Reichsgesetzblatt für die im Reichrathe vertretenen Königreiche und Länder.

(Jahrgang 1895, 365) LX. Stück. - Ausgegeben und versendet am 9. August 1895.

Inhalt No 113. Gesetz über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Civilprocessordnung)

113.

Gesetz vom 1. August 1895, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Civilprocessordnung).

Mit Zustimmung beider Häuser des Reichsrathes finde Ich anzuordnen, wie folgt:

Erster Theil.

Allgemeine Bestimmungen.

Erster Abschnitt.

Parteien.

Erster Titel.

Processfähigkeit.

§. 1. Eine Person ist insoweit fähig, selbständig vor Gericht als Partei zu handeln (Processfähigkeit), als sie selbständig giltige Verpflichtungen eingehen kann. Das Vorhandensein dieser Verpflichtungsfähigkeit, die Nothwendigkeit der Vertretung von Parteien, welchen die Processfähigkeit mangelt, sowie das Erfordernis einer besonderen Ermächtigung zur Processführung oder zu einzelnen Processhandlungen ist, soweit nicht dieses Gesetz abweichende Anordnungen enthält, nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu beurtheilen.

§. 2. Insbesondere bedarf der Minderjährige in Rechtsstreitigkeiten, welche nur dasjenige zum Gegenstand haben, worüber er zufolge der §§. 151, 246 und 247 a. b. G. B. frei verfügen darf, nicht der Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters.

§. 3. Ein Ausländer, welchem nach dem Recht seines Landes die Processfähigkeit mangelt, ist vor den inländischen Gerichten als processfähig zu behandeln, wenn ihm nach den im Inland geltenden gesetzlichen Bestimmungen die Processfähigkeit zukommt.

§. 4. Die gesetzlichen Vertreter solcher Parteien, welchen die Processfähigkeit mangelt, haben ihre Vertretungsbefugnis und die im einzelnen Falle etwa noch nöthige besondere Ermächtigung zur Processführung, soweit nicht beides bereits bei Gericht offenkundig ist, bei der ersten Processhandlung urkundlich nachzuweisen, welche sie vor Gericht vornehmen.

Die zu einer einzelnen Processhandlung erforderliche besondere Ermächtigung muss in gleicher Weise bei Vornahme dieser Processhandlung nachgewiesen werden.

§. 5. Soweit dieses Gesetz nicht unterscheidet, sind dessen Bestimmungen über Parteien auch auf deren gesetzliche Vertreter zu beziehen.

§. 6. Der Mangel der Processfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung, sowie der etwa erforderlichen besonderen Ermächtigung zur Processführung ist in jeder Lage des Rechtsstreites von amtswegen zu berücksichtigen.

Kann dieser Mangel beseitigt werden, so hat das Gericht die hiezu erforderlichen Aufträge zu ertheilen und zu ihrer Erfüllung von amtswegen eine angemessene Frist zu bestimmen, bis zu deren fruchtlosem Ablauf der Anspruch über die Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibt. Ist jedoch mit dem Verzug für die processunfähige Partei Gefahr verbunden, so kann diese oder die für dieselbe als Vertreter einschreitende Person noch vor Ablauf dieser Frist, vorbehaltlich der

(366) Beseitigung des Mangels, zur Vornahme der nothwendigen Processhandlungen zugelassen werden.

Die im Absatz 2 bezeichneten gerichtlichen Verfügungen können durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden. Eine Verlängerung der zur Behebung des Mangels gewährten Frist ist nur dann zulässig, wenn die Behebung des Mangels durch Umstände behindert wird, auf deren Beseitigung die Partei oder der Vertreter einen Einfluss zu nehmen nicht vermag.

§. 7. Wenn der Mangel der Processfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung oder der Ermächtigung zur Processführung nicht beseitigt werden kann, oder doch die hiezu gewährte Frist fruchtlos abgelaufen ist, hat das Gericht erster oder höherer Instanz, bei welchem die Rechtssache eben anhängig ist, die Nichtigkeit des von dem Mangel betroffenen Verfahrens durch Beschluss auszusprechen.

Dieser Ausspruch kann nicht erfolgen, wenn demselben in Ansehung des Grundes der Nichtigkeit eine von demselben oder von einem anderen inländischen Gerichte gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht.

§. 8. Soll wider eine processunfähige Partei, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, eine Processhandlung vorgenommen werden, und wäre mit dem Verzuge für den Gegner der processunfähigen Partei Gefahr verbunden, so hat das Processgericht auf dessen Antrag für die processunfähige Partei einen Curator zu bestellen.

Der Curator hat für diese Partei bis zum Eintreten des gesetzlichen Vertreters am gerichtlichen Verfahren theilzunehmen und, wenn nöthig, die Bestellung des gesetzlichen Vertreters durch geeignete Anträge zu veranlassen.

§. 9. Die Entscheidung über einen im Sinne des §. 8, Absatz 1, gestellten Antrag erfolgt durch Beschluss und, wenn der Antrag nicht bei einer mündlichen Verhandlung gestellt wurde, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Es können jedoch vor der Entscheidung alle zur Aufklärung erforderlichen Erhebungen eingeleitet werden.

Im Verfahren vor Gerichtshöfen hat über den Antrag, wenn derselbe nicht während einer mündlichen Verhandlung gestellt wird, der Vorsitzende des Senates zu entscheiden, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

Das Gleiche gilt in allen anderen Fällen, in welchen nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts oder nach diesem Gesetze durch das Processgericht für eine Partei in bürgerlichen Streitsachen ein Curator zu bestellen ist.

§. 10. Die Kosten, welche mit der Bestellung eines Curators verbunden sind, sowie die durch die Thätigkeit des Curators entstehenden Kosten hat die Partei, durch deren Processhandlung die Bestellung veranlasst wurde, unbeschadet eines ihr etwa zustehenden Ersatzanspruches zu bestreiten.

Zweiter Titel.

Streitgenossenschaft und Hauptintervention.

§. 11. Außer den in anderen Gesetzen besonders bezeichneten Fällen können mehrere Personen gemeinschaftlich klagen oder geklagt werden (Streitgenossenschaft):

1. wenn sie in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben thatsächlichen und rechtlichen Grunde berechtigt oder verpflichtet sind;

2. wenn gleichartige, auf einem im wesentlichen gleichartigen thatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreites bilden, und zugleich die Zuständigkeit des Gerichtes hinsichtlich jedes einzelnen Beklagten begründet ist.

§. 12. Soweit nicht die Beschaffenheit der eingegangenen Bürgschaft im Wege steht, können der Hauptschuldner und der Bürge gemeinschaftlich geklagt werden.

§. 13. Jeder der Streitgenossen ist dem Gegner gegenüber im Process derart selbständig, dass die Handlungen oder Unterlassungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vortheile noch zum Nachtheile gereichen.

§. 14. Wenn die Wirkung des zu fällenden Urtheiles sich Kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder Kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämmtliche Streitgenossen erstreckt, so bilden dieselben eine einheitliche Streitpartei. Sind einzelne Streitgenossen säumig, so erstreckt sich die Wirkung der Processhandlungen der thätigen Streitgenossen auch auf sie.

§. 15. Das Recht zur Betreibung des Processes kann von jedem einzelnen der Streitgenossen ausgeübt werden.

Unter den in §. 14 angegebenen Voraussetzungen sind zu jeder auf Antrag eines der Streitgenossen oder

(367) des Gegners anberaumten Tagsatzung außer den sonst betheiligten Personen stets auch sämmtliche Streitgenossen, und zwar selbst dann zu laden, wenn eine frühere, in derselben Rechtssache abgehaltene Tagsatzung von ihnen versäumt wurde.

§. 16. Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig ist, ganz oder theilweise für sich in Anspruch nimmt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites beide Parteien gemeinschaftlich klagen (Hauptintervention).

Dritter Titel.

Betheiligung Dritter am Rechtsstreite.

Nebenintervention.

§. 17. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreite die eine Person obsiege, kann dieser Partei im Rechtsstreite beitreten (Nebenintervention).

Zu solchem Beitritte sind ferner alle Personen befugt, welchen durch gesetzliche Vorschriften die Berechtigung zur Nebenintervention eingeräumt ist.

§. 18. Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreites bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen. Der Intervenient hat das Interesse, welches er am Siege einer der Processparteien hat, bestimmt anzugeben.

Über den von einer der Processparteien gestellten Antrag auf Zurückweisung des Nebenintervenienten ist nach vorhergehender mündlicher Verhandlung zwischen dem Bestreitenden und dem Intervenienten durch Beschluss zu entscheiden. Hiedurch wird der Fortgang des Hauptverfahrens nicht gehemmt.

Solange dem Zurückweisungsantrage nicht rechtskräftig stattgegeben ist, muss der Intervenient dem Hauptverfahren zugezogen werden und können Processhandlungen desselben nicht ausgeschlossen werden.

Die Entscheidung, durch welche die Nebenintervention für zulässig erklärt wird, kann nicht durch ein abgesondertes Rechtsmittel angefochten werden.

§. 19. Der Intervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in welcher sich derselbe zur Zeit seines Beitrittes befindet. Er ist berechtigt, zur Unterstützung derjenigen Partei, an deren Sieg er ein rechtliches Interesse hat (Hauptpartei), Angriffs- und Vertheidigungsmittel geltend zu machen, Beweise anzubieten und alle sonstigen Processhandlungen vorzunehmen. Seine Processhandlungen sind insoweit für die Hauptpartei rechtlich wirksam, als sie nicht mit deren eigenen Processhandlungen im Widerspruche stehen.

Mit Einwilligung beider Processparteien kann der Intervenient auch an Stelle desjenigen, dem er beigetreten ist, in den Rechtsstreit als Partei eintreten.

§. 20. Wenn das in einem Processe ergehende Urtheil kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auch in Bezug auf das Rechtsverhältnis des Intervenienten zum Gegner der Hauptpartei rechtlich wirksam ist, kommt dem Intervenienten die Stellung eines Streitgenossen zu (§. 14).

Streitverkündung.

§. 21. Wer behufs Begründung civilrechtlicher Wirkungen einen Dritten von einem Rechtsstreite zu benachrichtigen hat (Streitverkündigung), kann dies durch Zustellung eines Schriftsatzes bewirken, in welchem auch der Grund der Benachrichtigung anzugeben und die Lage des Rechtsstreites, falls derselbe bereits begonnen hat, kurz zu bezeichnen ist.

Mit einer solchen Benachrichtigung kann eine in den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes begründete Aufforderung zur Leistung der Vertretung im bereits anhängigen oder erst einzuleitenden Rechtsstreite (Nebenintervention) verbunden werden.

Die Streitverkündigung gibt der benachrichtigenden Partei nicht das Recht, die Unterbrechung des anhängigen Rechtstreites, die Erstreckung von Fristen oder die Verlegung einer zur Verhandlung bestimmten Tagsatzung zu begehren.

Benennung des Auctors.

§. 22. Wer als Besitzer einer Sache oder eines dinglichen Rechtes geklagt wird, sich aber in den Rechtsstreit nicht einlassen will, weil er im Namen eines Dritten zu besitzen behauptet, hat diesen (Auctor) sogleich nach Zustellung der Klage aufzufordern, sich über sein Verhältnis zum Streitgegenstande oder zu dem in der Klage geltend gemachten Anspruch bei der vor dem Processgericht anberaumten ersten Tagsatzung zu erklären.

Die Aufforderung an den Auctor und dessen Ladung erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes, welcher die zur Begründung dieser Aufforderung erforderlichen Mittheilung über den eingeleiteten Rechtsstreit

(368) zu enthalten hat. Eine Ausfertigung dieses Schriftsatzes ist dem Kläger noch vor der ersten Tagsatzung mitzutheilen.

§. 23. Erkennt der Auctor bei der Tagsatzung das vom Beklagten behauptete Verhältnis an, so kann er mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle als Partei in den Rechtsstreit eintreten. Die Zustimmung des Klägers ist hiezu nur insoweit erforderlich, als derselbe Ansprüche geltend macht, welche durch das zwischen dem Auctor und dem Beklagten bestehende Vertretungsverhältnis nicht berührt werden.

Infolge der Übernahme des Processes durch den Auctor ist der Beklagte auf seinen Antrag durch Beschluss des Processgerichtes von der Klage zu entbinden (§. 241). Kommt hingegen bei der ersten Tagsatzung eine Einigung wegen der Übernahme des Processes durch den Auctor nicht zustande, so kann der Beklagte die Einlassung in den Rechtsstreit nicht weiter verweigern.

§. 24. Erscheint der Auctor trotz gehöriger Ladung bei der anberaumten ersten Tagsatzung nicht, bestreitet er die Behauptung des Beklagten oder erklärt er sich bei der Tagsatzung überhaupt nicht, so ist der Beklagte berechtigt, sich durch Befriedigung des Anspruches des Klägers von der Klage zu befreien.

Inwiefern dem Auctor hieraus ein Anspruch auf Schadenersatz erwächst, ist nach dem bürgerlichen Recht zu beurtheilen.

§. 25. Die Zustellung der in den §§. 18, 21 und 22 bezeichneten Schriftsätze wird vom Vorsitzenden ohne vorgängige Beschlussfassung des Senates verfügt.

Vierter Titel.

Bevollmächtigte.

§. 26. Die Parteien können, sofern in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist, Processhandlungen entweder in Person oder durch Bevollmächtigte vornehmen.

Die Vertretung durch einen Bevollmächtigten schließt auch in jenen Fällen, in welchen die Vertretung durch Advocaten geboten ist, nicht aus, dass die Partei in Begleitung ihres Bevollmächtigten vor Gericht erscheint und daselbst neben diesem mündliche Erklärungen abgibt.

§. 27. Vor den Gerichtshöfen erster Instanz und vor allen Gerichten höherer Instanz müssen sich die Parteien durch Advocaten vertreten lassen (Anwaltsprocess).

Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf das Verfahren erster Instanz in Ehesachen und, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, auch nicht auf diejenigen Processhandlungen, welche vor einem ersuchten oder beauftragten Richter, vor dem Gerichtsvorsteher oder Vorsitzenden eines Senates vorgenommen werden; sie gilt auch nicht für die in der Gerichtskanzlei vorzunehmenden Erklärungen und Handlungen.

Die Vertretungsbefugnis der Finanzprocuratur bleibt auch in den Fällen, in welchen die Vertretung der Parteien durch Advocaten geboten ist, unberührt.

§. 28. Advocaten, Notare, sowie die zur Ausübung des Richteramtes befähigten und bei Gericht angestellten Personen bedürfen, wenn sie in einem Rechtsstreite als Partei einschreiten, weder in der ersten noch in einer höheren Instanz der Vertretung durch einen Advocaten.

Wird gegen eine solche Partei während der Dauer des Processes die Disciplinarstrafe der Streichung von der Advocatenliste, der Entsetzung vom Amte, der Versetzung in den Ruhestand oder der Dienstentlassung verhängt, so ist von ihr für das weitere Verfahren, sofern in demselben die Vertretung durch Advocaten geboten ist, ein Advocat zu bestellen. Eine Unterbrechung des Verfahrens findet deshalb nicht statt.

§. 29. Insoweit eine Vertretung durch Advocaten nicht geboten ist und der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von fünfhundert Gulden nicht übersteigt, kann jede eigenberechtigte Person männlichen Geschlechtes zum Bevollmächtigten bestellt werden. In Streitsachen über fünfhundert Gulden sind an Orten, an welchen wenigstens zwei Advocaten ihren Sitz haben, nur Advocaten als Bevollmächtigte zuzulassen.

Personen, welche dem Richter als Winkelschreiber bekannt sind, dürfen weder zur Verhandlung, noch zu anderen Processhandlungen als Bevollmächtigte zugelassen werden. Gegen diese Verweigerung der Zulassung ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statthaft.

§. 30. Advocaten und sonstige Bevollmächtigte haben bei der ersten von ihnen in einer Streitsache vorgenommenen Processhandlung ihre Bevollmächtigung durch Urkunde (Vollmacht) darzuthun, welche in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift vorzulegen ist und bei Gericht zurückbehalten werden kann.

(369) Wenn die Bevollmächtigung mittels einer Privaturkunde geschah und gegen deren Echtheit Bedenken entstehen, kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen eine gerichtliche oder notarielle Beglaubigung der Unterschrift anordnen. Diese Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn ein dem Gerichte bekannter Advocat oder Notar als Bevollmächtigter einschreitet und die Echtheit der Unterschrift mit Berufung auf seinen Eid bestätigt. Die Anordnung der Beglaubigung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

Die Erklärung über die ertheilte Bevollmächtigung kann vor Bezirksgerichten, wenn die Partei bei einer in der Streitsache anberaumten Tagsatzung mit dem Bevollmächtigten persönlich vor Gericht erscheint, auch zu gerichtlichem Protokoll aufgenommen werden.

§. 31. Die einem Advocaten ertheilte Vollmacht zur Processführung (Processvollmacht) ermächtigt kraft Gesetzes:

1. zur Anbringung und Empfangnahme der Klage und zu allen den Rechtsstreit betreffenden Processhandlungen, einschließlich derjenigen, welche durch eine Widerklage, durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens, durch den Antrag auf einstweilige Verfügungen, oder durch eine im Sinne des §. 16 erfolgende Klageführung veranlasst werden;

2. zum Abschluss von Vergleichen über den Gegenstand des Rechtsstreites, zu Anerkenntnissen der vom Gegner behaupteten Ansprüche, sowie zu Verzichtleistungen auf die von der bevollmächtigenden Partei geltend gemachten Ansprüche;

3. zur Einleitung der Execution wider den Processgegner, zur Vornahme aller im Executionsverfahren auf Seiten des Executionsführers vorkommenden Handlungen und zur Erwirkung des Sicherungsverfahrens;

4. zur Empfangnahme der von dem Processgegner zu erstattenden Processkosten.

Der Advocat kann die ihm ertheilte Processvollmacht für einzelne Acte oder Abschnitte des Verfahrens an einen anderen Advocaten übertragen, er kann sich ferner bei Verhandlungen, für welche die Beiziehung eines Advocaten gesetzlich vorgeschrieben ist, durch einen bei ihm in Verwendung stehenden substitutionsberechtigten Advocaturscandidaten vertreten lassen und auf Grund seiner Processvollmacht für Processhandlungen, zu deren Vornahme die Vertretung durch Advocaten nicht geboten ist, auch andere Stellvertreter bestellen.

Substitutionsberechtigte sind die im §. 15 der Advocaten-Ordnung bezeichneten Advocaturscandidaten, falls sie bereits die Advocatursprüfung mit Erfolg abgelegt haben und nicht eine der im §. 12, lit. c) des Gesetzes vom 1. April 1872, R. G. Bl. Nr. 40, angeführten Disciplinarstrafen wider sie verhängt ist. Das Erfordernis der Advocatursprüfung kann auf Ansuchen eines Advocaten vom Ausschusse der Advocatenkammer mit Zustimmung des Oberlandesgerichtes aus rücksichtswürdigen Gründen solchen bei ihm in Verwendung stehenden Advocaturscandidaten erlassen werden, die an einer inländischen Universität den juridischen Doctorgrad erlangt haben und mindestens eine einjährige, bei einem Gerichtshofe vollstreckte, civil- und strafgerichtliche Praxis und eine zweijährige Praxis bei einem Advocaten oder bei einer Finanzprocuratur nachzuweisen vermögen. Die Nachsicht der Advocatursprüfung gilt jedoch nur für die Dauer der Verwendung des Advocaturscandidaten bei demjenigen Advocaten, auf dessen Ansuchen sie bewilligt wurde.

§. 32. Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfanges der Processvollmacht hat, auch wenn sie in der Urkunde ausgedrückt ist, dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als die Beschränkung die im §. 31, Z. 2 und 3, bezeichneten Befugnisse betrifft und dem Gegner besonders bekannt gegeben wurde.

§. 33. Personen, welche nicht Advocaten sind, kann die Partei entweder eine Processvollmacht ertheilen, oder sie kann dieselben auch nur für einzelne bestimmte Processhandlungen bevollmächtigen.

Umfang, Wirkung und Dauer der Processvollmacht sind nach den Bestimmungen dieses Gesetzes, Umfang, Wirkung und Dauer einer Vollmacht zu einzelnen Processhandlungen aber, sofern im folgenden nichts anderes angeordnet ist, nach dem Inhalte dieser Vollmacht und nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurtheilen.

§. 34. Die auf Grund einer Processvollmacht von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Processhandlungen haben im Verhältnis zur Gegenpartei dieselbe Wirkung, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen worden wären. Dies gilt jedoch von Geständnissen und anderen thatsächlichen Erklärungen nur insoweit, als sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

§. 35. Die Processvollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in Betreff seiner Processfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben.

(370) Die Rechtsnachfolger des Vollmachtgebers, der für die processunfähig gewordene Partei bestellte gesetzliche Vertreter und der an Stelle des bisherigen gesetzlichen Vertreters neu eintretende gesetzliche Vertreter einer Partei können jedoch die Processvollmacht jederzeit widerrufen.

§. 36. Die durch Widerruf oder Kündigung herbeigeführte Aufhebung der Vollmacht zur Processführung oder zur Vornahme einzelner Processhandlungen erlangt dem Processgegner gegenüber erst dann rechtliche Wirksamkeit, wenn ihm das Erlöschen der Vollmacht, in Rechtssachen aber, in welchen die Vertretung durch Advocaten geboten ist, die Bestellung eines anderen Advocaten von der Partei angezeigt wird. Diese Anzeige hat durch Zustellung eines Schriftsatzes zu geschehen. In Bezug auf diese Zustellung gilt die Vorschrift des §. 25.

Nach Kündigung der Vollmacht bleibt der Bevollmächtigte noch durch vierzehn Tage berechtigt und verpflichtet, für den Vollmachtgeber zu handeln, soweit dies nöthig ist, um letzteren vor Rechtsnachtheilen zu schützen.

§. 37. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreites von amtswegen zu berücksichtigen.

Im Anwaltsprocesse überreichte Klage- und Klagebeantwortungsschriften, welche den Nachweis der Bestellung eines Advocaten nicht enthalten, sind vom Vorsitzenden des Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, zurückzuweisen, wenn die Partei nicht innerhalb einer ihr vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist einen Advocaten bestellt und denselben dem Gerichte unter Vorlegung der Vollmacht namhaft macht. Eine Verlängerung dieser Frist ist nicht zulässig.

§. 38. Wer für eine Partei, ohne die erfolgte Bevollmächtigung nachweisen zu können, behufs Vornahme einzelner dringlicher Processhandlungen einschreiten will, kann nach Ermessen des Gerichtes entweder gegen vorgängige Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden, oder auch ohne solche Sicherheitsleistung als Bevollmächtigter einstweilen zugelassen werden.

Das Gericht hat zugleich die nachträgliche Vorlage einer zu jenen Processhandlungen berechtigenden Vollmacht oder die Beibringung der Genehmigung der Partei anzuordnen und bis zum Ablaufe der hiefür bestimmten Frist mit der zu erlassenden Entscheidung oder Verfügung inne zu halten. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist ohne Rücksicht auf jenes Einschreiten vorzugehen; der Gegner hat Anspruch auf Ersatz der durch die einstweilige Zulassung verursachten Kosten und Schäden.

Mit Ausnahme des Beschlusses über den Ersatz der Kosten und Schäden können die im Sinne der vorstehenden Absätze ergehenden gerichtlichen Beschlüsse durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden.

§. 39. Soweit dieses Gesetz nicht unterscheidet, sind dessen Bestimmungen über die Parteien auch auf deren Bevollmächtigte zu beziehen.

Fünfter Titel.

Processkosten.

§. 40. Jede Partei hat die durch ihre Processhandlungen verursachten Kosten zunächst selbst zu bestreiten. Die Kosten solcher gerichtlicher Handlungen, welche von beiden Parteien gemeinschaftlich veranlasst oder vom Gerichte im Interesse beider Parteien auf Antrag oder von amtswegen vorgenommen werden, sind von beiden Parteien gemeinschaftlich zu bestreiten.

Inwieferne den Parteien ein Anspruch auf Ersatz der von ihnen bestrittenen Kosten zusteht, ist, soweit dieses Gesetz nicht besondere Anordnungen enthält, nach den Bestimmungen dieses Titels zu beurtheilen.

§. 41. Die in dem Rechtsstreite vollständig unterliegende Partei hat ihrem Gegner, sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten alle durch die Processführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung nothwendigen Kosten zu ersetzen. Welche Kosten als nothwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei Feststellung des Kostenbetrages ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem von sorgfältiger Würdigung aller Umstände geleiteten Ermessen zu bestimmen.

Soweit das Maß der Entlohnung des Advocaten oder sonst die Höhe der Kosten durch Tarife geregelt ist, hat die Feststellung des Kostenbetrages nach diesen Tarifen zu geschehen.

Die Vorschriften des ersten Absatzes gelten insbesondere auch hinsichtlich der Kosten, welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitze des Processgerichtes oder des ersuchten Richters wohnenden Advocaten entstanden sind. Die Kosten, welche dadurch verursacht wurden, dass für die nämliche Partei mehrere Advocaten beigezogen wurden, sind jedenfalls nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten der Beiziehung eines Advocaten nicht übersteigen, oder als in der Person des Advocaten ein Wechsel eintreten musste.

(371) §. 42. Für ihre persönlichen Bemühungen kann die Partei wie der Nebenintervenient bei Feststellung der Processkosten eine Vergütung nicht ansprechen. Wenn deren persönliches Erscheinen vor Gericht nothwendig war, und insbesondere wenn die Partei in dem Verfahren vor Bezirksgerichten ohne einen Bevollmächtigten erscheint, ist für den durch Zeitversäumnis etwa entstandenen Schaden, sowie für die Reiseauslagen Ersatz zu leisten.

Wird eine Partei durch Bevollmächtigte vertreten, welche nicht dem Advocaten- oder Notariatsstande angehören, so ist der unterliegende Gegner nur zum Ersatz der Stempel- und anderen Staatsgebüren und der durch Processführung verursachten nothwendigen Barauslagen zu verhalten. Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für die Kostenersatzansprüche der durch die Finanzprocuratur vertretenen Parteien.

§. 43. Wenn jede Partei theils obsiegt, theils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu theilen. Der zu ersetzende Theil kann ziffermäßig oder im Verhältnis zum Ganzen bestimmt werden.

Das Gericht kann jedoch auch bei solchem Ausgange des Rechtsstreites der einen Partei den Ersatz der gesammten, dem Gegner und dessen Nebenintervenienten entstandenen Kosten auferlegen, wenn der Gegner nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Theile seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlasst hat, unterlegen ist, oder wenn der Betrag der von ihm erhobenen Forderung von der Feststellung durch richterliches Ermessen, von der Ausmittlung, durch Sachverständige, oder von einer gegenseitigen Abrechnung abhängig war.

§. 44. Werden thatsächliche Behauptungen oder Beweismittel unter Umständen angebracht, aus welchen das Gericht die Überzeugung gewinnt, dass die Partei imstande war, dieselben früher geltend zu machen, und wird durch die Zulassung eines solchen Vorbringens die Erledigung des Rechtsstreites verzögert, so kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen der Partei, welche ein solches Vorbringen gemacht hat, auch wenn sie obsiegt, den Ersatz der Processkosten ganz oder theilweise auferlegen.

Dies gilt insbesondere auch von Anführungen und Beweisanbietungen, die bereits in einem von der obsiegenden Partei überreichten vorbereitenden Schriftsatze hätten angebracht werden sollen und deren späteres Vorbringen eine Verzögerung der Verhandlung oder der Erledigung des Rechtsstreites bewirkt hat.

§. 45. Hat der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage nicht Veranlassung gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort bei der ersten Tagsatzung anerkannt, so fallen die Processkosten dem Kläger zur Last. Er hat auch die dem Beklagten durch das eingeleitete gerichtliche Verfahren verursachten Kosten zu ersetzen.

§. 46. Besteht der zum Kostenersatz verpflichtete Theil aus mehreren, in der Hauptsache nicht solidarisch haftenden Personen, so ist denselben der Kostenersatz nach Kopftheilen aufzuerlegen. Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Betheiligung am Rechtsstreite hat jedoch das Gericht die Ersatzantheile nach dem Verhältnisse dieser Betheiligung zu bestimmen.

Sofern die zum Kostenersatz verpflichteten Personen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes in der Hauptsache solidarisch zu haften haben, erstreckt sich diese Haftung auch auf die dem Gegner zugesprochenen Processkosten. Für die Kosten, welche durch die von einzelnen Betheiligten vorgenommen besonderen Processhandlungen erwachsen sind, haben die übrigen Betheiligten nicht zu haften.

§. 47. Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleiches sind, wenn nicht etwas anderes vereinbart wird, als gegenseitig aufgehoben anzusehen. Dasselbe gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreites, soweit deren Ersatz nicht bereits einer der Parteien rechtskräftig auferlegt ist.

Bleiben Vergleichsverhandlungen erfolglos, so ist die Verpflichtung zum Ersatz der mit denselben verbundenen Kosten von der Entscheidung der Hauptsache abhängig.

§. 48. Wenn im Laufe des Verfahrens Zwischenfälle eintreten, welche einer Partei lediglich vermöge des Verschuldens des Gegners oder eines dem letzteren widerfahrenen Zufalles Kosten verursachen, so kann ihr das Gericht auf Antrag oder von amtswegen den Ersatz dieser Kosten unabhängig vom Ausgange des Rechtsstreites zusprechen.

Die Partei, welcher der Ersatz solcher Kosten bereits während des Rechtsstreites zugesprochen wurde, ist zu deren Wiedererstattung auch dann nicht

(371) verpflichtet, wenn sie in der Hauptsache zum Ersatze der Gerichtskosten verurtheilt wird.

§. 49. Gesetzlichen Vertretern, Advocaten und anderen Bevollmächtigten kann vom Gerichte auf Antrag oder von amtswegen auferlegt werden, diejenigen Kosten zu tragen oder zu ersetzen, welche sie durch ihr grobes Verschulden verursacht haben.

Dies gilt insbesondere auch von den Mehrkosten, welche aus groben Verschulden entweder durch Aufnahme nicht zur Sache gehöriger Anführungen in die Schriftsätze oder durch überflüssige Weitläufigkeiten in den Schriftsätzen verursacht wurden.

Sofern die Entscheidung nicht in das Urtheil in der Hauptsache aufgenommen wird, hat sie mittels Beschluss zu erfolgen. Vor der Entscheidung ist der betheiligte Vertreter oder Bevollmächtigte zu hören. Der Beschluss ist nach Rechtskraft in das Vermögen dieser Personen vollstreckbar.

§. 50. Die Bestimmungen der §§. 40 bis 49 sind auch für das Rechtsmittelverfahren und für die Entscheidungen maßgebend, welche von den Gerichten zweiter und dritter Instanz über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, sowie im Falle der Änderung einer untergerichtlichen Entscheidung, über die Kosten des gesammten vorangegangenen Verfahrens zu fällen sind. Der Umstand, dass eine Partei Sprüche der unteren Instanz für sich hat, ist für die Frage des Kostenersatzes nicht maßgebend.

§. 51. Wenn das Verfahren infolge eines Rechtsmittels oder von amtswegen aufgehoben oder dessen Nichtigkeit ausgesprochen wird, und wenn es zugleich einer der Parteien zum Verschulden zugerechnet werden kann, dass das Verfahren trotz des vorhandenen Aufhebungs- oder Nichtigkeitsgrundes eingeleitet oder fortgeführt wurde, oder wenn der Grund der Aufhebung im Verschulden einer Partei selbst gelegen ist, so kann dieser Partei auf Antrag oder von amtswegen der Ersatz der Kosten des aufgehobenen Verfahrens, sowie des etwaigen Rechtsmittelverfahrens auferlegt werden.

Sofern die Nichtbeachtung des vorhandenen Aufhebungs- oder Nichtigkeitsgrundes auf einem offenbaren groben Verschulden des Gerichtes beruht oder ein offenbares grobes Verschulden des Gerichtes die Aufhebung des Verfahrens verursacht hat, kann der Ersatz der Kosten des aufgehobenen Verfahrens sowie des etwaigen Rechtsmittelverfahrens auf Antrag oder von amtswegen dem Gerichte auferlegt werden.

Außer diesen Fällen sind die Kosten gegenseitig aufzuheben.

§. 52. In jedem Urtheil und in den Beschlüssen, welche eine Streitsache für die Instanz vollständig erledigen, ist auch über die Verpflichtung zum Kostenersatze zu entscheiden. In anderen Beschlüssen kann über den Ersatz der Kosten nur insoweit erkannt werden, als die Ersatzpflicht von dem Ausgange der Hauptsache unabhängig ist.

Ist das Gericht bei Erlassung eines Theilurtheiles nicht in der Lage, hinsichtlich des abgeurtheilten Anspruches oder Theilanspruches zugleich über die Kosten zu entscheiden, so ist im Urtheile auszusprechen, inwieferne eine solche Entscheidung noch einem weiteren Urtheile vorbehalten bleibt.

Über die Verpflichtung zum Kostenersatze ist auch ohne einen bezüglichen Parteiantrag zu entscheiden, sofern nur das Kostenverzeichnis rechtzeitig vorgelegt wurde (§. 54).

§. 53. Gleichzeitig mit der Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatze hat das Gericht, sofern nicht die Kosten gegeneinander aufgehoben werden, den Betrag der zu ersetzenden Kosten festzustellen.

Bei der mündlichen Verkündigung des Urtheiles oder eines die Verpflichtung zum Kostenersatze aussprechenden Beschlusses kann jedoch in allen Fällen, in welchen das Urtheil oder der Beschluss noch schriftlich auszufertigen sind, die Festsetzung des Kostenbetrages dieser schriftlichen Ausfertigung vorbehalten werden.

§. 54. Die Partei, welche Kostenersatz anspricht, hat bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruches das Verzeichnis der Kosten sammt den zur Bescheinigung der Ansätze und Angaben dieses Verzeichnisses etwa erforderlichen Belegen vor Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatzanspruch (§. 52) unmittelbar vorangehenden Verhandlung, wenn aber die Beschlussfassung ohne vorgängige Verhandlung erfolgen soll, bei ihrer Einvernehmung oder gleichzeitig mit dem der Beschlussfassung zu unterziehenden Antrage dem Gerichte zu übergeben.

§. 55. Die in einem Urtheile des Processgerichtes erster Instanz oder des Berufungsgerichtes enthaltene Entscheidung über den Kostenpunkt kann ohne gleichzeitige Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung nur mittels Recurs angefochten werden.

(373) Sechster Titel.

Sicherheitsleistung.

Art der Sicherheitsleistung.

§. 56. Die Bestellung einer auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes zu leistenden Sicherheit erfolgt, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, durch gerichtlichen Erlag von barem Gelde oder von inländischen Wertpapieren, welche sich nach den hierüber bestehenden Vorschriften zur Anlegung der Gelder von Minderjährigen eignen, und nur in Ermangelung solcher durch den gerichtlichen Erlag von anderen inländischen, an der Börse notirten Wertpapieren, welche nach richterlichem Ermessen genügende Deckung bieten. Die Wertpapiere dürfen nicht außer Kurs gesetzt und müssen mit den laufenden Zins- oder Gewinnantheilscheinen und Talons versehen sein. Sie sind nach dem Kurse des Erlagstages zu berechnen.

Nach Ermessen des Gerichtes können insbesondere auch Einlagebücher einer inländischen Sparkasse oder einer inländischen landwirtschaftlichen oder sonstigen Vorschusskasse behufs Bewirkung einer Sicherheitsleistung zugelassen werden. Eine Sicherheitsleistung mittels einer gesetzlichen Sicherheit bietenden Hypothek an einem inländischen Grundstück oder durch zahlungsfähige Bürgen, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inlande haben, kann der Richter zulassen, wenn eine andere Art der Sicherheit von dem zur Sicherheitsleistung Verpflichteten nicht oder nur schwer beschafft werden kann.

Mit dem gerichtlichen Erlage wird an dem Gegenstand desselben ein Pfandrecht für den Anspruch begründet, in Ansehung dessen die Sicherheitsleistung erfolgt.

Sicherheitsleistung für Processkosten.

§. 57. Wenn Ausländer vor einem im Geltungsgebiete dieses Gesetzes gelegenen Gerichte als Kläger auftreten, haben sie dem Beklagten auf dessen Verlangen für die Processkosten Sicherheit zu leisten, sofern nicht durch Staatsverträge etwas anderes festgesetzt ist.

Eine solche Verpflichtung zur Sicherheitsleistung tritt jedoch nicht ein:

1. wenn nach den Gesetzen des Staates, dem der Kläger angehört, österreichische Staatsangehörige im gleichen Falle zur Sicherheitsleistung für Processkosten nicht verpflichtet sind;

2. wenn der Kläger im Geltungsgebiete dieses Gesetzes ein zur Deckung der Processkosten hinreichendes Vermögen an unbeweglichen Gütern oder an Forderungen besitzt, die auf solchen Gütern bücherlich sichergestellt sind;

3. bei Klagen in Ehestreitigkeiten;

4. bei Klagen im Mandats- und Wechselverfahren, bei Widerklagen, sowie bei Klagen, welche infolge einer öffentlichen, gerichtlichen Aufforderung angestellt werden.

Sofern sich ein Zweifel über die Gesetzgebung, die Einrichtungen oder das Verhalten des Staates ergibt, welchem der Kläger angehört, ist hierüber die Erklärung des Justizministers einzuholen. Dieselbe ist für das Gericht bindend.

§. 58. Der Beklagte kann auch dann Sicherheitsleistung verlangen, wenn der Kläger während des Rechtsstreites die Eigenschaft eines Inländers verliert oder die Voraussetzung, unter welcher der Ausländer von der Sicherheitsleistung befreit war, wegfällt und nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenen Anspruches unbestritten ist.

§. 59. Außer den beiden Fällen des §. 58 muss der Antrag auf Sicherheitsleistung für Processkosten bei sonstigem Ausschluss in der ersten Tagsatzung und vor Einlassung in die Hauptsache gestellt werden.

In dem Antrage ist stets die Höhe der Sicherheitssumme anzugeben. Über den Antrag ist durch Beschluss zu entscheiden.

§. 60. Wird dem Antrage stattgegeben, so ist zugleich der Betrag der zu leistenden Sicherheit und die Frist zu bestimmen, binnen welcher dieser Betrag gerichtlich zu erlegen oder die Unfähigkeit zum Erlage vom Kläger eidlich zu bekräftigen ist.

Bei Bestimmung der Höhe der Sicherheitssumme sind die Kosten, welche der Beklagte zu seiner Vertheidigung wahrscheinlich aufzuwenden haben wird, nicht aber auch die durch eine etwaige Widerklage erwachsenden Kosten in Anschlag zu bringen. Zum Zwecke der eidlichen Bekräftigung seiner Unfähigkeit zum Erlage der Sicherheitssumme hat der Kläger bei dem Processgerichte innerhalb der ihm hiezu offen gestellten Frist zum Anberaumung einer Tagsatzung anzusuchen. Die Ablegung des Eides kann bei dem Gerichte des Wohnsitzes oder Aufenthaltes des Klägers erfolgen.

In der dem Kläger zuzustellenden schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses ist ihm zu eröffnen, dass im Falle fruchtlosen Ablaufes der im Absatze 1 erwähnten Frist die Klage auf Antrag des Beklagten vom Gerichte für zurückgenommen erklärt, oder, wenn der Antrag während des Rechtsmittelverfahrens gestellt wird (§. 58), das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel als zurückgezogen angesehen würde. Beides

(374) geschieht mittels Beschluss; der Beschlussfassung hat die mündliche oder schriftliche Einvernehmung des Klägers vorauszugehen.

§. 61. Wird ein Antrag auf Sicherheitsleistung für Processkosten rechtzeitig gestellt, so ist der Beklagte bis zur Entscheidung über denselben zur Fortsetzung des Verfahrens in der Hauptsache nicht verpflichtet.

Wird der Antrag abgewiesen, so kann die Fortsetzung dieses Verfahrens vom Gerichte angeordnet werden, ohne dass die Rechtskraft des abweisenden Beschlusses abgewartet werden muss. Gegen diese Anordnung findet ein Recurs nicht statt.

§. 62. Nach rechtzeitigem Erlage der Sicherheitssumme oder Ableistung des Eides ist das Verfahren in der Hauptsache auf Antrag einer Partei fortzusetzen.

Ergibt sich im Laufe des Rechtsstreites, dass die geleistete Sicherheit nicht hinreicht, so kann der Beklagte die Ergänzung derselben beantragen, sofern nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenen Anspruches unbestritten ist. Einem solchen Antrage kommt aufschiebende Wirkung nicht zu; der Beschluss, wodurch die Ergänzung der Sicherheit angeordnet wird, ist nach eingetretener Rechtskraft vollstreckbar.

Siebenter Titel.

Armenrecht.

§. 63. Wer ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie erforderlichen nothdürftigen Unterhaltes die Kosten einer Processführung zu bestreiten außerstande ist, kann für dieselbe die Bewilligung des Armenrechtes erwirken.

Ausländern wird dieses Recht nur unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit gewährt. Ist die Einhaltung der Gegenseitigkeit zweifelhaft, so ist darüber die Erklärung des Justizministers einzuholen. Dieselbe ist für das Gericht bindend.

§. 64. Durch die Bewilligung des Armenrechtes erlangt die Partei für den bestimmten Process:

1. die einstweilige Befreiung von den aus Anlass des Rechtsstreites zu entrichtenden Stempeln und anderen Staatsgebüren;

2. die Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Processkosten;

3. sofern in der Rechtssache die Vertretung durch Advocaten durch das Gesetz geboten ist, das Recht, zu begehren, dass für sie zur vorläufig unentgeltlichen Wahrung ihrer Rechte ein Advocat bestellt werde;

4. wenn in einer Rechtssache, für welche die Vertretung durch Advocaten gesetzlich nicht geboten ist, die Klage bei einem Gerichte außerhalb des Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltes der armen Partei angebracht werden muss, die Befugnis, die Klage bei dem Bezirksgerichte ihres Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltes zu Protokoll zu erklären, und das Recht, zu begehren, dass dieses Protokoll dem Processgerichte übersendet, und dass von diesem für die arme Partei zur unentgeltlichen Wahrung ihrer Rechte bei der mündlichen Verhandlung ein Vertreter bestellt werde; mit dieser Vertretung sind Beamte der Staatsanwaltschaft oder des Gerichtes zu betrauen;

5. die einstweilige Befreiung von der Berichtigung der Gebüren (!) abgeordneter gerichtlicher Beamten und Diener, der Gebüren von Vollstreckungsorganen, Zeugen und Sachverständigen, der Kosten der gerichtlichen Anfertigung von Protokolls- und Beilagenabschriften sowie von Rubriken, der Kosten der nothwendigen Verlautbarungen und endlich der nothwendigen baren Auslagen, welche von den durch das Processgericht bestellten gesetzlichen Vertretern oder von dem der armen Partei beigegebenen Advocaten oder Vertreter gemacht wurden. Diese Gebüren und Auslagen werden vorläufig aus dem Staatsschatze geleistet.

§. 65. Das Gesuch um Bewilligung des Armenrechtes ist bei dem in erster Instanz zuständigen Processgerichte schriftlich oder zu Protokoll anzubringen. Falls die arme Partei ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt nicht im Sprengel des Processgerichtes hat, kann sie das Gesuch um Bewilligung des Armenrechtes bei dem Bezirksgerichte ihres Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltes zu Protokoll erklären.

In dem Gesuche ist die Rechtssache zu bezeichnen, für welche das Armenrecht bewilligt werden soll. Zugleich ist ein Zeugnis über die Vermögensverhältnisse der Partei beizubringen, welcher das Armenrecht ertheilt werden soll. In dem Zeugnisse muss das Einkommen, welches die Partei durch ihren Erwerb oder aus anderen Quellen bezieht, angegeben und unter Namhaftmachung der Person, für deren Unterhalt die Partei etwa zu sorgen hat, ausdrücklich deren Unvermögen zur Bestreitung der Processkosten (§. 63, Absatz 1) bestätigt werden.

Das Zeugnis ist von der Gemeindevorstehung derjenigen Gemeinde, in welcher die Partei zur Zeit ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat, auszustellen und bedarf, sofern es sich nicht um Gemeinden mit eigenen

(375) Statuten handelt, der Bestätigung seitens der landesfürstlichen politischen Bezirksbehörde. Die näheren Vorschriften über das Verfahren bei Ausfertigung und Bestätigung solcher Zeugnisse sind im Verordnungswege zu erlassen.

Für Pflegebefohlene kann dieses Zeugnis auch von der Pflegschaftsbehörde ausgestellt werden.

§. 66. Ob der um Gewährung des Armenrechtes ansuchenden Partei ein Advocat beizugeben ist, hat gleichfalls das Processgericht erster Instanz zu entscheiden. Zu dieser Entscheidung ist dasselbe auch dann berufen, wenn sich die Veranlassung zur Bestellung eines Advocaten wegen der Nothwendigkeit eines Rechtsmittelverfahrens oder aus anderen Gründen erst nach Bewilligung des Armenrechtes ergibt.

Die Bestellung des Advocaten selbst erfolgt durch den hiezu berufenen Ausschuss der Advocatenkammer.

§. 67. Tritt im Laufe des Rechtsstreites die Nothwendigkeit ein, der Mitwirkung eines Advocaten bedürfende Processhandlungen außerhalb des Sprengels des Gerichtshofes erster Instanz vorzunehmen, in welchem der für die arme Partei bestellte Advocat seinen Wohnsitz hat, so ist hiezu auf Antrag des letzteren oder auf Begehren der armen Partei von dem Ausschusse der hienach zuständigen Kammer ein Advocat zu bestellen, welcher in dem Sprengel des Gerichtshofes erster Instanz seinen Wohnsitz hat, in welchem die Processhandlung vorzunehmen ist.

§. 68. Der Tod der Partei, welcher das Armenrecht bewilligt wurde, sowie Änderungen in den Vermögensverhältnissen

der Partei, durch welche die Bedingungen der ursprünglichen Bewilligung des Armenrechtes nachträglich beseitigt werden, bewirken das Erlöschen des Armenrechtes. Letzterenfalls ist das Erlöschen des Armenrechtes durch das Processgericht erster Instanz von amtswegen oder auf Antrag durch Beschluss auszusprechen.

Das Armenrecht ist der Partei durch Beschluss des Processgerichtes erster Instanz auf Antrag oder von amtswegen zu entziehen, sobald sich herausstellt, dass die bei der Bewilligung des Armenrechtes als bestehend angenommenen Voraussetzungen schon damals nicht vorhanden waren.

§. 69. Gegen Parteien, welche die Bewilligung des Armenrechtes durch unwahre Angaben erschlichen haben, ist eine Mutwillensstrafe zu verhängen.

Wer in dem im §. 65 bezeichneten Zeugnisse wissentlich unrichtige Angaben macht oder Unrichtiges wissentlich als wahr bestätigt, haftet, wenn das Armenrecht bewilligt wurde, für die Beträge, von deren Berichtigung die Partei einstweilen befreit war, für die Kosten einer etwaigen Advocatenvertretung und für allen sonstigen verursachten Schaden.

§. 70. Falls dem Gegner der armen Partei der Ersatz von Processkosten auferlegt wird, können die im §. 64, Z. 1 und 5, bezeichneten Kosten, von deren Bestreitung die arme Partei einstweilen befreit ist, sowie die Gebüren und Auslagen des für die arme Partei bestellten Advocaten unmittelbar bei dem Gegner eingehoben werden.

Dem Advocaten können hiebei Einreden aus den zwischen der armen Partei und ihrem Gegner bestehenden Rechtsbeziehungen nur insoweit entgegengesetzt werden, als es sich um Aufrechnung von Kosten handelt, deren Ersatz der armen Partei in demselben Rechtsstreite zu Gunsten ihres Gegners auferlegt wurde.

§. 71. Wenn die Voraussetzungen für eine nachträgliche Entziehung des Armenrechtes vorhanden sind, so ist die zum Armenrechte zugelassene Partei auf Antrag eines Betheiligten zur Nachzahlung der Beträge zu verhalten, von deren Berichtigung sie auf Grund des Armenrechtes einstweilen befreit war. Nach Maßgabe der Vermögensverhältnisse der armen Partei kann derselben auch bloß eine theilweise Nachzahlung auferlegt werden.

Bei solcher Verpflichtung zur Nachzahlung ist der Partei zunächst der Ersatz der baren Auslagen aufzuerlegen, welche der Staatskasse nach §. 64, Z. 5, zur Last fallen, dann die Berichtigung der Gebüren des Advocaten und endlich die Bezahlung der Stempel und Gebüren.

Ein im Sinne des Absatzes 1 ergehender Beschluss ist nach eintretender Rechtskraft in das Vermögen der zur Nachzahlung verpflichteten Partei vollstreckbar.

§. 72. In den in den §§. 65, 66, 68 und 71 bezeichneten Fällen ist über die gestellten Anträge ohne vorhergehende mündliche Verhandlung zu entscheiden. Die ihm etwa nothwendig scheinenden Aufklärungen kann das Gericht von amtswegen einholen.

Die Entscheidung, durch welche einer Partei das Armenrecht bewilligt wird, sowie die Entscheidung, dass ein Advocat für die arme Partei zu bestellen ist, kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

(376) Einer Vertretung durch Advocaten bedürfen die Parteien bei den nach Vorschrift dieses Titels vor Gericht vorzunehmenden Handlungen auch dann nicht, wenn ein Gerichtshof als Processgericht erster Instanz eingeschreitet.

§. 73. Das Anbringen eines Gesuches um Bewilligung des Armenrechtes, sowie die Stellung eines anderen nach den Bestimmungen dieses Titels zulässigen Antrages berechtigt keine der Parteien zur Verweigerung der Einlassung in den Rechtsstreit oder der Fortsetzung der Verhandlung oder zum Begehren um Erstreckung von Fristen oder Verlegung von Tagsatzungen.

Im Verfahren vor Gerichtshöfen kann jedoch weder wegen nicht rechtzeitiger Überreichung der Klagebeantwortung noch deswegen, weil die geklagte arme Partei bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung ohne Advocaten erscheint, ein Versäumungsurtheil gegen die arme Partei erlassen werden, wenn das von ihr ohne Verzug nach Zustellung der Kage angebrachte Gesuch um Bewilligung des Armenrechtes noch keine Erledigung gefunden hat oder im Falle der Bewilligung des Armenrechtes für die arme Partei noch kein Advocat bestellt worden ist.

Zweiter Abschnitt.

Verfahren.

Erster Titel.

Schriftsätze.

§. 74. Die eine Steitsache betreffenden, außerhalb der mündlichen Verhandlung vorzubringenden Anträge, Gesuche oder Mittheilungen erfolgen, soweit das Gesetz nicht ein Anbringen zu Protokoll gestattet, mittels Schriftsätzen.

§. 75. Jeder Schrifsatz hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des Gerichtes, dann der Parteien nach Namen (Vor- und Zuname), Beschäftigung, Wohnort und Parteistellung, die Angabe der für die Parteien handelnden Vertreter und die Bezeichnung des Streitgegenstandes;

2. die Bezeichnung der Beilagen und ihrer Zahl sowie die Angabe, ob die Beilagen in Urschrift oder Abschrift angeschlossen sind;

3. die Unterschrift der Partei selbst oder ihres gesetzlichen Vertreters oder Bevollmächtigen, im Anwaltsprocesse aber, wenn nicht die Bestimmung des §. 28, Absatz 1, zur Anwendung kommt, die Unterschrift des Advocaten.

§. 76. In jedem Schriftsatze sind ferner die tatsächlichen Verhältnisse, durch welche die im Schriftsatze gestellten Anträge begründet werden, in knapper, übersichtlicher Fassung gedrängt darzustellen und, wenn es eines Beweises oder einer Glaubhaftmachung dieser Anführungen bedarf, auch die Beweismittel im Einzelnen zu bezeichnen, deren man sich behufs Erbringung dieses Nachweises oder behufs Glaubhaftmachung bedienen will.

§. 77. Wenn über den im Schriftsatze gestellten Antrag mündlich verhandelt werden soll, sind dem Schriftsatze nur Abschriften der Urkunden beizulegen, auf welche im Schriftsatze Bezug genommen wird; falls nur einzelne Theile einer Urkunde in Betracht kommen, genügt die Beifügungn eines Auszuges, welcher den Eingang, die zur Sache gehörende Stelle, den Schluss, das Datum und die Unterschriften enthält.

Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfange, so ist es ausreichend, wenn im Schriftsatze die Urkunden genau bezeichnet und das Anerbieten gemacht wird, deren Einsicht dem Gegner zu gewähren, oder dieselben dem Gerichte auf Verlangen vorzulegen.

Befinden sich die Urkunden nicht in den Händen der Partei, so hat sie anzugeben, auf welche Weise die Herbeischaffung dieser Urkunden zu veranlassen sei.

§. 78. Schriftsätze, die zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung bestimmt sind (vorbereitende Schriftsätze), haben nebst den sonstigen Erfordernissen eines Schriftsatzes zu enthalten:

1. die Anträge, welche die Partei bei der mündlichen Verhandlung zu stellen beabsichtigt;

2. eine der Vorschrift des §. 76 entsprechende Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse, auf welche sich die Partei zur Begründung ihrer Anträge oder Bekämpfung gegnerischer Anträge bei der mündlichen Verhandlung berufen will, sowie die Angabe der Beweismittel, welche die Partei bei dieser Verhandlung zur Bewahrheitung ihrer eigenen Anführungen oder zur Widerlegung thatsächlicher Behauptungen des Gegner zu benützen beabsichtigt;

3. nach Lage der Sache die Erklärungen über die Wahrheit, Richtigkeit und Vollständigkeit des in einem vorausgegangenen Schriftsatze des Gegners enthaltenen thatsächlichen Vorbringens und über die Zufälligkeit der vom Gegner bezeichneten Beweismittel.

Rechtsausführungen und Darlegungen über die Wahrscheinlichkeit oder Glaubwürdigkeit einzelner thatsächlicher Behauptungen oder über die vermuthliche Beweiskraft angebotener Beweise sind in einen vorbereitenden Schriftsatz nicht aufzunehmen.

(377) §. 79. Ein die Stelle des Schriftsatzes versehendes protokollarisches Anbringen ist nach den Bestimmungen über die Schriftsätze einzurichten.

Erfolgt das Anbringen außerhalb einer mündlichen Verhandlung, so ist im Verfahren vor Gerichtshöfen das Protokoll von dem durch den Gerichtsvorsteher oder den Vorsitzenden einer Senates hiezu bestimmten richterlichen Beamten ausfzunehmen.

§. 80. Falls ein Antrag mittels Schriftsatzes gestellt wird, oder eine auch dem Gegner zur Kenntnis zu bringende Mittheilung an das Gericht mittels Schriftsatzes erfolgt, desgleichen von allen vorbereitenden Schriftsätzen, sind, soweit nicht in diesem Gesetze etwas anderes angeordnet wird, so viele gleichlautende Ausfertigungen des Schriftsatzes zu überreichen, dass jedem der Gegner eine Ausfertigung zugestellt und überdies eine für die Gerichtsacten zurückbehalten werden kann. Den Schriftsätzen sind ferner die zur Verständigung sonstiger Betheiligter erforderlichen Rubriken beizulegen.

Die Rubriken haben die Bezeichnung des Gerichtes, der Parteien und des Streitgegenstandes in der in §. 75 bestimmten Weise zu enthalten.

§. 81. Sofern nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ein Exemplar des überreichten Schriftsatzes dem Gegner zuzustellen ist, sind demselben auch Abschriften der Beilagen des Schriftsatzes anzuschließen.

Die bei dem Gerichte zurückbehaltenen Urschriften von Beilagen sind dem Gegner auf sein Verlangen jederzeit zur Einsichtnahme vorzulegen.

§. 82. Wenn eine Partei in einem Schriftsatze auf in ihren Händen befindliche Urkunden Bezug genommen hat, ist sie auf Verlangen des Gegners verpflichtet, diese Urkunden in Urschrift innerhalb drei Tagen bei Gericht niederzulegen und den Gegner hievon zu benachrichtigen. Der Gegner kann sodann die Urkunden innerhalb drei Tagen nach empfangener Benachrichtigung einsehen und davon Abschrift nehmen.

Die Frist zur Einsichtnahme kann, wenn die Partei die Urkunde erweislich dringend benöthigt, vom Gerichte und im Verfahren vor Gerichtshöfen vom Vorsitzenden des Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, auf Antrag entsprechend abgekürzt werden. Gegen den über einen solchen Antrag ergehenden Beschluss findet ein Rechtsmittel nicht statt.

§. 83. Advocaten steht es frei, die Mittheilung der Urschriften von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung vorzunehmen.

Gibt ein Advocat die ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der vereinbarten Frist und mangels einer Vereinbarung binnen drei Tagen nach Empfang zurück, so ist er auf Antrag nach vorgängiger mündlicher oder schriftlicher Einvernehmung durch Beschluss zu unverzüglicher Zurückgabe zu verhalten. In Bezug auf diesen Beschluss haben die Bestimmungen des §. 82, Absatz 2, zu gelten. Der Beschluss ist sofort vollstreckbar.

§. 84. Soweit in diesem Gesetze nichts anderes angeordnet ist, hat das Gericht die Beseitigung von Formgebrechen, welche die ordnungsmäßige geschäftliche Behandlung eines überreichten Schriftsatzes zu hindern geeignet sind, von amtswegen anzuordnen. Ein solcher Beschluss kann durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden.

Als derartiges Formgebrechen ist es insbesondere anzusehen, wenn die Vorschriften der §§. 75 und 77 nicht beachtet wurden, oder wenn es an der erforderlichen Anzahl von Schriftsatzexemplaren oder von Rubriken fehlt.

Zum Verfahren vor Gerichtshöfen steht die Erlassung dieser Anordnungen dem Vorsitzenden des Senates zu, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

§. 85. Zum Zwecke der Beseitigung von Formgebrechen kann die Partei vorgeladen oder ihr der Schriftsatz mit der Anweisung zur Behebung der gleichtzeitig zu bezeichnenden Formgebrechen zurrückgestellt werden.

War bei Überreichung des Schriftsatzes eine Frist einzuhalten, so ist letzterenfalls für die Wiederanbringung eine neuerliche Frist festzusetzen, bei deren Einhaltung der Schriftsatz als am Tage seines ersten Einlangens überreicht anzusehen ist. Eine Verlängerung dieser Frist ist nicht zulässig.

Gegen die auf Grund vorstehender Bestimmungen ergehenden Beschlüsse ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statthaft; inwiefern deshalb das Aufsichtsrecht der übergeordneten Gerichtsbehörden angerufen werden kann, ist nach den über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte erlassenen Vorschriften zu beurtheilen.

§. 86. Gegen eine Partei, welche die dem Gerichte schuldige Achtung in einem Schriftsatze durch beleidigende Ausfälle verletzt oder welche in einem Schriftsatze

(378) den Gegner, einen Vertreter, Bevollmächtigten, Zeugen oder Sachverständigen beleidigt, kann unbeschadet der deshalb etwa eintretenden strafgerichtlichen Verfolgung vom Gerichte eine Ordnungsstrafe verhängt werden.

Aus den gleichen Gründen ist die Verhängung einer Ordnungsstrafe gegen den Advocaten zulässig, welcher den Schriftsatz unterfertigt hat.

Zweiter Titel.

Zustellungen.

§. 87. Zustellungen erfolgen, sofern in diesem Gesetze nichts anderes vorgeschrieben ist, von amtswegen.

1. Im Inlande.

§. 88. Zustellungen sind im Inlande in der Regel durch die Post zu vollziehen. Inwieweit Zustellungen innerhalb des Gerichtsortes oder sonst im Inlande durch Gerichtsdiener oder durch Vermittlung des Gemeindevorstehers oder der Geschäftsführer ausgeschiedener Gutsgebiete bewirkt werden können, ist im Verordnungswege zu bestimmen.

Wenn hienach für die Zustellung die Mitwirkung von Gemeinden, welche kein eigenes Statut haben, oder von ausgeschiedenen Gutsgebieten in Anspruch genommen werden soll, ist die Äußerung des Landesausschusses einzuholen.

Die Gerichtsdiener können nur innerhalb des Sprengels des Gerichtes, bei welchem sie angestellt sind, die Gemeindeorgane und Bestellten der Geschäftsführer ausgeschiedener Gutsgebiete nur innerhalb des bezüglichen Gemeinde- oder Gutsgebietes zu Bewirkung von Zustellungen verwendet werden.

§. 89. Die Bestimmung der Zustellungsart obliegt dem Gerichte, dessen Urtheile, Beschlüsse oder Ladungen zugestellt werden sollen oder bei welchem der zuzustellende Schriftsatz überreicht oder das Protokoll aufgenommen worden ist. Dieses Gericht hat auch die wegen der Zustellung nöthigen Verfügungen zu treffen.

Im Verfahren vor Gerichtshöfen kann eine solche Verfügung an Stelle des Gerichtes durch den Vorsitzenden des Senates getroffen werden, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

§. 90. Haben mehrere Betheiligte einen gemeinschaftlichen Vertreter, so wird mit der Übergabe einer einzigen Ausfertigung, Ladung, Protokollsabschrift oder nur eines Schriftsatzexemplares an diesem Vertreter die Zustellung an alle für vollzogen angesehen. Be dem Vorhandensein mehrerer zu Empfangnahme gerichtlicher Zustellungen ermächtigten Vertreter eines Betheiligten, ist die Zustellung als vollzogen anzusehen, wenn einem dieser Vertreter ein Exemplar des Zuzustellenden Schriftstückes übergeben wird.

Dieselben Bestimmungen gelten auch in Ansehung der zuzustellenden Abschriften von Beilagen eines Schriftsatzes oder Protokolles.

§. 91. Wenn das Verhalten einer der mit der Ausführung der Zustellung beauftragten Personen (Zustellungsorgane) zur Beschwerde Anlass gibt, so hat der Vorsitzende des Senates, der mit der Aufsicht über die Gerichtskanzlei betraute Richter oder der Gerichtsvorsteher, sobald er hievon Kenntnis erlangt, das Geeignete zu veranlassen, um Abhilfe zu gewähren. Der Beschwerdegrund kann mündlich angezeigt werden.

§. 92. Zustellungen, welche für die in aktiver Dienstleistung stehenden Personen des Mannschaftsstandes des Heeres, der Kriegsmarine und der Landwehr, sowie für die in aktiver Dienstleistung stehenden Personen des Mannschaftsstandes der Gendarmerie bestimmt sind, haben durch den Chef der zunächst vorgesetzten Kommandobehörde zu erfolgen.

Sofern sonst Zustellungen in militärischen oder vom Militär besetzen Gebäuden vorzunehmen sind, haben dieselben nach vorläufiger Anzeige an den Kommandanten des Gebäudes und unter Zuziehung einer von diesem beigegebenen Militärperson zu geschehen.

§. 93. Hat eine Patei für einen Rechtsstreit Processvollmacht ertheilt, so haben bis zur Aufhebung des Processvollmacht (§. 36) alle diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen.

In Rechtssachen, die sich auf den Betrieb des Handelsgewerbes einer Person beziehen, kann die Zustellung für den Prinzipal an den Procuristen geschehen.

Zustellungsbevollmächtigter.

§. 94. Ist eine am Orte des Processgerichtes wohnhafte Person zum Empfange der für einen am Processe betheiligten bestimmten Schriftstücke bevollmächtigt worden (Zustellungsbevollmächtigter), so erfolgen die Zustellungen an diesen.

(379) Dem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Betheiligten sind soviele Exemplare des zuzustellenden Schriftstückes zu übergeben, als Betheiligte vorhanden sind. Hinsichtlich der Abschriften vn Beilagen eines Schriftsatzes oder Protokolles genügt jedoch die Zustellung je einer Abschrift jeder Beilage an den gemeinschaftlichen Zustellungsbevollmächtigten.

§. 95. Einer Partei kann vom Gerichte auf Antrag oder von amtswegen aufgetragen werden, innerhalb einer ihr zugleich zu bestimmenden Frist einem am Orte des Processgerichtes wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen:

1. wenn diese Partei außerhalb des Sprengels des Gerichtshofes erster Instanz wohnt, welcher als Processgericht einschreitet oder in dessen Sprengel sich das als Processgericht einschreitende Bezirksgericht befindet;

2. wenn die Partei während des Rechtsstreites ihren Wohnsitz ausserhalb des in Absatz 1 bezeichneten Gerichtshofsprengels verlegt.

Zur Erlassung einer solchen Anordnung, gegen welche ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist, ist im Verfahren vor Gerichtshöfen der Vorsitzende des Senates berufen, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

§. 96. Wird eine gemäß §. 95. erlassene Anordnung nicht befolgt, so können alle späteren Zustellungen dadurch vollzogen werden, dass die Schriftstücke der Post mit der zuletzt bekannt gewordenen Adresse der Partei übergeben werden. Die Zustellung wird mit der Übergabe an die Post als bewirkt angesehen, wenn auch die Sendung als unbestellbar zurückkommt.

Ist die Zustellung durch die Post im einzelnen Falle nicht gestattet, so ist die Partei nach furchtlosem Ablaufe der ihr zu Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten gegebenen Frist zu verständigen, dass fortan die für sie bestimmten Schriftstücke mit der Wirkung der erfolgten Zustellung bei Gericht würden hinterlegt werden.

Die Übergabe an die Post im Sinne des ersten Absatzes findet keine Anwendung, wenn die Zustellungen außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes erfolgen müssten.

§. 97. Streitgenossen, welche keinen gemeinschaftlichen Vertreter haben, müssen, und zwar als Kläger in der Klage, sonst bei Vornahme der ersten Processhandlung einen am Orte des Processgerichtes wohnhaften gemeinschaftlichen Zustellungsbevollmächtigten dem Gerichte namhaft machen. Die Streitgenossen können jedoch einen aus ihrer Mitte auch dann zum gemeinschaftlichen Zustellungsbevollmächtigten bestellen, wenn er zwar nicht am Orte des Processgerichtes, aber innerhalb des Sprengels des Gerichtshofes erster Instanz wohnt, welcher als Processgericht einschreitet oder in dessen Sprengel sich das als Processgericht einschreitende Bezirksgericht befindet, und wenn zugleich nach dem Wohnorte dieses Streitgenossen eine regelmäßige Zustellung von Postsendungen durch Bedienstete der Post stattfindet.

Unterlassen Streitgenossen die rechtzeitige Namhaftmachung eines gemeinschaftlichen Zustellungsbevollmächtigten, so ist auf Antrag der Gegenpartei eine am Orte des Processgerichtes wohnhafte geeignete Person auf Gefahr und Kosten der Streitgenossen zum gemeinschaftlichen Zustellungsbevollmächtigten derselben zu bestellen; dieser Beschluss kann nicht angefochten werden.

Im Verfahren vor Gerichtshöfen steht diese Beschlussfassung dem Vorsitzenden des Senates zu, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

§. 98. Als Zustellungsbevollmächtigter des als Streitgenosse zu behandelnden Nebenintervenienten hat die Hauptpartei, welcher sich der Nebenintervenient angeschlossen hat, insolange zu gelten, als nicht mit Zustimmung des Nebenintervenienten ein anderer gemeinschaftlicher Zustellungsbevollmächtigter vom Gerichte bestellt wurde (§. 97, Absatz 2 und 3).

§. 99. Der für eine einzelne Person bestellte Zustellungsbevollmächtigte hat dieser die für sie bestimmten, ihm zugestellten Schriftstücke jeweils ohne Aufschub zu übersenden. Desgleichen hat der gemeinschaftliche Zustellungsbevollmächtigte, wenn nicht durch Vereinbarung etwas anderes bestimmt wird, die empfangenen Schriftstücke den Personen, für welche er Zustellungen übernommen hat, jeweils ohne Aufschub zu übersenden und denselben die Einsicht der von ihm zu verwahrenden Beilageabschriften, sowie deren weitere Abschriftnahme zu gestatten.

Zeit der Zustellung.

§. 100. An Sonn- und Feiertagen darf eine Zustellung, sofern sie nicht durch die Post vollzogen wird, nur mit richterlicher Erlaubnis erfolgen. Diese Erlaubnis kann vom Vorsitzenden des Senates, sowie vom Vorsteher des Processgerichtes oder des Bezirksgerichtes, in dessen Sprengel die Zustellung geschehen soll, ertheilt werden und ist auf dem zuzustellenden Schriftstücke ersichtlich zu machen.

(380) Der Beschluss, durch welchen die Erlaubnis ertheilt, oder verweigert wird, kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

Die vorstehenden Bestimmungen haben auch Anwendung zu finden, wenn eine Zustellung zur Nachtzeit bewirkt werden soll.

Ort der Zustellung.

§. 101. Die Zustellung hat am Zustellungsorte in der Wohnung, in der gewerblichen Betriebsstätte, im Geschäftslokale oder am Arbeitsplatze der betreffenden Person und bei Advocaten und Notaren in deren Kanzlei zu erfolgen; eine außerhalb dieser Räume vorgenommene Zustellung ist nur gültig, wenn die Annahme des Schriftstückes nicht verweigert wurde.

In Ermanglung einer Wohnung, einer gewerblichen Betriebsstätte, eines Geschäftslokales oder eines Arbeitsplatzes können Zustellungen vorgenommen werden, wo die Person, welcher zugestellt werden soll, angetroffen wird.

Ersatzzustellung.

§. 102. Wird die Person, welcher zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht angetroffen, so kann die Zustellung mit Wirksamkeit an jeden dem Zustellungsorgane bekannten, in der Wohnung befindlichen erwachsenen, zur Familie gehörigen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person geschehen.

Werden auch solche Personen nicht angetroffen, so kann das zuzustellende Schriftstück dem in demselben Hause wohnenden Vermieter oder einer von diesen bestellten, ebenda wohnenden Aufsichtsperson eingehändigt werden, wenn dieselben zu Annahme bereit sind.

§. 103. Für Personen, welche in ihrem Geschäftslokale oder an der Stätte ihres Gewerbebetriebes nicht angetroffen werden, kann die Zustellung an eine der daselbst anwesenden erwachsenen Personen geschehen, von welcher das Zustellungsorgan weiß, dass sie zur Familie des Adressaten gehört, oder in dessen Geschäft oder Gewerbe bedienstet ist.

Wird der Advocat oder Notar, dem zugestellt werden soll, in seiner Kanzlei nicht angetroffen, so kann die Zustellung an jeden daselbst anwesenden, dem Zustellungsorgane bekannten Angestellten oder Bediensteten des Advocaten oder Notars erfolgen.

Die Zustellung an einen der in Absatz 1 und 2 und in §. 102 bezeichneten Familienangehörigen, Hausgenossen, Angestellten, Bediensteten u. s. w. ist unstatthaft, sofern dieselben an dem Rechtsstreite als Gegner der Person, an welche die Zustellung erfolgen soll, betheiligt sind.

§. 104. Wenn sich die Zustellung weder unmittelbar an die Person, welcher zugestellt werden soll, noch nach den Bestimmungen der §§. 102 und 103 bewirken lässt, kann sie dadurch erfolgen, dass das zuzustellende Schriftstück, falls die Zustellung durch die Post zu vollziehen war, bei dem Postamte, zu dessen Amtsbereich der Zustellungsort gehört, in allen anderen Fällen aber bei dem Gemeindevorsteher des Zustellungsortes oder bei dem Geschäftsführer des ausgeschiedenen Gutsgebietes niedergelegt und diese Hinterlegung sowohl durch eine an der Türe der Wohnung oder an der Eingangstür des Geschäfts- oder Gewerbelokales zu befestigende schriftliche Anzeige, als auch nach Thunlichkeit durch mündliche Mittheilung an in der Nachbarschaft wohnende Personen bekannt gemacht wird.

Die Befestigung der schriftlichen Anzeige an der Eingangstüre eines verschlossenen Geschäftslokales darf nur an einem Werktage geschehen.

Die mit Beachtung der vorstehenden Bestimmungen vorgenommene Niederlegung des zuzustellenden Schriftstückes hat die Wirkung der Zustellung. Die Beschädigung oder das Abreißen des Anzeige ist auf die Giltigkeit der Zustellung ohne Einfluss.

§. 105. Zustellungen an die zu Vertretung des Ärars berufenen öffentlichen Organe oder an andere Behörden, an Gemeinden, Corporationen und Anstalten sind, sofern im einzelnen Falle nichts anderes angeordnet wird, an den Beamten oder Bediensteten zu bewirken, der zur Empfangnahme der an die Behörde, Gemeinde, Corporation oder Anstalt gerichteten Schriftstücke bestellt ist, falls aber ein solcher nicht bekannt wäre, an jeden dem Zustellungsorgane bekannten, im fraglichen Amte oder Geschäftslokale anwesenden Beamten oder Bediensteten der Behörde, Gemeinde, Corporation oder Anstalt, für welche das zuzustellende Schriftstück bestimmt ist.

Zustellung von Klagen.

§. 106. Klagen können nur zu eigenen Handen des Geklagten (!)(§. 92), eines zu Empfangnahme von Klagen ermächtigten Vertreters desselben oder in Rechtssachen, die sich auf den Betrieb des Handelsgewerbes einer Person beziehen, zu Handen des Procuristen der geklagten Firma zugestellt werden.

Kann eine solche Zustellung nicht bewirkt werden, so ist die Partei, welcher zugestellt werden soll, durch eine in ihrer Wohnung oder Kanzlei, in ihrem

(381) gewerblichen oder Geschäftslokale zurückzulassende oder, falls diese Räumlichkeiten verschlossen sind, an deren Eingangstür zu befestigende schriftliche Anzeige aufzufordern, behufs Entgegennahme der Zustellung an einem ihr gleichzeitig zu bestimmenden Tag und Stunde in dem betreffenden Lokale anwesend zu sein. Wenn die Partei dieser Aufforderung nicht entspricht, ist sodann im Sinne des §. 104 vorzugehen.

Die Beschädigung oder das Abreißen der schriftlichen Aufforderung ist auf die Giltigkeit des Vorganges ohne Einfluss.

§. 107. Hätte die Zustellung durch die Post oder durch den Gerichtsdiener erfolgen sollen, und könnte die neuerliche Zustellung wegen zu großer Entfernung des Zustellungsortes oder wegen schwieriger Zugänglichkeit desselben nicht alsbald vorgenommen werden, so kann die Klage sogleich nach der ersten fruchtlos versuchten Zustellung dem Gemeindevorsteher oder dem Geschäftsführer des ausgeschiedenen Gutsgebietes zu dem Zwecke übergeben werden, damit dieser nunmehr die Zustellung an den Beklagte veranlasse.

Wenn sodann die Zustellung zu Handen des Beklagten oder seines ermächtigten Vertreters auch auf diesem Wege innerhalb vier Wochen nach Übergabe der Klage an den Gemeindevorsteher oder den Geschäftsführer des Gutsgebietes nicht bewirkt werden kann, so ist der Beklagte gemäß §. 104 zu verständigen, dass das zuzustellende Schriftstück bei dem Gemeindevorsteher oder dem Geschäftsführer des Gutsgebietes haben diese Verständigung sogleich nach Ablauf der obbezeichneten Frist zu veranlassen. Der Tag, an welchem die schriftliche Anzeige an der Türe der Wohnung des Beklagten oder an der Eingangstüre seines Geschäfts- oder Gewerbelokales befestigt wurde, gilt als Tag der erfolgten Zustellung.

Die Ermächtigung, die zuzustellende Klage nötigenfalls dem Gemeindevorsteher oder dem Geschäftsführer des ausgeschiedenen Gutsgebietes zur Zustellung zu übergeben, ist schon bei Anordung der Klagestellung zu ertheilen (§. 89).

§. 108. Die Bestimmungen der §§. 106 und 107 haben für alle Zustellungen zu gelten, welche zufolge gesetzlicher Anordnung nach den für die Zustellung von Kagen erlassenen Vorschriften vorzunehmen sind.

Verweigerung der Annahme.

§. 109. Wird die Annahme des zuzustellenden Schriftstückes von einer Person, an welche die Zustellung giltig erfolgen kann, ohne gesetzlichen Grund verweigert, so ist das Schriftstück am Orte der Zustellung zurückzulassen oder, falls dies nicht möglich wäre, bei dem im §. 104 bezeichneten Postamte, Gemeindevorsteher oder Geschäftsführer des ausgeschiedenen Gutsgebietes zu hinterlegen. Die Zurücklassung oder Hinterlegung hat die Wirkung der Zustellung.

Zustellungsschein.

§. 110. Der Vollzug der Zustellung ist von der mit Vornahme der Zustellung beauftragten Person zu beurkunden (Zustellungsschein).

Wohnungsänderung.

§. 111. Die Partei, welche während des Processes den Wohnort oder die Wohnung ändert, hat hievon dem Gerichte Mittheilung zu machen; das Gleiche gilt von dem zur Empfangnahme von Zustellungen berechtigten Vertreter oder Bevollmächtigten einer Partei.

Wird diese Anzeige unterlassen und sind die genannten Personen infolge der Wohnungsänderung nicht mehr zu finden, so sind alle weiteren, diese Streitsache betreffenden Zustellungen am bisherigen Zustellungsorte nach den Vorschriften des §. 104 mit der Maßgabe vorzunehmen, dass sich die im §. 104, Absatz 1, geforderte Verständigung auf die mündliche Mittheilung an den im selben Hause wohnenden Vermieter oder an eine von diesem bestellte, ebenda wohnhafte Aufsichtsperson zu beschränken hat.

Zustellung zwischen Advicaten.

§. 112. Sind beide Parteien durch Advocaten vertreten, so können alle Zustellungen an die Parteien in der Art bewirkt werden, dass der Advocat der Partei, durch deren Processhandlung die Zustellung veranlasst wird (betreibende Partei), das zuzustellende Schriftstück dem Advocaten der Gegenpartei durch einen Boten oder durch die Post übersendet. Das zuzustellende Schriftstück ist in diesem Falle dem Advocaten der betreibenden Partei vom Gerichte zum Zwecke der Übersendung an den gegnerischen Advocaten gegen Empfangsbestätigung auszuhändigen.

Zum Nachweise der bewirkten Zustellung genügt die mit Datum und Unterschrift versehene schriftliche Empfangsbestätigung des Advocaten, welchem zugestellt worden ist.

Alle in Sachen der Zustellung sonst den Zustellungsorganen obliegenden Anzeigen und Mittheilungen an das Gericht sind bei Zustellungen zwischen Advocaten von dem Advocaten der betreibenden Partei zu bewerkstelligen.

(382) §. 113. So lange sich ein Advocat nicht mit Zustimmung des gegnerischen Advocaten zu Besorgung der Zustellung bei Gericht bereit erkärt hat, sind die in der betreffenden Streitsache vorkommenden Zustellungen von amtswegen zu vollziehen.

Die durch die Zustellung zwischen Advocaten im Vergleiche zu sonstigen Zustellung von amtswegen etwa erwachsenden Mehrkosten hat die Partei, deren Advocat sich zu Besorgung der Zustellung erboten hat, und zwar ohne Anspruch auf Rückersatz zu tragen.

Unmittelbare Ausfolgung bei Gericht.

§. 114. Alle einer Person zuzustellenden Schriftstücke sind derselben unmittelbar bei Gericht auszufolgen, wenn sie sich zur Empfangnahme des Schriftstückes bei Gericht meldet, bevor noch das Schriftstück der Post übergeben wurde, der Gerichtsdiener die Zustellung auszuführen begonnen hat, das Ersuchen um Zustellung an den Gemeindevorsteher oder an den Geschäftsführer des ausgeschiedenen Gutsgebietes abgegangen oder die sonst zum Vollzuge der Zustellung nöthige Einleitung getroffen ist.

In solchen Fällen wird der Vollzug der Zustellung durch eine besondere Empfangsbestätigung der Person, welcher das Schriftstück ausgefolgt wurde, oder durch deren Unterschrift in dem hiezu bestimmten amtlichen Register beurkundet.

Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung.

§. 115. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Aufenthalt einer Person, an welche eine Zustellung erfolgen soll, unbekannt ist, kann die Zustellung auf Antrag, sofern nicht die Bestimmungen des §. 111 zur Anwendung zu kommen haben, durch öffentliche Bekanntmachung vollzogen werden. Die Entscheidung über diesen Antrag erfolgt, falls derselbe nicht bei einer mündlichen Verhandlung gestellt wurde, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung, und im Verfahren vor Gerichtshöfen durch den Vorsitzenden des Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung geschieht mittels Anschlag des zuzustellenden Schriftstückes an der Gerichtstafel des Processgerichtes.

Wenn nicht vom Gerichte bei Bewilligung der öffentlichen Bekanntmachung eine längere Frist festgesetzt wird, oder sich die Person, welcher zugestellt werden soll, schon früher zur Empfangnahme des Schriftstückes bei Gericht meldet, ist das Schriftstück als zugestellt anzusehen, wenn seit Vornahme des Anschlages dreißig Tage verstrichen sind. Die Giltigkeit der Zustellung wird dadurch nicht berührt, dass der Anschlag noch vor dieser Zeit von der Gerichtstafel abgerissen oder beschädigt wurde.

Zustellung an den Curator.

§. 116. Für Personen, an welche die Zustellung wegen Unbekanntheit des Aufenthaltes nur durch öffentliche Bekanntmachung geschehen könnte, hat das Gericht auf Antrag oder von amtswegen einen Curator zu bestellen (§. 9), wenn diese Personen infolge der an sie zu bewirkenden Zustellung zur Wahrung ihrer Rechte eine Processhandlung vorzunehmen hätten und insbesondere, wenn das zuzustellende Schriftstück eine Ladung derselben enthält.

§. 117. Die Bestellung des Curators, dessen Name und Wohnort und eine kurze Angabe des Inhaltes des zuzustellenden Schriftstückes sind nebst der Bezeichnung des Processgerichtes und der Streitsache durch Edict bekannt zu machen. Das Edict hat die Bemerkung zu enthalten, dass die Person, für welche der Curator bestellt wurde, bis zu ihrem eigenen Auftreten oder der Namhaftmachung eines Bevollmächtigten auf ihre Gefahr und Kosten durch den Curator vertreten werde.

Das Edict ist an der Gerichtstafel des Processgerichtes anzuschlagen und in die zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen dieses Gerichtes bestimmte Zeitung einmal einzuschalten. Wenn dies im einzelnen Falle zweckmäßig erscheint und nicht mit einem im Vergleiche zum Streitgegenstande zu großen Kostenaufwand verbunden ist, kann auf Antrag oder von amtswegen angeordnet werden, dass das Edict auch in anderen Zeitungen oder dass es mehreremale eingeschaltet werde. Gegen diese Anordnung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. Im Verfahren vor Gerichtshöfen steht diese Anordnung dem Vorstizenden des Senates zu, dem die Rechtssache zugewiesen ist. Anschlag und Einschaltung des Edictes sind von amtswegen zu bewirken.

In Rechtssachen bis einhundert Gulden kann die Kundmachung statt durch Edictseinschaltung auf die ortsübliche Weise geschehen.

§. 118. Die Zustellung gilt mit Vornahme des Anschlages und der ihr nachfolgenden Einhändigung des zuzustellenden Schriftstückes an den Curator als vollzogen.

Die Kosten des Bekanntmachung und der Curatorsbestellung sind unbeschadet eines Anspruches auf Ersatz von der Partei zu bestreiten, durch deren Processhandlung beides veranlasst wurde.

(383) Zustellung an Exterritoriale.

§. 119. Behufs Vornahme von Zustellungen an Personen, welche die Exterritorialität genießen, oder an Personen, welche sich in der Wohnung eines Exterritorialen befinden, hat das Gericht die Vermittlung des Obersthofmarschallamtes anzusuchen.

Kann die Zustellung auf diesem Wege nicht bewirkt werden, so hat das Gericht, bei welchem die Rechtssache anhängig ist, für die Person, an welche zugestellt werden soll, auf Antrag oder von amtswegen einen Curator zu bestellen (§. 9), an welchen mit Wirksamkeit zugestellt werden kann.

Der Curator hat seine Bestellung unter Angabe des Inhaltes des ihm eingehändigten Schriftstückes, des Processgerichtes und der Streitsache der Person, welcher zugestellt werden sollte, ohne Aufschub mitzutheilen und für dieselbe bis zu ihrem eigenen Auftreten oder der Namhaftmachung eines Bevollmächtigten am gerichtlichen Verfahren theilzunehmen, wenn jedoch die Voraussetzungen der §§. 115 oder 116 vorliegen, die Erlassung einer öffentlichen Bekanntmachung im Sinne der §§. 115 oder 117 zu beantragen.

In Bezug auf die Kosten der Curatorsbestellung und öffentlichen Bekanntmachung hat §. 118, Absatz 2, zu Anwendung zu kommen.

2. Im Auslande.

Zustellungen an die in einem fremden Staate sich aufhaltenden und dort das Recht der Exterritorialität genießenden österreichischen Staatsangehörigen werden auf Ansuchen des Gerichtes durch das Ministerium des Äußern bewirkt.

§. 121. Zustellungen an Personen, welche sich außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes befinden und nicht zu den im §. 120 bezeichneten Personen gehören, erfolgen, sofern nicht hiezu nach den dafür geltenden Bestimmungen die Vermittlung eines österreichisch-ungarischen Consularbehörde in Anspruch genommen werden kann, mittels Ersuchen an die zuständige ausländische Behörde. Das Ersuchen ist unter Beobachtung der hinsichtlich der einzelnen Staatsgebiete erlassenen besonderen Anordnungen vom Gerichte zu stellen, bei welchem die Rechtssache eben anhängig ist.

Wenn die Bestätigung über die erfolgte Zustellung binnen einer angemessenen Zeit nicht einlangt, kann die betreibende Partei je nach Lage der Sache die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung oder eine Curatorsbestellung im Sinne des §. 116 beantragen. Gleiches gilt auch für den Fall, dass eine Zustellung im Auslande vergeblich versucht wurde oder das Ersuchen wegen offenkundiger Verweigerung der Rechtshilfe seitens der ausländischen Behörde keinen Erfolg verspricht.

§. 122. Die nach den §§. 119 bis 121 zu erlassenden Ersuchen um Vornahme von Zustellungen sind bei Gerichtshöfen durch den Vorsitzenden des Senates zu stellen, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

Die Zustellung wird in diesen Fällen durch das schriftliche Zeugnis der ersuchten Behörde oder deren schriftliche Mittheilung über die bewirkte Zustellung nachgewiesen. Zum Zwecke des Zustellungsnachweises kann dem Ersuchschreiben auch ein Zustellungsschein zur Benützung bei der Zustellungsvornahme beigelegt werden.

Dritter Titel.

Fristen und Tagsatzungen.

Fristen.

§. 123. Soweit die Dauer der Fristen zur Vornahme von Processhandlungen nicht unmittelbar durch das Gesetz bestimmt wird (gesetzliche Fristen), hat sie der Richter mit Rücksicht auf die Erfordernisse und die Beschaffenheit des einzelnen Falles festzusetzen (richterliche Fristen).

§. 124. Der Lauf einer richterlichen Frist beginnt, sofern nicht bei Festsetzung derselben etwas anderes bestimmt wurde, mit Zustellung des die Frist anordnenden Beschlusses an die Partei, welcher die Frist zugute kommt; wenn es aber einer Zustellung des Beschlusses nicht bedarf, mit der Verkündung des Beschlusses.

§. 125. Bei Berechnung einer Frist, welche nach Tagen bestimmt ist, wird der Tag nicht mitgerechnet, in welchen der Zeitpunkt oder die Ereignung fällt, nach der sich der Anfang der Frist richten soll.

Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablaufe desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, welcher durch seine Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, an welchem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monate, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

Das Ende einer Frist kann auch durch Angabe eines bestimmten Kalendertages bezeichnet werden.

(384) §. 126. Der Beginn und Lauf von gesetzlichen und richterlichen Fristen wird durch Sonn- und Feiertage nicht behindert.

Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag oder Feiertag, so ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen.

§. 127. Laufen die den einzelnen Streitgenossen zur Vornahme derselben Processhandlung zustehenden gesetzlichen oder richterlichen Fristen zu verschiedenen Zeiten ab, so kann die fragliche Processhandlung von allen Streitgenossen so lange vorgenommen werden, als noch einem der Streitgenossen eine Frist für diese Processhandlung offen steht.

§. 128. Gesetzliche Fristen, mit Ausnahme derjenigen, deren Verlängerung das Gesetz ausdrücklich untersagt (Nothfristen), sowie die richterlichen Fristen, hinsichtlich welcher in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, können vom Gerichte verlängert werden. Eine Verlängerung von Fristen durch Übereinkommen der Parteien ist unzulässig.

Das Gericht kann eine solche Verlängerung auf Antrag bewilligen, wenn die Partei, welcher die Frist zugute kommt, aus unabwendbaren oder doch sehr erheblichen Gründen an der rechtzeitigen Vornahme der befristeten Processhandlung gehindert ist und insbesondere ohne die Fristverlängerung einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würde.

Der Antrag muss vor Ablauf der zu verlängernden Frist bei Gericht angebracht werden. Über den Antrag kann ohne vorhergehende mündliche Verhandlung entschieden werden; vor Bewilligung der wiederholten Verlängerung einer Frist ist jedoch, wenn der Antrag nicht von beiden Parteien einverständlich gestellt wird, der Gegner einzuvernehmen.

Die zur Rechtfertigung des Antrages angeführten Umstände sind dem Gerichte auf Verlangen glaubhaft zu machen. Mangels hinreichender Begründung ist der Antrag zu verwerfen.

Bei Verlängerung der Frist ist stets zugleich der Tag zu bestimmen, an welchem die verlängerte Frist endet.

§. 129. Alle Fristen können durch Vereinbarung der Parteien abgekürzt werden. Die Vereinbarung muss, um für das Gericht wirksam zu sein, urkundlich nachgewiesen werden.

Das Gericht kann richterliche und gesetzliche Fristen auf Antrag nur einer der Parteien abkürzen, wenn Umstände glaubhaft gemacht werden, welche eine solche Abkürzung zu Anwendung drohender erherblicher Nachtheile geboten erscheinen lassen und wenn zugleich der Partei, für deren Handeln die Frist bestimmt ist, die Vornahme der bezüglichen Processhandlung während der abgekürzten Frist ohne Schwierigkeit möglich ist. Vor Bewilligung der Abkürzung ist der Gegner einzuvernehmen.

Tagsatzungen.

Die Anberaumung von Tagsatzungen erfolgt, sofern das Gesetz nichts anderes anordnet, auf Antrag einer Partei. Vorbehaltlich besonderer in diesem Gesetze enthaltener Bestimmungen obliegt die Anberaumung der Tagsatzung einschließlich der Festsetzung von Ort, Tag und Stunde der Tagsatzung dem Gerichte.

Die Anberaumung einer Tagsatzung, sowie jede Ladung zu einer Tagsatzung kann durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden.

§. 131. Die Verständigung von der Anberaumung der Tagsatzung und Aufforderung zum Erscheinen bei derselben (Ladung) erfolgt an die Partei, welche um die Anberaumung der Tagsatzung angesucht hat, mittels Rubrik, an die Gegenpartei durch Zustellung eines mit der Ausfertigung der Ladung versehenen Exemplares des Schriftsatzes oder der Protokollsabschrift. Bei einer von amtswegen erfolgenden Anberaumung der Tagsatzung sind beide Parteien durch Zustellung von Rubriken zu laden.

Im Anwaltsprocesse muss die erste Ladung zur mündlichen Verhandlung, sofern dieselbe nicht bereits an einen Advocaten ergeht, insbesondere auch die Aufforderung enthalten, rechtzeitig einen Advocaten als Vertreter zu bestellen, und den Parteien bekanntgeben, welche Nachtheile das Gesetz mit der Nichtbestellung eines Advocaten und mit dem Versäumen der Tagsatzung verbindet.

Zu Tagsatzungen, welche in mündlich verkündeten gerichtlichen Entscheidungen anberaumt werden, sind die Parteien nur insoweit besonders zu laden, als weder sie noch ihre Vertreter oder Bevollmächtigten bei der Verkündung anwesend waren.

§. 132. Die Tagsatzungen werden, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, im Gerichtshause abgehalten.

Tagsatzungen zur mündlichen Verhandlung können an einem Orte außerhalb des Gerichtshauses anberaumt werden, wenn die Verhandlung an diesem Orte leichter

 

(385) durchgeführt oder hiedurch ein größerer Kostenaufwand vermieden werden kann.

§. 133. Die Tagsatzung beginnt mit dem Aufrufe der Sache.

Die Tagsatzung ist von einer Partei versäumt, wenn die Partei zu der für die Tagsatzung anberaumten Zeit nicht erscheint oder, wenn erschienen, ungeachtet richterlicher Aufforderung nicht verhandelt oder nach dem Aufrufe der Sache sich wieder entfernt.

Als versäumt gilt die Tagsatzung auch dann, wenn die Partei bei denjenigen Processhandlungen, für welche die Beiziehung eines Advocaten im Gesetze vorgeschrieben ist, ohne Advocaten erscheint.

§. 134. Tagsatzungen können nur durch richterliche Entscheidung verlegt werden (Erstreckung). Solche Erstreckung kann auf Antrag oder von amtswegen stattfinden:

1. wenn sich dem rechtzeitigen Erscheinen einer oder beider Parteien oder der Aufnahme oder Fortsetzung der Verhandlung zwischen ihnen ein für sie unübersteigliches oder doch sehr erhebliches Hindernis entgegenstellt und insbesondere ohne die Erstreckung eine Partei einen nicht wieder gut zu machenden Schaden erleiden würde;

2. wenn das Gericht durch anderweitige unaufschiebbare amtliche Obliegenheiten oder aus sonstigen wichtigen Gründen an der Aufnahme oder Fortsetzung der Verhandlung behindert ist.

3. wenn eine nicht sofort vor dem Processgerichte vollziehbare, für die Weiterführung der Verhandlung jedoch wesentliche Beweisaufnahme angeordnet wird oder sich behufs Fortsetzung und Durchführung der Verhandlung die Herbeischaffung von Urkunden, Auskunftssachen oder Augenscheinsgegenständen nothwendig erweist;

4. Wenn die Verhandlung bei der vom Gerichte hiezu anberaumten Tagsatzung auch ohne Dazwischenkunft der vorerwähnten Hindernisse nicht zum Abschlusse gebracht werden kann.

§. 135. Der Antrag auf Erstreckung einer Tagsatzung ist im Falle des §. 134, Z. 1, auch dann, wenn er von beiden Parteien einverständlich gestellt wird, durch Angabe der das Erscheinen oder die Aufnahme oder Fortsetzung der Verhandlung hindernden Umstände zu rechtfertigen. Die zur Begründung des Antrages angeführten Umstände sind dem Gerichte auf Verlangen glaubhaft zu machen.

Mangels hinreichender Begründung ist der Antrag zu verwerfen.

§. 136. Der Antrag auf Erstreckung einer Tagsatzung kann bei dieser Tagsatzung selbst oder vor Beginn derselben gestellt werden.

Im ersteren Falle ist über den Antrag, nach Anhörung des anwesenden Gegners, ohne Aufschub durch Beschluss zu entscheiden und, wenn die Erstreckung verweigert wird, ohne weitere Unterbrechung die Verhandlung aufzunehmen oder fortzusetzen. Gegen die Partei, welche sich vor der Entscheidung entfernt hat oder nach Zurückweisung des Antrages sich weigert, zur Sache zu verhandeln, treten die Rechtsfolgen der Versäumung der Tagsatzung ein.

Auf Erstreckungsanträge, welche vor der Tagsatzung einlangen, finden die Bestimmungen des §. 128, Absatz 3, entsprechende Anwendung.

§. 137. Wird eine Tagsatzung erstreckt, so ist vom Gerichte Tag und Stunde der neuerlichen Tagsatzung den Parteien, wenn thunlich, sofort mündlich bekanntzugeben. Andernfalls hat die Verständigung mittels Rubrik zu geschehen.

Diese Bestimmung hat insbesondere auch Anwendung zu finden, wenn die Erstreckung einer Tagsatzung zum Zwecke einer Beweisaufnahme erfolgt.

§. 138. Wenn nicht wegen einer Veränderung in der Besetzung des Gerichtes eine neuerliche Verhandlung stattfinden muss, hat im Falle der Erstreckung einer Tagsatzung der Richter oder der Vorsitzende des Senates, vor welchem die Verhandlung stattfindet, bei der späteren Tagsatzung die wesentlichen Ergebnisse der früheren mündlichen Verhandlung auf Grund des Verhandlungsprotokolles und der sonst zu berücksichtigenden Processacten mündlich vorzuführen und die Fortsetzung der abgebrochenen Verhandlung hieran anzuknüpfen.

§. 139. Wenn die Zustellung eines vorbereitenden Schriftsatzes oder einer Protokollabschrift, über welche eine Ladung erging, derart verzögert wird, dass die zwischen der Zustellung der Ladung und der anberaumten Tagsatzung liegende Frist dem Gegner eine genügende Vorbereitung für die mündliche Verhandlung oder in den Fällen des Anwaltsprocesses die rechtzeitige Bestellung eines Advocaten nicht mehr gestattet, und wenn zugleich der Gegner an dieser Verzögerung der Zustellung keine Schuld trägt, so hat das Gericht oder im Verfahren vor Gerichtshöfen der Vorsitzende des Senates, vor welchem die Verhandlung stattfinden soll, die anberaumte Tagsatzung auf

(386) Antrag oder von amtswegen, noch vor ihrer Abhaltung zu erstrecken. Hievon sind alle zur Tagsatzung geladenen Personen ohne Aufschub zu verständigen.

Gemeinsame Bestimmungen.

§. 140. Wenn die Bestimmungen von Fristen oder die Anberaumung von Tagsatzungen nicht in einer Entscheidung des Gerichtes oder bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, obliegt sie im Verfahren vor Gerichtshöfen dem Vorsitzenden des Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

Gleiches gilt von der Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung oder Abkürzung einer Schrift oder auf Erstreckung einer Tagsatzung, falls nicht der Antrag während einer mündlichen Verhandlung gestellt wird.

§. 141. Die erste Verlängerung einer Frist und die erste Erstreckung einer Tagsatzung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden, soferne die bewilligte Fristverlängerung die Dauer der ursprünglichen Frist und die bewilligte Erstreckung der Tagsatzung die Dauer von vier Wochen nicht überschreitet. Gegen die Verweigerung der Abkürzung einer Schrift ist ein Rechtsmittel ausgeschlossen.

§. 142. Der Partei, welche zur Verlängerung einer Frist oder zur Erstreckung einer Tagsatzung Anlass gegeben hat, ist auf Antrag des Gegners der Ersatz der diesem hierdurch verursachten Kosten in dem vom Gerichte festzustellenden Betrage aufzuerlegen. Die Wiedererstattung dieser Kosten kann auch dann nicht begehrt werden, wenn der Gegner in der Hauptsache zum Ersatze der Gerichtskosten verurtheilt wird.

Wird ein solcher Antrag auf Kostenersatz bei einer Tagsatzung gestellt, so ist über denselben unverweilt, nach der Anhörung des anwesenden Gegners, zu entscheiden.

Wird eine Tagsatzung durch das Nichterscheinen beider Parteien vereitelt, so fällt jeder Partei die Hälfte der dadurch verursachten Kosten zur Last.

§. 143. Die in diesem Titel dem Gerichte oder dem Vorsitzendem des Senates beigelegten Befugnisse stehen auch dem beauftragten oder ersuchten Richter in Ansehung der von demselben zu bestimmten Fristen und Tagsatzungen zu.

Vierter Titel.

Folgen der Versäumung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Folgen der Versäumung.

§. 144. Die Versäumung einer Processhandlung hat, unbeschadet der in diesem Gesetze für einzelne Fälle bestimmten weiteren Wirkungen, zur Folge, dass die Partei von der vorzunehmenden Processhandlung ausgeschlossen wird.

§. 145. Einer Androhung der gesetzlichen Folgen der Versäumung bedarf es nur in den im Gesetze besonders bezeichneten Fällen. Diese Folgen treten von selbst ein, sofern nicht durch die Bestimmungen dieses Gesetzes ihr Eintritt von einem auf Verwirklichung der Rechtsnachtheile der Versäumunggerichteten Anträge abhängig gemacht ist.

Im letzteren Falle kann die versäumte Processhandlung, wenn für dieselbe eine Frist bestimmt war, bis zu dem Tage, an welchen der Antrag bei Gericht gestellt wurde, wenn aber die versäumte Processhandlung bei einer Tagsatzung vorzunehmen war, bis zum Schlusse der über den Antrag auf Verwirklichung der Versäumungsfolgen stattfindenden Verhandlung nachgeholt werden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

§. 146. Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unanwendbares Ereignis am rechtzeitigen Erscheinen bei einer Tagsatzung oder an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Processhandlung verhindert wurde, und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachtheil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Processhandlung zur Folge hatte, so ist dieser Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die das Gericht bereits für unzureichend befunden hat, um daraufhin derselben Partei die Verlängerung der sodann versäumten Frist oder die Erstreckung der versäumten Tagsatzung zu bewilligen.

§. 147. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung ist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen, solange die Partei die versäumte Processhandlung imSinne des §. 145, Absatz 2, unmittelbar nachholen kann.

(387) Wird von derselben Partei die Wiedereinsetzung gegen ein infolge Versäumung ergangenes Urtheil und die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Frist zur Berufung wider dieses Urtheil beantragt, so ist das Verfahren über letzteren Wiedereinsetzungsantrag bis nach rechtskräftiger Entscheidung über das erstere Wiedereinsetzungsverfahren aufzuschieben.

Dem Antrage auf Bewilligung der Wiedereinsetzung ist nicht stattzugeben, wenn die Partei wegen der zur Rechtfertigung des Wiedereinstellungsantrages angeführten Behinderung um Verlängerung der Frist oder Verlegung der Tagsatzung hätte einschreiten können, aber wenn diese Behinderungen bereits wieder zu einer Zeit weggefallen sind, da die Partei gemäß §. 145, Absatz, die Processbehandlung selbst noch hätte nachholen können.

§. 148. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung ist bei dem Gerichte anzubringen, bei welchem die versäumte Processhandlung vorzunehmen war.

Der Antrag muss, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, innerhalb vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.

Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

§. 149. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung beantragt, hat in dem bezüglichen Schriftsatze oder in den Schriftsatz ersetzenden Anbringen zu Protokoll alle den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Umstände anzuführen und die Mittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzugeben. Zugleich mit dem Antrage ist auch die versäumte Processhandlung selbst, oder bei Versäumung einer Tagsatzung dasjenige nachzuholen, was zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung seitens der säumigen Partei vorzubringen war.

Über den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung hat das Gericht nach vorgängiger mündlicher Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.

§. 150. Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt der Rechtstreit in die Lage zurück, in welcher er sich vor dem Eintritte der Versäumung befunden hat. Ein infolge der Versäumung bereits erlassenes Urtheil ist bei Bewilligung der Wiedereinsetzung aufzuheben.

Wurde eine Tagsatzung versäumt, so kann schon bei der zur Verhandlung über den Wiedereinsetzungsantrag anberaumten Tagsatzung das Verfahren über den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung mit der Verhandlung, zu deren Vornahme die versäumte Tagsatzung bestimmt war, verbunden oder doch im Falle der Bewilligung des Wiedereinstellungsantrages sogleich diese Verhandlung vorgenommen werden.

§. 151. Wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages und wegen Versäumung der zur Verhandlung über den Wiedereinstellungsantrages anberaumten Tagsatzung findet eine Wiedereinsetzung nicht statt.

§. 152. Durch den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird der Fortgang des Rechtsstreites nicht gehemmt. Das Gericht kann jedoch auf Antrag dessen einstweilige Unterbrechung anordnen, wenn dies unumgänglich nothwendig erscheint, um der voraussichtlich zu bewilligenden Wiedereinsetzung vollen Erfolg zu sichern, und wenn zugleich die Unterbrechung des Processes dem Gegner des Wiedereinsetzungswerbers einen erheblichen Nachtheil nicht zufügt.

Wird der Rechtstreit zu dieser Zeit in einer höheren Instanz verhandelt, so ist dieselbe von der angeordneten einstweiligen Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens sofort zu verständigen.

Nach Erledigung des Wiedereinsetzungsverfahrens ist das unterbrochene Verfahren auf Antrag oder von amtswegen aufzunehmen.

§. 153. Gegen die Entscheidung, wodurch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird, ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

§. 154. Der Partei, welche die Wiedereinsetzung beantragt hat, ist ohne Rücksicht darauf, ob dem Antrage stattgegeben wurde oder nicht, der Ersatz aller Kosten, welche dem Gegner durch die Versäumung und durch die Verhandlung über den Wiedereinsetzungsantrag verursacht sind, sowie der Ersatz der Kosten den infolge der Wiedereinsetzung unwirksam gewordenen Verfahrens aufzuerlegen.

(388) Fünfter Titel.

Unterbrechung und Ruhen des Verfahrens.

Tod einer Partei.

§. 155. Durch den Tod einer Partei wird das Verfahren nur dann unterbrochen, wenn die verstorbene Partei weder durch einen Advocaten, noch durch eine andere von ihr mit Processvollmacht ausgestattete Person vertreten war.

Die Unterbrechung dauert bis zur Aufnahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei, oder wenn der Gegner früher die Bestellung eines Curators beantragt (§. 811 a. b. G. B.), um wider diesen das Verfahren fortzusetzen, bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den Curator.

Um die Aufnahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei zu bewirken, kann der Gegner bei dem Gerichte, bei welchem die Rechtssache zur Zeit des Todes der verstorbenen Partei anhängig war, auch die Ladung dieser Rechtsnachfolger beantragen. Zufolge eines solchen Antrages sind dieselben zur Aufnahme des Verfahrens und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache oder zur Fortführung dieser Verhandlung zu laden.

Die Zustellung dieser Ladung hat nach den Vorschriften der §§. 106 und 107 zu geschehen.

§. 156. Erscheint keiner der geladenen Rechtsnachfolger, so ist das Verfahren bei genügender Bescheinigung der behaupteten Rechtsnachfolge auf Antrag des Gegners vom Gerichte durch Beschluss als von den Rechtsnachfolgern der verstorbenen Partei aufgenommen zu erklären.

Bei der Tagsatzung, in welcher der die Aufnahme des Verfahrens betreffende Beschluss verkündet wurde, kann gleich das Verfahren in der Hauptsache aufgenommen werden.

§. 157. Wenn die geladenen Rechtsnachfolger oder einzelne derselben bei der Tagsatzung erscheinen und die Verpflichtung, in den Process einzutreten bestreiten, hat das Gericht hierüber nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Falls das Gericht im Sinne einer Verpflichtung zur Aufnahme des Verfahrens entscheidet, kann nach Verkündung dieser Entscheidung in der nämlichen Tagsatzung nachLage der Sache das Verfahren in der Hauptsache aufgenommen oder fortgesetzt werden. Dies hat insbesondere zu gelten, wenn ein Rekurs gegen den verkündeten Beschluss voraussichtlich ohne Erfolg bleiben dürfte.

Verlust der Processfähigkeit, Wechsel in der Person des gesetzlichen Vertreters.

§. 158. Wenn eine Partei die Processfähigkeit verliert, oder wenn der gesetzliche Vertreter einer Partei stirbt oder dessen Vertretungsbefugnis aufhört, ohne dass die Partei processfähig geworden ist, wird das Verfahren nur dann unterbrochen, wenn die von dieser Veränderung betroffene Partei weder durch einen Advocaten, noch durch eine andere mit Processvollmacht ausgestattete Person vertreten ist.

Die Unterbrechung dauert in diesen Fällen so lange, bis der gesetzliche Vertreter oder der neue gesetzliche Vertreter von seiner Bestellung dem Gegner Anzeige macht und das Verfahren aufnimmt.

Um eine solche Aufnahme zu bewirken, kann auch der Gegner die Ladung des gesetzlichen Vertreters der processunfähig gewordenen Partei oder des neuen gesetzlichen Vertreters beantragen.

Konkurseröffnung.

§. 159. Inwiefern bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens eintritt, wird durch die Konkursordnung bestimmt.

Wechsel in der Person des Advocaten.

§. 160. Wenn der Advocat einer Partei stirbt oder unfähig wird, die Vertretung der Partei fortzuführen, tritt insoweit, als die Vertretung durch Advocaten gesetzlich geboten ist, eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis ein anderer Advocat von der Partei bestellt und von diesem Advocaten seine Bestellung unter gleichzeitiger Aufnahme des Verfahrens dem Gegner angezeigt wird.

Um die Aufnahme des Verfahrens zu bewirken, kann auch der Partei, welche einen neuen Vertreter zu bestellen hat, auf Antrag ihres Gegners vom Gerichte aufgetragen werden, diese Bestellung binnen einer ihr gleichzeitig zu bestimmenden Frist vorzunehmen. Dieser Antrag ist bei dem Gerichte anzubringen, bei welchen die Rechtssache zur Zeit des Todes des Advocaten oder des Eintrittes seiner Unfähigkeit zur ferneren Vertretung anhängig war. Wird der neue Vertreter nicht innerhalb der festgesetzten Frist dem Gerichte unter Vorlegung der Vollmacht bekannt gegeben, so ist mit Ablauf der Frist das Verfahren als aufgenommen anzusehen, und es treffen die mit der Anzeige säumige Partei von da an alle Rechtsnachtheile, welche dieses Gesetz mit der Nichtbestellung eines Advocaten in den Fällen des Anwaltsprocesses verbindet. In Bezug auf die von der säumigen Partei

(389) nach Ablauf der Frist überreichten Schriftsätze hat die Vorschrift des §. 37, Absatz 2, sinngemäß zur Anwendung zu kommen.

Im Verfahren vor Gerichtshöfen ist zur Erlassung des Auftrages zur Bestellung eines neuen Advocaten der Vorsitzende des Senates berufen, welchem die Rechtssache zugewiesen ist.

Einstellung der Amtstätigkeit des Gerichtes.

§. 161. Hört infolge eines Krieges oder eines anderen Ereignisses die Tätigkeit eines Gerichtes auf, so wird das Verfahren in allen bei diesem Gerichte anhängigen Rechtssachen für die Dauer jenes Zustandes unterbrochen.

Nach Wegfall des Hindernisses kann jede der beiden Parteien die Aufnahme des Verfahrens erwirken.

Zufällige Verhinderung einer Partei.

§. 162. Wenn sich eine Partei zu Kriegszeiten im Militärdienste befindet, oder wenn sie sich an einem Orte aufhält, der durch obrigkeitliche Anordnung, durch Krieg oder durch andere Ereignisse von dem Verkehre mit dem Gerichte abgeschnitten ist, bei welchem die Rechtssache anhängig ist, und wenn zugleich die Besorgnis besteht, dass diese Umstände die Processführung zu Ungunsten der abwesenden Partei beeinflussen könnten, so kann selbst in dem Falle, dass die abwesende Partei durch eine mit Processvollmacht ausgestattete Person vertreten ist, auf Antrag oder von amtswegen die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Beseitigung des Hindernisses angeordnet werden.

Ein darauf gerichteter Antrag ist bei dem Gerichte anzubringen, bei welchem die Rechtssache anhängig ist; das Gericht kann jedoch vor der Entscheidung die zur Aufklärung nothwendigen Erhebungen einleiten.

Die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens kann von jeder der Parteien erwirkt werden.

Wirkung der Unterbrechung.

§. 163. Die Unterbrechung des Verfahrens hat die Wirkung, dass während der Dauer der Unterbrechung Ladungen zur Verhandlung der Streitsache nicht erfolgen können, die etwa schon früher für die Zeit nach Eintritt der Unterbrechung ergangenen Ladungen ihre Wirksamkeit verlieren und endlich der Lauf einer jeden Frist zur Vornahme einer Processhandlung aufhört. Mit Aufnahme des Verfahrens beginnt die volle Frist von neuem zu laufen.

Die während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der anhängigen Streitsache vorgenommenen Processhandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung.

Durch die nach dem Schlusse einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Behauptung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert.

Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens.

§. 164. Die Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens wird, soferne in den vorstehenden Bestimmungen nichts anderes angeordnet ist, durch den Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung oder zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung, wenn aber die Unterbrechung während des Laufes einer Frist zur Vornahme einer Processhandlung eintrat, durch den Antrag auf neuerliche Bestimmung einer Frist für diese Processhandlung eingeleitet. Das Erlöschen des Unterbrechungsgrundes ist glaubhaft zu machen. Diese Bestimmungen gelten insbesondere auch, wenn wegen des Todes einer Partei im Sinne des §. 811 a. b. G. B. oder aus anderen Gründen für deren Verlassenschaft ein Curator bestellt worden ist; Die Aufnahme kann nicht bloß vom Curator, sondern auch vom Gegner der verstorbenen Partei beantragt werden.

§. 165. Der gemäß §. 164 behufs Erwirkung der Aufnahme des Verfahrens erforderliche Antrag ist bei dem Gerichte zu stellen, bei welchen die Rechtssache zur Zeit des Eintrittes des Unterbrechungsgrundes anhängig war.

Die Entscheidung über die in §. 164 bezeichneten Anträge erfolgt ohne vorhergehende mündliche Verhandlung; Es kann jedoch das Gericht vor dieser Entscheidung den Gegner einvernehmen, wenn das Erlöschen des Unterbrechungsgrundes zweifelhaft erscheint.

Bei Anberaumung einer Tagsatzung zur Verhandlung über den Aufnahmeantrag (§. 155), sowie in den Beschlüssen, durch welche einem gemäß §§. 158, 159, 160, 161, 162 und 164 gestellten Aufnahmeantrage stattgegeben oder das Verfahren von amtswegen aufgenommen wird, sind den Parteien die im Falle der Versäumung eintretenden Folgen anzukündigen.

§. 166. In den Fällen der §. 156, 157, und 158, Absatz 3, ist der Zeitpunkt, mit welchem das Verfahren als aufgenommen zu gelten hat, in der über die Verpflichtung zur Aufnahme des Verfahrens ergehenden Entscheidung anzugeben, wenn nicht das Verfahren in

(390) derHauptsache gleich bei der zur Verhandlung über den Aufnahmeantrag anberaumten Tagsatzung aufgenommen wurde.

In allen anderen Fällen ist dieser Zeitpunkt, sofern nicht die Vorschriften des §. 160 zur Anwendung kommen, in der Entscheidung über den Aufnahmeantrag oder in dem Beschlusse, durch welchen das Verfahren von amtswegen aufgenommen wird, vom Gerichte zu bestimmen.

§. 167. Die vorstehenden Bestimmungen haben sinngemäß zur Anwendung zu kommen, wenn nach dem gegenwärtigen Gesetze aus anderen als den in diesem Titel bezeichneten Gründen eine Unterbrechung des Verfahrens stattzufinden hat und hierüber nichts Abweichendes angeordnet ist.

Ruhen des Verfahrens.

§. 168. Die Parteien können vereinbaren, dass das Verfahren ruhen solle; eine solche Vereinbarung ist erst von dem Zeitpunkte an wirksam, in welchem sie dem Gerichte von beiden Parteien angezeigt wurde. Mit dem Ruhen des Verfahrens sind die Rechtswirkungen einer Unterbrechung des Verfahrens mit der Ausnahme verbunden, dass der Lauf von Nothfristen nicht aufhört. Das Ruhen des Verfahrens hat außerdem zur Folge, dass das Verfahren vor Ablauf von drei Monaten seit der Anzeige der getroffenen Vereinbarung nicht aufgenommen werden kann.

§. 169. Das Ruhen des Verfahrens dauert so lange, bis von einer der Parteien die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung oder, wenn das Verfahren während des Laufes einer Frist zur Vornahme einer Processhandlung eingestellt wurde, die neuerliche Bestimmung einer Frist für diese Processhandlung beantragt wird. Geschieht dies vor Ablauf der dreimonatlichen Frist (§. 168) oder der zwischen den Parteien für das Ruhen des Verfahrens vereinbarten Zeit, so hat das Gericht den bezüglichen Antrag von amtswegen oder auf Begehren des Gegners ohne Verhandlung zurückzuziehen oder die Unwirksamkeit der etwa erfolgten Anberaumung einer Tagsatzung oder Fristbestimmung auszusprechen.

§. 170. Wenn bei einer zur mündlichen Verhandlung anberaumten Tagsatzung keine der Parteien erscheint, hat dies, soweit nicht solches Ausbleiben nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ohne Einfluss auf den Fortgang des Processes ist, das Ruhen des Verfahrens zur Folge.

Von dem Einlangen einer Anzeige über ein vereinbartes Ruhen des Verfahrens, sowie von dem Ausbleiben beider Theile von der Tagsatzung hat das Gericht nebst den Processbevollmächtigten auch noch die Parteien selbst zu verständigen; den Parteien sind dabei die gesetzlichen Folgen des Ruhens des Verfahrens bekannt zu geben.

Dritter Abschnitt.

Mündliche Verhandlung.

Erster Titel.

Öffentlichkeit.

§. 171. Die Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte, einschließlich der Verkündung der richterlichen Entscheidung, erfolgt öffentlich.

Als Zuhörer haben nur erwachsene unbewaffnete Personen Zutritt. Personen, welche vermöge ihres öffentlichen Dienstes zum Tragen einer Waffe verpflichtet sind, darf der Zutritt nicht verweigert werden.

§. 172. Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn durch sie die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährdet erscheint, oder wenn die begründete Besorgnis besteht, dass die Öffentlichkeit der Verhandlung oder der Erschwerung der Sachverhaltsfeststellung missbraucht werden würde.

Überdies kann das Gericht auf Antrag auch nur einer der Parteien die Öffentlichkeit ausschließen, wenn zum Zwecke der Entscheidung des Rechtstreites Tatsachen des Familienlebens erörtert und bewiesen werden müssen.

Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann für die ganze Verhandlung oder für einzelne Theile derselben stattfinden; auf die Begründung des Urtheils darf er sich in keinem Falle erstrecken. Insoweit die Öffentlichkeit einer Verhandlung ausgeschlossen wird, ist die öffentliche Verlautbarung des Inhaltes der Verhandlung untersagt.

§. 173. Die Verhandlung über einen Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung.

Der Beschluss über die Ausschließung der Öffentlichkeit muss öffentlich verkündet werden. Gegen denselben ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

(391) §. 174. Wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, so kann jede Partei verlangen, dass außer ihrem Bevollmächtigten drei Personen ihres Vertrauens die Anwesenheit bei der Verhandlung gestattet werde.

Wirklich angestellten Richtern, dann Konzeptsbeamten der Staatsanwaltschaft und des Justizministeriums, sowie Advocaten bleibt trotz Ausschlusses der Öffentlichkeit der Zutritt gestattet, sofern die Öffentlichkeit nicht aus dem im §. 172, Absatz 2, angeführten Grunde ausgeschlossen wurde.

§. 175. Das Erfordernis der Öffentlichkeit der Verhandlung gilt nicht für die nach den Vorschriften dieses Gesetzes der Beschlussfassung über einen Antrag vorausgehende Einvernehmung oder Anhörung einer oder beider Parteien.

Die außerhalb einer Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte stattfindende Einvernehmung von Parteien, Zeugen, Sachverständigen und anderen Personen erfolgt gleichfalls mit Ausschließung der Öffentlichkeit.

Zweiter Titel.

Vorträge der Parteien und Processleitung.

Vorträge der Parteien.

§. 176. Vor dem erkennenden Gerichte verhandeln die Parteien über den Rechtsstreit mündlich. In Rechtssachen, in welchen die Vertretung durch Advocaten geboten ist, wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet. Außerdem ist die Überreichung vorbereiteter Schriftsätze nur in den in diesem Gesetze besonders bezeichneten Fällen nothwendig.

§. 177. Nach dem Aufrufe der Sache sind die Parteien mit ihren Anträgen, mit dem zur Begründung derselben oder zur Bekämpfung der gegnerischen Anträge bestimmten thatsächlichen Vorbringen, sowie mit ihren Beweisen und Beweisanbietungen und mit den das Streitverhältnis betreffenden rechtlichen Ausführungen zu hören (Vorträge der Parteien). Das Ablesen schriftlicher Aufsätze statt mündlichen Vorbringens ist unzulässig.

Schriftstücke, auf welche in den Vorträgen Bezug genommen wird, sind nur insoweit vorzulegen, als diese Schriftstücke dem Gerichte oder dem Gegner noch nicht bekannt sind oder als es auf den wörtlichen Inhalt ankommt.

§. 178. Jede Partei hat in ihren Vorträgen alle im einzelnen Falle zur Begründung ihrer Anträge erforderlichen thatsächlichen Umstände der Wahrheit gemäß vollständig und bestimmt anzugeben, die zur Feststellung ihrer Angaben nöthigen Beweise anzubieten, sich über die von ihrem Gegner vorgebrachten thatsächlichen Angaben und angebotenen Beweise mit Bestimmtheit zu erklären, die Ereignisse der geführten Beweise darzulegen und sich auch über die bezüglichen Ausführungen ihres Gegners mit Bestimmtheit auszusprechen.

§. 179. Die Parteien können bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung neue auf den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche thatsächliche Behauptungen und Beweismittel vorbringen. Solches Vorbringen kann jedoch vom Gerichte auf Antrag oder von amtswegen als unstatthaft erklärt werden, wenn die neuen Angaben und Beweise offenbar in der Absicht, den Process zu verschleppen, nicht früher vorgebracht wurden und deren Zulassung die Erledigung des Processes erheblich verzögern würde.

Dafern hierbei auch dem Advocaten der Partei ein großes Verschulden zur Last fällt, kann außerdem gegen denselben eine Ordnungsstrafe verhängt werden.

Processleitung.

1. Durch den Vorsitzenden.

§. 180. Die mündliche Verhandlung wird bei Gerichtshöfen von dem Vorsitzenden des Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, geleitet.

Der Vorsitzende eröffnet, leitet und schließt die Verhandlung, er ertheilt das Wort und kann es demjenigen entziehen, der seinen Anordnungen nicht Folge leistet, er vernimmt die Personen, welche zum Zwecke der Beweisführung auszusagen haben, und verkündet die Entscheidungen des Senates.

Der Vorsitzende hat dafür Sorge zu tragen, dass die Sache erschöpfende Erörterung finde, die Verhandlung aber auch nicht durch Weitläufigkeit und unerhebliche Nebenverhandlungen ausgedehnt und, soweit thunlich, ohne Unterbrechung zu Ende geführt werde.

§. 181. Wenn die Fortsetzung einer bereits begonnenen Verhandlung auf eine spätere Tagsatzung verlegt werden muss, hat der Vorsitzende nicht nur, sofern dies möglich ist, die neue Tagsatzung sofort zu bestimmen, sondern zugleich von amtswegen alle Verfügungen zu treffen, welche erforderlich sind, um die

(392) Streitsache bei der nächsten Tagsatzung erledigen zu können. Vor Erlassung solcher Verfügungen kann der Vorsitzende, wenn es ihm nöthig erscheint, eine Beschlussfassung des Senates einholen.

Es kann insbesondere den Parteien aufgetragen werden, binnen einer ihnen gleichzeitig zu bestimmenden Frist die als Beweismittel zu benützenden Urkunden zur Einsicht für den Gegner bei Gerichte zu erlegen, und Namen und Wohnort einzuvernehmender Zeugen bekanntzugeben. Wenn die Partei einem solchen Antrage in der Absicht, den Process zu verschleppen, nicht nachkommt und die geforderten Beweismittel erst bei der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vorbringt, so kann dieses Vorbringen vom Senate auf Antrag oder von amtswegen als unstatthaft erklärt werden, falls durch dasselbe die Fortführung der Verhandlung verzögert würde.

§. 182. Der Vorsitzende hat bei der mündlichen Verhandlung durch Fragestellung oder in anderer Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen thatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung oder Bekämpfung des Anspruches geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweise ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur wahrheitsgemäßem Feststellung des Thatbestandes der von den Parteien behaupteten Rechte und Ansprüche nothwendig erscheinen.

Wenn eine Partei in ihrem Vortrage von dem Inhalte eines von ihr überreichten vorbereitenden Schriftsatzes abweicht oder wenn die Vorträge der Parteien mit sonstigen von amtswegen zu berücksichtigenden Processacten nicht im Einklange stehen, hat der Vorsitzende darauf aufmerksam zu machen. Ebenso hat er die Bedenken hervorzuheben, welche in Ansehung der von amtswegen zu berücksichtigenden Punkte obwalten.

Außer dem Vorsitzenden können auch die anderen Mitglieder des Senates an die Parteien die zur Ermittlung des Streitverhältnisses und zur Feststellung des Thatbestandes geeigneten Fragen richten.

§. 183. Behufs Erfüllung der dem Vorsitzenden nach §. 182 obliegenden Verpflichtungen kann der Vorsitzende insbesondere:

1. die Parteien zum persönlichen Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung auffordern;

2. verfügen, dass die Parteien in ihren Händen befindliche Urkunden, auf welche sich die eine oder die andere berufen hat, Acten, Auskunftssachen oder Augenscheinsgegenstände, ferner Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen und Zusammenstellungen vorlegen und eine bestimmte Zeit bei Gericht belassen;

3. die Herbeischaffung der bei einer öffentlichen Behörde oder bei einem Notar verwahrten Urkunden, auf welche sich eine der Parteien bezogen hat, der Auskunftssachen und Augenscheinsgegenstände veranlassen;

4. die Vornahme eines Augenscheins unter Zuziehung der Parteien und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen, sowie Personen als Zeugen laden, von welchen nach der Klage oder dem Gange der Verhandlung Aufklärung über erhebliche Thatsachen zu erwarten ist.

Diese Verfügungen können jedoch vom Vorsitzenden in Ansehung von Urkunden und Zeugen nicht getroffen werden, wenn sich beide Parteien dagegen erklären.

Solche Erhebungen können selbst vor Beginn der mündlichen Verhandlung angeordnet werden, wenn zu besorgen ist, dass sich andernfalls für die Entscheidung wichtige Umstände nicht mehr feststellen ließen, oder ein Beweismittel später nicht mehr oder doch nur unter erheblich schwereren Bedingungen benützt werden könnte.

§. 184. Jede Partei kann zur Aufklärung des Sachverhaltes über alle den Gegenstand des Rechtsstreites oder der mündlichen Verhandlung betreffenden, für die Processhandlung erheblichen Umstände und insbesondere auch über das Vorhandensein und die Beschaffenheit der zur Processführung dienlichen Urkunden, Auskunftssachen und Augenscheinsgegenstände an die anwesende Gegenpartei oder deren Vertreter Fragen durch den Vorsitzenden stellen lassen oder mit dessen Zustimmung unmittelbar selbst stellen.

Wird eine Frage vom Vorsitzenden als unangemessen zurückgewiesen oder die Zulässigkeit einer Frage vom Gegner bestritten, so kann die Partei darüber die Entscheidung des Senates begehren.

§. 185. Ist eine ohne Bevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung erschienene Partei einer verständlichen Äußerung über den Gegenstand des Rechtsstreites oder der mündlichen Verhandlung nicht fähig, so ist die Tagsatzung vom Vorsitzenden auf thunlichst kurze Zeit zu erstrecken und die betreffende Partei anzuweisen, bei der neuerlichen Tagsatzung unter Vertretung eines geeigneten Bevollmächtigten, erforderlichenfalls eines Advocaten zu erscheinen, widrigens sie als ausgeblieben angesehen werden würde. Eine wiederholte Erstreckung der Tagsatzung kann aus diesem Grunde nicht stattfinden.

(393) Die vorstehenden Bestimmungen haben auch dann sinngemäße Anwendung zu finden, wenn der Bevollmächtigte einer Partei einer verständlichen Äußerung über den Gegenstand des Rechtsstreites oder der mündlichen Verhandlung unfähig ist und entweder die Partei selbst nicht anwesend ist oder die Verhandlung mit ihr mit Rücksicht auf die Bestimmungen des §. 27, Absatz 1, nicht durchgeführt werden kann. Wenn ein solches Hindernis in Bezug auf den gesetzlichen Vertreter einer Partei eintritt, hat der Vorsitzende zugleich wegen Bestellung eines geeigneten Bevollmächtigten die erforderlichen Aufträge zu ertheilen.

§. 186. Wird eine auf die Processleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden oder eine vom Vorsitzenden oder einem Mitgliede des Senates gestellte Frage von einer der an der Verhandlung betheiligten Personen als unzulässig bestritten, so entscheidet über solchen Widerspruch der Senat.

Gegen die Entscheidung des Senates ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Gleiches gilt von den gemäß §. 179, Absatz 1, 181, Absatz 2, und 184, Absatz 2, ergehenden Entscheidungen des Senates.

2. Durch den Senat.

§. 187. Sind bei einem Gerichte mehrere Rechtsstreite anhängig, die zwischen den nämlichen Personen geführt werden oder in welchen die nämliche Person verschiedenen Klägern oder verschiedenen Beklagten als Processgegner gegenübersteht, so können diese Processe, wenn dadurch voraussichtlich deren Erledigung vereinfacht oder beschleunigt oder der Aufwand für die Kosten der Processführung vermindert werden wird, durch Beschluss des Senates zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden.

Mit einem gemeinschaftlichen Urtheile können jedoch nur Rechtsstreite zwischen denselben Parteien entschieden werden.

§. 188. Der Senat kann anordnen, dass über mehrere in derselben Klage erhobene Ansprüche getrennt verhandelt werde. Ebenso kann eine getrennte Verhandlung über die vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen angeordnet werden.

§. 189. Ergeben sich bei der Begründung oder bei der Bekämpfung eines und desselben Anspruches mehrere selbstständige Streitpunkte, oder werden in Ansetzung desselben Anspruches mehrere selbständige Angriffs- oder Vertheidigungsmittel geltend gemacht, so kann der Senat anordnen, dass die Verhandlung zunächst auf einen oder einige dieser Streitpunkte beschränkt werde.

Insbesondere kann, wenn die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichtes, der Streitanhängigkeit oder der rechtskräftig entschiedenen Streitsache erhoben wird, vom Senate verfügt werden, dass zunächst über die diese Einreden abgesondert verhandelt werde.

§. 190. Wenn die Entscheidung eines Rechtsstreites ganz oder zum Theile von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist, so kann der Senat anordnen, dass das Verfahren auf so lange Zeit unterbrochen werde, bis in Ansehung dieses Rechtsverhältnisses eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

Eine solche Unterbrechung kann der Senat auf Antrag auch im Falle des Streites über die Zulässigkeit einer Nebenintervention, sowie dann anordnen, wenn beide Parteien wegen des von einem Dritten auf den Gegenstand des Rechtsstreites erhobenen Anspruches gemeinschaftlich beklagt werden (§. 16).

Nach rechtskräftiger Erledigung des bezüglichen Processes oder Verwaltungsverfahrens ist das Verfahren in der Hauptsache auf Antrag oder von amtswegen aufzunehmen.

§. 191. Ergibt sich im Laufe eines Rechtsstreites der Verdacht einer strafbaren Handlung, deren Ermittlung und Aburtheilung für die Entscheidung des Rechtsstreites voraussichtlich von maßgebendem Einfluss ist, so kann der Senat anordnen, dass der Rechtsstreit bis zur Erledigung des Strafverfahrens unterbrochen werde.

Eine solche Unterbrechung kann insbesondere stattfinden, wenn sich Verdachtsgründe dafür ergeben, dass eine für die Processentscheidung wichtige Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht ist. Oder dass sich eine über wesentliche Umstände einvernommene Partei oder ein Zeuge oder Sachverständiger, dessen Aussage der Senat sonst bei der Entscheidung voraussichtlich berücksichtigen würde, einer falschen Aussage schuldig gemacht hat.

Nach rechtskräftiger Erledigung des Strafverfahrens ist das unterbrochene Verfahren in der Hauptsache auf Antrag oder von amtswegen aufzunehmen.

(394) §. 192. Der Senat kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder Unterbrechung der Verhandlung oder des Verfahrens betreffenden Anordnungen auf Antrag oder von amtswegen wieder aufheben. Die Aufhebung kann nicht mehr verfügt werden, wenn der Senat durch ein von ihm gefälltes Urtheil gebunden ist, oder wenn die Anordnung zum Gegenstande der Entscheidung einer höheren Instanz geworden ist.

Die nach §§. 187 bis 191 erlassenen Anordnungen können, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

Schluss der Verhandlung.

§. 193. Der Vorsitzende hat die Verhandlung für geschlossen zu erklären, wenn der Senat die Streitsache oder den abgesondert zu erledigenden Antrag, über welchen die Verhandlung stattfindet, als vollständig erörtert und auf Grund der aufgenommenen Beweise zur Entscheidung reif erachtet.

Die Verhandlung ist bis zur Verkündung ihres Schlusses als ein Ganzes anzusehen.

Die Verhandlung kann auch vor Aufnahme aller zugelassenen Beweise für geschlossen erklärt werden, wenn nur mehr die durch einen ersuchten Richter zu bewirkende Aufnahme einzelner Beweise aussteht und entweder beide Parteien auf die Verhandlung über das Ergebnis dieser Beweisaufnahme verzichten, oder der Senat eine solche Verhandlung für entbehrlich hält. In diesem Falle ist nach Einlangen der Beweisaufnahme-Acten ohne neuerliche Anordnung einer mündlichen Verhandlung die Entscheidung vom Gerichte zu fällen.

§. 194. Der Senat kann die Wiedereröffnung einer bereits geschlossenen Verhandlung anordnen, wenn sich zum Zwecke der Entscheidung eine Aufklärung oder Ergänzung des Vorgebrachten oder die Erörterung über den Beweis einer Tatsache als nothwendig zeigt, welche der Senat erst nach Schluss der Verhandlung als beweisbedürftig erkannt hat, ferner wenn der Senat im Falle des §. 193, Absatz 3, nach Einlangen der Beweisaufnahmeacten mit Rücksicht auf die Ergebnisse der Beweisaufnahme oder auf die von den Parteien bei der Beweisaufnahme abgegebenen Erklärungen eine weitere Verhandlung für nothwendig hält.

§. 195. Die in den §§. 180 bis 194 dem Vorsitzenden des Senates und dem Senate beigelegten Befugnisse kommen im Verfahren vor Bezirksgerichten dem Einzelrichter zu, vor welchem die mündliche Verhandlung stattfindet.

Rüge von Mängeln.

§. 196. Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Processhandlung regelnden Vorschrift kann von der deshalb zur Beschwerdeführung berechtigten Partei nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sich letztere in die weitere Verhandlung der Sache eingelassen hat, ohne diese Verletzung zu rügen, obwohl dieselbe ihr bekannt war oder bekannt sein musste.

Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn eine Vorschrift verletzt wurde, auf deren Befolgung eine Partei nicht wirksam verzichten kann.

Erfolgt die Rüge während einer mündlichen Verhandlung und wird derselben nicht gleich bei der Verhandlung durch Behebung der behaupteten Verletzung entsprochen, so ist sie im Protokolle zu bemerken.

Dritter Titel.

Sitzungspolizei.

§. 197. Bei Verhandlungen vor Gerichtshöfen hat der Vorsitzende des Senates für die Aufrechthaltung der Ordnung bei der mündlichen Verhandlung zu sorgen. Er ist berechtigt, Personen, welche durch unangemessenes Betragen die Verhandlung stören, zur Ordnung zu ermahnen und sie zur Aufrechthaltung der Ordnung nöthigen Verfügungen zu treffen.

§. 198. Äußerungen des Beifalles und der Missbilligung sind untersagt.

Wer sich trotz Ermahnung einer Störung der Verhandlung schuldig macht, kann von der Verhandlung entfernt werden. Die Entfernung einer an der Verhandlung betheiligten Person kann erst nach vorausgegangener Androhung und Erinnerung an die Rechtsfolgen einer solchen Maßregel angeordnet werden.

Die Partei muss insbesondere auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht werden, dass infolge ihrer Entfernung gegen sie ein Versäumungsurtheil erlassen oder das Urtheil in Gemäßheit des §. 399 gefällt werden kann.

Wenn eine an der Verhandlung betheiligte Person entfernt wurde, kann auf Antrag gegen sie in gleicher Weise verfahren werden, als wenn sie sich freiwillig entfernt hätte.

(395) §. 199. Demjenigen, der sich bei der Verhandlung einer gröberen Ungebür, insbesondere einer Beleidigung der Mitglieder des Gerichtes, einer Partei, eines Vertreters, Zeugen oder Sachverständigen schuldig macht, kann, vorbehaltlich der strafgerichtlichen oder disciplinaren Verfolgung, eine Ordnungsstrafe bis zu fünfzig Gulden durch Beschluss des Senates auferlegt werden.

Gegen denjenigen, welcher sich den zur Erhaltung der Ordnung und Ruhe getroffenen Anordnungen des Vorsitzenden oder des Senates widersetzt, kann Haft bis zu drei Tagen verhängt werden.

§. 200. Macht sich ein Processbevollmächtigter einer Störung der Verhandlung (§. 198) oder einer Ungebür oder Beleidigung (§. 199) schuldig, so kann er vom Senate mit einem Verweise oder einer Geldstrafe bis zum Betrage von einhundert Gulden belegt werden.

Setzt der Bevollmächtigte sein ungehöriges Benehmen fort, oder widersetzt er sich den zur Erhaltung der Ordnung und Ruhe getroffenen Anordnungen des Vorsitzenden oder des Senates, so kann ihm durch Beschluss des Senates das Wort entzogen und, wenn nöthig, die Partei aufgefordert werden, einen anderen Bevollmächtigten zu bestellen; kann dies nicht sogleich geschehen, so ist die Tagsatzung von amtswegen zu erstrecken. Die Kosten der vereitelten Tagsatzung und der Erstreckung treffen den schuldtragenden Bevollmächtigten.

Bei erschwerenden Umständen kann der Senat, wenn der Bevollmächtigte Advocat oder Advocaturscandidat ist, überdies die Angelegenheit an die zuständige Disciplinarbehörde desselben leiten.

§. 201. Die nach den vorstehenden Bestimmungen gefassten Beschlüsse sind sofort vollstreckbar.

Im Verfahren vor Gerichtshöfen kann die Entfernung einer an der Verhandlung betheiligten Person nur durch Beschluss des Senates verhängt werden.

§. 202. Macht sich eine in Strafsachen der Militärgerichtsbarkeit unterstehende Militärperson einer nach §. 199 zu betrafenden Handlung schuldig, so hat sich der Vorsitzende wegen Bestrafung dieser Person an die nächste Militärbehörde zu wenden.

§. 203. Die in diesem Titel dem Vorsitzenden des Senates und dem Senate beigelegten Befugnisse stehen auch dem Einzelrichter, vor welchem die mündliche Verhandlung stattfindet, und dem ersuchten oder beauftragten Richter bei den vor ihnen stattfindenden Verhandlungen und Beweisaufnahmen, sowie bei Vornahme von Amtshandlungen außerhalb einer mündlichen Verhandlung zu.

Vierter Titel.

Vergleich.

§. 204. Das Gericht kann bei der mündlichen Verhandlung in jeder Lage der Sache auf Antrag oder von amtswegen eine gütliche Beilegung des Rechtsstreites oder die Herbeiführung eines Vergleiches über einzelne Streitpunkte versuchen. Kommt ein Vergleich zustande, so ist dessen Inhalt auf Antrag ins Verhandlungsprotokoll einzutragen.

Zum Zwecke des Vergleichsversuches oder der Aufnahme des Vergleiches können die Parteien, sofern sie zustimmen, vor einen beauftragten oder ersuchten Richter verwiesen werden. Inwiefern wegen Vergleichsvorschlägen oder anhängiger Vergleichsverhandlungen die Aufnahme oder Fortführung der Verhandlung aufgeschoben werden könne, ist nach den Bestimmungen der §§. 128 und 134 zu beurtheilen.

§. 205. In einem gerichtlichen Vergleiche kann die Anerkennung eines Rechtsverhältnisses oder die Übernahme der Verbindlichkeit zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung von der Ablegung eines vereinbarten Eides abhängig gemacht werden. Der Eid darf nur streitige Thatsachen zum Gegenstande haben.

Im Vergleiche muss die Tagsatzung, bei welcher der Eid abzulegen ist, oder doch die Frist bestimmt werden, innerhalb welcher die eidespflichtige Partei um Bestimmung dieser Tagsatzung einzuschreiten hat. Die Ablegung des Eides erfolgt vor dem richterlichen Beamten, welcher vom Vorsteher des im Vergleiche genannten Gerichtes mit der Abnahme des Eides beauftragt wird.

§. 206. Den Parteien sind auf ihr Verlangen und auf ihre Kosten Ausfertigungen des Vergleichsprotokolles oder des den Vergleich enthaltenden Verhandlungsprotokolles zu ertheilen. Ebenso ist, wenn ein durch Vergleich vereinbarter Eid abgelegt wurde, der darum ansuchenden Partei eine Abschrift des über die Eidesablegung aufgenommenen Protokolles zu ertheilen.

(396) Fünfter Titel.

Protokolle.

Verhandlungsprotokolle.

§. 207. Über jede mündliche Verhandlung vor Gericht ist ein Protokoll (Verhandlungsprotokoll) aufzunehmen. Dasselbe hat außer den durch das Gesetz im einzelnen angeordneten Aufzeichnungen und Angaben zu enthalten:

1. die Benennung des Gerichtes, die Namen der Richter, des Schriftführers, und wenn ein Dolmetsch zugezogen wird, dessen Namen; die Angabe von Zeit und Ort der Verhandlung, und bei einer Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte die Angabe, ob die Verhandlung öffentlich gepflogen wurde oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen war;

2. die Namen der Parteien und ihrer Vertreter, sowie die kurze Bezeichnung des Streitgegenstandes;

3. die Benennung der Personen, welche als Parteien oder als deren Vertreter oder Bevollmächtigte zur Verhandlung erschienen sind.

§. 208. Durch die Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll sind festzustellen:

1. die Parteierklärungen, welche eine Einschränkung oder Abänderung des Klagebegehrens, eine ausdrückliche Anerkennung einer Schuld oder eines Theiles derselben oder Verzichtleistungen auf den geltend gemachten Anspruch oder einen Theil desselben oder auf Rechtsmittel enthalten, sowie Erklärungen über die beantragte eidliche Vernehmung einer Partei;

2. die während der Verhandlung von den Parteien gestellten Anträge, welchen vom Gerichte nicht stattgegeben wurde oder die bis zum Schlusse der Tagsatzung von den Parteien nicht zurückgezogen worden sind, insoweit dieselben die Hauptsache betreffen, oder für den Gang oder die Entscheidung des Processes von Erheblichkeit sind;

3. die bei der Verhandlung gefällten und verkündeten gerichtlichen Entscheidungen, sowie jene Anordnungen und Verfügungen des Vorsitzenden, wider welche ein Rechtsmittel zulässig ist.

Die unter Z. 1 und 2 erwähnten Erklärungen und Anträge können auch in besonderen Schriftstücken dem Protokolle als Anlagen beigefügt werden. In diesem Falle hat deren Feststellung durch das Verhandlungsprotokoll zu unterbleiben.

Gleiches gilt hinsichtlich der verkündeten gerichtlichen Entscheidungen, wenn dieselben gleichzeitig mit der Verkündung in schriftlicher Fassung dem Protokolle beigelegt werden.

§. 209. In jedes Protokoll über eine mündliche Verhandlung ist neben den Angaben, welche den Gang der Verhandlung im allgemeinen erkennen lassen, der Inhalt des auf den Sachverhalt sich beziehenden beiderseitigen Vorbringens in gedrängt zusammenfassender Darstellung aufzunehmen.

Ferner sind in dem Protokolle die von den Parteien für streitig gebliebene Anführungen angebotenen Beweismittel zu bezeichnen.

Das Gericht kann auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass einzelne Theile des thatsächlichen Vorbringens oder der Beweisanbietungen ausführlicher in das Protokoll aufgenommen werden.

Kann eine Verhandlung nicht an einem Tage zu Ende geführt werden, so ist bei jeder einzelnen Tagsatzung das während derselben Vorgebrachte besonders zu protokolliren.

§. 210. Bei Angabe des Inhaltes des thatsächlichen Vorbringens und der Beweisanbietungen ist nach Thunlichkeit auf die vorbereitenden Schriftsätze, auf die Acten eines vorbereitenden Verfahrens, sowie auf die Darstellung des Sachverhaltes in einer Ausfertigung des Beweisbeschlusses Bezug zu nehmen; soweit vorbereitende Schriftsätze oder Acten eines vorbereitenden Verfahrens vorliegen, genügt es, wenn alle erheblichen Abweichungen des mündlichen Vorbringens protokolliert werden.

Eine Protokollirung der einzelnen Parteivorträge ist unstatthaft. Entwürfe zu Verhandlungsprotokollen dürfen nicht angenommen werden.

Die Weigerung der Parteien, am Protokollirungsacte theilzunehmen, hindert die Vornahme der Beurkundung nicht.

§. 211. Die im §. 209 vorgeschriebene Protokollirung kann auch in der Art geschehen, dass der Vorsitzende oder der die Verhandlung leitende Einzelrichter unverzüglich nach Beendigung der Parteiverhandlung in Gegenwart der Parteien (§. 210, Absatz 3) den aus ihrem Vorbringen sich ergebenden Sachverhalt in übersichtlicher Zusammenfassung darlegt und diese Darstellung, soweit thunlich, unter Bezugnahme auf den Inhalt der Processacten zu Protokoll gebracht wird.

Wenn der Umfang des Verhandlungsstoffes oder andere Umstände eine frühere Beurkundung nothwendig oder zweckmäßig erscheinen lassen, so kann eine derartige Protokollirung auch schon während der mündlichen Verhandlung in der Weise stattfinden, dass der Inhalt einzelner Abschnitte der Verhandlung (§§. 188, 189) zusammengefasst und zu Protokoll gebracht wird.

(397) §. 212. Das aufgenommene Protokoll ist den Parteien zur Durchsicht vorzulegen oder vorzulesen und von ihnen zu unterschreiben. Den Parteien ist gestattet, nach der Einsichtnahme oder Verlesung des Protokolles auf jene Punkte aufmerksam zu machen, in welchen die im Protokolle enthaltene Darlegung des Verhandlungsinhaltes dem thatsächlich Verlaufe der Verhandlung nicht entspricht. Eine dem Gerichte nothwendig scheinende Richtigstellung des Protokollsinhaltes hat durch einen Anhang zum Protokolle zu geschehen. Bleiben dagegen die Erklärungen der Parteien unberücksichtigt, so kann gegen die bezüglichen Angaben des Verhandlungsprotokolles Widerspruch eingelegt werden.

Wenn aus diesem oder aus einem anderen Grunde von einer Partei gegen einzelne Angaben des Protokolles Widerspruch erhoben wird, ist in einem Anhange zum Protokolle zu bemerken, dass und welche Einwendungen gegen die Protokollirung erhoben wurden.

Bei Vertretung durch einen Advocaten kann vom Gerichte angeordnet werden, dass der Widerspruch durch das Überreichen einer kurzen, dem Protokolle als Anlage beizufügenden Niederschrift festgestellt werde.

§. 213. Kann eine Partei gar nicht oder nur mittels eines Handzeichens unterfertigen, so ist deren Name dem Protokolle durch den Schriftführer beizusetzen.

Entfernt sich eine Partei vor Vornahme der Protokollirung oder wird die Unterfertigung des Protokolles von ihr angelehnt, so sind diese Vorgänge sowie die von der Partei dafür geltend gemachten Gründe in einem Anhange zum Protokolle anzugeben.

Dem Protokolle hat der Vorsitzende oder der die Verhandlung leitende Einzelrichter, der Schriftführer und ein der Verhandlung etwa beigezogener Dolmetsch seine Unterschrift beizusetzen. Bei Verhinderung des Vorsitzenden unterschreibt an dessen Statt das älteste Mitglied des Senates.

§. 214. Gegen die die Protokollirung betreffenden Beschlüsse und Verfügungen der die Verhandlung leitenden Einzelrichter ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Wird im Verfahren vor Gerichtshöfen gegen die bezüglichen Beschlüsse und Verfügungen des Vorsitzenden Einsprache erhoben, so hat darüber der Senat zu entscheiden. Gegen dessen Entscheidung findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt.

§. 215. Soweit nicht ein ausdrücklicher Widerspruch einer Partei vorliegt, liefert das in Gemäßheit der vorstehenden Vorschriften errichtete Protokoll über den Verlauf und Inhalt der Verhandlung vollen Beweis.

Die Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden.

Die Beweiskraft der protokollarischen Beurkundung wird durch einen Wechsel in der Person der Richter nicht berührt.

Außerhalb einer Verhandlung aufgenommene Protokolle.

§. 216. Die Protokolle, welche außerhalb einer mündlichen Verhandlung aufgenommen werden, haben nebst den im §. 207 erwähnten Angaben und den gemäß §. 208 etwa vorzunehmenden Feststellungen eine kurze Darstellung der Amtshandlung und eine gedrängte Angabe des Inhaltes des thatsächlichen Vorbringens der streitenden Theile oder dritter zugezogener Personen zu enthalten.

Die Bestimmungen der §§. 209 bis 215 haben auch für diese Protokolle Geltung.

Protokollsinhalt.

§. 217. Der Inhalt des Verhandlungsprotokolles und seiner Beilagen, dann der im Laufe eines Rechtsstreites durch einen beauftragten oder ersuchten Richter aufgenommenen und dem erkennenden Gerichte vorliegenden Protokolle und ihrer Beilagen ist von amtswegen zu beachten.

Wenn die Parteien bei der durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vorgenommenen Amtshandlung nicht anwesend waren, ist ihnen, sofern nicht die Bestimmungen des §. 193, Absatz 3, zur Anwendung kommen, vor der Entscheidung Gelegenheit zu geben, sich in mündlicher Verhandlung über die Ergebnisse der bezüglichen Amtshandlung und die Angaben der eingesendeten Acten zu äußern.

Sechster Titel.

Acten.

§. 218. Jede Partei kann zur Begründung ihrer Anträge auch auf die ihr auf Veranlassung des Gegners zugestellten Schriftstücke Bezug nehmen. Sie kann, wenn diese Schriftstücke in Verlust geraten sind, und sich auch kein Exemplar derselben bei Gericht befindet, verlangen, dass ihr der Gegner gestatte, auf ihre Kosten von den in seinen Händen befindlichen bezüglichen Schriftstücken Abschriften zu nehmen.

(398) §. 219. Die Parteien können von sämmtlichen ihre Rechtssache betreffenden, bei Gericht befindlichen Acten (Processacten), mit Ausnahme der Entwürfe zu Urtheilen und Beschlüssen, der Protokolle über Berathungen und Abstimmungen des Gerichtes und solcher Schriftstücke, welche Disciplinarverfügungen enthalten, Einsicht nehmen und sich davon auf ihre Kosten Abschriften und Auszüge ertheilen lassen. Zum Zwecke der Vorbereitung ihrer Vorträge ist ihnen insbesondere auch in die Protokolle und Acten eines vorbereitenden Verfahrens Einsicht zu gewähren.

Mit Zustimmung beider Parteien können auch dritte Personen von den Processacten Einsicht nehmen und Abschriften erheben. Fehlt eine solche Zustimmung, so kann einem Dritten, insoweit er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, eine solche Einsicht- und Abschriftnahme vom Vorsteher des Gerichtes gestattet werden.

Die von einer Partei dem Gerichte übergebenen Schriftstücke sind dieser Partei auf ihr Begehren wieder auszufolgen, wenn der Zweck der Aufbewahrung entfallen ist.

Siebenter Titel.

Strafen.

§. 220. Eine Ordnungsstrafe darf den Betrag von fünfzig Gulden, oder wenn dieselbe gegen einen Advocaten verhängt wird, den Betrag von hundert Gulden, eine Muthwillensstrafe den Betrag von dreihundert Gulden nicht übersteigen.

Die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes gegen eine Person verhängten Geldstrafen fließen dem Armenfonde des Ortes zu, in welchem diese Person ihren Wohnsitz hat; wenn aber ein solcher Wohnsitz im Geltungsgebiete dieses Gesetzes nicht begründet oder nicht bekannt ist, dem Armenfonde des Ortes, in welchem das Gericht seinen Sitz hat, das die Strafe verhängte.

Im Falle der Zahlungsunfähigkeit ist die Geldstrafe in Haft umzuwandeln. Die Dauer der Haft hat das Gericht zu bestimmen; die Haft darf jedoch zehn Tage nicht überschreiten.

Strafverfügungen sind von amtswegen zu vollziehen.

Achter Titel.

Sonntagsruhe und Gerichtsferien.

§. 221. An Sonntagen, sowie am Weihnachtstage dürfen Tagsatzungen nicht abgehalten werden. Die Anberaumung einer Tagsatzung auf einen anderen Feiertag ist nur bei Gefahr im Verzuge zulässig.

Welche Tage im Sinne dieses Gesetzes als Feiertage zu gelten haben, wird durch Verordnung bestimmt.

§. 222. Die Gerichtsferien dauern sechs Wochen. Der Beginn derselben wird für die einzelnen Königreiche und Länder im Verordnungswege festgesetzt.

§. 223. Während der Gerichtsferien werden nur in Ferialsachen Tagsatzungen abgehalten und Entscheidungen erlassen.

Auf das Mahnverfahren, sowie auf das Executionsverfahren mit Einschluss der Verhandlung über die Meistbotvertheilung haben die Gerichtsferien keinen Einfluss.

§. 224. Ferialsachen sind:

1. Wechselstreitigkeiten;

2. Processe, in welchen über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird;

3. Streitigkeiten wegen Störung des Besitzstandes bei Sachen und bei Rechten, wenn das Klagebegehren nur auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten Besitzstandes gerichtet ist;

4. Streitigkeiten über Aufkündigung, Übergabe und Übernahme gepachteter oder gemieteter Sachen, Wohnungen oder anderer Räume und solcher Sachen, die gegen einen Zins in Früchten (§. 1103 a.b.G.B.) zum Gebrauche überlassen wurden;

5. Streitigkeiten aus dem Dienst- und Lohnvertrage zwischen Dienstgebern und Dienstboten oder anderen im Dienstvertrage stehenden Personen, zwischen Land- und Forstwirten und ihren land- und forstwirtschaftlichen Hilfsarbeitern und Taglöhnern, zwischen Bergwerksbesitzern und allen sonstigen Arbeitgebern und den von ihnen beschäftigten Werkführern, Gehilfen, Arbeitern oder Lehrlingen, sowie Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnisse der Schiffsmannschaft;

6. Streitigkeiten zwischen Wirten, Schiffern, Flößern oder Fuhrleuten einerseits und ihren Gästen, Reisenden oder Auftraggebern andererseits über die aus diesen ihren gegenseitigen Verhältnissen entspringenden Verpflichtungen;

7. alle sonstigen Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von fünfzig Gulden nicht übersteigt;

(399) 8. Anträge auf Bewilligung, Einschränkung oder Aufhebung von einstweiligen Verfügungen.

Der Vorsteher des Gerichtes oder der Vorsitzende des Senates, dem eine Rechtssache zugewiesen ist, kann überdies auch andere Sachen, soweit sie einer schleunigen Erledigung bedürfen, von Fall zu Fall als Ferialsache erklären. Eine solche Verfügung kann durch Rechtsmittel nicht angefochten werden.

§. 225. Die Gerichtsferien hemmen den Lauf einer Frist; der noch übrige Theil der Frist beginnt mit dem Ende der Gerichtsferien zu laufen.

Fällt der Umfang einer Frist in die Gerichtsferien, so beginnt der Lauf der Frist mit dem Ende der Gerichtsferien. Auf Anfang und Ablauf von Nothfristen und von Fristen in Ferialsachen hat der Eintritt der Gerichtsferien keinen Einfluss.

Zweiter Theil.

Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz.

Erster Abschnitt.

Verfahren bis zum Urtheile.

Erster Titel.

Klage, Klagebeantwortung, vorbereitendes Verfahren und Streitverhandlung.

Klage.

§. 226. Die mittels vorbereitenden Schriftsatzes anzubringende Klage hat ein bestimmtes Begehren zu enthalten, die Thatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet, im einzelnen kurz und vollständig anzugeben, und ebenso die Beweismittel im einzelnen genau zu bezeichnen, deren sich der Kläger zum Nachweise seiner thatsächlichen Behauptung bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt.

Wenn die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes vom Werte des Streitgegenstandes abhängt und die Klage nicht auf eine Geldsumme gerichtet ist, sind in die Klage auch die erforderlichen Angaben über den Wert des Streitgegenstandes aufzunehmen. Wenn die Klage einen Gegenstand der Handels-, See- oder Berggerichtsbarkeit betrifft, jedoch bei einem Gerichtshofe angebracht wird, welchem nicht nur diese besondere, sondern auch die allgemeine Gerichtsbarkeit zusteht, so ist bei der Bezeichnung des Gerichtes ersichtlich zu machen, dass die Verhandlung der Rechtssache vor dem Handelssenate oder vor dem zur Ausübung der Bergerichtsbarkeit bestimmten Senate beantragt wird.

Im übrigen sind auf die Klageschrift die allgemeinen Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze anzuwenden.

§. 227. Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie nicht in thatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhange stehen, in derselben Klage geltend gemacht werden, wenn für sämmtliche Ansprüche das Processgericht zuständig und dieselbe Art des Verfahrens zulässig ist.

§. 228. Es kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes, auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde oder Feststellung der Unechtheit derselben Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtverhältnis oder Recht oder die Urkundenechtheit durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

§. 229. Schon in der Klage kann der Antrag gestellt werden:

1. dass dem Beklagten bei der Ladung zur ersten Tagsatzung oder bei der Ladung zur mündlichen Streitverhandlung aufgetragen werde, gewisse genau zu bezeichnende, dem Kläger zu einer Beweisführung nöthig scheinende und im Besitze des Beklagten befindliche Urkunden, Auskunftssachen oder in Augenschein zu nehmende Gegenstände zur Verhandlung mitzubringen;

2. dass das Erforderliche verfügt werde, damit die für eine Beweisführung voraussichtlich nöthigen, bei einer öffentlichen Behörde oder bei einem Notar verwahrten Urkunden, Auskunftssachen oder Augenscheinsgegenstände, die gleichfalls genau zu bezeichnen sind, zur ersten Tagsatzung oder zur mündlichen Streitverhandlung rechtzeitig herbeigeschafft werden;

3. dass die zur Bewahrheitung thatsächlicher Behauptungen in der Klage namhaft gemachten Zeugen zur ersten Tagsatzung oder zur mündlichen Streitverhandlung geladen werden.

Dem unter Z. 2 erwähnten Antrage ist nur dann stattzugeben, wenn sich die Partei die betreffenden Urkunden, Auskunftssachen oder Augenscheinsgegenstände nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften ohne Mitwirkung des Gerichtes nicht zu verschaffen vermag, oder wenn ihr deren Ausfolgung von der

(400) Behörde oder dem Notar in ungerechtfertigter Weise verweigert wurde.

In Bezug auf Beweismittel, welche sich auf andere als die der ersten Tagsatzung vorbehaltenen Fragen beziehen, kann bei Anberaumung der ersten Tagsatzung eine Verfügung nicht getroffen werden.

§. 230. Auf Grund der Klage hat der Vorsitzende des Senates, welchem die Rechtssache zugewiesen ist, eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

Wenn er jedoch der Ansicht ist, dass die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichtes oder wegen des Mangels der Processfähigkeit oder der erforderlichen gesetzlichen Vertretung auf Seiten des Klägers oder Beklagten unzulässig ist, so hat er die Entscheidung des Senates darüber einzuholen, ob die Tagsatzung anzuberaumen oder eine Verfügung im Sinne des §. 6 zu erlassen oder die Klage als zur Bestimmung der Tagsatzung ungeeignet zurückzustellen sei.

§. 231. Die erste Tagsatzung ist mit Bedachtnahme auf die für die Zustellung der Klage voraussichtlich erforderliche Zeit so anzuberaumen, dass zwischen der Zustellung und der Tagsatzung ungefähr ein Zeitraum von vierzehn Tagen zu liegen kommt.

Wenn der Aufenthalt des Beklagten unbekannt ist, kann die erste Tagsatzung nach Maßgabe der Verhältnisse auch auf einen entfernteren Zeitpunkt, in dringenden Fällen hingegen, wenn sich der Beklagte am Gerichtsorte aufhält oder doch diesen Ort leicht in kurzer Zeit erreichen kann, auf Antrag auf einen näher gelegenen Zeitpunkt, und wenn nöthig selbst so bestimmt werden, dass zwischen der Zustellung und der Tagsatzung nur ein Zeitraum von vierundzwanzig Stunden liegt.

Streitanhängigkeit.

§. 232. Die Rechtshängigkeit der Streitsache (Streitanhängigkeit) wird durch die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten begründet. Zur Wahrung einer Frist sowie zur Unterbrechung des Ablaufes einer Frist genügt, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist, die Überreichung der Klage bei Gericht.

Wird von einer Partei erst im Laufe des Processes ein Anspruch erhoben, so tritt die Streitanhängigkeit in Ansehung dieses Anspruches mit dem Zeitpunkte ein, in welchem derselbe bei der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wurde.

§. 233. Die Streitanhängigkeit hat die Wirkung, dass während ihrer Dauer über den geltend gemachten Anspruch weder bei demselben noch bei einem anderen Gerichte ein Rechtsstreit durchgeführt werden darf. Eine während der Streitanhängigkeit wegen des nämlichen Anspruches angebrachte Klage ist auf Antrag oder von amtswegen zurückzuweisen.

Nach dem Eintritte der Streitanhängigkeit kann der Beklagte, wenn die sonstigen gesetzlichen Bedingungen des Gerichtsstandes der Widerklage vorhanden sind, bei dem Gerichte der Klage insolange eine Widerklage anbringen, als nicht die mündliche Verhandlung in erster Instanz geschlossen ist.

§. 234. Die Veräußerung einer in Streit verfangenen Sache oder Forderung hat auf den Process keinen Einfluss. Der Erwerber ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners als Hauptpartei in den Process einzutreten.

Klagsänderung.

§. 235. Zu einer Änderung der bei Gericht überreichten Klage, und namentlich zu einer Erweiterung des Klagebegehrens, durch welche die Zuständigkeit des Processgerichtes nicht ausgeschlossen wird, ist der Kläger vor Eintritt der Streitanhängigkeit stets berechtigt.

Nach Eintritt der Streitanhängigkeit bedarf er hiezu der Einwilligung des Gegners; diese Einwilligung ist als vorhanden anzunehmen, wenn der Beklagte, ohne gegen die Abänderung Einwendung zu erheben, über die abgeänderte Klage verhandelt.

Das Gericht kann jedoch solche Änderung selbst nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ungeachtet der Einwendung des Gegners zulassen, wenn aus der Änderung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes die thatsächlichen Angaben der Klage und die in derselben angebotenen Beweise geändert, ergänzt, erläutert oder berichtigt werden, oder wenn, gleichfalls ohne Änderung des Klagegrundes, das Klagebegehren in der Hauptsache oder in Beziehung auf Nebenforderungen beschränkt oder statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Zwischenantrag auf Feststellung.

§. 236. Der Kläger kann ohne Zustimmung des Beklagten bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung,

(401) über welche das Urtheil ergeht, den Antrag stellen, dass ein im Laufe des Processes streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Theile abhängt, in dem über die Klage ergehenden oder in einem demselben vorausgehenden Urtheile festgestellt werde.

Dieses Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn über den Gegenstand des neuen Antrages nur in einem besonderen, für Angelegenheiten dieser Art ausschließlich vorgeschriebenen Verfahren verhandelt werden kann, oder wenn die Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte der beantragten Entscheidung entgegenstehen.

Zurücknahme der Klage.

§. 237. Die Klage kann ohne Zustimmung des Beklagten nur bis zum Beginn der ersten Tagsatzung, wenn aber der Beklagte zu dieser nicht erscheint, auch noch bei der ersten Tagsatzung zurückgenommen werden.

Die Zurücknahme der Klage geschieht durch einen dem Beklagten zuzustellenden Schriftsatz oder durch eine bei der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung. Die Zustellung des Schriftsatzes erfolgt auf Grund einer Verfügung des Vorsitzenden ohne vorgängige Beschlussfassung des Senates.

Die Zurücknahme der Klage hat zur Folge, dass die Klage als nicht angebracht anzusehen ist und der Kläger dem Beklagten alle Processkosten zu ersetzen hat, zu deren Tragung der Beklagte nicht bereits rechtskräftig verpflichtet erkannt wurde. Über den Antrag auf Zuerkennung des Kostenersatzes entscheidet der Senat nach vorhergehender mündlicher Verhandlung durch Beschluss.

Die zurückgenommene Klage kann neuerlich angebracht werden, wenn nicht bei deren Zurücknahme auf den geltend gemachten Anspruch verzichtet wurde.

§. 238. Die in §. 237 bezeichneten Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn eine Klage in Gemäßheit der Bestimmungen dieses Gesetzes als zurückgenommen zu gelten hat.

Erste Tagsatzung.

§. 239. Die erste Tagsatzung findet vor dem Vorsitzenden des Senates oder vor einem von diesem beauftragten Mitglied des Senates statt.

Die erste Tagsatzung ist zur Vornahme eines Vergleichsversuches, zur Anmeldung der Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Unzuständigkeit des Gerichtes, der Streitanhängigkeit und der rechtskräftig entschiedenen Streitsache, sowie zur Entgegennahme der Erklärung des benannten Auctors bestimmt. Bei der ersten Tagsatzung ist ferner der Antrag auf Sicherheitsleistung für die Processkosten zu stellen; auch kann bei der ersten Tagsatzung die Streitsache auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichtes oder infolge Versäumnis durch Urtheil erledigt oder vom Kläger der Antrag auf Bewilligung der Änderung der Klage angebracht werden.

Über den Antrag auf Sicherheitsleistung für die Processkosten oder auf Gestattung der Klagsänderung, sowie über den bei der ersten Tagsatzung von einer Partei wegen der Processunfähigkeit eines der Streittheile oder wegen mangelnder Berechtigung der als Vertreter einschreitenden Person gestellten Antrag auf Zurückweisung der Klage ist sogleich bei der ersten Tagsatzung zu verhandeln und zu entscheiden. Auch von amtswegen kann eine Erörterung über die letzteren Punkte oder über eine durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht zu beseitigende Unzuständigkeit des Gerichtes bei der ersten Tagsatzung eingeleitet und auf Grund dessen ein Beschluss über die Einstellung des Verfahrens gefasst werden.

Alles andere Anbringen ist von der ersten Tagsatzung ausgeschlossen.

§. 240. Die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichtes muss bei der ersten Tagsatzung angemeldet werden.

Nach Abhaltung der ersten Tagsatzung kann die Unzuständigkeit des Gerichtes nur mehr insoweit berücksichtigt werden, als es sich um eine durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht zu beseitigende Unzuständigkeit handelt.

Die Unzulässigkeit des Rechtsweges, die Streitanhängigkeit und die Rechtskraft eines die Streitsache betreffenden Urtheiles sind jederzeit von amtswegen zu berücksichtigen.

§. 241. Wenn bei der ersten Tagsatzung infolge der vom benannten Auctor abgegebenen Erklärung eine Einigung der Betheiligten in Ansehung der Übernahme des Processes durch den Auctor zustande kommt, so hat der Vorsitzende oder der mit der Abhaltung der ersten Tagsatzung beauftragte Richter auf entsprechenden Antrag gleich bei der Tagsatzung den Beklagten durch Beschluss von der Klage zu entbinden.

§. 242. Erfolgt die Erstreckung der ersten Tagsatzung wegen eines Umstandes, der sich dem rechtzeitigen Erscheinen des Beklagten entgegenstellt oder diesen daran hindert, bei der Tagsatzung die Einreden anzumelden

(402) und die Anträge zu stellen, zu deren Anbringung die erste Tagsatzung bestimmt ist, so finden die Bestimmungen über die erste Tagsatzung auch auf die erstreckte Tagsatzung Anwendung.

Diese findet gleichfalls vor dem Vorsitzenden des Senates oder vor dem von diesem beauftragten Mitgliede des Senates statt.

Beantwortung der Klage.

§. 243. Der mit der Abhaltung der ersten Tagsatzung betraute Richter hat, falls sich nach den Ergebnissen dieser Tagsatzung die Anordnung einer Streitverhandlung als nothwendig darstellt, sogleich bei der Tagsatzung dem Beklagten die Beantwortung der Klagschrift durch Beschluss aufzutragen und für die Beantwortung eine den Umständen des einzelnen Falles angemessene, vier Wochen nicht überschreitende Frist zu bestimmen. Gegen diesen Beschluss ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Die Beantwortung hat mittels vorbereitenden Schriftsatzes zu geschehen. Soferne nicht inzwischen bereits vom Gerichte eine abgesonderte Verhandlung über die vom Beklagten vorgebrachten Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Unzuständigkeit, der Streitanhängigkeit oder der rechtskräftig entschiedenen Streitsache angeordnet wurde, hat der Beklagte in dem von ihm zu überreichenden Schriftsatze insbesondere auch die zur Begründung dieser Einreden dienenden Umstände anzugeben und die zu deren Bewahrheitung dienenden Beweise zu bezeichnen.

In dem Schriftsatze kann der Beklagte auch einen oder mehrere der in §. 229 angeführten Anträge oder den Antrag auf Einleitung eines vorbereitenden Verfahrens vor einem beauftragten Richter stellen.

Einleitung der Streitverhandlung.

§. 244. Nach rechtzeitig überreichter Klagebeantwortung hat der Vorsitzende des Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, wenn die Einleitung eines vorbereitenden Verfahrens beantragt wurde, oder der Vorsitzende die Einleitung eines solchen Verfahrens geboten oder zweckmäßig hält, hierüber die Entscheidung des Senates einzuholen, andernfalls aber die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anzuberaumen.

Letzeres hat auch dann zu geschehen, wenn der Senat die Einleitung eines vorbereitenden Verfahrens abzulehnen beschließt.

Vorbereitendes Verfahren.

§. 245. Ein die mündliche Streitverhandlung vorbereitendes Verfahren vor einem beauftragten Richter kann angeordnet werden:

1. in den Rechtsstreitigkeiten, welche die Richtigkeit einer Rechnung, eine Vermögensauseinandersetzung oder ähnliche Verhältnisse betreffen, in welchen über eine erhebliche Zahl von streitigen Ansprüchen oder Gegenansprüchen und Erinnerungen zu verhandeln ist;

2. wenn das in den vorbereitenden Schriftsätzen enthaltene thatsächliche Vorbringen von solchem Umfange oder von solcher Art ist, dass sich die vorgängige Ordnung und Sichtung desselben behufs Beschleunigung und Vereinfachung der mündlichen Streitverhandlung als geboten darstellt;

3. wenn sich die Parteien zur Bewahrheitung von bestrittenen, aber erheblich scheinenden Thatumständen auf Beweise berufen, welche während der mündlichen Streitverhandlung vor dem Processgerichte nicht aufgenommen werden können, oder deren Aufnahme die mündliche Streitverhandlung voraussichtlich erheblich erschweren oder unverhältnismäßig verzögern würde, insbesondere wenn sich die Parteien auf Zeugen berufen, welche weder am Sitze des Processgerichtes, noch in dessen Nähe wohnen, oder wenn es zur Ermittlung der Wahrheit dienlich scheint, namhaft gemachte Zeugen außerhalb der Verhandlung an Ort und Stelle zu vernehmen.

§. 246. Die Einleitung eines vorbereitenden Verfahrens kann vom Senate auf Antrag des Klägers selbst nach Anberaumung der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung angeordnet werden, wenn dieser Antrag innerhalb einer Woche nach Zustellung der Klagebeantwortung angebracht wird.

Ergibt sich die Nothwendigkeit der im §. 245, Z. 3, angeführten Beweisaufnahmen erst während der mündlichen Streitverhandlung, so kann der Senat jederzeit nach Anhörung der Parteien den Rechtsstreit oder einen oder mehrere selbständige Streitpunkte zu vorbereitendem Verfahren vor einen beauftragten Richter verweisen, falls diese Maßregel zur Erleichterung der Sachverhaltsfeststellung oder zur Beschleunigung der Processerledigung geeignet erscheint und dadurch voraussichtlich auch der Kostenaufwand keine Steigerung erfährt.

§. 247. Über die Einleitung eines vorbereitenden Verfahrens entscheidet der Senat mit Ausnahme des in §. 246, Absatz 2, angegebenen Falles, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Der Senat kann jedoch stets vor der Entscheidung alle zu seiner Aufklärung erforderlichen Erhebungen pflegen. Die Beschlüsse, durch welche ein vorbereitendes Verfahren angeordnet oder der Antrag auf Einleitung eines solchen abgewiesen wird, können durch Recurs nicht angefochten werden.

(403) In dem Beschlusse, durch welchen ein vorbereitendes Verfahren angeordnet wird, ist zugleich der beauftragte Richter zu bezeichnen, vor welchem dieses Verfahren stattfinden soll. Wird derselbe verhindert, den Auftrag zu vollziehen, so hat der Vorsteher des Gerichtshofes ein anderes Mitglied des Gerichtes zur Durchführung des vorbereitenden Verfahrens zu bestellen.

§. 248. Die Tagsatzung für das vorbereitende Verfahren und, falls eine Erstreckung stattfindet, jede weitere Tagsatzung wird von dem beauftragten Richter bestimmt und den Parteien oder deren Vertretern bekanntgegeben.

§. 249. Der beauftragte Richter hat im vorbereitenden Verfahren alle in §§. 180 bis 185 angeführten Befugnisse und Obliegenheiten des Vorsitzenden. Er kann die im vorbereitenden Verfahren zulässigen Beweisaufnahmen anordnen und entweder selbst ausführen oder durch einen ersuchten Richter ausführen lassen. Bei einer Beweisaufnahme kommen ihm insbesondere auch die Befugnisse zu, welche im Verfahren vor Gerichtshöfen bei einer vor dem erkennenden Gerichte stattfindenden Beweisaufnahme vom Vorsitzenden geübt werden. Desgleichen hat der beauftragte Richter in Ansehung der von einem ersuchten Richter eingesendeten Beweisaufnahmeacten die Obliegenheiten des Vorsitzenden auszuüben.

Die eidliche Vernehmung der Parteien kann im vorbereitenden Verfahren nicht erfolgen.

§. 250. Wenn einer der im §. 245, Z. 1, erwähnten Processe zu vorbereitendem Verfahren verwiesen wurde, so ist in diesem Verfahren über die einzelnen von den Parteien geltend gemachten Ansprüche und Gegenansprüche, Angriffs- und Vertheidigungsmittel, Erinnerungen und Erläuterungen in der vom beauftragten Richter zu bestimmenden Reihenfolge abgesondert mündlich zu verhandeln. Auf Grund dieser Verhandlung ist zu Protokoll festzustellen:

1. welche Ansprüche und Gegenansprüche erhoben und welche Angriffs- und Vertheidigungsmittel geltend gemacht werden;

2. welche von diesen Ansprüchen, Gegenansprüchen, Angriffs- und Vertheidigungsmitteln streitig und welche unbestritten sind;

3. in Ansehung der bestrittenen ist das vollständige Sachverhältnis, wie es sich aus dem Vorbringen der Parteien ergibt, darzustellen, unter Angabe der von den Parteien bezeichneten Beweismittel, der geltend gemachten Beweiseinreden und der abgegebenen Erklärungen über Beweismittel und Beweiseinreden.

Der beauftragte Richter hat zugleich dafür zu sorgen, dass die Urkunden, auf welche sich die Parteien für bestrittene Behauptungen bezogen haben und welche nach den Ergebnissen der Verhandlung zur Beweisführung dienlich scheinen, von den Parteien vorgelegt werden; nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes hat er diese Urkunden herbeizuschaffen. Gleiches gilt in Ansehung der zur Beweisführung dienlichen Auskunftssachen und der zu besichtigenden Augenscheinsgegenstände, welche vor Gericht gebracht werden können. Eine Aufnahme von Beweisen hat im vorbereitenden Verfahren nur dann stattzufinden, wenn hinsichtlich dieser Beweise einer der im §. 245, Z. 3, angeführten Umstände zutrifft oder die Aufnahme des Beweises zum Zwecke der Sicherung des Beweises nothwendig ist.

§. 251. Wenn ein Rechtsstreit wegen der Beschaffenheit des thatsächlichen Vorbringens zu vorbereitendem Verfahren verwiesen wird (§. 245, Z. 2), hat der beauftragte Richter durch Einvernehmung der Parteien oder im Wege der mündlichen Verhandlung mit denselben in Ansehung aller nach dem Inhalte der vorbereitenden Schriftsätze bestrittenen Ansprüche, Angriffs- und Vertheidigungsmittel das vollständige Sachverhältnis zu ermitteln und dasselbe unter Anführung der Beweismittel, der geltend gemachten Beweiseinreden und der über Beweismittel und Beweiseinreden von den Parteien abgegebenen Erklärungen zu Protokoll festzustellen. Außerden hat der beauftragte Richter das Beweisverfahren vor dem erkennenden Gerichte im Sinne der Bestimmungen des §. 250, letzter Absatz, vorzubereiten.

§. 252. Über die in den vorbereitenden Schriftsätzen geltend gemachten Ansprüche und Gegenansprüche darf im vorbereitenden Verfahren nicht hinausgegangen werden; jedoch können die Parteien vor dem beauftragten Richter zur Begründung und Bekämpfung dieser Ansprüche auch solche thatsächliche Behauptungen vorbringen und Beweise anbieten, welche in den vorbereitenden Schriftsätzen noch nicht angeführt waren.

Die Ermittlungen, protokollarischen Feststellungen und Beweisaufnahmen des vorbereitenden Verfahrens haben sich auch auf die zur Begründung der Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Unzuständigkeit des Gerichtes, der Streitanhängigkeit und der rechtskräftig entschiedenen Streitsache vorgebrachten Umstände zu erstrecken, falls nicht über diese Einreden vom Gerichte eine besondere Verhandlung angeordnet wurde.

(404) Soweit zu Protokoll festzustellende Behauptungen, Erklärungen und Beweisanbietungen einer Partei in einem bei Gericht überreichten, dem beauftragten Richter vorliegenden Schriftsatze enthalten sind, ist die Protokollierung durch Bezugnahme auf den Schriftsatz zu ersetzen.

Wird bei einer Tagsatzung des vorbereitenden Verfahrens ein Anspruch vom Gegner anerkannt, so ist von einer protokollarischen Feststellung des Inhaltes der etwa vorangegangenen, den zugestandenen Anspruch betreffenden Verhandlung abzusehen.

§. 253. Wenn ein vorbereitendes Verfahren zum Behufe der Aufnahme von Beweisen angeordnet wird (§. 245, Z. 3), hat der beauftragte Richter vorerst durch Einvernehmung der Parteien das Sachverhältnis insoweit zu ermitteln, als die Kenntnis desselben nothwendig ist, um die ihm übertragenen Beweisaufnahmen leiten und so vollständig durchführen zu können, wie es der Zweck der Erleichterung und Beförderung der wahrheitsgemäßen Sachverhaltsfeststellung in der mündlichen Streitverhandlung im einzelnen Falle verlangt. Das Ergebnis dieser Einvernehmung ist zu Protokoll festzustellen (§. 252, Absatz 3). Die Beweisaufnahmen des beauftragten Richters haben sich auf diejenigen Beweise zu beschränken, wegen welcher die Rechtssache zu vorbereitendem Verfahren verwiesen wurde.

§. 254. Wenn ein Theil bei einer, nicht bloß zur Beweisaufnahme bestimmten, Tagsatzung vor dem beauftragten Richter nicht erscheint, ist das Vorbringen der erschienenen Partei nach Maßgabe der für das vorbereitende Verfahren im einzelnen Falle geltenden Vorschriften zu Protokoll festzustellen und eine neue Tagsatzung anzuberaumen. Zu dieser Tagsatzung ist die bei der früheren Tagsatzung nicht erschienene Partei, und zwar auf Antrag ihres Gegners unter Mittheilung einer Abschrift des Protokolls und unter Ankündigung der mit ihrem abermaligen Nichterscheinen verbundenen Folgen zu laden.

Wenn die Partei auch bei der neuerlichen Tagsatzung nicht erscheint, so sind die in der zugestellten Protokollsabschrift enthaltenen thatsächlichen Behauptungen der erschienenen Partei für wahr zu halten und es können die von der nicht erschienenen Partei über angebotene oder vorgelegte Beweismittel abzugebenden Erklärungen nicht mehr nachgeholt werden.

§. 255. Gegen die von dem beauftragten Richter während des vorbereitenden Verfahrens erlassenen Anordnungen und Beschlüsse, deren Anfechtung im Wege eines besonderen Rechtsmittels nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zulässig erscheint, kann beim Vorsitzenden des Senates, welchem die Rechtssache zugewiesen ist, Abhilfe gesucht werden. Der bezügliche Antrag kann mündlich angebracht werden. Vor der Entscheidung ist dem beauftragten Richter Gelegenheit zur Äußerung zu geben; auch können andere Erhebungen früher eingeleitet werden.

Desgleichen hat der Vorsitzende auf Anzeige einer der Parteien oder von amtswegen die Abstellung etwaiger Verzögerungen in der Erledigung des vorbereitenden Vefahrens zu verfügen.

Gegen die Entscheidung des Vorsitzenden ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Von dem beauftragten Richter zurückgewiesene Anträge auf Aufnahme von Beweisen oder Herbeischaffung von Urkunden, Auskunftssachen, Augenscheinsgegenständen können in der Verhandlung vor dem Processgerichte erneuert werden.

§. 256. Nach thunlich zu beschleunigendem Abschlusse des vorbereitenden Verfahrens sind die gesammten Acten und insbesondere auch alle während des vorbereitenden Verfahrens aufgenommenen Protokolle und die dem beauftragten Richter vorgelegten oder ausgefolgten Beweisurkunden, Auskunftssachen und Augenscheinsgegenstände dem Vorsitzenden des Senates, vor welchem die Streitverhandlung stattfinden soll, zu übergeben. Wenn nicht vom Vorsitzenden oder auf dessen Antrag vom Senate in nicht öffentlicher Sitzung eine Ergänzung des vorbereitenden Verfahrens verfügt wird, hat der Vorsitzende die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung von amtswegen anzuberaumen.

Gegen den Beschluss auf Ergänzung des vorbereitenden Verfahrens ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Mündliche Streitverhandlung.

§. 257. Die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung ist so anzuberaumen, dass den Parteien von Zustellung der Ladung an mindestens eine Frist von acht Tagen zur Vorbereitung für die Streitverhandlung offen bleibt.

Bei Anberaumung der Tagsatzung hat der Vorsitzende zugleich über die gemäß §. 229 in einem vorbereitenden Schriftsatze gestellten Anträge, sofern dieselben nicht etwa bereits bei Anberaumung der ersten Tagsatzung oder durch ein eingeleitetes vorbereitendes Verfahren ihre Erledigung gefunden haben, die nöthigen Anordnungen zu erlassen. Gegen diese Anordnungen ist ein Rechtsmittel nicht zulässig; es können jedoch die Anträge, welchen vom Vorsitzenden nicht willfahrt wurde,

(405) bei der mündlichen Streitverhandlung von der Partei erneuert werden. Desgleichen bleibt es den Parteien unbenommen, ihre etwaigen Einwendungen gegen die vom Vorsitzenden über derlei Anträge erlassenen Anordnungen bei der mündlichen Streitverhandlung vorzubringen.

Von den Anordnungen und Beschlüssen, welche über die im vorgehenden Absatze bezeichneten Anträge ergehen, ist auch der Gegner der antragstellenden Partei stets ohne Aufschub zu verständigen.

§. 258. Falls die Streitverhandlung ohne vorgängiges vorbereitendes Verfahren angeordnet wird, können sich die Parteien in der Klage oder Klagebeantwortung noch nicht enthaltene Anträge, Angriffs- und Vertheidigungsmittel, Behauptungen und Beweise, welche sie in der Streitverhandlung geltend machen woööen, in der Zeit zwischen Anberaumung und Beginn der Streitverhandlung durch besonderen vorbereitenden Schriftsatz mittheilen. Unter der gleichen Bedingung können von den Parteien während dieser Zeit noch Anträge im Sinne des §. 229 mittels Schriftsatz oder zu gerichtlichem Protokoll gestellt werden. Der Vorsitzende hat hierüber die ihm nöthig scheinenden Anordnungen ohne Aufschub zu erlassen (§. 257).

Wenn auf diese Art Beweise für die Streitverhandlung angekündigt werden, bezüglich deren Aufnahme eine der Voraussetzungen des §. 245, Z. 3, zutreffen würde, so kann das Gericht unverzüglich unter Aufhebung der anberaumten Tagsatzung die Verweisung der Rechtssache zu vorbereitendem Verfahren vor einem beauftragten Richter aussprechen (§. 247).

§. 259. Die Streitverhandlung erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften über die mündliche Verhandlung; sie umfasst auch die Beweisaufnahme und die Erörterung ihrer Ergebnisse.

Während der mündlichen Streitverhandlung kann der Beklagte, ohne der Zustimmung des Klägers zu bedürfen, einen Antrag auf Feststellung im Sinn des §. 236 stellen.

§. 260. Die Partei, welche eine der im §. 239, Absatz 2, bezeichneten Einreden erhebt, ist nicht berechtigt, deshalb die Einlassung in die Verhandlung zur Hauptsache zu verweigern. Der Senat kann schon vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung die abgesonderte Verhandlung über solche Einreden anordnen; in diesem Falle ist zugleich die Tagsatzung zur Verhandlung über die Einrede von amtswegen anzuberaumen.

In Bezug auf diese Anordnungen gelten die Vorschriften des §. 192.

Die vorstehenden Bestimmungen haben auch Anwendung zu finden, wenn eine Partei erst während der mündlichen Streitverhandlung die Unzulässigkeit des Rechtsweges, die Unzuständigkeit des Gerichtes, die Streitanhängigkeit oder das Vorhandensein einer rechtskräftigen Entscheidung über den Klagsanspruch geltend macht (§. 240). Die Partei kann deshalb nicht die weitere Theilnahme an der Verhandlung zur Hauptsache verweigern.

§. 261. Über die wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, wegen Unzuständigkeit des Gerichtes, wegen Streitanhängigkeit oder Rechtskraft vorgebrachten Einreden und Anträge ist nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Die Entscheidung hat mittels Beschlusses zu erfolgen; wurde jedoch über diese Einreden und Anträge in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt, so ist die Entscheidung, womit dieselben abgewiesen werden, nicht besonders auszufertigen, sondern in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen.

Wenn die Einrede oder der Antrag zwar bei dem mündlichen Streitverhandlung, jedoch auf Grund abgesonderter Verhandlung verworfen wird, so kann der Senat nach Begründung des Beschlusses auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass die Verhandlung zur Hauptsache sogleich aufgenommen werde. In diesem Falle ist die verkündete Entscheidung über die Zulässigkeit oder Rechtskraft nicht besonders auszufertigen, sondern gleichfalls in die Entscheidung aufzunehmen, welche in der Hauptsache gefällt wird. Gegen die wegen Aufnahme der Verhandlung zur Hauptsache ergehende Anordnung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Sofern der Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsweges, Zuständigkeit, Streitanhängigkeit oder Rechtskraft in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufgenommen wird, kann derselbe nur mittels des gegen die Entscheidung in der Hauptsache offen stehenden Rechtsmittels angefochten werden.

Wenn eine der obgedachten Einreden oder Anträge durch eine abgesonderte Entscheidung abgewiesen wird, ohne dass sogleich zur Verhandlung der Hauptsache übergegangen würde, kann jede Partei nach Rechtskraft des Beschlusses die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung in der Hauptsache beantragen.

Die vorstehenden Bestimmungen haben auch Anwendung zu finden, wenn der Senat die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges, der Streitanhängigkeit oder Rechtskraft einer über den Klagsanspruch ergangenen Entscheidung von amtswegen aufwirft und zum Gegenstande der mündlichen Verhandlung macht.

(406) §. 262. Wenn der Streitverhandlung ein vorbereitendes Verfahren gemäß §§. 250 oder 251 vorausgegangen ist, sind die Ergebnisse des vorbereitenden Verfahrens bei der Streitverhandlung auf Grund der gerichtlichen Protokolle durch ein Mitglied des Senates vorzutragen.

Bei der Streitverhandlung können die Protokolle über die in einem vorbereitenden Verfahren stattgefundenen Verhandlungen, Einvernehmungen und Beweisaufnahmen auf Antrag oder von amtswegen ganz oder zum Theile vorgelesen werden. Die Vorlesung geschieht durch ein Mitglied des Senates oder durch den Schriftführer.

§. 263. Die im vorbereitenden Verfahren vor dem beauftragten Richter erschienene Partei kann eine trotz Aufforderung des Richters unterlassene oder verweigerte Erklärung über Thatsachen, angebotene oder vorgelegte Beweise in der mündlichen Streitverhandlung nicht mehr nachholen.

Wenn der Streitverhandlung ein vorbereitendes Verfahren gemäß §§. 250 und 251 vorausgegangen ist, können neue Ansprüche, Behauptungen, Beweismittel und Beweiseinreden, welche sich auf die im vorbereitenden Verfahren erörterten Theile des Rechtsstreites beziehen, in der mündlichen Streitverhandlung im Falle gegnerischen Einspruches nur geltend gemacht werden, wenn von der Partei glaubhaft gemacht wird, dass sie von dem Bestande dieser Ansprüche, sowie von den neu vorgebrachten Behauptungen, Beweismitteln und Beweiseinreden zur Zeit des vorbereitenden Verfahrens keine Kenntnis hatte.

§. 264. Zum vorbereitenden Verfahren bereits abgehörte Zeugen oder einvernommene Sachverständige sind in der mündlichen Streitverhandlung neuerlich einzuvernehmen, wenn der Senat eine solche Erneuerung der Beweisaufnahme zur Behebung begründet erscheinender Einwendungen gegen die Vollständigkeit oder Richtigkeit einer im vorbereitenden Verfahren stattgefundenen Beweisaufnahme oder zur wahrheitsmäßigen Feststellung des für die Processentscheidung erheblichen Sachverhaltes für nothwendig erachtet.

Feststellungen zu Protokoll.

§. 265. Der Vorsitzende kann anordnen, dass Anträge und Erklärungen, die zufolge §§. 208 und 209 in das Verhandlungsprotokoll aufzunehmen sind, von der Partei, welche den Antrag gestellt oder die Erklärung abgegeben hat, niedergeschrieben und dem Vorsitzenden übergeben werden. Den Parteien kann auch dann, wenn die Vorlage einer Niederschrift von Vorsitzenden nicht angeordnet wurde, auf Antrag gestattet werden, die oben bezeichneten Anträge und Erklärungen durch die Überreichung kurzer Niederschriften festzustellen.

Die Niederschrift hat sogleich bei der mündlichen Verhandlung zu geschehen. Die dem Vorsitzenden überreichten Schriftstücke sind dem Verhandlungsprotokolle als Unterlage beizufügen.

Die angeordneten oder zugelassenen schriftlichen Feststellungen sind vorzulesen; über deren Richtigkeit entscheidet der Senat.

Der Beschluss, durch welchen solche schriftliche Feststellung angeordnet oder zugelassen wird, sowie die über die Richtigkeit einer schriftlichen Feststellung ergehende Entscheidung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

Zweiter Titel.

Allgemeine Bestimmungen über den Beweis und die Beweisaufnahme.

Beweis.

§. 266. Die von einer Partei behaupteten Thatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie vom Gegner in einem vorbereitenden Schriftsatze, im Laufe des Rechtsstreites bei einer mündlichen Verhandlung oder im Protokolle eines beauftragten oder ersuchten Richters ausdrücklich zugestanden werden. Zur Wirksamkeit eines gerichtlichen Thatsachengeständnisses ist dessen Annahme seitens des Gegners nicht erforderlich.

Inwieferne ein solches Geständnis durch demselben von der Partei beigefügte Zusätze und Einschränkungen aufgehoben oder in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt wird, und welchen Einfluss ein Widerruf auf die Wirksamkeit des Geständnisses hat, ist vom Gerichte nach seinem durch sorgfältige Erwägung aller Umstände geleiteten Ermessen zu beurtheilen.

Zu gleicher Weise hat das Gericht zu beurtheilen, inwieferne zufolge eines außergerichtlichen Geständnisses die Nothwendigkeit des Beweises entfalle.

§. 267. Ob thatsächliche Behauptungen einer Partei mangels eines ausdrücklichen Geständnisses des Gegners als zugestanden anzusehen seien, hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesammten Inhaltes des gegnerischen Vorbringens zu beurtheilen.

In gleicher Weise hat das Gericht insbesondere auch zu beurtheilen, ob die Erklärung mit Nichtwissen

(407) oder Nichterinnernals eine die Annahme eines Zugeständnisses ausschließende oder aber eine Zugeständnis in sich schließende Erklärung anzusehen sei.

§. 268. Wenn die Entscheidung von dem Beweise und der Zurechnung einer strafbaren Handlung abhängt, ist der Richter an den Inhalt eines hierüber ergangenen rechtskräftigen verurtheilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes gebunden.

§. 269. Thatsachen, welche bei dem Gerichte offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

§. 270. Thatsachen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermuthung aufstellt, bedürfen keines Beweises. Der Beweis des Gegentheils ist zulässig, sofern das Gesetz denselben nicht ausschließt. Dieser Gegenbeweis kann auch durch Vernehmung der Parteien gemäß §§. 371 ff. geführt werden.

§. 271. Das in einem anderen Staatsgebiete geltende Recht, Gewohnheitsrechte, Privilegien und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gerichte unbekannt sind.

Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien angebotenen Beweise nicht beschränkt; es kann alle zu diesem Zwecke ihm nöthig scheinenden Erhebungen von amtswegen einleiten und insbesondere, soweit erforderlich, das Einschreiten des Justizministers in Anspruch nehmen.

§. 272. Das Gericht hat, soferne in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesammten Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurtheilen, ob eine thatsächliche Angabe für wahr zu halten sei oder nicht.

Es hat insbesondere in gleicher Weise zu entscheiden, welchen Einfluss es auf die Beurtheilung des Falles hat, wenn eine Partei die Beantwortung von Fragen verweigert, welche durch den Vorsitzenden oder mit dessen oder des Senates Zustimmung an sie gestellt werden.

Die Umstände und Erwägungen, welche für die Überzeugung des Gerichtes maßgebend waren, sind in der Begründung der Entscheidung anzugeben.

§. 273. Wenn feststeht, dass einer Partei der Ersatz eines Schaden oder des Interesses gebürt oder dass sie sonst eine Forderung zu stellen hat, der Beweis über den streitigen Betrag des zu ersetzenden Schadens oder Interesses oder der Forderung aber gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen ist, so kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen selbst mit Übergehung eines von der Partei angebotenen Beweises diesen Betrag nach freier Überzeugung festsetzen. Der Festsetzung des Betrages kann auch die eidliche Vernehmung einer der Parteien über die für die Bestimmung des Betrages maßgebenden Umstände vorausgehen.

Glaubhaftmachung (Bescheinigung).

§. 274. Wer eine thatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat (Bescheinigung), kann sich hiezu aller Beweismittel mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung der Parteien bedienen. Eine Beweisaufnahme, die sich nicht sofort ausführen lässt, eignet sich nicht zum Zwecke der Glaubhaftmachung.

Eine behufs Glaubhaftmachung eines Umstandes erfolgende Beweisaufnahme ist an die besonderen, für das Beweisverfahren bestehenden Vorschriften nicht gebunden.

Beweisaufnahme.

§. 275. Von den Parteien angebotene, jedoch dem Gerichte unerheblich scheinende Beweise sind ausdrücklich zurückzuweisen.

Die Aufnahme angebotener Beweise kann vom Gerichte auf Antrag oder von amtswegen verweigert werden, wenn es die Überzeugung gewinnt, dass die Beweise nur in der Absicht, den Process zu verschleppen, angeboten werden.

§. 276. Die Beweise, welche das Gericht für erheblich hält, sind im Laufe der Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte aufzunehmen, sofern nicht:

1. das Gericht in Gemäßheit der Bestimmungen dieses Gesetzes eine Beweisaufnahme außerhalb der Verhandlungstagsatzung anordnet, oder

2. Beweise bereits in einem vorbereitenden Verfahren aufgenommen wurden und ihre wiederholte Aufnahme nach den Bestimmungen dieses Gesetzes unstatthaft ist oder doch dem Gerichte entbehrlich scheint.

Wird die Aufnahme eines Beweises außerhalb der Verhandlungstagsatzung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter nothwendig, so ist vom Processgerichte das Erforderliche zu verfügen.

(408) §. 277. Die Beweisaufnahme wird durch Beschluss angeordnet (Beweisbeschluss). In diesen Beschlüssen sind die streitigen Thatsachen, über welche der Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel genau zu bezeichnen.

An die einem Beweisbeschlusse zugrunde liegende Auffassung ist das Gericht im weiteren Verlaufe des Rechtsstreites nicht gebunden.

Solche Beschlüsse bedürfen nur dann einer schriftlichen Ausfertigung, wenn die Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden soll. In diesem Falle ist auch der aus der Verhandlung sich ergebende Sachverhalt insoweit in die Ausfertigung aufzunehmen, als die Kenntnis dieses Sachverhaltes dem Richter zur Leitung und vollständigen Durchführung der Beweisaufnahme nothwendig ist.

Gegen Beweisbeschlüsse ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

§. 278. Alle nicht sogleich bei der Verhandlung selbst ausführbaren und insbesondere die außerhalb der Verhandlungstagsatzung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vorzunehmenden Beweisaufnahmen sind, sofern nicht die Umstände einen anderen Vorgang nothwendig machen oder dem Gerichte zweckmäßig erscheinen lassen, erst nach vollständiger Erörterung des Sachverhaltes und mittels eines und desselben Beweisbeschlusses anzuordnen.

Behufs Erörterung der Ergebnisse solcher Beweisaufnahmen ist nach deren Vollendung, wenn nicht die Voraussetzungen des §. 193, Absatz 3, vorliegen, die Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte von amtswegen wieder aufzunehmen. Die bei dieser Verhandlung vorgebrachten neuen thatsächlichen Anführungen und Beweisanbietungen können auf Antrag oder von amtswegen durch Beschluss als unstatthaft erklärt werden, wenn das neue Vorbringen durch die Ergebnisse der inzwischen stattgefundenen Beweisaufnahme nicht veranlasst ist und offenbar in der Absicht, den Process zu verschleppen, nicht früher vorgebracht wurde.

§. 279. Steht der Aufnahme des Beweises ein Hindernis von ungewisser Dauer entgegen, ist die Ausführbarkeit einer Beweisaufnahme zweifelhaft, oder soll die Beweisaufnahme außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes erfolgen, so hat das Gericht im Beweisbeschlusse auf Antrag eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablauf die Verhandlung auf Begehren einer der Parteien ohne Rücksicht auf die ausstehende Beweisaufnahme fortgesetzt wird.

Bei der fortgesetzten mündlichen Verhandlung kann dann dieser Beweis nur benützt werden, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird.

§. 280. Das Processgericht kann auf Antrag gestatten, dass die Beweisaufnahme von einem oder mehreren beeideten Stenographen aufgezeichnet werde. Ein Stenograph, welcher nicht im allgemeinen für diese Aufgabe beeidet ist, hat einen Eid dahin zu leisten, dass er das mündlich Vorgebrachte treu aufzeichnen und das Aufgezeichnete richtig übertragen werde. Die Beeidigung entfällt, wenn ein gerichtlicher Beamter als Stenograph bestellt wird.

Die Bestellung der Stenographen erfolgt auf Vorschlag des Antragstellers durch den Vorsitzenden.

Die Übertragung der stenographischen Aufzeichnung in gewöhnliche Schrift ist binnen achtundvierzig Stunden nach der Aufzeichnung dem Vorsitzenden oder dem mit der Beweisaufnahme betrauten Richter zu übergeben und den Acten beizulegen.

Sofern die stenographische Aufzeichnung nicht von beiden Parteien übereinstimmend beantragt wird, hat die antragstellende Partei sämmtliche dadurch verursachten Kosten zu bestreiten, ohne selbst für den Fall ihres Sieges Anspruch auf Erstattung dieser Kosten erheben zu können.

§. 281. Wenn zum Zwecke einer vor dem erkennenden Gerichte erfolgenden Beweisaufnahme eine Tagsatzung erstreckt werden muss, ist die Tagsatzung, in welcher die Beweisaufnahme stattfinden soll, zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

Muss jedoch die Beweisaufnahme durch einen beauftragten oder ersuchten Richter geschehen und lässt sich der Zeitpunkt der Beendigung derselben nicht mit Sicherheit bestimmen, so ist die Tagsatzung zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte nach dem Einlangen der Beweisaufnahme-Acten und Protokolle durch den Vorsitzenden von amtswegen anzuberaumen und den Parteien bekannt zu geben.

Beweisaufnahme durch einen ersuchten oder beauftragten Richter.

§. 282. Mit Beweisaufnahmen, welche außerhalb der Verhandlungstagsatzung am Orte des Processgerichtes oder in dessen Nähe stattzufinden haben, ist ein Mitglied des Processgerichtes, und zwar in der Regel ein Mitglied des zur Entscheidung der Rechtssache berufenen Senates zu beauftragen.

§. 283. Ersuchschreiben, welche wegen einer Beweisaufnahme erlassen werden, die außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes stattfinden soll,

(409) können den Beweisführer auf seinen Antrag behufs Übermittlung an die ersuchte Behörde übergeben werden.

Auf Antrag des Beweisführers kann ferner das Gericht gestatten, dass von der Erlassung eines Ersuchschreibens abgesehen und der Beweisführer ermächtigt werde, eine den Gesetzen des Staatsgebietes, in welchem die Beweisaufnahme erfolgen soll, entsprechende öffentliche Urkunde über die Beweisaufnahme beizubringen. Der Beweisführer hat den Gegner, wenn möglich von Ort und Zeit der Beweisaufnahme so zeitig zu benachrichtigen, dass letzterer seine Rechte bei der Beweisaufnahme in geeigneter Art wahrzunehmen vermag. Ist die Benachrichtigung unterblieben, so hat das erkennende Gericht nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände zu entscheiden, ob und inwieweit der Beweisführer zur Benützung der aufgenommenen Beweise in der mündlichen Verhandlung berechtigt sei.

Für die Vorlegung der Acten über die Beweisaufnahme ist in beiden Fällen im Beweisbeschlusse eine Frist zu bestimmen, deren fruchtloser Ablauf die im §. 279 bezeichneten Rechtsfolgen nach sich zieht.

§. 284. Dem Richter, welcher eine Beweisaufnahme infolge eines Auftrages oder Ersuchens vollzieht, kommen die Befugnisse zu, welche von dem Vorsitzenden bei einer Beweisaufnahme ausgeübt werden, die vor dem erkennenden Gerichte vor sich geht.

Andere auf die Beweisaufnahme sich beziehende richterliche Verfügungen kann ein solcher Richter insoweit treffen, als sie nicht ausdrücklich dem Processgerichte zugewiesen sind.

§. 285. Ergibt sich bei der Beweisaufnahme vor einem beautragten oder ersuchten Richter ein Streit, von dessen Erledigung die Fortsetzung der Beweisaufnahme abhängig, zu dessen Entscheidung der mit der Beweisaufnahme betraute Richter jedoch nicht berechtigt ist, so hat über seinen Bericht die Erledigung des Streites durch das Processgericht zu erfolgen. Die Tagsatzung zur Verhandlung über diesen Zwischenstreit ist vom Processgerichte von amtswegen anzuberaumen.

Wenn im Verlaufe der durch einen beauftragten oder ersuchten Richter stattfindenden Beweisaufnahme behufs Durchführung oder Vollendung der Beweisaufnahme an ein anderes Gericht ein Ersuchen gestellt werden muss, so ist dasselbe unmittelbar von dem mit der Beweisaufnahme betrauten Richter zu stellen. Derselbe ist auch befugt, ein anderes Gericht um die Aufnahme des Beweises zu ersuchen, falls sich Gründe ergeben, welche die Beweisaufnhame vor diesem Gerichte als sachgemäß erscheinen lassen.

§. 286. Der Vorsitzende hat die von dem beauftragten oder ersuchten Richter vorgelegten Protokolle und sonstigen Acten über die Beweisaufnahme zu prüfen und, falls er Mängel wahrnimmt, die erforderlichen Verbesserungen oder Vervollständigungen zu veranlassen. Die Beweisaufnahme-Acten sind sodann unter gleichzeitiger Verständigung der Parteien bis zu nächsten, zur mündlichen Verhandlung bestimmten Tagsatzung der Einsichtnahme der Parteien offen zu halten.

Über den in der Zwischenzeit von einer Partei gestellten Antrag, einzelne Mängel der Beweisaufnahme zu beheben oder diese Beweisaufnahme zu ergänzen, hat der Vorsitzende zu entscheiden. Die hiedurch etwa nothwendig werdenden Verfügungen sind gleichfalls vom Vorsitzenden ohne Aufschub zu erlassen. Der Antrag kann auch mündlich angebracht werden.

Ergibt sich erst bei der mündlichen Verhandlung die Nothwendigkeit einer Ergänzung oder Wiederholung der Beweisaufnahme, so hat das Gericht die der Sachlage entsprechenden Anordnungen zu treffen. Dasselbe kann auch anordnen, dass die Ergänzung oder Wiederholung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung selbst stattfinde.

§. 287. Das Ergebnis einer nicht vor dem erkennenden Gerichte erfolgten Beweisaufnahme hat der Vorsitzende auf Grund der diese Beweisaufnahme betreffenden Protokolle und sonstiger Acten bei der mündlichen Verhandlung zu geeigneter Zeit darzulegen.

Wenn diese Darlegung nach Ansicht einer der Parteien in erheblichen Punkten vom Inhalte der Acten abweicht, sind auf ihren Antrag die Beweisaufnahme-Protokolle und die sonstigen die Beweisaufnahme betreffenden Acten dem vollen Inhalte nach vorzulesen.

Den Parteien bleibt es unbenommen, schon vor dieser Darlegung des Vorsitzenden in ihren Vorträgen auf den Inhalt der Beweisaufnahme-Acten Bezug zu nehmen.

Verfahren bei der Beweisaufnahme.

§. 288. Für die zum Zwecke einer Beweisaufnahme erforderlichen Ladungen und für alle anderen zur Beweisaufnahme erforderlichen Vorkehrungen hat, falls die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gerichte stattfindet, der Vorsitzende des Senates, außerdem aber der Richter, welchem die Beweisaufnahme obliegt, von amtswegen Sorge zu tragen. Letzterer hat auch die Tagsatzung für die Beweisaufnahme von amtswegen anzuberaumen.

(410) Die Parteien können die von ihnen benannten Zeugen oder die Personen, welche sie dem Gerichte bei der Verhandlung als Zeugen namhaft machen oder als Sachverständige in Vorschlag bringen wollen, auch ohne vorherige gerichtliche Vorladung zur Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte mitbringen.

§. 289. Die Parteien können bei der Beweisaufnahme zugegen sein; sie können an die Zeugen und Sachverständigen diejenigen Fragen durch den Vorsitzenden oder den die Beweisaufnahme leitenden Richter stellen lassen oder mit deren Zustimmung selbst stellen, welche sie zur Aufklärungoder Vervollständigung der Aussage, sowie zur Aufklärung des Streitverhältnisses oder der für die Beweiskraft der Aussagen wesentlichen Verhältnisse für dienlich erachten. Fragen, welche dem Richter unangemessen erscheinen, hat er zurückzuweisen.

Mit der Beweisaufnahme ist, soweit dies nach Lage der Sache geschehen kann, vorzugehen, wenn auch keine der verständigten Parteien erschienen ist. Es kann jedoch vom erkennenden Gerichte, oder, so lange die Beweisaufnahme noch nicht beendet ist, auch von dem beauftragten oder ersuchten Richter eine Ergänzung der Beweisaufnahme zugelassen werden, wenn die Partei glaubhaft macht, dass ihr durch ein unvorhergesehenes Ereignis verursachtes Nichtererscheinen eine wesentliche Unvollständigkeit der Beweisaufnahme zur Folge hatte und wenn zugleich die Ergänzung der Beweisaufnahme ohne erhebliche Verzögerung des Rechtsstreites stattfinden kann.

§. 290. Aus dem Umstande, dass die von einer ausländischen Behörde vorgenommene Beweisaufnahme nach den ausländischen Gesetzen mangelhaft ist, kann gegen dieselbe dann kein Einwand erhoben werden, wenn die Beweisaufnahme den für das Processgericht geltenden Gesetzen entspricht.

§. 291. Gegen Beschlüsse, durch welche angebotene Beweise oder gemäß §. 278, Absatz 2, neue thatsächliche Anführungen und Beweisanbietungen zurückgewiesen, Beweisaufnahmen angeordnet oder einem beauftragten Richter übertragen oder zum Zwecke der Beweisaufnahme Ersuchschreiben erlassen werden, ferner gegen Beschlüsse, durch welche Fragen der Parteien bei der Beweisaufnahme zurückgewiesen werden, endlich gegen Beschlüsse, durch welche die Benützung eines Beweises nach §. 279, Absatz 2, bewilligt oder ausgeschlossen oder eine nach §. 286, Absatz 2, in Antrag gebrachte Ergänzung der Beweisaufnahme verweigert wird, ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Beschlüsse, durch welche die stenographische Aufzeichnung einer Beweisaufnahme gestattet, dem Beweisführer die Bestellung eines Ersuchschreibens gemäß §. 283, Absatz 1, übertragen, oder für die Beweisaufnahme oder für die Vorlage der Acten über eine außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes stattfindende Beweisaufnahme eine Frist bestimmt wird, ferner Beschlüsse, durch welche die Ergänzung oder Wiederholung einer Beweisaufnahme angeordnet wird, können durch ein Rechtsmittel überhaupt nicht angefochten werden.

Dritter Titel.

Beweis durch Urkunden.

Beweiskraft der Urkunden.

§. 292. Urkunden, welche im Geltungsgebiete dieses Gesetzes von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form errichtet sind (öffentliche Urkunden), begründen vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt, oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird. Das Gleiche gilt von den Urkunden, welche zwar außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes, jedoch innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse von solchen öffentlichen Organen errichtet wurden, die einer Behörde unterstehen, welche im Geltungsgebiete dieses Gesetzes ihren Sitz hat.

Der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Thatsache oder der unrichtigen Beurkundung ist zufällig.

§. 293. Gleiche Beweiskraft haben auch andere Urkunden, welche durch besondere gesetzliche Vorschriften als öffentliche Urkunden erklärt sind.

Die außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes errichteten Urkunden, welche am Orte ihrer Errichtung als öffentliche Urkunden gelten, genießen unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit auch im Geltungsgebiete dieses Gesetzes die Beweiskraft öffentlicher Urkunden, wenn sie mit den vorgeschriebenen Beglaubigungen versehen sind.

§. 294. Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mit ihrem gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichen versehen sind, vollen Beweis dafür, dass die in denselben enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern herrühren.

(411) §. 295. Die Voraussetzungen, die Dauer und das Maß der Beweiskraft der Handelsbücher, der Tagebücher und Schlussnoten der Handelsmäkler sind nach den bestehenden Gesetzen zu beurtheilen. Eine erforderliche Ergänzung des Beweises kann nur durch die nach diesem Gesetze zulässigen Beweismittel stattfinden.

Den Handelsbüchern, welche außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes nach den am Orte der Buchführung geltenden Vorschriften geführt werden, kommt eine Beweiskraft nicht in größerem Maße und nicht auf eine längere Dauer zu, als an jenem Orte den im Geltungsgebiete dieses Gesetzes geführten Handelsbüchern eingeräumt wird.

Inwiefern ein über den Betrieb einer Wirtschaft, eine Gewerbes oder eines anderen geschäftlichen Unternehmens geführtes Buch in Beziehung auf seinen Inhalt und die den Eintragungen zugrunde liegenden Acte und Geschäfte Beweis macht, hat das Gericht nach §. 272 zu beurtheilen.

§. 296. Ob und in welchem Maße Durchstreichungen, Radirungen und andere Auslöschungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel einer Urkunde deren Beweiskraft mindern oder dieselbe ganz aufheben, hat das Gericht nach §. 272 zu beurtheilen.

Beweisantretung.

§. 297. Urkunden, aufwelche sich eine Partei zum Beweise ihrer Angaben beruft, hat sie dem Gerichte vorzulegen, falls nicht nach den Bestimmungen dieses Gesetzes das Gericht selbst die Herbeischaffung und Vorlegung der Urkunden zu veranlassen hat.

Vorlegung der Urkunde durch den Beweisführer.

§. 298. Urkunden sind in der Weise vorzulegen, dass das Gericht und die Gegenpartei von dem ganzen Inhalte der Urkunden Einsicht nehmen können.

Kommen nur einzelne Theile einer sich auf verschiedene Rechtsverhältnisse beziehenden Urkunde in Betracht, so kann das Gericht, nachdem es vom ganzen Inhalte der Urkunde Einsicht genommen hat, auf Antrag anordnen, dass dem Gegner außer dem Eingange, dem Schlusse, dem Datum und der Unterschrift, nur diejenigen Stellen vorgewiesen werden, welche für das, den Gegenstand des Streites bildende Rechtsverhältnis von Belang sind.

Der Gegner des Beweisführers ist zur Erklärung über die vorgelegte Urkunde aufzufordern.

§. 299. Hat die Partei nur eine Abschrift der Urkunde vorgelegt, so kann ihr auf Antrag der Gegenpartei oder von amtswegen die Vorlage der Urschrift aufgetragen werden. Ob und inwieweit ungeachtet der Nichtbefolgung dieses Auftrages der vorgelegten Abschrift infolge ihrer Beglaubigung, ihres Alters, ihres Ursprunges oder aus anderen Gründen Glauben beizumessen ist, hat das Gericht nach seinem Ermessen zu entscheiden. Hiebei sind die für die Unterlassung der Vorlage der Urschrift geltend gemachten Gründe und die sonstigen Umstände des einzelnen Falles sorgfältig zu würdigen.

§. 300. Wenn die Vorlegung der Urschrift einer Urkunde in der mündlichen Verhandlung wegen erheblicher Hindernisse nicht erfolgen kann, oder wegen der Wichtigkeit der Urkunde und der Besorgnis ihres Verlustes oder ihrer Beschädigung bedenklich erscheint, so kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass die Urkunde einem beauftragten oder ersuchten Richter vorgelegt werde.

Das Gericht hat in diesem Falle zu bestimmen, welche Umstände durch das über die Amtshandlung des beauftragten oder ersuchten Richters aufzunehmende Protokoll zu bestätigen sind; es kann auch anordnen, dass mit dem Protokolle eine Abschrift oder ein Auszug der Urkunde vorgelegt werde.

Von der seitens des beauftragten oder ersuchten Richters zur Vorlage der Urkunde anberaumten Tagsatzung ist der Gegner des Beweisführers rechtzeitig zu verständigen. Wird die Urkunde bei dieser Tagsatzung nicht vorgelegt, so kann der Fortgang des Processes durch die Rücksicht auf dieses Beweismittel nicht weiter aufgehalten werden.

§. 301. Der Antrag, die Vorlage einer als Beweismittel zu benützenden Urkunde zu veranlassen, welche sich bei einer öffentlichen Behörde oder in Verwahrung eines Notars befindet und deren Ausfolgung oder Vorlage die Partei im Wege unmittelbaren Einschreitens nicht zu erlangen vermag, kann auch während der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Wird diesem Antrage stattgegeben, so hat der Vorsitzende die zur Herbeischaffung der Urkunde geeigneten Verfügungen zu treffen.

§. 302. Nach erfolgter Vorlegung einer Urkunde kann der Beweisführer auf dieses Beweismittel nur mit Zustimmung des Gegners verzichten.

Vorlegung der Urkunde durch den Gegner.

(412) §. 303. Wenn eine Partei behauptet, dass sich eine für ihre Beweisführung erhebliche Urkunde in den Händen des Gegners befindet, so kann auf ihren Antrag das Gericht dem Gegner die Vorlage der Urkunde durch Beschluss auftragen.

Die antragstellende Partei hat eine Abschrift der vom Gegner vorzulegenden Urkunde beizubringen oder, wenn sie dies nicht vermag, den Inhalt der Urkunde möglichst genau und vollständig anzugeben, sowie die Thatsachen anzuführen, welche durch die vorzulegende Urkunde bewiesen werden sollen. Desgleichen sind die Umstände darzulegen, welche den Besitz der Urkunde seitens des Gegners wahrscheinlich machen.

Der Entscheidung über den Antrag hat, wenn derselbe außerhalb der mündlichen Verhandlung gestellt wird, eine mündliche oder schriftliche Einvernehmung des Gegners vorauszugehen.

§. 304. Die Vorlage der Urkunde kann nicht verweigert werden:

1. wenn der Gegner selbst auf die Urkunde zum Zwecke der Beweisführung im Processe Bezug genommen hat;

2. wenn der Gegner nach bürgerlichem Rechte zur Ausfolgung oder Vorlage der Urkunde verpflichtet ist;

3. wenn die Urkunde ihrem Inhalte nach eine beiden Parteien gemeinschaftliche ist.

Als gemeinschaftlich gilt eine Urkunde insbesondere für die Personen, in deren Interesse sie errichtet ist oder deren gegenseitige Rechtsverhältnisse darin bekundet sind. Als gemeinschaftlich gelten auch die über die Rechtsgeschäft zwischen den Betheiligten oder zwischen einem derselben und dem gemeinsamen Vermittler des Geschäftes gepflogenen schriftlichen Verhandlungen.

§. 305. Die Vorlage anderer Urkunden kann verweigert werden:

1. wenn der Inhalt Angelegenheiten des Familienlebens betrifft;

2. wenn der Gegner durch die Vorlage der Urkunde eine Ehrenpflicht verletzen würde;

3. wenn das Bekanntwerden der Urkunde der Partei oder dritten Personen zur Schande gereichen oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen würde;

4. wenn die Partei durch die Vorlage der Urkunde eine staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der sie nicht giltig entbunden wurde, oder ein Kunst- oder Geschäftsgeheimnis verletzen würde;

5. wenn andere gleich wichtige Gründe vorhanden sind, welche die Verweigerung der Vorlage rechtfertigen.

§. 306. Leugnet der Gegner den Besitz der Urkunde und erachtet das Gericht die durch die Urkunde zu beweisenden Thatsachen erheblich und zugleich die Verpflichtung zur Vorlage der Urkunde als bestehend, so kann die Vernehmung und eidliche Anhörung des Gegners durch gerichtlichen Beschluss zu dem Zwecke angeordnet werden, um zu ermitteln, ob der Gegner die Urkunde besitze oder doch wisse, wo dieselbe zu finden sei, oder ob die Urkunde nicht etwa von ihm oder auf seine Veranlassung, um sie dem Beweisführer zu entziehen, beseitigt oder zur Benützung untauglich gemacht worden sei.

Welchen Einfluss es auf die Beurtheilung des Falles hat, wenn der Gegner dem Auftrage zur Vorlage der Urkunde, deren Besitz er zugegeben hat, nicht nachkommt oder wenn er bezüglich einer Urkunde, deren Besitz er leugnet, die Vernehmung oder die eidliche Aussage ablehnt oder wenn aus seiner Aussage hervorgeht, dass die Urkunde absichtlich beseitigt oder untauglich gemacht worden sei, ob insbesonders in diesen Fällen die Angaben des Beweisführers über den Inhalt der Urkunde als erwiesen anzusehen seien, bleibt dem durch sorgfältige Würdigung aller Umstände geleiteten richterlichen Ermessen überlassen.

Vorlegung der Urkunde durch einen Dritten.

§. 308. Wenn sich eine zur Beweisführung benöthigte Urkunde in der Hand eines Dritten befindet, welcher nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes oder deshalb zur Herausgabe und Vorlage der Urkunde verpflichtet ist, weil dieselbe ihrem Inhalte nach eine für den Beweisführer und den Dritten gemeinschaftliche ist (§. 304), so kann letzterem auf Antrag des Beweisführers vom Processgerichte durch Beschluss aufgetragen werden, die Urkunde innerhalb einer ihm zugleich zu bestimmenden Frist auf Kosten des Beweisführers bei dem Processgerichte behufs Benützung bei der mündlichen Verhandlung zu hinterlegen.

Über einen solchen Antrag hat das Processgericht nach Anhörung des Gegners und des angeblichen

(413) dritten Besitzers der Urkunde zu entscheiden; falls letzterer den Besitz der Urkunde leugnet, kann dem Antrage nur dann stattgegeben werden, wenn die antragstellende Partei glaubhaft macht, dass sich die Urkunde in der Hand des Dritten befindet. Zum Zwecke der Einvernehmung der Betheiligten kann vom Processgerichte eine besonderer Tagsatzung angeordnet werden. Der Beschluss ist nach Eintritt der Rechtskraft und nach Ablauf der angeordneten Vorlageschrift vollstreckbar.

Bei Zurückweisung des Antrages sind dem angeblichen Besitzer der Urkunde auf sein Verlangen die ihm durch das Verfahren verursachten nothwendigen Kosten zu ersetzen.

§. 309. Muss der angebliche Besitzer der Urkunde im Wege der Klage zur Herausgabe und Vorlage der Urkunde verhalten werden, weil nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass sich die Urkunde in seiner Hand befindet oder weil die Entscheidung über das Vorhandensein der Pflicht zur Herausgabe und Vorlage der Urkunde die vorgängige Ermittlung und Feststellung streitiger Thatumstände verlangt, so kann das Processgericht, wenn es die durch die Urkunde zu beweisenden Thatsachen für erheblich hält, auf Antrag anordnen, dass mit der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bis nach Ablauf der gleichzeitig dem Beweisführer zur Vorlegung der Urkunde zu bestimmenden Frist gewartet werde (§. 279).

Der Gegner des Beweisführers kann jedoch noch vor Ablauf dieser Frist die Fortsetzung der Verhandlung beantragen, wenn die Klage des Beweisführers gegen den Dritten früher erledigt ist, oder der Beweisführer die Erhebung der Klage oder die Betreibung des Processes oder der Execution verzögert.

Die Vorlegung der Urkunde geschieht auf Kosten des Beweisführers.

Echtheitsbeweis.

§. 310. Urkunden, welche sich nach Form und Inhalt als öffentliche Urkunden darstellen, haben die Vermuthung der Echtheit für sich.

Hält das Gericht die Echtheit für zweifelhaft, so kann es auf Antrag oder von amtswegen die Behörde oder die Person, von welcher die Urkunde errichtet sein soll, zu einer Erklärung über die Echtheit veranlassen. Lässt sich der Zweifel an der Echtheit der Urkunde nicht auf diese Art beseitigen, so obliegt der Beweis ihrer Echtheit demjenigen, der diese Urkunde als Beweismittel gebrauchen will.

§. 311. Ob eine Urkunde, welche sich als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei, hat das Gericht nach den Umständen des Falles zu ermessen.

Zum Beweise der Echtheit einer solchen Urkunde genügt, sofern nicht durch besondere Bestimmungen etwas anderes festgesetzt ist, die Beglaubigung durch das Ministerium des Äußern oder durch einen österreichisch-ungarischen Gesandten oder Konsul.

§. 312. Die Echtheit einer Privaturkunde gilt als unbestritten, wenn der Gegner des Beweisführers es unterlassen hat, sich über die Echtheit der Urkunde zu erklären, soferne nicht die Absicht, die Echtheit zu bestreiten, aus den übrigen Erklärungen des Gegners hervorgeht. Befindet sich auf der Urkunde eine Namensunterschrift, so hat sich der Gegner des Beweisführers unter der gleichen Rechtsfolge auch über die Echtheit der Unterschrift zu erklären.

Die bestrittene Echtheit einer Privaturkunde oder einer auf derselben befindlichen Namensunterschrift ist von demjenigen zu beweisen, der die Urkunde als Beweismittel gebrauchen will.

§. 313. Eine Partei, welche die Echtheit einer Urkunde in muthwilliger Weise bestritten hat, ist in eine Muthwillensstrafe zu verfällen.

Schriftvergleichung.

§. 314. Der Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kann auch durch Schriftvergleichung geführt werden.

Als Vergleichungsschriften können nur solche Schriftstücke benützt werden, deren Echtheit unbestritten ist oder doch ohne erhebliche Verzögerung dargethan werden kann.

Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Vorlegung von Beweisurkunden sind auch in Ansehung der Vorlegung von Vergleichungsschriften anzuwenden.

Mangelt es an zureichenden Vergleichungsschriften, so kann derjenigen Partei, über deren Handschrift der Beweis der Echtheit hergestellt werden soll, aufgetragen werden, vor Gericht oder vor einem beauftragten oder ersuchten Richter eine Anzahl von ihr zu bezeichnenden Worten niederzuschreiben.

Das Niedergeschriebene ist dem Verhandlungsprotokoll beizulegen. Welchen Einfluss es auf die Herstellung des Beweises hat, wenn die Partei einem solchen richterlichen Auftrage keine Folge leistet oder mit offenbar entstellter Schrift schreibt, bleibt der richterlichen Beurtheilung überlassen.

(414) §. 315. Die Vergleichung der Handschriften kann das Gericht selbst vornehmen oder, wenn sich ihm Zweifel ergeben, das Gutachten von Sachverständigen einholen.

Über das Ergebnis der Schriftvergleichung ist vom Gerichte nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Gerichtliche Aufbewahrung von Urkunden.

§. 316. Urkunden, deren Echtheit bestritten ist oder deren Inhalt verändert sein soll, können bis zur rechtskräftigen Erledigung des Processes bei Gericht zurückbehalten werden, sofern nicht ihre Ausfolgung an eine andere Behörde im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.

Erneuerung von Urkunden.

§. 317. Wird eine Privaturkunde unleserlich oder schadhaft, so kann deren Inhaber oder jeder andere Betheiligte vom Aussteller der Urkunde begehren, dass dieselbe auf Kosten des Antragstellers gerichtlich erneuert werde. Hierzu sind alle Personen zu laden, wider welche die Urkunde nach Lage der Sache zum Beweise dienen soll.

Im Falle der Weigerung kann der Aussteller zu solcher Erneuerung nur im Wege der Klage verhalten werden.

Auskunftssachen.

§. 318. Inwieweit durch Denkmäler, Grenzzeichen, Marksteine, Aich- und Heimpfähle und ähnliche Zeichen oder durch Kerb- oder Spannhölzer, welche die Parteien für ihren Verkehr erwiesenermaßen gebraucht haben, ein Beweis geliefert werde, hat das Gericht nach sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurtheilen.

Die Bestimmungen der §§. 303 bis 309 sind auch auf die Vorlegung von Auskunftssachen sinngemäß anzuwenden.

§. 319. Gegen die zufolge §§. 298, 299, 300, 301, 309, Absatz 1 und 2, 310, 314 und 315 ergehenden gerichtlichen Beschlüsse, Anordnungen und Aufträge ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Die gemäß §§. 303, 307 und 316 gefassten Beschlüsse können durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden.

Vierter Theil.

Beweis durch Zeugen.

Unzulässigkeit und Verweigerung des Zeugnisses.

§. 320. Als Zeugen dürfen nicht vernommen werden:

1. Personen, welche zur Mittheilung ihrer Wahrnehmungen unfähig sind, oder welche zur Zeit auf welche sich ihre Aussage beziehen soll, zur Wahrnehmung der zu beweisenden Thatsache unfähig waren;

2. Geistliche in Ansehung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde;

3. Staatsbeamte, wenn sie durch ihre Aussage das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, insofern sie der Pflicht zur Geheimhaltung nicht durch ihre Vorgesetzten entbunden sind.

§. 321. Die Aussage darf von einem Zeugen verweigert werden:

1. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten oder einer Person, mit welcher der Zeuge in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert, oder mit welcher er durch Adoption verbunden ist, ferner seinen Pflegeeltern und Pflegekindern, sowie seinem Vormunde oder Mündel zur Schande gereichen oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen würde;

2. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer der in Z. 1 bezeichneten Personen einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Nachtheil zuziehen würde;

3. in Bezug auf Thatsachen, über welche der Zeuge nicht würde aussagen können, ohne eine ihm obliegende staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit zu verletzen, insoferne er hievon nicht giltig entbunden wurde;

4. in Ansehung desjenigen, was dem Zeugen in seiner Eigenschaft als Advocat von seiner Partei anvertraut wurde;

5. über Fragen, welche der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren.

Die Aussage kann in den unter Z. 1 und 2 angegebenen Fällen mit Rücksicht auf die daselbst bezeichneten Angehörigen auch dann verweigert werden, wenn das eheliche Verhältnis, welches die Angehörigkeit begründet, nicht mehr besteht.

(415) §. 322. Über Errichtung und Inhalt von Rechtsgeschäften, bei welchen der Zeuge als Urkundsperson beigezogen worden ist, über Thatsachen, welche die durch das Ehe- oder Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen, über Geburten, Verheiratungen oder Sterbefälle der im §. 321, Z. 1, bezeichneten Angehörigen, endlich über Handlungen, welche der Zeuge in Betreff des streitigen Rechtsverhältnisses als Rechtsvorgänger oder Vertreter einer der Parteien vorgenommen hat, darf das Zeugnis wegen eines zu besorgenden vermögensrechtlichen Nachtheiles nicht verweigert werden.

§. 323. Ein Zeuge, welcher die Aussage ganz oder über einzelne Fragen verweigern will, hat die Gründe der Weigerung mündlich oder schriftlich vor der zu seiner Vernehmung bestimmten Tagsatzung oder bei dieser Tagsatzung selbst anzugeben, und wenn ein Widerspruch erfolgt, glaubhaft zu machen.

Im ersteren Falle ist ein solches Vorbringen des Zeugen den Parteien, soweit thunlich, noch vor der zur Vernehmung bestimmten Tagsatzung bekannt zu geben.

§. 324. Über die Rechtmäßigkeit der Weigerung hat, wenn die Weigerung vor dem erkennenden Gerichte vorgebracht wurde, dieses selbst, sonst aber der beauftragte oder ersuchte Richter, vor welchem die Weigerung erfolgte, mittels Beschluss zu entscheiden. Vor der Entscheidung kann das Gericht die Parteien hören.

Bei etwaigen Verhandlungen über die Rechtmäßigkeit der Weigerung braucht sich der Zeuge nicht durch einen Advocaten vertreten zu lassen. Hat er seine Weigerung schriftlich oder zu gerichtlichem Protokoll erklärt, so ist sein Vorbringen bei der Entscheidung auch dann zu berücksichtigen, wenn er bei der zu seiner Einvernehmung anberaumten Tagsatzung nicht erscheint.

§. 325. Wird das Zeugnis ohne Angabe von Gründen verweigert oder beharrt der Zeuge auf seiner Weigerung auch, nachdem dieselbe als nicht gerechtfertigt erkannt worden ist, oder wird die Ableistung des geforderten Zeugeneides verweigert, so kann der Zeuge auf dem Wege der zur Erzwingung einer Handlung zulässigen Execution von amtswegen durch Geldstrafen oder durch Haft zur Aussage verhalten werden. Die Haft darf nicht über den Zeitpunkt der Beendigung des Processes in der Instanz verlängert werden und in keinem Falle die Dauer von sechs Wochen überschreiten.

Die Entscheidung, dass gegen den Zeugen mit der Execution vorzugehen sei, sowie die Anordnung der einzelnen Zwangsmittel steht dem erkennenden Gerichte, wenn aber die Vernehmung durch einen ersuchten Richter geschehen soll, diesem zu. Vor der Beschlussfassung ist der Zeuge zu hören.

§. 326. Die Beschlussfassung darüber, ob und in welcher Weise der Fortgang des Verfahrens in der Hauptsache durch die ungerechtfertigte Weigerung der Aussage, der Ableistung des Zeugeneides oder durch die deshalb wider den Zeugen eingeleiteten Zwangsmaßregeln beeinflusst werde, steht dem erkennenden Gerichte zu. Der beauftragte oder ersuchte Richter hat deshalb das Processgericht von diesen Vorfällen jederzeit ohne Aufschub in Kenntnis zu setzen. Die Entscheidung des erkennenden Gerichtes kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen.

In allen Fällen ungerechtfertigter Weigerung haftet der Zeuge beiden Parteien für den ihnen durch die Vereitlung oder Verzögerung der Beweisführung verursachten Schaden; er ist insbesondere auch zum Ersatze aller durch seine Weigerung verursachten Kosten verpflichtet.

Wenn die Weigerung des Zeugen eine muthwillige war, ist gegen den Zeugen überdies eine Muthwillensstrafe zu verhängen. Die Beschlussfassung über die Pflicht zum Kostenersatz steht dem erkennenden Gerichte zu; zur Verhängung von Muthwillensstrafen ist auch der beauftragte oder ersucht Richter berechtigt.

Würdigung der Zeugenaussage.

§. 327. Alle Umstände, welche auf die Unbefangenheit des Zeugen und die Glaubwürdigkeit seiner Aussage von Einfluss sind, hat das Gericht nach freier Überzeugung sorgfältig zu würdigen.

Beweisaufnahme durch den beauftragten oder ersuchten Richter.

§. 328. Die Aufnahme des Zeugenbeweises kann durch einen beauftragten oder ersuchten Richter erfolgen:

1. wenn die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle der Ermittlung der Wahrheit förderlich erscheint;

2. wenn die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gerichte erheblichen Schwierigkeiten unterliegen würde;

3. wenn die Vernehmung des Zeugen vor dem erkennenden Gerichte mit Rücksicht auf die dem Zeugen zu gewährende Entschädigung für Zeitversäumnis und die ihm zu erstattenden Kosten der Reise und des Aufenthaltes am Orte der Vernehmung einen unverhältnismäßig großen Aufwand verursachen würde;

4. wenn der Zeuge an dem Erscheinen vor dem erkennenden Gerichte gehindert ist.

(416) Ein Zeuge, welcher infolge Krankheit, Gebrechlichkeit oder aus anderen Gründen außerstande ist, seine Wohnung zum Zwecke der Vernehmung zu verlassen, oder welcher infolge bestehender Anordnungen nicht verpflichtet ist, zur Abgabe einer Zeugenaussage in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten im Gerichtshause zu erscheinen, wird in seiner Wohnung vernommen.

Mitglieder des kaiserlichen Hauses werden als Zeugen durch den Obersthofmarschall oder außer Wien durch den Präsidenten des Kreis- oder Landesgerichtes ihres Aufenthaltsortes in ihrer Wohnung vernommen.

Ungeachtet der im Absatze 1, Z. 3, bezeichneten Umstände sind Zeugen auf Antrag zur Vernehmung vor das erkennende Gericht zu laden, wenn sich eine Partei bereit erklärt, den damit verbunden Aufwand, soweit derselbe die Kosten der Beweisaufnahme durch den ersuchten Richter übersteigt, ohne Anspruch auf Ersatz zu bestreiten. Der Vorsitzende kann anordnen, dass die antragstellende Partei innerhalb einer bestimmten Frist einen von ihm zu bestimmenden Betrag zur Deckung dieses Aufwandes vorschussweise erlege (§. 332, Absatz 2).

Ladung.

§. 329. Die Ladung eines Zeugen ist vom Gerichte auszufertigen.

Die Ladung hat nebst der Benennung der Parteien und einer kurzen Bezeichnung des Gegenstandes der Vernehmung die Aufforderung zu enthalten, zur Ablegung eines Zeugnisses bei der gleichzeitig nach Ort und Zeit bestimmten Tagsatzung zu erscheinen. In der Ladungsurkunde sind die gesetzlichen Bestimmungen über die Zeugengebüren sowie die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens bekannt zu geben.

§. 330. Die Ladung einer in activer Dienstleistung stehenden Person der bewaffneten Macht erfolgt mittels eines an das vorgesetzte Commando des Zeugen oder an das nächste Militärstationscommando gerichteten Ersuchens.

Ladungen an selbständige Commandanten der Gendarmerie, der Militärpolizeiwache und der Sicherheitswache sind den Commandanten unmittelbar zuzustellen. Wegen der Zustellung der Ladung an andere Mitglieder dieser Körper ist sich an deren Vorgesetzte zu wenden.

§. 331. Steht die als Zeuge zu ladende Person in einem öffentlichen Amte oder Dienste und muss voraussichtlich zur Wahrung der Sicherheit oder anderer öffentlicher Interessen eine Stellvertretung während der Verhinderung dieser Person eintreten, so ist gleichzeitig deren unmittelbarer Vorgesetzter von der ergangenen Ladung zu benachrichtigen.

Diese Bestimmung ist auch dann anzuwenden, wenn ein Angestellter oder Bediensteter einer mit mechanischen Motoren betriebenen Transportanstalt, ein Berg-, Hütten- oder Walzwerksarbeiter oder eine im Privatforstdienste stehende Person zu laden sind.

§. 332. Ist einem Zeugen voraussichtlich eine Vergütung zu leisten, so kann der Vorsitzende oder der beauftragte oder ersuchte Richter anordnen, dass der Beweisführer innerhalb einer bestimmten Frist einen von ihnen zu bestimmenden Betrag zur Deckung des durch die Vernehmung des Zeugen entstehenden Aufwandes vorschussweise erlege.

Bei nicht rechtzeitigem Erlage kann die Ausfertigung der Ladung unterbleiben und die Verhandlung auf Antrag des Gegners ohne Rücksicht auf die ausstehende Beweisaufnahme fortgesetzt werden (§. 279).

Folgen des Ausbleibens.

§. 333. Gegen einen ordnungsmäßig geladenen Zeugen, welcher bei der zur Vernehmung bestimmten Tagsatzung ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint, ist durch das erkennende Gericht oder durch den beauftragten oder ersuchten Richter die Verpflichtung zum Ersatze aller durch sein Ausbleiben verursachten Kosten durch Beschluss auszusprechen; außerdem ist der Zeuge unter gleichzeitiger Verhängung einer Ordnungsstrafe neuerlich zu laden. Im Falle wiederholten Ausbleibens ist die Ordnungsstrafe innerhalb des gesetzlichen Ausmaßes zu verdoppeln und die zwangsweise Vorführung des Zeugen anzuordnen.

Erfolgt nachträglich eine genügende Entschuldigung des Nichterscheinens, so sind die wider den Zeugen verhängten Ordnungsstrafen wieder aufzuheben; außerdem können dem Zeugen die zum Ersatze auferlegten Kosten ganz oder theilweise erlassen werden.

Wenn eine der im §. 330 bezeichneten Personen der Ladung nicht Folge leistet, so hat sich der die Beweisaufnahme leitende Richter wegen Verfügung der Bestrafung und wegen Vorführung des Zeugen an dessen Vorgesetzte zu wenden.

Der ungehorsame Zeuge haftet überdies für allen den Parteien durch die ihm zur Last fallende Vereitlung oder Verzögerung der Beweisführung verursachten Schaden.

§. 334. Die Feststellung der vom Zeugen in den Fällen der §§. 326 und 333 zu ersetzenden Kosten muss unter Vorlage des Kostenverzeichnisses bei sonstigem Ausschlusse binnen acht Tagen nach Rechtskraft des

(417) Beschlusses angesucht werden, durch welchen der Zeuge zum Kostenersatze verpflichtet wurde. Dem beauftragten oder ersuchten Richter obliegt die Feststellung des Kostenbetrages nur dann, wenn er nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Verpflichtung zum Kostenersatze auszusprechen berufen war.

§. 335. Wenn die Vernehmung eines Zeugen vergeblich versucht wurde und zu besorgen ist, dass Wiederholungen des Versuches zu neuer Verzögerung des Processes führen würden, so hat das erkennende Gericht auf Antrag für diese Beweisaufnahme eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablaufe die Verhandlung auf Antrag einer der Parteien ohne Rücksicht auf den mittels dieses Zeugen angebotenen Beweis fortzusetzen ist. Die Bestimmung der Frist steht auch dann dem erkennenden Gerichte zu, wenn die Vernehmung des Zeugen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden soll. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner des Antragstellers zu hören.

In Betreff der nachträglichen Vernehmung des Zeugen hat die Vorschrift des §. 279, Absatz 2, zu gelten.

Vernehmung.

§. 336. Zeugen, welche wegen falschen Zeugnisses oder falschen Eides verurtheilt worden sind, oder welche zur Zeit ihrer Abhörung das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, endlich Personen, welche wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben, dürfen nicht beeidet werden.

Desgleichen kann das Gericht die Beeidigung eines Zeugen unterlassen, wenn beide Parteien auf die Beeidigung verzichten.

Die unrechtmäßige Verweigerung des Eides zieht dieselben Folgen wie die ungerechtfertigte Verweigerung der Aussage nach sich.

§. 337. Der Zeuge ist vor seiner Abhörung zu beeiden. Zur Aufklärung über die persönlichen Verhältnisse des Zeugen, über die Zulässigkeit seiner Abhörung oder Beeidigung und über den Umstand, ob er eine für die Ermittlung des Sachverhaltes dienliche Aussage abzulegen vermöge, kann jedoch vor der Beeidigung des Zeugen eine Befragung desselben vorgenommen werden.

Auf Grund dieser Befragung kann das Gericht nach Anhörung der Parteien beschließen, dass die Abhörung des Zeugen zu unterbleiben habe, oder es kann sich vorbehalten, über die Beeidigung des Zeugen erst nach erfolgter Abhörung desselben Beschluss zu fassen. Der beauftragte oder ersuchte Richter muß in jedem Falle die Abhörung des Zeugen vornehmen; er kann jedoch die Entscheidung über die Beeidigung des Zeugen bis nach erfolgter Abhörung aufschieben oder dieselbe dem erkennenden Gerichte vorbehalten.

Wenn sich ein Zeuge der Beantwortung von Fragen nicht entschlägt, hinsichtlich deren er die Aussage gemäß §. 321, Z. 1 und 2, zu verweigern berechtigt wäre, kann sich das erkennende Gericht oder der die Vernehmung leitende beauftragte oder ersuchte Richter gleichfalls vorbehalten, über die Ablegung des Eides erst nach erfolgter Abhörung des Zeugen zu entscheiden.

§. 338. In allen Fällen, in welchen erst nach Abhörung der Zeugen über die Beeidigung entschieden werden soll, ist der Zeuge vor der Abhörung an die Pflicht zur Angabe der Wahrheit, an die Heiligkeit und Bedeutung des vorbehaltenen Eides, sowie an die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage zu erinnern.

Nach Ablegung der Aussage kann mit Rücksicht auf die Unerheblichkeit derselben oder auf das ihr zukommende geringe Maß von Glaubwürdigkeit vom erkennenden Gerichte oder von dem die Vernehmung leitenden beauftragten oder ersuchten Richter ausgesprochen werden, dass die Beeidigung unterbleibe.

Wenn die Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter geschah, kann das erkennende Gericht nach Einlangen einer unbeeideten Zeugenaussage die nachträgliche Beeidigung derselben verfügen.

§. 339. Den Zeugen ist vor ihrer Vernehmung bekannt zu geben, über welche Fragen die Aussage von einem Zeugen verweigert werden darf (§. 321).

Die Zeugen sind einzeln in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen zu vernehmen. Die Reihenfolge, in welcher die Abhörung stattzufinden hat, bestimmt bei Vernehmungen vor dem erkennenden Gerichte der Vorsitzende, sonst der beauftragte oder ersuchte Richter.

Vor Beendigung der Vernehmung aller vorgeladenen Zeugen darf sich keiner derselben ohne richterliche Erlaubnis entfernen.

Zeugen, deren Aussagen von einander abweichen, können einander gegenübergestellt werden.

(418) §. 340. Die Vernehmung beginnt damit, dass der Zeuge über Namen, Alter, Religion, Beschäftigung und Wohnort befragt wird. Erforderlichenfalls sind ihm auch Fragen über solche Umstände, welche seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere über seine Beziehungen zu den Parteien, vorzulegen.

Bei der Abhörung hat der Vorsitzende oder der die Vernehmung leitende beauftragte oder ersuchte Richter an den Zeugen über diejenigen Thatsachen, deren Beweis durch seine Aussage hergestellt werden soll, sowie zur Erforschung des Grundes, auf welchem das Wissen des Zeugen beruht, die geeigneten Fragen zu stellen. Außer dem Vorsitzenden können, wenn die Vernehmung vor dem erkennenden Gerichte stattfindet, auch die übrigen Mitglieder des Senates an den Zeugen Fragen richten.

§. 341. Über die Betheiligung der Parteien an der Zeugenvernehmung gelten die Bestimmungen des §. 289. In Ansehung derjenigen Personen, welche infolge bestehender Anordnungen nicht verpflichtet sind, zur Abgabe einer Zeugenaussage in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten im Gerichtshause zu erscheinen, ist das Fragerecht der Parteien durch rechtzeitige Mittheilung schriftlicher Fragen an den mit der Vernehmung beauftragten Richter auszuüben.

§. 342. Wird die Zulässigkeit einer Frage bestritten oder erachtet der Vorsitzende eine Frage als unangemessen zurückzuweisen, so entscheidet hierüber auf Antrag der Senat. Diese Entscheidung steht auch einem beauftragten oder ersuchten Richter zu; sie gilt jedoch in diesem Falle als eine bloß vorläufige und kann durch das erkennende Gericht abgeändert werden.

Findet das erkennende Gericht, dass eine bei der Vernehmung vor einem beauftragten oder ersuchten Richter gestellte Frage unzulässig war, so kann dasselbe aussprechen, dass die auf diese Frage ertheilte Antwort im weiteren Laufe des Verfahrens unberücksichtigt bleibe.

§. 343. Die Aussage des Zeugen ist nach ihrem wesentlichen Inhalte, sofern es aber nothwendig erscheint, ihrem Wortlaute nach in dem über die Tagsatzung geführten Protokolle aufzuzeichnen. Wurde der Zeuge in einer Verhandlungstagsatzung abgehört, so hat diese Aufzeichnung im Verhandlungsprotokolle zu geschehen.

Das Aufgezeichnete ist dem Zeugen und den bei der Vernehmung anwesenden Parteien zur Einsicht vorzulegen oder auf Verlangen vorzulesen.

In dem Protokolle ist zu bemerken, ob der Zeuge vor oder nach seiner Abhörung beeidet wurde, ob dessen Beeidigung unterblieben ist oder der Entscheidung des erkennenden Gerichtes vorbehalten wurde, ob die Parteien und welche derselben bei der Abhörung zugegen waren, endlich ob und welche Einwendungen von den Parteien oder vom Zeugen gegen das Protokoll erhoben wurden.

§. 344. Das erkennende Gericht kann auf Antrag oder von amtswegen die wiederholte Vernehmung von Zeugen insbesondere anordnen, wenn es die vom beauftragten oder ersuchten Richter für gerechtfertigt erkannte Weigerung der Aussage oder der Beantwortung einzelner Fragen für unzulässig erachtet, wenn Zeugen nicht ordnungsgemäß oder nicht vollständig vernommen wurden, wenn die Aussage in Bezug auf wesentliche Punkte an Unklarheit, Unbestimmtheit oder Zweideutigkeit leidet, oder wenn die Zeugen selbst eine Ergänzung oder Berichtigung ihrer Aussagen für nothwendig erachten.

Bei wiederholter oder nachträglicher Vernehmung kann angeordnet werden, dass statt der nochmaligen Beeidigung der Zeuge die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher abgelegten Eid zu versichern habe.

§. 345. Die Partei kann auf einen Zeugen, welchen sie vorgeschlagen hat, verzichten. Der Gegner kann jedoch verlangen, dass der Zeuge, falls er bereits zur Vernehmung erschienen ist, ungeachtet dieses Verzichtes vernommen oder dessen Vernehmung, wenn sie bereits begonnen hat, fortgesetzt werde.

Zeugengebüren.

§. 346. Jeder Zeuge hat Anspruch auf Ersatz der nothwendigen Kosten, welche durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt daselbst, sowie durch die Rückreise verursacht werden.

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis kann von einem Zeugen nur dann begehrt werden, wenn ihm durch dieses Versäumnis ein empfindlicher Abbruch an seinem täglichen Erwerbe verursacht wird.

Den Anspruch auf eine Vergütung hat der Zeuge binnen vierundzwanzig Stunden nach seiner Vernehmung bei Verlust dieses Anspruches geltend zu machen.

(419) Auf Ansuchen des Zeugen kann der Vorsitzende oder der beauftragte oder der ersuchte Richter anordnen, dass dem Zeugen ein zur Bestreitung der Reise zum Gerichte ausreichender Vorschuss geleistet werde.

§. 347. Den Zeugen wird die Vergütung auf Grund von Gebürentarifen geleistet. Die Bestimmung der Vergütung, sowie die wegen Auszahlung derselben erforderlichen Verfügungen obliegen den mit diesem Geschäfte betrauten Beamten des Processgerichtes oder des ersuchten Gerichtes. Den Parteien steht es frei, von der Bestimmung der Vergütung Einsicht zu nehmen; sowohl die Parteien als der Zeuge können binnen drei Tagen nach der erfolgten Bestimmung die Entscheidung des Gerichtes begehren. Dieser Antrag kann mündlich angebracht werden.

Das Gericht entscheidet über denselben ohne vorhergehende mündliche Verhandlung; es kann jedoch vor der Entscheidung den Zeugen, die Parteien oder eine derselben einvernehmen. Die Entscheidung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

Form des Anbringens.

§. 348. Anzeigen, Gesuche und Recurse eines Zeugen können außerhalb der Tagsatzung mittels Schriftsatzes angebracht oder mündlich zu gerichtlichem Protokoll erklärt werden.

Rechtsmittel.

§. 349. Gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung einer Aussage, der Ableistung des Eides oder der Beantwortung einzelner Fragen, gegen den Beschluss, dass die Abhörung eines Zeugen zufolge §. 337 zu unterbleiben hat, sowie gegen die im Sinne der §§. 339 bis 342 bei der Vernehmung gefassten Beschlüsse und getroffenen Verfügungen findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt.

Die Entscheidung des erkennenden Gerichtes über den Fortgang des Verfahrens bei Weigerung der Aussage oder der Eidesleistung seitens eines Zeugen, sowie über die Fortsetzung der Verhandlung in den Fällen der §§. 332 und 335, die Beschlüsse, durch welche die Ladung eines Zeugen oder dessen Vorführung angeordnet oder behufs Erlegung eines Vorschusses für die dem Zeugen zu gewährende Vergütung (§. 332) eine Frist bestimmt wird, die Beschlüsse, durch welche die Leistung eines Vorschusses an den Zeugen aufgetragen wird (§. 346), sowie die über die Beeidigung eines Zeugen gefassten Beschlüsse können durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

Sachverständige Zeugen.

§. 350. Die Vorschriften über den Zeugenbeweis finden auch Anwendung, insoweit zum Beweise vergangener Thatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, solche sachkundige Personen zu vernehmen sind.

Fünfter Titel.

Beweis durch Sachverständige.

Bestellung der Sachverständigen.

§. 351. Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige nothwendig, so hat das erkennende Gericht einen oder mehrere Sachverständige, sofort nach Einvernehmung der Parteien über deren Person, zu bestellen. Hiebei ist, sofern nicht besondere Umstände etwas anderes nothwendig machen, vor allem auf die für Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellten Sachverständigen Bedacht zu nehmen.

Das Gericht kann an Stelle des oder der zuerst bestellten Sachverständigen andere ernennen.

§. 352. Wenn ein durch Sachverständige zu besichtigender Gegenstand nicht vor das erkennende Gericht gebracht werden kann, oder die Aufnahme des Sachverständigenbeweises vor demselben aus anderen Gründen erheblichen Schwierigkeiten unterliegen würde, so kann dieselbe durch einen beauftragten oder ersuchten Richter erfolgen.

Die Bestimmung der Anzahl der Sachverständigen sowie die Auswahl der Sachverständigen kann in diesem Falle dem mit der Beweisaufnahme betrauten Richter überlassen werden; ferner kann die Auswahl, wenn dies zur Vermeidung von Verzögerungen oder eines unverhältnismäßigen Aufwandes dienlich erscheint, ohne vorgängige Vernehmung der Parteien geschehen. Die Namen der bestellten Sachverständigen sind den Parteien vom beauftragten oder ersuchten Richter gleichzeitig mit der Verständigung vor der zur Beweisaufnahme bestimmten Tagsatzung bekannt zu geben.

§. 353. Der Bestellung zum Sachverständigen hat derjenige Folge zu leisten, welcher zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder welcher die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist.

(420) Aus denselben Gründen, welche einen Zeugen zur Verweigerung der Aussage berechtigen, kann die Enthebung von der Bestellung als Sachverständiger begehrt werden.

Öffentliche Beamten sind überdies auch dann zu entheben, wenn ihnen die Verwendung als Sachverständige von ihren Vorgesetzten aus dienstlichen Rücksichten untersagt wird oder wenn sie durch besondere Anordnungen der Pflicht, sich als Sachverständige verwenden zu lassen, enthoben sind.

Folgen des Nichterscheinens und der Weigerung.

§. 354. Wenn ein zur Erstattung des Gutachtens bestellter Sachverständiger die Abgabe des Gutachtens ohne genügenden Grund verweigert oder trotz ordnungsmäßiger Ladung bei der zur Beweisaufnahme bestimmten Tagsatzung ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint, ist demselben der Ersatz der durch seine Weigerung oder durch sein Ausbleiben verursachten Kosten durch Beschluss aufzuerlegen; außerdem ist der Sachverständige in eine Ordnungsstrafe oder bei muthwilliger Verweigerung der Abgabe des Gutachtens in eine Muthwillensstrafe zu verfällen. In Bezug auf diese Beschlussfassungen haben die Bestimmungen der §§. 326, 333 und 334 sinngemäße Anwendung zu finden.

Anstatt des ungehorsamen Sachverständigen kann ein anderer Sachverständiger bestellt werden.

Der ungehorsame Sachverständige haftet nebst dem Kostenersatze für allen weiteren den Parteien durch die ihm zur Last fallende Vereitlung oder Verzögerung der Beweisführung verursachten Schaden.

Ablehnung.

§. 355. Sachverständige können aus denselben Gründen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen; jedoch kann die Ablehnung nicht darauf gegründet werden, dass der Sachverständige früher in derselben Rechtssache als Zeuge vernommen wurde.

Die Ablehnungserklärung ist bei dem Processgerichte, wenn aber die Auswahl der Sachverständigen dem beauftragten oder ersuchten Richter überlassen wurde, bei diesem vor dem Beginne der Beweisaufnahme, und bei schriftlicher Begutachtung vor erfolgter Einreichung des Gutachtens mittels Schriftsatz oder mündlich anzubringen. Später kann eine Ablehnung nur dann erfolgen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie den Ablehnungsgrund vorher nicht erfahren oder wegen eines für sie unübersteiglichen Hindernisses nicht rechtzeitig geltend machen konnte.

Ist im Falle einer solchen nachträglichen Ablehnung die durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vorzunehmende Beweisaufnahme schon beendet, so kann die Ablehnung nur bei dem Processgerichte vorgebracht werden.

§. 356. Gleichzeitig mit der Ablehnung sind die Gründe der Ablehnung anzugeben. Die Entscheidung über die Ablehnung steht dem erkennenden Gerichte oder dem beauftragten oder ersuchten Richter zu, je nachdem die Ablehnung zufolge §. 355 bei ersterem oder letzterem angebracht wurde.

Die Entscheidung erfolgt, wenn die Ablehnung nicht bei einer Tagsatzung vorgebracht wird, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Die ablehnende Partei hat die von ihr angegebenen Gründe der Ablehnung auf Verlangen des Gerichtes vor der Entscheidung glaubhaft zu machen. Wird der Ablehnung stattgegeben, so ist ohne Aufschub die Bestellung eines anderen Sachverständigen zu veranlassen.

Beweisaufnahme.

§. 357. Das erkennende Gericht oder der mit der Leitung der Beweisaufnahme betraute Richter kann auch die schriftliche Begutachtung anordnen. In diesem Falle sind die Sachverständigen verpflichtet, auf Verlangen über das schriftliche Gutachten mündliche Aufklärungen zu geben oder dasselbe bei der mündlichen Verhandlung zu erläutern.

§. 358. Jeder Sachverständige hat vor dem Beginne der Beweisaufnahme den Sachverständigeneid zu leisten. Von der Beeidigung des Sachverständigen kann abgesehen werden, wenn beide Parteien auf die Beeidigung verzichten.

Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im allgemeinen beeidet, so genügt die Erinnerung und Berufung auf den geleisteten Eid.

§. 359. Den Sachverständigen sind diejenigen bei Gericht befindlichen Gegenstände, Actenstücke und Hilfsmittel mitzutheilen, welche für die Beantwortung der denselben vorgelegten Fragen erforderlich sind.

§. 360. Kann eine gründliche und erschöpfende Begutachtung nicht sogleich erfolgen, so hat der die Beweisaufnahme leitende Richter für die Abgabe des Gutachtens eine Frist oder eine besondere Tagsatzung zu bestimmen.

Von dem Einlangen des schriftlichen Gutachtens sind die Parteien in Kenntnis zu setzen (§. 286).

(421) §. 361. Sind zur Abgabe eines Gutachtens mehrere Sachverständige bestellt, so können sie dasselbe gemeinsam erstatten, wenn ihre Ansichten übereinstimmen. Sind sie verschiedener Ansicht, so hat jeder Sachverständige seine Ansicht und die für dieselbe sprechenden Gründe besonders darzulegen.

§. 362. Das Gutachten ist stets zu begründen. Vor Darlegung seiner Ansicht hat der Sachverständige in denjenigen Fällen, in welchen der Abgabe seines Gutachtens die Besichtigung von Personen, Sachen, Örtlichkeiten u. dgl. vorausging und die Kenntnis ihrer Beschaffenheit für das Verständnis und die Würdigung des Gutachtens von Belang ist, eine Beschreibung der besichtigten Gegenstände zu geben (Befund).

Erscheint das abgegebene Gutachten ungenügend oder wurden von den Sachverständigen verschiedene Ansichten ausgesprochen, so kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige oder doch mit Zuziehung anderer Sachverständiger stattfinde. Eine solche Anordnung ist insbesondere auch dann zulässig, wenn ein Sachverständiger nach Abgabe des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt wurde. Zu diesen Anordnungen ist auch der beauftragte oder ersuchte Richter berechtigt.

§. 363. Die Partei, welche den Beweis durch Sachverständige angeboten hat, kann auf denselben verzichten. Der Gegner kann jedoch verlangen, dass die angeordnete Beweisaufnahme demungeachtet vorgenommen werden, wenn entweder die Beweisaufnahme bereits begonnen hat oder wenigstens die Sachverständigen zum Zwecke der Beweisaufnahme schon bei Gericht erschienen sind.

Die dem Vorsitzenden nach §. 183 zustehende Befugnis, von amtswegen eine Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen, wird durch einen Verzicht der Parteien nicht berührt.

§. 364. Bei der Ausübung der Handels-, See- oder Berggerichtsbarkeit kann das Gericht in Fällen, in welchen der Gegenstand seiner Beurtheilung fachmännische Kenntnisse erfordert oder in welchen das Bestehen von geschäftlichen Gebräuchen in Frage kommt, ohne Zuziehung von Sachverständigen entscheiden, wenn die eigene Fachkunde oder das eigene Wissen der Richter diese Zuziehung überflüssig macht.

Gebüren.

§. 365. Der Sachverständige hat Anspruch auf Ersatz der ihm verursachten Kosten und Auslagen, auf Entschädigung für Zeitversäumnis und auf Entlohnung seiner Mühewaltung; er kann einen angemessenen Vorschuss begehren.

Der Vorsitzende oder der beauftragteoder ersuchte Richter, vor welchem die Beweisaufnahme stattfindet, können anordnen, dass der Beweisführer einen von ihnen zu bestimmenden Betrag zur Deckung des mit der Aufnahme des Beweises durch Sachverständige verbundenen Aufwandes vorschussweise erlege (§. 332, Absatz 2).

Auf die Bemessung der Sachverständigengebüren finden die Bestimmungen des §. 347 sinngemäße Anwendung. Gegen den Beschluss über das Ausmaß dieser Gebüren ist der Recurs zulässig.

Rechtsmittel.

§. 366. Gegen den Beschluss, durch welchen die Ablehnung eines Sachverständigen verworfen oder eine schriftliche Begutachtung angeordnet wird, findet ein abgesondertes Rechtmittel nicht statt.

Die Entscheidung über die Anzahl der zu bestellenden Sachverständigen, der Beschluss, durch welchen die Bestellung der Sachverständigen dem beauftragten Richter überlassen (§. 352) oder ein Sachverständiger wegen Ablehnung enthoben wird, die über die Beeidigung eines Sachverständigen gefassten Beschlüsse, endlich die Beschlüsse, durch welche für die Abgabe des Gutachtens gemäß §. 360 eine Tagsatzung anberaumt oder eine Frist bestimmt wird, können durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

§. 367. Soweit im Vorstehenden nichts anderes bestimmt ist, finden auf den Beweis durch Sachverständige und insbesondere auch auf deren Vernehmung und die Protokollirung des bei einer Tagsatzung abgegebenen Befundes und Gutachtens die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend Anwendung.

Sechster Titel.

Beweis durch Augenschein.

§. 368. Zur Aufklärung der Sache kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen die Vornahme eines Augenscheines, nöthigenfalls mit Zuziehung eines oder mehrerer Sachverständigen, anordnen.

(422) Wenn der zu besichtigende Gegenstand nicht vor das erkennende Gericht gebracht werden kann, oder die Vornahme des Augenscheines vor demselben aus anderen Gründen erheblichen Schwierigkeiten unterliegen würde, so kann dieselbe durch einen beauftragten oder durch einen ersuchten Richter erfolgen. In diesem Falle kann dem mit der Vornahme des Augenscheines betrauten Richter die Entscheidung über die Zuziehung der Sachverständigen und die Ernennung derselben überlassen werden. Gegen diese Beschlüsse ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Wenn die Vornahme des Augenscheines voraussichtlich einen Kostenaufwand verursachen wird, kann der Vorsitzende oder der beauftragte oder ersuchte Richter anordnen, dass der Beweisführer einen entsprechenden Betrag zur Deckung dieses Aufwandes vorschussweise erlege (§. 332, Absatz 2).

§. 369. Ist eine Sache zu besichtigen, welche sich nach den Angaben des Beweisführers in dem Besitze der Gegenpartei oder in der Verwahrung einer öffentlichen Behörde oder eines Notars befindet, so sind die Bestimmungen der §§. 301 und 303 bis 307 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Beurtheilung, welchen Einfluss die Verweigerung der Vorzeigung und Herausgabe der Sache seitens des Gegners, die absichtliche oder doch durch den Gegner veranlasste Beseitigung oder Beschädigung der Sache oder die Verweigerung einer Aussage darüber habe, dem durch sorgfältige Würdigung aller Umstände geleiteten richterlichen Ermessen überlassen bleibt.

§. 370. Gegen Beschlüsse und Verfügungen bei der Vornahme des Augenscheines findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt. Dies gilt auch von dem Beschlusse, durch welchen ein Antrag auf Zuziehung von Sachverständigen verworfen wurde.

Das Ergebnis des Augenscheines ist in dem Verhandlungsprotokolle, wenn aber der Augenschein außerhalb der Verhandlungstagsatzung vorgenommen wird, in einem besonderen Protokolle, und zwar in der Regel unmittelbar nach der Vornahme des Augenscheines, aufzuzeichnen.

In dem Protokolle ist zu bemerken, ob die Parteien und welche derselben bei Vornahme des Augenscheines anwesend waren, sowie ob und welche Einwendungen von ihnen bei der Vornahme des Augenscheines oder gegen das Protokoll erhoben wurden.

Siebenter Titel.

Beweis durch Vernehmung der Parteien.

§. 371. Der Beweis über streitige, für die Entscheidung erhebliche Thatsachen kann auch durch die Vernehmung der Parteien geführt werden.

Diese Beweisführung kann auf Antrag oder von amtswegen, jedoch nur dann angeordnet werden, wenn der Beweis weder durch die anderen von den Parteien angebotenen Beweismittel, noch durch die etwa von amtswegen angeordneten Beweisaufnahmen hergestellt ist.

§. 372. Parteien, in Ansehung deren Vernehmung oder Beeidigung einer der Ausschließungsgründe der §§. 320 und 336, Absatz 1, vorliegt, dürfen nicht zum Zwecke der Beweisführung abgehört werden.

§. 373. Wird der Rechtsstreit von dem gesetzlichen Vertreter eines Pflegebefohlenen geführt, so bleibt es dem Ermessen des Gerichtes überlassen, die Vernehmung des gesetzlichen Vertreters oder, sofern dies nach §. 372 statthaft erscheint, des Pflegebefohlenen oder beider zu verfügen.

Ist eine Concursmasse Processpartei, so kann das Gericht die Vernehmung des Verwalters der Concursmasse oder des Gemeinschuldners oder beider anordnen.

In Rechtsstreitigkeiten einer offenen Handelsgesellschaft sind alle Gesellschafter, in Rechtsstreitigkeiten einer Commanditgeschellschaft alle persönlich haftenden Gesellschafter und, wenn der Rechtsstreit von einer anderen Gesellschaft, einer Genossenschaft, einer Gemeinde, einem Vereine oder sonst von einem nicht zu den physischen Personen gehörigen Rechtssubjecte geführt wird, dessen gesetzliche Vertreter in Bezug auf die Vernehmung als Partei zu behandeln.

Können hienach oder, weil auf Seiten einer Partei Streitgenossen auftreten, mehrere Personen vernommen werden, so hat das Gericht zu bestimmen, ob alle oder welche unter diesen Personen abzuhören sind.

§. 374. Das Gericht hat unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurtheilen, ob die Beweisführung durch Vernehmung der Parteien ganz zu entfallen habe, wenn es die Überzeugung gewonnen hat, dass die Partei, welcher der Beweis der streitigen Thatsache obliegt, von derselben keine Kenntnis hat, oder wenn die Abhörung dieser Partei nach den Bestimmungen des §. 372 unstatthaft ist.

(425) §. 375. Die Beweisführung durch Vernehmung der Partei wird durch Beschluss angeordnet. Gegen diesen Beschluss ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Die Beweisführung geschieht dadurch, dass das Gericht an die zu vernehmende Partei über die Thatsachen, deren Beweis durch die Vernehmung hergestellt werden soll, die geeigneten Fragen stellt. Für diese Befragung der Partei haben die Vorschriften der §§. 340 bis 343 sinngemäß zu gelten.

Diese Befragung hat vor dem erkennenden Gerichte zu geschehen. Ist die zu vernehmende Partei nicht persönlich anwesend, so ist deren Vorladung unter Mittheilung der Thatsachen zu verfügen, über welche die Abhörung stattfinden soll. Die Beweisaufnahme durch einen ersuchten Richter ist nur zulässig, wenn dem persönlichen Erscheinen der Partei unübersteigliche Hindernisse entgegenstehen, oder dasselbe unverhältnismäßige Kosten verursachen würde.

§. 376. Die Parteien sind zuerst ohne Beeidigung zu befragen; der unbeeideten Vernehmung kann die Abhörung unter Eid erfolgen.

Bei der unbeeideten Vernehmung sind, wenn beide Parteien erschienen sind, in der Regel beide über die zu beweisenden Thatsachen zu befragen. Vor der unbeeideten Vernehmung hat das Gericht die Parteien aufmerksam zu machen, dass sie unter Umständen verhalten werden können, über ihre Aussagen einen Eid abzulegen.

§. 377. Wenn das Ergebnis der unbeeideten Befragung nicht ausreicht, um das Gericht von der Wahrheit oder Unwahrheit der zu beweisenden Thatsachen zu überzeugen, so kann das Gericht die eidliche Vernehmung anordnen.

Die eidliche Aussage kann über dieselbe Thatsache nur einer der beiden Parteien aufgetragen werden. Hiebei kann das Gericht aus der unbeeideten Aussage dieser Partei einzelne Behauptungen hervorheben, welche die Partei nunmehr unter Eid zu wiederholen hat; desgleichen kann das Gericht bei Anordnung der eidlichen Vernehmung die Fassung bestimmen, in welcher die eidliche Aussage über einzelne Umstände zu erfolgen habe. Gegen diese Beschlüsse ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Die von einer Partei unter Eid abgelegte Aussage unterliegt, wenn sie falsch ist, der gleichen strafrechtlichen Beurtheilung wie ein vor Gericht abgelegter falscher Eid. Die Partei ist vor ihrer eidlichen Abhörung an die Pflicht zu Angabe der Wahrheit, an die Heiligkeit und Bedeutung des Eides, sowie an die strafrechtlichen Folgen eines falschen Eides zu erinnern. Die erfolgte Eideserinnerung ist im Protokolle festzustellen.

§. 378. Das Gericht hat nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände zu beschließen, welche bereits unbeeidet befragte Partei über die streitige Thatsache unter Eid zu vernehmen ist.

§ 379. Das Gericht kann die Verhandlung zum Zwecke der eidlichen Befragung einer Partei vertagen, wenn es angemessen erscheint, der zu vernehmenden Partei eine Überlegungsfrist zu gewähren.

§. 380. Die Bestimmungen über den Beweis durch Zeugen finden auch auf die Vernehmung der Parteien zum Zwecke der Beweisführung Anwendung, soweit in diesem Abschnitte nicht abweichende Anordnungen enthalten sind. Durch den im §. 321, Z. 2, bezeichneten Grund wird jedoch die Verweigerung der Aussage von Seite einer abzuhörenden Partei nicht gerechtfertigt.

Durch das Nichterscheinen einer der Parteien bei der zur Vernehmung nach §. 375 angeordneten Tagsatzung oder durch die Verweigerung der Aussage seitens einer der erschienenen Parteien wird die Vernehmung des anwesenden Gegners nicht gehindert.

Die Anwendung von Zwangsmaßregeln, um eine Partei, die zum Zwecke der Beweisführung ohne Beeidigung oder beeidet befragt werden soll, zum Erscheinen vor Gericht oder zur Aussage zu verhalten, ist unstatthaft.

§. 381. Welchen Einfluss es auf die Herstellung des Beweises habe, wenn die Partei ohne genügende Gründe die Aussage oder die Beantwortung einzelner Fragen ablehnt, wenn die zum Zwecke der unbeeideten oder beeideten Vernehmung geladene Partei nicht erscheint, oder wenn die eidliche Aussage einer Partei von den bei ihrer vorausgegangenen unbeeidigten Vernehmung abgegebenen Erklärungen in erheblichen Punkten abweicht, hat das Gericht unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurtheilen.

§. 382. Parteien, welche zum Zwecke der Beweisführung unbeeidet oder beeidet vernommen werden, können unbeschadet des Rechtes auf Ersatz der Processkosten einen Anspruch auf Vergütung im Sinne des §. 346 nicht erheben.

(424) Die Vorschriften der §§. 372 bis 381 gelten sinngemäß auch für die wegen Vorlage einer Beweisurkunde, einer Auskunftssache oder eines Augenscheinsgegenstandes angeordnete Vernehmung und eidliche Abhörung einer Partei.

§. 383. Wenn eine Partei eine Erklärung abgegeben hat, in welcher sie sich erbietet, die zu beweisenden Umstände im Processe eidlich zu bestätigen, die eidliche Abhörung dieser Partei jedoch wegen ihres früheren Todes nicht stattfinden kann, so hat das Gericht die Erklärung nach §. 272 zu würdigen.

Achter Titel.

Sicherung von Beweisen.

§. 384. Die Vornahme eines Augenscheines oder die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen kann zur Sicherung einer Beweisführung in jeder Lage des Rechtsstreites und selbst noch vor Beginn desselben beantragt werden, wenn zu besorgen ist, dass das Beweismittel sonst verloren oder die Benützung desselben erschwert werde.

Diese Beweisaufnahmen können auch, ohne dass letztere Voraussetzungen vorliegen, beantragt werden, wenn Mängel einer Sache oder eines Werkes festzustellen sind, wegen deren der Gegner Gewähr leisten soll. Hat der Erwerber einer Sache dem Veräußerer einen Mangel angezeigt oder die Annahme der Sache wegen Mangelhaftigkeit abgelehnt, so kann auch der Veräußerer solche Beweisaufnahmen beantragen. In gleicher Weise ist der Unternehmer eines Werkes zu dem Antrage berechtigt, wenn der Besteller ihm einen Mangel angezeigt oder die Annahme des Werkes wegen Mangelhaftigkeit verweigert hat.

Der Antrag ist bei dem Processgerichte, in dringenden Fällen aber sowie wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, bei dem Bezirksgerichte anzubringen, in dessen Sprengel die Sachen, welche in Augenschein zu nehmen sind oder die Grundlage des Sachverständigenbeweises zu bilden haben, oder die zu vernehmenden Personen sich befinden. Der Antrag kann zu gerichtlichem Protokoll angebracht werden.

§. 385. Die antragstellende Partei hat die Thatsachen, über welche die Beweisaufnahme erfolgen soll, sowie die Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und der allenfalls vorgeschlagenen Sachverständigen anzugeben. Die Gründe, welche die Besorgnis rechtfertigen, dass das Beweismittel verloren oder dessen Benützung erschwert werden würde, sind von der antragstellenden Partei darzulegen.

Die antragstellende Partei hat ferner den Gegner zu benennen. Hievon kann nur dann abgesehen werden, wenn sich aus den von der Partei dargelegten Umständen ergibt, dass sie nach Lage der Sache außerstande ist, den Gegner zu bezeichnen.

§. 386. Über den Antrag ist ohne vorhergehende mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Vor der Entscheidung ist jedoch, sofern nicht Gefahr am Verzuge ist, der Gegner zu vernehmen, falls derselbe bekannt und seine Zustimmung nicht bereits nachgewiesen ist. Der antragstellenden Partei kann vor der Entscheidung aufgetragen werden, die Umstände glaubhaft zu machen, welche die Sicherung des Beweises nothwendig machen.

Zur Entscheidung ist bei Gerichthöfen in dringenden Fällen der Vorsteher des Gerichtshofes oder der Vorsitzende des Senates berufen, welchem die Rechtssache zugewiesen ist.

In dem dem Antrage stattgebenden Beschlusse hat das Gericht die Thatsachen, über welche die Beweisaufnahme erfolgen soll, sowie die Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und unter Bestellung der Sachverständigen zu bezeichnen. Zugleich sind die zum Vollzuge der Beiweisaufnahme nöthigen Anordnungen zu treffen. Für den unbekannten Gegner kann das Gericht zur Wahrnehmung seiner Rechte bei der Beweisaufnahme einen Curator bestellen.

Der Beschluss, welcher dem Antrage stattgibt, kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

§. 387. Der Gegner ist unter Zustellung des Beschlusses und, falls er über den Antrag nicht früher gehört wurde, auch eines Exemplars des von der antragstellenden Partei überreichten Schriftsatzes oder einer Abschrift des über ihren Antrag aufgenommenen Protokolles zu der für die Beweisaufnahme bestimmten Tagsatzung zu laden.

In dringenden Fällen kann jedoch noch vor Zustellung des Beschlusses an den bekannten Gegner mit der Beweisaufnahme begonnen werden. Die Bewilligung hiezu kann auf Antrag gleichzeitig mit der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Beweisaufnahme ertheilt werden. Gegen die Gewährung oder Verweigerung dieser Bewilligung ist ein Rechtsmittel unzulässig.

§. 388. Die Beweisaufnahme erfolgt nach den Vorschriften des zweiten, vierten, fünften und sechsten Titels dieses Abschnittes.

(425) Das die Beweisaufnahme betreffende Protokoll wird bei dem Gerichte verwahrt, welches die Beweisaufnahme angeordnet hat. Wenn der Rechtsstreit bei dem anderen Gerichte anhängig ist oder anhängig wird, ist das Protokoll dem Processgerichte auf dessen Ersuchen oder Antrag einer der Parteien zu übersenden.

Die Kosten der Beweisaufnahme werden von der antragstellenden Partei bestritten, unbeschadet eines ihr zustehenden Ersatzanspruches. Dem Gegner sind die nothwendigen Kosten für seine Betheiligung bei der Beweisaufnahme unbeschadet der Entscheidung in der Hauptsache zu ersetzen.

§. 389. Jede Partei kann im Verlaufe des Rechtsstreites die zur Sicherung eines Beweises erfolgte Beweisaufnahme benützen.

Welcher Einfluss der Einwendung einzuräumen sei, dass die Beweisaufnahme nicht nach den Bestimmungen stattgefunden hat, welche für eine im Laufe des Processes erfolgende Beweisaufnahme gelten, oder dass der Gegner von der Beweisaufnahme nicht oder nicht rechtzeitig verständigt wurde, hat das erkennende Gericht nach §. 272 zu würdigen.

Im Verlaufe des Rechtsstreites kann eine Ergänzung oder Wiederholung der Beweisaufnahme angeordnet werden.

Zweiter Abschnitt.

Urtheile und Beschlüsse.

Erster Titel.

Urtheile.

Endurtheil.

§. 390. Wenn der Rechtsstreit nach den Ergebnissen der durchgeführten Verhandlung und der stattgefundenen Beweisaufnahmen zur Endentscheidung reif ist, hat das Gericht diese Entscheidung durch Urtheil zu fällen (Endurtheil).

Dasselbe gilt, wenn von mehreren zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung verbundenen Processen nur einer zur Endentscheidung reif ist.

Theilurtheil.

§. 391. Sind einzelne von mehreren in derselben Klage geltend gemachten Ansprüchen oder ist ein Theil eines Anspruches durch ausdrückliche Anerkennung von Seiten des Beklagten außer Streit gestellt, so kann das Gericht in Ansehung dieses Anspruches oder des Theiles sofort zum Schluss der Verhandlung und zur Urtheilsfällung schreiten (Theilurtheil).

Ein Theilurtheil kann auch erlassen werden, wenn bei erhobener Widerklage nur die Klage oder Widerklage zur Endentscheidung reif ist.

Hat der Beklagte mittels Einrede eine Gegenforderung geltend gemacht, welche mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht im rechtlichen Zusammenhange steht, so kann, wenn nur die Verhandlung über den Klagsanspruch zur Entscheidung reif ist, über denselben durch Theilurtheil erkannt werden. Die Verhandlung über die Gegenforderung ist ohne Unterbrechung fortzusetzen.

§. 392. Jedes Theilurtheil ist in Betreff der Rechtsmittel und der Execution als ein selbstständiges Urtheil zu beachten.

Die Bestimmungen des §. 52, Absatz 2, gelten auch in Ansehung der Nebengebüren des Anspruches oder Theilanspruches, über welche mittels Theilurtheils erkannt wurde.

Zwischenurtheil.

§. 393. Wenn in einem Rechtsstreite ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und die Verhandlung zunächst bloß in Ansehung des Grundes zur Entscheidung reif ist, kann das Gericht vorab über den Grund des Anspruches durch Urtheil entscheiden (Zwischenurtheil).

Ferner kann durch ein der Entscheidung der Hauptsache vorausgehendes Zwischenurtheil im Falle der §§. 236 und 259 über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes entschieden werden, sobald die Verhandlung über den Feststellungsantrag zur Entscheidung reif ist.

Die im Sinne der beiden ersten Absätze erlassenen Urtheile sind in Betreff der Rechtsmittel als Endurtheile anzusehen. Durch die Erhebung der Berufung oder Revision gegen ein gemäß Absatz 1 erlasssenes Zwischenurtheil wird die weitere Verhandlung über die Klage bis zum Eintritte der Rechtskraft des erlassenen Zwischenurtheiles gehemmt. In allen anderen Fällen nimmt ungeachtet der Berufung oder Revision gegen das Zwischenurtheil die Verhandlung der Hauptsache ihren Fortgang. Das Gericht kann jedoch, wenn ein für die Entscheidung der Hauptsache wesentliches Rechtsverhältnis oder Recht für nicht begründet erkannt wurde, anordnen, dass die weitere Verhandlung über die Klage bis zum Eintritte der Rechtskraft des erlassenen Zwischenurtheils auszusetzen sei. Diese Anordnung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

(426) In Ansehung der Kosten hat die Vorschrift des §. 52, Absatz 2, sinngemäße Anwendung zu finden.

Urtheil aufgrund von Gericht.

§. 394. Verzichtet der Kläger bei der ersten Tagsatzung oder bei der mündlichen Streitverhandlung auf den geltend gemachten Anspruch, so ist die Klage auf Antrag des Beklagten auf Grund des Verzichtes durch Urtheil abzuweisen.

Bezieht sich der Verzicht nur auf einen von mehreren in der Klage geltend gemachten Ansprüchen oder auf einen Theil eines Anspruches, so kann auf Grund des Verzichtes auf Antrag ein Theilurtheil erlassen werden.

Urtheil auf Grund von Anerkenntnis.

§. 395. Wenn der Beklagte den gegen ihn erhobenen Anspruch bei der ersten Tagsatzung oder bei der mündlichen Streitverhandlung ganz oder zum Theile anerkennt, so ist auf Antrag des Klägers dem Anerkenntnis gemäß durch Urtheil zu entscheiden.

Urtheil in Versäumnisfällen.

§. 396. Wenn die erste Tagsatzung vom Kläger oder vom Beklagten versäumt wird, so ist das auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliche thatsächliche Vorbringen der erschienenen Partei, soweit dasselbe nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird, für wahr zu halten und auf dieser Grundlage auf Antrag der erschienenen Partei über das Klagebegehren durch Versäumungsurtheil zu erkennen.

§. 397. Auf schriftliche Aufsätze, welche die ausgebliebene Partei etwa eingesendet hat, ist kein Bedacht zu nehmen.

Das Versäumungsurtheil, wie das Urtheil über Verzicht oder Anerkenntnis sind in der ersten Tagsatzung vom Vorsitzenden oder von dem mit der Abhaltung dieser Tagsatzung betrauten Richter zu erlassen.

§. 398. Wenn vom Beklagten die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig überreicht wurde, wird eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nur auf neuerlichen Antrag des Klägers anberaumt.

Die Streitverhandlung hat sich in diesem Falle auf die vom Beklagten bei der ersten Tagsatzung angemeldeten Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Unzuständigkeit des Gerichtes, der Streitanhängigkeit und der rechtskräftig entschiedenen Streitsache zu beschränken. Werden diese Einreden verworfen, so ist sogleich auf weiteren vom Kläger gestellten Antrag in der Hauptsache Versäumungsurtheil zu erlassen (§. 396).

Wurde eine abgesonderte Verhandlung über die bezeichneten Einreden angeordnet (§. 260), so kann der Kläger bei Bewertung der Einreden wegen nicht rechtzeitiger Überreichung der Klagebeantwortung die Anberaumung einer Tagsatzung behufs Erlassung des Versäumungsurtheiles in der Hauptsache beantragen.

Das Erscheinen des Beklagten zu einer im Sinne der vorhergehenden Absätze anberaumten Tagsatzung steht der Erlassung des Versäumungsurtheiles nicht entgegen; auf mündliches Vorbringen des erschienenen Beklagten, das die Hauptsache betrifft, ist bei der Erlassung des Versäumungsurtheiles kein Bedacht zu nehmen.

Das Ausbleiben des Klägers von einer auf seinen Antrag gemäß Absatz 1 oder 2 anberaumten Tagsatzung hat das Ruhen des Verfahrens zur Folge. Der etwa erschienene Beklagte kann weder die Erlassung eines Versäumungsurtheils, noch die Erstreckung der Tagsatzung zur Aufnahme der Verhandlung in der Hauptsache beantragen.

§. 399. Wenn nach rechtzeitig überreichter Klagebeantwortung die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anberaumt wurde und eine der Parteien diese oder eine spätere zur mündlichen Streitverhandlung bestimmte Tagsatzung versäumt, so kann die erschienene Partei bei dieser Tagsatzung die Fällung des Urtheils beantragen. Bei der Urtheilsfällung ist auf neues thatsächliches Vorbringen der erschienenen Partei, das mit dem Inhalte der von ihr überreichten Schriftsätze oder mit ihren früheren Erklärungen und thatsächlichen Angaben in Widerspruch steht, nur insoweit Bedacht zu nehmen, als dasselbe dem Gegner vor der Tagsatzung durch vorbereitenden Schriftsatz mitgetheilt wurde. Dagegen sind bei der Urtheilsfällung nicht bloß die Ergebnisse vorausgegangener Beweisaufnahmen, sondern auch die früheren Erklärungen und thatsächlichen Angaben der nunmehr säumigen Partei zu berücksichtigen, insofern die letzteren in überreichten vorbereitenden Schriftsätzen, im Verhandlungsprotokolle und dessen Anlagen oder im Protokolle beauftragter oder ersuchter Richter beurkundet sind oder den Gegenstand einer vom Gerichte bei einer früheren Tagsatzung verfügten Beweisaufnahme bilden.

Wird der Antrag, wegen Säumnis einer Partei in der Hauptsache das Urtheil zu fällen, zu einer Zeit

(427) gestellt, da über die bei der ersten Tagsatzung angemeldeten Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Unzuständigkeit des Gerichtes, der Streitanhängigkeit oder Rechtskraft eine abgesonderte Verhandlung anhängig ist, so kann die Urtheilsfällung erst nach Bewertung dieser Einreden erfolgen.

§. 400. Die Bestimmungen der §§. 396 bis 399 sind auch dann anzuwenden, wenn eine der Parteien wegen unangemessenen Betragens aus dem Gerichtssaale entfernt wird.

§. 401. Der Umstand, dass die Tagsatzung von einer Partei versäumt wird, ändert nichts an der Anwendung der Bestimmungen, welche festsetzen, was das Gericht von amtswegen zu berücksichtigen hat, und enthebt auch den Gegner nicht der Verpflichtung, diejenigen Nachweisungen zu liefern, welche in Betreff der von amtswegen zu berücksichtigenden Umstände erforderlich sind.

Desgleichen steht die Säumnis einer Partei der Aufnahme von Beweisen vor dem erkennenden Gerichte, sowie dem Vortrage der Ergebnisse einer nicht vor dem erkennenden Gerichte erfolgten Beweisaufnahme nicht entgegen.

§. 402. Der Antrag, wegen Säumnis einer Partei das Urtheil zu fällen (§§. 396, 398, 399), ist zurückzuweisen:

1. wenn der Nachweis fehlt, dass die nicht erschienene Partei zur Tagsatzung ordnungsmäßig geladen wurde;

2. wenn es bei Gericht offenkundig ist, dass die nicht erschienene Partei durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle am Erscheinen gehindert ist;

3. wenn die erschienene Partei die wegen eines von amtswegen zu berücksichtigenden Umstandes vom Gerichte geforderte Nachweisung bei der Tagsatzung nicht zu beschaffen vermag.

Der Antrag, gegen Streitgenossen wegen Säumnis das Urtheil zu fällen, ist bei dem Vorhandensein einer nach §. 14 zu beurtheilenden Streitgenossenschaft zurückzuweisen, wenn auch nur betreffs eines der Streitgenossen der Nachweis der Ladung fehlt oder eines der in Absatz 2 angeführten Hindernisse obwaltet.

Wenn dem Antrage, wegen Säumnis einer Partei das Urtheil zu fällen, nicht stattgegeben wird, ist die Tagsatzung von amtswegen auf angemessene Zeit zu erstrecken und auch die säumige Partei zur neuen Tagsatzung wieder zu laden.

§. 403. Wird der Antrag, wegen Säumnis einer Partei das Urtheil zu fällen, durch Beschluss zurückgewiesen, dieser Beschluss aber infolge Recurses aufgehoben, so kann das Urtheil ohne Anberaumung einer neuen Tagsatzung gefällt werden.

Urtheilsinhalt.

§. 404. Das in der Hauptsache gefällte Urtheil hat alle die Hauptsache betreffenden Anträge zu erledigen, sofern nicht über einzelne dieser Anträge bereits früher entschieden wurde oder dieselben einer abgesonderten Erledigung vorbehalten werden.

Mehrere Rechtsstreitigkeiten zwischen denselben Parteien, welche nach §. 187 zu gemeinsamer Verhandlung verbunden wurden, sind durch dasselbe Urtheil zu entscheiden, wenn die Verbindung der Verhandlung nicht schon vor Fällung des Urtheils aufgehoben oder über einen der verbundenen Processe gemäß §. 390 durch besonderes Urtheil entschieden wurde.

§. 405. Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen oder anderen Nebenforderungen.

§. 406. Die Verurtheilung zu einer Leistung ist nur zulässig, wenn die Fälligkeit zur Zeit der Urtheilsschöpfung bereits eingetreten ist. Bei Anspruch auf Alimente kann auch zu Leistungen verurtheilt werden, welche erst nach Erlassung des Urtheils fällig werden.

§. 407. Bei Verurtheilung zur Entrichtung einer Geldrente wegen Tödtung, Körperverletzung oder Freiheitsentziehung kann das Gericht, wenn eine Sicherstellung der künftigen Zahlungen offenbar nothwendig erscheint, auf Antrag im Urtheile auch auf Sicherheitsleistung erkennen. Wenngleich im Processe ein solcher Antrag nicht gestellt wurde, kann der Berechtigte nachträglich im Wege der Klage Sicherheitsleistung verlangen, falls die Vermögensverhältnisse des Verpflichteten sich inzwischen erheblich verschlechtert haben.

Unter derselben Voraussetzung kann der Berechtigte eine Erhöhung der im Urtheile bestimmten Sicherheit mittels Klage begehren.

§. 408. Findet das Gericht, dass die unterliegende Partei offenbar muthwillig Process geführt hat, so

(428) kann es dieselbe auf Antrag der siegenden Partei zur Leistung eines entsprechenden Entschädigungsbetrages verurtheilen.

Durch die Verhandlung über diesen Antrag darf die Entscheidung in der Hauptsache nicht aufgehalten werden.

Bei Bestimmung des Entschädigungsbetrages ist auf die Vorschrift des §. 273 Bedacht zu nehmen.

§. 409. Wenn in einem Urtheile die Verbindlichkeit zu einer Leistung auferlegt wird, ist zugleich auch die Frist für diese Leistung zu bestimmen. Diese Frist beträgt, sofern in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist, vierzehn Tage.

Wird jedoch die Pflicht zur Verrichtung einer Arbeit oder eines Geschäftes auferlegt, so hat das Gericht zur Erfüllung der Verbindlichkeit mit Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Verpflichteten eine angemessene Frist zu bestimmen. Hiebei ist insbesondere auch darauf zu achten, dass der Verpflichtete durch die zu verrichtende Handlung nicht an der rechtzeitigen Vornahme der Saat-, Schnitt- oder Weinlesearbeiten gehindert wird.

Die Fristen beginnen mit dem Tage nach Eintritt der Rechtskraft des Urtheils.

§. 410. Wird im Urtheile ein Gegenstand zuerkannt, der nicht in einem Geldbetrage besteht, so ist zugleich auszusprechen, dass sich der Beklagte durch Zahlung des Geldbetrages, welchen der Kläger in der Klage oder während der Verhandlung anstatt dieses Gegenstandes anzunehmen sich bereit erklärt hat, von der Leistung dieses Gegenstandes befreien könne.

Rechtskraft des Urtheiles.

§. 411. Durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbare Urtheile sind der Rechtskraft insoweit theilhaft, als in dem Urtheile über einen durch Klage oder Widerklage geltend gemachten Anspruch oder über ein im Laufe des Peocesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht entschieden ist, hinsichtlich dessen gemäß §§. 236 oder 259 die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens begehrt wurde. Die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand einer vom Beklagten zur Compensation geltend gemachten Gegenforderung ist der Rechtskraft nur bis zur Höhe des Betrages theilhaft, mit welchem aufgerechnet werden soll.

Die Rechtskraft des Urtheiles ist von amtswegen zu berücksichtigen.

Urtheilsfällung, Urtheilsverkündung und Zustellung des Urtheils.

§. 412. Das Urtheil kann nur von denjenigen Richtern gefällt werden, welche an der dem Urtheile zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung theilgenommen haben.

Muss vor der Urtheilsschöpfung eine Änderung in der Person des Vorsitzenden oder eines der übrigen Senatsmitglieder eintreten, so ist die mündliche Verhandlung vor dem geänderten Senate mit Benützung der Klage, der zu den Acten gebrachten Beweise und des Verhandlungsprotokolles von neuem durchzuführen.

§. 413. Die Berathung und Abstimmung der Richter ist nicht öffentlich. In schwierigen Fällen kann der Vorsitzende für diese Berathung Berichterstatter bestellen.

§. 414. Das Urtheil ist auf Grund der mündlichen Verhandlung, und zwar wenn möglich, sogleich nach Schluss derselben zu fällen und zu verkünden. Mit dem Urtheile sind die Entscheidungsgründe zu verkünden. Die Verkündung des Urtheiles ist von der Anwesenheit beider Parteien unabhängig.

Der Senat kann sich bei der Verkündung, selbst wenn das Urtheil schon in vollständiger schriftlicher Fassung vorliegt, auf die Bekanntgabe des Wortlautes des Urtheilsspruches und auf die Mittheilung der wesentlichen Entscheidungsgründe beschränken. Die Festsetzung des Kostenbetrages kann bei der Verkündung des Urtheiles der Ausfertigung desselben vorbehalten bleiben.

Das verkündete Urtheil ist in schriftlicher Ausfertigung sammt den vollständigen Entscheidungsgründen jeder Partei zuzustellen.

§. 415. Wenn das Urtheil nicht sofort nach Schluss der mündlichen Verhandlung gefällt werden kann und insbesondere auch dann, wenn die Verhandlung gemäß §. 193, Absatz 3, vor Vollendung der Beweisaufnahme geschlossen wurde, ist das Urtheil binnen acht Tagen nach Schluss der mündlichen Verhandlung, im Falle des §. 193, Absatz 3, aber binnen acht Tagen nach dem Einlangen der Acten über die ausständige Beweisaufnahme zu fällen. Eine besondere Verkündung des Urtheiles findet dann nicht statt.

§. 416. Das Urtheil wird den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung der schriftlichen Urtheilsausfertigung wirksam.

(429) Das Gericht ist jedoch an seine Entscheidung gebunden, sobald dieselbe verkündet oder im Falle des §. 415 in schriftlicher Abfassung zur Ausfertigung abgegeben ist.

Schriftliche Ausfertigung.

§. 417. Das Urtheil hat in schriftlicher Ausfertigung zu enthalten:

1. die Bezeichnung des Gerichtes und die Namen der Richter, welche bei der Entscheidung mitgewirkt haben; wenn das Urtheil in Ausübung einer besonderen Gerichtsbarkeit von einem Gerichte gefällt wird, welchem auch die allgemeine Gerichtsbarkeit zusteht, so ist der Bezeichnung des Gerichtes ein die Ausübung der besonderen Gerichtsbarkeit ausdrückender Zusatz beizufügen;

2. die Bezeichnung der Parteien nach Namen (Vor- und Zuname), Beschäftigung, Wohnort und Parteistellung, sowie die Bezeichnung ihrer Vertreter und Bevollmächtigten;

3. den Urtheilsspruch;

4. den Urtheilsthatbestand;

5. die Entscheidungsgründe.

Der Urtheilsthatbestand und die Entscheidungsgründe sind äußerlich zu sondern und dürfen auch nicht mit dem Urtheilsspruche vereinigt werden. Der Urtheilsthatbestand hat eine gedrängte Darstellung des aus der mündlichen Streitverhandlung sich ergebenden Sachverhaltes unter Hervorhebung der in der Hauptsache von den Parteien gestellten Anträge zu enthalten.

Das auf Grund der §§. 179, 181, Absatz 2, 275, Absatz 2, und 278, Absatz 2, vom Gerichte für unstatthaft erklärte Vorbringen, sowie jene Beweise, deren Benützung wegen des fruchtlosen Verstreichens einer für die Beweisaufnahme bestimmten Frist nicht gestattet wurde, sind im Thatbestande des Urtheiles anzuführen.

§. 418. Die für die Gerichtsacten bestimmte schriftliche Abfassung des Urtheiles ist vom Vorsitzenden des Senates und vom Schriftführer zu unterschreiben.

Der Auszug eines Urtheiles muss nebst dem Urtheilsspruche auch die in §. 417, Z. 1 und 2, bezeichneten Angaben enthalten.

Vor Zustellung der schriftlichen Urtheilsausfertigungen an die Parteien können Auszüge und Abschriften des Urtheiles nicht ertheilt werden.

Berichtigung des Urtheiles.

§. 419. Die Berichtigung von Schreib- und Rechnungsfehlern oder anderen offenbaren Unrichtigkeiten in dem Urtheile oder in dessen Ausfertigungen kann das Gericht, welches das Urtheil gefällt hat, jederzeit vornehmen. Eine Berichtigung von amtswegen hat insbesondere auch dann stattzufinden, wenn die Ausfertigung des Urtheiles mit der vom Gerichte gefällten Entscheidung nicht übereinstimmt.

Das Gericht kann über die Berichtigung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung entscheiden. Gegen den Beschluss, durch welchen der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt.

Die Vornahme einer Berichtigung kann auch in höherer Instanz angeordnet werden.

Berichtigung des Thatbestandes.

§. 420. Kommen im Thatbestande des Urtheiles andere, als die im §. 419 bezeichneten Unrichtigkeiten vor oder bedarf derselbe einer Vervollständigung oder zur Behebung von Dunkelheiten und Widersprüchen einer Erläuterung, so kann jede Partei die erforderliche Berichtigung bei dem Processgerichte binnen acht Tagen nach Zustellung des Urtheiles beantragen. Über einen solchen Antrag hat das Gericht mit thunlichster Beschleunigung nach Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung, ohne Zulassung einer Beweisaufnahme durch Beschluss zu entscheiden.

Bei der Entscheidung wirken nur jene Richter mit, welche an der Urtheilsfällung theilnahmen. Ist einer dieser Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden, und bei dessen Verhinderung die Stimme des älteren Richters den Ausschlag.

Eine Anfechtung des Beschlusses oder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der in Absatz 1 bezeichneten Frist findet nicht statt.

§. 421. Wenn die Vervollständigung des Thatbestandes lediglich deshalb beantragt wird, weil in demselben Anführungen und Beweise übergangen sind, die gemäß §. 417, letzter Absatz, im Thatbestande zu erwähnen sind, so hat das Processgericht gemäß §. 419 vorzugehen.

§. 422. Eine Berichtigung, welche das Gericht nach den §§. 419, 420 oder 421 vorzunehmen findet, ist der Urschrift des Urtheiles beizusetzen und in allen bereits ertheilten Ausfertigungen des Urtheiles, welche zu diesem Zwecke abzufordern sind, ersichtlich zu machen.

Bei Verwerfung des Antrages auf Urtheilsberichtigung ist dem Antragsteller der Ersatz aller entstandenen Kosten aufzuerlegen; sonst sind die Kosten gegenseitig aufzuheben.

Ergänzung des Urtheiles.

(430) §. 423. Wenn in dem Urtheile ein Anspruch, über welchen nach dem Urtheilsbestande zu entscheiden war, übergangen, oder wenn in einem Urtheile über die von einer Partei begehrte Erstattung der Processkosten nicht oder nur unvollständig erkannt wurde, ist das Urtheil durch eine nachträgliche Entscheidung zu ergänzen (Ergänzungsurtheil).

Der Antrag auf Ergänzung ist bei dem Processgerichte binnen acht Tagen nach Zustellung des Urtheiles anzubringen; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist ist unzulässig.

Das Gericht entscheidet nach vorhergehender mündlicher Verhandlung. Diese Verhandlung ist auf den nicht erledigten Theil des Rechtsstreites zu beschränken. Die Abweisung des Antrages auf Ergänzung erfolgt mittels Beschluss.

§. 424. Die Verhandlung über die Berichtigung des Urtheilsthatbestandes oder über die Ergänzung des Urtheiles hat auf den Lauf der Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen das Urtheil, dessen Thatbestand berichtigt werden soll oder dessen Ergänzung beantragt wird, keinen Einfluss.

Zweiter Titel.

Beschlüsse.

§. 425. Sofern nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht ein Urtheil zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen, Anordnungen und Verfügungen durch Beschluss.

An seine Beschlüsse ist das Gericht insoweit gebunden, als dieselben nicht bloß processleitender Natur sind.

Die Vorschriften des §. 412 sind auf Beschlüsse des Gerichtes sinngemäß anzuwenden.

§. 426. Alle während der Verhandlung oder Beweisaufnahme vom Senate, von dem Vorsitzenden oder von einem beauftragten oder ersuchten Richter gefassten Beschlüsse sind zu verkünden. Diese Beschlüsse sind den bei der Verkündung anwesenden Parteien in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen, wenn der Partei ein Rechtsmittel gegen den Beschluss oder das Recht zur sofortigen Executionsführung auf Grund des Beschlusses zusteht. An Parteien, welche bei der Verkündung nicht anwesend waren, ist in diesen Fällen und nebstdem in allen Fällen, in welchen die Leitung des Verfahrens es erfordert, die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung zu bewirken.

Wenn die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung nicht zu erfolgen hat, so begründet die mündliche Verkündung die Wirkungen der Zustellung.

§. 427. Außerhalb der Tagsatzungen gefasste Beschlüsse sind den Parteien durch Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung (Bescheid) bekannt zu geben.

Ein Bescheid, durch welchen ein Antrag einer Partei ohne vorhergehende Vernehmung des Gegners abgewiesen wird, ist dem Gegner nur auf Ansuchen des Antragstellers zuzustellen.

§. 428. Beschlüsse über widerstreitende Anträge und Beschlüsse, durch welche ein Antrag abgewiesen wird, müssen begründet werden.

Hierbei sind die Anträge, über welche im Beschlusse entschieden wird, und der Sachverhalt, falls nicht beides aus dem gleichzeitig mitgetheilten Schriftsatze oder aus Protokollsabschrift zu entnehmen ist, in die Begründung insoweit aufzunehmen, als es zum Verständnis des Ausspruches oder der Verfügung erforderlich ist.

§. 429. Die Urschrift des Beschlusses ist, wenn der Beschluss von einem Senate gefasst wurde, von dem Vorsitzenden, außerdem aber von dem Richter zu unterschreiben, welcher den Beschluss gefasst hat.

Die schriftliche Ausfertigung eines Beschlusses hat auch die in §. 417, Z. 1 und 2, bezeichneten Angaben zu enthalten.

§. 430. In Ansehung der Ertheilung von Ausfertigungen und Auszügen, dann der Berichtigung von Beschlüssen und der Ergänzung derselben, wenn über einen Antrag der Partei theilweise nicht erkannt wurde oder wenn der beantragte Ausspruch über die Erstattung der Processkosten fehlt oder unvollständig ist, gelten die Vorschriften der §§. 418, 419, 423 und 424.

(431) Dritter Theil.

Verfahren vor den Bezirksgerichten.

§. 431. Auf das Verfahren vor den Bezirksgerichten finden, sofern nichts anderes bestimmt ist, die Vorschriften über das Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz Anwendung.

Die durch die Vorschriften des zweiten Theiles für den Senat oder dessen Vorsitzenden begründeten Befugnisse und Obliegenheiten sind im Verfahren vor Bezirksgerichten durch den Einzelrichter auszuüben.

§. 432. Der Richter hat Parteien, welche rechtsunkundig und nicht durch Advocaten vertreten sind, erforderlichenfalls die zur Vornahme ihrer Processhandlungen nöthige Anleitung zu geben und dieselben über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.

Insbesondere hat der Richter solche Parteien bei Verkündung seiner Entscheidungen auf die Frist, binnen welcher eine Entscheidung durch ein Rechtsmittel angefochten werden kann, und auf die gesetzlichen Bestimmungen, welche die Bestellung eines Advocaten als Processbevollmächtigten für die Ergreifung des Rechtsmittels vorschreiben, aufmerksam zu machen.

§. 433. Wer in einer Rechtssache, in welcher der Betrag oder Wert des Streitgegenstandes fünfhundert Gulden nicht übersteigt, eine Klage zu erheben beabsichtigt, ist berechtigt, vor Einbringung derselben bei dem für die Klage zuständigen Bezirksgerichte die Ladung des Gegners zur Verhandlung und zum Zwecke des Vergleichsversuches zu beantragen, wenn der Gegner im Sprengel des Bezirksgerichtes seinen Wohnsitz hat. An Orten, an welchen mehrere Bezirksgerichte bestehen, kann eine solche Ladung außerdem an alle Personen ergehen, die an diesem Orte, wenngleich außerhalb des Sprengels des zuständigen Bezirksgerichtes, ihren Wohnsitz haben.

Gegen die Entscheidung über einen solchen Antrag ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

§. 434. Die Klage, sowie alle außerhalb der mündlichen Verhandlung vorzubringenden Gesuche, Anträge und Mittheilungen können die Parteien, wenn sie nicht durch Advocaten vertreten sind, zu Protokoll anbringen. Wenn die schriftlich überreichte Klage nach Ansicht des Richters in irgend einem Punkte einer Ergänzung oder Aufklärung bedarf, oder wenn sich gegen die Einleitung des Verfahrens Bedenken ergeben, hat der Richter dem Kläger, wenn derselbe nicht durch einen Advocaten vertreten ist, vor Erledigung der Klage, zu den entsprechenden Vervollständigungen oder Richtigstellungen die nöthige Anleitung zu geben.

Erscheint die mündlich zu Protokoll gegebene Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, Unzuständigkeit des Gerichtes, wegen Mangels der persönlichen Befugnis zur Klage oder wegen mangelnder Processfähigkeit des Beklagten unzulässig, so ist hierüber dem Kläger mündlich oder auf Verlangen schriftlich Belehrung zu ertheilen. Ebenso ist, wenn die Klage offenbar unbegründet erscheint, dem Kläger mündlich eine angemessene Belehrung zu ertheilen. Die Aufnahme der Klage darf jedoch nicht verweigert werden, wenn der Kläger trotz der Belehrung auf der Protokollierung besteht.

§. 436. Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Klage kann in dringenden Fällen und insbesondere bei Klagen wegen Besitzstörung auf den nämlichen Tag anberaumt werden, an welchem die Klage bei Gericht angebracht wurde.

§. 437. Der Kläger ist durch Zustellung einer Ausfertigung des über die Klage ergehenden Beschlusses mit der Aufforderung zur mündlichen Verhandlung zu laden, die während der Verhandlung in Augenschein zu nehmenden Gegenstände und die sich auf den Rechtsstreit beziehenden, dem Gerichte noch nicht in Urschrift vorliegenden Urkunden zur Tagsatzung mitzubringen. In der Ladung ist dem Kläger bekannt zu geben, welche Nachtheile das Gesetz mit dem Versäumen der Tagsatzung verbindet.

§. 438. Die Ladung des Beklagten geschieht durch Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des über die Klage ergehenden Beschlusses unter gleichzeitiger Mittheilung eines Exemplares der schriftlichen Klage oder einer Abschrift des über die Klage aufgenommenen Protokolles. Bei protokollarischer Ergänzung oder Richtigstellung der schriftlichen Klage ist dem Beklagten auch eine Abschrift dieses Protokolles zuzustellen. Der Beklagte ist zugleich aufzufordern, die sich auf den Rechtsstreit beziehenden Augenscheinsgegenstände und Urkunden zur Tagsatzung mitzubringen und wegen der Vorlage der im Besitz des Gegners oder in Verwahrung einer öffentlichen Behörde oder eines Notars

(432) befindlichen Beweisurkunden und Augenscheinsgegenstände, sowie wegen etwaiger gerichtlicher Vorladung von Zeugen noch vor der für die mündliche Verhandlung anberaumten Tagsatzung seine Anträge zu stellen. In der Ladung ist dem Beklagten bekannt zu geben, welche Nachtheile das Gesetz mit dem Versäumen der Tagsatzung verbindet.

§. 439. An bestimmten Gerichtstagen, welche im voraus festzusetzen und durch Anschlag am Gerichtshause bekannt zu machen sind, kann der Kläger mit der Gegenpartei auch ohne Vorladung vor Gericht erscheinen, um einen Rechtsstreit anhängig zu machen und darüber zu verhandeln.

In diesem Falle ist das Klagebegehren in dem Verhandlungsprotokolle aufzuzeichnen.

§. 440. Im bezirksgerichtlichen Verfahren ist in der Regel schon die erste Tagsatzung zur Vornahme der Streitverhandlung zu bestimmen. Es kann jedoch die abgesonderte Abhaltung einer ersten Tagsatzung zur Vornahme der im §. 239 bezeichneten Processhandlungen angeordnet werden.

Die im zweiten Theile enthaltenen Vorschriften über die Verpflichtung des Beklagten zur Beantwortung der Klage mittels vorbereitenden Schriftsatzes, sowie die Bestimmungen über das vorbereitende Verfahren vor einem beauftragten Richter finden im Verfahren vor Bezirksgerichten keine Anwendung.

Im Rechtsstreitigkeiten der in §. 245, Z. 1, bezeichneten Art kann jedoch vom Gerichte den Parteien, wenn sie durch Advocaten vertreten sind, der Wechsel vorbereitender Schriftsätze aufgetragen werden, oder es kann zur Vorbereitung der mündlichen Streitverhandlung eine Einvernehmung der Parteien zu gerichtlichen Protokolle stattfinden.

Die mündliche Verhandlung ist womöglich bei der ersten über die Klage bestimmten Tagsatzung zu Ende zu führen.

Der Auftrag zur schriftlichen Feststellung von Anträgen und Erklärungen (§. 265) kann vom Richter nur denjenigen Parteien ertheilt werden, welche bei der mündlichen Verhandlung durch Advocaten vertreten sind.

§. 441. Die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichtes hat der Beklagte auch dann, wenn schon die erste Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung bestimmt ist, bei derselben vorzubringen, bevor er sich in die Verhandlung über die Hauptsache einlässt. Nach Abhaltung der ersten Tagsatzung oder nach Einlassung des Beklagten zur Hauptsache kann die Unzuständigkeit des Gerichtes nur unter den Voraussetzungen des §. 240, Absatz 2, berücksichtigt werden.

§. 442. Gegen die Partei, welche die erste auf Grund der Klage anberaumte Tagsatzung versäumt, ist auf Antrag gemäß §. 396 Versäumungsurtheil zu fällen, wenngleich schon die erste Tagsatzung zur Vornahme der Streitverhandlung bestimmt war.

Bleibt eine der Parteien von einer späteren Tagsatzung aus und soll bei der Urtheilsfällung (§. 399) auf neues thatsächliches Vorbringen der erschienenen Partei Bedacht genommen werden, das mit dem Inhalte der von ihr etwa überreichten vorbereitenden Schriftsätze oder mit ihren früheren Erklärungen und thatsächlichen Angaben in Widerspruch steht und dem Gegner auch nicht vor der Tagsatzung durch vorbereitenden Schriftsatz bekanntgegeben wurde, so ist dieses neue Vorbringen auf Antrag der erschienenen Partei zu Protokoll festzustellen und die säumige Partei unter Mittheilung einer Abschrift dieses Protokolles neuerlich zur Streitverhandlung zu laden. Die weitere Säumnis des Gegners steht sodann der Berücksichtigung des zu Protokoll festgestellten Vorbringens bei der Urtheilsfällung nicht mehr entgegen.

§. 443. Die Protokollierung des thatsächlichen und Beweisvorbringens der Parteien hat, falls nicht vorbereitende Schriftsätze vorliegen (§. 210, Absatz 1), in der Regel auf die in §. 211 bezeichnete Art zu geschehen.

§. 444. Wenn sich bei einer Tagsatzung die Nothwendigkeit ergibt, einen Beweisbeschluss im Sinne des §. 277, Absatz 3, zu erlassen und die Verhandlung nicht schon bei derselben Tagsatzung für geschlossen erklärt wird, kann von der Protokollierung des auf den Sachverhalt sich beziehender Parteienvorbringens abgesehen und dessen Darstellung der Ausfertigung des Beweisbeschlusses vorbehalten werden.

Den Parteien sind Ausfertigungen des Beweisbeschlusses zuzustellen. Gegen etwa darin enthaltene unrichtige Angaben über das thatsächliche und Beweisvorbringen der Parteien kann bei der nächsten mündlichen Streitverhandlung Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist im Verhandlungsprotokolle oder mittels kurzer Niederschriften zu beurkunden. (§. 212, Absatz 2 und 3.)

§. 445. Wenn die mündliche Verhandlung bei einer Tagsatzung durchgeführt und zum Abschlusse gebracht

(433) wird, kann von der Protokollierung des auf den Sachverhalt sich beziehenden Parteivorbringens abgesehen und dessen Darstellung dem Urtheilsthatbestande (§. 417, Z. 4) vorbehalten werden. Im Verhandlungsprotokolle sind dann nur die in §§. 207 und 208 bezeichneten Umstände und Erklärungen zu beurkunden.

Die Ausfertigung des Urtheilsthatbestandes muss in diesem Falle binnen drei Tagen nach Schluss der Verhandlung in der Gerichtskanzlei zur Einsicht der Parteien hinterlegt werden. Diese können innerhalb drei Tagen nach Verständigung von der Hinterlegung gegen unrichtige Angaben des Urtheilsbestandes über das thatsächliche oder Beweisvorbringen Widerspruch erheben. Der Widerspruch kann zu gerichtlichem Protokolle erklärt oder mittels kurzer Niederschriften festgestellt werden (§. 212, Absatz 2 und 3).

Infolge erhobenen Widerspruches kann der Urtheilsthatbestand vom Richter entsprechend geändert werden.

§. 446. Ist das Urtheil eines Bezirksgerichtes, welches nebst der allgemeinen auch die Gerichtsbarkeit in Handels-, See- oder Bergrechtssachen ausübt, in Ausübung dieser besonderen Gerichtsbarkeit gefällt, so ist ein dies ausdrückender Beisatz in das Urtheil aufzunehmen, wenn beide Parteien übereinkommen, dass die Sache bei ihrer Erledigung als zum Gebiete dieser besonderen Gerichtsbarkeit gehörig bezeichnet werde, oder wenn diese Bezeichnung vor dem Schlusse der mündlichen Verhandlung von einer Partei begehrt und vom Gerichte als zutreffend erkannt wird.

Die Aufnahme eines solchen Beisatzes in das Urtheil oder die Verweigerung seiner Aufnahme kann nicht angefochten werden.

§. 447. In den Ausfertigungen der Urtheile ist insbesondere hervorzuheben, dass für die Ergreifung eines Rechtsmittels gegen das Urtheil, sowie für das Rechtsmittelverfahren überhaupt die Vertretung durch einen Advocaten erforderlich ist.

Eine Berichtigung des Urtheilsthatbestandes im Sinne des §. 420 findet in Ansehung der bezirksgerichtlichen Urtheile nicht statt.

Besondere Bestimmungen für das Verfahren in Bagatellsachen.

§. 448. Wenn die in der Klage geforderte Geldsumme oder der Wert des Streitgespräches den Betrag von fünfzig Gulden nicht übersteigt oder der Kläger erklärt, statt des in der Klage geforderten Gegenstandes einen fünfzig Gulden nicht übersteigenden Geldbetrag annehmen zu wollen (Bagatellsachen), haben die in den nachfolgenden §§. 449 bis 453 angeführten besonderen Bestimmungen zu gelten.

§. 449. Die Ehegattin kann mit Vollmacht ihres Gatten für denselben im Processe auftreten.

§. 450. Wenn über eine der in §. 239, Absatz 2, bezeichneten Einreden abgesondert verhandelt und dieselbe auf Grund dieser Verhandlung abgewiesen wird, hat der Richter nach Verkündung dieser Entscheidung anzuordnen, dass die Verhandlung zur Hauptsache sogleich aufgenommen werde. Die Entscheidung über die Einrede ist solchenfalls nicht besonders auszufertigen, sondern in die Entscheidung aufzunehmen, welche in der Hauptsache gefällt wird.

§. 451. In Bagatellsachen hat das Verhandlungsprotokoll nur zu enthalten:

1. die in §. 207 und §. 208, Z. 1, angeordneten Angaben;

2. Aufzeichnungen über eine zu Protokoll gegebene Vollmacht, wenn die Partei persönlich mit dem Bevollmächtigten erscheint; über das Klagebegehren, wenn dieses im Sinne des §. 439 an einem Gerichtstage angebracht wurde; über den wesentlichen Inhalt der Beweisaufnahmen und insbesondere über den Umstand, ob ein Zeuge oder Sachverständiger vor oder nach seiner Abhörung beeidet wurde oder ob dessen Beeidigung unterblieben ist; ferner über den Umstand, dasß der Partei vor der unbeeideten Vernehmung und vor der eidlichen Vernehmung die gesetzlichen Erinnerungen gemacht wurden (§§. 376 und 377);

3. die bei der Verhandlung gefällten und verkündeten Urtheile, sowie jene Anordnungen und Verfügungen des Richters, wider welche ein Rechtsmittel zulässig ist;

4. die Bemerkung, ob die Parteien bei Verkündung des Urtheiles anwesend waren.

Außerdem ist in dem Falle, wenn die begonnene Verhandlung nicht an einem Tage beendet werden kann, auf Antrag oder nach Ermessen des Richters von amtswegen ein ausdrücklicher Widerspruch des Beklagten gegen die der Klage zugrunde liegenden Behauptungen in der vom Richter zu bestimmenden kurzen Fassung durch das Verhandlungsprotokoll zu beurkunden.

§. 452. Das Urtheil ist mündlich zu verkünden. Das in Anwesenheit beider Parteien verkündete Urtheil wird

(434) mit der Verkündung den Parteien gegenüber wirksam. Waren beide Parteien bei der Urtheilsverkündung anwesend, so wird eine schriftliche Ausfertigung des Urtheiles nur auf Verlangen der Partei zugestellt. Außer diesem Falle ist beiden Parteien eine schriftliche Ausfertigung von amtswegen zuzustellen.

Bei der Verkündung des Urtheiles hat der Richter die Parteien darauf aufmerksam zu machen, dass gegen dieses Urtheil die Berufung nur wegen der in §. 477, Z. 1 bis 7, aufgezählten Nichtigkeiten ergriffen werden könne. Ein gleicher Beisatz ist in die schriftliche Ausfertigung des Urtheiles aufzunehmen.

§. 453. Wird durch eine im Laufe des Verfahrens vorgenommene Änderung der Klage die im §. 448 bezeichnete Wertgrenze überschritten, ohne dass jedoch zugleich die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes dadurch aufgehoben würde, so hat die Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache nach den sonst für das bezirksgerichtliche Verfahren geltenden Vorschriften stattzufinden.

Besondere Bestimmungen für das Verfahren über Besitzstörungsklagen.

§. 454. Im Verfahren über Klagen wegen Störung des Besitzstandes bei Sachen und bei Rechten, in welchen das Klagebegehren nur auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten Besitzstandes gerichtet ist und welche innerhalb dreißig Tagen anhängig zu machen sind, nachdem der Kläger von der Störung Kenntnis erlangte, haben die nachfolgenden besonderen Bestimmungen (§§. 455 bis 460) zu gelten.

Schriftlich überreichte Klagen sind von außen als Besitzstörungsklagen zu bezeichnen.

§. 455. Bei der Anberaumung der Tagsatzungen und Fristen ist stets auf die Dringlichkeit der Erledigung besonderer Bedacht zu nehmen.

§. 456. Auf Grund des in der Klage gestellten Begehrens, im Sinne der §§. 340 bis 342 a. b. G. B. ein Verbot zu erlassen, hat der Richter sogleich bei Erledigung der Klage ohne Einvernehmung des Gegners das Erforderliche zu verfügen.

§. 457. Die Verhandlung ist auf die Erörterung und den Beweis der Thatsache des letzten Besitzstandes und der erfolgten Störung zu beschränken, und es sind alle Erörterungen über das Recht zum Besitz, über Titel, Redlichkeit und Unredlichkeit des Besitzes oder über etwaige Entschädigungsansprüche auszuschließen.

Die Beweisführung durch Vernehmung der Parteien gemäß §. 371 ff. ist ausgeschlossen.

§. 458. Der Richter kann während der Verhandlung die Anwendung einer oder mehrerer der im Gesetze über das Executions- und Sicherungsverfahren zugelassenen einstweiligen Vorkehrungen anordnen, sofern dies zur Abwendung der dringenden Gefahr widerrechtlicher Beschädigung, zur Verhütung von Gewaltthätigkeiten oder zur Hinanthaltung eines unwiderbringlichen Schadens nöthig erscheint. Die Erlassung einer derartigen Verfügung kann von der Leistung einer angemessenen Sicherstellung abhängig gemacht werden.

§. 459. Die Entscheidung hat sogleich nach geschlossener Verhandlung mittels Beschlusses (Endbeschluss) zu erfolgen und sich darauf zu beschränken, eine einstweilige Norm für den thatsächlichen Besitzstand aufzustellen oder provisorisch nach dem Gesetze (§§. 340 bis 343 a. b. G. B.) eine Untersagung oder Sicherstellung auszusprechen. Die spätere gerichtliche Geltendmachung des Rechtes zum Besitze und der davon abhängigen Ansprüche wird dadurch nicht gehindert. In der Begründung des Beschlusses ist auch eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes zu geben. Die Frist zur Erfüllung der dem Verurtheilten auferlegten Verbindlichkeit hat der Richter nach den Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen.

§. 460. Mit Ausnahme des Recurses sind alle anderen Rechtsmittel und insbesondere auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren über Besitzstörungsklagen ausgeschlossen.

Vierter Theil.

Rechtsmittel.

Erster Abschnitt.

Berufung.

Zulässigkeit.

§. 461. Gegen die in erster Instanz gefällten Urtheile findet die Berufung statt.

(435) §. 462. Das Berufungsgericht überprüft die Entscheidung des Gerichtes erster Instanz innerhalb der Grenzen der Berufungsanträge.

Der Beurtheilung des Berufungsgerichtes unterliegen jedoch gleichzeitig auch diejenigen Beschlüsse, welche in dem dem Urtheile vorausgegangenen Verfahren erlassen wurden, sofern nicht deren Anfechtung nach dem Gesetze ausgeschlossen ist oder dieselben infolge Unterlassung der rechtzeitigen Rüge (§. 196), des Recurses oder durch die über den eingebrachten Recurs ergangene Entscheidung unabänderlich geworden sind.

Allgemeine Bestimmungen über das Berufungsverfahren.

§. 463. Auf das Berufungsverfahren sind die Vorschriften über das Verfahren vor Gerichtshöfen erster Instanz soweit anzuwenden, als sich nicht aus den nachfolgenden Bestimmungen Abweichungen ergeben.

Im Berufungsverfahren müssen die Parteien durch Advocaten vertreten sein.

Berufungsfrist.

§. 464. Die Berufungsfrist beträgt vierzehn Tage; sie kann nicht verlängert werden. Sie beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urtheiles, in Bagatellsachen aber mit der Verkündung des Urtheiles, wenn beide Parteien anwesend waren.

Erhebung der Berufung.

§. 465. Die Berufung wird durch Überreichung eines vorbereitenden Schriftsatzes (Berufungsschrift) bei dem Processgerichte erster Instanz erhoben.

An Orten, in welchen nicht wenigstens zwei Advocaten ihren Sitz haben, können die Berufungsschriften durch entsprechende Erklärungen zu gerichtlichem Protokolle ersetzt werden, die der Mitwirkung eines Advocaten nicht bedürfen.

Der Richter, welcher das Protokoll aufnimmt, hat die Partei zur genauen Angabe der Berufungsgründe, zur Stellung eines bestimmten Berufungsantrages, sowie zur Angabe der für die Berufungsgründe neu vorzubringenden Umstände und Beweise besonders aufzufordern und über die Rechtsfolgen der Unterlassung dieser Angaben zu belehren.

Die Bestimmungen des Gesetzes über die Berufungsschrift sind auch auf die Protokollarerklärungen zu beziehen, welche die Berufungsschrift ersetzen.

§. 466. Durch die rechtzeitige Erhebung der Berufung wird der Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urtheiles im Umfange der Berufungsanträge bis zur Erledigung des Rechtsmittels gehemmt.

§. 467. Die Berufungsschrift muss nebst den allgemeinen Erfordernissen eines vorbereitenden Schriftsatzes enthalten:

1. die Bezeichnung des Berufungsgerichtes;

2. die Bezeichnung des Urtheiles, gegen welches Berufung erhoben wird;

3. die bestimmte Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten wird, die ebenso bestimmte kurze Bezeichnung der Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe), und die Erklärung, ob die Aufhebung oder eine Abänderung des Urtheiles, und welche beantragt werde (Berufungsantrag);

4. das thatsächliche Vorbringen und die Beweismittel, durch welche die Wahrheit der Berufungsgründe erwiesen werden kann;

5. sofern der Berufungsantrag nicht zu Protokoll gegeben ist (§. 465, Absatz 2), die Unterschrift eines Advocaten.

§. 468. Im Falle rechtzeitiger Erhebung der Berufung wird die Berufungsschrift oder eine Abschrift des sie ersetzenden Protokolles dem Gegner des Berufungswerbers unter Bekanntgabe des Berufungsgerichtes zugestellt. Verspätet erhobene Berufungen sind vom Processgerichte erster Instanz zurückzuweisen.

Will der Gegner des Berufungswerbers (Berufungsgegner) im Berufungsverfahren zur Widerlegung der in der Berufsschrift angegebenen Anfechtungsgründe neue, im bisherigen Verfahren noch nicht vorgebrachte Umstände und Beweise benützen, so hat er das bezügliche thatsächliche und Beweisvorbringen bei sonstigem Ausschlusse innerhalb der Nothfrist von vierzehn Tagen nach Empfang der Berufungsschrift dem Processgerichte mittels vorbereitenden Schriftsatzes oder unter der Voraussetzung des §. 465, Absatz 2, durch Erklärung zu gerichtlichem Protokoll bekanntzugeben.

§. 469. Nach rechtzeitigem Einlangen der im §. 468, Absatz 2, erwähnten Mittheilung oder nach fruchtlosem Ablauf der hierfür offenstehenden Frist legt das Processgericht erster Instanz dem Berufungsgerichte die Berufungsschrift und die etwa eingelangte Mittheilung des Berufungsgegners oder die bezüglichen

(436) Protokolle mit allen den Rechtsstreit betreffenden Processacten, und insbesondere mit den Ausweisen über die Zustellung des Urtheiles und der Berufungsschrift vor.

Wurde der Rechtsstreit durch das angefochtene Urtheil nicht vollständig erledigt und soll die Verhandlung über die noch unerledigten Punkte während des Berufungsverfahrens fortgegesetzt werden, so sind dem Berufungsgerichte amtliche Abschriften der auf den Gegenstand des Berufungsverfahrens bezüglichen Theile derjenige Processacten vorzulegen, welche zugleich für das Verfahren in erster Instanz benöthigt werden.

Verfahren vor dem Berufungsgerichte.

Vorverfahren.

§. 470. Nach dem Einlangen der Berufungsacten beim Berufungsgerichte hat der Vorsteher dieses Gerichtes oder ein vom Vorsteher mit den Verrichtungen eines Vorsitzenden des Berufungssenates betrauter Richter die Berufungsacten einer Prüfung zu unterziehen.

§. 471. Auf Grund dieser Prüfung ist die Berufung, ohne dass zunächst eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anberaumt würde, vor den Berufungssenat zu bringen:

1. wenn das Berufungsgericht zur Entscheidung über die erhobene Berufung nicht zuständig erscheint;

2. wenn die Berufung als gesetzlich unzulässig oder nicht in der gesetzlichen Frist erhoben erscheint;

3. wenn in der Berufungsschrift das Urtheil nicht angegeben ist, wider welches Berufung erhoben wird, wenn die Berufungsschrift keinen oder keinen bestimmten Berufungsantrag enthält, oder wenn die Berufungsgründe weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung einzeln angeführt sind;

4. wenn sich die Berufung gegen ein wegen Säumnis einer Partei gefälltes Urtheil darauf gründet, daß eine Versäumung nicht vorliege;

5. wenn das Urtheil oder das der Urtheilsfällung vorangegangene Verfahren als nichtig angefochten wird;

6. wenn der in das Urtheil aufgenommene Ausspruch über die Einrede der Unzuständigkeit oder über die Streitanhängigkeit oder Rechtskraft angefochten wird;

7. wenn der mit der Prüfung der Berufungsacten betraute Richter der Ansicht ist, dass das Urtheil oder das demselben vorangegangene Verfahren an einer vom Berufungswerber nicht geltend gemachten Nichtigkeit leide.

§. 472. Unzulässig ist die Berufung insbesondere auch dann, wenn sie von einer Person eingebracht wurde, welcher das Rechtsmittel der Berufung nicht zusteht oder welche auf die Berufung giltig Verzicht geleistet hat.

Die Wirksamkeit eines nach Verkündung oder Zustellung des erstrichterlichen Urtheiles erklärten Verzichtes auf das Recht der Berufung ist nicht davon abhängig, dass der Gegner die Verzichtleistung angenommen hat.

§. 473. Der Berufungssenat entscheidet in den Fällen des §. 471 über die Berufung in nicht öffentlicher Sitzung und ohne vorhergehende mündliche Verhandlung durch Beschluss.

Hält der Berufungssenat zur Feststellung der Berufungsgründe oder der Nichtigkeit thatsächliche Aufklärungen seitens der Parteien oder des Gerichtes erster Instanz oder andere vorgängige Erhebungen erforderlich, so sind dieselben anzuordnen und mit Benutzung der einschlägigen, in den Berufungsschriften enthaltenen Parteiengaben entweder vom Berufungssenate selbst durchzuführen, oder durch einen beauftragten Richter oder das Processgericht erster Instanz durchführen zu lassen.

§. 474. Beim Vorhandensein des im §. 471, Z. 1, bezeichneten Mangels hat das Gericht seine Unzuständigkeit auszusprechen und die Berufung an das für dieselbe zuständige Gericht zu verweisen.

In den Fällen des §. 471, Z. 2 und 3, ist die Berufung zu verwerfen.

Wenn die Berufung im Falle des §. 471, Z. 4, als begründet befunden wird, ist das Urtheil aufzuheben und die Rechtssache je nach Vollendung der erstrichterlichen Verhandlung bloß zu neuerlichen Urtheilsfällung oder zur Fortsetzung der Verhandlung und Urtheilfällung an das Processgericht erster Instanz zurüchzuverweisen.

§. 475. Hat im Falle des § 471, Z. 6, das Gericht erster Instanz mit Unrecht seine Nichtzuständigkeit ausgesprochen, die Streitanhängigkeit ohne Grund angenommen oder eine Entscheidung über den Klagsanspruch mit Unrecht deshalb abgelehnt, weil über denselben bereits rechtskräftig entschieden sei, so wird dem Gerichte erster Instanz vom Berufungsgerichte aufgetragen, sich der Urtheilsfällung in der Hauptsache oder der Verhandlung und Urtheilsfällung zu unterziehen, je nachdem die erstrichterliche Entscheidung

(437) nach durchgeführter Verhandlung zur Hauptsache, oder auf Grund abgesonderter Verhandlung über die Unzuständigkeit, Streitanhängigkeit oder Rechtskraft und vor Abschluss der Verhandlung zur Hauptsache erging.

Wurde jedoch in erster Instanz mit Unrecht die Zuständigkeit des Processgerichtes angenommen, so sind unter Aufhebung des erstrichterlichen Urtheiles die zur Einleitung des Verfahrens vor dem zuständigen Gerichte erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Wurde vom Gerichte erster Instanz auf die Streitanhängigkeit mit Unrecht keine Rücksicht genommen oder der Antrag, die Klage ohne Verhandlung zur Hauptsache zurückzuweisen, weil über den Klagsanspruch schon rechtskräftig entschieden sei, unrichtiger Weise verworfen, so ist die Klage unter Aufhebung des ergangenen erstrichterlichen Urtheiles vom Berufungsgerichte zurückzuweisen.

§. 476. Wenn das angefochtene Urtheil wegen Unzuständigkeit des Gerichtes erster Instanz aufgehoben und die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung an das zuständige Gericht verwiesen wird, ist diese neuerliche Verhandlung auf Grund des über die erste Verhandlung aufgenommenen Verhandlungsprotokolles und aller sonstigen an das Berufungsgericht gelangten Processacten durchzuführen. Die neuerliche Verhandlung ist im Sinne des §. 138 einzuleiten.

Alle von den Parteien bei der ersten Verhandlung abgelegten Geständnisse und alle sonstigen Erklärungen der Parteien behalten ihre Wirksamkeit auch für die neuerliche Verhandlung. Die Parteien können jedoch bei derselben auch solche thatsächliche Behauptungen und Beweise, Angriffs- und Vertheidigungsmittel vorbringen, welche von ihnen bei der ersten Verhandlung nicht geltend gemacht wurden; desgleichen können die Parteien die bei der früheren Verhandlung versäumten oder verweigerten Erklärungen über thatsächliche Behauptungen und Beweisanbietungen bei der späteren Verhandlung nachholen.

§. 477. Als nichtig (§. 471, Z. 5 und 7) ist das angefochtene Urtheil und, soweit der Grund der Nichtigkeit das vorangegangene Verfahren ergreift, auch dieses aufzuheben:

1. wenn an der Entscheidung ein Richter theilnahm, welcher kraft des Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes in dieser Rechtssache ausgeschlossen war, oder dessen Ablehnung vom Gerichte als berechtigt erkannt worden ist;

2. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;

3. wenn das Urtheil von einem Gericht gefällt wurde, das auch nicht durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien für diese Rechtssache zuständig gemacht werden konnte;

4. wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang, insbesondere durch Unterlassung der Zustellung entzogen wurde;

5. wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht oder, falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Processführung nicht nachträglich ordnungsmäßig genehmigt wurde;

6. wenn über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt wurde;

7. wenn die Öffentlichkeit in ungerechtfertigter Weise ausgeschlossen wurde;

8. wenn der Vorschrift des §. 210, Absatz 2, zuwider die Parteien oder deren Bevollmächtigte von ihnen abgefasste Entwürfe zu Verhandlungsprotokollen zu den Acten gebracht haben;

9. wenn die Fassung des Urtheils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, wenn das Urtheil mit sich selbst in Widerspruch ist oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind und diesen Mängeln durch eine vom Berufungsgerichte angeordnete Berichtigung des Urtheils (§. 419) nicht abgeholfen werden kann.

Eine nachträgliche Genehmigung der Processführung (Z. 5) liegt insbesondere dann vor, wenn der gesetzliche Vertreter, ohne den Mangel der Vertretung geltend zu machen, durch Erstattung der Berufungsschrift oder eines vorbereitenden Schriftsatzes (§. 468) in das Berufungsverfahren eingetreten ist.

§. 478. Erfolgt die Aufhebung des erstrichterlichen Urtheiles wegen Nichtigkeit, ohne dass hiedurch zur Erledigung der Sache eine weitere Verhandlung nothwendig wird (§. 477, Z. 5 und 6), so ist, soweit die Nichtigkeit reicht, die Zurückweisung der Klage auszusprechen.

Wird durch die gänzliche oder theilweise Aufhebung des erstrichterlichen Urtheiles wegen Nichtigkeit eine weitere Verhandlung nothwendig, so ist die Sache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Wenn das erstrichterliche Urtheil wegen eines der in §. 477, Z. 1 und 2, angeführten Nichtigkeitsgründe aufgehoben wird, so kann die Sache zur neuerlichen Verhandlung statt an das Processgericht erster Instanz an ein anderes im Sprengel des Berufungsgerichtes gelegenes Gericht der gleichen Art verwiesen werden.

(438) Die nach Absatz 2 und 3 ausgesprochene Verweisung ist jedoch aufzuheben, wenn beide Parteien innerhalb der Nothfrist von acht Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichtes beantragen, dass von Berufungsgerichte nach Durchführung der nothwendigen neuen Verhandlung in der Sache selbst erkannt werde. Dieser Antrag ist beim Berufungsgerichte zu stellen.

§. 479. Wenn die Rechtssache gemäß §. 478 an ein Gericht erster Instanz verwiesen wird, so hat dieses die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung von amtswegen anzuberaumen. Mit der Anberaumung der Tagsatzung ist jedoch bis nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Berufungsgerichtes zu warten, wenn letzteres ausgesprochen hat, dass das Verfahren in erster Instanz erst nach eingetretener Rechtskraft der Berufungsentscheidung aufzunehmen oder fortzusetzen sei. Ein solcher Ausspruch kann von amtswegen oder auf Antrag erfolgen; gegen denselben ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Desgleichen ist im Falle des §. 474, Absatz 1, nach eingetretener Rechtskraft der Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Fortsetzung des Verfahrens vor dem zuständigen Berufungsgerichte von diesem das Erforderliche von amtswegen anzuordnen.

Anberaumung der Berufungsverhandlung.

§. 480. Fehlt es an den Voraussetzungen für die Einholung einer Entscheidung des Berufungssenates oder wurde vom Berufungssenate die Berufungsschrift als zur Bestimmung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung geeignet befunden, so ist letztere vom Vorsitzenden des Berufungssenates so anzuberaumen, dass zwischen der Zustellung der Ladung an die Parteien und der Tagsatzung ungefähr der Zeitraum von vierzehn Tagen liegt. In dringenden Fällen kann diese Frist auch abgekürzt werden.

Die Anordnung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung hat auch dann zu erfolgen, wenn die wegen irriger Annahme einer Versäumung wegen Unzuständigkeit des Gerichts, wegen der Entscheidung über die Streitanhängigkeit oder Rechtskraft oder wegen Nichtigkeit erhobene Berufung in nicht öffentlicher Sitzung vom Berufungsgerichte verworfen wurde, in der Berufungsschrift aber auch noch andere, der mündlichen Verhandlung vorbehaltene Aufrechtungsgründe geltend gemacht sind.

Haben die Parteien bereits die im Berufungsverfahren sie vertretenden Advocaten namhaft gemacht, so ist die Ladung zur mündlichen Verhandlung an letztere zu richten.

§. 481. Zeigt sich schon bei Anberaumung der Tagsatzung die Nothwendigkeit, in der Berufungsverhandlung die Wahrheit einzelner in der Berufungsschrift oder in einem vorbereitenden Schriftsatze angeführter Thatsachen, auf welche die Berufung gegründet wird, festzustellen, schon in der ersten Instanz vorgebrachte Beweise zu wiederholen, zu ergänzen oder bisher bloß angebotene Beweise anzunehmen, so hat der Vorsitzende des Berufungssenates die namhaft gemachten Zeugen oder die in erster Instanz einvernommenen Sachverständigen zur Berufungsverhandlung vorzuladen, die Parteien behufs ihrer eidlichen Vernehmung zum Erscheinen aufzufordern und die Herbeischaffung aller sonstigen Beweismittel zu veranlassen.

Mündliche Berufungsverhandlungen.

§. 482. In der Verhandlung vor dem Berufungsgerichte darf mit Ausnahme des Anspruches auf Erstattung der Kosten des Berufungsverfahren weder ein neuer Anspruch, noch eine neue Einrede erhoben werden.

Thatumstände und Beweise, die nach Inhalt der erstrichterlichen Processacten und des Urtheilsthatbestandes in erster Instanz nicht vorgekommen sind, dürfen von den Parteien in Berufungsverfahren nur zur Darthuung oder Wiederlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden; auf solches neues Vorbringen darf überdies nur dann Rücksicht genommen werden, wenn es vorher im Wege der Berufungsschrift oder mittels vorbereitenden Schriftsatzes (§. 468) den Gegner mitgetheilt wurde.

§. 483. In der mündliche Verhandlung dürfen die Berufungsanträge ohne Einwilligung des Gegners weder erweitert, noch durch andere ersetzt werden. Das Gleiche gilt von den in der Berufungsschrift angegebenen Berufungsgründen.

Diese Einwilligung ist als vorhanden anzusehen, wenn der anwesende Gegner, ohne gegen die Änderung Einsprache zu erheben, über die abgeänderten Anträge oder über die neu geltend gemachten Berufungsgründe verhandelt.

Eine Änderung der dem angefochtenen Urtheile zugrunde liegenden Klage ist selbst mit Einwilligung des Gegners nicht zulässig.

§. 484. Die Zurücknahme der Berufung ist bis zum Schlusse der mündlichen Berufungsverhandlung zulässig. Sie kann bei der mündlichen Verhandlung erklärt werden oder mittels Überreichung eines Schriftsatzes beim Berufungsgerichte erfolgen. Wird der

(439) Schriftsatz noch vor Beginn der mündlichen Berufungsverhandlung überreicht, so kann das Berufungsgericht anordnen, dass es von der anberaumten Tagsatzung abzukommen habe.

Die Zurücknahme hat nebst dem Verluste des Rechtsmittels auch die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen und insbesondere auch alle hiedurch dem Gegner verursachten Kosten zu tragen.

Über die Verpflichtung zum Kostenersatze ist vom Berufungsgerichte durch Beschluss zu entscheiden. Der Antrag ist bei sonstigem Ausschlusse bei der mündlichen Berufungsverhandlung, wenn aber die zur Berufungsverhandlung anberaumte Tagsatzung gemäß Absatz 1 nicht abgehalten wurde, innerhalb acht Tagen nach Verständigung des Berufungsgegners von der Zurücknahme der Berufung zu stellen.

§. 485. Die Verhandlung über die Berufung gegen ein Urtheil, dessen Ergänzung gemäß §. 423 beantragt wurde, kann auf Antrag ausgesetzt werden, bis entweder das Ergänzungsurtheil ohne Berufung in Rechtskraft erwachsen oder auch die Berufung gegen das Ergänzungsurtheil an das Berufungsgericht gelangt ist. Im letzteren Falle ist die Verhandlung über beide Berufungen zu verbinden.

Desgleichen kann die Berufungsverhandlung auf Antrag bis zur Entscheidung über eine begehrte Berichtigung des Urtheilsthatbestandes (§. 420) ausgesetzt werden, sofern die geforderte Berichtigung auf die Beurtheilung der Berufung von Einfluss sein könnte.

§. 486. Die mündliche Berufungsverhandlung beginnt nach dem Aufrufe der Sache mit dem Vortrage eines Mitgliedes des Berufungssenates als Berichterstatter.

Derselbe hat mit Hilfe der Processacten den Sachverhalt und den bisherigen Gang des Rechtsstreites, soweit dies zum Verständnisse der Berufungsanträge und zur Prüfung der Nichtigkeit des angefochtenen Urtheiles und der Berufungsgründe erforderlich ist, dann das Wesentliche der von den Parteien im Berufungsverfahren erstatteten Schriften darzulegen und die sich daraus ergebenden Streitpunkte zu bezeichnen. Der Vortragende darf seine Ansicht über die zu fällende Entscheidung nicht äußern.

Sodann sind die Anträge der Parteien und der durch die Berufung getroffene Theil des erstrichterlichen Urtheils sammt den Entscheidungsgründen, und wenn es der Vorsitzende oder der Berufungssenat für zweckdienlich erachten, auch die bezüglichen Theile des Verhandlungsprotokolles erster Instanz durch den Schriftführer vorzulesen.

Hierauf werden die Parteien mit ihren Vorträgen gehört. Stimmt der Vortrag einer Partei mit dem Inhalte der Processacten nicht überein, so hat der Vorsitzende darauf aufmerksam zu machen.

§. 487. Der Antrag auf Ablehnung der Zuständigkeit des Berufungsgerichtes kann im Berufungsverfahren nur in dem Falle gestellt werden, wenn das Einschreiten eines die Handels- oder Seegerichtsbarkeit oder die Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten des Bergbaues ausübenden Berufungsgerichtes erwirkt oder abgelehnt werden soll. Zur Erwirkung des Einschreitens eines solchen Berufungsgerichtes kann dieser Antrag nur dann, wenn der im §. 446 bezeichnete Beisatz in das Urtheil erster Instanz aufgenommen wurde, zur Ablehnung des Einschreitens eines solchen Berufungsgerichtes aber nur dann gestellt werden, wenn das Urtheil erster Instanz den im §. 446 bezeichneten Beisatz nicht enthält. Auch kann im ersten Falle der Antrag von derjenigen Partei nicht gestellt werden, welche sich gegen die Aufnahme eines solchen Beisatzes in das erstrichterliche Urtheil erklärt hat.

Der Antrag auf Ablehnung der Zuständigkeit des Berufungsgerichtes ist bei sonstigem Ausschlusse sogleich nach Beendigung des die Berufungsverhandlung einleitenden Vortrages des Berichterstatters zu stellen; über diesen Antrag ist ohne Aufschub vor Aufnahme der Verhandlung über die Berufung zu verhandeln und zu entscheiden.

Wird dem Antrag auf Ablehnung der Zuständigkeit des Berufungsgerichtes stattgegeben, so hat dieses Gericht seine Unzuständigkeit durch Beschluss auszusprechen. Nach eingetretener Rechtskraft des Beschlusses ist das Berufungsverfahren vor dem zuständigen Berufungsgerichte fortzusetzen. Dieses Gericht ist in einem solchen Falle an die hinsichtlich der Art der auszuübenden Gerichtsbarkeit gefällte Entscheidung gebunden.

Bei Verwerfung des Antrages ist die Berufungsverhandlung sogleich aufzunehmen und durchzuführen. Die Entscheidung über den Antrag ist in diesem Falle nicht besonders auszufertigen, sondern in die in der Hauptsache ergehende Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzunehmen.

§. 488. Der Berufungssenat kann nicht bloß die zur Unterstützung oder Bekämpfung der Berufungsgründe dienenden Beweise aufnehmen, sondern, wenn dies behufs Entscheidung über die Berufungsanträge nothwendig erscheint, auch eine bereits in erster Instanz erfolgte Beweisaufnahme wiederholen oder ergänzen, und im erstrichterlichen Verfahren von den Parteien erfolglos angebotene Beweise nachträglich aufnehmen.

(440) Der Berufungssenat kann im letzeren Falle, sowie wenn ein Augenschein ergänzt werden soll, das Beweisverfahren nach den für dasselbe in erster Instanz geltenden Vorschriften selbst durchführen oder die Beweisaufnahme durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vornehmen lassen.

Wurde in erster Instanz ein Sachverständigenbeweis geführt, so kann der Berufungssenat denselben unter Bestellung anderer Sachverständiger neuerlich vornehmen lassen.

§. 489. Wurde eine Partei in erster Instanz unter Eid einvernommen, so kann über dieselbe Thatsache die eidliche Abhörung der Gegenseite vom Berufungsgerichte nicht angeordnet werden.

Wird vom Berufungssenate die neuerliche eidliche Entvernehmung einer bereits in erster Instanz eidlich abgehörten Parteien angeordnet, so ist dieselbe unter Erinnerung an den in erster Instanz abgelegten Eid zu vernehmen.

Das Berufungsgericht kann die eidliche Vernehmung einer Partei, welche in erster Instanz die Vernehmung oder die eidliche Aussage verweigert hat, nur dann anordnen, wenn es die Überzeugung gewonnen hat, dass die Partei genügende Gründe hatte, die Vernehmung zu verweigern, und dass diese Gründe seither weggefallen sind.

§. 490. Das Berufungsgericht hat auf Antrag noch vor Entscheidung über die Berufung durch Beschluss auszusprechen, inwieweit das Urtheil der unteren Instanz als nicht angefochten zur Execution geeignet ist. Gegen diesen Beschluss ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

§. 491. Im Falle des Ausbleibens einer oder beider Parteien ist über die Berufung dennoch zu verhandeln und mit Berücksichtigung des in der Berufungsschrift und einem etwa überreichten vorbereitenden Schriftsatz (§. 468) Vorgebrachten zu entscheiden. Ob ein neues Vorbringen (§. 482, Absatz 2) als zugestanden oder als bestritten anzusehen sei, hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Thatbestandes des angefochtenen Urtheiles und aller sonstigen Processacten erster und zweiter Instanz zu entscheiden.

§. 492. Die Parteien können auf die Anordnung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Berufung verzichten. Der Verzicht ist wirksam, wenn er von den Parteien in der Berufungsschrift oder durch einen dem Processgerichte erster Instanz oder dem Berufungsgerichte überreichten Schriftsatz ausdrücklich erklärt wurde. In diesem Falle kann die Berufungsschrift auch Rechtsausführungen und Darlegungen über Thatsachen und Beweise (§. 78, letzter Absatz) enthalten.

Die Entscheidung über die Berufung erfolgt dann in nicht öffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Das Gericht kann jedoch, wenn dies im einzelnen Falle erforderlich erscheint, eine mündliche Verhandlung anordnen.

§. 493. In das Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung ist der Inhalt des thatsächlichen Vorbringens und der Beweisanbietungen der Parteien nur insoweit aufzunehmen, als derselbe von den Angaben der erstrichterlichen Processacten über den Verhandlungsinhalt abweicht.

Wenn die mündliche Berufungsverhandlung bei einer Tagsatzung durchgeführt und zum Abschlusse gebracht wird, kann die Darstellung des auf den Sachverhalt sich beziehenden Parteienvorbringens dem Urtheilsthatbestande (§. 417, Z. 4) vorbehalten werden. Im Verhandlungsprotokolle sind dann nur die in §§. 207 und 208 bezeichneten Umstände und Erklärungen zu beurkunden. Anträge auf Berichtigung der in den Urtheilsthatbestand aufgenommenen Angaben über das thatsächliche oder Beweisvorbringen der Parteien sind binnen acht Tagen nach Zustellung des Urtheiles beim Berufungsgerichte zu stellen (§. 420).

Berufungsentscheidung.

§. 494. Überzeugt sich das Gericht aus Anlass einer Berufungsverhandlung, dass das angefochtene Urtheil oder das Verfahren in erster Instanz an einer bisher unbeachtet gebliebenen Nichtigkeit leide, so ist, sofern nicht ein durch ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung beseitigter Mangel der Vertretung (§. 477, Z. 5) vorliegt, im Sinne der §§. 477 und 478 vorzugehen, wenn auch die Nichtigkeit von keiner der Parteien geltend gemacht wurde.

§. 495. Werden die im §. 471, Z. 2 und 3, bezeichneten Mängel erst bei der mündlichen Verhandlung wahrgenommen und versagt der anwesende Gegner des Berufungswerbers zu einer Verbesserung der Berufungsschrift (§. 471, Z. 3) seine Zustimmung, so ist die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen.

(441) §. 496. Die Sache ist vom Berufungsgerichte an das Processgericht erster Instanz zur Verhandlung und Urtheilsfällung zurückzuweisen, wenn, ohne dass dadurch eine Nichtigkeit begründet wäre:

1. die Sachanträge durch das angefochtene Endurtheil nicht vollständig erledigt wurden;

2. das Verfahren erster Instanz an wesentlichen Mängeln leidet, welche eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurtheilung der Streitsache verhinderten;

3. nach Inhalt der Processacten den Berufungsgerichte erheblich scheinende Thatsachen in erster Instanz gar nicht erörtert wurden.

Das Verfahren vor dem Processgerichte hat sich im Falle der Z. 1 auf die unerledigt gebliebenen Ansprüche und Anträge, im Falle der Z. 2 auf die durch den Mangel betroffenen Theile des erstrichterlichen Verfahrens und Urtheiles zu beschränken.

Statt der Zurückweisung kann das Berufungsgericht, und zwar erforderlichen Falles nach Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung, durch Urtheil in der Sache selbst erkennen, wenn entweder beide Parteien übereinstimmend darauf antragen oder dies nach Ermessen des Gerichtes geeignet erscheint, die Erledigung zu beschleunigen oder einen erheblichen Kostenaufwand zu vermeiden.

§. 497. Sofern nicht die Bestimmungen der §§. 494, 495 und 496 zur Anwendung kommen, erkennt das Berufungsgericht durch Urtheil in der Sache selbst.

Seine Entscheidung hat alle einen zuerkannten oder aberkannten Anspruch betreffenden Streitpunkte zu umfassen, welche in Gemäßheit der Berufungsanträge eine Erörterung und Beurtheilung in zweiter Instanz erfordern.

Das erstrichterliche Urtheil darf nur soweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

§. 498. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die in den erstrichterlichen Processacten und im Urtheil der ersten Instanz festgestellten, durch die geltend gemachten Berufungsgründe nicht berührten Ergebnisse der Verhandlung und Beweisführung zugrunde zu legen, soweit dieselben nicht durch die Berufungsverhandlung selbst eine Berichtigung erfahren haben.

Welche Bedeutung dem Widerspruche beizumessen ist, der gegen einzelne Feststellungen eines Protokolles erster Instanz oder gegen die in der Ausfertigung eines Beweisbeschlusses oder im Urtheilsthatbestande enthaltenen Angaben über thatsächliches und Beweisvorbringen (§§. 444, 445) rechtzeitig erhoben wurde, hat das Berufungsgericht, nöthigenfalls nach mündlicher Verhandlung über die vom Widerspruche betroffenen Feststellungen und aller sonstigen Umstände zu beurtheilen.

§. 499. Die Zurückverweisung der Rechtssache an das Processgericht erster Instanz geschieht in den Fällen der §§. 494 und 496 mittels Beschlusses.

Das Gericht, an welches eine Rechtssache infolge Beschlusses des Berufungsgerichtes zu gänzlicher oder theilweiser neuer Verhandlungen oder Entscheidung oder zur Durchführung des Berufungsverfahrens (§. 487) gelangt, ist hiebei an die rechtliche Beurtheilung gebunden, von welcher das Berufungsgericht bei seinem Beschlusse ausgegangen ist.

In Bezug auf die Einleitung der neuen Verhandlung hat die Vorschrift des §. 479 zur Anwendung zu kommen.

Das Gleiche gilt, wenn das Berufungsgericht das Urtheil, durch welches eine Wiederaufnahmsklage als unzulässig erkannt wurde, abändert und die Verhandlung in erster Instanz auf die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens beschränkt war.

§. 500. Das Urtheil oder der Beschluss des Berufungsgerichtes, wodurch die Berufung erledigt wird, ist den Parteien stets in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen.

Bei Darstellung des Thatbestandes im Urtheile des Berufungsgerichtes ist eine Bezugnahme auf das erstrichterliche Urtheil nicht ausgeschlossen.

§. 501. In Bagatellsachen kann das erstrichterliche Urtheil nur wegen der im §. 477, Z. 1 bis 7, aufgezählten Nichtigkeiten mittels Berufung angefochten werden.

Zweiter Abschnitt.

Revision.

Zulässigkeit.

§. 502. Gegen die Urtheile der Berufungsgerichte findet die Revision statt.

In Bagatellsachen ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes ein weiterer Rechtszug unzulässig.

(442) §. 503. Die Revision kann nur aus einem der folgenden Gründen begehrt werden:

1. weil das Urtheil des Berufungsgerichtes wegen eines der im §. 477 bezeichneten Mängel nichtig ist;

2. weil das Berufungsverfahren an einem Mangel leidet, welcher, ohne die Nichtigkeit zu bewirken, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurtheilung der Streitsache zu hindern geeignet war.

3. weil dem Urtheil des Berufungsgerichtes in einem wesentlichen Punkte eine thatsächliche Voraussetzung zugrunde gelegt erscheint, welche mit den Processacten erster oder zweiter Instanz im Widerspruch steht;

4. weil das Urtheil des Berufungsgerichtes auf einer unrichtigen rechtlichen Beurtheilung der Sache beruht.

§. 504. Das Revisionsgericht überprüft das Urtheil des Berufungsgerichtes innerhalb der Grenzen der im Revisionsverfahren gestellten Anträge.

Neue thatsächliche Behauptungen oder Beweise können in der Revisionsinstanz nur zur Unterstützung oder Bekämpfung der Behauptung vorgebracht werden, dass das Urtheil des Berufungsgerichtes wegen eines der im §. 477 bezeichneten Mängel nichtig sei, oder dass das Berufungsverfahren an einem Mangel leide, welcher die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurtheilung der Streitsache zu hindern vermochte.

Erhebung der Revision.

§. 505. Die Revision wird durch Überreichung eins Schriftsatzes (Revisionsschrift) bei dem Processgerichte erster Instanz erhoben.

Die Revisionsfrist beträgt vierzehn Tage von Zustellung des Berufungserkenntnisses an; sie kann nicht verlängert werden.

Durch die rechtzeitige Erhebung der Revision wird der Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urtheiles im Umfange der Revisionsanträge bis zur Erledigung des Rechtsmittels gehemmt. Der Revision gegen ein bestätigendes Urtheil der zweiten Instanz kommt eine hemmende Wirkung nicht zu.

§. 506. Die Revisionschrift muss nebst den allgemeinen Erfordernissen eines Schriftsatzes enthalten;

1. die Bezeichnung des Urtheiles, gegen welches die Revision gerichtet ist;

2. die bestimmte Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten wird, die ebenso bestimmte kurze Bezeichnung der Gründe der Anfechtung (Revisionsgründe) und die Erklärung, ob die Aufhebung oder eine Abänderung des Urtheiles, und welche beantragt werde (Revisionsantrag);

3. das thatsächliche Vorbringen und die Beweismittel, durch welche die Wahrheit der im §. 503, Z. 1 und 2, angegebenen Revisionsgründe erwiesen werden soll;

4. die Unterschrift eines Advocaten.

Insoweit die Revision auf den im §. 503, Z. 4, angegebenen Revisionsgrund gestützt wird, ist in der Revisionsschrift darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurtheilung der Sache unrichtig erscheint.

§. 507. Im Falle rechtzeitiger Erhebungen der Revision verfügt das Processgericht erster Instanz die Zustellung eines Exemplares der Revisionsschrift an den Gegner des Revisionswerbers (Revisionsgegner). Verspätet erhobene Revisionen sind vom Processgerichte erster Instanz zurückzuweisen.

Dem Revisionsgegner steht es frei, binnen der Nothfrist von vierzehn Tagen von der Zustellung der Revisionsschrift bei dem Processgerichte erster Instanz eine Revisionsbeantwortung mittels Schriftsatzes zu überreichen.

Auf die Revisionsbeantwortung finden die Bestimmungen des §. 506 mit Ausnahme der unter Z. 1 und 2 angegebenen Erfordernisse sinngemäße Anwendung. Neue Thatsachen und Beweise, welche der Revisionsgegner zur Widerlegung der in der Revisionsschrift angegebenen Revisionsgründe benützen will, werden im Revisionsverfahren nur soweit berücksichtigt, als sie bereits in der Revisionsbeantwortung angeführt sind.

Von der Einbringung der Revisionsbeantwortung ist der Revisionswerber durch Mittheilung eines Exemplares der Revisionsbeantwortung zu verständigen.

Die Überreichung der Revisionsschrift und Revisionsbeantwortung kann nicht durch Erklärung zu gerichtlichem Protokoll ersetzt werden.

§. 508. Nach Erstattung der Revisionsbeantwortung oder nach fruchtlosem Ablaufe der hiefür offenstehenden Frist legt das Processgericht erster Instanz die bezeichneten Schriften sammt allen auf den Rechtsstreit sich beziehenden Processacten dem Berufungsgerichte

(443) vor, welches dieselben sodann nach Anschluss der diesen Rechtsstreit betreffenden berufungsgerichtlichen Acten an das Revisionsgericht weiterbefördert.

Die Vorlage der Acten an das Revisionsgericht ist in dem Falle, als eine Berichtigung des Thatbestandes des vom Berufungsgerichte gefällten Urtheiles beantragt wurde, bis zur Erledigung des Berichtigungsverfahrens auszusetzen.

Verfahren vor dem Revisionsgerichte.

§. 509. Das Revisionsgericht entscheidet über die Revision in nicht öffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung.

Es kann jedoch, wenn dies im einzelnen Falle dem Revisionsgericht behufs Entscheidung über die eingelegte Revision erforderlich erscheint, auch eine mündliche Verhandlung vor dem Revisionsgerichte auf Antrag oder von amtswegen angeordnet werden. In Bezug auf diese Verhandlung haben die für die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgerichte erlassenen Vorschriften zu gelten.

Erhebungen oder Beweisaufnahmen, welche zur Feststellung der im §. 503, Z. 1 und 2, angeführten Revisionsgründe nothwendig sind, haben durch einen ersuchten Richter zu erfolgen, welcher die Acten über die stattgefundenen Erhebungen oder Beweisaufnahmen unmittelbar dem Revisionsgerichte vorzulegen hat. Diesen Erhebungen und Beweisaufnahmen sind stets die Parteien zuzuziehen.

§. 510. Das Revisionsgericht hat in der Regel in der Sache selbst zu entscheiden. Wenn es jedoch das Urtheil des Berufungsgerichtes nach §. 477, Z. 4 und 5, als nichtig zu erklären oder aus dem im §. 503, Z. 2, bezeichneten Grunde aufzuheben findet und infolge dessen eine neue Verhandlung zur Erledigung der Sache nothwendig erachtet, hat es die Streitsache zu diesem Zwecke an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Findet das Revisionsgericht das Urtheil oder Verfahren wegen einer schon in erster Instanz unterlaufenen, von amtswegen wahrzunehmenden Nichtigkeit aufzuheben, so hat die Zurückweisung der Sache an die erste Instanz zu erfolgen (§. 478, Absatz 2 und 3).

§. 511. Das Gericht, an welches die Sache zurückverwiesen wurde, ist bei der weiteren Behandlung und Entscheidung an die rechtliche Beurtheilung gebunden, welche das Revisionsgericht seinem aufhebenden Urtheile zugrunde gelegt hat.

Zum Zweck der Aufnahme des Verfahrens beim Berufungsgerichte oder beim Gerichte erster Instanz haben diese die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung von amtswegen anzuberaumen.

§. 512. Findet das Revisionsgericht, dass die Revision muthwillig oder nur zur Verzögerung der Sache angebracht wurde, so ist gegen den Revisionswerber oder nach Umständen gegen dessen Advocaten auf eine Muthwillensstrafe zu erkennen.

§. 513. Soweit sich nicht aus den Bestimmungen dieses Abschnittes Abweichungen ergeben, sind die Vorschriften über die Berufung auch auf die Revision anzuwenden.

Dritter Abschnitt.

Recurs.

Zulässigkeit.

§. 514. Gegen Beschlüsse (Bescheide) ist, sofern das gegenwärtige Gesetz die Anfechtung derselben nicht ausschließt, der Recurs zulässig.

Mittels Recurses können Beschlüsse insbesondere auch aus den im §. 477 angegebenen Gründen angefochten werden.

Gegen Beschlüss, durch welche gemäß §. 51, Absatz 2, der Ersatz der Kosten dem Gerichte auferlegt wird, können die hienach zum Kostenersatze verpflichteten richterlichen Beamten Recurs ergreifen.

§. 515. In den Fällen, welchen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes gegen einen Beschluss ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, können die Parteien ihre Beschwerden gegen diesen Beschluss mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen.

§. 516. Die vom Vorsteher eines Gerichtshofes, vom Vorsitzenden des Senates oder von einem beauftragten Richter gefassten Beschlüsse können, sofern nichts anderes angeordnet ist, durch das Rechtsmittel des Recurses angefochten werden; die Anfechtung ist jedoch unstatthaft, wenn nicht früher die Abänderung des fraglichen Beschlusses beim Gerichtshofe beantragt wurde.

(444) §. 517. In Bagatellsachen kann nur gegen die folgenden Beschlüsse erster Instanz Recurs ergriffen werden:

1. wenn die Einleitung oder Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage verweigert wurde;

2. wenn über den Antrag auf Bestellung einer Sicherheit für die Processkosten oder auf Ergänzung dieser Sicherheit entschieden wurde;

3. wenn dem Begehren um Erstreckung einer Tagsatzung unter Verletzung der Bestimmungen des §. 134 stattgegeben wurde und der Beschluss zugleich gemäß §. 141 anfechtbar ist;

4. wenn ein Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Tagsatzung oder wegen Verstreichung einer Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels abgewiesen wurde;

5. wenn über zu ersetzende Kosten durch Beschluss entschieden wurde.

Gegen Beschlüsse des Berufungsgerichtes ist in Bagatellsachen der Recurs ausgeschlossen.

§. 518. Im Verfahren über Klagen wegen Störung des Besitzstandes (§. 454) kann nur gegen Beschlüsse, durch welche die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens über die Klage verweigert wird, und gegen den Endbeschluss Recurs ergriffen werden.

Beschwerden gegen alle anderen im Laufe des Verfahrens gefassten Beschlüsse, und insbesondere gegen die während des Verfahrens erlassenen einstweiligen Verfügungen sind mit dem gegen den Endbeschluss gerichteten Recurs zu verbinden.

§. 519. Gegen die im Berufungsverfahren ergehenden Beschlüsse des Berufungsgerichtes ist der Recurs nur statthaft:

1. wenn durch den Beschluss die Berufung zurückgewiesen wurde;

2. wenn die Nichtigkeit des richterlichen Urtheiles vom Berufungsgerichte durch Beschluss ausgesprochen wurde;

3. wenn die Rechtssache durch Beschluss zur Entscheidung oder zur Verhandlung und Entscheidung an ein Gericht erster Instanz oder an ein anderes Berufungsgericht verwiesen und wenn zugleich in dem Beschlusse des Berufungsgerichtes ausgesprochen wurde, dass das Verfahren in erster Instanz oder das Berufungsverfahren erst nach eingetretener Rechtskraft dieses Beschlusses aufzunehmen oder fortzusetzen sei.

Erhebung des Recurses.

§. 520. Der Recurs wird durch Überreichung eines Schriftsatzes (Recursschrift) bei dem Gerichte erhoben, dessen Beschluss angefochten wird, dessen Vorsteher den angefochtenen Beschluss erlassen hat oder dem der Vorsitzende des Senates, der beauftragte oder ersuchte Richter angehört hat, gegen dessen Beschluss Recurs ergriffen wird. Bei Bezirksgerichte können Recurse von Parteien, welche nicht durch einen Advocaten vertreten sind, auch mündlich zu Protokoll angebracht werden; schriftliche Recurse müssen mit der Unterschrift eines Advocaten verstehen sein.

Wenn ein Beschluss wegen der ihm zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurtheilung mittels Recurs angefochten wird, hat die Vorschrift des §. 506, letzter Absatz, entsprechend Anwendung zu finden.

§. 521. Die Recursfrist beträgt vierzehn Tagen; sie kann nicht verlängert werden.

Die Frist beginnt mit dem Tage nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des anzufechtenden Beschlusses oder der Recursenentscheidung, und in Bagatellsachen, wenn beide Parteien bei der Verkündung des Bschlusses anwesend waren, mit dem Tage nach der Verkündung.

§. 522. Ist der Recurs gegen die Verweigerung oder Entziehung des Armenrechtes, gegen Strafverfügungen wider einen Zeugen oder Sachverständigen oder gegen einen Beschluss gerichtet, welcher bloß processleitender Natur ist, so kann das Gericht oder der Richter, dessen Entscheidung oder Verfügung angefochten wird, dem Recursbegehren selbst stattgeben.

Finden sich dieselben hiezu nicht bestimmt oder werden andere, als die im ersten Absatze bezeichneten Beschlüsse durch Recurs angefochten, so ist der Recurs dem Recursgerichte ohne Aufschub mit aufklärendem Berichte und mit allen für die Beurtheilung des Recurses erforderlichen Acten vorzulegen.

§. 523. Recurse gegen Beschlüsse, wider welche nach den Vorschriften dieses Gesetz ein Recurs überhaupt nicht stattfindet oder doch ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, sowie Recurse, die nach Ablauf der Recursfrist erhoben werden, sind von dem Gerichte, welchem sie überreicht werden, von amtswegen zurückzuweisen.

§. 524. Der Recurs hat in Bezug auf die Ausführung des angefochtenen Beschlusses und den Eintritt

(445) der Vollstreckbarkeit desselben keine ausschiebende Wirkung. Eine Ausnahme tritt, soferne nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt, bei Strafverfügungen ein, welche im Instanzenzuge anfechtbar sind.

Wenn jedoch aus der Hemmung des Verfahrens, der Ausführung des angefochtenen Beschlusses oder der auf Grund desselben einzuleitenden Execution der Gegenparteien kein unverhältnismäßiger Nachtheil erwächst, und ohne solche Hemmung der Zweck des Recurses vereitelt würde, so hat das Gericht, gegen dessen Beschluss Recurs ergriffen wurde, auf Antrag die einstweilige Hemmung unter gleichzeitiger Anordnung der etwa nothwendigen Sicherungsmaßregeln zu verfügen. Gegen diesen Beschluss findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt.

Gleiche Befugnis steht dem Vorsteher des Gerichtes, dem Vorsitzenden des Senates oder dem beauftragten oder ersuchten Richter zu, wenn der Recurs gegen deren Beschlüsse ergriffen wird.

§. 525. Insofern im Verfahren über eine Klage wegen Störung des Besitzstandes die während der Verhandlung getroffenen einstweiligen Vorkehrungen durch die Vollstreckung des Endbeschlusses nicht berührt werden, hat der Richter erster Instanz nach seinem Ermessen zu bestimmen, ob dieselben während der Anhängigkeit des Recurses fortdauern sollen oder schon vor Erledigung des Recurses aufzuheben seien.

Verfahren bei dem Recursgerichte.

§. 526. Über den Recurs ist ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nicht öffentlichen Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Vor der Entscheidung kann das Recursgericht die ihm nothwendig scheinenden Erhebungen veranlassen.

Ein unzulässiger oder verspäteter Recurs ist sofort zu verwerfen.

Die Ausfertigung und Zustellung der Entscheidung des Recursgerichtes hat unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmmungen des §. 500 zu geschehen.

§. 527. Wird dem Recurse stattgegeben, so kann das Recursgericht die infolge seines Ausspruches etwa erforderlichen weiteren Anordnungen demjenigen Gerichte oder Richter übertragen, von welchem der angefochtene Beschluss erlassen war.

Wird der angefochtene Beschluss in zweiter Instanz aufgehoben und dem Gericht der ersten Instanz eine neuerliche, nach Anhörung der Parteien zu fällende Entscheidung aufgetragen, so kann die Entscheidung des Recursgerichtes nur dann angefochten werden, wenn in derselben bestimmt ist, dass erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft mit dem Vollzuge des der ersten Instanz ertheilten Auftrages vorzugehen sei.

§. 528. Recurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz, durch welche der angefochtene erstrichterliche Beschluss bestätigt wurde, sind vom Gerichte erster Instanz von amtswegen zurückzuweisen.

Findet das Recursgericht, dass ein gegen den Beschluss eines Gerichtes zweiter Instanz erhobener Recurs muthwillig oder nur zur Verzögerung der Sache angebracht wurde, so ist gegen den Beschwerdeführer oder nach Umständen gegen dessen Advocaten auf eine Muthwillensstrafe zu erkennen.

Fünfter Theil.

Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage.

§. 529. Eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, kann durch die Nichtigkeitsklage angefochten werden.

1. wenn ein erkennender Richter von der Ausübung des Richteramtes in dem Rechtsstreite kraft des Gesetzes ausgeschlossen war;

2. wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht, oder falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Processführung nicht nachträglich ordnungsmäßig genehmigt wurde.

Die Nichtigkeitsklage ist jedoch unstatthaft, wenn in dem unter Z. 1 bezeichneten Falle der Ausschließungsgrund, im Falle der Z. 2 aber der Mangel der Processfähigkeit oder der gesetzlichen Vertretung schon vor der rechtskräftigen Entscheidung mittels eines Ablehnungsgesuches, mittels des Antrages auf Nichtigerklärung des Verfahrens oder im Wege eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht wurde.

Die Nichtigkeitsklage ist ferner dann unstatthaft, wenn die Partei imstande war, den Ausschließungsgrund (Z. 1) in dem früheren Verfahren oder durch ein Rechtsmittel geltend zu machen.

§. 530. Ein durch Urtheil geschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden:

(446) 1. wenn eine Urkunde, auf welche das Urtheil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht ist;

2. wenn sich ein Zeuge oder ein Sachverständiger einer falschen Aussage oder der Gegner bei seiner Vernehmung eines falschen Eides schuldig gemacht hat, und das Urtheil auf diese Aussage gegründet ist;

3. wenn das Urtheil durch eine im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verfolgende Betrugshandlung des Vertreters der Partei, ihres Gegners oder dessen Vertreters erwirkt wurde;

4. wenn sich der Richter bei Erlassung des Urtheiles oder einer dem Urtheile zugrunde liegenden früheren Entscheidung in Beziehung auf den Rechtsstreit zum Nachtheile der Partei einer nach dem Strafgesetz zu ahndenden Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat;

5. wenn ein strafgerichtliches Erkenntnis, auf welches das Urtheil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urtheil aufgehoben ist;

6. wenn die Partei ein über denselben Anspruch oder dasselbe Rechtsverhältnis früher ergangenes bereits rechtskräftig gewordenes Urtheil (§. 411) auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, welches zwischen den Parteien des wieder aufzunehmenden Verfahrens Recht schafft.

7. wenn die Partei in Kenntnis von neuen Thatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung der Hauptsache herbeigeführt haben würde.

 Wegen der in Z. 6 und 7 angegebenen Umstände ist die Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die Rechtskraft des Urtheiles oder die neuen Thatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil erster Instanz erging, geltend zu machen.

§. 531. Die Wiederaufnahme kann auch zur Ausführung der im Sinne des §. 279, Absatz 2, von der Verhandlung ausgeschlossenen Beweise bewilligt werden, wenn die Benützung dieser Beweise im früheren Verfahren offenbar eine der Partei günstigere Entscheidung der Hauptsache zur Folge gehabt haben würde.

§. 532. Für die Nichtigkeitsklage und für die nach §. 530, Z. 4, erhobene Wiederaufnahmsklage ist das Gericht, von welchem das durch die Klage angefochtene Urtheil gefällt wurde, wenn aber in der Klage mehrere in demselben Rechtsstreite von Gerichten verschiedener Instanzen gefällte Urtheile angefochten werden, das höchste unter diesen Gerichten ausschließlich zuständig.

In allen übrigen Fällen (§§. 530, Z. 1 bis 3, 5, 6 und 7, und 531) muss die Wiederaufnahmsklage beim Processgerichte erster Instanz, wenn aber nur ein in höherer Instanz erlassenes Urtheil von dem geltend gemachten Anfechtungsgrunde betroffen wird, bei dem bezüglichen Gerichte höherer Instanz angebracht werden.

Verfahren.

§. 533. Auf die Erhebung der Nichtigkeits- und Wiederaufnahms- Klage und auf das weitere Verfahren finden, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Bestimmungen Abweichungen ergeben, die im ersten bis vierten Theile dieses Gesetzes enthaltenen Vorschriften entsprechend Anwendung.

§. 534. Die Klage ist binnen der Nothfrist eines Monates zu erheben.

Diese Frist ist zu berechnen:

1. im Falle des §. 529, Z. 1, von dem Tage, an welchem die Partei von dem Ausschließungsgrunde Kenntnis erhalten hat, oder wenn dies vor Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung geschehen, vom letzteren Tage;

2. im Falle des §. 529, Z. 2, von dem Tage, an welchem die Entscheidung der Partei, und wenn diese nicht processfähig ist, dem gesetzlichen Vernichter derselben zugestellt wurde, jedoch gleichfalls nicht vor eingetretener Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung;

3. in den Fällen des §. 530, Z. 1 bis 5, von dem Tage, an welchem das strafgerichtliche Urtheil oder der die Einstellung eines strafgerichtlichen Verfahrens aussprechende Beschluss in Rechtskraft erwachsen ist;

4. im Falle des §. 530, Z. 6 und 7, von dem Tage, an welchem die Partei imstande war, das rechtskräftige Urtheil zu benützen oder die ihr bekannt gewordenen Thatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen;

5. im Falle des 3. 531 von der Zustellung des Urtheiles erster Instanz.

Nach Ablauf von zehn Jahren nach dem Eintritte der Rechtskraft des Urtheiles kann die Klage, mit Ausnahme des in Z. 2 erwähnten Falle, nicht mehr erhoben werden.

§. 535. Wird die Klage nicht bei dem Gerichte erhoben, welches in dem früheren Verfahren in erster Instanz

(447) erkannt hat, sondern bei einem höheren Gerichte, welches nach den für das Verfahren vor demselben geltenden Bestimmungen die Hauptsache spruchreif zu machen vermag, so sind in Ansehungder mündlichen Verhandlung, der Beweisführung und der Mittheilung des über die Klage gefällten Urtheiles an die erste Instanz, sowie in Ansehung der Anfechtbarkeit des Urtheiles diejenigen Bestimmungen maßgebend, welche für das höhere Gericht als Rechtsmittelinstanz maßgebend wären.

§. 536. Die Klage muss insbesondere enthalten:

1. die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung,

2. die Bezeichnung des gesetzlichen Anfechtungsgrundes (Nichtigkeits-, Wiederaufnahmsgrund);

3. die Angabe der Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist für die Klage ergibt, und die Bezeichnung der hiefür vorhandenen Beweismittel;

4. die Angabe der für die Beurtheilung der Zuständigkeit wesentlichen Umstände;

5. die Erklärung, inwieweit die Beseitigung der angefochtenen Entscheidung, und welche andere Entscheidung in der Hauptsache beantragt wird.

§. 537. Der Richter, wegen dessen Betheiligung an der Entscheidung die Nichtigkeitsklage (§. 529, Z. 1) oder wegen dessen Verhalten die Wiederaufnahmsklage nach §. 530, Z. 4, angebracht wird, ist von der Leitung der Verhandlung sowie von der Entscheidung über die Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage ausgeschlossen.

§. 538. Das Gericht hat vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung, und zwar bei Gerichtshöfen in nicht öffentlicher Sitzung, zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§§. 529 bis 531) gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eines der im §. 230, Absatz 2, angeführten Gründe unzulässig, so ist sie als zurBestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschlußzurückzuweisen.

Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Kläger auf Verlangen des Gerichtes glaubhaft zu machen.

§. 539. Wenn die Wiederaufnahme wegen einer der im §. 530, Z. 1 bis 4, angeführten strafbaren Handlungen begehrt wird, ohne daß ihrer wegen bereits eine rechtskräftige Verurtheilung stattgefunden hätte, hat das Processgericht ohne vorgängige mündliche Verhandlung, die Einleitung des strafgerichtlichen Verfahrens behufs Ermittlung und Feststellung der behaupteten strafbaren Handlung zu veranlassen. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht zulässig; vor der Beschlussfassung kann das Gericht die Parteien oder eine derselben vernehmen und die ihm sonst wichtig scheinenden Erhebungen einleiten.

Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage ist erst nach rechtskräftigem Abschlusse des strafgerichtlichen Verfahrens, und zwar nur dann anzuberaumen, wenn dieses Verfahren entweder zu einer rechtskräftigen Verurtheilung wegen der zur Begründung der Wiederaufnahmsklage geltend gemachten strafbaren Handlunggeführt hat, oder wenn das strafgerichtliche Verfahren aus anderen Gründen als wegen mangelnden Thatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen zu einer Verurtheilung nicht geführt hat. Andernfalls ist die Klage nach Bekanntgabe der Ergebnisse des strafgerichtlichen Verfahrens als unzulässig zurückzuweisen. Diese Zurückweisung geschieht gleichfalls ohne vorgängige mündliche Verhandlung und bei Gerichtshöfen durch einen in nicht öffentlicher Sitzung gefassten Beschluß. Das Strafgericht oder die staatsanwaltschaftliche Behörde hat die Bekanntgabe der wegen Nichteinleitung oder Einstellung des Strafverfahrens gefassten Beschlüsse den Grund der unterlassenen Einleitung oder der Einstellung des Verfahrens stets ausdrücklich zu bezeichnen.

§. 540. Ist in den Fällen des §. 530 der Wiederaufnahmsgrund durch der Klage in Urschrift oder beglaubigter Abschrift beigelegte Urkunden dargethan oder wird die Wiederaufnahme im Sinne des §. 531 beantragt, so ist die Verhandlung und Entscheidung über den Grund und die Zulässigkeit der Wiederaufnahme, vorbehaltlich der dem Gerichte im §. 189 eingeräumten Befugnis, mit der Verhandlung der Hauptsache zu verbinden.

Die Hauptsache wird dabei soweit von neuem verhandelt, als sie vom Anfechtungsgrunde betroffen ist.

Ist jedoch das zur Entscheidung über die Bewilligung der Wiederaufnahme zuständige Gericht höherer Instanz nach den für das Verfahren vor demselben geltenden Bestimmungen nicht in der Lage, die Hauptsache spruchreif zu machen, so hat es sich auf die Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme zu beschränken und nach Rechtskraft des die Wiederaufnahme bewilligenden Urtheiles den Rechtsstreit zur Verhandlung der Hauptsache an das Gericht zurückzuverweisen, welches in erster Instanz dazu berufen gewesen ist. Von diesem ist sodann die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung der Hauptsache

(447) von amtswegen anzuberaumen und nach den für das Verfahren vor diesem Gerichte geltendenVorschriften durchzuführen.

§. 541. In allen übrigen Fällen ist nur über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens oder über die Nichtigerklärung desselben zu verhandeln und durch Urtheil zu entscheiden.

Wird die Wiederaufnahme bewilligt, so ist das Verfahren in der Hauptsache, soweit es vom Anfechtungsgrunde betroffen wird, bei dem Gerichte, bei welchem die Wiederaufnahmsklage eingebracht wurde, oder wenn dieses nach den für das Verfahren geltenden Bestimmungen nicht in der Lage ist, die Hauptsache spruchreif zu machen, bei dem Gerichte abzuführen, welches zur Verhandlung der Hauptsache in erster Instanz berufen war.

In Bezug auf die Verweisung, die Anberaumung der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung und die Durchführung der Verhandlung gelten die Bestimmungen des §. 540, Absatz 3. §. 542. Ist die Verhandlung zur Hauptsache bei dem zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme zuständigen Gerichte abzuführen, so kann das Gericht nach Verkündung der dem Wiederaufnahmebegehren stattgebenden Entscheidung durch Beschluss anordnen, daß vor Ausfertigung dieser Entscheidung in der Hauptsache verhandelt werde. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme ist in diesem Falle in die Entscheidung über die Hauptsache aufzunehmen.

§. 543. Ergibt sich erst bei der mündlichen Verhandlung, daß die Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage auf einen gesetzlich unzulässigen Anfechtungsgrund gestützt wird oder verspätet überreicht ist, so ist die Klage durch Beschluss zurückzuweisen.

§. 544. Über eine Wiederaufnahmsklage, welche gleichzeitig mit der Erhebung der Berufung oder Revision gegen dasselbe Urtheil oder während des anhängigen Berufungs- oder Revisionsverfahrens eingebracht wird, ist von amtswegen oder auf Antrag unverzüglich die Unterbrechung des Berufungs- oder Revisionsverfahrens anzuordnen, wenn einer der im §. 530, Z. 1 bis 5, angeführten Wiederaufnahmsgründe geltend gemacht und das ergangene rechtskräftige strafgerichtliche Urtheil der Klage in Urschrift oder beglaubigter Abschrift beigelegt wird.

Das Gericht, bei welchem die Wiederaufnahmsklage angebracht wurde, hat im Falle einer solchen Beschlussfassung das Gericht, bei welchem über das eingelegte Rechtsmittel zur Zeit verhandelt wird, von der angeordneten Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens sofort zu verständigen.

§. 545. Ob in den übrigen Fällen wegen Einbringung einer Wiederaufnahmsklage das in Bezug auf dasselbe Urtheil eingeleitete oder anhängige Berufungs- oder Revisionsverfahren unterbrochen werden soll, darüber hat das zur Verhandlung über die Klage berufene Gericht von amtswegen oder auf Antrag mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des Falles und die für das Vorhandensein des Wiederaufnahmsgrundes vorgebrachten Beweise zu entscheiden.

Eine solche Unterbrechung kann auch noch während der mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage beschlossen werden. Bei Anordnung der Unterbrechung kommen die Bestimmungen des §. 544, Absatz 2, zur Anwendung.

§. 546. Gegen den Beschluss, durch welchen über einen gemäß §§. 544 und 545 gestellten Antrag entschieden wird, ist ein Rechtsmittel nicht statthaft.

Ist die Wiederaufnahmsklage rechtskräftig abgewiesen, so ist das unterbrochene Rechtsmittelverfahren von amtswegen oder auf Antrag wieder aufzunehmen. Der Antrag ist bei dem Gerichte zu stellen, vor welchem das Berufungs- oder Revisionsverfahren zur Zeit der angeordneten Unterbrechung anhängig war. Dieses Gericht hat die rechtzeitige Wiedervorlage der zur Fortsetzung der Verhandlung erforderlichen Acten von amtswegen zu veranlassen.

§. 547. Sofern nicht nach den vorstehenden Bestimmungen infolge Einbringung der Wiederaufnahmsklage eine Unterbrechung eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens angeordnet wird, hat die Erhebung einer Wiederaufnahmsklage in Bezug auf den Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urtheiles keine hemmende Wirkung.

Auf die Vollstreckbarkeit eines angefochtenen rechtskräftigen Urtheiles ist die Einbringung einer Nichtigkeitsklage oder einer Wiederaufnahmsklage ohne Einfluss.

(449) Sechster Theil.

Besondere Arten des Verfahrens.

Erster Abschnitt.

Mandatsverfahren.

§. 548. In einer zur Geltendmachung einer Forderung an Geld oder anderen vertretbaren Sachen eingebrachten Klage kann der Kläger beantragen, dass gegen den Beklagten ein Zahlungsauftrag (Mandat) erlassen werde, wenn alle Thatsachen, auf welche der Anspruch des Klägers in der Hauptsache sowie die Nebenforderungen sich gründen, durch in Urschrift von unbedenklicher äußerer Form beigebrachte Urkunden der nachbezeichneten Art bewiesen werden:

1. durch im Geltungsgebiete dieses Gesetzes errichtete öffentliche Urkunden;

2. durch Privaturkunden, auf welchen die Unterschriften der Aussteller von einem inländischen Gerichte oder Notar beglaubigt sind;

3. durch andere Urkunden, auf Grund welcher für die eingeklagte Forderung ein dingliches Recht in einem inländischen öffentlichen Buche einverleibt ist, wenn zugleich gegen die gerichtliche Verordnung, infolge deren dieses Einverleibung geschah, weder ein Recurs anhängig, noch auch bücherlich angemerkt ist, dass diese Einverleibung streitig ist.

§. 549. Wenn die Klage nicht von derjenigen Person, welche nach den der Klage zugrunde liegenden Urkunden als berechtigt erscheint, oder wenn sie gegen eine andere Person als den in diesen Urkunden benannten Verpflichteten erhoben wird, kann dem Antrage auf Erlassung eines Zahlungsauftrages nur dann stattgegeben werden, wenn und soweit durch Urkunden der in §. 548 bezeichneten Beschaffenheit bewiesen wird, daß der Anspruch oder die Verpflichtung ganz oder theilweise von dem ursprünglich Berechtigten oder Verpflichteten auf diejenigen Personen übergegangen sind, von welchen oder wider welche die Klage erhoben wird.

Zur Einbringung von Forderungen, welchen die Einwendung der Verjährung entgegengesetzt werden könnte, kann ein Zahlungsauftrag nur dann erlassen werden, wenn die Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung schon in der Klage durch Urkunden der im §. 548 bezeichneten Beschaffenheit erwiesen wird.

§. 550. Infolge eines gemäß §§. 548 und 549 gestellten Antrages ist der Zahlungsauftrag ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung des Beklagten zu erlassen. Falls zur Erlassung des Zahlungsauftrages ein Bezirksgericht zuständig ist, kann der Kläger, insoweit die nach §§. 548 und 549 zur Begründung seiner Ansprüche erforderlichen Urkunden in Urschrift bei eben diesem Gerichte erliegen, die Vorlage der Urkunden durch die Berufung auf die bezüglichen Gerichtsacten ersetzen.

In dem Zahlungsauftrage ist auszusprechen, daß der Beklagte binnen vierzehn Tagen nach Zustellung des Zahlungsauftrages bei sonstiger Execution die gegen ihn geltend gemachten Ansprüche nebst den vom Gerichte bestimmten Kosten zu befriedigen oder seine Einwendungen gegen den Zahlungsauftrag zu erheben habe. Diese Frist kann nicht verlängert werden.

Der Zahlungsauftrag ist dem Beklagten nach den für Klagen geltenden Bestimmungen zuzustellen.

§. 551. Wird in einer schriftlich angebrachten Klage die Erlassung des Zahlungsauftrages gegen mehrere Beklagte beantragt, so kann diesem Antrage nur in Ansehung derjenigen Beklagten Folge gegeben werden, für welche mit Abschriften aller Beilagen versehene Exemplare der Klageschrift vorgelegt werden. Hiebei ist die Reihenfolge maßgebend, in welcher die Beklagten in der Klage genannt sind.

§. 552. Gegen die Erlassung des Zahlungsauftrages ist ein Rechtsmittel nicht zulässig, doch kann die im Zahlungsauftrage enthaltene Entscheidung über die Kosten mittels Recurs angefochten werden.

Die Einwendungen gegen den Zahlungsauftrag sind innerhalb der im Zahlungsauftrage bezeichneten Frist bei dem Gerichte anzubringen, welches den Auftrag erlassen hat. Verspätet angebrachte Einwendungen sind ohne Verhandlung zurückzuweisen.

Über rechtzeitig überreichte Einwendungen ist ohne neuerlichen Antrag des Klägers auf thunlichst kurze Zeit eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anzuberaumen.

§. 553. In dem das Verfahren erledigenden Urtheile ist auszusprechen, ob der an den Beklagten erlassene Zahlungsauftrag aufrecht erhalten bleibe oder ob und inwiefern derselbe aufgehoben werde.

§. 554. Kann dem in der Klage gestellten Antrage auf Erlassung eines Zahlungsauftrages nicht stattgegeben werden, so ist, falls sich die Klage zur Bestimmung der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vor diesem Gerichte eignet, nach Vorschrift des Gesetzes vorzugehen; außer diesem Falle ist die Klage als zur Einleitung des Verfahrens nicht geeignet zurückzuweisen.

(450) Zweiter Abschnitt.

Verfahren in Wechselstreitigkeiten.

§. 555. In dem Verfahren über Klagen zur Geltendmachung wechselmäßiger Ansprüche ist:

1. im Urtheile die Frist für die Erfüllung der dem Beklagten auferlegten Verbindlichkeit auf drei Tage festzusetzen;

2. die Frist zur Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zur Erhebung der Berufung oder Revision, sowie zur Einlegung des Recurses beträgt acht Tage. Diese Fristen können nicht verlängert werden.

§. 556. In Rechtsstreitigkeiten aus Wechseln findet die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens zum Nachtheile einer Partei, die in dem Hauptprocesse in gutem Glauben gehandelt hat, nicht statt, wenn diese Partei in der Zwischenzeit ihre wechselmäßigen Ansprüche an Dritte durch Ablauf der Zeit ganz oder zum Theile verloren hat oder doch wegen Kürze der noch übrigen Zeit nicht mehr geltend machen kann.

§. 557. Wenn sich die mittels der Klage geltend gemachte Forderung auf einen Wechsel gründet, welcher alle Erfordernisse der Giltigkeit besitzt und gegen dessen Echtheit sich keine Bedenken ergeben, und wenn zugleich in der Klage nebst dem Wechsel auch der Protest und die Retourrechnung, soweit diese Urkunden im einzelnen Falle zur Begründung der klägerischen Ansprüche erforderlich sind, in Urschrift vorgelegt werden, so kann der Kläger begehren, dass dem Beklagten aufgetragen werde, binnen der unerstreckbaren Frist von drei Tagen bei sonstiger Execution die Wechselschuld nebst den ausgewiesenen Nebenforderungen und den angesprochenen und vom Richter bestimmten Kosten zu bezahlen oder seine Einwendungen dagegen zu erheben (Zahlungsauftrag).

§. 558. In einer auf Grund des Artikels 25 oder 29 der Wechselordnung erhobenen Klage auf Sicherstellung kann der Kläger, wenn er die Urschrift des Protestes vorlegt und in den Fällen des Artikels 29 auch die übrigen Voraussetzungen seines Anspruches durch glaubwürdige, der Klage in Urschrift beigelegte Urkunden beweist, den Antrag stellen, daß dem Beklagten aufgetragen werde, binnen der Nothfrist von drei Tagen bei sonstiger Execution die den Vorschriften der Wechselordnung entsprechende Sicherheit zu leisten, sowie die angesprochenen und vom Richter bestimmten Kosten zu bezahlen oder seine Einwendungen dagegen zu erheben (Sicherstellungsauftrag).

§. 559. Wenn in der Klage derAntrag auf Erlassung eines Zahlungs- oder Sicherstellungsauftrages gestellt wird, haben auf das weitere Verfahren die Bestimmungen des ersten Abschnittes (§§. 550 bis 554) entsprechend Anwendung zu finden.

Dritter Abschnitt.

Verfahren bei Streitigkeiten aus dem Bestandvertrage.

Aufkündigung.

§. 560. Insofern die Aufkündigung eines Bestandvertrages über Grundstücke, Gebäude und andere unbewegliche oder gesetzlich für unbeweglich erklärte Sachen, über Schiffmühlen und auf Schiffen errichtete andere Bauwerke nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes nothwendig ist, um der stillschweigenden Erneuerung des Bestandvertrages vorzubeugen oder dessen Auflösung zu bewirken, darf sie:

1. im Falle eines besonderen Übereinkommens der Parteien über die Frist zur Aufkündigung und Zurückstellung des Bestandgegenstandes in der Regel nur in dieser Frist erfolgen.

2. Wenn es an einem solchen Übereinkommen fehlt, muss dort, wo durch darüber erlassene Vorschriften oder mangels solcher Vorschriften durch besondere Ortsgewohnheit für die Räumung von Bestandgegenständen gewisse Tage des Jahres mit bestimmten Aufkündigungsfristen festgesetzt sind, die Aufkündigung vor Ablauf der dafür festgesetzten Zeit erfolgen.

3. In allen anderen Fällen müssen Pachtungen wenigstens sechs Monate, Jahresmieten oder solche Mieten, deren vertragsmäßige Dauer ein Jahr übersteigt, wenigstens drei Monate, Mieten, deren vertragsmäßige Dauer zwar länger als ein Monat ist, jedoch ein Jahr nicht erreicht, wenigstens vierzehn Tage, alle anderen Mieten endlich wenigstens acht Tage früher aufgekündigt werden, als der Bestandgegenstand zurückgegeben oder zurückgenommen werden soll.

§. 561. Bestandverträge können sowohl vom Bestandgeber, als vom Bestandnehmer gerichtlich oder außergerichtlich aufgekündigt werden.

Die von einer Partei wirksam vorgenommene Aufkündigung kann gegen dieselbe von der anderen Partei in Vollzug gesetzt werden.

(451) §. 562. Die gerichtliche Aufkündigung kann mittels Schriftsatz oder mündlich angebracht werden. Der Schriftsatz oder das über dieAufkündigung aufgenommene Protokoll hat insbesondere die Bezeichnung des Bestandgegenstandes, die Angabe des Zeitpunktes, in welchem der Bestandvertrag endigen soll, und endlich den Antrag zu enthalten, dem Gegner aufzutragen, entweder den Bestandgegenstand zur bestimmten Zeit bei sonstiger Execution zu übergeben oder zu übernehmen, oder gegen die Aufkündigung seineEinwendungen bei Gericht anzubringen. Zur Anbringung der Einwendungen ist, falls die Aufkündigungsfrist wenigstens vierzehn Tage beträgt, eine Frist von acht Tagen, sonst eine Frist von drei Tagen zu bestimmen.

Wohnt der Aufkündigende weder am Orte noch im Sprengel des zuständigen Bezirksgerichtes, so hat er einen daselbst wohnenden Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen und dessen Namen und Wohnort bei der Aufkündigung anzugeben.

Aufkündigungen, welche diesen Vorschriften nicht entsprechen oder bei einem unzuständigen Gerichte angebracht werden, sind, falls nicht der vorhandene Mangel gemäß §. 84 behoben werden kann, von amtswegen durch Beschluss zurückzuweisen.

§. 563. Damit eine gerichtliche Aufkündigung für den nächstfolgenden Termin wirksam sei, muss sie vor Ablauf der im §. 560, Z. 1 und 2, bestimmten Fristen bei Gericht angebracht und zugestellt sein. Aufkündigungen, welche erst nach Ablauf dieser Fristen angebracht werden, sind von amtswegen durch Beschluss zurückzuweisen.

Vor Beginn der vertragsmäßigen oder gesetzlichen Aufkündigungsfrist angebrachte Aufkündigungen dürfen aus diesem Grunde allein nicht zurückgewiesen werden.

§. 564. Der über die Aufkündigung vom Gerichte an den Gegner der aufkündigenden Partei gemäß §. 562 erlassene Auftrag ist dem Gegner unter Mittheilung eines Exemplares des Schriftsatzes oder einer Protokollsabschrift nach den für die Zustellung von Klagen maßgebenden Vorschriften unverzüglich zuzustellen.

Erfolgt dennoch die Zustellung in den Fällen des §. 560. Z. 1 und 2, erst nach Ablauf der daselbst bestimmten Kündigungsfristen, so ist die Aufkündigung dennoch wirksam, wenn gegen den gerichtlichen Auftrag binnen der dazu anberaumten Frist Einwendungen nicht angebracht werden.

Außergerichtliche Aufkündigung.

§. 565. Die außergerichtliche Aufkündigung kann durch einen Notar oder in anderer Weise erfolgen.

Die dem Gegner der aufkündigenden Partei zum Zwecke der Aufkündigung zu machende Mittheilung hat stets auch die im §. 562, Absatz 1 und 2, bezeichneten Angaben zu enthalten.

Damit eine solche außergerichtliche Aufkündigung die Wirkung einer gerichtlichen Aufkündigung erlangen könne, muss sie durch Urkunden bewiesen werden, welche in Betreff ihrer Beweiskraft zu einem Bedenken keinen Anlass geben, und es müssen überdies bei der Aufkündigung die in §§. 563 und 564 angegebenen Fristen beobachtet sein.

Der Zeitpunkt der Aufkündigung oder Zustellung der Aufkündigung muss gleichfalls durch Urkunden der in Absatz 3 bezeichneten Beschaffenheit bewiesen werden.

§. 566. Derjenige, gegen welchen eine solche außergerichtliche Aufkündigung gerichtet ist, hat binnen acht, oder wenn die Aufkündigungsfrist weniger als vierzehn Tage beträgt, binnen drei Tagen (§. 562, Absatz 1) nach erfolgter oder empfangener Aufkündigung seine etwaigen Einwendungen dawider bei dem Gerichte, in dessen Bezirk der Bestandgegenstand liegt, schriftlich oder mündlich einzubringen, widrigens die Aufkündigung in Wirksamkeit treten würde.

An welchem Tage die Aufkündigung der Partei mitgetheilt wurde, welche Einwendungen erhebt, ist von der aufkündigenden Partei auf Verlangen des Gerichtes durch Vorlage der in §. 565, Absatz 4, gedachten Urkunden zu beweisen.

Auftrag zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes.

§. 567. Bei Bestandverträgen, welche ohne vorhergegangene Aufkündigung nach Ablauf einer bestimmten Zeit erlöschen, kann jede Partei noch vor Ablauf der Bestandzeit eine gerichtliche Verfügung beantragen, mittels welcher dem Gegner aufgetragen wird, den Bestandgegenstand zur bestimmten Zeit bei sonstiger Execution zu übergeben oder zu übernehmen, oder gegen diesen Auftrag binnen acht Tagen seine Einwendungen bei Gericht anzubringen.

Wenn das Bestandverhältnis für mehr als sechs Monate eingegangen ist, kann dieser Antrag nur in den letzten sechs Monaten gestellt werden.

Die Bestimmung des §. 564, Absatz 1, ist auch auf die Zustellung solcher Aufträge anzuwenden.

(452) Bedarf es zur Aufhebung des Bestandvertrages einer Aufkündigung, so kann der Anspruch auf Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes schon vor Ablauf der Kündigungsfrist mittels Klage geltend gemacht und auch die Kündigung mit der Klage verbunden werden.

Verhältnis zum Afterbestandnehmer.

§. 568. Alle gegen den Bestandnehmer erwirkten Aufkündigungen, Aufträge, Entscheidungen und Verfügungen, welche das Bestehen oder die Auflösung eines Bestandvertrages über einen der im §. 560 bezeichneten Gegenstände betreffen, sind auch gegen den Afterbestandnehmer wirksam und vollstreckbar, sofern nicht ein zwischen dem Afterbestandnehmer und dem Bestandgeber bestehendes Rechtsverhältnis entgegensteht.

Stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages.

§. 569. Bestandverträge, welche durch den Ablauf der Zeit erlöschen, ohne dass es behufs Auflösung des Vertrages oder Behinderung seiner stillschweigenden Erneuerung einer Aufkündigung bedarf, sind dadurch, daß der Bestandnehmer fortfährt, den Bestandgegenstand zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabei bewenden lässt, nur dann als stillschweigend erneuert anzusehen, wenn binnen vierzehn Tagen nach Ablauf der Bestandzeit, oder bei Verträgen, welche ursprünglich auf kürzere Zeit als auf einen Monat geschlossen wurden, binnen einer der Hälfte der ursprünglich bedungenen Zeit gleichkommenden Frist nach Ablauf des Vertrages weder von dem Bestandgeber eine Klage auf Zurückstellung, noch von dem Bestandnehmer auf Zurücknahme des Bestandgegenstandes erhoben wird.

Fristen in Bestandsachen.

§. 570. Die in den §§. 560 bis 569 festgesetzten Fristen können nicht verlängert werden.

Verfahren.

§. 571. Über rechtzeitig angebrachte Einwendungen ist eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anzuordnen. Bei der Anberaumung der ersten und der etwa folgenden Tagsatzungen, sowie bei der Bestimmung von Fristen ist auf die Dringlichkeit der Bestandsachen besonders Bedacht zu nehmen.

Die Partei, von welcher die Kündigung oder die Aufforderung zur Zurückstellung oder zur Zurücknahme des Bestandgegenstandes ausging, ist als Kläger anzusehen.

Verspätet angebrachte Einwendungen wider die Aufkündigung eines Bestandvertrages oder gegen den gerichtlichen Auftrag zur Übergabe oder Übernahme eines Bestandgegenstandes sind von amtswegen ohne Verhandlung zurückzuweisen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung von Einwendungen ist nicht zulässig.

§. 572. In dem das Verfahren über Einwendungen erledigenden Urtheile ist auszusprechen, ob und inwieweit die Aufkündigung oder der nach §. 567 erlassene Auftrag als wirksam erkannt oder aufgehoben wird, sowie ob und wann der Beklagte verpflichtet ist, den Bestandgegenstand zu übergeben oder zu übernehmen.

§. 573. Wird der Beklagte schuldig erkannt, den Bestandgegenstand zu übergeben oder zu übernehmen, ist jedoch die Bestandzeit zur Zeit derUrtheilsfällung bereits verstrichen, so ist bei Mietverhältnissen in dem Urtheile auszusprechen, dass die Übergabe oder Übernahme sofort zu erfolgen habe; bei Pachtungen kann zu diesem Zwecke eine acht Tage nicht überschreitende Frist gegeben werden.

Ist die Bestandzeit noch nicht verstrichen, so ist die Zeit für die Übergabe oder Übernahme nach den hinsichtlich der Räumungsfristen bestehenden besonderen Vorschriften und mangels solcher in Gemäßheit der Ortsgewohnheiten zu bestimmen.

Soweit es auch an solchen Gewohnheiten fehlt, ist bei Mieten anzuordnen, dass mit der Räumung spätestens am dritten Tage vor Ablauf der Mietzeit zu beginnen, dem Übernehmer zur Mittagszeit dieses Tages ein zur Verwahrung eines Theiles seiner Fahrnisse geeigneter Platz zu überlassen sei, die Übergabe des gänzlich geräumten Mietgegenstandes aber bis zum Mittage des letzten Tages der Mietzeit zu erfolgen habe. Bei Pachtungen von Gütern, auf welchen Gebäude stehen, ist anzuordnen, dass mit der Räumung spätestens am achten Tage vor Ablauf der Pachtzeit zu beginnen, dem Übernehmer zur Mittagszeit dieses Tages ein angemessener Theil der Räumlichkeiten zur Verwahrung von Fahrnissen und zur Einleitung des Wirtschaftsbetriebes zu überlassen sei, und die Übergabe des gänzlich geräumten Pachtgegenstandes bis zum Mittage des letzten Tages der Pachtzeit zu erfolgen habe. Bei Pachtungen anderer Art endlich ist anzuordnen, dass die Räumung und Übergabe des Pachtgegenstandes bis zum Ablaufe der Pachtzeit vorzunehmen sei.

Der dritte oder achte Tag vor Ablauf der Bestandzeit ist so zu berechnen, dass zwischen dem Tage des Beginnens und dem Tage der Beendigung der Räumung volle zwei oder volle sieben Kalendertage liegen.

(453) Die Bestimmungen der Absätze 2 bis 4 über die Räumung und Übergabe des Bestandgegenstandes gelten auch dann, wenn gegen die gerichtliche oder außergerichtliche Aufkündigung oder gegen den Auftrag zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben wurden.

Die Execution kann auf Grund rechtskräftig gewordener Urtheile, Aufkündigungen und gerichtlicher Aufträge zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes bewilligt werden, sobald die Frist verstrichen ist, innerhalb deren nach den vorangehenden Absätzen der Bestandgegenstand gänzlich geräumt zu übergeben war.

§. 574. Die Bestimmungen des §. 573 sind auch dann anzuwenden, wenn ein Bestandvertrag ohne vorausgegangene gerichtliche oder außergerichtliche Aufkündigung infolge einer Klage durch Urtheil für aufgehoben oder erloschen erklärt wird.

§. 575. In dem in diesem Abschnitte geregelten Verfahren beträgt die Frist zur Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, dann zur Erhebung der Berufung oder Revision, sowie zur Einlegung des Recurses acht Tage. Diese Fristen können nicht verlängert werden.

Gegen die gerichtlichen Aufträge zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes, die auf Grund von Aufkündigungen oder infolge eines gemäß §. 567 gestellten Ansuchens ergehen, ist vorbehaltlich der dagegen zu erhebenden Einwendungen ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Eine gerichtliche oder außergerichtliche Kündigung oder ein Auftrag zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes, wider welche nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben wurden, desgleichen die über solche Einwendungen ergangenen rechtskräftigen Urtheile treten, vorbehaltlich des über den Kostenersatz ergangenen Ausspruches, außer Kraft, wenn nicht binnen vierzehn Tagen nach dem Eintritte der in diesen Aufträgen oder im Urtheile für die Räumung oder Übernahme des Bestandgegenstandes bestimmten Zeit wegen dieser Räumung oder Übernahme Execution beantragt wird.

Verträge gegen Entrichtung eines Zinses in Früchten.

§. 576. Die Bestimmungen dieses Abschnittes finden auch auf die im §. 1103 a. b. G. B. bezeichneten Verträge Anwendung. Solche Verträge sind im Sinne dieses Gesetzes als Pachtverträge anzusehen.

Vierter Abschnitt.

Schiedsrichterliches Verfahren.

Schiedsvertrag.

§. 577. Die Vereinbarung, dass die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit durch einen oder mehrere Schiedsrichter erfolgen solle (Schiedsvertrag), hat insoweit rechtliche Wirkung, als die Parteien über den Gegenstand des Streites einen Vergleich abzuschließen fähig sind.

In einem Schiedsvertrage kann auch wirksam vereinbart werden, dass aus einem bestimmten Rechtsverhältnisse künftig entstehende Streitigkeiten durch einen oder mehrere Schiedsrichter entschieden werden sollen.

Der Schiedsvertrag muss schriftlich errichtet werden.

§. 578. Richterliche Beamte dürfen, solange sie im richterlichen Dienste stehen, die Bestellung als Schiedsrichter nicht annehmen.

§. 579. Niemand ist verpflichtet, die Bestellung als Schiedsrichter anzunehmen. Aus triftigen Gründen kann der Schiedsrichter auch nach Annahme der Bestellung von der übernommenen Verpflichtung zurücktreten.

§. 580. Wenn in dem Schiedsvertrage weder die Schiedsrichter benannt, noch eine Bestimmung über die Zahl und Ernennung der Schiedsrichter enthalten ist, so wird von jeder Partei ein Schiedsrichter bestellt. Diese haben einen Obmann zu wählen.

§. 581. Wer zufolge eines Schiedsvertrages die Bestellung eines Schiedsrichters vorzunehmen hat, kann von dem Gegner oder, wenn die Bestellung des Schiedsrichters einem Dritten obliegt, von jeder der Parteien aufgefordert werden, binnen vierzehn Tagen diesen Schiedsrichter zu bestellen und hievon der auffordernden Partei Mittheilung zu machen. Eine gleiche Aufforderung ist dann zulässig, wenn der auf Grund des Schiedsvertrages bereits bestellte Schiedsrichter die Annahme des Schiedsrichteramtes oder die Erfüllung seiner Verpflichtungen verweigert, wenn er stirbt, mit Erfolg abgelehnt wird, oder aus einem anderen Grunde wegfällt.

(454) Hat auch die auffordernde Partei einen Schiedsrichter zu bestellen, so hat sie mit ihrer Aufforderung die Anzeige zu verbinden, welche Person sie selbst zum Schiedsrichter bestellt hat.

Diese gegenseitigen Aufforderungen und Anzeigen können durch die Post oder einen Notar vorgenommen werden.

Die zur Bestellung eines Schiedsrichters berufene Person ist an die von ihr vorgenommene Bestellung gebunden, sobald der Gegner oder eine der Parteien die Anzeige dieser Bestellung erhalten hat.

§. 582. Wenn die Bestellung eines Schiedsrichters nicht rechtzeitig vorgenommen wird oder wenn die beiden Schiedsrichter sich über die Person des Obmannes nicht einigen können, so erfolgt die Bestellung auf Antrag durch das Gericht. Der Antrag ist bei dem Gerichte zu stellen, welches mangels eines Schiedsvertrages für den Rechtsstreit in erster Instanz zuständig wäre. Zur Antragstellung sind die Parteien und im Falle des §. 580 auch jeder der beiden Schiedsrichter berechtigt. Zur Antragsstellung ist auch vor Gerichtshöfen die Vertretung durch einen Advocaten nicht nothwendig.

Der über den Antrag ergehende Beschluss kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

§. 583. Können sich die Parteien über von ihnen gemeinschaftlich zu bestellende Schiedsrichter nicht einigen, so hat das im §. 582 bezeichnete Gericht auf Antrag auszusprechen, dass der Schiedsvertrag außer Kraft trete.

Gleiches hat dann zu geschehen, wenn:

1. bestimmte Personen in dem Schiedsvertrage zu Schiedsrichtern bestellt sind und einer dieser Schiedsrichter stirbt, infolge Ablehnung oder aus einem anderen Grunde wegfällt, die Übernahme des Schiedsrichteramtes verweigert oder von dem mit ihm deshalb geschlossenen Vertrage zurücktritt, oder wenn

2. ein im Schiedsvertrage ernannter oder auf Grund des Schiedsvertrages von einer Partei oder gemäß §. 582 vom Gerichte bestellter Schiedsrichter die Erfüllung seiner durch die Annahme der Bestellung übernommenen Verpflichtung verweigert oder ungebürlich verzögert.

Wenn der Schiedsvertrag in Ansehung aller aus einem bestimmten Rechtsverhältnisse entstehenden Streitigkeiten geschlossen ist, und der Umstand, wegen dessen das Gericht den Schiedsvertrag für unwirksam erklären soll, so beschaffen ist, daß er die schiedsrichterliche Erledigung der sich in Zukunft aus diesem Rechtsverhältnisse etwa noch ergebenden Streitigkeiten nicht ausschließt, so hat das Gericht seinen Anspruch dahin zu beschränken, dass der Schiedsvertrag nur für diesen bestimmten Fall unwirksam ist.

§. 584. Über einen im Sinne des §. 583 gestellten Antrag ist nach vorgängiger mündlicher Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Diese Entscheidung sowie die Entscheidung über einen gemäß §. 582 gestellten Antrag kann bei Gerichtshöfen auch von dem Vorsteher des Gerichtshofes oder von einem seitens des Vorstehers beauftragten Richter gefällt werden.

Ein Schiedsrichter, welcher die durch Annahme der Bestellung übernommene Verpflichtung gar nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt, haftet den Parteien, unbeschadet ihres Rechtes, die Außerkraftsetzung des Schiedsvertrages zu begehren, für allen durch seine schuldbare Weigerung oder Verzögerung verursachten Schaden.

§. 585. Die Bestimmungen der §§. 582 und 583 finden insoweit keine Anwendung, als im Schiedsvertrage oder in einer dem Abschluss des Schiedsvertrages nachgefolgten schriftlichen Vereinbarung von den Parteien für die bezeichneten Fälle etwas anderes festgesetzt ist.

§. 586. Ein Schiedsrichter kann aus denselben Gründen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen (§§. 19 und 20 Jur.- Norm).

Eine Partei, welche einen Schiedsrichter allein oder in Gemeinschaft mit ihrem Gegner bestellt hat, ist zur Ablehnung desselben nur dann berechtigt, wenn der Ablehnungsgrund erst nach der Bestellung entstanden oder der Partei bekannt geworden ist.

Verfahren vor den Schiedsrichtern.

§. 587. Die Schiedsrichter haben vor Erlassung des Schiedsspruches die Parteien zu hören und den dem Streite zugrunde liegenden Sachverhalt zu ermitteln. Das Verfahren wird, sofern durch den Schiedsvertrag oder eine nachträgliche schriftliche Vereinbarung der Parteien nichts anderes festgesetzt ist, von den Schiedsrichtern nach freiem Ermessen bestimmt.

Wenn sich eine Partei in die Verhandlung vor den Schiedsrichtern nicht einlässt, ist mit der anderen Partei allein zu verhandeln.

(455) §. 588. Die Schiedsrichter dürfen die Parteien, sowie die Zeugen und Sachverständigen, welche freiwillig vor ihnen erscheinen, nur unbeeidet vernehmen. Sie dürfen weder gegen Parteien noch gegen andere Personen Zwangsmittel anwenden oder Strafen anhängen.

§. 589. Von den Schiedsrichtern für erforderlich erachtete richterliche Handlungen, zu deren Vornahme dieselben nicht befugt sind, werden auf Ersuchen der Schiedsrichter von dem zuständigen staatlichen Gerichte vorgenommen. Im Zweifel ist das Ersuchen an das Bezirksgericht zu stellen, in dessen Sprengel die Handlung vorgenommen werden soll oder der Beweis aufzunehmen ist.

Das ersuchte Gericht hat dem Ersuchen zu entsprechen, sofern dasselbe nicht gesetzlich unzulässig ist. In Ansehung einer Beweisaufnahme stehen diesem Gerichte insbesondere auch die Entscheidungen zu, welche für den Fall der Beweisaufnahme durch einen ersuchten Richter durch die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes dem erkennenden Gerichte oder dem Processgerichte vorbehalten sind.

§. 590. Wenn mehr als zwei Schiedsrichter zur Entscheidung berufen sind, ist der Schiedsspruch nach der absoluten Mehrheit der Stimmen zu fällen, sofern nicht in dem Schiedsvertrage etwas anderes bestimmt ist.

§. 591. Wenn bei einer Entscheidung die für die Beschlussfassung erforderliche Stimmenmehrheit oder, falls nur zwei Schiedsrichter bestellt sind, Stimmeneinhelligkeit nicht zu erreichen ist, so haben die Schiedsrichter dies den Parteien bekannt zu geben.

Wenn nicht im Schiedsvertrage oder in einer nachträglichen schriftlichen Vereinbarung der Parteien für einen solchen Fall eine andere Vorsorge getroffen ist, kann jede der Parteien bei dem im §. 582 bezeichneten Gerichte den Antrag auf Erlassung eines Ausspruches stellen, dass der Schiedsvertrag außer Kraft trete oder für den einzelnen Fall unwirksam sei (§. 584).

§. 592. Den Parteien sind Ausfertigungen des Schiedsspruches, und zwar, falls sie dieselben nicht vor dem Schiedsgerichte persönlich in Empfang nehmen, durch die Post oder durch einen Notar zuzustellen.

Diese Ausfertigungen, sowie die Urschrift des Schiedsspruches sind mit der Angabe des Tages der Abfassung des Schiedsspruches zu versehen und bei sonstiger Unwirksamkeit des Schiedsspruches von sämmtlichen Schiedsrichtern zu unterschreiben.

§. 593. Die Urschrift des Schiedsspruches ist nebst den Beurkundungen über die an die Parteien erfolgte Zustellung der Ausfertigungen von der im Schiedsvertrage bezeichneten Person zu verwahren. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung oder ist der benannte Verwahrer verstorben, so haben die Schiedsrichter die Art der Verwahrung zu bestimmen. Im Zweifel sind diese Schriftstücke bei einem Notar des Bezirkes zu hinterlegen, in welchem das Schiedsgericht seinen Sitz hatte.

Die Urschrift des Schiedsspruches, sowie die Zustellungsbeurkundungen haben als den Parteien gemeinschaftliche Urkunden zu gelten.

§. 594. Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urtheiles, sofern die Parteien in dem Schiedsvertrage nicht die Zulässigkeit der Anfechtung des Urtheiles vor einer höheren schiedsgerichtlichen Instanz vereinbart haben.

Die Schiedsrichter haben auf Verlangen einer Partei den Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches auf einer Ausfertigung des Schiedsspruches schriftlich zu bestätigen.

Unwirksamkeit des Schiedsspruches.

§. 595. Der Schiedsspruch ist wirkungslos:

1. wenn ein Schiedsvertrag überhaupt nicht vorhanden oder der Schiedsvertrag ungiltig war, vor der Fällung der Schiedsspruches außer Kraft getreten oder für den einzelnen Fall unwirksam geworden ist;

2. wenn der Partei, welche die Unwirksamkeit des Schiedsspruches behauptet, im Verfahren vor den Schiedsrichtern das rechtliche Gehör nicht gewährt wurde, oder wenn dieselbe, falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, in diesem Verfahren nicht durch einen solchen vertreten war, sofern nicht letzterenfalls die Processführung nachträglich ordnungsmäßig genehmigt wurde;

3. wenn hinsichtlich der Besetzung des Schiedsgerichtes oder der Beschlussfassung eine gesetzliche oder vertragsmäßige Bestimmung verletzt, oder wenn die Urschrift und die Ausfertigungen des Schiedsspruches nicht von sämmtlichen Schiedsrichtern unterschrieben wurden;

4. wenn die Ablehnung eines Schiedsrichters vom Schiedsgerichte ungerechtfertigt zurückgewiesen wurde;

5. wenn das Schiedsgericht die Grenzen seiner Aufgabe überschritten hat;

6. wenn der Schiedsspruch gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt;

7. wenn der Schiedsspruch eine Partei zu einer gesetzlich unzulässigen oder unerlaubten Handlung verurtheilt hat;

8. wenn die Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen gemäß §. 530, Z. 1 bis 7, ein gerichtliches Urtheil mittels der Wiederaufnahmsklage angefochten werden kann.

§. 596. Wird auf Aufhebung eines Schiedsspruches geklagt, so ist die Klage bei dem im §. 582 bezeichneten Gerichte anzubringen.

Sie ist, wenn sie auf einen der im §. 595, Z. 1 bis 7 angegeben Gründe gestützt wird, bei sonstigem Ausschlusse binnen der Frist von drei Monaten zu erheben. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem der Partei der Schiedsspruch zugestellt wurde, wenn aber der Anfechtungsgrund erst später bekannt wurde, mit dem Tage, an welchem die Partei vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.

Im Falle des §. 595, Z. 8, ist die Frist für die Klage nach den Bestimmungen über die Wiederaufnahmsklage zu beurtheilen.

§. 597. Über die Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruches ist nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes zu verfahren.

§. 598. Auf die Anwendung der Bestimmungen der §§. 586, 592 und 595 kann von den Parteien weder im Schiedsvertrage, noch im Wege einer anderen Vereinbarung verzichtet werden.

§. 599. Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auf Schiedsgerichte sinngemäße Anwendung, die in gesetzlich zulässiger Weise durch letztwillige oder andere nicht auf Vereinbarung der streitenden Theile beruhende Verfügungen oder durch Statuten angeordnet werden. Die Anwendung der §§. 586, 592 und 595 kann auch nicht durch einseitige Verfügungen oder durch Statutenbestimmungen wirksam ausgeschlossen werden.

Die in Gemäßheit des Gesetzes vom 15. November 1867, R. G. Bl. Nr. 134, zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnisse errichteten Schiedsgerichte sind den Bestimmungen dieses Abschnittes nicht unterworfen.

Fünfter Abschnitt.

Verfahren in Streitigkeiten wegen der von richterlichen Beamten zugefügten Rechtsverletzungen.

§. 600. Für das Verfahren in Streitigkeiten über Klagen, welche auf Grund des Gesetzes vom 12. Juli 1872, R. G. Bl. Nr. 112, wegen Rechtsverletzungen durch richterliche Beamte gegen dieselben oder gegen den Staat erhoben werden, sind die Vorschriften dieser Zivilprocessordnung in der Art maßgebend, daß für das Verfahren vor dem zur Entscheidung über eine solche Klage in erster Instanz zuständigen Oberlandesgerichte die Vorschriften des zweiten Theiles, für das Berufungsverfahren vor dem obersten Gerichtshofe die im ersten Abschnitte des vierten Theiles der Zivilprocessordnung enthaltenen Bestimmungen zu gelten haben.

§. 601. Die nach §. 12 des Gesetzes vom 12. Juli 1872, R. Nr. 112, vorgeschriebene Mittheilung über die Anbringung der Klage ist der zuständigen Disciplinarbehörde durch den Vorsitzenden des Senates, dem die Rechtssache zugewiesen ist, zu machen.

Das Processgericht kann selbst vor der für die mündliche Verhandlung bestimmten Tagsatzung auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass der Rechtsstreit bis zur Beendigung des Disciplinarverfahrens ausgesetzt werde, wenn das endliche Ergebnis des letzteren oder die Benützung der auf dem Disciplinarwege zu pflegenden Erhebungen für die Entscheidung des Processes voraussichtlich von Einfluss ist. Nach Einlangen der Mittheilung über das Ergebnis des beendeten Disciplinarverfahrens hat das Processgericht die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung von amtswegen anzuordnen.

§. 602. In Ansehung der Einbringung des Rückersatzes mittels Zahlungsbefehles (§. 19 des Gesetzes vom 12. Juli 1872, R. G. Bl. Nr. 112) und des der Erlassung des Zahlungsbefehles nachfolgenden Verfahrens sind die Vorschriften über das Mandatsverfahren mit der Abweichung anzuwenden, dass zur Erlassung des Zahlungsauftrages das Processgericht ausschließlich zuständig ist und die Einwendungen gegen den Zahlungsauftrag bei demselben anzubringen sind.

Ischl, den 1. August 1895.

Franz Joseph m. p.

Kielmansegg m. p. Krall m. p.

Inhaltsverzeichnis.

Erster Theil. Seite

Allgemeine Bestimmungen.

Erster Abschnitt. Parteien. §§. 1-73.

Erster Titel. Processfähigkeit. §§. 1-10 365

Zweiter Titel.Streitgenossenschaft und Hauptintervention. §§. 11-16 366

Dritter Titel.Betheiligung Dritter am Rechtsstreite. §§. 17-25 367

Vierter Titel. Bevollmächtigte. §§. 26-39 368

Fünfter Titel.Processkosten. §§. 40-55 370

Sechster Titel. Sicherheitsleistung. §§. 56-62 373

Siebenter Titel.Armenrecht. §§. 63-73 374

Zweiter Abschnitt. Verfahren. §§. 74-170.

Erster Titel. Schriftsätze. §§. 74-86 376

Zweiter Titel. Zustellungen. §§. 87-122 378

Dritter Titel. Fristen und Tagsatzungen. §§. 123 bis 143 383

Vierter Titel.Folgen der Versäumung, Wiedereinsetzung in den vorigen

Stand. §§. 144-154 386

Fünfter Titel. Unterbrechung und Ruhen des Verfahrens. §§. 155-170 388

Dritter Abschnitt. Mündliche Verhandlung. §§. 171-225.

Erster Titel. Öffentlichkeit. §§. 171-175 390

Zweiter Titel. Vorträge der Parteien und Processleitung. §§. 176-196 391

Dritter Titel. Sitzungspolizei. §§. 197-203 394

Vierter Titel. Vergleich. §§. 204-206 395

Fünfter Titel.Protokolle. §§. 207-217 396

Sechster Titel. Acten. §§. 218-219 397

Siebenter Titel.Strafen. §. 220 398

Achter Titel. Sonntagsruhe und Gerichtsferien. §§. 221-225 398

Zweiter Theil.

Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz.

Erster Abschnitt. Verfahren bis zum Urtheile. §§. 226-389.

Erster Titel. Klage, Klagebeantwortung, vorbereitendes Verfahren

Verfahren und Streitverhandlung. §§. 226-265 399

Zweiter Titel. Allgemeine Bestimmungen über den Beweis und die

Beweisaufnahme. §§. 266 bis 291 406

Dritter Titel. Beweis durch Urkunden. §§. 292 bis 319 410

Vierter Titel.Beweis durch Zeugen. §§. 320-350 414

Fünfter Titel. Beweis durch Sachverständige. §§. 351-367 419

Sechster Titel.Beweis durch Augenschein. §§. 368 bis 370 421

Siebenter Titel. Beweis durch Vernehmung der Parteien. §§. 371-383 422

Achter Titel.Sicherung von Beweisen. §§. 384 bis 389 424

Zweiter Abschnitt. Urtheile und Beschlüsse. §§. 390-430

Erster Titel.Urtheile. §§. 390-424 425

Zweiter Titel.Beschlüsse. §§. 425-430 430

Dritter Theil.

Verfahren vor den Bezirksgerichten. §§. 431-460 431

Vierter Theil.

Rechtsmittel.

Erster Abschnitt. Berufung. §§. 461-501 434

Zweiter Abschnitt. Revision. §§. 502-513 441

Dritter Abschnitt. Recurs. §§. 514-528 443

Fünfter Theil.

Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage. §§. 529 bis 547 445

Sechster Theil.

Besondere Arten des Verfahrens.

Erster Abschnitt. Mandatsverfahren. §§. 548-554 449

Zweiter Abschnitt. Verfahren in Wechselstreitigkeiten. §§. 555- 559 450

Dritter Abschnitt. Verfahren bei Streitigkeiten aus dem Bestandvertrage.

§§. 560-576 450

Vierter Abschnitt. Schiedsrichterliches Verfahren. §§. 577-599 453

Fünfter Abschnitt. Verfahren in Streitigkeiten wegen der von richterlichen Beamten zugefügten Rechtsverletzungen. §§. 600-602 456