaufnahme
nothwendig ist.
Gegen
Beweisbeschlüsse ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
§.
278. Alle nicht sogleich bei der Verhandlung selbst ausführbaren und
insbesondere die außerhalb der Verhandlungstagsatzung durch einen beauftragten
oder ersuchten Richter vorzunehmenden Beweisaufnahmen sind, sofern nicht die
Umstände einen anderen Vorgang nothwendig machen oder dem Gerichte zweckmäßig
erscheinen lassen, erst nach vollständiger Erörterung des Sachverhaltes und
mittels eines und desselben Beweisbeschlusses anzuordnen.
Behufs
Erörterung der Ergebnisse solcher Beweisaufnahmen ist nach deren Vollendung,
wenn nicht die Voraussetzungen des §. 193, Absatz 3, vorliegen, die Verhandlung
vor dem erkennenden Gerichte von amtswegen wieder aufzunehmen. Die bei dieser
Verhandlung vorgebrachten neuen thatsächlichen Anführungen und Beweisanbietungen
können auf Antrag oder von amtswegen durch Beschluss als unstatthaft erklärt
werden, wenn das neue Vorbringen durch die Ergebnisse der inzwischen
stattgefundenen Beweisaufnahme nicht veranlasst ist und offenbar in der
Absicht, den Process zu verschleppen, nicht früher vorgebracht wurde.
§.
279. Steht der Aufnahme des Beweises ein Hindernis von ungewisser Dauer
entgegen, ist die Ausführbarkeit einer Beweisaufnahme zweifelhaft, oder soll
die Beweisaufnahme außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes erfolgen, so
hat das Gericht im Beweisbeschlusse auf Antrag eine Frist zu bestimmen, nach
deren fruchtlosem Ablauf die Verhandlung auf Begehren einer der Parteien ohne
Rücksicht auf die ausstehende Beweisaufnahme fortgesetzt wird.
Bei
der fortgesetzten mündlichen Verhandlung kann dann dieser Beweis nur benützt
werden, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird.
§.
280. Das Processgericht kann auf Antrag gestatten, dass die Beweisaufnahme von
einem oder mehreren beeideten Stenographen aufgezeichnet werde. Ein Stenograph,
welcher nicht im allgemeinen für diese Aufgabe beeidet ist, hat einen Eid dahin
zu leisten, dass er das mündlich Vorgebrachte treu aufzeichnen und das
Aufgezeichnete richtig übertragen werde. Die Beeidigung entfällt, wenn ein
gerichtlicher Beamter als Stenograph bestellt wird.
Die
Bestellung der Stenographen erfolgt auf Vorschlag des Antragstellers durch den
Vorsitzenden.
Die
Übertragung der stenographischen Aufzeichnung in gewöhnliche Schrift ist binnen
achtundvierzig Stunden nach der Aufzeichnung dem Vorsitzenden oder dem mit der
Beweisaufnahme betrauten Richter zu übergeben und den Acten beizulegen.
Sofern
die stenographische Aufzeichnung nicht von beiden Parteien übereinstimmend
beantragt wird, hat die antragstellende Partei sämmtliche dadurch verursachten
Kosten zu bestreiten, ohne selbst für den Fall ihres Sieges Anspruch auf
Erstattung dieser Kosten erheben zu können.
§.
281. Wenn zum Zwecke einer vor dem erkennenden Gerichte erfolgenden
Beweisaufnahme eine Tagsatzung erstreckt werden muss, ist die Tagsatzung, in
welcher die Beweisaufnahme stattfinden soll, zugleich zur Fortsetzung der
mündlichen Verhandlung zu bestimmen.
Muss
jedoch die Beweisaufnahme durch einen beauftragten oder ersuchten Richter
geschehen und lässt sich der Zeitpunkt der Beendigung derselben nicht mit
Sicherheit bestimmen, so ist die Tagsatzung zur Fortsetzung der mündlichen
Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte nach dem Einlangen der
Beweisaufnahme-Acten und Protokolle durch den Vorsitzenden von amtswegen anzuberaumen
und den Parteien bekannt zu geben.
Beweisaufnahme
durch einen ersuchten oder beauftragten Richter.
§.
282. Mit Beweisaufnahmen, welche außerhalb der Verhandlungstagsatzung am Orte
des Processgerichtes oder in dessen Nähe stattzufinden haben, ist ein Mitglied
des Processgerichtes, und zwar in der Regel ein Mitglied des zur Entscheidung
der Rechtssache berufenen Senates zu beauftragen.
§.
283. Ersuchschreiben, welche wegen einer Beweisaufnahme erlassen werden, die
außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes stattfinden soll,
(409)
können den Beweisführer auf seinen Antrag behufs Übermittlung an die ersuchte
Behörde übergeben werden.
Auf
Antrag des Beweisführers kann ferner das Gericht gestatten, dass von der Erlassung
eines Ersuchschreibens abgesehen und der Beweisführer ermächtigt werde, eine
den Gesetzen des Staatsgebietes, in welchem die Beweisaufnahme erfolgen soll,
entsprechende öffentliche Urkunde über die Beweisaufnahme beizubringen. Der
Beweisführer hat den Gegner, wenn möglich von Ort und Zeit der Beweisaufnahme
so zeitig zu benachrichtigen, dass letzterer seine Rechte bei der
Beweisaufnahme in geeigneter Art wahrzunehmen vermag. Ist die Benachrichtigung
unterblieben, so hat das erkennende Gericht nach sorgfältiger Erwägung aller
Umstände zu entscheiden, ob und inwieweit der Beweisführer zur Benützung der
aufgenommenen Beweise in der mündlichen Verhandlung berechtigt sei.
Für
die Vorlegung der Acten über die Beweisaufnahme ist in beiden Fällen im Beweisbeschlusse
eine Frist zu bestimmen, deren fruchtloser Ablauf die im §. 279 bezeichneten
Rechtsfolgen nach sich zieht.
§.
284. Dem Richter, welcher eine Beweisaufnahme infolge eines Auftrages oder
Ersuchens vollzieht, kommen die Befugnisse zu, welche von dem Vorsitzenden bei
einer Beweisaufnahme ausgeübt werden, die vor dem erkennenden Gerichte vor sich
geht.
Andere
auf die Beweisaufnahme sich beziehende richterliche Verfügungen kann ein
solcher Richter insoweit treffen, als sie nicht ausdrücklich dem Processgerichte
zugewiesen sind.
§.
285. Ergibt sich bei der Beweisaufnahme vor einem beautragten oder ersuchten
Richter ein Streit, von dessen Erledigung die Fortsetzung der Beweisaufnahme
abhängig, zu dessen Entscheidung der mit der Beweisaufnahme betraute Richter
jedoch nicht berechtigt ist, so hat über seinen Bericht die Erledigung des
Streites durch das Processgericht zu erfolgen. Die Tagsatzung zur Verhandlung
über diesen Zwischenstreit ist vom Processgerichte von amtswegen anzuberaumen.
Wenn
im Verlaufe der durch einen beauftragten oder ersuchten Richter stattfindenden
Beweisaufnahme behufs Durchführung oder Vollendung der Beweisaufnahme an ein
anderes Gericht ein Ersuchen gestellt werden muss, so ist dasselbe unmittelbar
von dem mit der Beweisaufnahme betrauten Richter zu stellen. Derselbe ist auch
befugt, ein anderes Gericht um die Aufnahme des Beweises zu ersuchen, falls
sich Gründe ergeben, welche die Beweisaufnhame vor diesem Gerichte als
sachgemäß erscheinen lassen.
§.
286. Der Vorsitzende hat die von dem beauftragten oder ersuchten Richter
vorgelegten Protokolle und sonstigen Acten über die Beweisaufnahme zu prüfen
und, falls er Mängel wahrnimmt, die erforderlichen Verbesserungen oder
Vervollständigungen zu veranlassen. Die Beweisaufnahme-Acten sind sodann unter
gleichzeitiger Verständigung der Parteien bis zu nächsten, zur mündlichen
Verhandlung bestimmten Tagsatzung der Einsichtnahme der Parteien offen zu
halten.
Über
den in der Zwischenzeit von einer Partei gestellten Antrag, einzelne Mängel der
Beweisaufnahme zu beheben oder diese Beweisaufnahme zu ergänzen, hat der
Vorsitzende zu entscheiden. Die hiedurch etwa nothwendig werdenden Verfügungen
sind gleichfalls vom Vorsitzenden ohne Aufschub zu erlassen. Der Antrag kann
auch mündlich angebracht werden.
Ergibt
sich erst bei der mündlichen Verhandlung die Nothwendigkeit einer Ergänzung
oder Wiederholung der Beweisaufnahme, so hat das Gericht die der Sachlage
entsprechenden Anordnungen zu treffen. Dasselbe kann auch anordnen, dass die
Ergänzung oder Wiederholung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung
selbst stattfinde.
§.
287. Das Ergebnis einer nicht vor dem erkennenden Gerichte erfolgten
Beweisaufnahme hat der Vorsitzende auf Grund der diese Beweisaufnahme
betreffenden Protokolle und sonstiger Acten bei der mündlichen Verhandlung zu
geeigneter Zeit darzulegen.
Wenn
diese Darlegung nach Ansicht einer der Parteien in erheblichen Punkten vom
Inhalte der Acten abweicht, sind auf ihren Antrag die Beweisaufnahme-Protokolle
und die sonstigen die Beweisaufnahme betreffenden Acten dem vollen Inhalte nach
vorzulesen.
Den
Parteien bleibt es unbenommen, schon vor dieser Darlegung des Vorsitzenden in
ihren Vorträgen auf den Inhalt der Beweisaufnahme-Acten Bezug zu nehmen.
Verfahren
bei der Beweisaufnahme.
§. 288.
Für die zum Zwecke einer Beweisaufnahme erforderlichen Ladungen und für alle
anderen zur Beweisaufnahme erforderlichen Vorkehrungen hat, falls die
Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gerichte stattfindet, der Vorsitzende des
Senates, außerdem aber der Richter, welchem die Beweisaufnahme obliegt, von
amtswegen Sorge zu tragen. Letzterer hat auch die Tagsatzung für die
Beweisaufnahme von amtswegen anzuberaumen.
(410)
Die Parteien können die von ihnen benannten Zeugen oder die Personen, welche
sie dem Gerichte bei der Verhandlung als Zeugen namhaft machen oder als
Sachverständige in Vorschlag bringen wollen, auch ohne vorherige gerichtliche
Vorladung zur Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte mitbringen.
§.
289. Die Parteien können bei der Beweisaufnahme zugegen sein; sie können an die
Zeugen und Sachverständigen diejenigen Fragen durch den Vorsitzenden oder den
die Beweisaufnahme leitenden Richter stellen lassen oder mit deren Zustimmung
selbst stellen, welche sie zur Aufklärungoder Vervollständigung der Aussage,
sowie zur Aufklärung des Streitverhältnisses oder der für die Beweiskraft der
Aussagen wesentlichen Verhältnisse für dienlich erachten. Fragen, welche dem
Richter unangemessen erscheinen, hat er zurückzuweisen.
Mit
der Beweisaufnahme ist, soweit dies nach Lage der Sache geschehen kann,
vorzugehen, wenn auch keine der verständigten Parteien erschienen ist. Es kann
jedoch vom erkennenden Gerichte, oder, so lange die Beweisaufnahme noch nicht
beendet ist, auch von dem beauftragten oder ersuchten Richter eine Ergänzung
der Beweisaufnahme zugelassen werden, wenn die Partei glaubhaft macht, dass ihr
durch ein unvorhergesehenes Ereignis verursachtes Nichtererscheinen eine
wesentliche Unvollständigkeit der Beweisaufnahme zur Folge hatte und wenn
zugleich die Ergänzung der Beweisaufnahme ohne erhebliche Verzögerung des
Rechtsstreites stattfinden kann.
§.
290. Aus dem Umstande, dass die von einer ausländischen Behörde vorgenommene
Beweisaufnahme nach den ausländischen Gesetzen mangelhaft ist, kann gegen
dieselbe dann kein Einwand erhoben werden, wenn die Beweisaufnahme den für das
Processgericht geltenden Gesetzen entspricht.
§.
291. Gegen Beschlüsse, durch welche angebotene Beweise oder gemäß §. 278,
Absatz 2, neue thatsächliche Anführungen und Beweisanbietungen zurückgewiesen,
Beweisaufnahmen angeordnet oder einem beauftragten Richter übertragen oder zum
Zwecke der Beweisaufnahme Ersuchschreiben erlassen werden, ferner gegen
Beschlüsse, durch welche Fragen der Parteien bei der Beweisaufnahme
zurückgewiesen werden, endlich gegen Beschlüsse, durch welche die Benützung
eines Beweises nach §. 279, Absatz 2, bewilligt oder ausgeschlossen oder eine
nach §. 286, Absatz 2, in Antrag gebrachte Ergänzung der Beweisaufnahme
verweigert wird, ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Beschlüsse,
durch welche die stenographische Aufzeichnung einer Beweisaufnahme gestattet,
dem Beweisführer die Bestellung eines Ersuchschreibens gemäß §. 283, Absatz 1,
übertragen, oder für die Beweisaufnahme oder für die Vorlage der Acten über
eine außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes stattfindende
Beweisaufnahme eine Frist bestimmt wird, ferner Beschlüsse, durch welche die
Ergänzung oder Wiederholung einer Beweisaufnahme angeordnet wird, können durch
ein Rechtsmittel überhaupt nicht angefochten werden.
Dritter
Titel.
Beweis
durch Urkunden.
Beweiskraft
der Urkunden.
§.
292. Urkunden, welche im Geltungsgebiete dieses Gesetzes von einer öffentlichen
Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit
öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen
Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form errichtet sind (öffentliche
Urkunden), begründen vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich
verfügt oder erklärt, oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird.
Das Gleiche gilt von den Urkunden, welche zwar außerhalb des Geltungsgebietes
dieses Gesetzes, jedoch innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse von solchen
öffentlichen Organen errichtet wurden, die einer Behörde unterstehen, welche im
Geltungsgebiete dieses Gesetzes ihren Sitz hat.
Der
Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Thatsache
oder der unrichtigen Beurkundung ist zufällig.
§.
293. Gleiche Beweiskraft haben auch andere Urkunden, welche durch besondere
gesetzliche Vorschriften als öffentliche Urkunden erklärt sind.
Die
außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes errichteten Urkunden, welche am
Orte ihrer Errichtung als öffentliche Urkunden gelten, genießen unter der
Voraussetzung der Gegenseitigkeit auch im Geltungsgebiete dieses Gesetzes die
Beweiskraft öffentlicher Urkunden, wenn sie mit den vorgeschriebenen
Beglaubigungen versehen sind.
§.
294. Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben
oder mit ihrem gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichen versehen
sind, vollen Beweis dafür, dass die in denselben enthaltenen Erklärungen von
den Ausstellern herrühren.
(411)
§. 295. Die Voraussetzungen, die Dauer und das Maß der Beweiskraft der
Handelsbücher, der Tagebücher und Schlussnoten der Handelsmäkler sind nach den
bestehenden Gesetzen zu beurtheilen. Eine erforderliche Ergänzung des Beweises
kann nur durch die nach diesem Gesetze zulässigen Beweismittel stattfinden.
Den Handelsbüchern,
welche außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes nach den am Orte der
Buchführung geltenden Vorschriften geführt werden, kommt eine Beweiskraft nicht
in größerem Maße und nicht auf eine längere Dauer zu, als an jenem Orte den im
Geltungsgebiete dieses Gesetzes geführten Handelsbüchern eingeräumt wird.
Inwiefern
ein über den Betrieb einer Wirtschaft, eine Gewerbes oder eines anderen
geschäftlichen Unternehmens geführtes Buch in Beziehung auf seinen Inhalt und
die den Eintragungen zugrunde liegenden Acte und Geschäfte Beweis macht, hat
das Gericht nach §. 272 zu beurtheilen.
§.
296. Ob und in welchem Maße Durchstreichungen, Radirungen und andere
Auslöschungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel einer Urkunde deren
Beweiskraft mindern oder dieselbe ganz aufheben, hat das Gericht nach §. 272 zu
beurtheilen.
Beweisantretung.
§.
297. Urkunden, aufwelche sich eine Partei zum Beweise ihrer Angaben beruft, hat
sie dem Gerichte vorzulegen, falls nicht nach den Bestimmungen dieses Gesetzes
das Gericht selbst die Herbeischaffung und Vorlegung der Urkunden zu
veranlassen hat.
Vorlegung
der Urkunde durch den Beweisführer.
§.
298. Urkunden sind in der Weise vorzulegen, dass das Gericht und die
Gegenpartei von dem ganzen Inhalte der Urkunden Einsicht nehmen können.
Kommen
nur einzelne Theile einer sich auf verschiedene Rechtsverhältnisse beziehenden
Urkunde in Betracht, so kann das Gericht, nachdem es vom ganzen Inhalte der
Urkunde Einsicht genommen hat, auf Antrag anordnen, dass dem Gegner außer dem
Eingange, dem Schlusse, dem Datum und der Unterschrift, nur diejenigen Stellen
vorgewiesen werden, welche für das, den Gegenstand des Streites bildende
Rechtsverhältnis von Belang sind.
Der
Gegner des Beweisführers ist zur Erklärung über die vorgelegte Urkunde
aufzufordern.
§.
299. Hat die Partei nur eine Abschrift der Urkunde vorgelegt, so kann ihr auf
Antrag der Gegenpartei oder von amtswegen die Vorlage der Urschrift aufgetragen
werden. Ob und inwieweit ungeachtet der Nichtbefolgung dieses Auftrages der
vorgelegten Abschrift infolge ihrer Beglaubigung, ihres Alters, ihres
Ursprunges oder aus anderen Gründen Glauben beizumessen ist, hat das Gericht
nach seinem Ermessen zu entscheiden. Hiebei sind die für die Unterlassung der
Vorlage der Urschrift geltend gemachten Gründe und die sonstigen Umstände des
einzelnen Falles sorgfältig zu würdigen.
§.
300. Wenn die Vorlegung der Urschrift einer Urkunde in der mündlichen
Verhandlung wegen erheblicher Hindernisse nicht erfolgen kann, oder wegen der
Wichtigkeit der Urkunde und der Besorgnis ihres Verlustes oder ihrer
Beschädigung bedenklich erscheint, so kann das Gericht auf Antrag oder von
amtswegen anordnen, dass die Urkunde einem beauftragten oder ersuchten Richter
vorgelegt werde.
Das
Gericht hat in diesem Falle zu bestimmen, welche Umstände durch das über die
Amtshandlung des beauftragten oder ersuchten Richters aufzunehmende Protokoll
zu bestätigen sind; es kann auch anordnen, dass mit dem Protokolle eine
Abschrift oder ein Auszug der Urkunde vorgelegt werde.
Von
der seitens des beauftragten oder ersuchten Richters zur Vorlage der Urkunde
anberaumten Tagsatzung ist der Gegner des Beweisführers rechtzeitig zu
verständigen. Wird die Urkunde bei dieser Tagsatzung nicht vorgelegt, so kann
der Fortgang des Processes durch die Rücksicht auf dieses Beweismittel nicht
weiter aufgehalten werden.
§.
301. Der Antrag, die Vorlage einer als Beweismittel zu benützenden Urkunde zu
veranlassen, welche sich bei einer öffentlichen Behörde oder in Verwahrung
eines Notars befindet und deren Ausfolgung oder Vorlage die Partei im Wege
unmittelbaren Einschreitens nicht zu erlangen vermag, kann auch während der
mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Wird
diesem Antrage stattgegeben, so hat der Vorsitzende die zur Herbeischaffung der
Urkunde geeigneten Verfügungen zu treffen.
§.
302. Nach erfolgter Vorlegung einer Urkunde kann der Beweisführer auf dieses
Beweismittel nur mit Zustimmung des Gegners verzichten.
Vorlegung
der Urkunde durch den Gegner.
(412)
§. 303. Wenn eine Partei behauptet, dass sich eine für ihre Beweisführung
erhebliche Urkunde in den Händen des Gegners befindet, so kann auf ihren Antrag
das Gericht dem Gegner die Vorlage der Urkunde durch Beschluss auftragen.
Die
antragstellende Partei hat eine Abschrift der vom Gegner vorzulegenden Urkunde
beizubringen oder, wenn sie dies nicht vermag, den Inhalt der Urkunde möglichst
genau und vollständig anzugeben, sowie die Thatsachen anzuführen, welche durch
die vorzulegende Urkunde bewiesen werden sollen. Desgleichen sind die Umstände
darzulegen, welche den Besitz der Urkunde seitens des Gegners wahrscheinlich
machen.
Der
Entscheidung über den Antrag hat, wenn derselbe außerhalb der mündlichen
Verhandlung gestellt wird, eine mündliche oder schriftliche Einvernehmung des
Gegners vorauszugehen.
§.
304. Die Vorlage der Urkunde kann nicht verweigert werden:
1.
wenn der Gegner selbst auf die Urkunde zum Zwecke der Beweisführung im Processe
Bezug genommen hat;
2.
wenn der Gegner nach bürgerlichem Rechte zur Ausfolgung oder Vorlage der Urkunde
verpflichtet ist;
3.
wenn die Urkunde ihrem Inhalte nach eine beiden Parteien gemeinschaftliche ist.
Als
gemeinschaftlich gilt eine Urkunde insbesondere für die Personen, in deren
Interesse sie errichtet ist oder deren gegenseitige Rechtsverhältnisse darin
bekundet sind. Als gemeinschaftlich gelten auch die über die Rechtsgeschäft
zwischen den Betheiligten oder zwischen einem derselben und dem gemeinsamen
Vermittler des Geschäftes gepflogenen schriftlichen Verhandlungen.
§.
305. Die Vorlage anderer Urkunden kann verweigert werden:
1.
wenn der Inhalt Angelegenheiten des Familienlebens betrifft;
2.
wenn der Gegner durch die Vorlage der Urkunde eine Ehrenpflicht verletzen
würde;
3.
wenn das Bekanntwerden der Urkunde der Partei oder dritten Personen zur Schande
gereichen oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen würde;
4.
wenn die Partei durch die Vorlage der Urkunde eine staatlich anerkannte Pflicht
zur Verschwiegenheit, von der sie nicht giltig entbunden wurde, oder ein Kunst-
oder Geschäftsgeheimnis verletzen würde;
5.
wenn andere gleich wichtige Gründe vorhanden sind, welche die Verweigerung der
Vorlage rechtfertigen.
§.
306. Leugnet der Gegner den Besitz der Urkunde und erachtet das Gericht die
durch die Urkunde zu beweisenden Thatsachen erheblich und zugleich die
Verpflichtung zur Vorlage der Urkunde als bestehend, so kann die Vernehmung und
eidliche Anhörung des Gegners durch gerichtlichen Beschluss zu dem Zwecke
angeordnet werden, um zu ermitteln, ob der Gegner die Urkunde besitze oder doch
wisse, wo dieselbe zu finden sei, oder ob die Urkunde nicht etwa von ihm oder
auf seine Veranlassung, um sie dem Beweisführer zu entziehen, beseitigt oder
zur Benützung untauglich gemacht worden sei.
Welchen
Einfluss es auf die Beurtheilung des Falles hat, wenn der Gegner dem Auftrage
zur Vorlage der Urkunde, deren Besitz er zugegeben hat, nicht nachkommt oder
wenn er bezüglich einer Urkunde, deren Besitz er leugnet, die Vernehmung oder
die eidliche Aussage ablehnt oder wenn aus seiner Aussage hervorgeht, dass die
Urkunde absichtlich beseitigt oder untauglich gemacht worden sei, ob
insbesonders in diesen Fällen die Angaben des Beweisführers über den Inhalt der
Urkunde als erwiesen anzusehen seien, bleibt dem durch sorgfältige Würdigung aller
Umstände geleiteten richterlichen Ermessen überlassen.
Vorlegung
der Urkunde durch einen Dritten.
§.
308. Wenn sich eine zur Beweisführung benöthigte Urkunde in der Hand eines
Dritten befindet, welcher nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes oder deshalb
zur Herausgabe und Vorlage der Urkunde verpflichtet ist, weil dieselbe ihrem
Inhalte nach eine für den Beweisführer und den Dritten gemeinschaftliche ist
(§. 304), so kann letzterem auf Antrag des Beweisführers vom Processgerichte
durch Beschluss aufgetragen werden, die Urkunde innerhalb einer ihm zugleich zu
bestimmenden Frist auf Kosten des Beweisführers bei dem Processgerichte behufs
Benützung bei der mündlichen Verhandlung zu hinterlegen.
Über
einen solchen Antrag hat das Processgericht nach Anhörung des Gegners und des
angeblichen
(413)
dritten Besitzers der Urkunde zu entscheiden; falls letzterer den Besitz der
Urkunde leugnet, kann dem Antrage nur dann stattgegeben werden, wenn die
antragstellende Partei glaubhaft macht, dass sich die Urkunde in der Hand des
Dritten befindet. Zum Zwecke der Einvernehmung der Betheiligten kann vom
Processgerichte eine besonderer Tagsatzung angeordnet werden. Der Beschluss ist
nach Eintritt der Rechtskraft und nach Ablauf der angeordneten Vorlageschrift
vollstreckbar.
Bei
Zurückweisung des Antrages sind dem angeblichen Besitzer der Urkunde auf sein
Verlangen die ihm durch das Verfahren verursachten nothwendigen Kosten zu
ersetzen.
§.
309. Muss der angebliche Besitzer der Urkunde im Wege der Klage zur Herausgabe
und Vorlage der Urkunde verhalten werden, weil nicht glaubhaft gemacht werden
kann, dass sich die Urkunde in seiner Hand befindet oder weil die Entscheidung
über das Vorhandensein der Pflicht zur Herausgabe und Vorlage der Urkunde die
vorgängige Ermittlung und Feststellung streitiger Thatumstände verlangt, so
kann das Processgericht, wenn es die durch die Urkunde zu beweisenden
Thatsachen für erheblich hält, auf Antrag anordnen, dass mit der Fortsetzung
der mündlichen Verhandlung bis nach Ablauf der gleichzeitig dem Beweisführer
zur Vorlegung der Urkunde zu bestimmenden Frist gewartet werde (§. 279).
Der
Gegner des Beweisführers kann jedoch noch vor Ablauf dieser Frist die
Fortsetzung der Verhandlung beantragen, wenn die Klage des Beweisführers gegen
den Dritten früher erledigt ist, oder der Beweisführer die Erhebung der Klage
oder die Betreibung des Processes oder der Execution verzögert.
Die
Vorlegung der Urkunde geschieht auf Kosten des Beweisführers.
Echtheitsbeweis.
§.
310. Urkunden, welche sich nach Form und Inhalt als öffentliche Urkunden
darstellen, haben die Vermuthung der Echtheit für sich.
Hält
das Gericht die Echtheit für zweifelhaft, so kann es auf Antrag oder von
amtswegen die Behörde oder die Person, von welcher die Urkunde errichtet sein
soll, zu einer Erklärung über die Echtheit veranlassen. Lässt sich der Zweifel
an der Echtheit der Urkunde nicht auf diese Art beseitigen, so obliegt der
Beweis ihrer Echtheit demjenigen, der diese Urkunde als Beweismittel gebrauchen
will.
§.
311. Ob eine Urkunde, welche sich als von einer ausländischen Behörde oder von
einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet
darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei, hat das Gericht nach
den Umständen des Falles zu ermessen.
Zum
Beweise der Echtheit einer solchen Urkunde genügt, sofern nicht durch besondere
Bestimmungen etwas anderes festgesetzt ist, die Beglaubigung durch das
Ministerium des Äußern oder durch einen österreichisch-ungarischen Gesandten
oder Konsul.
§.
312. Die Echtheit einer Privaturkunde gilt als unbestritten, wenn der Gegner
des Beweisführers es unterlassen hat, sich über die Echtheit der Urkunde zu
erklären, soferne nicht die Absicht, die Echtheit zu bestreiten, aus den
übrigen Erklärungen des Gegners hervorgeht. Befindet sich auf der Urkunde eine
Namensunterschrift, so hat sich der Gegner des Beweisführers unter der gleichen
Rechtsfolge auch über die Echtheit der Unterschrift zu erklären.
Die
bestrittene Echtheit einer Privaturkunde oder einer auf derselben befindlichen
Namensunterschrift ist von demjenigen zu beweisen, der die Urkunde als
Beweismittel gebrauchen will.
§.
313. Eine Partei, welche die Echtheit einer Urkunde in muthwilliger Weise
bestritten hat, ist in eine Muthwillensstrafe zu verfällen.
Schriftvergleichung.
§.
314. Der Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kann auch durch
Schriftvergleichung geführt werden.
Als
Vergleichungsschriften können nur solche Schriftstücke benützt werden, deren
Echtheit unbestritten ist oder doch ohne erhebliche Verzögerung dargethan
werden kann.
Die
Bestimmungen dieses Gesetzes über die Vorlegung von Beweisurkunden sind auch in
Ansehung der Vorlegung von Vergleichungsschriften anzuwenden.
Mangelt
es an zureichenden Vergleichungsschriften, so kann derjenigen Partei, über
deren Handschrift der Beweis der Echtheit hergestellt werden soll, aufgetragen
werden, vor Gericht oder vor einem beauftragten oder ersuchten Richter eine
Anzahl von ihr zu bezeichnenden Worten niederzuschreiben.
Das
Niedergeschriebene ist dem Verhandlungsprotokoll beizulegen. Welchen Einfluss
es auf die Herstellung des Beweises hat, wenn die Partei einem solchen
richterlichen Auftrage keine Folge leistet oder mit offenbar entstellter
Schrift schreibt, bleibt der richterlichen Beurtheilung überlassen.
(414)
§. 315. Die Vergleichung der Handschriften kann das Gericht selbst vornehmen
oder, wenn sich ihm Zweifel ergeben, das Gutachten von Sachverständigen
einholen.
Über
das Ergebnis der Schriftvergleichung ist vom Gerichte nach freier Überzeugung
zu entscheiden.
Gerichtliche
Aufbewahrung von Urkunden.
§.
316. Urkunden, deren Echtheit bestritten ist oder deren Inhalt verändert sein
soll, können bis zur rechtskräftigen Erledigung des Processes bei Gericht zurückbehalten
werden, sofern nicht ihre Ausfolgung an eine andere Behörde im Interesse der
öffentlichen Ordnung erforderlich ist.
Erneuerung
von Urkunden.
§.
317. Wird eine Privaturkunde unleserlich oder schadhaft, so kann deren Inhaber
oder jeder andere Betheiligte vom Aussteller der Urkunde begehren, dass
dieselbe auf Kosten des Antragstellers gerichtlich erneuert werde. Hierzu sind
alle Personen zu laden, wider welche die Urkunde nach Lage der Sache zum
Beweise dienen soll.
Im
Falle der Weigerung kann der Aussteller zu solcher Erneuerung nur im Wege der
Klage verhalten werden.
Auskunftssachen.
§.
318. Inwieweit durch Denkmäler, Grenzzeichen, Marksteine, Aich- und Heimpfähle
und ähnliche Zeichen oder durch Kerb- oder Spannhölzer, welche die Parteien für
ihren Verkehr erwiesenermaßen gebraucht haben, ein Beweis geliefert werde, hat
das Gericht nach sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurtheilen.
Die
Bestimmungen der §§. 303 bis 309 sind auch auf die Vorlegung von
Auskunftssachen sinngemäß anzuwenden.
§.
319. Gegen die zufolge §§. 298, 299, 300, 301, 309, Absatz 1 und 2, 310, 314
und 315 ergehenden gerichtlichen Beschlüsse, Anordnungen und Aufträge ist ein
Rechtsmittel nicht zulässig.
Die
gemäß §§. 303, 307 und 316 gefassten Beschlüsse können durch ein abgesondertes
Rechtsmittel nicht angefochten werden.
Vierter
Theil.
Beweis
durch Zeugen.
Unzulässigkeit
und Verweigerung des Zeugnisses.
§.
320. Als Zeugen dürfen nicht vernommen werden:
1.
Personen, welche zur Mittheilung ihrer Wahrnehmungen unfähig sind, oder welche
zur Zeit auf welche sich ihre Aussage beziehen soll, zur Wahrnehmung der zu
beweisenden Thatsache unfähig waren;
2.
Geistliche in Ansehung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem
Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde;
3.
Staatsbeamte, wenn sie durch ihre Aussage das ihnen obliegende Amtsgeheimnis
verletzen würden, insofern sie der Pflicht zur Geheimhaltung nicht durch ihre
Vorgesetzten entbunden sind.
§.
321. Die Aussage darf von einem Zeugen verweigert werden:
1.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten oder einer Person,
mit welcher der Zeuge in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten
Grade verwandt oder verschwägert, oder mit welcher er durch Adoption verbunden
ist, ferner seinen Pflegeeltern und Pflegekindern, sowie seinem Vormunde oder
Mündel zur Schande gereichen oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung
zuziehen würde;
2.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer der in Z. 1 bezeichneten
Personen einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Nachtheil zuziehen würde;
3.
in Bezug auf Thatsachen, über welche der Zeuge nicht würde aussagen können,
ohne eine ihm obliegende staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit zu
verletzen, insoferne er hievon nicht giltig entbunden wurde;
4.
in Ansehung desjenigen, was dem Zeugen in seiner Eigenschaft als Advocat von
seiner Partei anvertraut wurde;
5.
über Fragen, welche der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst-
oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren.
Die
Aussage kann in den unter Z. 1 und 2 angegebenen Fällen mit Rücksicht auf die
daselbst bezeichneten Angehörigen auch dann verweigert werden, wenn das
eheliche Verhältnis, welches die Angehörigkeit begründet, nicht mehr besteht.
(415)
§. 322. Über Errichtung und Inhalt von Rechtsgeschäften, bei welchen der Zeuge
als Urkundsperson beigezogen worden ist, über Thatsachen, welche die durch das
Ehe- oder Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen, über
Geburten, Verheiratungen oder Sterbefälle der im §. 321, Z. 1, bezeichneten
Angehörigen, endlich über Handlungen, welche der Zeuge in Betreff des
streitigen Rechtsverhältnisses als Rechtsvorgänger oder Vertreter einer der
Parteien vorgenommen hat, darf das Zeugnis wegen eines zu besorgenden vermögensrechtlichen
Nachtheiles nicht verweigert werden.
§.
323. Ein Zeuge, welcher die Aussage ganz oder über einzelne Fragen verweigern
will, hat die Gründe der Weigerung mündlich oder schriftlich vor der zu seiner
Vernehmung bestimmten Tagsatzung oder bei dieser Tagsatzung selbst anzugeben,
und wenn ein Widerspruch erfolgt, glaubhaft zu machen.
Im
ersteren Falle ist ein solches Vorbringen des Zeugen den Parteien, soweit
thunlich, noch vor der zur Vernehmung bestimmten Tagsatzung bekannt zu geben.
§.
324. Über die Rechtmäßigkeit der Weigerung hat, wenn die Weigerung vor dem
erkennenden Gerichte vorgebracht wurde, dieses selbst, sonst aber der
beauftragte oder ersuchte Richter, vor welchem die Weigerung erfolgte, mittels
Beschluss zu entscheiden. Vor der Entscheidung kann das Gericht die Parteien
hören.
Bei
etwaigen Verhandlungen über die Rechtmäßigkeit der Weigerung braucht sich der
Zeuge nicht durch einen Advocaten vertreten zu lassen. Hat er seine Weigerung
schriftlich oder zu gerichtlichem Protokoll erklärt, so ist sein Vorbringen bei
der Entscheidung auch dann zu berücksichtigen, wenn er bei der zu seiner
Einvernehmung anberaumten Tagsatzung nicht erscheint.
§.
325. Wird das Zeugnis ohne Angabe von Gründen verweigert oder beharrt der Zeuge
auf seiner Weigerung auch, nachdem dieselbe als nicht gerechtfertigt erkannt
worden ist, oder wird die Ableistung des geforderten Zeugeneides verweigert, so
kann der Zeuge auf dem Wege der zur Erzwingung einer Handlung zulässigen
Execution von amtswegen durch Geldstrafen oder durch Haft zur Aussage verhalten
werden. Die Haft darf nicht über den Zeitpunkt der Beendigung des Processes in
der Instanz verlängert werden und in keinem Falle die Dauer von sechs Wochen
überschreiten.
Die Entscheidung,
dass gegen den Zeugen mit der Execution vorzugehen sei, sowie die Anordnung der
einzelnen Zwangsmittel steht dem erkennenden Gerichte, wenn aber die Vernehmung
durch einen ersuchten Richter geschehen soll, diesem zu. Vor der
Beschlussfassung ist der Zeuge zu hören.
§.
326. Die Beschlussfassung darüber, ob und in welcher Weise der Fortgang des
Verfahrens in der Hauptsache durch die ungerechtfertigte Weigerung der Aussage,
der Ableistung des Zeugeneides oder durch die deshalb wider den Zeugen eingeleiteten
Zwangsmaßregeln beeinflusst werde, steht dem erkennenden Gerichte zu. Der
beauftragte oder ersuchte Richter hat deshalb das Processgericht von diesen
Vorfällen jederzeit ohne Aufschub in Kenntnis zu setzen. Die Entscheidung des
erkennenden Gerichtes kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen.
In
allen Fällen ungerechtfertigter Weigerung haftet der Zeuge beiden Parteien für
den ihnen durch die Vereitlung oder Verzögerung der Beweisführung verursachten
Schaden; er ist insbesondere auch zum Ersatze aller durch seine Weigerung
verursachten Kosten verpflichtet.
Wenn
die Weigerung des Zeugen eine muthwillige war, ist gegen den Zeugen überdies
eine Muthwillensstrafe zu verhängen. Die Beschlussfassung über die Pflicht zum
Kostenersatz steht dem erkennenden Gerichte zu; zur Verhängung von
Muthwillensstrafen ist auch der beauftragte oder ersucht Richter berechtigt.
Würdigung der Zeugenaussage.
§.
327. Alle Umstände, welche auf die Unbefangenheit des Zeugen und die
Glaubwürdigkeit seiner Aussage von Einfluss sind, hat das Gericht nach freier
Überzeugung sorgfältig zu würdigen.
Beweisaufnahme durch den beauftragten oder ersuchten
Richter.
§.
328. Die Aufnahme des Zeugenbeweises kann durch einen beauftragten oder
ersuchten Richter erfolgen:
1.
wenn die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle der Ermittlung der Wahrheit
förderlich erscheint;
2.
wenn die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gerichte erheblichen
Schwierigkeiten unterliegen würde;
3.
wenn die Vernehmung des Zeugen vor dem erkennenden Gerichte mit Rücksicht auf
die dem Zeugen zu gewährende Entschädigung für Zeitversäumnis und die ihm zu
erstattenden Kosten der Reise und des Aufenthaltes am Orte der Vernehmung einen
unverhältnismäßig großen Aufwand verursachen würde;
4.
wenn der Zeuge an dem Erscheinen vor dem erkennenden Gerichte gehindert ist.
(416)
Ein Zeuge, welcher infolge Krankheit, Gebrechlichkeit oder aus anderen Gründen
außerstande ist, seine Wohnung zum Zwecke der Vernehmung zu verlassen, oder
welcher infolge bestehender Anordnungen nicht verpflichtet ist, zur Abgabe
einer Zeugenaussage in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten im Gerichtshause zu
erscheinen, wird in seiner Wohnung vernommen.
Mitglieder
des kaiserlichen Hauses werden als Zeugen durch den Obersthofmarschall oder
außer Wien durch den Präsidenten des Kreis- oder Landesgerichtes ihres
Aufenthaltsortes in ihrer Wohnung vernommen.
Ungeachtet
der im Absatze 1, Z. 3, bezeichneten Umstände sind Zeugen auf Antrag zur
Vernehmung vor das erkennende Gericht zu laden, wenn sich eine Partei bereit
erklärt, den damit verbunden Aufwand, soweit derselbe die Kosten der
Beweisaufnahme durch den ersuchten Richter übersteigt, ohne Anspruch auf Ersatz
zu bestreiten. Der Vorsitzende kann anordnen, dass die antragstellende Partei
innerhalb einer bestimmten Frist einen von ihm zu bestimmenden Betrag zur
Deckung dieses Aufwandes vorschussweise erlege (§. 332, Absatz 2).
Ladung.
§.
329. Die Ladung eines Zeugen ist vom Gerichte auszufertigen.
Die
Ladung hat nebst der Benennung der Parteien und einer kurzen Bezeichnung des
Gegenstandes der Vernehmung die Aufforderung zu enthalten, zur Ablegung eines
Zeugnisses bei der gleichzeitig nach Ort und Zeit bestimmten Tagsatzung zu
erscheinen. In der Ladungsurkunde sind die gesetzlichen Bestimmungen über die
Zeugengebüren sowie die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens bekannt zu geben.
§.
330. Die Ladung einer in activer Dienstleistung stehenden Person der
bewaffneten Macht erfolgt mittels eines an das vorgesetzte Commando des Zeugen
oder an das nächste Militärstationscommando gerichteten Ersuchens.
Ladungen
an selbständige Commandanten der Gendarmerie, der Militärpolizeiwache und der
Sicherheitswache sind den Commandanten unmittelbar zuzustellen. Wegen der
Zustellung der Ladung an andere Mitglieder dieser Körper ist sich an deren
Vorgesetzte zu wenden.
§.
331. Steht die als Zeuge zu ladende Person in einem öffentlichen Amte oder
Dienste und muss voraussichtlich zur Wahrung der Sicherheit oder anderer
öffentlicher Interessen eine Stellvertretung während der Verhinderung dieser
Person eintreten, so ist gleichzeitig deren unmittelbarer Vorgesetzter von der
ergangenen Ladung zu benachrichtigen.
Diese
Bestimmung ist auch dann anzuwenden, wenn ein Angestellter oder Bediensteter
einer mit mechanischen Motoren betriebenen Transportanstalt, ein Berg-, Hütten-
oder Walzwerksarbeiter oder eine im Privatforstdienste stehende Person zu laden
sind.
§.
332. Ist einem Zeugen voraussichtlich eine Vergütung zu leisten, so kann der
Vorsitzende oder der beauftragte oder ersuchte Richter anordnen, dass der
Beweisführer innerhalb einer bestimmten Frist einen von ihnen zu bestimmenden
Betrag zur Deckung des durch die Vernehmung des Zeugen entstehenden Aufwandes
vorschussweise erlege.
Bei
nicht rechtzeitigem Erlage kann die Ausfertigung der Ladung unterbleiben und
die Verhandlung auf Antrag des Gegners ohne Rücksicht auf die ausstehende
Beweisaufnahme fortgesetzt werden (§. 279).
Folgen des Ausbleibens.
§.
333. Gegen einen ordnungsmäßig geladenen Zeugen, welcher bei der zur Vernehmung
bestimmten Tagsatzung ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint, ist durch
das erkennende Gericht oder durch den beauftragten oder ersuchten Richter die
Verpflichtung zum Ersatze aller durch sein Ausbleiben verursachten Kosten durch
Beschluss auszusprechen; außerdem ist der Zeuge unter gleichzeitiger Verhängung
einer Ordnungsstrafe neuerlich zu laden. Im Falle wiederholten Ausbleibens ist
die Ordnungsstrafe innerhalb des gesetzlichen Ausmaßes zu verdoppeln und die
zwangsweise Vorführung des Zeugen anzuordnen.
Erfolgt
nachträglich eine genügende Entschuldigung des Nichterscheinens, so sind die
wider den Zeugen verhängten Ordnungsstrafen wieder aufzuheben; außerdem können
dem Zeugen die zum Ersatze auferlegten Kosten ganz oder theilweise erlassen
werden.
Wenn
eine der im §. 330 bezeichneten Personen der Ladung nicht Folge leistet, so hat
sich der die Beweisaufnahme leitende Richter wegen Verfügung der Bestrafung und
wegen Vorführung des Zeugen an dessen Vorgesetzte zu wenden.
Der
ungehorsame Zeuge haftet überdies für allen den Parteien durch die ihm zur Last
fallende Vereitlung oder Verzögerung der Beweisführung verursachten Schaden.
§.
334. Die Feststellung der vom Zeugen in den Fällen der §§. 326 und 333 zu ersetzenden
Kosten muss unter Vorlage des Kostenverzeichnisses bei sonstigem Ausschlusse
binnen acht Tagen nach Rechtskraft des
(417)
Beschlusses angesucht werden, durch welchen der Zeuge zum Kostenersatze
verpflichtet wurde. Dem beauftragten oder ersuchten Richter obliegt die
Feststellung des Kostenbetrages nur dann, wenn er nach den Bestimmungen dieses
Gesetzes die Verpflichtung zum Kostenersatze auszusprechen berufen war.
§.
335. Wenn die Vernehmung eines Zeugen vergeblich versucht wurde und zu besorgen
ist, dass Wiederholungen des Versuches zu neuer Verzögerung des Processes
führen würden, so hat das erkennende Gericht auf Antrag für diese
Beweisaufnahme eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablaufe die
Verhandlung auf Antrag einer der Parteien ohne Rücksicht auf den mittels dieses
Zeugen angebotenen Beweis fortzusetzen ist. Die Bestimmung der Frist steht auch
dann dem erkennenden Gerichte zu, wenn die Vernehmung des Zeugen durch einen
beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden soll. Vor der Entscheidung über
den Antrag ist der Gegner des Antragstellers zu hören.
In
Betreff der nachträglichen Vernehmung des Zeugen hat die Vorschrift des §. 279,
Absatz 2, zu gelten.
Vernehmung.
§.
336. Zeugen, welche wegen falschen Zeugnisses oder falschen Eides verurtheilt
worden sind, oder welche zur Zeit ihrer Abhörung das vierzehnte Lebensjahr noch
nicht zurückgelegt haben, endlich Personen, welche wegen mangelnder
Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Bedeutung
des Eides keine genügende Vorstellung haben, dürfen nicht beeidet werden.
Desgleichen
kann das Gericht die Beeidigung eines Zeugen unterlassen, wenn beide Parteien
auf die Beeidigung verzichten.
Die
unrechtmäßige Verweigerung des Eides zieht dieselben Folgen wie die ungerechtfertigte
Verweigerung der Aussage nach sich.
§.
337. Der Zeuge ist vor seiner Abhörung zu beeiden. Zur Aufklärung über die
persönlichen Verhältnisse des Zeugen, über die Zulässigkeit seiner Abhörung
oder Beeidigung und über den Umstand, ob er eine für die Ermittlung des
Sachverhaltes dienliche Aussage abzulegen vermöge, kann jedoch vor der
Beeidigung des Zeugen eine Befragung desselben vorgenommen werden.
Auf
Grund dieser Befragung kann das Gericht nach Anhörung der Parteien beschließen,
dass die Abhörung des Zeugen zu unterbleiben habe, oder es kann sich
vorbehalten, über die Beeidigung des Zeugen erst nach erfolgter Abhörung
desselben Beschluss zu fassen. Der beauftragte oder ersuchte Richter muß in
jedem Falle die Abhörung des Zeugen vornehmen; er kann jedoch die Entscheidung
über die Beeidigung des Zeugen bis nach erfolgter Abhörung aufschieben oder
dieselbe dem erkennenden Gerichte vorbehalten.
Wenn
sich ein Zeuge der Beantwortung von Fragen nicht entschlägt, hinsichtlich deren
er die Aussage gemäß §. 321, Z. 1 und 2, zu verweigern berechtigt wäre, kann
sich das erkennende Gericht oder der die Vernehmung leitende beauftragte oder
ersuchte Richter gleichfalls vorbehalten, über die Ablegung des Eides erst nach
erfolgter Abhörung des Zeugen zu entscheiden.
§.
338. In allen Fällen, in welchen erst nach Abhörung der Zeugen über die
Beeidigung entschieden werden soll, ist der Zeuge vor der Abhörung an die
Pflicht zur Angabe der Wahrheit, an die Heiligkeit und Bedeutung des
vorbehaltenen Eides, sowie an die strafrechtlichen Folgen einer falschen
Aussage zu erinnern.
Nach
Ablegung der Aussage kann mit Rücksicht auf die Unerheblichkeit derselben oder
auf das ihr zukommende geringe Maß von Glaubwürdigkeit vom erkennenden Gerichte
oder von dem die Vernehmung leitenden beauftragten oder ersuchten Richter
ausgesprochen werden, dass die Beeidigung unterbleibe.
Wenn
die Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter geschah, kann
das erkennende Gericht nach Einlangen einer unbeeideten Zeugenaussage die nachträgliche
Beeidigung derselben verfügen.
§.
339. Den Zeugen ist vor ihrer Vernehmung bekannt zu geben, über welche Fragen
die Aussage von einem Zeugen verweigert werden darf (§. 321).
Die
Zeugen sind einzeln in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen zu vernehmen.
Die Reihenfolge, in welcher die Abhörung stattzufinden hat, bestimmt bei
Vernehmungen vor dem erkennenden Gerichte der Vorsitzende, sonst der
beauftragte oder ersuchte Richter.
Vor
Beendigung der Vernehmung aller vorgeladenen Zeugen darf sich keiner derselben
ohne richterliche Erlaubnis entfernen.
Zeugen,
deren Aussagen von einander abweichen, können einander gegenübergestellt
werden.
(418)
§. 340. Die Vernehmung beginnt damit, dass der Zeuge über Namen, Alter,
Religion, Beschäftigung und Wohnort befragt wird. Erforderlichenfalls sind ihm
auch Fragen über solche Umstände, welche seine Glaubwürdigkeit in der
vorliegenden Sache betreffen, insbesondere über seine Beziehungen zu den
Parteien, vorzulegen.
Bei
der Abhörung hat der Vorsitzende oder der die Vernehmung leitende beauftragte
oder ersuchte Richter an den Zeugen über diejenigen Thatsachen, deren Beweis
durch seine Aussage hergestellt werden soll, sowie zur Erforschung des Grundes,
auf welchem das Wissen des Zeugen beruht, die geeigneten Fragen zu stellen.
Außer dem Vorsitzenden können, wenn die Vernehmung vor dem erkennenden Gerichte
stattfindet, auch die übrigen Mitglieder des Senates an den Zeugen Fragen
richten.
§.
341. Über die Betheiligung der Parteien an der Zeugenvernehmung gelten die Bestimmungen
des §. 289. In Ansehung derjenigen Personen, welche infolge bestehender
Anordnungen nicht verpflichtet sind, zur Abgabe einer Zeugenaussage in
bürgerlichen Rechtsangelegenheiten im Gerichtshause zu erscheinen, ist das
Fragerecht der Parteien durch rechtzeitige Mittheilung schriftlicher Fragen an
den mit der Vernehmung beauftragten Richter auszuüben.
§.
342. Wird die Zulässigkeit einer Frage bestritten oder erachtet der Vorsitzende
eine Frage als unangemessen zurückzuweisen, so entscheidet hierüber auf Antrag
der Senat. Diese Entscheidung steht auch einem beauftragten oder ersuchten
Richter zu; sie gilt jedoch in diesem Falle als eine bloß vorläufige und kann
durch das erkennende Gericht abgeändert werden.
Findet
das erkennende Gericht, dass eine bei der Vernehmung vor einem beauftragten
oder ersuchten Richter gestellte Frage unzulässig war, so kann dasselbe
aussprechen, dass die auf diese Frage ertheilte Antwort im weiteren Laufe des
Verfahrens unberücksichtigt bleibe.
§.
343. Die Aussage des Zeugen ist nach ihrem wesentlichen Inhalte, sofern es aber
nothwendig erscheint, ihrem Wortlaute nach in dem über die Tagsatzung geführten
Protokolle aufzuzeichnen. Wurde der Zeuge in einer Verhandlungstagsatzung
abgehört, so hat diese Aufzeichnung im Verhandlungsprotokolle zu geschehen.
Das
Aufgezeichnete ist dem Zeugen und den bei der Vernehmung anwesenden Parteien
zur Einsicht vorzulegen oder auf Verlangen vorzulesen.
In
dem Protokolle ist zu bemerken, ob der Zeuge vor oder nach seiner Abhörung
beeidet wurde, ob dessen Beeidigung unterblieben ist oder der Entscheidung des
erkennenden Gerichtes vorbehalten wurde, ob die Parteien und welche derselben
bei der Abhörung zugegen waren, endlich ob und welche Einwendungen von den
Parteien oder vom Zeugen gegen das Protokoll erhoben wurden.
§.
344. Das erkennende Gericht kann auf Antrag oder von amtswegen die wiederholte
Vernehmung von Zeugen insbesondere anordnen, wenn es die vom beauftragten oder
ersuchten Richter für gerechtfertigt erkannte Weigerung der Aussage oder der
Beantwortung einzelner Fragen für unzulässig erachtet, wenn Zeugen nicht
ordnungsgemäß oder nicht vollständig vernommen wurden, wenn die Aussage in
Bezug auf wesentliche Punkte an Unklarheit, Unbestimmtheit oder Zweideutigkeit
leidet, oder wenn die Zeugen selbst eine Ergänzung oder Berichtigung ihrer
Aussagen für nothwendig erachten.
Bei
wiederholter oder nachträglicher Vernehmung kann angeordnet werden, dass statt
der nochmaligen Beeidigung der Zeuge die Richtigkeit seiner Aussage unter
Berufung auf den früher abgelegten Eid zu versichern habe.
§.
345. Die Partei kann auf einen Zeugen, welchen sie vorgeschlagen hat,
verzichten. Der Gegner kann jedoch verlangen, dass der Zeuge, falls er bereits
zur Vernehmung erschienen ist, ungeachtet dieses Verzichtes vernommen oder
dessen Vernehmung, wenn sie bereits begonnen hat, fortgesetzt werde.
Zeugengebüren.
§.
346. Jeder Zeuge hat Anspruch auf Ersatz der nothwendigen Kosten, welche durch die
Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt daselbst, sowie durch die
Rückreise verursacht werden.
Eine
Entschädigung für Zeitversäumnis kann von einem Zeugen nur dann begehrt werden,
wenn ihm durch dieses Versäumnis ein empfindlicher Abbruch an seinem täglichen
Erwerbe verursacht wird.
Den
Anspruch auf eine Vergütung hat der Zeuge binnen vierundzwanzig Stunden nach
seiner Vernehmung bei Verlust dieses Anspruches geltend zu machen.
(419)
Auf Ansuchen des Zeugen kann der Vorsitzende oder der beauftragte oder der
ersuchte Richter anordnen, dass dem Zeugen ein zur Bestreitung der Reise zum
Gerichte ausreichender Vorschuss geleistet werde.
§.
347. Den Zeugen wird die Vergütung auf Grund von Gebürentarifen geleistet. Die
Bestimmung der Vergütung, sowie die wegen Auszahlung derselben erforderlichen
Verfügungen obliegen den mit diesem Geschäfte betrauten Beamten des
Processgerichtes oder des ersuchten Gerichtes. Den Parteien steht es frei, von
der Bestimmung der Vergütung Einsicht zu nehmen; sowohl die Parteien als der
Zeuge können binnen drei Tagen nach der erfolgten Bestimmung die Entscheidung
des Gerichtes begehren. Dieser Antrag kann mündlich angebracht werden.
Das
Gericht entscheidet über denselben ohne vorhergehende mündliche Verhandlung; es
kann jedoch vor der Entscheidung den Zeugen, die Parteien oder eine derselben
einvernehmen. Die Entscheidung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten
werden.
Form des Anbringens.
§.
348. Anzeigen, Gesuche und Recurse eines Zeugen können außerhalb der Tagsatzung
mittels Schriftsatzes angebracht oder mündlich zu gerichtlichem Protokoll
erklärt werden.
Rechtsmittel.
§.
349. Gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung einer
Aussage, der Ableistung des Eides oder der Beantwortung einzelner Fragen, gegen
den Beschluss, dass die Abhörung eines Zeugen zufolge §. 337 zu unterbleiben
hat, sowie gegen die im Sinne der §§. 339 bis 342 bei der Vernehmung gefassten
Beschlüsse und getroffenen Verfügungen findet ein abgesondertes Rechtsmittel
nicht statt.
Die
Entscheidung des erkennenden Gerichtes über den Fortgang des Verfahrens bei
Weigerung der Aussage oder der Eidesleistung seitens eines Zeugen, sowie über
die Fortsetzung der Verhandlung in den Fällen der §§. 332 und 335, die
Beschlüsse, durch welche die Ladung eines Zeugen oder dessen Vorführung
angeordnet oder behufs Erlegung eines Vorschusses für die dem Zeugen zu
gewährende Vergütung (§. 332) eine Frist bestimmt wird, die Beschlüsse, durch
welche die Leistung eines Vorschusses an den Zeugen aufgetragen wird (§. 346),
sowie die über die Beeidigung eines Zeugen gefassten Beschlüsse können durch
ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.
Sachverständige Zeugen.
§.
350. Die Vorschriften über den Zeugenbeweis finden auch Anwendung, insoweit zum
Beweise vergangener Thatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine
besondere Sachkunde erforderlich war, solche sachkundige Personen zu vernehmen
sind.
Fünfter Titel.
Beweis durch Sachverständige.
Bestellung der Sachverständigen.
§.
351. Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige nothwendig, so hat
das erkennende Gericht einen oder mehrere Sachverständige, sofort nach
Einvernehmung der Parteien über deren Person, zu bestellen. Hiebei ist, sofern
nicht besondere Umstände etwas anderes nothwendig machen, vor allem auf die für
Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellten Sachverständigen Bedacht zu
nehmen.
Das
Gericht kann an Stelle des oder der zuerst bestellten Sachverständigen andere
ernennen.
§.
352. Wenn ein durch Sachverständige zu besichtigender Gegenstand nicht vor das
erkennende Gericht gebracht werden kann, oder die Aufnahme des
Sachverständigenbeweises vor demselben aus anderen Gründen erheblichen
Schwierigkeiten unterliegen würde, so kann dieselbe durch einen beauftragten
oder ersuchten Richter erfolgen.
Die
Bestimmung der Anzahl der Sachverständigen sowie die Auswahl der
Sachverständigen kann in diesem Falle dem mit der Beweisaufnahme betrauten
Richter überlassen werden; ferner kann die Auswahl, wenn dies zur Vermeidung
von Verzögerungen oder eines unverhältnismäßigen Aufwandes dienlich erscheint,
ohne vorgängige Vernehmung der Parteien geschehen. Die Namen der bestellten
Sachverständigen sind den Parteien vom beauftragten oder ersuchten Richter
gleichzeitig mit der Verständigung vor der zur Beweisaufnahme bestimmten
Tagsatzung bekannt zu geben.
§.
353. Der Bestellung zum Sachverständigen hat derjenige Folge zu leisten,
welcher zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt
ist oder welcher die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis
Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt
oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist.
(420)
Aus denselben Gründen, welche einen Zeugen zur Verweigerung der Aussage berechtigen,
kann die Enthebung von der Bestellung als Sachverständiger begehrt werden.
Öffentliche
Beamten sind überdies auch dann zu entheben, wenn ihnen die Verwendung als
Sachverständige von ihren Vorgesetzten aus dienstlichen Rücksichten untersagt
wird oder wenn sie durch besondere Anordnungen der Pflicht, sich als
Sachverständige verwenden zu lassen, enthoben sind.
Folgen des Nichterscheinens und der Weigerung.
§.
354. Wenn ein zur Erstattung des Gutachtens bestellter Sachverständiger die
Abgabe des Gutachtens ohne genügenden Grund verweigert oder trotz
ordnungsmäßiger Ladung bei der zur Beweisaufnahme bestimmten Tagsatzung ohne
genügende Entschuldigung nicht erscheint, ist demselben der Ersatz der durch
seine Weigerung oder durch sein Ausbleiben verursachten Kosten durch Beschluss
aufzuerlegen; außerdem ist der Sachverständige in eine Ordnungsstrafe oder bei
muthwilliger Verweigerung der Abgabe des Gutachtens in eine Muthwillensstrafe
zu verfällen. In Bezug auf diese Beschlussfassungen haben die Bestimmungen der
§§. 326, 333 und 334 sinngemäße Anwendung zu finden.
Anstatt
des ungehorsamen Sachverständigen kann ein anderer Sachverständiger bestellt
werden.
Der
ungehorsame Sachverständige haftet nebst dem Kostenersatze für allen weiteren
den Parteien durch die ihm zur Last fallende Vereitlung oder Verzögerung der
Beweisführung verursachten Schaden.
Ablehnung.
§.
355. Sachverständige können aus denselben Gründen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung
eines Richters berechtigen; jedoch kann die Ablehnung nicht darauf gegründet
werden, dass der Sachverständige früher in derselben Rechtssache als Zeuge
vernommen wurde.
Die
Ablehnungserklärung ist bei dem Processgerichte, wenn aber die Auswahl der
Sachverständigen dem beauftragten oder ersuchten Richter überlassen wurde, bei
diesem vor dem Beginne der Beweisaufnahme, und bei schriftlicher Begutachtung
vor erfolgter Einreichung des Gutachtens mittels Schriftsatz oder mündlich
anzubringen. Später kann eine Ablehnung nur dann erfolgen, wenn die Partei
glaubhaft macht, dass sie den Ablehnungsgrund vorher nicht erfahren oder wegen
eines für sie unübersteiglichen Hindernisses nicht rechtzeitig geltend machen
konnte.
Ist
im Falle einer solchen nachträglichen Ablehnung die durch einen beauftragten
oder ersuchten Richter vorzunehmende Beweisaufnahme schon beendet, so kann die
Ablehnung nur bei dem Processgerichte vorgebracht werden.
§.
356. Gleichzeitig mit der Ablehnung sind die Gründe der Ablehnung anzugeben.
Die Entscheidung über die Ablehnung steht dem erkennenden Gerichte oder dem
beauftragten oder ersuchten Richter zu, je nachdem die Ablehnung zufolge §. 355
bei ersterem oder letzterem angebracht wurde.
Die
Entscheidung erfolgt, wenn die Ablehnung nicht bei einer Tagsatzung vorgebracht
wird, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Die ablehnende Partei hat die
von ihr angegebenen Gründe der Ablehnung auf Verlangen des Gerichtes vor der
Entscheidung glaubhaft zu machen. Wird der Ablehnung stattgegeben, so ist ohne
Aufschub die Bestellung eines anderen Sachverständigen zu veranlassen.
Beweisaufnahme.
§.
357. Das erkennende Gericht oder der mit der Leitung der Beweisaufnahme
betraute Richter kann auch die schriftliche Begutachtung anordnen. In diesem
Falle sind die Sachverständigen verpflichtet, auf Verlangen über das
schriftliche Gutachten mündliche Aufklärungen zu geben oder dasselbe bei der
mündlichen Verhandlung zu erläutern.
§.
358. Jeder Sachverständige hat vor dem Beginne der Beweisaufnahme den Sachverständigeneid
zu leisten. Von der Beeidigung des Sachverständigen kann abgesehen werden, wenn
beide Parteien auf die Beeidigung verzichten.
Ist
der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im
allgemeinen beeidet, so genügt die Erinnerung und Berufung auf den geleisteten
Eid.
§.
359. Den Sachverständigen sind diejenigen bei Gericht befindlichen Gegenstände,
Actenstücke und Hilfsmittel mitzutheilen, welche für die Beantwortung der
denselben vorgelegten Fragen erforderlich sind.
§.
360. Kann eine gründliche und erschöpfende Begutachtung nicht sogleich
erfolgen, so hat der die Beweisaufnahme leitende Richter für die Abgabe des
Gutachtens eine Frist oder eine besondere Tagsatzung zu bestimmen.
Von
dem Einlangen des schriftlichen Gutachtens sind die Parteien in Kenntnis zu
setzen (§. 286).
(421)
§. 361. Sind zur Abgabe eines Gutachtens mehrere Sachverständige bestellt, so
können sie dasselbe gemeinsam erstatten, wenn ihre Ansichten übereinstimmen.
Sind sie verschiedener Ansicht, so hat jeder Sachverständige seine Ansicht und
die für dieselbe sprechenden Gründe besonders darzulegen.
§.
362. Das Gutachten ist stets zu begründen. Vor Darlegung seiner Ansicht hat der
Sachverständige in denjenigen Fällen, in welchen der Abgabe seines Gutachtens
die Besichtigung von Personen, Sachen, Örtlichkeiten u. dgl. vorausging und die
Kenntnis ihrer Beschaffenheit für das Verständnis und die Würdigung des
Gutachtens von Belang ist, eine Beschreibung der besichtigten Gegenstände zu
geben (Befund).
Erscheint
das abgegebene Gutachten ungenügend oder wurden von den Sachverständigen
verschiedene Ansichten ausgesprochen, so kann das Gericht auf Antrag oder von
amtswegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch dieselben oder
durch andere Sachverständige oder doch mit Zuziehung anderer Sachverständiger
stattfinde. Eine solche Anordnung ist insbesondere auch dann zulässig, wenn ein
Sachverständiger nach Abgabe des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt wurde. Zu
diesen Anordnungen ist auch der beauftragte oder ersuchte Richter berechtigt.
§.
363. Die Partei, welche den Beweis durch Sachverständige angeboten hat, kann
auf denselben verzichten. Der Gegner kann jedoch verlangen, dass die
angeordnete Beweisaufnahme demungeachtet vorgenommen werden, wenn entweder die
Beweisaufnahme bereits begonnen hat oder wenigstens die Sachverständigen zum
Zwecke der Beweisaufnahme schon bei Gericht erschienen sind.
Die
dem Vorsitzenden nach §. 183 zustehende Befugnis, von amtswegen eine
Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen, wird durch einen Verzicht der
Parteien nicht berührt.
§.
364. Bei der Ausübung der Handels-, See- oder Berggerichtsbarkeit kann das
Gericht in Fällen, in welchen der Gegenstand seiner Beurtheilung fachmännische
Kenntnisse erfordert oder in welchen das Bestehen von geschäftlichen Gebräuchen
in Frage kommt, ohne Zuziehung von Sachverständigen entscheiden, wenn die
eigene Fachkunde oder das eigene Wissen der Richter diese Zuziehung überflüssig
macht.
Gebüren.
§.
365. Der Sachverständige hat Anspruch auf Ersatz der ihm verursachten Kosten
und Auslagen, auf Entschädigung für Zeitversäumnis und auf Entlohnung seiner
Mühewaltung; er kann einen angemessenen Vorschuss begehren.
Der
Vorsitzende oder der beauftragteoder ersuchte Richter, vor welchem die
Beweisaufnahme stattfindet, können anordnen, dass der Beweisführer einen von
ihnen zu bestimmenden Betrag zur Deckung des mit der Aufnahme des Beweises
durch Sachverständige verbundenen Aufwandes vorschussweise erlege (§. 332,
Absatz 2).
Auf
die Bemessung der Sachverständigengebüren finden die Bestimmungen des §. 347
sinngemäße Anwendung. Gegen den Beschluss über das Ausmaß dieser Gebüren ist
der Recurs zulässig.
Rechtsmittel.
§.
366. Gegen den Beschluss, durch welchen die Ablehnung eines Sachverständigen
verworfen oder eine schriftliche Begutachtung angeordnet wird, findet ein
abgesondertes Rechtmittel nicht statt.
Die
Entscheidung über die Anzahl der zu bestellenden Sachverständigen, der
Beschluss, durch welchen die Bestellung der Sachverständigen dem beauftragten
Richter überlassen (§. 352) oder ein Sachverständiger wegen Ablehnung enthoben
wird, die über die Beeidigung eines Sachverständigen gefassten Beschlüsse,
endlich die Beschlüsse, durch welche für die Abgabe des Gutachtens gemäß §. 360
eine Tagsatzung anberaumt oder eine Frist bestimmt wird, können durch ein
Rechtsmittel nicht angefochten werden.
§.
367. Soweit im Vorstehenden nichts anderes bestimmt ist, finden auf den Beweis
durch Sachverständige und insbesondere auch auf deren Vernehmung und die
Protokollirung des bei einer Tagsatzung abgegebenen Befundes und Gutachtens die
Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend Anwendung.
Sechster Titel.
Beweis durch Augenschein.
§.
368. Zur Aufklärung der Sache kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen
die Vornahme eines Augenscheines, nöthigenfalls mit Zuziehung eines oder
mehrerer Sachverständigen, anordnen.
(422)
Wenn der zu besichtigende Gegenstand nicht vor das erkennende Gericht gebracht werden
kann, oder die Vornahme des Augenscheines vor demselben aus anderen Gründen
erheblichen Schwierigkeiten unterliegen würde, so kann dieselbe durch einen
beauftragten oder durch einen ersuchten Richter erfolgen. In diesem Falle kann
dem mit der Vornahme des Augenscheines betrauten Richter die Entscheidung über
die Zuziehung der Sachverständigen und die Ernennung derselben überlassen
werden. Gegen diese Beschlüsse ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
Wenn
die Vornahme des Augenscheines voraussichtlich einen Kostenaufwand verursachen
wird, kann der Vorsitzende oder der beauftragte oder ersuchte Richter anordnen,
dass der Beweisführer einen entsprechenden Betrag zur Deckung dieses Aufwandes
vorschussweise erlege (§. 332, Absatz 2).
§.
369. Ist eine Sache zu besichtigen, welche sich nach den Angaben des
Beweisführers in dem Besitze der Gegenpartei oder in der Verwahrung einer
öffentlichen Behörde oder eines Notars befindet, so sind die Bestimmungen der
§§. 301 und 303 bis 307 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Beurtheilung,
welchen Einfluss die Verweigerung der Vorzeigung und Herausgabe der Sache
seitens des Gegners, die absichtliche oder doch durch den Gegner veranlasste
Beseitigung oder Beschädigung der Sache oder die Verweigerung einer Aussage
darüber habe, dem durch sorgfältige Würdigung aller Umstände geleiteten
richterlichen Ermessen überlassen bleibt.
§.
370. Gegen Beschlüsse und Verfügungen bei der Vornahme des Augenscheines findet
ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt. Dies gilt auch von dem Beschlusse,
durch welchen ein Antrag auf Zuziehung von Sachverständigen verworfen wurde.
Das
Ergebnis des Augenscheines ist in dem Verhandlungsprotokolle, wenn aber der
Augenschein außerhalb der Verhandlungstagsatzung vorgenommen wird, in einem
besonderen Protokolle, und zwar in der Regel unmittelbar nach der Vornahme des
Augenscheines, aufzuzeichnen.
In
dem Protokolle ist zu bemerken, ob die Parteien und welche derselben bei
Vornahme des Augenscheines anwesend waren, sowie ob und welche Einwendungen von
ihnen bei der Vornahme des Augenscheines oder gegen das Protokoll erhoben
wurden.
Siebenter Titel.
Beweis durch Vernehmung der Parteien.
§.
371. Der Beweis über streitige, für die Entscheidung erhebliche Thatsachen kann
auch durch die Vernehmung der Parteien geführt werden.
Diese
Beweisführung kann auf Antrag oder von amtswegen, jedoch nur dann angeordnet
werden, wenn der Beweis weder durch die anderen von den Parteien angebotenen
Beweismittel, noch durch die etwa von amtswegen angeordneten Beweisaufnahmen
hergestellt ist.
§.
372. Parteien, in Ansehung deren Vernehmung oder Beeidigung einer der
Ausschließungsgründe der §§. 320 und 336, Absatz 1, vorliegt, dürfen nicht zum
Zwecke der Beweisführung abgehört werden.
§.
373. Wird der Rechtsstreit von dem gesetzlichen Vertreter eines
Pflegebefohlenen geführt, so bleibt es dem Ermessen des Gerichtes überlassen,
die Vernehmung des gesetzlichen Vertreters oder, sofern dies nach §. 372
statthaft erscheint, des Pflegebefohlenen oder beider zu verfügen.
Ist
eine Concursmasse Processpartei, so kann das Gericht die Vernehmung des
Verwalters der Concursmasse oder des Gemeinschuldners oder beider anordnen.
In
Rechtsstreitigkeiten einer offenen Handelsgesellschaft sind alle
Gesellschafter, in Rechtsstreitigkeiten einer Commanditgeschellschaft alle
persönlich haftenden Gesellschafter und, wenn der Rechtsstreit von einer
anderen Gesellschaft, einer Genossenschaft, einer Gemeinde, einem Vereine oder
sonst von einem nicht zu den physischen Personen gehörigen Rechtssubjecte
geführt wird, dessen gesetzliche Vertreter in Bezug auf die Vernehmung als
Partei zu behandeln.
Können
hienach oder, weil auf Seiten einer Partei Streitgenossen auftreten, mehrere
Personen vernommen werden, so hat das Gericht zu bestimmen, ob alle oder welche
unter diesen Personen abzuhören sind.
§.
374. Das Gericht hat unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu
beurtheilen, ob die Beweisführung durch Vernehmung der Parteien ganz zu
entfallen habe, wenn es die Überzeugung gewonnen hat, dass die Partei, welcher
der Beweis der streitigen Thatsache obliegt, von derselben keine Kenntnis hat,
oder wenn die Abhörung dieser Partei nach den Bestimmungen des §. 372
unstatthaft ist.
(425)
§. 375. Die Beweisführung durch Vernehmung der Partei wird durch Beschluss
angeordnet. Gegen diesen Beschluss ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht
zulässig. Die Beweisführung geschieht dadurch, dass das Gericht an die zu
vernehmende Partei über die Thatsachen, deren Beweis durch die Vernehmung
hergestellt werden soll, die geeigneten Fragen stellt. Für diese Befragung der
Partei haben die Vorschriften der §§. 340 bis 343 sinngemäß zu gelten.
Diese
Befragung hat vor dem erkennenden Gerichte zu geschehen. Ist die zu vernehmende
Partei nicht persönlich anwesend, so ist deren Vorladung unter Mittheilung der
Thatsachen zu verfügen, über welche die Abhörung stattfinden soll. Die
Beweisaufnahme durch einen ersuchten Richter ist nur zulässig, wenn dem
persönlichen Erscheinen der Partei unübersteigliche Hindernisse entgegenstehen,
oder dasselbe unverhältnismäßige Kosten verursachen würde.
§.
376. Die Parteien sind zuerst ohne Beeidigung zu befragen; der unbeeideten
Vernehmung kann die Abhörung unter Eid erfolgen.
Bei
der unbeeideten Vernehmung sind, wenn beide Parteien erschienen sind, in der
Regel beide über die zu beweisenden Thatsachen zu befragen. Vor der unbeeideten
Vernehmung hat das Gericht die Parteien aufmerksam zu machen, dass sie unter
Umständen verhalten werden können, über ihre Aussagen einen Eid abzulegen.
§.
377. Wenn das Ergebnis der unbeeideten Befragung nicht ausreicht, um das
Gericht von der Wahrheit oder Unwahrheit der zu beweisenden Thatsachen zu
überzeugen, so kann das Gericht die eidliche Vernehmung anordnen.
Die
eidliche Aussage kann über dieselbe Thatsache nur einer der beiden Parteien
aufgetragen werden. Hiebei kann das Gericht aus der unbeeideten Aussage dieser
Partei einzelne Behauptungen hervorheben, welche die Partei nunmehr unter Eid
zu wiederholen hat; desgleichen kann das Gericht bei Anordnung der eidlichen
Vernehmung die Fassung bestimmen, in welcher die eidliche Aussage über einzelne
Umstände zu erfolgen habe. Gegen diese Beschlüsse ist ein abgesondertes
Rechtsmittel nicht zulässig.
Die
von einer Partei unter Eid abgelegte Aussage unterliegt, wenn sie falsch ist,
der gleichen strafrechtlichen Beurtheilung wie ein vor Gericht abgelegter
falscher Eid. Die Partei ist vor ihrer eidlichen Abhörung an die Pflicht zu
Angabe der Wahrheit, an die Heiligkeit und Bedeutung des Eides, sowie an die
strafrechtlichen Folgen eines falschen Eides zu erinnern. Die erfolgte
Eideserinnerung ist im Protokolle festzustellen.
§.
378. Das Gericht hat nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände zu beschließen,
welche bereits unbeeidet befragte Partei über die streitige Thatsache unter Eid
zu vernehmen ist.
§
379. Das Gericht kann die Verhandlung zum Zwecke der eidlichen Befragung einer
Partei vertagen, wenn es angemessen erscheint, der zu vernehmenden Partei eine
Überlegungsfrist zu gewähren.
§.
380. Die Bestimmungen über den Beweis durch Zeugen finden auch auf die
Vernehmung der Parteien zum Zwecke der Beweisführung Anwendung, soweit in
diesem Abschnitte nicht abweichende Anordnungen enthalten sind. Durch den im §.
321, Z. 2, bezeichneten Grund wird jedoch die Verweigerung der Aussage von
Seite einer abzuhörenden Partei nicht gerechtfertigt.
Durch
das Nichterscheinen einer der Parteien bei der zur Vernehmung nach §. 375
angeordneten Tagsatzung oder durch die Verweigerung der Aussage seitens einer
der erschienenen Parteien wird die Vernehmung des anwesenden Gegners nicht
gehindert.
Die
Anwendung von Zwangsmaßregeln, um eine Partei, die zum Zwecke der Beweisführung
ohne Beeidigung oder beeidet befragt werden soll, zum Erscheinen vor Gericht
oder zur Aussage zu verhalten, ist unstatthaft.
§.
381. Welchen Einfluss es auf die Herstellung des Beweises habe, wenn die Partei
ohne genügende Gründe die Aussage oder die Beantwortung einzelner Fragen
ablehnt, wenn die zum Zwecke der unbeeideten oder beeideten Vernehmung geladene
Partei nicht erscheint, oder wenn die eidliche Aussage einer Partei von den bei
ihrer vorausgegangenen unbeeidigten Vernehmung abgegebenen Erklärungen in
erheblichen Punkten abweicht, hat das Gericht unter sorgfältiger Würdigung
aller Umstände zu beurtheilen.
§. 382.
Parteien, welche zum Zwecke der Beweisführung unbeeidet oder beeidet vernommen
werden, können unbeschadet des Rechtes auf Ersatz der Processkosten einen
Anspruch auf Vergütung im Sinne des §. 346 nicht erheben.
(424)
Die Vorschriften der §§. 372 bis 381 gelten sinngemäß auch für die wegen
Vorlage einer Beweisurkunde, einer Auskunftssache oder eines
Augenscheinsgegenstandes angeordnete Vernehmung und eidliche Abhörung einer
Partei.
§.
383. Wenn eine Partei eine Erklärung abgegeben hat, in welcher sie sich
erbietet, die zu beweisenden Umstände im Processe eidlich zu bestätigen, die
eidliche Abhörung dieser Partei jedoch wegen ihres früheren Todes nicht
stattfinden kann, so hat das Gericht die Erklärung nach §. 272 zu würdigen.
Achter Titel.
Sicherung von Beweisen.
§.
384. Die Vornahme eines Augenscheines oder die Vernehmung von Zeugen und
Sachverständigen kann zur Sicherung einer Beweisführung in jeder Lage des
Rechtsstreites und selbst noch vor Beginn desselben beantragt werden, wenn zu
besorgen ist, dass das Beweismittel sonst verloren oder die Benützung desselben
erschwert werde.
Diese
Beweisaufnahmen können auch, ohne dass letztere Voraussetzungen vorliegen,
beantragt werden, wenn Mängel einer Sache oder eines Werkes festzustellen sind,
wegen deren der Gegner Gewähr leisten soll. Hat der Erwerber einer Sache dem
Veräußerer einen Mangel angezeigt oder die Annahme der Sache wegen
Mangelhaftigkeit abgelehnt, so kann auch der Veräußerer solche Beweisaufnahmen
beantragen. In gleicher Weise ist der Unternehmer eines Werkes zu dem Antrage
berechtigt, wenn der Besteller ihm einen Mangel angezeigt oder die Annahme des
Werkes wegen Mangelhaftigkeit verweigert hat.
Der
Antrag ist bei dem Processgerichte, in dringenden Fällen aber sowie wenn ein
Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, bei dem Bezirksgerichte anzubringen, in
dessen Sprengel die Sachen, welche in Augenschein zu nehmen sind oder die
Grundlage des Sachverständigenbeweises zu bilden haben, oder die zu
vernehmenden Personen sich befinden. Der Antrag kann zu gerichtlichem Protokoll
angebracht werden.
§.
385. Die antragstellende Partei hat die Thatsachen, über welche die
Beweisaufnahme erfolgen soll, sowie die Beweismittel unter Benennung der zu
vernehmenden Zeugen und der allenfalls vorgeschlagenen Sachverständigen
anzugeben. Die Gründe, welche die Besorgnis rechtfertigen, dass das
Beweismittel verloren oder dessen Benützung erschwert werden würde, sind von
der antragstellenden Partei darzulegen.
Die
antragstellende Partei hat ferner den Gegner zu benennen. Hievon kann nur dann
abgesehen werden, wenn sich aus den von der Partei dargelegten Umständen
ergibt, dass sie nach Lage der Sache außerstande ist, den Gegner zu bezeichnen.
§.
386. Über den Antrag ist ohne vorhergehende mündliche Verhandlung durch
Beschluss zu entscheiden. Vor der Entscheidung ist jedoch, sofern nicht Gefahr
am Verzuge ist, der Gegner zu vernehmen, falls derselbe bekannt und seine
Zustimmung nicht bereits nachgewiesen ist. Der antragstellenden Partei kann vor
der Entscheidung aufgetragen werden, die Umstände glaubhaft zu machen, welche
die Sicherung des Beweises nothwendig machen.
Zur
Entscheidung ist bei Gerichthöfen in dringenden Fällen der Vorsteher des
Gerichtshofes oder der Vorsitzende des Senates berufen, welchem die Rechtssache
zugewiesen ist.
In
dem dem Antrage stattgebenden Beschlusse hat das Gericht die Thatsachen, über
welche die Beweisaufnahme erfolgen soll, sowie die Beweismittel unter Benennung
der zu vernehmenden Zeugen und unter Bestellung der Sachverständigen zu bezeichnen.
Zugleich sind die zum Vollzuge der Beiweisaufnahme nöthigen Anordnungen zu
treffen. Für den unbekannten Gegner kann das Gericht zur Wahrnehmung seiner
Rechte bei der Beweisaufnahme einen Curator bestellen.
Der
Beschluss, welcher dem Antrage stattgibt, kann durch ein Rechtsmittel nicht
angefochten werden.
§.
387. Der Gegner ist unter Zustellung des Beschlusses und, falls er über den
Antrag nicht früher gehört wurde, auch eines Exemplars des von der
antragstellenden Partei überreichten Schriftsatzes oder einer Abschrift des
über ihren Antrag aufgenommenen Protokolles zu der für die Beweisaufnahme
bestimmten Tagsatzung zu laden.
In
dringenden Fällen kann jedoch noch vor Zustellung des Beschlusses an den
bekannten Gegner mit der Beweisaufnahme begonnen werden. Die Bewilligung hiezu
kann auf Antrag gleichzeitig mit der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung
der Beweisaufnahme ertheilt werden. Gegen die Gewährung oder Verweigerung
dieser Bewilligung ist ein Rechtsmittel unzulässig.
§.
388. Die Beweisaufnahme erfolgt nach den Vorschriften des zweiten, vierten,
fünften und sechsten Titels dieses Abschnittes.
(425)
Das die Beweisaufnahme betreffende Protokoll wird bei dem Gerichte verwahrt,
welches die Beweisaufnahme angeordnet hat. Wenn der Rechtsstreit bei dem
anderen Gerichte anhängig ist oder anhängig wird, ist das Protokoll dem
Processgerichte auf dessen Ersuchen oder Antrag einer der Parteien zu
übersenden.
Die
Kosten der Beweisaufnahme werden von der antragstellenden Partei bestritten,
unbeschadet eines ihr zustehenden Ersatzanspruches. Dem Gegner sind die
nothwendigen Kosten für seine Betheiligung bei der Beweisaufnahme unbeschadet
der Entscheidung in der Hauptsache zu ersetzen.
§.
389. Jede Partei kann im Verlaufe des Rechtsstreites die zur Sicherung eines
Beweises erfolgte Beweisaufnahme benützen.
Welcher
Einfluss der Einwendung einzuräumen sei, dass die Beweisaufnahme nicht nach den
Bestimmungen stattgefunden hat, welche für eine im Laufe des Processes
erfolgende Beweisaufnahme gelten, oder dass der Gegner von der Beweisaufnahme
nicht oder nicht rechtzeitig verständigt wurde, hat das erkennende Gericht nach
§. 272 zu würdigen.
Im
Verlaufe des Rechtsstreites kann eine Ergänzung oder Wiederholung der
Beweisaufnahme angeordnet werden.
Zweiter
Abschnitt.
Urtheile
und Beschlüsse.
Erster
Titel.
Urtheile.
Endurtheil.
§.
390. Wenn der Rechtsstreit nach den Ergebnissen der durchgeführten Verhandlung
und der stattgefundenen Beweisaufnahmen zur Endentscheidung reif ist, hat das
Gericht diese Entscheidung durch Urtheil zu fällen (Endurtheil).
Dasselbe
gilt, wenn von mehreren zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung verbundenen
Processen nur einer zur Endentscheidung reif ist.
Theilurtheil.
§. 391.
Sind einzelne von mehreren in derselben Klage geltend gemachten Ansprüchen oder
ist ein Theil eines Anspruches durch ausdrückliche Anerkennung von Seiten des
Beklagten außer Streit gestellt, so kann das Gericht in Ansehung dieses
Anspruches oder des Theiles sofort zum Schluss der Verhandlung und zur
Urtheilsfällung schreiten (Theilurtheil).
Ein
Theilurtheil kann auch erlassen werden, wenn bei erhobener Widerklage nur die
Klage oder Widerklage zur Endentscheidung reif ist.
Hat
der Beklagte mittels Einrede eine Gegenforderung geltend gemacht, welche mit
der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht im rechtlichen Zusammenhange
steht, so kann, wenn nur die Verhandlung über den Klagsanspruch zur
Entscheidung reif ist, über denselben durch Theilurtheil erkannt werden. Die
Verhandlung über die Gegenforderung ist ohne Unterbrechung fortzusetzen.
§.
392. Jedes Theilurtheil ist in Betreff der Rechtsmittel und der Execution als
ein selbstständiges Urtheil zu beachten.
Die
Bestimmungen des §. 52, Absatz 2, gelten auch in Ansehung der Nebengebüren des
Anspruches oder Theilanspruches, über welche mittels Theilurtheils erkannt
wurde.
Zwischenurtheil.
§.
393. Wenn in einem Rechtsstreite ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig
und die Verhandlung zunächst bloß in Ansehung des Grundes zur Entscheidung reif
ist, kann das Gericht vorab über den Grund des Anspruches durch Urtheil
entscheiden (Zwischenurtheil).
Ferner
kann durch ein der Entscheidung der Hauptsache vorausgehendes Zwischenurtheil
im Falle der §§. 236 und 259 über das Bestehen oder Nichtbestehen eines
Rechtsverhältnisses oder Rechtes entschieden werden, sobald die Verhandlung
über den Feststellungsantrag zur Entscheidung reif ist.
Die
im Sinne der beiden ersten Absätze erlassenen Urtheile sind in Betreff der
Rechtsmittel als Endurtheile anzusehen. Durch die Erhebung der Berufung oder
Revision gegen ein gemäß Absatz 1 erlasssenes Zwischenurtheil wird die weitere
Verhandlung über die Klage bis zum Eintritte der Rechtskraft des erlassenen
Zwischenurtheiles gehemmt. In allen anderen Fällen nimmt ungeachtet der
Berufung oder Revision gegen das Zwischenurtheil die Verhandlung der Hauptsache
ihren Fortgang. Das Gericht kann jedoch, wenn ein für die Entscheidung der
Hauptsache wesentliches Rechtsverhältnis oder Recht für nicht begründet erkannt
wurde, anordnen, dass die weitere Verhandlung über die Klage bis zum Eintritte
der Rechtskraft des erlassenen Zwischenurtheils auszusetzen sei. Diese
Anordnung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.
(426)
In Ansehung der Kosten hat die Vorschrift des §. 52, Absatz 2, sinngemäße
Anwendung zu finden.
Urtheil
aufgrund von Gericht.
§.
394. Verzichtet der Kläger bei der ersten Tagsatzung oder bei der mündlichen
Streitverhandlung auf den geltend gemachten Anspruch, so ist die Klage auf
Antrag des Beklagten auf Grund des Verzichtes durch Urtheil abzuweisen.
Bezieht
sich der Verzicht nur auf einen von mehreren in der Klage geltend gemachten
Ansprüchen oder auf einen Theil eines Anspruches, so kann auf Grund des
Verzichtes auf Antrag ein Theilurtheil erlassen werden.
Urtheil
auf Grund von Anerkenntnis.
§.
395. Wenn der Beklagte den gegen ihn erhobenen Anspruch bei der ersten
Tagsatzung oder bei der mündlichen Streitverhandlung ganz oder zum Theile
anerkennt, so ist auf Antrag des Klägers dem Anerkenntnis gemäß durch Urtheil
zu entscheiden.
Urtheil
in Versäumnisfällen.
§.
396. Wenn die erste Tagsatzung vom Kläger oder vom Beklagten versäumt wird, so
ist das auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliche thatsächliche Vorbringen
der erschienenen Partei, soweit dasselbe nicht durch die vorliegenden Beweise
widerlegt wird, für wahr zu halten und auf dieser Grundlage auf Antrag der
erschienenen Partei über das Klagebegehren durch Versäumungsurtheil zu
erkennen.
§.
397. Auf schriftliche Aufsätze, welche die ausgebliebene Partei etwa
eingesendet hat, ist kein Bedacht zu nehmen.
Das
Versäumungsurtheil, wie das Urtheil über Verzicht oder Anerkenntnis sind in der
ersten Tagsatzung vom Vorsitzenden oder von dem mit der Abhaltung dieser
Tagsatzung betrauten Richter zu erlassen.
§.
398. Wenn vom Beklagten die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig überreicht
wurde, wird eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nur auf
neuerlichen Antrag des Klägers anberaumt.
Die
Streitverhandlung hat sich in diesem Falle auf die vom Beklagten bei der ersten
Tagsatzung angemeldeten Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der
Unzuständigkeit des Gerichtes, der Streitanhängigkeit und der rechtskräftig
entschiedenen Streitsache zu beschränken. Werden diese Einreden verworfen, so
ist sogleich auf weiteren vom Kläger gestellten Antrag in der Hauptsache
Versäumungsurtheil zu erlassen (§. 396).
Wurde
eine abgesonderte Verhandlung über die bezeichneten Einreden angeordnet (§.
260), so kann der Kläger bei Bewertung der Einreden wegen nicht rechtzeitiger
Überreichung der Klagebeantwortung die Anberaumung einer Tagsatzung behufs
Erlassung des Versäumungsurtheiles in der Hauptsache beantragen.
Das
Erscheinen des Beklagten zu einer im Sinne der vorhergehenden Absätze
anberaumten Tagsatzung steht der Erlassung des Versäumungsurtheiles nicht
entgegen; auf mündliches Vorbringen des erschienenen Beklagten, das die
Hauptsache betrifft, ist bei der Erlassung des Versäumungsurtheiles kein
Bedacht zu nehmen.
Das
Ausbleiben des Klägers von einer auf seinen Antrag gemäß Absatz 1 oder 2
anberaumten Tagsatzung hat das Ruhen des Verfahrens zur Folge. Der etwa
erschienene Beklagte kann weder die Erlassung eines Versäumungsurtheils, noch
die Erstreckung der Tagsatzung zur Aufnahme der Verhandlung in der Hauptsache
beantragen.
§.
399. Wenn nach rechtzeitig überreichter Klagebeantwortung die Tagsatzung zur
mündlichen Streitverhandlung anberaumt wurde und eine der Parteien diese oder
eine spätere zur mündlichen Streitverhandlung bestimmte Tagsatzung versäumt, so
kann die erschienene Partei bei dieser Tagsatzung die Fällung des Urtheils
beantragen. Bei der Urtheilsfällung ist auf neues thatsächliches Vorbringen der
erschienenen Partei, das mit dem Inhalte der von ihr überreichten Schriftsätze
oder mit ihren früheren Erklärungen und thatsächlichen Angaben in Widerspruch
steht, nur insoweit Bedacht zu nehmen, als dasselbe dem Gegner vor der
Tagsatzung durch vorbereitenden Schriftsatz mitgetheilt wurde. Dagegen sind bei
der Urtheilsfällung nicht bloß die Ergebnisse vorausgegangener Beweisaufnahmen,
sondern auch die früheren Erklärungen und thatsächlichen Angaben der nunmehr
säumigen Partei zu berücksichtigen, insofern die letzteren in überreichten
vorbereitenden Schriftsätzen, im Verhandlungsprotokolle und dessen Anlagen oder
im Protokolle beauftragter oder ersuchter Richter beurkundet sind oder den
Gegenstand einer vom Gerichte bei einer früheren Tagsatzung verfügten
Beweisaufnahme bilden.
Wird
der Antrag, wegen Säumnis einer Partei in der Hauptsache das Urtheil zu fällen,
zu einer Zeit
(427)
gestellt, da über die bei der ersten Tagsatzung angemeldeten Einreden der
Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Unzuständigkeit des Gerichtes, der
Streitanhängigkeit oder Rechtskraft eine abgesonderte Verhandlung anhängig ist,
so kann die Urtheilsfällung erst nach Bewertung dieser Einreden erfolgen.
§.
400. Die Bestimmungen der §§. 396 bis 399 sind auch dann anzuwenden, wenn eine
der Parteien wegen unangemessenen Betragens aus dem Gerichtssaale entfernt
wird.
§.
401. Der Umstand, dass die Tagsatzung von einer Partei versäumt wird, ändert
nichts an der Anwendung der Bestimmungen, welche festsetzen, was das Gericht
von amtswegen zu berücksichtigen hat, und enthebt auch den Gegner nicht der Verpflichtung,
diejenigen Nachweisungen zu liefern, welche in Betreff der von amtswegen zu
berücksichtigenden Umstände erforderlich sind.
Desgleichen
steht die Säumnis einer Partei der Aufnahme von Beweisen vor dem erkennenden
Gerichte, sowie dem Vortrage der Ergebnisse einer nicht vor dem erkennenden
Gerichte erfolgten Beweisaufnahme nicht entgegen.
§.
402. Der Antrag, wegen Säumnis einer Partei das Urtheil zu fällen (§§. 396,
398, 399), ist zurückzuweisen:
1. wenn
der Nachweis fehlt, dass die nicht erschienene Partei zur Tagsatzung
ordnungsmäßig geladen wurde;
2.
wenn es bei Gericht offenkundig ist, dass die nicht erschienene Partei durch
Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle am Erscheinen gehindert ist;
3. wenn
die erschienene Partei die wegen eines von amtswegen zu berücksichtigenden
Umstandes vom Gerichte geforderte Nachweisung bei der Tagsatzung nicht zu
beschaffen vermag.
Der
Antrag, gegen Streitgenossen wegen Säumnis das Urtheil zu fällen, ist bei dem
Vorhandensein einer nach §. 14 zu beurtheilenden Streitgenossenschaft
zurückzuweisen, wenn auch nur betreffs eines der Streitgenossen der Nachweis
der Ladung fehlt oder eines der in Absatz 2 angeführten Hindernisse obwaltet.
Wenn
dem Antrage, wegen Säumnis einer Partei das Urtheil zu fällen, nicht
stattgegeben wird, ist die Tagsatzung von amtswegen auf angemessene Zeit zu
erstrecken und auch die säumige Partei zur neuen Tagsatzung wieder zu laden.
§.
403. Wird der Antrag, wegen Säumnis einer Partei das Urtheil zu fällen, durch
Beschluss zurückgewiesen, dieser Beschluss aber infolge Recurses aufgehoben, so
kann das Urtheil ohne Anberaumung einer neuen Tagsatzung gefällt werden.
Urtheilsinhalt.
§.
404. Das in der Hauptsache gefällte Urtheil hat alle die Hauptsache
betreffenden Anträge zu erledigen, sofern nicht über einzelne dieser Anträge
bereits früher entschieden wurde oder dieselben einer abgesonderten Erledigung
vorbehalten werden.
Mehrere
Rechtsstreitigkeiten zwischen denselben Parteien, welche nach §. 187 zu
gemeinsamer Verhandlung verbunden wurden, sind durch dasselbe Urtheil zu
entscheiden, wenn die Verbindung der Verhandlung nicht schon vor Fällung des
Urtheils aufgehoben oder über einen der verbundenen Processe gemäß §. 390 durch
besonderes Urtheil entschieden wurde.
§.
405. Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht
beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen oder anderen
Nebenforderungen.
§.
406. Die Verurtheilung zu einer Leistung ist nur zulässig, wenn die Fälligkeit
zur Zeit der Urtheilsschöpfung bereits eingetreten ist. Bei Anspruch auf
Alimente kann auch zu Leistungen verurtheilt werden, welche erst nach Erlassung
des Urtheils fällig werden.
§.
407. Bei Verurtheilung zur Entrichtung einer Geldrente wegen Tödtung,
Körperverletzung oder Freiheitsentziehung kann das Gericht, wenn eine
Sicherstellung der künftigen Zahlungen offenbar nothwendig erscheint, auf
Antrag im Urtheile auch auf Sicherheitsleistung erkennen. Wenngleich im
Processe ein solcher Antrag nicht gestellt wurde, kann der Berechtigte
nachträglich im Wege der Klage Sicherheitsleistung verlangen, falls die
Vermögensverhältnisse des Verpflichteten sich inzwischen erheblich
verschlechtert haben.
Unter
derselben Voraussetzung kann der Berechtigte eine Erhöhung der im Urtheile
bestimmten Sicherheit mittels Klage begehren.
§.
408. Findet das Gericht, dass die unterliegende Partei offenbar muthwillig
Process geführt hat, so
(428)
kann es dieselbe auf Antrag der siegenden Partei zur Leistung eines
entsprechenden Entschädigungsbetrages verurtheilen.
Durch
die Verhandlung über diesen Antrag darf die Entscheidung in der Hauptsache
nicht aufgehalten werden.
Bei
Bestimmung des Entschädigungsbetrages ist auf die Vorschrift des §. 273 Bedacht
zu nehmen.
§.
409. Wenn in einem Urtheile die Verbindlichkeit zu einer Leistung auferlegt
wird, ist zugleich auch die Frist für diese Leistung zu bestimmen. Diese Frist
beträgt, sofern in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist, vierzehn
Tage.
Wird
jedoch die Pflicht zur Verrichtung einer Arbeit oder eines Geschäftes
auferlegt, so hat das Gericht zur Erfüllung der Verbindlichkeit mit
Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Verpflichteten eine
angemessene Frist zu bestimmen. Hiebei ist insbesondere auch darauf zu achten,
dass der Verpflichtete durch die zu verrichtende Handlung nicht an der
rechtzeitigen Vornahme der Saat-, Schnitt- oder Weinlesearbeiten gehindert
wird.
Die
Fristen beginnen mit dem Tage nach Eintritt der Rechtskraft des Urtheils.
§.
410. Wird im Urtheile ein Gegenstand zuerkannt, der nicht in einem Geldbetrage
besteht, so ist zugleich auszusprechen, dass sich der Beklagte durch Zahlung
des Geldbetrages, welchen der Kläger in der Klage oder während der Verhandlung
anstatt dieses Gegenstandes anzunehmen sich bereit erklärt hat, von der
Leistung dieses Gegenstandes befreien könne.
Rechtskraft
des Urtheiles.
§.
411. Durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbare Urtheile sind der
Rechtskraft insoweit theilhaft, als in dem Urtheile über einen durch Klage oder
Widerklage geltend gemachten Anspruch oder über ein im Laufe des Peocesses
streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht entschieden ist, hinsichtlich
dessen gemäß §§. 236 oder 259 die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens begehrt wurde. Die Entscheidung über den Bestand oder
Nichtbestand einer vom Beklagten zur Compensation geltend gemachten
Gegenforderung ist der Rechtskraft nur bis zur Höhe des Betrages theilhaft, mit
welchem aufgerechnet werden soll.
Die
Rechtskraft des Urtheiles ist von amtswegen zu berücksichtigen.
Urtheilsfällung,
Urtheilsverkündung und Zustellung des Urtheils.
§.
412. Das Urtheil kann nur von denjenigen Richtern gefällt werden, welche an der
dem Urtheile zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung theilgenommen haben.
Muss
vor der Urtheilsschöpfung eine Änderung in der Person des Vorsitzenden oder
eines der übrigen Senatsmitglieder eintreten, so ist die mündliche Verhandlung
vor dem geänderten Senate mit Benützung der Klage, der zu den Acten gebrachten
Beweise und des Verhandlungsprotokolles von neuem durchzuführen.
§.
413. Die Berathung und Abstimmung der Richter ist nicht öffentlich. In
schwierigen Fällen kann der Vorsitzende für diese Berathung Berichterstatter
bestellen.
§.
414. Das Urtheil ist auf Grund der mündlichen Verhandlung, und zwar wenn
möglich, sogleich nach Schluss derselben zu fällen und zu verkünden. Mit dem
Urtheile sind die Entscheidungsgründe zu verkünden. Die Verkündung des
Urtheiles ist von der Anwesenheit beider Parteien unabhängig.
Der
Senat kann sich bei der Verkündung, selbst wenn das Urtheil schon in
vollständiger schriftlicher Fassung vorliegt, auf die Bekanntgabe des
Wortlautes des Urtheilsspruches und auf die Mittheilung der wesentlichen
Entscheidungsgründe beschränken. Die Festsetzung des Kostenbetrages kann bei
der Verkündung des Urtheiles der Ausfertigung desselben vorbehalten bleiben.
Das
verkündete Urtheil ist in schriftlicher Ausfertigung sammt den vollständigen
Entscheidungsgründen jeder Partei zuzustellen.
§.
415. Wenn das Urtheil nicht sofort nach Schluss der mündlichen Verhandlung
gefällt werden kann und insbesondere auch dann, wenn die Verhandlung gemäß §.
193, Absatz 3, vor Vollendung der Beweisaufnahme geschlossen wurde, ist das
Urtheil binnen acht Tagen nach Schluss der mündlichen Verhandlung, im Falle des
§. 193, Absatz 3, aber binnen acht Tagen nach dem Einlangen der Acten über die
ausständige Beweisaufnahme zu fällen. Eine besondere Verkündung des Urtheiles
findet dann nicht statt.
§.
416. Das Urtheil wird den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung der
schriftlichen Urtheilsausfertigung wirksam.
(429)
Das Gericht ist jedoch an seine Entscheidung gebunden, sobald dieselbe
verkündet oder im Falle des §. 415 in schriftlicher Abfassung zur Ausfertigung
abgegeben ist.
Schriftliche
Ausfertigung.
§.
417. Das Urtheil hat in schriftlicher Ausfertigung zu enthalten:
1.
die Bezeichnung des Gerichtes und die Namen der Richter, welche bei der
Entscheidung mitgewirkt haben; wenn das Urtheil in Ausübung einer besonderen
Gerichtsbarkeit von einem Gerichte gefällt wird, welchem auch die allgemeine
Gerichtsbarkeit zusteht, so ist der Bezeichnung des Gerichtes ein die Ausübung
der besonderen Gerichtsbarkeit ausdrückender Zusatz beizufügen;
2.
die Bezeichnung der Parteien nach Namen (Vor- und Zuname), Beschäftigung,
Wohnort und Parteistellung, sowie die Bezeichnung ihrer Vertreter und
Bevollmächtigten;
3.
den Urtheilsspruch;
4.
den Urtheilsthatbestand;
5.
die Entscheidungsgründe.
Der
Urtheilsthatbestand und die Entscheidungsgründe sind äußerlich zu sondern und
dürfen auch nicht mit dem Urtheilsspruche vereinigt werden. Der
Urtheilsthatbestand hat eine gedrängte Darstellung des aus der mündlichen
Streitverhandlung sich ergebenden Sachverhaltes unter Hervorhebung der in der
Hauptsache von den Parteien gestellten Anträge zu enthalten.
Das
auf Grund der §§. 179, 181, Absatz 2, 275, Absatz 2, und 278, Absatz 2, vom
Gerichte für unstatthaft erklärte Vorbringen, sowie jene Beweise, deren
Benützung wegen des fruchtlosen Verstreichens einer für die Beweisaufnahme bestimmten
Frist nicht gestattet wurde, sind im Thatbestande des Urtheiles anzuführen.
§.
418. Die für die Gerichtsacten bestimmte schriftliche Abfassung des Urtheiles
ist vom Vorsitzenden des Senates und vom Schriftführer zu unterschreiben.
Der
Auszug eines Urtheiles muss nebst dem Urtheilsspruche auch die in §. 417, Z. 1
und 2, bezeichneten Angaben enthalten.
Vor
Zustellung der schriftlichen Urtheilsausfertigungen an die Parteien können
Auszüge und Abschriften des Urtheiles nicht ertheilt werden.
Berichtigung
des Urtheiles.
§.
419. Die Berichtigung von Schreib- und Rechnungsfehlern oder anderen offenbaren
Unrichtigkeiten in dem Urtheile oder in dessen Ausfertigungen kann das Gericht,
welches das Urtheil gefällt hat, jederzeit vornehmen. Eine Berichtigung von
amtswegen hat insbesondere auch dann stattzufinden, wenn die Ausfertigung des
Urtheiles mit der vom Gerichte gefällten Entscheidung nicht übereinstimmt.
Das
Gericht kann über die Berichtigung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung
entscheiden. Gegen den Beschluss, durch welchen der Antrag auf Berichtigung
zurückgewiesen wird, findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt.
Die
Vornahme einer Berichtigung kann auch in höherer Instanz angeordnet werden.
Berichtigung
des Thatbestandes.
§.
420. Kommen im Thatbestande des Urtheiles andere, als die im §. 419
bezeichneten Unrichtigkeiten vor oder bedarf derselbe einer Vervollständigung
oder zur Behebung von Dunkelheiten und Widersprüchen einer Erläuterung, so kann
jede Partei die erforderliche Berichtigung bei dem Processgerichte binnen acht
Tagen nach Zustellung des Urtheiles beantragen. Über einen solchen Antrag hat
das Gericht mit thunlichster Beschleunigung nach Anberaumung einer Tagsatzung
zur mündlichen Verhandlung, ohne Zulassung einer Beweisaufnahme durch Beschluss
zu entscheiden.
Bei
der Entscheidung wirken nur jene Richter mit, welche an der Urtheilsfällung
theilnahmen. Ist einer dieser Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit
die Stimme des Vorsitzenden, und bei dessen Verhinderung die Stimme des älteren
Richters den Ausschlag.
Eine
Anfechtung des Beschlusses oder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wegen Versäumung der in Absatz 1 bezeichneten Frist findet nicht statt.
§.
421. Wenn die Vervollständigung des Thatbestandes lediglich deshalb beantragt
wird, weil in demselben Anführungen und Beweise übergangen sind, die gemäß §.
417, letzter Absatz, im Thatbestande zu erwähnen sind, so hat das
Processgericht gemäß §. 419 vorzugehen.
§. 422.
Eine Berichtigung, welche das Gericht nach den §§. 419, 420 oder 421
vorzunehmen findet, ist der Urschrift des Urtheiles beizusetzen und in allen
bereits ertheilten Ausfertigungen des Urtheiles, welche zu diesem Zwecke
abzufordern sind, ersichtlich zu machen.
Bei
Verwerfung des Antrages auf Urtheilsberichtigung ist dem Antragsteller der
Ersatz aller entstandenen Kosten aufzuerlegen; sonst sind die Kosten
gegenseitig aufzuheben.
Ergänzung
des Urtheiles.
(430)
§. 423. Wenn in dem Urtheile ein Anspruch, über welchen nach dem
Urtheilsbestande zu entscheiden war, übergangen, oder wenn in einem Urtheile
über die von einer Partei begehrte Erstattung der Processkosten nicht oder nur
unvollständig erkannt wurde, ist das Urtheil durch eine nachträgliche Entscheidung
zu ergänzen (Ergänzungsurtheil).
Der
Antrag auf Ergänzung ist bei dem Processgerichte binnen acht Tagen nach
Zustellung des Urtheiles anzubringen; eine Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand wegen Versäumung dieser Frist ist unzulässig.
Das
Gericht entscheidet nach vorhergehender mündlicher Verhandlung. Diese
Verhandlung ist auf den nicht erledigten Theil des Rechtsstreites zu
beschränken. Die Abweisung des Antrages auf Ergänzung erfolgt mittels
Beschluss.
§.
424. Die Verhandlung über die Berichtigung des Urtheilsthatbestandes oder über
die Ergänzung des Urtheiles hat auf den Lauf der Frist für die Erhebung eines
Rechtsmittels gegen das Urtheil, dessen Thatbestand berichtigt werden soll oder
dessen Ergänzung beantragt wird, keinen Einfluss.
Zweiter
Titel.
Beschlüsse.
§.
425. Sofern nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht ein Urtheil zu fällen
ist, erfolgen die Entscheidungen, Anordnungen und Verfügungen durch Beschluss.
An
seine Beschlüsse ist das Gericht insoweit gebunden, als dieselben nicht bloß
processleitender Natur sind.
Die
Vorschriften des §. 412 sind auf Beschlüsse des Gerichtes sinngemäß anzuwenden.
§.
426. Alle während der Verhandlung oder Beweisaufnahme vom Senate, von dem
Vorsitzenden oder von einem beauftragten oder ersuchten Richter gefassten
Beschlüsse sind zu verkünden. Diese Beschlüsse sind den bei der Verkündung
anwesenden Parteien in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen, wenn der Partei
ein Rechtsmittel gegen den Beschluss oder das Recht zur sofortigen
Executionsführung auf Grund des Beschlusses zusteht. An Parteien, welche bei
der Verkündung nicht anwesend waren, ist in diesen Fällen und nebstdem in allen
Fällen, in welchen die Leitung des Verfahrens es erfordert, die Zustellung
einer schriftlichen Ausfertigung zu bewirken.
Wenn
die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung nicht zu erfolgen hat, so
begründet die mündliche Verkündung die Wirkungen der Zustellung.
§.
427. Außerhalb der Tagsatzungen gefasste Beschlüsse sind den Parteien durch
Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung (Bescheid) bekannt zu geben.
Ein
Bescheid, durch welchen ein Antrag einer Partei ohne vorhergehende Vernehmung
des Gegners abgewiesen wird, ist dem Gegner nur auf Ansuchen des Antragstellers
zuzustellen.
§.
428. Beschlüsse über widerstreitende Anträge und Beschlüsse, durch welche ein
Antrag abgewiesen wird, müssen begründet werden.
Hierbei
sind die Anträge, über welche im Beschlusse entschieden wird, und der
Sachverhalt, falls nicht beides aus dem gleichzeitig mitgetheilten Schriftsatze
oder aus Protokollsabschrift zu entnehmen ist, in die Begründung insoweit
aufzunehmen, als es zum Verständnis des Ausspruches oder der Verfügung
erforderlich ist.
§.
429. Die Urschrift des Beschlusses ist, wenn der Beschluss von einem Senate
gefasst wurde, von dem Vorsitzenden, außerdem aber von dem Richter zu
unterschreiben, welcher den Beschluss gefasst hat.
Die
schriftliche Ausfertigung eines Beschlusses hat auch die in §. 417, Z. 1 und 2,
bezeichneten Angaben zu enthalten.
§.
430. In Ansehung der Ertheilung von Ausfertigungen und Auszügen, dann der
Berichtigung von Beschlüssen und der Ergänzung derselben, wenn über einen
Antrag der Partei theilweise nicht erkannt wurde oder wenn der beantragte
Ausspruch über die Erstattung der Processkosten fehlt oder unvollständig ist, gelten
die Vorschriften der §§. 418, 419, 423 und 424.
(431)
Dritter Theil.
Verfahren
vor den Bezirksgerichten.
§.
431. Auf das Verfahren vor den Bezirksgerichten finden, sofern nichts anderes
bestimmt ist, die Vorschriften über das Verfahren vor den Gerichtshöfen erster
Instanz Anwendung.
Die
durch die Vorschriften des zweiten Theiles für den Senat oder dessen
Vorsitzenden begründeten Befugnisse und Obliegenheiten sind im Verfahren vor
Bezirksgerichten durch den Einzelrichter auszuüben.
§.
432. Der Richter hat Parteien, welche rechtsunkundig und nicht durch Advocaten
vertreten sind, erforderlichenfalls die zur Vornahme ihrer Processhandlungen
nöthige Anleitung zu geben und dieselben über die mit ihren Handlungen oder
Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.
Insbesondere
hat der Richter solche Parteien bei Verkündung seiner Entscheidungen auf die
Frist, binnen welcher eine Entscheidung durch ein Rechtsmittel angefochten
werden kann, und auf die gesetzlichen Bestimmungen, welche die Bestellung eines
Advocaten als Processbevollmächtigten für die Ergreifung des Rechtsmittels
vorschreiben, aufmerksam zu machen.
§.
433. Wer in einer Rechtssache, in welcher der Betrag oder Wert des
Streitgegenstandes fünfhundert Gulden nicht übersteigt, eine Klage zu erheben
beabsichtigt, ist berechtigt, vor Einbringung derselben bei dem für die Klage
zuständigen Bezirksgerichte die Ladung des Gegners zur Verhandlung und zum
Zwecke des Vergleichsversuches zu beantragen, wenn der Gegner im Sprengel des
Bezirksgerichtes seinen Wohnsitz hat. An Orten, an welchen mehrere
Bezirksgerichte bestehen, kann eine solche Ladung außerdem an alle Personen
ergehen, die an diesem Orte, wenngleich außerhalb des Sprengels des zuständigen
Bezirksgerichtes, ihren Wohnsitz haben.
Gegen
die Entscheidung über einen solchen Antrag ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
§.
434. Die Klage, sowie alle außerhalb der mündlichen Verhandlung vorzubringenden
Gesuche, Anträge und Mittheilungen können die Parteien, wenn sie nicht durch Advocaten
vertreten sind, zu Protokoll anbringen. Wenn die schriftlich überreichte Klage
nach Ansicht des Richters in irgend einem Punkte einer Ergänzung oder
Aufklärung bedarf, oder wenn sich gegen die Einleitung des Verfahrens Bedenken
ergeben, hat der Richter dem Kläger, wenn derselbe nicht durch einen Advocaten
vertreten ist, vor Erledigung der Klage, zu den entsprechenden
Vervollständigungen oder Richtigstellungen die nöthige Anleitung zu geben.
Erscheint
die mündlich zu Protokoll gegebene Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges,
Unzuständigkeit des Gerichtes, wegen Mangels der persönlichen Befugnis zur
Klage oder wegen mangelnder Processfähigkeit des Beklagten unzulässig, so ist
hierüber dem Kläger mündlich oder auf Verlangen schriftlich Belehrung zu
ertheilen. Ebenso ist, wenn die Klage offenbar unbegründet erscheint, dem
Kläger mündlich eine angemessene Belehrung zu ertheilen. Die Aufnahme der Klage
darf jedoch nicht verweigert werden, wenn der Kläger trotz der Belehrung auf
der Protokollierung besteht.
§.
436. Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Klage kann in
dringenden Fällen und insbesondere bei Klagen wegen Besitzstörung auf den
nämlichen Tag anberaumt werden, an welchem die Klage bei Gericht angebracht
wurde.
§.
437. Der Kläger ist durch Zustellung einer Ausfertigung des über die Klage
ergehenden Beschlusses mit der Aufforderung zur mündlichen Verhandlung zu
laden, die während der Verhandlung in Augenschein zu nehmenden Gegenstände und
die sich auf den Rechtsstreit beziehenden, dem Gerichte noch nicht in Urschrift
vorliegenden Urkunden zur Tagsatzung mitzubringen. In der Ladung ist dem Kläger
bekannt zu geben, welche Nachtheile das Gesetz mit dem Versäumen der Tagsatzung
verbindet.
§.
438. Die Ladung des Beklagten geschieht durch Zustellung einer schriftlichen
Ausfertigung des über die Klage ergehenden Beschlusses unter gleichzeitiger
Mittheilung eines Exemplares der schriftlichen Klage oder einer Abschrift des
über die Klage aufgenommenen Protokolles. Bei protokollarischer Ergänzung oder
Richtigstellung der schriftlichen Klage ist dem Beklagten auch eine Abschrift
dieses Protokolles zuzustellen. Der Beklagte ist zugleich aufzufordern, die
sich auf den Rechtsstreit beziehenden Augenscheinsgegenstände und Urkunden zur
Tagsatzung mitzubringen und wegen der Vorlage der im Besitz des Gegners oder in
Verwahrung einer öffentlichen Behörde oder eines Notars
(432)
befindlichen Beweisurkunden und Augenscheinsgegenstände, sowie wegen etwaiger
gerichtlicher Vorladung von Zeugen noch vor der für die mündliche Verhandlung
anberaumten Tagsatzung seine Anträge zu stellen. In der Ladung ist dem
Beklagten bekannt zu geben, welche Nachtheile das Gesetz mit dem Versäumen der
Tagsatzung verbindet.
§.
439. An bestimmten Gerichtstagen, welche im voraus festzusetzen und durch
Anschlag am Gerichtshause bekannt zu machen sind, kann der Kläger mit der
Gegenpartei auch ohne Vorladung vor Gericht erscheinen, um einen Rechtsstreit
anhängig zu machen und darüber zu verhandeln.
In
diesem Falle ist das Klagebegehren in dem Verhandlungsprotokolle aufzuzeichnen.
§.
440. Im bezirksgerichtlichen Verfahren ist in der Regel schon die erste
Tagsatzung zur Vornahme der Streitverhandlung zu bestimmen. Es kann jedoch die
abgesonderte Abhaltung einer ersten Tagsatzung zur Vornahme der im §. 239
bezeichneten Processhandlungen angeordnet werden.
Die
im zweiten Theile enthaltenen Vorschriften über die Verpflichtung des Beklagten
zur Beantwortung der Klage mittels vorbereitenden Schriftsatzes, sowie die
Bestimmungen über das vorbereitende Verfahren vor einem beauftragten Richter
finden im Verfahren vor Bezirksgerichten keine Anwendung.
Im
Rechtsstreitigkeiten der in §. 245, Z. 1, bezeichneten Art kann jedoch vom
Gerichte den Parteien, wenn sie durch Advocaten vertreten sind, der Wechsel
vorbereitender Schriftsätze aufgetragen werden, oder es kann zur Vorbereitung
der mündlichen Streitverhandlung eine Einvernehmung der Parteien zu
gerichtlichen Protokolle stattfinden.
Die
mündliche Verhandlung ist womöglich bei der ersten über die Klage bestimmten
Tagsatzung zu Ende zu führen.
Der
Auftrag zur schriftlichen Feststellung von Anträgen und Erklärungen (§. 265)
kann vom Richter nur denjenigen Parteien ertheilt werden, welche bei der
mündlichen Verhandlung durch Advocaten vertreten sind.
§.
441. Die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichtes hat der Beklagte auch dann,
wenn schon die erste Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung bestimmt ist,
bei derselben vorzubringen, bevor er sich in die Verhandlung über die
Hauptsache einlässt. Nach Abhaltung der ersten Tagsatzung oder nach Einlassung
des Beklagten zur Hauptsache kann die Unzuständigkeit des Gerichtes nur unter
den Voraussetzungen des §. 240, Absatz 2, berücksichtigt werden.
§.
442. Gegen die Partei, welche die erste auf Grund der Klage anberaumte
Tagsatzung versäumt, ist auf Antrag gemäß §. 396 Versäumungsurtheil zu fällen,
wenngleich schon die erste Tagsatzung zur Vornahme der Streitverhandlung
bestimmt war.
Bleibt
eine der Parteien von einer späteren Tagsatzung aus und soll bei der Urtheilsfällung
(§. 399) auf neues thatsächliches Vorbringen der erschienenen Partei Bedacht
genommen werden, das mit dem Inhalte der von ihr etwa überreichten
vorbereitenden Schriftsätze oder mit ihren früheren Erklärungen und
thatsächlichen Angaben in Widerspruch steht und dem Gegner auch nicht vor der
Tagsatzung durch vorbereitenden Schriftsatz bekanntgegeben wurde, so ist dieses
neue Vorbringen auf Antrag der erschienenen Partei zu Protokoll festzustellen
und die säumige Partei unter Mittheilung einer Abschrift dieses Protokolles
neuerlich zur Streitverhandlung zu laden. Die weitere Säumnis des Gegners steht
sodann der Berücksichtigung des zu Protokoll festgestellten Vorbringens bei der
Urtheilsfällung nicht mehr entgegen.
§.
443. Die Protokollierung des thatsächlichen und Beweisvorbringens der Parteien
hat, falls nicht vorbereitende Schriftsätze vorliegen (§. 210, Absatz 1), in
der Regel auf die in §. 211 bezeichnete Art zu geschehen.
§.
444. Wenn sich bei einer Tagsatzung die Nothwendigkeit ergibt, einen Beweisbeschluss
im Sinne des §. 277, Absatz 3, zu erlassen und die Verhandlung nicht schon bei
derselben Tagsatzung für geschlossen erklärt wird, kann von der Protokollierung
des auf den Sachverhalt sich beziehender Parteienvorbringens abgesehen und
dessen Darstellung der Ausfertigung des Beweisbeschlusses vorbehalten werden.
Den
Parteien sind Ausfertigungen des Beweisbeschlusses zuzustellen. Gegen etwa
darin enthaltene unrichtige Angaben über das thatsächliche und Beweisvorbringen
der Parteien kann bei der nächsten mündlichen Streitverhandlung Widerspruch
erhoben werden. Der Widerspruch ist im Verhandlungsprotokolle oder mittels
kurzer Niederschriften zu beurkunden. (§. 212, Absatz 2 und 3.)
§.
445. Wenn die mündliche Verhandlung bei einer Tagsatzung durchgeführt und zum
Abschlusse gebracht
(433)
wird, kann von der Protokollierung des auf den Sachverhalt sich beziehenden
Parteivorbringens abgesehen und dessen Darstellung dem Urtheilsthatbestande (§.
417, Z. 4) vorbehalten werden. Im Verhandlungsprotokolle sind dann nur die in
§§. 207 und 208 bezeichneten Umstände und Erklärungen zu beurkunden.
Die
Ausfertigung des Urtheilsthatbestandes muss in diesem Falle binnen drei Tagen
nach Schluss der Verhandlung in der Gerichtskanzlei zur Einsicht der Parteien
hinterlegt werden. Diese können innerhalb drei Tagen nach Verständigung von der
Hinterlegung gegen unrichtige Angaben des Urtheilsbestandes über das
thatsächliche oder Beweisvorbringen Widerspruch erheben. Der Widerspruch kann
zu gerichtlichem Protokolle erklärt oder mittels kurzer Niederschriften
festgestellt werden (§. 212, Absatz 2 und 3).
Infolge
erhobenen Widerspruches kann der Urtheilsthatbestand vom Richter entsprechend
geändert werden.
§.
446. Ist das Urtheil eines Bezirksgerichtes, welches nebst der allgemeinen auch
die Gerichtsbarkeit in Handels-, See- oder Bergrechtssachen ausübt, in Ausübung
dieser besonderen Gerichtsbarkeit gefällt, so ist ein dies ausdrückender
Beisatz in das Urtheil aufzunehmen, wenn beide Parteien übereinkommen, dass die
Sache bei ihrer Erledigung als zum Gebiete dieser besonderen Gerichtsbarkeit
gehörig bezeichnet werde, oder wenn diese Bezeichnung vor dem Schlusse der
mündlichen Verhandlung von einer Partei begehrt und vom Gerichte als zutreffend
erkannt wird.
Die
Aufnahme eines solchen Beisatzes in das Urtheil oder die Verweigerung seiner
Aufnahme kann nicht angefochten werden.
§.
447. In den Ausfertigungen der Urtheile ist insbesondere hervorzuheben, dass
für die Ergreifung eines Rechtsmittels gegen das Urtheil, sowie für das
Rechtsmittelverfahren überhaupt die Vertretung durch einen Advocaten
erforderlich ist.
Eine
Berichtigung des Urtheilsthatbestandes im Sinne des §. 420 findet in Ansehung
der bezirksgerichtlichen Urtheile nicht statt.
Besondere
Bestimmungen für das Verfahren in Bagatellsachen.
§.
448. Wenn die in der Klage geforderte Geldsumme oder der Wert des
Streitgespräches den Betrag von fünfzig Gulden nicht übersteigt oder der Kläger
erklärt, statt des in der Klage geforderten Gegenstandes einen fünfzig Gulden
nicht übersteigenden Geldbetrag annehmen zu wollen (Bagatellsachen), haben die
in den nachfolgenden §§. 449 bis 453 angeführten besonderen Bestimmungen zu
gelten.
§.
449. Die Ehegattin kann mit Vollmacht ihres Gatten für denselben im Processe
auftreten.
§. 450.
Wenn über eine der in §. 239, Absatz 2, bezeichneten Einreden abgesondert
verhandelt und dieselbe auf Grund dieser Verhandlung abgewiesen wird, hat der
Richter nach Verkündung dieser Entscheidung anzuordnen, dass die Verhandlung
zur Hauptsache sogleich aufgenommen werde. Die Entscheidung über die Einrede
ist solchenfalls nicht besonders auszufertigen, sondern in die Entscheidung
aufzunehmen, welche in der Hauptsache gefällt wird.
§.
451. In Bagatellsachen hat das Verhandlungsprotokoll nur zu enthalten:
1.
die in §. 207 und §. 208, Z. 1, angeordneten Angaben;
2.
Aufzeichnungen über eine zu Protokoll gegebene Vollmacht, wenn die Partei
persönlich mit dem Bevollmächtigten erscheint; über das Klagebegehren, wenn
dieses im Sinne des §. 439 an einem Gerichtstage angebracht wurde; über den
wesentlichen Inhalt der Beweisaufnahmen und insbesondere über den Umstand, ob
ein Zeuge oder Sachverständiger vor oder nach seiner Abhörung beeidet wurde
oder ob dessen Beeidigung unterblieben ist; ferner über den Umstand, dasß der
Partei vor der unbeeideten Vernehmung und vor der eidlichen Vernehmung die
gesetzlichen Erinnerungen gemacht wurden (§§. 376 und 377);
3.
die bei der Verhandlung gefällten und verkündeten Urtheile, sowie jene
Anordnungen und Verfügungen des Richters, wider welche ein Rechtsmittel
zulässig ist;
4.
die Bemerkung, ob die Parteien bei Verkündung des Urtheiles anwesend waren.
Außerdem
ist in dem Falle, wenn die begonnene Verhandlung nicht an einem Tage beendet
werden kann, auf Antrag oder nach Ermessen des Richters von amtswegen ein
ausdrücklicher Widerspruch des Beklagten gegen die der Klage zugrunde liegenden
Behauptungen in der vom Richter zu bestimmenden kurzen Fassung durch das
Verhandlungsprotokoll zu beurkunden.
§.
452. Das Urtheil ist mündlich zu verkünden. Das in Anwesenheit beider Parteien
verkündete Urtheil wird
(434)
mit der Verkündung den Parteien gegenüber wirksam. Waren beide Parteien bei der
Urtheilsverkündung anwesend, so wird eine schriftliche Ausfertigung des
Urtheiles nur auf Verlangen der Partei zugestellt. Außer diesem Falle ist
beiden Parteien eine schriftliche Ausfertigung von amtswegen zuzustellen.
Bei
der Verkündung des Urtheiles hat der Richter die Parteien darauf aufmerksam zu
machen, dass gegen dieses Urtheil die Berufung nur wegen der in §. 477, Z. 1
bis 7, aufgezählten Nichtigkeiten ergriffen werden könne. Ein gleicher Beisatz
ist in die schriftliche Ausfertigung des Urtheiles aufzunehmen.
§.
453. Wird durch eine im Laufe des Verfahrens vorgenommene Änderung der Klage
die im §. 448 bezeichnete Wertgrenze überschritten, ohne dass jedoch zugleich
die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes dadurch aufgehoben würde, so
hat die Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache nach den sonst für das
bezirksgerichtliche Verfahren geltenden Vorschriften stattzufinden.
Besondere
Bestimmungen für das Verfahren über Besitzstörungsklagen.
§.
454. Im Verfahren über Klagen wegen Störung des Besitzstandes bei Sachen und
bei Rechten, in welchen das Klagebegehren nur auf den Schutz und die Wiederherstellung
des letzten Besitzstandes gerichtet ist und welche innerhalb dreißig Tagen
anhängig zu machen sind, nachdem der Kläger von der Störung Kenntnis erlangte,
haben die nachfolgenden besonderen Bestimmungen (§§. 455 bis 460) zu gelten.
Schriftlich
überreichte Klagen sind von außen als Besitzstörungsklagen zu bezeichnen.
§.
455. Bei der Anberaumung der Tagsatzungen und Fristen ist stets auf die
Dringlichkeit der Erledigung besonderer Bedacht zu nehmen.
§.
456. Auf Grund des in der Klage gestellten Begehrens, im Sinne der §§. 340 bis
342 a. b. G. B. ein Verbot zu erlassen, hat der Richter sogleich bei Erledigung
der Klage ohne Einvernehmung des Gegners das Erforderliche zu verfügen.
§.
457. Die Verhandlung ist auf die Erörterung und den Beweis der Thatsache des
letzten Besitzstandes und der erfolgten Störung zu beschränken, und es sind
alle Erörterungen über das Recht zum Besitz, über Titel, Redlichkeit und
Unredlichkeit des Besitzes oder über etwaige Entschädigungsansprüche
auszuschließen.
Die
Beweisführung durch Vernehmung der Parteien gemäß §. 371 ff. ist
ausgeschlossen.
§.
458. Der Richter kann während der Verhandlung die Anwendung einer oder mehrerer
der im Gesetze über das Executions- und Sicherungsverfahren zugelassenen
einstweiligen Vorkehrungen anordnen, sofern dies zur Abwendung der dringenden
Gefahr widerrechtlicher Beschädigung, zur Verhütung von Gewaltthätigkeiten oder
zur Hinanthaltung eines unwiderbringlichen Schadens nöthig erscheint. Die
Erlassung einer derartigen Verfügung kann von der Leistung einer angemessenen
Sicherstellung abhängig gemacht werden.
§.
459. Die Entscheidung hat sogleich nach geschlossener Verhandlung mittels
Beschlusses (Endbeschluss) zu erfolgen und sich darauf zu beschränken, eine
einstweilige Norm für den thatsächlichen Besitzstand aufzustellen oder
provisorisch nach dem Gesetze (§§. 340 bis 343 a. b. G. B.) eine Untersagung
oder Sicherstellung auszusprechen. Die spätere gerichtliche Geltendmachung des
Rechtes zum Besitze und der davon abhängigen Ansprüche wird dadurch nicht
gehindert. In der Begründung des Beschlusses ist auch eine gedrängte
Darstellung des Sachverhaltes zu geben. Die Frist zur Erfüllung der dem
Verurtheilten auferlegten Verbindlichkeit hat der Richter nach den Umständen
des einzelnen Falles zu bestimmen.
§.
460. Mit Ausnahme des Recurses sind alle anderen Rechtsmittel und insbesondere
auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren über
Besitzstörungsklagen ausgeschlossen.
Vierter
Theil.
Rechtsmittel.
Erster
Abschnitt.
Berufung.
Zulässigkeit.
§.
461. Gegen die in erster Instanz gefällten Urtheile findet die Berufung statt.
(435)
§. 462. Das Berufungsgericht überprüft die Entscheidung des Gerichtes erster
Instanz innerhalb der Grenzen der Berufungsanträge.
Der Beurtheilung
des Berufungsgerichtes unterliegen jedoch gleichzeitig auch diejenigen
Beschlüsse, welche in dem dem Urtheile vorausgegangenen Verfahren erlassen
wurden, sofern nicht deren Anfechtung nach dem Gesetze ausgeschlossen ist oder
dieselben infolge Unterlassung der rechtzeitigen Rüge (§. 196), des Recurses
oder durch die über den eingebrachten Recurs ergangene Entscheidung
unabänderlich geworden sind.
Allgemeine
Bestimmungen über das Berufungsverfahren.
§.
463. Auf das Berufungsverfahren sind die Vorschriften über das Verfahren vor
Gerichtshöfen erster Instanz soweit anzuwenden, als sich nicht aus den
nachfolgenden Bestimmungen Abweichungen ergeben.
Im
Berufungsverfahren müssen die Parteien durch Advocaten vertreten sein.
Berufungsfrist.
§.
464. Die Berufungsfrist beträgt vierzehn Tage; sie kann nicht verlängert
werden. Sie beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der
schriftlichen Ausfertigung des Urtheiles, in Bagatellsachen aber mit der
Verkündung des Urtheiles, wenn beide Parteien anwesend waren.
Erhebung
der Berufung.
§.
465. Die Berufung wird durch Überreichung eines vorbereitenden Schriftsatzes
(Berufungsschrift) bei dem Processgerichte erster Instanz erhoben.
An
Orten, in welchen nicht wenigstens zwei Advocaten ihren Sitz haben, können die
Berufungsschriften durch entsprechende Erklärungen zu gerichtlichem Protokolle
ersetzt werden, die der Mitwirkung eines Advocaten nicht bedürfen.
Der
Richter, welcher das Protokoll aufnimmt, hat die Partei zur genauen Angabe der
Berufungsgründe, zur Stellung eines bestimmten Berufungsantrages, sowie zur
Angabe der für die Berufungsgründe neu vorzubringenden Umstände und Beweise
besonders aufzufordern und über die Rechtsfolgen der Unterlassung dieser
Angaben zu belehren.
Die
Bestimmungen des Gesetzes über die Berufungsschrift sind auch auf die
Protokollarerklärungen zu beziehen, welche die Berufungsschrift ersetzen.
§.
466. Durch die rechtzeitige Erhebung der Berufung wird der Eintritt der
Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urtheiles im Umfange der
Berufungsanträge bis zur Erledigung des Rechtsmittels gehemmt.
§.
467. Die Berufungsschrift muss nebst den allgemeinen Erfordernissen eines
vorbereitenden Schriftsatzes enthalten:
1.
die Bezeichnung des Berufungsgerichtes;
2.
die Bezeichnung des Urtheiles, gegen welches Berufung erhoben wird;
3.
die bestimmte Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten wird, die ebenso
bestimmte kurze Bezeichnung der Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe), und
die Erklärung, ob die Aufhebung oder eine Abänderung des Urtheiles, und welche
beantragt werde (Berufungsantrag);
4.
das thatsächliche Vorbringen und die Beweismittel, durch welche die Wahrheit
der Berufungsgründe erwiesen werden kann;
5.
sofern der Berufungsantrag nicht zu Protokoll gegeben ist (§. 465, Absatz 2),
die Unterschrift eines Advocaten.
§.
468. Im Falle rechtzeitiger Erhebung der Berufung wird die Berufungsschrift
oder eine Abschrift des sie ersetzenden Protokolles dem Gegner des
Berufungswerbers unter Bekanntgabe des Berufungsgerichtes zugestellt. Verspätet
erhobene Berufungen sind vom Processgerichte erster Instanz zurückzuweisen.
Will
der Gegner des Berufungswerbers (Berufungsgegner) im Berufungsverfahren zur
Widerlegung der in der Berufsschrift angegebenen Anfechtungsgründe neue, im
bisherigen Verfahren noch nicht vorgebrachte Umstände und Beweise benützen, so
hat er das bezügliche thatsächliche und Beweisvorbringen bei sonstigem
Ausschlusse innerhalb der Nothfrist von vierzehn Tagen nach Empfang der
Berufungsschrift dem Processgerichte mittels vorbereitenden Schriftsatzes oder
unter der Voraussetzung des §. 465, Absatz 2, durch Erklärung zu gerichtlichem
Protokoll bekanntzugeben.
§.
469. Nach rechtzeitigem Einlangen der im §. 468, Absatz 2, erwähnten
Mittheilung oder nach fruchtlosem Ablauf der hierfür offenstehenden Frist legt
das Processgericht erster Instanz dem Berufungsgerichte die Berufungsschrift
und die etwa eingelangte Mittheilung des Berufungsgegners oder die bezüglichen
(436) Protokolle mit allen den Rechtsstreit betreffenden Processacten, und insbesondere mit den Ausweisen über die Zustellung des Urtheiles und der Berufungsschrift vor.
Wurde der
Rechtsstreit durch das angefochtene Urtheil nicht vollständig erledigt und soll
die Verhandlung über die noch unerledigten Punkte während des
Berufungsverfahrens fortgegesetzt werden, so sind dem Berufungsgerichte
amtliche Abschriften der auf den Gegenstand des Berufungsverfahrens bezüglichen
Theile derjenige Processacten vorzulegen, welche zugleich für das Verfahren in
erster Instanz benöthigt werden.
Verfahren vor dem
Berufungsgerichte.
Vorverfahren.
§. 470. Nach dem Einlangen der Berufungsacten beim Berufungsgerichte hat der Vorsteher dieses Gerichtes oder ein vom Vorsteher mit den Verrichtungen eines Vorsitzenden des Berufungssenates betrauter Richter die Berufungsacten einer Prüfung zu unterziehen.
§. 471. Auf Grund dieser Prüfung ist die Berufung, ohne dass zunächst eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anberaumt würde, vor den Berufungssenat zu bringen:
1. wenn das Berufungsgericht zur Entscheidung über die erhobene Berufung nicht zuständig erscheint;
2. wenn die Berufung als gesetzlich unzulässig oder nicht in der gesetzlichen Frist erhoben erscheint;
3. wenn in der Berufungsschrift das Urtheil nicht angegeben ist, wider welches Berufung erhoben wird, wenn die Berufungsschrift keinen oder keinen bestimmten Berufungsantrag enthält, oder wenn die Berufungsgründe weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung einzeln angeführt sind;
4. wenn sich die Berufung gegen ein wegen Säumnis einer Partei gefälltes Urtheil darauf gründet, daß eine Versäumung nicht vorliege;
5. wenn das Urtheil oder das der Urtheilsfällung vorangegangene Verfahren als nichtig angefochten wird;
6. wenn der in das Urtheil aufgenommene Ausspruch über die Einrede der Unzuständigkeit oder über die Streitanhängigkeit oder Rechtskraft angefochten wird;
7. wenn der mit der Prüfung der Berufungsacten betraute Richter der Ansicht ist, dass das Urtheil oder das demselben vorangegangene Verfahren an einer vom Berufungswerber nicht geltend gemachten Nichtigkeit leide.
§. 472. Unzulässig ist die Berufung insbesondere auch dann, wenn sie von einer Person eingebracht wurde, welcher das Rechtsmittel der Berufung nicht zusteht oder welche auf die Berufung giltig Verzicht geleistet hat.
Die Wirksamkeit eines nach Verkündung oder Zustellung des erstrichterlichen Urtheiles erklärten Verzichtes auf das Recht der Berufung ist nicht davon abhängig, dass der Gegner die Verzichtleistung angenommen hat.
§. 473. Der Berufungssenat entscheidet in den Fällen des §. 471 über die Berufung in nicht öffentlicher Sitzung und ohne vorhergehende mündliche Verhandlung durch Beschluss.
Hält der Berufungssenat zur Feststellung der Berufungsgründe oder der Nichtigkeit thatsächliche Aufklärungen seitens der Parteien oder des Gerichtes erster Instanz oder andere vorgängige Erhebungen erforderlich, so sind dieselben anzuordnen und mit Benutzung der einschlägigen, in den Berufungsschriften enthaltenen Parteiengaben entweder vom Berufungssenate selbst durchzuführen, oder durch einen beauftragten Richter oder das Processgericht erster Instanz durchführen zu lassen.
§. 474. Beim Vorhandensein des im §. 471, Z. 1, bezeichneten Mangels hat das Gericht seine Unzuständigkeit auszusprechen und die Berufung an das für dieselbe zuständige Gericht zu verweisen.
In den Fällen des §. 471, Z. 2 und 3, ist die Berufung zu verwerfen.
Wenn die Berufung im Falle des §. 471, Z. 4, als begründet befunden wird, ist das Urtheil aufzuheben und die Rechtssache je nach Vollendung der erstrichterlichen Verhandlung bloß zu neuerlichen Urtheilsfällung oder zur Fortsetzung der Verhandlung und Urtheilfällung an das Processgericht erster Instanz zurüchzuverweisen.
§. 475. Hat im Falle des § 471, Z. 6, das Gericht erster Instanz mit Unrecht seine Nichtzuständigkeit ausgesprochen, die Streitanhängigkeit ohne Grund angenommen oder eine Entscheidung über den Klagsanspruch mit Unrecht deshalb abgelehnt, weil über denselben bereits rechtskräftig entschieden sei, so wird dem Gerichte erster Instanz vom Berufungsgerichte aufgetragen, sich der Urtheilsfällung in der Hauptsache oder der Verhandlung und Urtheilsfällung zu unterziehen, je nachdem die erstrichterliche Entscheidung
(437) nach durchgeführter Verhandlung zur Hauptsache, oder auf Grund abgesonderter Verhandlung über die Unzuständigkeit, Streitanhängigkeit oder Rechtskraft und vor Abschluss der Verhandlung zur Hauptsache erging.
Wurde jedoch in erster Instanz mit Unrecht die Zuständigkeit des Processgerichtes angenommen, so sind unter Aufhebung des erstrichterlichen Urtheiles die zur Einleitung des Verfahrens vor dem zuständigen Gerichte erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Wurde vom Gerichte erster Instanz auf die Streitanhängigkeit mit Unrecht keine Rücksicht genommen oder der Antrag, die Klage ohne Verhandlung zur Hauptsache zurückzuweisen, weil über den Klagsanspruch schon rechtskräftig entschieden sei, unrichtiger Weise verworfen, so ist die Klage unter Aufhebung des ergangenen erstrichterlichen Urtheiles vom Berufungsgerichte zurückzuweisen.
§. 476. Wenn das angefochtene Urtheil wegen Unzuständigkeit des Gerichtes erster Instanz aufgehoben und die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung an das zuständige Gericht verwiesen wird, ist diese neuerliche Verhandlung auf Grund des über die erste Verhandlung aufgenommenen Verhandlungsprotokolles und aller sonstigen an das Berufungsgericht gelangten Processacten durchzuführen. Die neuerliche Verhandlung ist im Sinne des §. 138 einzuleiten.
Alle von den Parteien bei der ersten Verhandlung abgelegten Geständnisse und alle sonstigen Erklärungen der Parteien behalten ihre Wirksamkeit auch für die neuerliche Verhandlung. Die Parteien können jedoch bei derselben auch solche thatsächliche Behauptungen und Beweise, Angriffs- und Vertheidigungsmittel vorbringen, welche von ihnen bei der ersten Verhandlung nicht geltend gemacht wurden; desgleichen können die Parteien die bei der früheren Verhandlung versäumten oder verweigerten Erklärungen über thatsächliche Behauptungen und Beweisanbietungen bei der späteren Verhandlung nachholen.
§. 477. Als nichtig (§. 471, Z. 5 und 7) ist das angefochtene Urtheil und, soweit der Grund der Nichtigkeit das vorangegangene Verfahren ergreift, auch dieses aufzuheben:
1. wenn an der Entscheidung ein Richter theilnahm, welcher kraft des Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes in dieser Rechtssache ausgeschlossen war, oder dessen Ablehnung vom Gerichte als berechtigt erkannt worden ist;
2. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
3. wenn das Urtheil von einem Gericht gefällt wurde, das auch nicht durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien für diese Rechtssache zuständig gemacht werden konnte;
4. wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang, insbesondere durch Unterlassung der Zustellung entzogen wurde;
5. wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht oder, falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Processführung nicht nachträglich ordnungsmäßig genehmigt wurde;
6. wenn über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt wurde;
7. wenn die Öffentlichkeit in ungerechtfertigter Weise ausgeschlossen wurde;
8. wenn der Vorschrift des §. 210, Absatz 2, zuwider die Parteien oder deren Bevollmächtigte von ihnen abgefasste Entwürfe zu Verhandlungsprotokollen zu den Acten gebracht haben;
9. wenn die Fassung des Urtheils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, wenn das Urtheil mit sich selbst in Widerspruch ist oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind und diesen Mängeln durch eine vom Berufungsgerichte angeordnete Berichtigung des Urtheils (§. 419) nicht abgeholfen werden kann.
Eine nachträgliche Genehmigung der Processführung (Z. 5) liegt insbesondere dann vor, wenn der gesetzliche Vertreter, ohne den Mangel der Vertretung geltend zu machen, durch Erstattung der Berufungsschrift oder eines vorbereitenden Schriftsatzes (§. 468) in das Berufungsverfahren eingetreten ist.
§. 478. Erfolgt die Aufhebung des erstrichterlichen Urtheiles wegen Nichtigkeit, ohne dass hiedurch zur Erledigung der Sache eine weitere Verhandlung nothwendig wird (§. 477, Z. 5 und 6), so ist, soweit die Nichtigkeit reicht, die Zurückweisung der Klage auszusprechen.
Wird durch die gänzliche oder theilweise Aufhebung des erstrichterlichen Urtheiles wegen Nichtigkeit eine weitere Verhandlung nothwendig, so ist die Sache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Wenn das erstrichterliche Urtheil wegen eines der in §. 477, Z. 1 und 2, angeführten Nichtigkeitsgründe aufgehoben wird, so kann die Sache zur neuerlichen Verhandlung statt an das Processgericht erster Instanz an ein anderes im Sprengel des Berufungsgerichtes gelegenes Gericht der gleichen Art verwiesen werden.
(438) Die nach Absatz 2 und 3 ausgesprochene Verweisung ist jedoch aufzuheben, wenn beide Parteien innerhalb der Nothfrist von acht Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichtes beantragen, dass von Berufungsgerichte nach Durchführung der nothwendigen neuen Verhandlung in der Sache selbst erkannt werde. Dieser Antrag ist beim Berufungsgerichte zu stellen.
§. 479. Wenn die Rechtssache gemäß §. 478 an ein Gericht erster Instanz verwiesen wird, so hat dieses die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung von amtswegen anzuberaumen. Mit der Anberaumung der Tagsatzung ist jedoch bis nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Berufungsgerichtes zu warten, wenn letzteres ausgesprochen hat, dass das Verfahren in erster Instanz erst nach eingetretener Rechtskraft der Berufungsentscheidung aufzunehmen oder fortzusetzen sei. Ein solcher Ausspruch kann von amtswegen oder auf Antrag erfolgen; gegen denselben ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Desgleichen ist im Falle des §. 474, Absatz 1, nach eingetretener Rechtskraft der Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Fortsetzung des Verfahrens vor dem zuständigen Berufungsgerichte von diesem das Erforderliche von amtswegen anzuordnen.
Anberaumung der
Berufungsverhandlung.
§. 480. Fehlt es an den Voraussetzungen für die Einholung einer Entscheidung des Berufungssenates oder wurde vom Berufungssenate die Berufungsschrift als zur Bestimmung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung geeignet befunden, so ist letztere vom Vorsitzenden des Berufungssenates so anzuberaumen, dass zwischen der Zustellung der Ladung an die Parteien und der Tagsatzung ungefähr der Zeitraum von vierzehn Tagen liegt. In dringenden Fällen kann diese Frist auch abgekürzt werden.
Die Anordnung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung hat auch dann zu erfolgen, wenn die wegen irriger Annahme einer Versäumung wegen Unzuständigkeit des Gerichts, wegen der Entscheidung über die Streitanhängigkeit oder Rechtskraft oder wegen Nichtigkeit erhobene Berufung in nicht öffentlicher Sitzung vom Berufungsgerichte verworfen wurde, in der Berufungsschrift aber auch noch andere, der mündlichen Verhandlung vorbehaltene Aufrechtungsgründe geltend gemacht sind.
Haben die Parteien bereits die im Berufungsverfahren sie vertretenden Advocaten namhaft gemacht, so ist die Ladung zur mündlichen Verhandlung an letztere zu richten.
§. 481. Zeigt sich schon bei Anberaumung der Tagsatzung die Nothwendigkeit, in der Berufungsverhandlung die Wahrheit einzelner in der Berufungsschrift oder in einem vorbereitenden Schriftsatze angeführter Thatsachen, auf welche die Berufung gegründet wird, festzustellen, schon in der ersten Instanz vorgebrachte Beweise zu wiederholen, zu ergänzen oder bisher bloß angebotene Beweise anzunehmen, so hat der Vorsitzende des Berufungssenates die namhaft gemachten Zeugen oder die in erster Instanz einvernommenen Sachverständigen zur Berufungsverhandlung vorzuladen, die Parteien behufs ihrer eidlichen Vernehmung zum Erscheinen aufzufordern und die Herbeischaffung aller sonstigen Beweismittel zu veranlassen.
Mündliche
Berufungsverhandlungen.
§. 482. In der Verhandlung vor dem Berufungsgerichte darf mit Ausnahme des Anspruches auf Erstattung der Kosten des Berufungsverfahren weder ein neuer Anspruch, noch eine neue Einrede erhoben werden.
Thatumstände und Beweise, die nach Inhalt der erstrichterlichen Processacten und des Urtheilsthatbestandes in erster Instanz nicht vorgekommen sind, dürfen von den Parteien in Berufungsverfahren nur zur Darthuung oder Wiederlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden; auf solches neues Vorbringen darf überdies nur dann Rücksicht genommen werden, wenn es vorher im Wege der Berufungsschrift oder mittels vorbereitenden Schriftsatzes (§. 468) den Gegner mitgetheilt wurde.
§. 483. In der mündliche Verhandlung dürfen die Berufungsanträge ohne Einwilligung des Gegners weder erweitert, noch durch andere ersetzt werden. Das Gleiche gilt von den in der Berufungsschrift angegebenen Berufungsgründen.
Diese Einwilligung ist als vorhanden anzusehen, wenn der anwesende Gegner, ohne gegen die Änderung Einsprache zu erheben, über die abgeänderten Anträge oder über die neu geltend gemachten Berufungsgründe verhandelt.
Eine Änderung der dem angefochtenen Urtheile zugrunde liegenden Klage ist selbst mit Einwilligung des Gegners nicht zulässig.
§. 484. Die Zurücknahme der Berufung ist bis zum Schlusse der mündlichen Berufungsverhandlung zulässig. Sie kann bei der mündlichen Verhandlung erklärt werden oder mittels Überreichung eines Schriftsatzes beim Berufungsgerichte erfolgen. Wird der
(439) Schriftsatz noch vor Beginn der mündlichen Berufungsverhandlung überreicht, so kann das Berufungsgericht anordnen, dass es von der anberaumten Tagsatzung abzukommen habe.
Die Zurücknahme hat nebst dem Verluste des Rechtsmittels auch die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen und insbesondere auch alle hiedurch dem Gegner verursachten Kosten zu tragen.
Über die Verpflichtung zum Kostenersatze ist vom Berufungsgerichte durch Beschluss zu entscheiden. Der Antrag ist bei sonstigem Ausschlusse bei der mündlichen Berufungsverhandlung, wenn aber die zur Berufungsverhandlung anberaumte Tagsatzung gemäß Absatz 1 nicht abgehalten wurde, innerhalb acht Tagen nach Verständigung des Berufungsgegners von der Zurücknahme der Berufung zu stellen.
§. 485. Die Verhandlung über die Berufung gegen ein Urtheil, dessen Ergänzung gemäß §. 423 beantragt wurde, kann auf Antrag ausgesetzt werden, bis entweder das Ergänzungsurtheil ohne Berufung in Rechtskraft erwachsen oder auch die Berufung gegen das Ergänzungsurtheil an das Berufungsgericht gelangt ist. Im letzteren Falle ist die Verhandlung über beide Berufungen zu verbinden.
Desgleichen kann die Berufungsverhandlung auf Antrag bis zur Entscheidung über eine begehrte Berichtigung des Urtheilsthatbestandes (§. 420) ausgesetzt werden, sofern die geforderte Berichtigung auf die Beurtheilung der Berufung von Einfluss sein könnte.
§. 486. Die mündliche Berufungsverhandlung beginnt nach dem Aufrufe der Sache mit dem Vortrage eines Mitgliedes des Berufungssenates als Berichterstatter.
Derselbe hat mit Hilfe der Processacten den Sachverhalt und den bisherigen Gang des Rechtsstreites, soweit dies zum Verständnisse der Berufungsanträge und zur Prüfung der Nichtigkeit des angefochtenen Urtheiles und der Berufungsgründe erforderlich ist, dann das Wesentliche der von den Parteien im Berufungsverfahren erstatteten Schriften darzulegen und die sich daraus ergebenden Streitpunkte zu bezeichnen. Der Vortragende darf seine Ansicht über die zu fällende Entscheidung nicht äußern.
Sodann sind die Anträge der Parteien und der durch die Berufung getroffene Theil des erstrichterlichen Urtheils sammt den Entscheidungsgründen, und wenn es der Vorsitzende oder der Berufungssenat für zweckdienlich erachten, auch die bezüglichen Theile des Verhandlungsprotokolles erster Instanz durch den Schriftführer vorzulesen.
Hierauf werden die Parteien mit ihren Vorträgen gehört. Stimmt der Vortrag einer Partei mit dem Inhalte der Processacten nicht überein, so hat der Vorsitzende darauf aufmerksam zu machen.
§. 487. Der Antrag auf Ablehnung der Zuständigkeit des Berufungsgerichtes kann im Berufungsverfahren nur in dem Falle gestellt werden, wenn das Einschreiten eines die Handels- oder Seegerichtsbarkeit oder die Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten des Bergbaues ausübenden Berufungsgerichtes erwirkt oder abgelehnt werden soll. Zur Erwirkung des Einschreitens eines solchen Berufungsgerichtes kann dieser Antrag nur dann, wenn der im §. 446 bezeichnete Beisatz in das Urtheil erster Instanz aufgenommen wurde, zur Ablehnung des Einschreitens eines solchen Berufungsgerichtes aber nur dann gestellt werden, wenn das Urtheil erster Instanz den im §. 446 bezeichneten Beisatz nicht enthält. Auch kann im ersten Falle der Antrag von derjenigen Partei nicht gestellt werden, welche sich gegen die Aufnahme eines solchen Beisatzes in das erstrichterliche Urtheil erklärt hat.
Der Antrag auf Ablehnung der Zuständigkeit des Berufungsgerichtes ist bei sonstigem Ausschlusse sogleich nach Beendigung des die Berufungsverhandlung einleitenden Vortrages des Berichterstatters zu stellen; über diesen Antrag ist ohne Aufschub vor Aufnahme der Verhandlung über die Berufung zu verhandeln und zu entscheiden.
Wird dem Antrag auf Ablehnung der Zuständigkeit des Berufungsgerichtes stattgegeben, so hat dieses Gericht seine Unzuständigkeit durch Beschluss auszusprechen. Nach eingetretener Rechtskraft des Beschlusses ist das Berufungsverfahren vor dem zuständigen Berufungsgerichte fortzusetzen. Dieses Gericht ist in einem solchen Falle an die hinsichtlich der Art der auszuübenden Gerichtsbarkeit gefällte Entscheidung gebunden.
Bei Verwerfung des Antrages ist die Berufungsverhandlung sogleich aufzunehmen und durchzuführen. Die Entscheidung über den Antrag ist in diesem Falle nicht besonders auszufertigen, sondern in die in der Hauptsache ergehende Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzunehmen.
§. 488. Der Berufungssenat kann nicht bloß die zur Unterstützung oder Bekämpfung der Berufungsgründe dienenden Beweise aufnehmen, sondern, wenn dies behufs Entscheidung über die Berufungsanträge nothwendig erscheint, auch eine bereits in erster Instanz erfolgte Beweisaufnahme wiederholen oder ergänzen, und im erstrichterlichen Verfahren von den Parteien erfolglos angebotene Beweise nachträglich aufnehmen.
(440) Der Berufungssenat kann im letzeren Falle, sowie wenn ein Augenschein ergänzt werden soll, das Beweisverfahren nach den für dasselbe in erster Instanz geltenden Vorschriften selbst durchführen oder die Beweisaufnahme durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vornehmen lassen.
Wurde in erster Instanz ein Sachverständigenbeweis geführt, so kann der Berufungssenat denselben unter Bestellung anderer Sachverständiger neuerlich vornehmen lassen.
§. 489. Wurde eine Partei in erster Instanz unter Eid einvernommen, so kann über dieselbe Thatsache die eidliche Abhörung der Gegenseite vom Berufungsgerichte nicht angeordnet werden.
Wird vom Berufungssenate die neuerliche eidliche Entvernehmung einer bereits in erster Instanz eidlich abgehörten Parteien angeordnet, so ist dieselbe unter Erinnerung an den in erster Instanz abgelegten Eid zu vernehmen.
Das Berufungsgericht kann die eidliche Vernehmung einer Partei, welche in erster Instanz die Vernehmung oder die eidliche Aussage verweigert hat, nur dann anordnen, wenn es die Überzeugung gewonnen hat, dass die Partei genügende Gründe hatte, die Vernehmung zu verweigern, und dass diese Gründe seither weggefallen sind.
§. 490. Das Berufungsgericht hat auf Antrag noch vor Entscheidung über die Berufung durch Beschluss auszusprechen, inwieweit das Urtheil der unteren Instanz als nicht angefochten zur Execution geeignet ist. Gegen diesen Beschluss ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
§. 491. Im Falle des Ausbleibens einer oder beider Parteien ist über die Berufung dennoch zu verhandeln und mit Berücksichtigung des in der Berufungsschrift und einem etwa überreichten vorbereitenden Schriftsatz (§. 468) Vorgebrachten zu entscheiden. Ob ein neues Vorbringen (§. 482, Absatz 2) als zugestanden oder als bestritten anzusehen sei, hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Thatbestandes des angefochtenen Urtheiles und aller sonstigen Processacten erster und zweiter Instanz zu entscheiden.
§. 492. Die Parteien können auf die Anordnung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Berufung verzichten. Der Verzicht ist wirksam, wenn er von den Parteien in der Berufungsschrift oder durch einen dem Processgerichte erster Instanz oder dem Berufungsgerichte überreichten Schriftsatz ausdrücklich erklärt wurde. In diesem Falle kann die Berufungsschrift auch Rechtsausführungen und Darlegungen über Thatsachen und Beweise (§. 78, letzter Absatz) enthalten.
Die Entscheidung über die Berufung erfolgt dann in nicht öffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Das Gericht kann jedoch, wenn dies im einzelnen Falle erforderlich erscheint, eine mündliche Verhandlung anordnen.
§. 493. In das Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung ist der Inhalt des thatsächlichen Vorbringens und der Beweisanbietungen der Parteien nur insoweit aufzunehmen, als derselbe von den Angaben der erstrichterlichen Processacten über den Verhandlungsinhalt abweicht.
Wenn die mündliche Berufungsverhandlung bei einer Tagsatzung durchgeführt und zum Abschlusse gebracht wird, kann die Darstellung des auf den Sachverhalt sich beziehenden Parteienvorbringens dem Urtheilsthatbestande (§. 417, Z. 4) vorbehalten werden. Im Verhandlungsprotokolle sind dann nur die in §§. 207 und 208 bezeichneten Umstände und Erklärungen zu beurkunden. Anträge auf Berichtigung der in den Urtheilsthatbestand aufgenommenen Angaben über das thatsächliche oder Beweisvorbringen der Parteien sind binnen acht Tagen nach Zustellung des Urtheiles beim Berufungsgerichte zu stellen (§. 420).
Berufungsentscheidung.
§. 494. Überzeugt sich das Gericht aus Anlass einer Berufungsverhandlung, dass das angefochtene Urtheil oder das Verfahren in erster Instanz an einer bisher unbeachtet gebliebenen Nichtigkeit leide, so ist, sofern nicht ein durch ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung beseitigter Mangel der Vertretung (§. 477, Z. 5) vorliegt, im Sinne der §§. 477 und 478 vorzugehen, wenn auch die Nichtigkeit von keiner der Parteien geltend gemacht wurde.
§. 495. Werden die im §. 471, Z. 2 und 3, bezeichneten Mängel erst bei der mündlichen Verhandlung wahrgenommen und versagt der anwesende Gegner des Berufungswerbers zu einer Verbesserung der Berufungsschrift (§. 471, Z. 3) seine Zustimmung, so ist die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen.
(441) §. 496. Die Sache ist vom Berufungsgerichte an das Processgericht erster Instanz zur Verhandlung und Urtheilsfällung zurückzuweisen, wenn, ohne dass dadurch eine Nichtigkeit begründet wäre:
1. die Sachanträge durch das angefochtene Endurtheil nicht vollständig erledigt wurden;
2. das Verfahren erster Instanz an wesentlichen Mängeln leidet, welche eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurtheilung der Streitsache verhinderten;
3. nach Inhalt der Processacten den Berufungsgerichte erheblich scheinende Thatsachen in erster Instanz gar nicht erörtert wurden.
Das Verfahren vor dem Processgerichte hat sich im Falle der Z. 1 auf die unerledigt gebliebenen Ansprüche und Anträge, im Falle der Z. 2 auf die durch den Mangel betroffenen Theile des erstrichterlichen Verfahrens und Urtheiles zu beschränken.
Statt der Zurückweisung kann das Berufungsgericht, und zwar erforderlichen Falles nach Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung, durch Urtheil in der Sache selbst erkennen, wenn entweder beide Parteien übereinstimmend darauf antragen oder dies nach Ermessen des Gerichtes geeignet erscheint, die Erledigung zu beschleunigen oder einen erheblichen Kostenaufwand zu vermeiden.
§. 497. Sofern nicht die Bestimmungen der §§. 494, 495 und 496 zur Anwendung kommen, erkennt das Berufungsgericht durch Urtheil in der Sache selbst.
Seine Entscheidung hat alle einen zuerkannten oder aberkannten Anspruch betreffenden Streitpunkte zu umfassen, welche in Gemäßheit der Berufungsanträge eine Erörterung und Beurtheilung in zweiter Instanz erfordern.
Das erstrichterliche Urtheil darf nur soweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.
§. 498. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die in den erstrichterlichen Processacten und im Urtheil der ersten Instanz festgestellten, durch die geltend gemachten Berufungsgründe nicht berührten Ergebnisse der Verhandlung und Beweisführung zugrunde zu legen, soweit dieselben nicht durch die Berufungsverhandlung selbst eine Berichtigung erfahren haben.
Welche Bedeutung dem Widerspruche beizumessen ist, der gegen einzelne Feststellungen eines Protokolles erster Instanz oder gegen die in der Ausfertigung eines Beweisbeschlusses oder im Urtheilsthatbestande enthaltenen Angaben über thatsächliches und Beweisvorbringen (§§. 444, 445) rechtzeitig erhoben wurde, hat das Berufungsgericht, nöthigenfalls nach mündlicher Verhandlung über die vom Widerspruche betroffenen Feststellungen und aller sonstigen Umstände zu beurtheilen.
§. 499. Die Zurückverweisung der Rechtssache an das Processgericht erster Instanz geschieht in den Fällen der §§. 494 und 496 mittels Beschlusses.
Das Gericht, an welches eine Rechtssache infolge Beschlusses des Berufungsgerichtes zu gänzlicher oder theilweiser neuer Verhandlungen oder Entscheidung oder zur Durchführung des Berufungsverfahrens (§. 487) gelangt, ist hiebei an die rechtliche Beurtheilung gebunden, von welcher das Berufungsgericht bei seinem Beschlusse ausgegangen ist.
In Bezug auf die Einleitung der neuen Verhandlung hat die Vorschrift des §. 479 zur Anwendung zu kommen.
Das Gleiche gilt, wenn das Berufungsgericht das Urtheil, durch welches eine Wiederaufnahmsklage als unzulässig erkannt wurde, abändert und die Verhandlung in erster Instanz auf die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens beschränkt war.
§. 500. Das Urtheil oder der Beschluss des Berufungsgerichtes, wodurch die Berufung erledigt wird, ist den Parteien stets in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen.
Bei Darstellung des Thatbestandes im Urtheile des Berufungsgerichtes ist eine Bezugnahme auf das erstrichterliche Urtheil nicht ausgeschlossen.
§. 501. In Bagatellsachen kann das erstrichterliche Urtheil nur wegen der im §. 477, Z. 1 bis 7, aufgezählten Nichtigkeiten mittels Berufung angefochten werden.
Zweiter Abschnitt.
Revision.
Zulässigkeit.
§. 502. Gegen die Urtheile der Berufungsgerichte findet die Revision statt.
In Bagatellsachen ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes ein weiterer Rechtszug unzulässig.
(442) §. 503. Die Revision kann nur aus einem der folgenden Gründen begehrt werden:
1. weil das Urtheil des Berufungsgerichtes wegen eines der im §. 477 bezeichneten Mängel nichtig ist;
2. weil das Berufungsverfahren an einem Mangel leidet, welcher, ohne die Nichtigkeit zu bewirken, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurtheilung der Streitsache zu hindern geeignet war.
3. weil dem Urtheil des Berufungsgerichtes in einem wesentlichen Punkte eine thatsächliche Voraussetzung zugrunde gelegt erscheint, welche mit den Processacten erster oder zweiter Instanz im Widerspruch steht;
4. weil das Urtheil des Berufungsgerichtes auf einer unrichtigen rechtlichen Beurtheilung der Sache beruht.
§. 504. Das Revisionsgericht überprüft das Urtheil des Berufungsgerichtes innerhalb der Grenzen der im Revisionsverfahren gestellten Anträge.
Neue thatsächliche Behauptungen oder Beweise können in der Revisionsinstanz nur zur Unterstützung oder Bekämpfung der Behauptung vorgebracht werden, dass das Urtheil des Berufungsgerichtes wegen eines der im §. 477 bezeichneten Mängel nichtig sei, oder dass das Berufungsverfahren an einem Mangel leide, welcher die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurtheilung der Streitsache zu hindern vermochte.
Erhebung der
Revision.
§. 505. Die Revision wird durch Überreichung eins Schriftsatzes (Revisionsschrift) bei dem Processgerichte erster Instanz erhoben.
Die Revisionsfrist beträgt vierzehn Tage von Zustellung des Berufungserkenntnisses an; sie kann nicht verlängert werden.
Durch die rechtzeitige Erhebung der Revision wird der Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urtheiles im Umfange der Revisionsanträge bis zur Erledigung des Rechtsmittels gehemmt. Der Revision gegen ein bestätigendes Urtheil der zweiten Instanz kommt eine hemmende Wirkung nicht zu.
§. 506. Die Revisionschrift muss nebst den allgemeinen Erfordernissen eines Schriftsatzes enthalten;
1. die Bezeichnung des Urtheiles, gegen welches die Revision gerichtet ist;
2. die bestimmte Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten wird, die ebenso bestimmte kurze Bezeichnung der Gründe der Anfechtung (Revisionsgründe) und die Erklärung, ob die Aufhebung oder eine Abänderung des Urtheiles, und welche beantragt werde (Revisionsantrag);
3. das thatsächliche Vorbringen und die Beweismittel, durch welche die Wahrheit der im §. 503, Z. 1 und 2, angegebenen Revisionsgründe erwiesen werden soll;
4. die Unterschrift eines Advocaten.
Insoweit die Revision auf den im §. 503, Z. 4, angegebenen Revisionsgrund gestützt wird, ist in der Revisionsschrift darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurtheilung der Sache unrichtig erscheint.
§. 507. Im Falle rechtzeitiger Erhebungen der Revision verfügt das Processgericht erster Instanz die Zustellung eines Exemplares der Revisionsschrift an den Gegner des Revisionswerbers (Revisionsgegner). Verspätet erhobene Revisionen sind vom Processgerichte erster Instanz zurückzuweisen.
Dem Revisionsgegner steht es frei, binnen der Nothfrist von vierzehn Tagen von der Zustellung der Revisionsschrift bei dem Processgerichte erster Instanz eine Revisionsbeantwortung mittels Schriftsatzes zu überreichen.
Auf die Revisionsbeantwortung finden die Bestimmungen des §. 506 mit Ausnahme der unter Z. 1 und 2 angegebenen Erfordernisse sinngemäße Anwendung. Neue Thatsachen und Beweise, welche der Revisionsgegner zur Widerlegung der in der Revisionsschrift angegebenen Revisionsgründe benützen will, werden im Revisionsverfahren nur soweit berücksichtigt, als sie bereits in der Revisionsbeantwortung angeführt sind.
Von der Einbringung der Revisionsbeantwortung ist der Revisionswerber durch Mittheilung eines Exemplares der Revisionsbeantwortung zu verständigen.
Die Überreichung der Revisionsschrift und Revisionsbeantwortung kann nicht durch Erklärung zu gerichtlichem Protokoll ersetzt werden.
§. 508. Nach Erstattung der Revisionsbeantwortung oder nach fruchtlosem Ablaufe der hiefür offenstehenden Frist legt das Processgericht erster Instanz die bezeichneten Schriften sammt allen auf den Rechtsstreit sich beziehenden Processacten dem Berufungsgerichte
(443) vor, welches dieselben sodann nach Anschluss der diesen Rechtsstreit betreffenden berufungsgerichtlichen Acten an das Revisionsgericht weiterbefördert.
Die Vorlage der Acten an das Revisionsgericht ist in dem Falle, als eine Berichtigung des Thatbestandes des vom Berufungsgerichte gefällten Urtheiles beantragt wurde, bis zur Erledigung des Berichtigungsverfahrens auszusetzen.
Verfahren vor dem
Revisionsgerichte.
§. 509. Das Revisionsgericht entscheidet über die Revision in nicht öffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung.
Es kann jedoch, wenn dies im einzelnen Falle dem Revisionsgericht behufs Entscheidung über die eingelegte Revision erforderlich erscheint, auch eine mündliche Verhandlung vor dem Revisionsgerichte auf Antrag oder von amtswegen angeordnet werden. In Bezug auf diese Verhandlung haben die für die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgerichte erlassenen Vorschriften zu gelten.
Erhebungen oder Beweisaufnahmen, welche zur Feststellung der im §. 503, Z. 1 und 2, angeführten Revisionsgründe nothwendig sind, haben durch einen ersuchten Richter zu erfolgen, welcher die Acten über die stattgefundenen Erhebungen oder Beweisaufnahmen unmittelbar dem Revisionsgerichte vorzulegen hat. Diesen Erhebungen und Beweisaufnahmen sind stets die Parteien zuzuziehen.
§. 510. Das Revisionsgericht hat in der Regel in der Sache selbst zu entscheiden. Wenn es jedoch das Urtheil des Berufungsgerichtes nach §. 477, Z. 4 und 5, als nichtig zu erklären oder aus dem im §. 503, Z. 2, bezeichneten Grunde aufzuheben findet und infolge dessen eine neue Verhandlung zur Erledigung der Sache nothwendig erachtet, hat es die Streitsache zu diesem Zwecke an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Findet das Revisionsgericht das Urtheil oder Verfahren wegen einer schon in erster Instanz unterlaufenen, von amtswegen wahrzunehmenden Nichtigkeit aufzuheben, so hat die Zurückweisung der Sache an die erste Instanz zu erfolgen (§. 478, Absatz 2 und 3).
§. 511. Das Gericht, an welches die Sache zurückverwiesen wurde, ist bei der weiteren Behandlung und Entscheidung an die rechtliche Beurtheilung gebunden, welche das Revisionsgericht seinem aufhebenden Urtheile zugrunde gelegt hat.
Zum Zweck der Aufnahme des Verfahrens beim Berufungsgerichte oder beim Gerichte erster Instanz haben diese die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung von amtswegen anzuberaumen.
§. 512. Findet das Revisionsgericht, dass die Revision muthwillig oder nur zur Verzögerung der Sache angebracht wurde, so ist gegen den Revisionswerber oder nach Umständen gegen dessen Advocaten auf eine Muthwillensstrafe zu erkennen.
§. 513. Soweit sich nicht aus den Bestimmungen dieses Abschnittes Abweichungen ergeben, sind die Vorschriften über die Berufung auch auf die Revision anzuwenden.
Dritter Abschnitt.
Recurs.
Zulässigkeit.
§. 514. Gegen Beschlüsse (Bescheide) ist, sofern das gegenwärtige Gesetz die Anfechtung derselben nicht ausschließt, der Recurs zulässig.
Mittels Recurses können Beschlüsse insbesondere auch aus den im §. 477 angegebenen Gründen angefochten werden.
Gegen Beschlüss, durch welche gemäß §. 51, Absatz 2, der Ersatz der Kosten dem Gerichte auferlegt wird, können die hienach zum Kostenersatze verpflichteten richterlichen Beamten Recurs ergreifen.
§. 515. In den Fällen, welchen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes gegen einen Beschluss ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, können die Parteien ihre Beschwerden gegen diesen Beschluss mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen.
§. 516. Die vom Vorsteher eines Gerichtshofes, vom Vorsitzenden des Senates oder von einem beauftragten Richter gefassten Beschlüsse können, sofern nichts anderes angeordnet ist, durch das Rechtsmittel des Recurses angefochten werden; die Anfechtung ist jedoch unstatthaft, wenn nicht früher die Abänderung des fraglichen Beschlusses beim Gerichtshofe beantragt wurde.
(444) §. 517. In Bagatellsachen kann nur gegen die folgenden Beschlüsse erster Instanz Recurs ergriffen werden:
1. wenn die Einleitung oder Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage verweigert wurde;
2. wenn über den Antrag auf Bestellung einer Sicherheit für die Processkosten oder auf Ergänzung dieser Sicherheit entschieden wurde;
3. wenn dem Begehren um Erstreckung einer Tagsatzung unter Verletzung der Bestimmungen des §. 134 stattgegeben wurde und der Beschluss zugleich gemäß §. 141 anfechtbar ist;
4. wenn ein Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Tagsatzung oder wegen Verstreichung einer Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels abgewiesen wurde;
5. wenn über zu ersetzende Kosten durch Beschluss entschieden wurde.
Gegen Beschlüsse des Berufungsgerichtes ist in Bagatellsachen der Recurs ausgeschlossen.
§. 518. Im Verfahren über Klagen wegen Störung des Besitzstandes (§. 454) kann nur gegen Beschlüsse, durch welche die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens über die Klage verweigert wird, und gegen den Endbeschluss Recurs ergriffen werden.
Beschwerden gegen alle anderen im Laufe des Verfahrens gefassten Beschlüsse, und insbesondere gegen die während des Verfahrens erlassenen einstweiligen Verfügungen sind mit dem gegen den Endbeschluss gerichteten Recurs zu verbinden.
§. 519. Gegen die im Berufungsverfahren ergehenden Beschlüsse des Berufungsgerichtes ist der Recurs nur statthaft:
1. wenn durch den Beschluss die Berufung zurückgewiesen wurde;
2. wenn die Nichtigkeit des richterlichen Urtheiles vom Berufungsgerichte durch Beschluss ausgesprochen wurde;
3. wenn die Rechtssache durch Beschluss zur Entscheidung oder zur Verhandlung und Entscheidung an ein Gericht erster Instanz oder an ein anderes Berufungsgericht verwiesen und wenn zugleich in dem Beschlusse des Berufungsgerichtes ausgesprochen wurde, dass das Verfahren in erster Instanz oder das Berufungsverfahren erst nach eingetretener Rechtskraft dieses Beschlusses aufzunehmen oder fortzusetzen sei.
Erhebung des
Recurses.
§. 520. Der Recurs wird durch Überreichung eines Schriftsatzes (Recursschrift) bei dem Gerichte erhoben, dessen Beschluss angefochten wird, dessen Vorsteher den angefochtenen Beschluss erlassen hat oder dem der Vorsitzende des Senates, der beauftragte oder ersuchte Richter angehört hat, gegen dessen Beschluss Recurs ergriffen wird. Bei Bezirksgerichte können Recurse von Parteien, welche nicht durch einen Advocaten vertreten sind, auch mündlich zu Protokoll angebracht werden; schriftliche Recurse müssen mit der Unterschrift eines Advocaten verstehen sein.
Wenn ein Beschluss wegen der ihm zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurtheilung mittels Recurs angefochten wird, hat die Vorschrift des §. 506, letzter Absatz, entsprechend Anwendung zu finden.
§. 521. Die Recursfrist beträgt vierzehn Tagen; sie kann nicht verlängert werden.
Die Frist beginnt mit dem Tage nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des anzufechtenden Beschlusses oder der Recursenentscheidung, und in Bagatellsachen, wenn beide Parteien bei der Verkündung des Bschlusses anwesend waren, mit dem Tage nach der Verkündung.
§. 522. Ist der Recurs gegen die Verweigerung oder Entziehung des Armenrechtes, gegen Strafverfügungen wider einen Zeugen oder Sachverständigen oder gegen einen Beschluss gerichtet, welcher bloß processleitender Natur ist, so kann das Gericht oder der Richter, dessen Entscheidung oder Verfügung angefochten wird, dem Recursbegehren selbst stattgeben.
Finden sich dieselben hiezu nicht bestimmt oder werden andere, als die im ersten Absatze bezeichneten Beschlüsse durch Recurs angefochten, so ist der Recurs dem Recursgerichte ohne Aufschub mit aufklärendem Berichte und mit allen für die Beurtheilung des Recurses erforderlichen Acten vorzulegen.
§. 523. Recurse gegen Beschlüsse, wider welche nach den Vorschriften dieses Gesetz ein Recurs überhaupt nicht stattfindet oder doch ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, sowie Recurse, die nach Ablauf der Recursfrist erhoben werden, sind von dem Gerichte, welchem sie überreicht werden, von amtswegen zurückzuweisen.
§. 524. Der Recurs hat in Bezug auf die Ausführung des angefochtenen Beschlusses und den Eintritt
(445) der Vollstreckbarkeit desselben keine ausschiebende Wirkung. Eine Ausnahme tritt, soferne nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt, bei Strafverfügungen ein, welche im Instanzenzuge anfechtbar sind.
Wenn jedoch aus der Hemmung des Verfahrens, der Ausführung des angefochtenen Beschlusses oder der auf Grund desselben einzuleitenden Execution der Gegenparteien kein unverhältnismäßiger Nachtheil erwächst, und ohne solche Hemmung der Zweck des Recurses vereitelt würde, so hat das Gericht, gegen dessen Beschluss Recurs ergriffen wurde, auf Antrag die einstweilige Hemmung unter gleichzeitiger Anordnung der etwa nothwendigen Sicherungsmaßregeln zu verfügen. Gegen diesen Beschluss findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt.
Gleiche Befugnis steht dem Vorsteher des Gerichtes, dem Vorsitzenden des Senates oder dem beauftragten oder ersuchten Richter zu, wenn der Recurs gegen deren Beschlüsse ergriffen wird.
§. 525. Insofern im Verfahren über eine Klage wegen Störung des Besitzstandes die während der Verhandlung getroffenen einstweiligen Vorkehrungen durch die Vollstreckung des Endbeschlusses nicht berührt werden, hat der Richter erster Instanz nach seinem Ermessen zu bestimmen, ob dieselben während der Anhängigkeit des Recurses fortdauern sollen oder schon vor Erledigung des Recurses aufzuheben seien.
Verfahren bei dem
Recursgerichte.
§. 526. Über den Recurs ist ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nicht öffentlichen Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Vor der Entscheidung kann das Recursgericht die ihm nothwendig scheinenden Erhebungen veranlassen.
Ein unzulässiger oder verspäteter Recurs ist sofort zu verwerfen.
Die Ausfertigung und Zustellung der Entscheidung des Recursgerichtes hat unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmmungen des §. 500 zu geschehen.
§. 527. Wird dem Recurse stattgegeben, so kann das Recursgericht die infolge seines Ausspruches etwa erforderlichen weiteren Anordnungen demjenigen Gerichte oder Richter übertragen, von welchem der angefochtene Beschluss erlassen war.
Wird der angefochtene Beschluss in zweiter Instanz aufgehoben und dem Gericht der ersten Instanz eine neuerliche, nach Anhörung der Parteien zu fällende Entscheidung aufgetragen, so kann die Entscheidung des Recursgerichtes nur dann angefochten werden, wenn in derselben bestimmt ist, dass erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft mit dem Vollzuge des der ersten Instanz ertheilten Auftrages vorzugehen sei.
§. 528. Recurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz, durch welche der angefochtene erstrichterliche Beschluss bestätigt wurde, sind vom Gerichte erster Instanz von amtswegen zurückzuweisen.
Findet das Recursgericht, dass ein gegen den Beschluss eines Gerichtes zweiter Instanz erhobener Recurs muthwillig oder nur zur Verzögerung der Sache angebracht wurde, so ist gegen den Beschwerdeführer oder nach Umständen gegen dessen Advocaten auf eine Muthwillensstrafe zu erkennen.
Fünfter Theil.
Nichtigkeits- und
Wiederaufnahmsklage.
§. 529. Eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, kann durch die Nichtigkeitsklage angefochten werden.
1. wenn ein erkennender Richter von der Ausübung des Richteramtes in dem Rechtsstreite kraft des Gesetzes ausgeschlossen war;
2. wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht, oder falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Processführung nicht nachträglich ordnungsmäßig genehmigt wurde.
Die Nichtigkeitsklage ist jedoch unstatthaft, wenn in dem unter Z. 1 bezeichneten Falle der Ausschließungsgrund, im Falle der Z. 2 aber der Mangel der Processfähigkeit oder der gesetzlichen Vertretung schon vor der rechtskräftigen Entscheidung mittels eines Ablehnungsgesuches, mittels des Antrages auf Nichtigerklärung des Verfahrens oder im Wege eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht wurde.
Die Nichtigkeitsklage ist ferner dann unstatthaft, wenn die Partei imstande war, den Ausschließungsgrund (Z. 1) in dem früheren Verfahren oder durch ein Rechtsmittel geltend zu machen.
§. 530. Ein durch Urtheil geschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden:
(446) 1. wenn eine Urkunde, auf welche das Urtheil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht ist;
2. wenn sich ein Zeuge oder ein Sachverständiger einer falschen Aussage oder der Gegner bei seiner Vernehmung eines falschen Eides schuldig gemacht hat, und das Urtheil auf diese Aussage gegründet ist;
3. wenn das Urtheil durch eine im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verfolgende Betrugshandlung des Vertreters der Partei, ihres Gegners oder dessen Vertreters erwirkt wurde;
4. wenn sich der Richter bei Erlassung des Urtheiles oder einer dem Urtheile zugrunde liegenden früheren Entscheidung in Beziehung auf den Rechtsstreit zum Nachtheile der Partei einer nach dem Strafgesetz zu ahndenden Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat;
5. wenn ein strafgerichtliches Erkenntnis, auf welches das Urtheil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urtheil aufgehoben ist;
6. wenn die Partei ein über denselben Anspruch oder dasselbe Rechtsverhältnis früher ergangenes bereits rechtskräftig gewordenes Urtheil (§. 411) auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, welches zwischen den Parteien des wieder aufzunehmenden Verfahrens Recht schafft.
7. wenn die Partei in Kenntnis von neuen Thatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung der Hauptsache herbeigeführt haben würde.
Wegen der in Z. 6 und 7 angegebenen Umstände ist die Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die Rechtskraft des Urtheiles oder die neuen Thatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil erster Instanz erging, geltend zu machen.
§. 531. Die Wiederaufnahme kann auch zur Ausführung der im Sinne des §. 279, Absatz 2, von der Verhandlung ausgeschlossenen Beweise bewilligt werden, wenn die Benützung dieser Beweise im früheren Verfahren offenbar eine der Partei günstigere Entscheidung der Hauptsache zur Folge gehabt haben würde.
§. 532. Für die Nichtigkeitsklage und für die nach §. 530, Z. 4, erhobene Wiederaufnahmsklage ist das Gericht, von welchem das durch die Klage angefochtene Urtheil gefällt wurde, wenn aber in der Klage mehrere in demselben Rechtsstreite von Gerichten verschiedener Instanzen gefällte Urtheile angefochten werden, das höchste unter diesen Gerichten ausschließlich zuständig.
In allen übrigen Fällen (§§. 530, Z. 1 bis 3, 5, 6 und 7, und 531) muss die Wiederaufnahmsklage beim Processgerichte erster Instanz, wenn aber nur ein in höherer Instanz erlassenes Urtheil von dem geltend gemachten Anfechtungsgrunde betroffen wird, bei dem bezüglichen Gerichte höherer Instanz angebracht werden.
Verfahren.
§. 533. Auf die Erhebung der Nichtigkeits- und Wiederaufnahms- Klage und auf das weitere Verfahren finden, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Bestimmungen Abweichungen ergeben, die im ersten bis vierten Theile dieses Gesetzes enthaltenen Vorschriften entsprechend Anwendung.
§. 534. Die Klage ist binnen der Nothfrist eines Monates zu erheben.
Diese Frist ist zu berechnen:
1. im Falle des §. 529, Z. 1, von dem Tage, an welchem die Partei von dem Ausschließungsgrunde Kenntnis erhalten hat, oder wenn dies vor Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung geschehen, vom letzteren Tage;
2. im Falle des §. 529, Z. 2, von dem Tage, an welchem die Entscheidung der Partei, und wenn diese nicht processfähig ist, dem gesetzlichen Vernichter derselben zugestellt wurde, jedoch gleichfalls nicht vor eingetretener Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung;
3. in den Fällen des §. 530, Z. 1 bis 5, von dem Tage, an welchem das strafgerichtliche Urtheil oder der die Einstellung eines strafgerichtlichen Verfahrens aussprechende Beschluss in Rechtskraft erwachsen ist;
4. im Falle des §. 530, Z. 6 und 7, von dem Tage, an welchem die Partei imstande war, das rechtskräftige Urtheil zu benützen oder die ihr bekannt gewordenen Thatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen;
5. im Falle des 3. 531 von der Zustellung des Urtheiles erster Instanz.
Nach Ablauf von zehn Jahren nach dem Eintritte der Rechtskraft des Urtheiles kann die Klage, mit Ausnahme des in Z. 2 erwähnten Falle, nicht mehr erhoben werden.
§. 535. Wird die Klage nicht bei dem Gerichte erhoben, welches in dem früheren Verfahren in erster Instanz
(447)
erkannt hat, sondern bei einem höheren Gerichte, welches nach den für das
Verfahren vor demselben geltenden Bestimmungen die Hauptsache spruchreif zu
machen vermag, so sind in Ansehungder mündlichen Verhandlung, der Beweisführung
und der Mittheilung des über die Klage gefällten Urtheiles an die erste
Instanz, sowie in Ansehung der Anfechtbarkeit des Urtheiles diejenigen
Bestimmungen maßgebend, welche für das höhere Gericht als Rechtsmittelinstanz maßgebend
wären.
§.
536. Die Klage muss insbesondere enthalten:
1.
die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung,
2.
die Bezeichnung des gesetzlichen Anfechtungsgrundes (Nichtigkeits-,
Wiederaufnahmsgrund);
3.
die Angabe der Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist
für die Klage ergibt, und die Bezeichnung der hiefür vorhandenen Beweismittel;
4.
die Angabe der für die Beurtheilung der Zuständigkeit wesentlichen Umstände;
5.
die Erklärung, inwieweit die Beseitigung der angefochtenen Entscheidung, und
welche andere Entscheidung in der Hauptsache beantragt wird.
§.
537. Der Richter, wegen dessen Betheiligung an der Entscheidung die
Nichtigkeitsklage (§. 529, Z. 1) oder wegen dessen Verhalten die
Wiederaufnahmsklage nach §. 530, Z. 4, angebracht wird, ist von der Leitung der
Verhandlung sowie von der Entscheidung über die Nichtigkeits- oder
Wiederaufnahmsklage ausgeschlossen.
§.
538. Das Gericht hat vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen
Verhandlung, und zwar bei Gerichtshöfen in nicht öffentlicher Sitzung, zu
prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§§. 529 bis
531) gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben sei. Mangelt es an einem
dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eines der im §. 230, Absatz 2,
angeführten Gründe unzulässig, so ist sie als zurBestimmung einer Tagsatzung
für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschlußzurückzuweisen.
Die
Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind
vom Kläger auf Verlangen des Gerichtes glaubhaft zu machen.
§.
539. Wenn die Wiederaufnahme wegen einer der im §. 530, Z. 1 bis 4, angeführten
strafbaren Handlungen begehrt wird, ohne daß ihrer wegen bereits eine
rechtskräftige Verurtheilung stattgefunden hätte, hat das Processgericht ohne
vorgängige mündliche Verhandlung, die Einleitung des strafgerichtlichen
Verfahrens behufs Ermittlung und Feststellung der behaupteten strafbaren
Handlung zu veranlassen. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht
zulässig; vor der Beschlussfassung kann das Gericht die Parteien oder eine
derselben vernehmen und die ihm sonst wichtig scheinenden Erhebungen einleiten.
Die
Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage ist erst
nach rechtskräftigem Abschlusse des strafgerichtlichen Verfahrens, und zwar nur
dann anzuberaumen, wenn dieses Verfahren entweder zu einer rechtskräftigen
Verurtheilung wegen der zur Begründung der Wiederaufnahmsklage geltend
gemachten strafbaren Handlunggeführt hat, oder wenn das strafgerichtliche
Verfahren aus anderen Gründen als wegen mangelnden Thatbestandes oder wegen
Mangels an Beweisen zu einer Verurtheilung nicht geführt hat. Andernfalls ist
die Klage nach Bekanntgabe der Ergebnisse des strafgerichtlichen Verfahrens als
unzulässig zurückzuweisen. Diese Zurückweisung geschieht gleichfalls ohne
vorgängige mündliche Verhandlung und bei Gerichtshöfen durch einen in nicht
öffentlicher Sitzung gefassten Beschluß. Das Strafgericht oder die
staatsanwaltschaftliche Behörde hat die Bekanntgabe der wegen Nichteinleitung
oder Einstellung des Strafverfahrens gefassten Beschlüsse den Grund der
unterlassenen Einleitung oder der Einstellung des Verfahrens stets ausdrücklich
zu bezeichnen.
§.
540. Ist in den Fällen des §. 530 der Wiederaufnahmsgrund durch der Klage in
Urschrift oder beglaubigter Abschrift beigelegte Urkunden dargethan oder wird
die Wiederaufnahme im Sinne des §. 531 beantragt, so ist die Verhandlung und
Entscheidung über den Grund und die Zulässigkeit der Wiederaufnahme,
vorbehaltlich der dem Gerichte im §. 189 eingeräumten Befugnis, mit der
Verhandlung der Hauptsache zu verbinden.
Die
Hauptsache wird dabei soweit von neuem verhandelt, als sie vom
Anfechtungsgrunde betroffen ist.
Ist
jedoch das zur Entscheidung über die Bewilligung der Wiederaufnahme zuständige
Gericht höherer Instanz nach den für das Verfahren vor demselben geltenden
Bestimmungen nicht in der Lage, die Hauptsache spruchreif zu machen, so hat es
sich auf die Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme zu
beschränken und nach Rechtskraft des die Wiederaufnahme bewilligenden Urtheiles
den Rechtsstreit zur Verhandlung der Hauptsache an das Gericht
zurückzuverweisen, welches in erster Instanz dazu berufen gewesen ist. Von
diesem ist sodann die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung der Hauptsache
(447)
von amtswegen anzuberaumen und nach den für das Verfahren vor diesem Gerichte
geltendenVorschriften durchzuführen.
§.
541. In allen übrigen Fällen ist nur über Grund und Zulässigkeit der
Wiederaufnahme des Verfahrens oder über die Nichtigerklärung desselben zu
verhandeln und durch Urtheil zu entscheiden.
Wird
die Wiederaufnahme bewilligt, so ist das Verfahren in der Hauptsache, soweit es
vom Anfechtungsgrunde betroffen wird, bei dem Gerichte, bei welchem die
Wiederaufnahmsklage eingebracht wurde, oder wenn dieses nach den für das
Verfahren geltenden Bestimmungen nicht in der Lage ist, die Hauptsache
spruchreif zu machen, bei dem Gerichte abzuführen, welches zur Verhandlung der
Hauptsache in erster Instanz berufen war.
In
Bezug auf die Verweisung, die Anberaumung der Tagsatzung zur mündlichen
Verhandlung und die Durchführung der Verhandlung gelten die Bestimmungen des §.
540, Absatz 3. §. 542. Ist die Verhandlung zur Hauptsache bei dem zur
Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme zuständigen Gerichte
abzuführen, so kann das Gericht nach Verkündung der dem Wiederaufnahmebegehren
stattgebenden Entscheidung durch Beschluss anordnen, daß vor Ausfertigung
dieser Entscheidung in der Hauptsache verhandelt werde. Gegen diesen Beschluss
ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
Die
Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme ist in diesem Falle in
die Entscheidung über die Hauptsache aufzunehmen.
§.
543. Ergibt sich erst bei der mündlichen Verhandlung, daß die Wiederaufnahms-
oder Nichtigkeitsklage auf einen gesetzlich unzulässigen Anfechtungsgrund
gestützt wird oder verspätet überreicht ist, so ist die Klage durch Beschluss
zurückzuweisen.
§.
544. Über eine Wiederaufnahmsklage, welche gleichzeitig mit der Erhebung der
Berufung oder Revision gegen dasselbe Urtheil oder während des anhängigen
Berufungs- oder Revisionsverfahrens eingebracht wird, ist von amtswegen oder
auf Antrag unverzüglich die Unterbrechung des Berufungs- oder
Revisionsverfahrens anzuordnen, wenn einer der im §. 530, Z. 1 bis 5,
angeführten Wiederaufnahmsgründe geltend gemacht und das ergangene
rechtskräftige strafgerichtliche Urtheil der Klage in Urschrift oder
beglaubigter Abschrift beigelegt wird.
Das
Gericht, bei welchem die Wiederaufnahmsklage angebracht wurde, hat im Falle
einer solchen Beschlussfassung das Gericht, bei welchem über das eingelegte
Rechtsmittel zur Zeit verhandelt wird, von der angeordneten Unterbrechung des
Rechtsmittelverfahrens sofort zu verständigen.
§.
545. Ob in den übrigen Fällen wegen Einbringung einer Wiederaufnahmsklage das
in Bezug auf dasselbe Urtheil eingeleitete oder anhängige Berufungs- oder
Revisionsverfahren unterbrochen werden soll, darüber hat das zur Verhandlung
über die Klage berufene Gericht von amtswegen oder auf Antrag mit Rücksicht auf
die besonderen Verhältnisse des Falles und die für das Vorhandensein des
Wiederaufnahmsgrundes vorgebrachten Beweise zu entscheiden.
Eine
solche Unterbrechung kann auch noch während der mündlichen Verhandlung über die
Wiederaufnahmsklage beschlossen werden. Bei Anordnung der Unterbrechung kommen
die Bestimmungen des §. 544, Absatz 2, zur Anwendung.
§.
546. Gegen den Beschluss, durch welchen über einen gemäß §§. 544 und 545
gestellten Antrag entschieden wird, ist ein Rechtsmittel nicht statthaft.
Ist
die Wiederaufnahmsklage rechtskräftig abgewiesen, so ist das unterbrochene
Rechtsmittelverfahren von amtswegen oder auf Antrag wieder aufzunehmen. Der
Antrag ist bei dem Gerichte zu stellen, vor welchem das Berufungs- oder
Revisionsverfahren zur Zeit der angeordneten Unterbrechung anhängig war. Dieses
Gericht hat die rechtzeitige Wiedervorlage der zur Fortsetzung der Verhandlung
erforderlichen Acten von amtswegen zu veranlassen.
§. 547.
Sofern nicht nach den vorstehenden Bestimmungen infolge Einbringung der
Wiederaufnahmsklage eine Unterbrechung eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens
angeordnet wird, hat die Erhebung einer Wiederaufnahmsklage in Bezug auf den
Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urtheiles
keine hemmende Wirkung.
Auf
die Vollstreckbarkeit eines angefochtenen rechtskräftigen Urtheiles ist die
Einbringung einer Nichtigkeitsklage oder einer Wiederaufnahmsklage ohne
Einfluss.
(449)
Sechster Theil.
Besondere
Arten des Verfahrens.
Erster
Abschnitt.
Mandatsverfahren.
§.
548. In einer zur Geltendmachung einer Forderung an Geld oder anderen
vertretbaren Sachen eingebrachten Klage kann der Kläger beantragen, dass gegen
den Beklagten ein Zahlungsauftrag (Mandat) erlassen werde, wenn alle
Thatsachen, auf welche der Anspruch des Klägers in der Hauptsache sowie die
Nebenforderungen sich gründen, durch in Urschrift von unbedenklicher äußerer
Form beigebrachte Urkunden der nachbezeichneten Art bewiesen werden:
1.
durch im Geltungsgebiete dieses Gesetzes errichtete öffentliche Urkunden;
2.
durch Privaturkunden, auf welchen die Unterschriften der Aussteller von einem
inländischen Gerichte oder Notar beglaubigt sind;
3.
durch andere Urkunden, auf Grund welcher für die eingeklagte Forderung ein
dingliches Recht in einem inländischen öffentlichen Buche einverleibt ist, wenn
zugleich gegen die gerichtliche Verordnung, infolge deren dieses Einverleibung
geschah, weder ein Recurs anhängig, noch auch bücherlich angemerkt ist, dass
diese Einverleibung streitig ist.
§.
549. Wenn die Klage nicht von derjenigen Person, welche nach den der Klage
zugrunde liegenden Urkunden als berechtigt erscheint, oder wenn sie gegen eine
andere Person als den in diesen Urkunden benannten Verpflichteten erhoben wird,
kann dem Antrage auf Erlassung eines Zahlungsauftrages nur dann stattgegeben
werden, wenn und soweit durch Urkunden der in §. 548 bezeichneten
Beschaffenheit bewiesen wird, daß der Anspruch oder die Verpflichtung ganz oder
theilweise von dem ursprünglich Berechtigten oder Verpflichteten auf diejenigen
Personen übergegangen sind, von welchen oder wider welche die Klage erhoben
wird.
Zur
Einbringung von Forderungen, welchen die Einwendung der Verjährung
entgegengesetzt werden könnte, kann ein Zahlungsauftrag nur dann erlassen
werden, wenn die Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung schon in der Klage
durch Urkunden der im §. 548 bezeichneten Beschaffenheit erwiesen wird.
§.
550. Infolge eines gemäß §§. 548 und 549 gestellten Antrages ist der
Zahlungsauftrag ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung
des Beklagten zu erlassen. Falls zur Erlassung des Zahlungsauftrages ein
Bezirksgericht zuständig ist, kann der Kläger, insoweit die nach §§. 548 und
549 zur Begründung seiner Ansprüche erforderlichen Urkunden in Urschrift bei
eben diesem Gerichte erliegen, die Vorlage der Urkunden durch die Berufung auf
die bezüglichen Gerichtsacten ersetzen.
In
dem Zahlungsauftrage ist auszusprechen, daß der Beklagte binnen vierzehn Tagen
nach Zustellung des Zahlungsauftrages bei sonstiger Execution die gegen ihn
geltend gemachten Ansprüche nebst den vom Gerichte bestimmten Kosten zu
befriedigen oder seine Einwendungen gegen den Zahlungsauftrag zu erheben habe.
Diese Frist kann nicht verlängert werden.
Der
Zahlungsauftrag ist dem Beklagten nach den für Klagen geltenden Bestimmungen
zuzustellen.
§.
551. Wird in einer schriftlich angebrachten Klage die Erlassung des
Zahlungsauftrages gegen mehrere Beklagte beantragt, so kann diesem Antrage nur
in Ansehung derjenigen Beklagten Folge gegeben werden, für welche mit
Abschriften aller Beilagen versehene Exemplare der Klageschrift vorgelegt
werden. Hiebei ist die Reihenfolge maßgebend, in welcher die Beklagten in der
Klage genannt sind.
§.
552. Gegen die Erlassung des Zahlungsauftrages ist ein Rechtsmittel nicht
zulässig, doch kann die im Zahlungsauftrage enthaltene Entscheidung über die
Kosten mittels Recurs angefochten werden.
Die
Einwendungen gegen den Zahlungsauftrag sind innerhalb der im Zahlungsauftrage
bezeichneten Frist bei dem Gerichte anzubringen, welches den Auftrag erlassen
hat. Verspätet angebrachte Einwendungen sind ohne Verhandlung zurückzuweisen.
Über
rechtzeitig überreichte Einwendungen ist ohne neuerlichen Antrag des Klägers auf
thunlichst kurze Zeit eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung
anzuberaumen.
§.
553. In dem das Verfahren erledigenden Urtheile ist auszusprechen, ob der an
den Beklagten erlassene Zahlungsauftrag aufrecht erhalten bleibe oder ob und
inwiefern derselbe aufgehoben werde.
§.
554. Kann dem in der Klage gestellten Antrage auf Erlassung eines
Zahlungsauftrages nicht stattgegeben werden, so ist, falls sich die Klage zur
Bestimmung der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vor diesem Gerichte
eignet, nach Vorschrift des Gesetzes vorzugehen; außer diesem Falle ist die
Klage als zur Einleitung des Verfahrens nicht geeignet zurückzuweisen.
(450)
Zweiter Abschnitt.
Verfahren
in Wechselstreitigkeiten.
§.
555. In dem Verfahren über Klagen zur Geltendmachung wechselmäßiger Ansprüche
ist:
1.
im Urtheile die Frist für die Erfüllung der dem Beklagten auferlegten
Verbindlichkeit auf drei Tage festzusetzen;
2.
die Frist zur Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,
zur Erhebung der Berufung oder Revision, sowie zur Einlegung des Recurses
beträgt acht Tage. Diese Fristen können nicht verlängert werden.
§.
556. In Rechtsstreitigkeiten aus Wechseln findet die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens zum Nachtheile einer
Partei, die in dem Hauptprocesse in gutem Glauben gehandelt hat, nicht statt,
wenn diese Partei in der Zwischenzeit ihre wechselmäßigen Ansprüche an Dritte
durch Ablauf der Zeit ganz oder zum Theile verloren hat oder doch wegen Kürze
der noch übrigen Zeit nicht mehr geltend machen kann.
§.
557. Wenn sich die mittels der Klage geltend gemachte Forderung auf einen
Wechsel gründet, welcher alle Erfordernisse der Giltigkeit besitzt und gegen
dessen Echtheit sich keine Bedenken ergeben, und wenn zugleich in der Klage
nebst dem Wechsel auch der Protest und die Retourrechnung, soweit diese
Urkunden im einzelnen Falle zur Begründung der klägerischen Ansprüche
erforderlich sind, in Urschrift vorgelegt werden, so kann der Kläger begehren,
dass dem Beklagten aufgetragen werde, binnen der unerstreckbaren Frist von drei
Tagen bei sonstiger Execution die Wechselschuld nebst den ausgewiesenen
Nebenforderungen und den angesprochenen und vom Richter bestimmten Kosten zu
bezahlen oder seine Einwendungen dagegen zu erheben (Zahlungsauftrag).
§.
558. In einer auf Grund des Artikels 25 oder 29 der Wechselordnung erhobenen
Klage auf Sicherstellung kann der Kläger, wenn er die Urschrift des Protestes
vorlegt und in den Fällen des Artikels 29 auch die übrigen Voraussetzungen seines
Anspruches durch glaubwürdige, der Klage in Urschrift beigelegte Urkunden
beweist, den Antrag stellen, daß dem Beklagten aufgetragen werde, binnen der
Nothfrist von drei Tagen bei sonstiger Execution die den Vorschriften der
Wechselordnung entsprechende Sicherheit zu leisten, sowie die angesprochenen
und vom Richter bestimmten Kosten zu bezahlen oder seine Einwendungen dagegen
zu erheben (Sicherstellungsauftrag).
§.
559. Wenn in der Klage derAntrag auf Erlassung eines Zahlungs- oder Sicherstellungsauftrages
gestellt wird, haben auf das weitere Verfahren die Bestimmungen des ersten
Abschnittes (§§. 550 bis 554) entsprechend Anwendung zu finden.
Dritter
Abschnitt.
Verfahren
bei Streitigkeiten aus dem Bestandvertrage.
Aufkündigung.
§.
560. Insofern die Aufkündigung eines Bestandvertrages über Grundstücke, Gebäude
und andere unbewegliche oder gesetzlich für unbeweglich erklärte Sachen, über
Schiffmühlen und auf Schiffen errichtete andere Bauwerke nach den Vorschriften
des bürgerlichen Rechtes nothwendig ist, um der stillschweigenden Erneuerung
des Bestandvertrages vorzubeugen oder dessen Auflösung zu bewirken, darf sie:
1.
im Falle eines besonderen Übereinkommens der Parteien über die Frist zur
Aufkündigung und Zurückstellung des Bestandgegenstandes in der Regel nur in
dieser Frist erfolgen.
2.
Wenn es an einem solchen Übereinkommen fehlt, muss dort, wo durch darüber
erlassene Vorschriften oder mangels solcher Vorschriften durch besondere
Ortsgewohnheit für die Räumung von Bestandgegenständen gewisse Tage des Jahres
mit bestimmten Aufkündigungsfristen festgesetzt sind, die Aufkündigung vor
Ablauf der dafür festgesetzten Zeit erfolgen.
3.
In allen anderen Fällen müssen Pachtungen wenigstens sechs Monate, Jahresmieten
oder solche Mieten, deren vertragsmäßige Dauer ein Jahr übersteigt, wenigstens
drei Monate, Mieten, deren vertragsmäßige Dauer zwar länger als ein Monat ist,
jedoch ein Jahr nicht erreicht, wenigstens vierzehn Tage, alle anderen Mieten
endlich wenigstens acht Tage früher aufgekündigt werden, als der
Bestandgegenstand zurückgegeben oder zurückgenommen werden soll.
§.
561. Bestandverträge können sowohl vom Bestandgeber, als vom Bestandnehmer
gerichtlich oder außergerichtlich aufgekündigt werden.
Die
von einer Partei wirksam vorgenommene Aufkündigung kann gegen dieselbe von der
anderen Partei in Vollzug gesetzt werden.
(451)
§. 562. Die gerichtliche Aufkündigung kann mittels Schriftsatz oder mündlich
angebracht werden. Der Schriftsatz oder das über dieAufkündigung aufgenommene
Protokoll hat insbesondere die Bezeichnung des Bestandgegenstandes, die Angabe
des Zeitpunktes, in welchem der Bestandvertrag endigen soll, und endlich den
Antrag zu enthalten, dem Gegner aufzutragen, entweder den Bestandgegenstand zur
bestimmten Zeit bei sonstiger Execution zu übergeben oder zu übernehmen, oder
gegen die Aufkündigung seineEinwendungen bei Gericht anzubringen. Zur
Anbringung der Einwendungen ist, falls die Aufkündigungsfrist wenigstens
vierzehn Tage beträgt, eine Frist von acht Tagen, sonst eine Frist von drei
Tagen zu bestimmen.
Wohnt
der Aufkündigende weder am Orte noch im Sprengel des zuständigen
Bezirksgerichtes, so hat er einen daselbst wohnenden
Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen und dessen Namen und Wohnort bei der
Aufkündigung anzugeben.
Aufkündigungen,
welche diesen Vorschriften nicht entsprechen oder bei einem unzuständigen
Gerichte angebracht werden, sind, falls nicht der vorhandene Mangel gemäß §. 84
behoben werden kann, von amtswegen durch Beschluss zurückzuweisen.
§.
563. Damit eine gerichtliche Aufkündigung für den nächstfolgenden Termin
wirksam sei, muss sie vor Ablauf der im §. 560, Z. 1 und 2, bestimmten Fristen
bei Gericht angebracht und zugestellt sein. Aufkündigungen, welche erst nach
Ablauf dieser Fristen angebracht werden, sind von amtswegen durch Beschluss
zurückzuweisen.
Vor
Beginn der vertragsmäßigen oder gesetzlichen Aufkündigungsfrist angebrachte
Aufkündigungen dürfen aus diesem Grunde allein nicht zurückgewiesen werden.
§.
564. Der über die Aufkündigung vom Gerichte an den Gegner der aufkündigenden
Partei gemäß §. 562 erlassene Auftrag ist dem Gegner unter Mittheilung eines
Exemplares des Schriftsatzes oder einer Protokollsabschrift nach den für die
Zustellung von Klagen maßgebenden Vorschriften unverzüglich zuzustellen.
Erfolgt
dennoch die Zustellung in den Fällen des §. 560. Z. 1 und 2, erst nach Ablauf
der daselbst bestimmten Kündigungsfristen, so ist die Aufkündigung dennoch
wirksam, wenn gegen den gerichtlichen Auftrag binnen der dazu anberaumten Frist
Einwendungen nicht angebracht werden.
Außergerichtliche Aufkündigung.
§.
565. Die außergerichtliche Aufkündigung kann durch einen Notar oder in anderer
Weise erfolgen.
Die
dem Gegner der aufkündigenden Partei zum Zwecke der Aufkündigung zu machende
Mittheilung hat stets auch die im §. 562, Absatz 1 und 2, bezeichneten Angaben
zu enthalten.
Damit
eine solche außergerichtliche Aufkündigung die Wirkung einer gerichtlichen
Aufkündigung erlangen könne, muss sie durch Urkunden bewiesen werden, welche in
Betreff ihrer Beweiskraft zu einem Bedenken keinen Anlass geben, und es müssen
überdies bei der Aufkündigung die in §§. 563 und 564 angegebenen Fristen
beobachtet sein.
Der
Zeitpunkt der Aufkündigung oder Zustellung der Aufkündigung muss gleichfalls
durch Urkunden der in Absatz 3 bezeichneten Beschaffenheit bewiesen werden.
§.
566. Derjenige, gegen welchen eine solche außergerichtliche Aufkündigung
gerichtet ist, hat binnen acht, oder wenn die Aufkündigungsfrist weniger als
vierzehn Tage beträgt, binnen drei Tagen (§. 562, Absatz 1) nach erfolgter oder
empfangener Aufkündigung seine etwaigen Einwendungen dawider bei dem Gerichte,
in dessen Bezirk der Bestandgegenstand liegt, schriftlich oder mündlich
einzubringen, widrigens die Aufkündigung in Wirksamkeit treten würde.
An
welchem Tage die Aufkündigung der Partei mitgetheilt wurde, welche Einwendungen
erhebt, ist von der aufkündigenden Partei auf Verlangen des Gerichtes durch
Vorlage der in §. 565, Absatz 4, gedachten Urkunden zu beweisen.
Auftrag zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes.
§.
567. Bei Bestandverträgen, welche ohne vorhergegangene Aufkündigung nach Ablauf
einer bestimmten Zeit erlöschen, kann jede Partei noch vor Ablauf der
Bestandzeit eine gerichtliche Verfügung beantragen, mittels welcher dem Gegner
aufgetragen wird, den Bestandgegenstand zur bestimmten Zeit bei sonstiger
Execution zu übergeben oder zu übernehmen, oder gegen diesen Auftrag binnen
acht Tagen seine Einwendungen bei Gericht anzubringen.
Wenn
das Bestandverhältnis für mehr als sechs Monate eingegangen ist, kann dieser
Antrag nur in den letzten sechs Monaten gestellt werden.
Die
Bestimmung des §. 564, Absatz 1, ist auch auf die Zustellung solcher Aufträge
anzuwenden.
(452)
Bedarf es zur Aufhebung des Bestandvertrages einer Aufkündigung, so kann der
Anspruch auf Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes schon vor Ablauf
der Kündigungsfrist mittels Klage geltend gemacht und auch die Kündigung mit
der Klage verbunden werden.
Verhältnis zum Afterbestandnehmer.
§. 568.
Alle gegen den Bestandnehmer erwirkten Aufkündigungen, Aufträge, Entscheidungen
und Verfügungen, welche das Bestehen oder die Auflösung eines Bestandvertrages
über einen der im §. 560 bezeichneten Gegenstände betreffen, sind auch gegen
den Afterbestandnehmer wirksam und vollstreckbar, sofern nicht ein zwischen dem
Afterbestandnehmer und dem Bestandgeber bestehendes Rechtsverhältnis
entgegensteht.
Stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages.
§.
569. Bestandverträge, welche durch den Ablauf der Zeit erlöschen, ohne dass es
behufs Auflösung des Vertrages oder Behinderung seiner stillschweigenden
Erneuerung einer Aufkündigung bedarf, sind dadurch, daß der Bestandnehmer
fortfährt, den Bestandgegenstand zu gebrauchen oder zu benützen, und der
Bestandgeber es dabei bewenden lässt, nur dann als stillschweigend erneuert
anzusehen, wenn binnen vierzehn Tagen nach Ablauf der Bestandzeit, oder bei
Verträgen, welche ursprünglich auf kürzere Zeit als auf einen Monat geschlossen
wurden, binnen einer der Hälfte der ursprünglich bedungenen Zeit
gleichkommenden Frist nach Ablauf des Vertrages weder von dem Bestandgeber eine
Klage auf Zurückstellung, noch von dem Bestandnehmer auf Zurücknahme des
Bestandgegenstandes erhoben wird.
Fristen in Bestandsachen.
§.
570. Die in den §§. 560 bis 569 festgesetzten Fristen können nicht verlängert
werden.
Verfahren.
§.
571. Über rechtzeitig angebrachte Einwendungen ist eine Tagsatzung zur
mündlichen Verhandlung anzuordnen. Bei der Anberaumung der ersten und der etwa
folgenden Tagsatzungen, sowie bei der Bestimmung von Fristen ist auf die
Dringlichkeit der Bestandsachen besonders Bedacht zu nehmen.
Die
Partei, von welcher die Kündigung oder die Aufforderung zur Zurückstellung oder
zur Zurücknahme des Bestandgegenstandes ausging, ist als Kläger anzusehen.
Verspätet
angebrachte Einwendungen wider die Aufkündigung eines Bestandvertrages oder
gegen den gerichtlichen Auftrag zur Übergabe oder Übernahme eines
Bestandgegenstandes sind von amtswegen ohne Verhandlung zurückzuweisen.
Eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur
Anbringung von Einwendungen ist nicht zulässig.
§.
572. In dem das Verfahren über Einwendungen erledigenden Urtheile ist
auszusprechen, ob und inwieweit die Aufkündigung oder der nach §. 567 erlassene
Auftrag als wirksam erkannt oder aufgehoben wird, sowie ob und wann der
Beklagte verpflichtet ist, den Bestandgegenstand zu übergeben oder zu
übernehmen.
§.
573. Wird der Beklagte schuldig erkannt, den Bestandgegenstand zu übergeben
oder zu übernehmen, ist jedoch die Bestandzeit zur Zeit derUrtheilsfällung
bereits verstrichen, so ist bei Mietverhältnissen in dem Urtheile
auszusprechen, dass die Übergabe oder Übernahme sofort zu erfolgen habe; bei
Pachtungen kann zu diesem Zwecke eine acht Tage nicht überschreitende Frist
gegeben werden.
Ist
die Bestandzeit noch nicht verstrichen, so ist die Zeit für die Übergabe oder
Übernahme nach den hinsichtlich der Räumungsfristen bestehenden besonderen
Vorschriften und mangels solcher in Gemäßheit der Ortsgewohnheiten zu
bestimmen.
Soweit
es auch an solchen Gewohnheiten fehlt, ist bei Mieten anzuordnen, dass mit der
Räumung spätestens am dritten Tage vor Ablauf der Mietzeit zu beginnen, dem
Übernehmer zur Mittagszeit dieses Tages ein zur Verwahrung eines Theiles seiner
Fahrnisse geeigneter Platz zu überlassen sei, die Übergabe des gänzlich
geräumten Mietgegenstandes aber bis zum Mittage des letzten Tages der Mietzeit
zu erfolgen habe. Bei Pachtungen von Gütern, auf welchen Gebäude stehen, ist
anzuordnen, dass mit der Räumung spätestens am achten Tage vor Ablauf der
Pachtzeit zu beginnen, dem Übernehmer zur Mittagszeit dieses Tages ein
angemessener Theil der Räumlichkeiten zur Verwahrung von Fahrnissen und zur
Einleitung des Wirtschaftsbetriebes zu überlassen sei, und die Übergabe des
gänzlich geräumten Pachtgegenstandes bis zum Mittage des letzten Tages der
Pachtzeit zu erfolgen habe. Bei Pachtungen anderer Art endlich ist anzuordnen,
dass die Räumung und Übergabe des Pachtgegenstandes bis zum Ablaufe der Pachtzeit
vorzunehmen sei.
Der
dritte oder achte Tag vor Ablauf der Bestandzeit ist so zu berechnen, dass
zwischen dem Tage des Beginnens und dem Tage der Beendigung der Räumung volle
zwei oder volle sieben Kalendertage liegen.
(453)
Die Bestimmungen der Absätze 2 bis 4 über die Räumung und Übergabe des
Bestandgegenstandes gelten auch dann, wenn gegen die gerichtliche oder
außergerichtliche Aufkündigung oder gegen den Auftrag zur Übergabe oder
Übernahme des Bestandgegenstandes nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben
wurden.
Die
Execution kann auf Grund rechtskräftig gewordener Urtheile, Aufkündigungen und
gerichtlicher Aufträge zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes
bewilligt werden, sobald die Frist verstrichen ist, innerhalb deren nach den
vorangehenden Absätzen der Bestandgegenstand gänzlich geräumt zu übergeben war.
§.
574. Die Bestimmungen des §. 573 sind auch dann anzuwenden, wenn ein
Bestandvertrag ohne vorausgegangene gerichtliche oder außergerichtliche
Aufkündigung infolge einer Klage durch Urtheil für aufgehoben oder erloschen
erklärt wird.
§.
575. In dem in diesem Abschnitte geregelten Verfahren beträgt die Frist zur
Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, dann zur
Erhebung der Berufung oder Revision, sowie zur Einlegung des Recurses acht
Tage. Diese Fristen können nicht verlängert werden.
Gegen
die gerichtlichen Aufträge zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes,
die auf Grund von Aufkündigungen oder infolge eines gemäß §. 567 gestellten
Ansuchens ergehen, ist vorbehaltlich der dagegen zu erhebenden Einwendungen ein
Rechtsmittel nicht zulässig.
Eine
gerichtliche oder außergerichtliche Kündigung oder ein Auftrag zur Übergabe
oder Übernahme des Bestandgegenstandes, wider welche nicht rechtzeitig
Einwendungen erhoben wurden, desgleichen die über solche Einwendungen
ergangenen rechtskräftigen Urtheile treten, vorbehaltlich des über den
Kostenersatz ergangenen Ausspruches, außer Kraft, wenn nicht binnen vierzehn
Tagen nach dem Eintritte der in diesen Aufträgen oder im Urtheile für die
Räumung oder Übernahme des Bestandgegenstandes bestimmten Zeit wegen dieser
Räumung oder Übernahme Execution beantragt wird.
Verträge gegen Entrichtung eines Zinses in Früchten.
§.
576. Die Bestimmungen dieses Abschnittes finden auch auf die im §. 1103 a. b.
G. B. bezeichneten Verträge Anwendung. Solche Verträge sind im Sinne dieses
Gesetzes als Pachtverträge anzusehen.
Vierter
Abschnitt.
Schiedsrichterliches
Verfahren.
Schiedsvertrag.
§.
577. Die Vereinbarung, dass die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit durch
einen oder mehrere Schiedsrichter erfolgen solle (Schiedsvertrag), hat insoweit
rechtliche Wirkung, als die Parteien über den Gegenstand des Streites einen
Vergleich abzuschließen fähig sind.
In
einem Schiedsvertrage kann auch wirksam vereinbart werden, dass aus einem
bestimmten Rechtsverhältnisse künftig entstehende Streitigkeiten durch einen
oder mehrere Schiedsrichter entschieden werden sollen.
Der
Schiedsvertrag muss schriftlich errichtet werden.
§. 578.
Richterliche Beamte dürfen, solange sie im richterlichen Dienste stehen, die
Bestellung als Schiedsrichter nicht annehmen.
§.
579. Niemand ist verpflichtet, die Bestellung als Schiedsrichter anzunehmen.
Aus triftigen Gründen kann der Schiedsrichter auch nach Annahme der Bestellung
von der übernommenen Verpflichtung zurücktreten.
§.
580. Wenn in dem Schiedsvertrage weder die Schiedsrichter benannt, noch eine
Bestimmung über die Zahl und Ernennung der Schiedsrichter enthalten ist, so
wird von jeder Partei ein Schiedsrichter bestellt. Diese haben einen Obmann zu
wählen.
§.
581. Wer zufolge eines Schiedsvertrages die Bestellung eines Schiedsrichters
vorzunehmen hat, kann von dem Gegner oder, wenn die Bestellung des
Schiedsrichters einem Dritten obliegt, von jeder der Parteien aufgefordert
werden, binnen vierzehn Tagen diesen Schiedsrichter zu bestellen und hievon der
auffordernden Partei Mittheilung zu machen. Eine gleiche Aufforderung ist dann
zulässig, wenn der auf Grund des Schiedsvertrages bereits bestellte
Schiedsrichter die Annahme des Schiedsrichteramtes oder die Erfüllung seiner
Verpflichtungen verweigert, wenn er stirbt, mit Erfolg abgelehnt wird, oder aus
einem anderen Grunde wegfällt.
(454)
Hat auch die auffordernde Partei einen Schiedsrichter zu bestellen, so hat sie
mit ihrer Aufforderung die Anzeige zu verbinden, welche Person sie selbst zum
Schiedsrichter bestellt hat.
Diese
gegenseitigen Aufforderungen und Anzeigen können durch die Post oder einen
Notar vorgenommen werden.
Die
zur Bestellung eines Schiedsrichters berufene Person ist an die von ihr
vorgenommene Bestellung gebunden, sobald der Gegner oder eine der Parteien die
Anzeige dieser Bestellung erhalten hat.
§.
582. Wenn die Bestellung eines Schiedsrichters nicht rechtzeitig vorgenommen wird
oder wenn die beiden Schiedsrichter sich über die Person des Obmannes nicht
einigen können, so erfolgt die Bestellung auf Antrag durch das Gericht. Der
Antrag ist bei dem Gerichte zu stellen, welches mangels eines Schiedsvertrages
für den Rechtsstreit in erster Instanz zuständig wäre. Zur Antragstellung sind
die Parteien und im Falle des §. 580 auch jeder der beiden Schiedsrichter
berechtigt. Zur Antragsstellung ist auch vor Gerichtshöfen die Vertretung durch
einen Advocaten nicht nothwendig.
Der
über den Antrag ergehende Beschluss kann durch ein Rechtsmittel nicht
angefochten werden.
§.
583. Können sich die Parteien über von ihnen gemeinschaftlich zu bestellende
Schiedsrichter nicht einigen, so hat das im §. 582 bezeichnete Gericht auf
Antrag auszusprechen, dass der Schiedsvertrag außer Kraft trete.
Gleiches
hat dann zu geschehen, wenn:
1.
bestimmte Personen in dem Schiedsvertrage zu Schiedsrichtern bestellt sind und
einer dieser Schiedsrichter stirbt, infolge Ablehnung oder aus einem anderen
Grunde wegfällt, die Übernahme des Schiedsrichteramtes verweigert oder von dem
mit ihm deshalb geschlossenen Vertrage zurücktritt, oder wenn
2.
ein im Schiedsvertrage ernannter oder auf Grund des Schiedsvertrages von einer
Partei oder gemäß §. 582 vom Gerichte bestellter Schiedsrichter die Erfüllung
seiner durch die Annahme der Bestellung übernommenen Verpflichtung verweigert
oder ungebürlich verzögert.
Wenn
der Schiedsvertrag in Ansehung aller aus einem bestimmten Rechtsverhältnisse
entstehenden Streitigkeiten geschlossen ist, und der Umstand, wegen dessen das
Gericht den Schiedsvertrag für unwirksam erklären soll, so beschaffen ist, daß
er die schiedsrichterliche Erledigung der sich in Zukunft aus diesem
Rechtsverhältnisse etwa noch ergebenden Streitigkeiten nicht ausschließt, so
hat das Gericht seinen Anspruch dahin zu beschränken, dass der Schiedsvertrag
nur für diesen bestimmten Fall unwirksam ist.
§.
584. Über einen im Sinne des §. 583 gestellten Antrag ist nach vorgängiger
mündlicher Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Diese Entscheidung sowie
die Entscheidung über einen gemäß §. 582 gestellten Antrag kann bei
Gerichtshöfen auch von dem Vorsteher des Gerichtshofes oder von einem seitens
des Vorstehers beauftragten Richter gefällt werden.
Ein
Schiedsrichter, welcher die durch Annahme der Bestellung übernommene
Verpflichtung gar nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt, haftet den Parteien,
unbeschadet ihres Rechtes, die Außerkraftsetzung des Schiedsvertrages zu
begehren, für allen durch seine schuldbare Weigerung oder Verzögerung
verursachten Schaden.
§.
585. Die Bestimmungen der §§. 582 und 583 finden insoweit keine Anwendung, als
im Schiedsvertrage oder in einer dem Abschluss des Schiedsvertrages
nachgefolgten schriftlichen Vereinbarung von den Parteien für die bezeichneten
Fälle etwas anderes festgesetzt ist.
§.
586. Ein Schiedsrichter kann aus denselben Gründen abgelehnt werden, welche zur
Ablehnung eines Richters berechtigen (§§. 19 und 20 Jur.- Norm).
Eine
Partei, welche einen Schiedsrichter allein oder in Gemeinschaft mit ihrem
Gegner bestellt hat, ist zur Ablehnung desselben nur dann berechtigt, wenn der
Ablehnungsgrund erst nach der Bestellung entstanden oder der Partei bekannt
geworden ist.
Verfahren vor den Schiedsrichtern.
§.
587. Die Schiedsrichter haben vor Erlassung des Schiedsspruches die Parteien zu
hören und den dem Streite zugrunde liegenden Sachverhalt zu ermitteln. Das
Verfahren wird, sofern durch den Schiedsvertrag oder eine nachträgliche
schriftliche Vereinbarung der Parteien nichts anderes festgesetzt ist, von den
Schiedsrichtern nach freiem Ermessen bestimmt.
Wenn
sich eine Partei in die Verhandlung vor den Schiedsrichtern nicht einlässt, ist
mit der anderen Partei allein zu verhandeln.
(455)
§. 588. Die Schiedsrichter dürfen die Parteien, sowie die Zeugen und
Sachverständigen, welche freiwillig vor ihnen erscheinen, nur unbeeidet
vernehmen. Sie dürfen weder gegen Parteien noch gegen andere Personen
Zwangsmittel anwenden oder Strafen anhängen.
§.
589. Von den Schiedsrichtern für erforderlich erachtete richterliche
Handlungen, zu deren Vornahme dieselben nicht befugt sind, werden auf Ersuchen
der Schiedsrichter von dem zuständigen staatlichen Gerichte vorgenommen. Im
Zweifel ist das Ersuchen an das Bezirksgericht zu stellen, in dessen Sprengel die
Handlung vorgenommen werden soll oder der Beweis aufzunehmen ist.
Das
ersuchte Gericht hat dem Ersuchen zu entsprechen, sofern dasselbe nicht
gesetzlich unzulässig ist. In Ansehung einer Beweisaufnahme stehen diesem
Gerichte insbesondere auch die Entscheidungen zu, welche für den Fall der
Beweisaufnahme durch einen ersuchten Richter durch die Bestimmungen des
gegenwärtigen Gesetzes dem erkennenden Gerichte oder dem Processgerichte
vorbehalten sind.
§.
590. Wenn mehr als zwei Schiedsrichter zur Entscheidung berufen sind, ist der
Schiedsspruch nach der absoluten Mehrheit der Stimmen zu fällen, sofern nicht
in dem Schiedsvertrage etwas anderes bestimmt ist.
§.
591. Wenn bei einer Entscheidung die für die Beschlussfassung erforderliche
Stimmenmehrheit oder, falls nur zwei Schiedsrichter bestellt sind,
Stimmeneinhelligkeit nicht zu erreichen ist, so haben die Schiedsrichter dies
den Parteien bekannt zu geben.
Wenn
nicht im Schiedsvertrage oder in einer nachträglichen schriftlichen
Vereinbarung der Parteien für einen solchen Fall eine andere Vorsorge getroffen
ist, kann jede der Parteien bei dem im §. 582 bezeichneten Gerichte den Antrag
auf Erlassung eines Ausspruches stellen, dass der Schiedsvertrag außer Kraft
trete oder für den einzelnen Fall unwirksam sei (§. 584).
§.
592. Den Parteien sind Ausfertigungen des Schiedsspruches, und zwar, falls sie
dieselben nicht vor dem Schiedsgerichte persönlich in Empfang nehmen, durch die
Post oder durch einen Notar zuzustellen.
Diese
Ausfertigungen, sowie die Urschrift des Schiedsspruches sind mit der Angabe des
Tages der Abfassung des Schiedsspruches zu versehen und bei sonstiger
Unwirksamkeit des Schiedsspruches von sämmtlichen Schiedsrichtern zu
unterschreiben.
§.
593. Die Urschrift des Schiedsspruches ist nebst den Beurkundungen über die an
die Parteien erfolgte Zustellung der Ausfertigungen von der im Schiedsvertrage
bezeichneten Person zu verwahren. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung oder
ist der benannte Verwahrer verstorben, so haben die Schiedsrichter die Art der
Verwahrung zu bestimmen. Im Zweifel sind diese Schriftstücke bei einem Notar
des Bezirkes zu hinterlegen, in welchem das Schiedsgericht seinen Sitz hatte.
Die
Urschrift des Schiedsspruches, sowie die Zustellungsbeurkundungen haben als den
Parteien gemeinschaftliche Urkunden zu gelten.
§.
594. Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen
gerichtlichen Urtheiles, sofern die Parteien in dem Schiedsvertrage nicht die
Zulässigkeit der Anfechtung des Urtheiles vor einer höheren
schiedsgerichtlichen Instanz vereinbart haben.
Die
Schiedsrichter haben auf Verlangen einer Partei den Eintritt der Rechtskraft
und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches auf einer Ausfertigung des
Schiedsspruches schriftlich zu bestätigen.
Unwirksamkeit des Schiedsspruches.
§.
595. Der Schiedsspruch ist wirkungslos:
1.
wenn ein Schiedsvertrag überhaupt nicht vorhanden oder der Schiedsvertrag
ungiltig war, vor der Fällung der Schiedsspruches außer Kraft getreten oder für
den einzelnen Fall unwirksam geworden ist;
2.
wenn der Partei, welche die Unwirksamkeit des Schiedsspruches behauptet, im
Verfahren vor den Schiedsrichtern das rechtliche Gehör nicht gewährt wurde,
oder wenn dieselbe, falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, in diesem
Verfahren nicht durch einen solchen vertreten war, sofern nicht letzterenfalls
die Processführung nachträglich ordnungsmäßig genehmigt wurde;
3.
wenn hinsichtlich der Besetzung des Schiedsgerichtes oder der Beschlussfassung
eine gesetzliche oder vertragsmäßige Bestimmung verletzt, oder wenn die
Urschrift und die Ausfertigungen des Schiedsspruches nicht von sämmtlichen
Schiedsrichtern unterschrieben wurden;
4.
wenn die Ablehnung eines Schiedsrichters vom Schiedsgerichte ungerechtfertigt
zurückgewiesen wurde;
5.
wenn das Schiedsgericht die Grenzen seiner Aufgabe überschritten hat;
6.
wenn der Schiedsspruch gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt;
7.
wenn der Schiedsspruch eine Partei zu einer gesetzlich unzulässigen oder
unerlaubten Handlung verurtheilt hat;
8.
wenn die Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen gemäß §. 530, Z. 1 bis
7, ein gerichtliches Urtheil mittels der Wiederaufnahmsklage angefochten werden
kann.
§.
596. Wird auf Aufhebung eines Schiedsspruches geklagt, so ist die Klage bei dem
im §. 582 bezeichneten Gerichte anzubringen.
Sie
ist, wenn sie auf einen der im §. 595, Z. 1 bis 7 angegeben Gründe gestützt
wird, bei sonstigem Ausschlusse binnen der Frist von drei Monaten zu erheben.
Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem der Partei der Schiedsspruch
zugestellt wurde, wenn aber der Anfechtungsgrund erst später bekannt wurde, mit
dem Tage, an welchem die Partei vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.
Im
Falle des §. 595, Z. 8, ist die Frist für die Klage nach den Bestimmungen über
die Wiederaufnahmsklage zu beurtheilen.
§.
597. Über die Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruches ist nach den
allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes zu verfahren.
§.
598. Auf die Anwendung der Bestimmungen der §§. 586, 592 und 595 kann von den
Parteien weder im Schiedsvertrage, noch im Wege einer anderen Vereinbarung
verzichtet werden.
§.
599. Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auf Schiedsgerichte sinngemäße
Anwendung, die in gesetzlich zulässiger Weise durch letztwillige oder andere
nicht auf Vereinbarung der streitenden Theile beruhende Verfügungen oder durch
Statuten angeordnet werden. Die Anwendung der §§. 586, 592 und 595 kann auch
nicht durch einseitige Verfügungen oder durch Statutenbestimmungen wirksam
ausgeschlossen werden.
Die
in Gemäßheit des Gesetzes vom 15. November 1867, R. G. Bl. Nr. 134, zur
Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnisse errichteten
Schiedsgerichte sind den Bestimmungen dieses Abschnittes nicht unterworfen.
Fünfter
Abschnitt.
Verfahren
in Streitigkeiten wegen der von richterlichen Beamten zugefügten
Rechtsverletzungen.
§.
600. Für das Verfahren in Streitigkeiten über Klagen, welche auf Grund des
Gesetzes vom 12. Juli 1872, R. G. Bl. Nr. 112, wegen Rechtsverletzungen durch
richterliche Beamte gegen dieselben oder gegen den Staat erhoben werden, sind
die Vorschriften dieser Zivilprocessordnung in der Art maßgebend, daß für das
Verfahren vor dem zur Entscheidung über eine solche Klage in erster Instanz
zuständigen Oberlandesgerichte die Vorschriften des zweiten Theiles, für das
Berufungsverfahren vor dem obersten Gerichtshofe die im ersten Abschnitte des
vierten Theiles der Zivilprocessordnung enthaltenen Bestimmungen zu gelten
haben.
§.
601. Die nach §. 12 des Gesetzes vom 12. Juli 1872, R. Nr. 112, vorgeschriebene
Mittheilung über die Anbringung der Klage ist der zuständigen
Disciplinarbehörde durch den Vorsitzenden des Senates, dem die Rechtssache
zugewiesen ist, zu machen.
Das
Processgericht kann selbst vor der für die mündliche Verhandlung bestimmten
Tagsatzung auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass der Rechtsstreit bis
zur Beendigung des Disciplinarverfahrens ausgesetzt werde, wenn das endliche
Ergebnis des letzteren oder die Benützung der auf dem Disciplinarwege zu
pflegenden Erhebungen für die Entscheidung des Processes voraussichtlich von
Einfluss ist. Nach Einlangen der Mittheilung über das Ergebnis des beendeten
Disciplinarverfahrens hat das Processgericht die Tagsatzung zur mündlichen
Verhandlung von amtswegen anzuordnen.
§. 602.
In Ansehung der Einbringung des Rückersatzes mittels Zahlungsbefehles (§. 19
des Gesetzes vom 12. Juli 1872, R. G. Bl. Nr. 112) und des der Erlassung des
Zahlungsbefehles nachfolgenden Verfahrens sind die Vorschriften über das
Mandatsverfahren mit der Abweichung anzuwenden, dass zur Erlassung des
Zahlungsauftrages das Processgericht ausschließlich zuständig ist und die
Einwendungen gegen den Zahlungsauftrag bei demselben anzubringen sind.
Ischl,
den 1. August 1895.
Franz Joseph m. p.
Kielmansegg m. p. Krall
m. p.
Inhaltsverzeichnis.
Erster Theil. Seite
Allgemeine
Bestimmungen.
Erster Abschnitt. Parteien. §§. 1-73.
Erster Titel. Processfähigkeit. §§. 1-10 365
Zweiter Titel.Streitgenossenschaft und Hauptintervention. §§. 11-16 366
Dritter Titel.Betheiligung Dritter am Rechtsstreite. §§. 17-25 367
Vierter Titel. Bevollmächtigte. §§. 26-39 368
Fünfter Titel.Processkosten. §§. 40-55 370
Sechster Titel. Sicherheitsleistung. §§. 56-62 373
Siebenter Titel.Armenrecht. §§. 63-73 374
Zweiter Abschnitt. Verfahren. §§. 74-170.
Erster Titel. Schriftsätze. §§. 74-86 376
Zweiter Titel. Zustellungen. §§. 87-122 378
Dritter Titel. Fristen und Tagsatzungen. §§. 123 bis 143 383
Vierter Titel.Folgen der Versäumung, Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand.
§§. 144-154 386
Fünfter Titel. Unterbrechung und Ruhen des Verfahrens. §§. 155-170 388
Dritter Abschnitt. Mündliche Verhandlung. §§.
171-225.
Erster Titel. Öffentlichkeit. §§. 171-175 390
Zweiter Titel. Vorträge der Parteien und Processleitung. §§. 176-196 391
Dritter Titel. Sitzungspolizei. §§. 197-203 394
Vierter Titel. Vergleich. §§. 204-206 395
Fünfter Titel.Protokolle. §§. 207-217 396
Sechster Titel. Acten. §§. 218-219 397
Siebenter Titel.Strafen. §. 220 398
Achter Titel. Sonntagsruhe und Gerichtsferien. §§. 221-225 398
Zweiter
Theil.
Verfahren
vor den Gerichtshöfen erster Instanz.
Erster Abschnitt. Verfahren bis zum Urtheile.
§§. 226-389.
Erster Titel. Klage, Klagebeantwortung, vorbereitendes Verfahren
Verfahren
und Streitverhandlung. §§. 226-265 399
Zweiter Titel. Allgemeine Bestimmungen über den Beweis und die
Beweisaufnahme.
§§. 266 bis 291 406
Dritter Titel. Beweis durch Urkunden. §§. 292 bis 319 410
Vierter Titel.Beweis durch Zeugen. §§. 320-350 414
Fünfter Titel. Beweis durch Sachverständige. §§. 351-367 419
Sechster Titel.Beweis durch Augenschein. §§. 368 bis 370 421
Siebenter Titel. Beweis durch Vernehmung der Parteien. §§. 371-383 422
Achter Titel.Sicherung von Beweisen. §§. 384 bis 389 424
Zweiter Abschnitt. Urtheile und Beschlüsse. §§.
390-430
Erster Titel.Urtheile. §§. 390-424 425
Zweiter Titel.Beschlüsse. §§. 425-430 430
Dritter
Theil.
Verfahren
vor den Bezirksgerichten. §§. 431-460 431
Vierter
Theil.
Rechtsmittel.
Erster Abschnitt. Berufung. §§. 461-501 434
Zweiter Abschnitt. Revision. §§. 502-513 441
Dritter Abschnitt. Recurs. §§. 514-528 443
Fünfter
Theil.
Nichtigkeits-
und Wiederaufnahmsklage. §§. 529 bis 547 445
Sechster
Theil.
Besondere
Arten des Verfahrens.
Erster Abschnitt. Mandatsverfahren. §§.
548-554 449
Zweiter Abschnitt. Verfahren in Wechselstreitigkeiten.
§§. 555- 559 450
Dritter Abschnitt. Verfahren bei Streitigkeiten
aus dem Bestandvertrage.
§§.
560-576 450
Vierter Abschnitt. Schiedsrichterliches
Verfahren. §§. 577-599 453
Fünfter Abschnitt. Verfahren in Streitigkeiten
wegen der von richterlichen Beamten zugefügten Rechtsverletzungen. §§. 600-602
456