(258)
Patent vom 13ten Februar 1797. für Westgalizien.
In
der Uiberzeugung, wie erwünscht und beruhigend jedem Bürger es sey, den Umfang
und die Gränzen seiner Rechte und seiner Pflichten gegen
(259)
seine Mitbürger in einem ordentlich zusammengefaßten Gesetzbuche bestimmt zu
haben, und dadurch den Genuß seiner Rechte befestigt, die Erfüllung seiner Pflichten
erleichtert, seine Person und sein Eigenthum gegen ungerechten Anfall geschützt
zu wissen, wird geordnet, die Unterthanen in Westgalizien dieser Wohltat so
geschwind als möglich theilhaft zu machen.
Es
wird demnach das bürgerliche Gesetzbuch für Westgalizien hiermit zu dem Ende
kundgemacht, damit vom 1. Januar 1798., als von welchem Tage dasselbe seine
Kraft und Wirksamkeit erhält, jedermann sich nach demselben zu achten, nach
demselben in allen Verhältnissen des bürgerlichen Lebens seine Handlungen
einzurichten, seine Kontrakte abzuschliessen, seine lebzeitigen oder
letztwilligen Anordnungen zu errichten, seine Rechte zu geniessen, seine
Pflichten zu erfüllen, und allen seinen Geschäften die zweckmäßige Richtung zu
geben, nach selben Recht zu suchen und zu nehmen, die Gerichtshöfe aber
hiernach bei vorfallenden Zwistigkeiten Recht zu sprechen und Hilfe zu
ertheilen wissen, ohne von besagtem Tage an auf die bisher in Westgalizien
bestandenen Gesetze, oder gesetzlichen Gewohnheiten, so viel es die Gegenstände
des bürgerlichen Rechts betrifft, Rücksicht zu nehmen, als welche andurch mit
Ende Dezember des Jahres 1797. als aufgehoben und unwirksam erkläret werden.
Und
da dieses Gesetzbuch in pohlnische und lateinische Sprache übersetzt worden, so
wird zugleich erkläret, daß , wenn wider Vermuthen sich diesfalls eine
Zweifelhaftigkeit gegen den deutschen Text irgendwo eingeschlichen haben
sollte, sich an den deutschen als den Urtext zu halten sey.
Erstes
Hauptstück.
Von
Rechten und Gesetzen überhaupt.
§.
1. Recht ist alles, was an sich selbst gut ist, was nach seinen Verhältnissen
und Folgen etwas Gutes enthält, oder hervorbringt, und zur allgemeinen
Wohlfahrt beiträgt.
§.
2. Aus dem, was Recht ist, werden die Regeln ausgehoben, welche dem Menschen in
seinem Thun und Lassen zur Richtschnur dienen sollen, und ihm seine Pflichten
vorschreiben.
§.
3. Das Wort Recht wird außer dem noch in einem zweifachen Sinne genommen; man
verstehet darunter sowohl die Regel selbst, welche, was Rechtens ist,
vorschreibt, als auch die natürliche Freiheit, oder das Befugniß zu handeln,
welche jeder Mensch hat, wenn er seine Handlungen nach diesen Regeln
einrichtet.
§.
4. Rechte und Pflichten gründen sich entweder in der Natur des Menschen allein,
und dann heissen sie natürliche und angeborne Rechte und Pflichten, oder sie
gründen sich auf eine bestimmte Gesellschaft, und dann werden sie positive, das
ist vermög des gesellschaftlichen Lebens entstandene Rechte und Pflichten
genannt.
§.
5. Menschen, die sich mit einander vereinigen, um nach gewissen Vorschriften
einen gemeinschaftlichen Zweck zu erreichen, heissen eine Gesellschaft.
§.
6. Der Staat ist eine Gesellschaft, die zur Erreichung eines bestimmten der
Natur des Menschen angemessenen und unveränderlichen Endzweckes unter einem
gemeinschaftlichen Oberhaupte vereinigt und verbunden ist.
§.
7. Dieser Endzweck ist überhaupt die allgemeine Wohlfahrt des Staates, das ist
die Sicherheit der Personen, des Eigenthums und aller übrigen Rechte seiner
Mitglieder.
§.
8. Die zur Erreichung dieses Endzwecks nothwendigen Vorschriften oder Regeln
giebt das Oberhaupt des Staates, und sie heissen Gesetze.
§.
9. Der Inbegriff aller Gesetze, wodurch die wechselseitigen Rechte und
Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das
bürgerliche Privatrecht desselben aus. Dieses Privatrecht ist für Westgalizien
im gegenwärtigen Gesetzbuche enthalten.
§.
10. Ein Gesetz erhält durch die gehörige Kundmachung seine Kraft und
Wirksamkeit. Diese Kundmachung veranstaltet der Gesetzgeber.
§.
11. Jedes Mitglied des Staates ist verbunden sich die Gesetze bekannt zu
machen, denn sobald ein Gesetz auf die gehörige Art, das ist nach dem in einem
jeden Lande eingeführten Gebrauche kundgemacht worden ist, kann sich Niemand
entschuldigen, daß es ihm nicht bekannt geworden sey.
§.
12. Der Gesetzgeber bestimmt den Zeitpunkt, an welchem ein Gesetz zu
verpflichten anfangen soll; wenn er keinen bestimmt, so verpflichtet es von
seiner Kundmachung an; von jener oder von dieser Zeit an erhalten die Handlungen
der Staatsbürger ihre rechtliche Giltigkeit oder Ungiltigkeit, ihre
vortheilhaften oder nachtheilhaften Folgen nach dem Maaßstabe des Gesetzes.
§.
13. Jeder Staatsbürger ohne Unterschied des Ranges, des Standes, oder
Geschlechtes ist verpflichtet die allgemeine Wohlfahrt des Staates durch genaue
Befolgung der Gesetze möglichst befördern zu helfen.
(261)
§. 14. Auch jeder Fremde, der sich in Westgalizien aufhält, ist denselben
unterworfen, wenn ihn nicht eine förmliche Ausnahme davon freispricht.
§. 15.
Einwohner dieses Landes bleiben auch in Handlungen und Geschäften, die sie
außer demselben verrichten, an diese Gesetze gebunden, insoweit als ihre
persönliche Fähigkeit dadurch eingeschränkt wird, und als diese Handlungen und
Geschäfte auch in diesem Lande rechtliche Folgen hervorbringen können, und
sollen.
§.
16. Geschäfte, welche Ausländer in diesem oder auch in fremden Landen
verrichten, müssen nach diesen Gesetzen beurtheilet werden, wenn in diesem
Lande ein Rechtsstreit darüber entsteht; es wäre denn, daß in Beziehung auf
Zeit und Ort der Handlung ein anderes Recht bewiesen würde.
§.
17. Gesetze wirken nicht zurück: sie verbinden nur in Ansehung derjenigen
Handlungen und Begebenheiten, welche nach ihrer Kundmachung vorgefallen sind;
auf vorher geschehene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte haben sie
keinen Einfluß, außer im Falle, daß ein vorher Jemanden von dem Gesetze
zugedachtes, aber noch nicht erworbenes Recht durch ein Gesetz als erloschen
erklärt würde; denn in diesem Falle hört die Fähigkeit zu einem solchen Rechte
sogleich auf.
§.
18. Einem Gesetze darf in der Auslegung und Anwendung kein anderer Sinn
beigelegt werden, als der, welcher nach den Regeln der Sprache aus der
eigenthümlichen Bedeutung der Worte, und ihres Zusammenhanges, oder auch aus
der klaren Absicht des Gesetzgebers deutlich hervorleuchtet.
§.
19. Findet aber der Richter einen Rechtsfall durch die Worte des Gesetzes nicht
geradezu entschieden, so muß er in seinem Urtheile auf den natürlichen Sinn des
Gesetzes, er muß ferner auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze, und
auf ähnliche im Gesetze bestimmt entschiedene Fälle Rücksicht nehmen: bleibt
ihm der Rechtsfall nach allem diesem noch zweifelhaft, so muß er ihn mit
Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten, und reiflich erwogenen Sachumstände
nach den allgemeinen und natürlichen Rechtsgrundsätzen entscheiden.
§.
20. Gesetze behalten solang ihre Kraft und Wirksamkeit, bis sie ausdrücklich
wieder aufgehoben werden.
§.
21. Nur der Gesetzgeber kann ein Gesetz autentisch, und für das Allgemeine
erklären, einschränken, verändern oder gänzlich aufheben.
§.
22. Auf Landesgebräuche und Gewohnheiten kann zwar in Fällen, welche auf die
Auslegung eines Gesetzes Bezug haben, Rücksicht genommen werden; allein sie
sind nicht hinreichend ein schon vorhandenes Gesetz aufzuheben oder ein neues
zu begründen.
(262)
§. 23. Auch Statuten, oder solche Verordnungen, welche einzelnen Provinzen,
Landesbezirken, und Gemeinden gegeben worden sind, haben in Rücksicht auf
Privatrechte keine gesetzliche Kraft: wenn nicht die Abweichung von dem
allgemeinen Gesetze ausdrücklich zugestanden worden ist.
§.
24. Die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen, und die von Richterstühlen
in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten Urtheile haben niemal die Kraft
eines Gesetzes, und es kann sich ein Dritter nicht darauf berufen.
§.
25. Satzungen und Vorschriften, welche kleinere Gesellschaften für sich
entworfen haben, mögen gleich anderen Verträgen bestehen, wenn sie den
allgemeinen bürgerlichen Gesetzen nicht zuwider laufen.
§.
26. Die Menschen werden in Rücksicht auf ihre Rechte Personen genannt: Rechte
gebühren auch eigentlich nur den Personen, und nicht den Sachen.
§.
27.Weil aber die Ausübung der Rechte bald auf Personen ohne Rücksicht auf
Sachen, bald auf Sachen ohne Rücksicht auf Personen, bald endlich auf gewisse
Personen, und gewisse Sachen zugleich einen Bezug hat; so werden sowohl
Personenrechte als Sachenrechte angenommen, die Sachenrechte aber in Rechte auf
die Sache, und in Rechte zu Sache getheilt. Nach diesen Verhältnissen zerfällt
das bürgerliche Privatrecht in drey Bücher.
Zweites
Hauptstück.
Von
den Rechten der Personen.
§.
28. Menschen, die sich in eine bürgerliche Gesellschaft vereinigen, legen
deswegen weder ihre natürlichen Pflichten, noch die ihnen angebohrnen Rechte
ab. Nur eine gewisse Richtung und Beschränkung dieser Rechte findet in sofern
statt, als sie zur Erreichung der allgemeinen Wohlfahrt nothwendig ist.
§.
29. Zu den angebohrnen Rechten der Menschen gehören vorzüglich das Recht sein
Leben zu erhalten, das Recht die dazu nöthigen Dinge sich zu verschaffen, das
Recht seine Leibes- und Geisteskräfte zu veredeln, das Recht sich und das
Seinige zu vertheidigen, das Recht seinen guten Leumund zu behaupten, endlich
das Recht mit dem, was ihm ganz eigen ist, frey zu schalten und zu walten.
§.
30. Die Freyheit mit seinem Eingenthume willkürlich zu schalten, begreift das
Recht in sich, dasselbe an einen andern wirklich zu übertragen, und seinen
Willen darüber zu erklären; das heißt etwas ordentlich zu versprechen; so wie
das Versprechen oder das Eigenthum eines andern zu übernehmen, das heißt mit
wechselseitiger Einwilligung Verträge zu schliessen.
(263)
§. 31. Diese Naturrechte bleiben unverändert auch im Kreise der bürgerlichen
Gesellschaft, denn was nach diesen Rechten einem Menschen erlaubt ist, dieses
kann andern nicht verboten, und was einem Menschen verboten ist, kann andern
nicht erlaubt seyn.
§.
32. Anders verhält es sich in Ansehung der erworbenen Rechte: diese sind nach
Verschiedenheit der Erwerbung verschieden. Aus diesem Grunde ist in Rücksicht
auf Glücksgüter, und andere zufällige Vorrechte ein gewisser Abstand unter den
Menschen unvermeidlich, ja sogar nothwendig.
§.
33. Aber aus eben dieser Verschiedenheit leuchtet das Vorzügliche einer
bürgerlichen Gesellschaft hervor: durch ihren gemeinschaftlichen Willen, und
durch ihre vereinigten Kräfte wird der Schwache gegen den Stärkern geschützt,
und der Ohnmächtige gegen den Mächtigen vertheidiget, auch werden dadurch alle
übrigen sowohl angebohrnen, als erworbenen Rechte sichergestellt.
§.
34. Wem die Natur oder das Gesetz was immer für ein Recht geben, dem bewilligen
sie auch die Mittel, ohne welche dieses Recht nicht ausgeübt werden kann. Einem
jeden Mitgliede der Gesellschaft steht also der Gebrauch und die Ausübung aller
seiner durch das Gesetz nicht beschränkten Rechte vollkommen frei. Darin
besteht also das bürgerliche Verhältniß, daß kein Bürger den andern in Ausübung
seiner Rechte stören, verkürzen, oder beeinträchtigen darf.
§.
35. Derjenige, welchem ein Schaden, das ist ein Verlust des Seinigen verursacht
worden ist, der ist auch berechtiget den Ersatz dieses Schadens von dem Urheber
zu fordern. Ob der Schade mit List und Vorsatz, mit Wissen und Willen, oder nur
aus Nachläßigkeit, aus Versehen, zugefügt worden sey, dieses macht in Rücksicht
auf den Ersatz keinen Unterschied.
§.
36. Findet nun, oder hält sich ein Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft von
einem anderen in seinen Rechten verletzet, so ist es ihm keineswegs erlaubt,
sich selbst Recht und Genugthuung zu verschaffen. Eigenmächtige Gewalt verträgt
sich nicht mit der öffentlichen Sicherheit. Wer sich also in seinen
Gerechtsamen gedrückt zu seyn glaubet, und Genugthuung verlanget, der ist
verbunden, sie im Wege Rechtens zu suchen, das heißt, er muß sein Recht bei der
durch die Gesetze bestimmten Gerichtsstelle fordern.
§.
37. Selbst solche Rechtsstreitigkeiten, welche sich zwischen dem Oberhaupte des
Staates als Privateigenthümer, und andern Landeseinwohnern ereignen, müssen von
den dazu bestimmten ordentlichen Richtern erörtert und entschieden werden.
(264)
§. 38. Jeder Bürger des Staates steht unter dem Schutze der Gesetze, es muß ihm
also der Weg Rechtens offen stehen, so oft er sich durch was immer für
gesetzwidrige Verfügungen in seinen Privatrechten gekränkt zu seyn glaubt.
§.
39. Entscheidungen, welche ohne das vorgeschriebene richterliche Verfahren
ergehen, oder sogenannte Machtsprüche sollen weder Kraft noch Wirkung haben.
§.
40. In jenen seltnen Fälle, in welchen die richterliche Hilfe anzusuchen
unmöglich wird, und in welchen die Rechtsverletzung auf keine Art vergütet
werden könnte, ist die Selbsthilfe, das ist die im Naturrechte gegründete
Nothwehre erlaubt.
§.
41. Was den natürlichen angebohrnen Rechten angemessen ist, dieses wird so
lange als bestehend, und rechtskräftig angenommen, als die gesetzmäßige
Beschränkung dieser Rechte nicht bewiesen wird: wer also Rechte behauptet,
wodurch die Rechte seiner Mitbürger eingeschränkt werden, oder wer
Rechtsforderungen macht, die sich auf Handlungen, Thatsachen, und Begebenheiten
gründen, dem liegt es ob, vor allen die Richtigkeit seiner Angaben und die
Gründe seiner Forderungen darzuthun.
§. 42.
Alle diejenigen, welche wegen Mangel an Jahren, und wegen Gebrechen des Geistes
oder des Körpers unfähig sind ihre eigenen Angelegenheiten gehörig zu besorgen,
stehen unter dem besondern Schutze der Gesetze, dahin gehören Kinder, die das
siebente, Unmündige, die das vierzehnte, Minderjährige, die das vier und
zwanzigste Jahr ihres Lebens noch nicht zurückgelegt haben, ferner Rasende,
Wahnsinnige, und Blödsinnige, welche des Gebrauches ihrer Vernunft entweder
gänzlich beraubt, oder wenigstens unvermögend sind die Folgen ihrer Handlungen
einzusehen; dahin gehören endlich auch diejenigen, welche der Richter als
Verschwender erklärt, und ihnen die fernere Verwaltung ihres Vermögens
untersaget hat.
§.
43. Selbst ungebohrne Kinder haben von dem Zeitpunkt ihrer Empfängniß an einen
Anspruch auf den Schutz der Gesetze: in soweit es um ihre Rechte, und nicht um
die Rechte eines Dritten zu thun ist, werden sie als gebohren angesehen.
§.
44. Im zweifelhaften Falle, ob ein Kind lebendig oder todt geboren worden sey,
wird nach den Rechten das erstere vermuthet. Wer das Gegentheil behauptet, muß
es beweisen.
§.
45. Wenn ein Zweifel entsteht, ob ein abwesendes Glied dieser Staaten noch am
Leben sey, (265) oder nicht, so wird sein Tod erst dann vermuthet, wenn er ein
Alter von achtzig Jahren erreicht hat, und der Ort seines Aufenthaltes seit
zehn Jahren unbekannt geblieben ist.
§.
46. Ist aber der Aufenthaltsort eines Abwesenden durch dreyßig volle Jahre
unbekannt geblieben, so können diejenigen, denen daran gelegen ist, ohne
Rücksicht auf dessen Alter um seine Todeserklärung ansuchen.
§.
47. Ist es erwiesen, daß ein Abwesender oder Vermisster auf einem Schiffe
gewesen sey, da es scheiterte, oder daß er im Kriege schwer verwundet worden
sey, oder daß er sich in einer andern nahen Todesgefahr befunden habe, und kann
derselbe nach allen angestellten Nachforschungen nicht ausfindig gemacht
werden, so mag dessen gerichtliche Todeserklärung nach zwei oder höchstens drey
Jahren vor sich gehen.
§.
48. Im Zweifel, welche von zwei oder mehreren verstorbenen Personen zuerst mit
Tode abgegangen sey, muß derjenige, welcher den frühern Todesfall des Einen
oder des Andern behauptet, seine Behauptung beweisen; kann er dieses nicht, so
werden nach rechtlichen Grundsätzen alle als zu gleicher Zeit verstorben
vermuthet, und es kann von Uibertragung der Rechte des einen auf den andern
keine Frage entstehen.
§.
49. Besondere Rechte, welche einer ganzen Gattung von Bürgern, als den
Minderjährigen durch das Gesetz zugestanden werden, heissen Rechtswohlthaten:
Andere Begünstigungen und Freiheiten aber, welche der Gesetzgeber einzelnen
Personen, oder auch ganzen Körpern verleiht, werden Privilegien genannt.
§.
50. Rechtswohlthaten streiten auf keine Weise mit den in der bürgerlichen
Gesellschaft beibehaltenen Rechten; Privilegien sind aber immer eine Ausnahme
vom Gesetze, oder eine Beschränkung der Rechte der übrigen Bürger: der Grund
ihrer Rechtfertigung liegt darin, daß sie nur aus erheblichen Ursachen, und zur
Erreichung des allgemeinen Endzwecks verliehen werden.
§.
51. Privilegien, welche durch ein falsches Vorgeben, durch Verhehlung und
Verdrehung der Wahrheit erschlichen worden sind, oder solche, die zum
Nachtheile eines Dritten gereichen, sind von keiner rechtlichen Kraft.
§.
52. Privilegien, welche einer bestimmten Person, oder einer bestimmten Sache,
einem bestimmten Amte, oder einer bestimmten Eigenschaft ankleben, ferner
solche, welche auf eine bestimmte Zeit, oder zu einem bestimmten Endzwecke,
oder endlich auch unter einer bestimmten Bedingung verliehen worden sind, alle
diese Privilegien erlöschen mit der Person, mit der Sache, mit dem Amte, mit
der Eigenschaft, mit der Zeit: auch erlöschen sie, wenn der abgesehene Endzweck
wegfällt, oder wenn die vorausgesetzte Bedingung nicht erfüllt wird.
(266)
§. 53. Eben so erlischt auch ein Privilegium, wenn derjenige, dem es verliehen
worden ist, ausdrücklich darauf Verzicht thut; ein solches Verzichtthun kann
aber aus dem blossen Nichtgebrauche keineswegs gefolgert werden.
§.
54. Wer gerichtlich überwiesen wird, daß er ein ihm verliehenes Privilegium auf
eine listige Art gemißbraucht hat, der verwirft es.
§.
55. Was in Ansehung der Landeseinwohner Rechtens ist, das ist auch Rechtens in
Ansehung der Fremden: es werden ihnen, so lang sie sich sonst des Schutzes der
Gesetze nicht unwürdig machen, gleiche Rechte mit den Eingebornen zugestanden.
Nur müssen diese Fremden beweisen, daß der Staat, dem sie angehören, die
hiesigen Staatsbürger auch wie seine eigenen Unterthanen behandle; im widrigen Falle
wird das Vergeltungsrecht ausgeübt, und die Gerichtsstelle, bei welcher
dergleichen Fälle vorkommen, hat sie zu diesem Ende der obersten Justizstelle
anzuzeigen.
§.
56. Wenn ein Ausländer durch Uibernehmung eines Amtes, durch Antretung eines
Gewerbes, durch gesetzmäßige Besitznehmung eines unbeweglichen Gutes; durch
zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt, durch den Eintritt in eine Zunft oder
Innung, durch Errichtung einer inländischen Fabrik oder Manufaktur, oder auf
was immer für eine andere Art den unverkennbaren Willen in diesem Lande zu
verbleiben, erklärt hat; so muß er ohne Ausnahme, wie ein Eingeborner des
Landes, behandelt werden.
§.
57. In wiefern diese Bestimmung auf die Judenschaft oder auch auf andere
Personen, welche der christlichen Religion nicht zugethan sind, angewendet
werden könne, und müsse, dieses entscheiden eigene politische Verordnungen.
Drittes
Hauptstück.
Von
den Rechten der Eheleute.
§.
58. Der Staat erhält seine Fortdauer durch die eheliche Gesellschaft: Diese
Gesellschaft wird errichtet, wenn eine Manns- und eine Weibsperson einen
giltigen Ehevertrag schliessen, das heißt: wenn sie gesetzmäßig ihren Willen
erklären lebenslang vereinigt zu bleiben, miteinander Kinder zu erzeugen, und
zu erziehen, auch einander wechselseitigen Beistand zu leisten.
§.
59. Das Eheverlobniß, oder das vorläufige Versprechen sich zu ehelichen, unter
was für Umständen oder Bedingungen es gegeben, oder erhalten worden, zieht
keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich weder zur Schliessung der Ehe selbst,
noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktritts bedungen worden.
(267)
§. 60. Nur bleibt dem Theile, der von seiner Seite keine gegründete Ursache zu
dem Rücktritte gegeben hat, der Anspruch auf den Eratz des Schadens
vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann.
§.
61. Die Rechte und Verbindlichkeiten der Eheleute werden durch den Endzweck
ihrer Vereinigung, durch die positiven Gesetze, und durch die geschlossenen
Verabredungen bestimmt, vor allen sind beide Eheleute gleich verbunden, sich
eheliche Pflicht und Treue zu leisten.
§.
62. Der Mann ist das Haupt der ehelichen Gesellschaft: Aus diesem Grunde steht
es ihm besonders zu, die häuslichen Geschäfte zu leiten und zu besorgen. Es ist
aber auch seine Pflicht dem Weibe nach seinem Vermögen standesmäßigen Unterhalt
zu verschaffen, und dasselbe in allen vorkommenden Fällen zu vertreten.
§.
63. Das Weib nimmt den Namen des Mannes an, und genießt die Rechte seines
Standes:
es
muß aber dem Manne in seinen Wohnsitz folgen, muß ihm in seinem Gewerbe und
seinen Nahrungsgeschäften nach Kräften beistehen, und so weit es die häusliche
Ordnung erfordert, die von ihm getroffenen Maaßregeln willig befördern, auch
wohl selbst befolgen.
§.
64. Von Personen, welche des Gebrauches der Vernunft beraubt, so wie von
solchen, welche einer reifen Uiberlegung unfähig sind, kann man keine
zuverläßige Erklärung ihres Willens erwarten. In dieser Rücksicht allein schon
sind Rasende, Wahnsinnige, Blödsinnige, Kinder und Unmündige ausser Stande einen
giltigen Ehevertrag zu schliessen.
§.
65. Die Einwilligung zur Ehe ist auch dann ohne Rechtskraft, wenn sie durch
Gewalt und erregte Furcht absichtlich erzwungen, oder wenn sie durch einen
wesentlichen Irrthum in der Person des künftigen Ehegatten listigerweise
erschlichen, oder von einer entführten, und noch nicht in ihre vorige Freiheit
gesetzten Person gegeben worden ist.
§.
66. Wenn ein Ehemann sein Weib nach geschehenen Ehevertrag als schon vorhin von
einem Anderen geschwängert befunden hat, so kann dieser fordern, daß seine Ehe
als ungültig erklärt werde. Wohnt er aber dieser bewußten Schwangerschaft
ungeachtet seinem Weibe bei, so begiebt er sich dadurch des Rechtes gegen die
Giltigkeit seiner Ehe Klage zu führen. Diese Klage findet auch nicht statt,
wenn ein Mann eine nachher als schwanger befundene Wittwe vor Verlauf des
zehnten Monats ihres Wittwenstandes geheurathet hat.
§.
67. Alle übrigen wahren oder scheinbaren Irrthümer der Eheleute können die
Giltigkeit des Ehevertrages nicht aufheben; Ehewerber müssen mit Vorsicht und
Klugheit zu Werke gehen, und allenfalls die Erfüllung der vorausgesetzten oder
auch verabredeten Bedingungen abwarten.
§.
68. Auch das Unvermögen die eheliche Pflicht zu leisten gehöret unter die
natürlichen Ehehindernisse: doch muß in diesem Falle dieses körperliche
Gebrechen schon zur Zeit des geschlossenen Ehevertrages vorhanden gewesen seyn;
ein bloß zeitliches oder während der Ehe zugestossenes selbst unheilbares
Unvermögen kann das Band einer sonst giltigen Ehe nicht auflösen.
§.
69. Ein Mann darf nur mit einem Weibe, und ein Weib darf nur mit einem Manne zu
gleicher Zeit vermählt seyn; wer schon einmal verheurathet war, und zur zweiten
Ehe schreiten will, muß die erfolgte gänzliche Trennung des Ehebandes
rechtmäßig beweisen.
§.
70. Zwischen Blutsverwandten in auf- und absteigender Linie wie auch zwischen
voll- und halbbürtigen Geschwistern kann in keinem Falle ein Ehevertrag
bestehen: dieses Ehehinderniß der Blutsverwandtschaft erstreckt sich auch auf
die Geschwisterkinder, und um so viel mehr auf die Verwandte in nähern Graden
der Seitenlinie, sie mögen aus ehelicher
oder
unehelicher Geburt abstammen.
§.
71. Mann und Weib werden in Rücksicht auf die eheliche Gesellschaft, als eine
und die nämliche Person betrachtet: aus diesem Grunde kann auch dann, wann die
Gesellschaft aufgelöset wird, weder der Mann eine Verwandte seines Weibes, noch
das Weib einen Verwandten ihres Mannes in den angeführten verbotenen Graden
heurathen: allein zwischen Verwandten des einen und zwischen Verwandten des
andern Ehegatten, giebt es keine Schwägerschaft, und folglich auch kein daraus
fliessendes Ehehinderniß.
§.
72. Eheverträge zwischen christlichen Einwohnern dieses Landes mit Personen,
welche sich nicht zur christlichen Religion bekennen, sind an und für sich
ungültig.
§.
73. Geistliche, welche schon höhere Weihen empfangen, wie auch Ordenspersonen
von beiden Geschlechtern, welche feierliche Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt
haben, können keine giltige Eheverträge schlüssen.
§.
74. Eine Ehe zwischen zwei Personen, die unter sich einen Ehebruch begangen
haben, wird voraus als ungiltig erklärt. Nur muß in diesem Falle das Verbrechen
entweder durch richterliches Urtheil, oder durch gesetzmäßig erhobene Anzeigen
noch vor der geschlossenen Vermählung erwiesen worden seyn.
§.
75. Wenn zwei Personen auch ohne vorhergegangenen Ehebruch sich einander die
Ehe versprochen haben, und wenn, um diese Absicht zu
(269)
erreichen, auch nur eine von ihnen dem Gatten, der ihrer Ehe im Wege stand,
nach dem Leben gestellet hat, so kann unter diesen zwei Personen auch dann,
wenn der Mord nicht wirklich vollbracht ist, niemals eine rechtskräftige Ehe zu
Stande kommen.
§.
76. Minderjährige, oder auch Volljährige, welche, aus was immer für Gründen,
für sich allein keinen giltigen Vertrag eingehen können, diese können ohne
Einwilligung ihres Vaters, und wenn dieser nicht mehr am Leben ist, ihres
väterlichen Großvaters, und wenn diese beide mit Tode abgegangen wären, ohne
Einwilligung des ordentlichen Vertretters, und der Gerichtsstelle sich auch
nicht giltig vermählen.
§.
77. Wird die Einwilligung versagt, und halten sich die Ehewerber dadurch
beschwert: so haben sie das Recht, die Hilfe des ordentlichen Richters
anzusuchen.
§.
78. Mangel an nöthigen Einkommen, erwiesene oder gemein bekannte schlechte
Sitten, oder ansteckende Krankheiten desjenigen, mit dem die Ehe eingegangen
werden will, sind rechtmäßige Gründe, um Minderjährigen die Einwilligung zum
Heurathen zu versagen.
§.
79. Militarpersonen können ohne schriftliche Erlaubniß von ihren Regimentern,
Korps, oder überhaupt von ihren Vorgesetzten keinen giltigen Ehevertrag
eingehen.
§.
80. Jedermann, dem keines der angeführten Hindernisse im Weg steht, ist befugt,
in den Ehestand zu tretten: da aber manches Hinderniß öfters unbekannt, der
Ehevertrag aber für den Staat höchst wichtig ist, so sind zur Giltigkeit
desselben noch das Aufgebot, und die feierliche Trauung erforderlich.
§.
81. Das Aufgebot besteht in der Verkündigung der bevorstehenden Ehe mit
Anführung des Tauf- oder Vornamens, Familiennamens, Standes und Wohnortes
beider Verlobten: es muß diese Verkündigung an drei Sonn- oder Festtagen an die
gewöhnliche Kirchenversammlung geschehen. Wird die Trauung binnen sechs Monaten
nach dem letzten Aufgebote nicht vollzogen, so sollen solche um so mehr
wiederholet werden, als in der Zwischenzeit neue Hindernisse leicht haben
entstehen können.
§.
82. Wenn die Verlobten, oder eines von ihnen, in dem Pfarrbezirk, in welchem
die Trauung vor sich gehen soll, sich noch nicht drei Monate aufgehalten haben,
so muß das Aufgebot an ihrem vorigen Aufenthaltsorte, wo sie länger, als die
eben bestimmte Zeit, gewohnt haben, veranstaltet werden.
(270)
§. 83. Die Trauung muß von dem ordentlichen Seelsorger, er möge Pfarrer,
Pastor, Poppe, oder wie sonst immer heissen, oder von dessen Stellvertretter in
Gegenwart noch zweier Zeugen vollzogen werden.
§.
84. In Fällen, wo eine katholische und eine nicht katholische Person getrauet
werden sollen, hat der katholische Pfarrer die Trauung zu verrichten: doch kann
auf Verlangen der andern Theils auch der nicht katholische Seelsorger bei
dieser feierlichen Handlung erscheinen.
§.
85. Wenn Verlobte das schriftliche Zeugniß von der vollzogenen ordentlichen
Verkündigung, oder wenn Militarpersonen und Minderjährige die erforderliche
schriftliche Erlaubniß zu ihrer Verehelichung nicht vorweisen können; wenn
ferners ein anderes Ehehinderniß rege gemacht wird, so ist es dem Seelsorger
bei schwerer Verantwortung verboten, die Trauung vorzunehmen, bis die Verlobten
die nothwendigen Zeugnisse eingebracht und die Anstände gehoben haben.
§.
86. Damit für alle künftigen Fälle ein Denkmal, und ein kräftiger Beweis des
geschlossenen Ehevertrages vorhanden sey, sind die Pfarrvorsteher verbunden,
denselben in das besonders dazu bestimmte Trauungsbuch einzutragen: es muß der
Namen und Zunamen, so wie der Stand der Eheleute und der Zeugen, dann der Tag,
an welchem die Trauung vor sich gegangen ist, und endlich auch der Name der
Seelsorgers, der sie verrichtet hat, deutlich angeführet werden.
§.
87. Aus wichtigen Gründen kann die Aufhebung einiger Ehehindernisse Statt
finden: doch ist die Lossprechung von dem Gesetze oder die sogenannte
Dispensazion einzig und allein der gesetzgebenden Gewalt vorbehalten.
§.
88. Nur in dem Falle, daß sich nach schon geschlossener Ehe ein vorher
unbekanntes unauflösliches Hinderniß äußern sollte, dürfen sich die Partheien
entweder unmittelbar, oder durch ihren Seelsorger, auch mit Verschweigung ihres
Namens, an die politische Landesstelle um die Dispensazion wenden, welche ihnen
auch von dieser Stelle ohne weiters zu ertheilen ist.
§.
89. In Rücksicht auf das Aufgebot wird in der Hauptstadt der politischen
Landesstelle, und auf dem Lande den Kreisämtern die Macht ertheilet, aus
wichtigen Ursachen von der zweiten und dritten Verkündigung zu dispensiren,
wenn die Verlobten eidlich betheuern, daß ihnen von einem vorwaltenden
Hinderniß gar nichts bewußt sey.
§.
90. Unter dringenden Umständen kann gegen diesen Eid auch das erste Aufgebot
von der Landesstelle und dem Kreisamte nachgesehen, und in einem Falle, wo eine
bestättigte nahe Todesgefahr keinen Verzug gestattet, nach abgelegtem Eide die
Trauung mit Genehmhaltung des alleinigen Ortsgerichts vollzogen werden.
(271)
§. 91. Die Nachsicht von allen drei Verkündigungen ist auch dann zu ertheilen,
wenn zwei Personen getrauet werden wollten, von denen schon vorhin allgemein
vermuthet ward, daß sie mit einander verehligt seyen; in diesem Falle kann
sogar bei der Landesstelle diese Nachsicht von dem Pfarrer mit Verschweigung
ihrer Namen angesucht werden.
§.92.
Trennungen der Ehen sind für den Staat überhaupt, und für die in den Ehen
erzeugten Kinder insbesondere keine gleichgültige Sache: Eheleute sind also
keines Weges befugt, wenn sie auch unter sich darüber einig geworden wären,
sich eigenmächtig zu trennen, sie mögen die Ungiltigkeit des Ehevertrages
behaupten, oder die giltige Verbindung gänzlich aufheben, oder nur eine
Absonderung von Tisch und Bette vornehmen wollen.
§.
93. Die Ungiltigkeit des Ehevertrages kann nur wegen eines zur Zeit der Trauung
schon bestandenen Ehehindernisses Statt finden. Wenn eine solche Ungiltigkeit
behauptet wird, so soll die Sache bei den Landrechten der Bezirkes, in welchem
die Ehegatten ihren ordentlichen Wohnsitz haben, angebracht, und ohne
Einleitung zu einem förmlichen Prozeß von Amtswegen untersucht und entschieden
werden.
§.
94. Die Vermuthung ist immer für die Giltigkeit der Ehe: das angeführte
Ehehinderniß muß also vollständig bewiesen werden, und, weder das übereinstimmende
Geständniß beider Eheleute hat hier die Kraft eines Beweises; noch kann darüber
ihr Anerbieten zum Eide angenommen werden.
§.
95. Wenn also dergleichen Fälle vorkommen, so ist es die Pflicht der
Landrechte, einen sachverständigen, rechtschaffenen und unpartheischen Mann zu
genauer Erforschung der Umstände, und zu Vertheidigung der Ehe zu ernennen,
oder auch diese Vertheidigung dem Fiskalamte aufzutragen.
§.
96. Wer den unterlaufenen wesentlichen Irrthum in der Person gewußt, so wie
jener Theil, der den andern in Furcht gesetzt, wer ferner die Minderjährigkeit
oder den Militarstand verschwiegen hat, alle diese dürfen die Scheidungsklage
auf ihre eigenen widerrechtlichen Handlungen nicht gründen.
§.
97. Nur der schuldlose Theil hat in solchen Fällen das Recht, die Scheidung zu
verlangen; aber er verliert dieses Recht, wenn er nach entdecktem Irrthum, nach
erreichter Volljährigkeit des andern Ehegatten, oder nach dessen Austritt aus
dem Militarstande die Ehe wissentlich fortgesetzt hat.
§.
98. Ist das Ehehinderniß von der Art, daß es durch Dispensazion gehoben werden
kann, so ist das Nöthige zur Auswirkung derselben
(272)
ohne Zeitverlust vorzukehren: sind aber die Eheleute nicht mehr zur Fortsetzung
des Ehestandes zu bewegen, oder waltet ein nicht zu hebendes Hinderniß vor, so
muß der gerichtliche Spruch darüber erfolgen.
§.
99. Soll ein Urtheil über das vorhergegangene und anhaltende Unvermögen, die
eheliche Pflicht zu leisten, gefällt werden, so muß der Beweis durch
Kunstverständige, nämlich durch erfahrne Aerzte und Wundärzte und nach
Umständen auch durch Hebammen geführt werden.
§.
100. Läßt es sich durch äußerliche Zeichen nicht bestimmen, ob das Unvermögen
zeitlich oder anhaltend sey, so liegt es den Eheleuten ob, noch durch drei
Jahre zusammen zu wohnen: dauert das Unvermögen während dieser Zeit fort, so
ist der Ehevertrag ohne Bedenken als ungiltig zu erklären.
§.
101. Zeigt es sich bei der Verhandlung des Streites über die Giltigkeit der
Ehe, daß einem Theile, oder daß beiden Theilen das Ehehinderniß vorher bekannt
war, und daß sie es vorsetzlich verschwiegen haben, so sind die Schuldigen nach
Verhältniß des unterlaufenen Verbrechens zu bestrafen; ist ein Theil
unschuldig, so bleibt es ihm anheimgestellt, Entschädigung zu fordern; Sind
endlich in einer solchen Ehe Kinder erzeugt worden, so muß für dieselben nach
jenen Grundsätzen gesorgt werden, welche in dem folgenden Hauptstücke, von den
Pflichten der Eltern, festgesetzt sind.
§.
102. Eine giltig geschlossene Ehe zwischen katholischen Personen kann in
Rücksicht auf das Eheband selbst nur durch den Tod des einen Ehegatten
aufgelöset werden: eben so unauflöslich ist das Band einer giltig geschlossenen
Ehe, wenn auch nur ein Theil von jenen, die sie geschlossen haben, der
katholischen Religion zugethan ist.
§.
103. Hingegen muß die Scheidung von Tisch und Bette, wenn sich beide Theile
dazu verstehen, mit der gehörigen Vorsicht gestattet, oder im Falle eines
Widerspruches dem beschwerten Theile aus rechtmäßigen Gründen zuerkannt werden.
§.
104. Sind die beiden Ehegatten über ihre Scheidung von Tisch und Bette und über
alle Bedingungen unter sich schon einverstanden, so steht es ihnen zu, sich an
ihren Pfarrer zu wenden, und ihm ihren Entschluß, sich zu trennen, sammt ihren
Bewegungsgründen, zu eröffnen.
§.
105. Des Pfarrers Pflicht ist es, die Ehegatten an das bei der Trauung einander
gemachte feierliche Versprechen zu erinnern, und ihnen die nachtheiligen Folgen
der Scheidung mit Nachdruck an das Herz zu legen; sind diese wenigstens zu drei
verschiedenenmalen wiederholte Versuche ohne Wirkung, so muß er den Partheien
ein schriftliches Zeugniß
(273)
ausfertigen, daß sie aller Vorstellungen ungeachtet auf ihrem Verlangen, sich
zu trennen, verharren.
§.
106. Mit diesem Zeugnisse haben beide Eheleute vor ihrem ordentlichen Gerichte
persönlich zu erscheinen, und ein schriftliches Scheidungsgesuch einzureichen;
das Gericht wird ohne die Bewegungsgründe und Bedingungen zu erforschen, die
verlangte Scheidung bewilligen, und sie bei den Gerichtsakten vormerken lassen;
haben die auf solche Art geschiedene Eheleute Kinder, so ist das Gericht
verbunden, für dieselben nach dem (!) im folgender Hauptstücke enthaltenen
Vorschriften zu sorgen.
§.
107. Will ein Theil nicht in die Scheidung von Tisch und Bette einwilligen, und
hat der andere Theil rechtmäßige Gründe, auf dieselbe zu dringen, so müssen
auch in diesem Falle die gütlichen und klugen Vorstellungen des Pfarrers
vorausgeschickt werden; sind diese fruchtlos, oder weigert sich der
beschuldigte Theil gar, bei dem Pfarrer zu erscheinen, dann ist die ordentliche
Klage mit des Pfarrers Zeugniß und allen nöthigen Beweisbehelfen bei dem
ordentlichen Gerichte einzureichen, und es wird in dieser Sache, wie in allen
andern Rechtsstreitigkeiten, verfahren.
§.
108. Die Scheidung von Tisch und Bette muß auf Begehren eines Ehegatten auch
ohne Einwilligung den andern in folgenden Fällen gestattet werden: Erstens:
wenn ein Ehegatte sich des Ehebruches schuldig gemacht hat; Zweitens: wenn ein
Ehegatte den andern verlassen hat, und falls sein Aufenthaltsort bekannt ist,
auf eine ihm gerichtlich zugestellte, oder, wofern der Aufenthalt nicht bekannt
ist, auf öffentliche gerichtliche Vorladung innerhalb eines Jahres nicht
erschienen ist; Drittens endlich, wenn ein Ehegatte von dem andern gröblich
mißhandelt worden, und wenn sein Leben, seine Gesundheit, ein beträchlicher
Theil seines Vermögens, oder wegen schlechten Beispiels auch die guten Sitten
in Gefahr gesetzt werden.
§.
109. Die angeführten Gründe, welche einen katholischen Einwohner zur Scheidung
von Tisch und Bette berechtigen, mögen bei andern Religionsverwandten auch zur
gänzlichen Auflösung der Ehebandes hinreichend seyn; übrigens sind dergleichen
Fälle nach den Vorschriften zu behandeln, welche oben für jene Fälle gegeben worden
sind, in welchen die Ungiltigkeit der Ehe behauptet wird.
§.
110. Geschiedenen, welche nur von Tisch und Bette getrennet sind, steht es
frei, sich eigenmächtig wieder zu vereinigen. Wollen sie nach solcher
Wiedervereinigung nochmals geschieden werden, so haben sie sich diesfalls eben
so zu verhalten, wie es für die erste Scheidung vorgeschrieben ist. Allein wenn
das Eheband zweier nicht katholischen Eheleute (274) nach ihren
Religionsgrundsätzen gänzlich aufgehoben worden ist, und sie sich wieder vereinigen
wollen, so muß diese Vereinigung als eine neue Ehe angesehen, und mit allen bei
der ersten Ehe gepflogenen Feierlichkeiten vorgenommen werden.
§.
111. Nichtkatholischen wird es also gestattet, sich wieder zu verehlichen,
jedoch nicht mit denjenigen, welche durch Ehebruch, durch Verhetzungen, oder
auf eine andere sträfliche Art die vorgegangene Ehescheidung veranlasset haben.
§.
112. Ein geschiedenes, oder durch den Tod des Ehemannes in den Wittwenstand
versetztes Weib kann so lange zu keiner zweiten Ehe schreiten, als ein Zweifel
über eine Schwangerschaft aus der ersten Ehe obwalten kann. Die Uibertrettung
dieses Gesetzes kann zwar die Ungiltigkeit der zweiten Ehe nicht nach sich
ziehen, allein die Uibertretterinn soll alle von dem vorigen Manne erlangten
Vortheile verlieren.
§.
113. Wenn sich bei Gelegenheit eines Ehescheidungsgeschäftes zwischen den
Eheleuten Streitigkeiten äußern, welche sich auf einen weiter geschlossenen
Vertrag, auf die Absonderung ihres Vermögens, auf den Unterhalt der Kinder, oder
auf andere Forderungen und Gegenforderungen beziehen, so soll allzeit vorläufig
ein Versuch gemacht werden, diese Streitigkeiten durch gütlichen Vertrag
beizulegen: Sind aber die Partheien zu einem solchen Vergleich nicht zu
bereden, so muß man sie auf ein ordentliches Verfahren bei dem
Personalgerichtsstande verweisen, den Kindern aber inzwischen den nöthigen
Unterhalt ausmessen.
Viertes
Hauptstück.
Von
den Rechten zwischen Aeltern und den Kindern.
§.
114. Wenn Eheleute mit Kindern gesegnet werden, so entsteht dadurch eine
Familie, eine neue Gesellschaft, mit welcher auch neue Rechte und Pflichten
entstehen.
§.
115. Aeltern legen sich schon durch Erzeugung der Kinder die Verbindlichkeit
auf, sie zu erziehen, das heißt: ihnen Nahrung, Kleidung und Unterhalt zu
verschaffen, für ihr Leben und ihre Gesundheit zu sorgen, ihre körperlichen und
geistigen Kräfte zu entwickeln, und durch Unterricht in der Religion und in
nützlichen Kenntnissen den Grund zu ihrer künftigen Wohlfahrt zu legen.
§.
116. Diese Pflicht gründet sich in der Natur. Auch haben sich die Aeltern durch
den Ehevertrag mit Mund und Hand dazu verbunden, und die Erfüllung derselben
dem Staate durch die feierliche Trauung angelobt.
(275)
§. 117. Dadurch erhalten aber die Aeltern das Recht, einverständlich das Thun
und Lassen ihrer Kinder zu leiten: dieses Recht heißt die väterliche Gewalt,
weil der Vater das Haupt der Familie ist: es wird, so wie die Kinder zu
mehreren Gebrauch der Vernunft gelangen, auch mehr beschränkt.
§.
118. Es ist vorzüglich die Pflicht des Vaters, so lange für den Unterhalt der
Kinder zu sorgen, bis sie sich selbst ernähren können; die Pflege ihres Körpers
und ihrer Gesundheit ist die Mutter auf sich zu nehmen verbunden.
§.
119. Wenn der Vater stirbt, oder mittellos ist, muß vor allen die Mutter für
den Unterhalt ihrer Familie sorgen: ist diese auch nicht mehr vorhanden, oder
ist mittellos, so fällt diese Sorge auf die väterlichen Großältern, und nach
diesen auf die Großältern von der mütterlichen Seite.
§.
120. Kinder haben zu allen, was ihnen die Aeltern zu leisten schuldig sind, ein
ungezweifeltes Recht: Sie erlangen den Namen ihres Vaters, sein Wappen, und
alle übrigen Rechte seiner Familie und seines Standes.
§.
121. Hingegen sind Kindern ihren Aeltern Ehrfurcht, und in allen erlaubten und
billigen Dingen Gehorsam und Folgsamkeit schuldig; sind Vater und Mutter mit
ihren Vorschriften in Widerspruch, so haben sie vorzüglich dem Vater, als dem
Haupte der häuslichen Gesellschaft, zu gehorchen.
§.
122. Ohne ausdrückliche oder doch stillschweigende Einwilligung des Vaters,
können minderjährige, unter väterlicher Gewalt stehende Kinder keine giltige
Verpflichtung eingehen.
§.
123. Aeltern haben zwar kein Recht ihren Kindern Ehegatten aufzudringen, doch
verletzen auch volljährige Kinder die ihren Aeltern schuldige Ehrfurcht, wenn
sie ohne ihr Wissen, oder gegen ihren Willen einen Ehevertrag eingehen, in
einem solchen Falle ist zwar der Ehevertrag giltig, findet aber das Gericht die
von den Aeltern angegebenen Ursachen ihrer Mißbilligung gegründet, so können
Aeltern ein widerspenstiges Kind so behandeln, als hätte es auf ihre fernere
Unterstützung Verzicht gethan: nur die ganz unentbehrliche Nahrung dürfen sie
ihm nicht versagen.
§.
124. Ein Vater kann sein Kind zu keinem Berufe zwingen; Unmündige müssen sich
zwar in dieser Rücksicht dem väterlichen Willen unterwerfen, aber nach
erreichter Mindigkeit ist es einem Sohne erlaubt, sein Verlangen nach einer
andern Neigung und seinen Fähigkeiten mehr angemessenen Berufsart zu äußern;
versagt der Vater seine Einwilligung,
(276)
so kann ein Sohn, der das achtzehnte Jahr zurückgelegt hat, sein Gesuch vor den
ordentlichen Gerichtsstand bringen.
§.
125. Aeltern haben das Recht ihre Kinder in allen Fällen zu vertretten,
verlorne überall aufzusuchen, entwichene zurückzufordern, flüchtige gerichtlich
zu ergreifen; sie sind auch befugt ungehorsame, die häusliche Ordnung und Ruhe
störende Kinder auf eine nicht übertriebene und ihrer Gesundheit unschädliche
Art zu züchtigen.
§.
126. Gegen den Mißbrauch der väterlichen Gewalt kann nicht nur das Kind, das
darunter leidet, sondern Jedermann, der davon Kenntniß hat, den Beistand des
Gerichts anruffen. Dieses Gericht hat den Gegenstand der Klage zu untersuchen,
und nach Umständen weise Vorkehrungen zu treffen.
§.
127. Ueber das Vermögen, das ein minderjähriges Kind von seiner Mutter, von
Verwandten, oder auf eine andere Art gesetzmäßig überkommen (!) hat, gebührt
dem ordentlichen Gerichte die Oberaufsicht, und dem Vater die Verwaltung.
§.
128. Von den Einkünften dieses Vermögens sind, soweit sie reichen, die
Erziehungskösten zu bestreiten; ein geringer Ueberschutz bleibt der
freywilligen Verwendung der Vaters überlassen; übersteigt aber die Summe des
Ueberschusses die jährlichen Erziehungskosten, so muß sie der Vater zum
Vortheile des Kindes anlegen, und darüber Rechnung führen.
§.
129. Ein Vater kann ein seinen minderjährigen Kindern zugefallenes Vermögen
nicht verwalten, wenn es offenbar ist, daß er die zu dieser Verwaltung nöthigen
Eigenschaften nicht besitzt, oder wenn ihn diejenigen, die seinen Kindern
dieses Vermögen zuwenden, von der Verwaltung desselben ausschlüssen (!); in
diesen Fällen ernennet das Gericht einen andern Verwalter des Vermögens.
§.
130. Was Aeltern für die Erziehung ihrer Kinder gethan haben, das haben sie aus
Pflicht gethan: die zu diesem Ende gemachten Auslagen geben ihnen keinen
Anspruch auf das von ihren Kindern nachher erlangte oder erworbene Vermögen;
verfallen aber Aeltern oder Großältern in Dürftigkeit, so sind ihre Kinder und
Enkeln sie anständig zu ernähren verbunden.
§.
131. Die bisher festgesetzten Rechte beziehen siech einzig und allein auf
eheliche Aeltern und Kinder. Die Rechte unehelicher Kinder sind weder auf den
Ehevertrag, noch auf Trauung, sondern nur auf die Erzeugung begründet, und
können folglich weder so kräftig, noch so ausgedehnt seyn.
§.
132. Nach dem Gesetze sind jene Kinder für eheliche zu halten, welche im
siebenten Monate nach der Trauung, oder im zehnten Monate nach dem Tode des
Mannes, oder nach gänzlicher Auflösung des ehelichen
(277)
Bandes von einer Ehegattin geboren werden: gegen früher oder später geborene
Kinder tritt die rechtliche Vermuthung ein, daß sie unehelicher Geburt seyen.
§.
133. Doch wird gegen diese Vermuthung ein Beweis gestattet, und es ist für eine
frühere Geburt schon ein hinreichender Beweis, wenn der Mann die Vaterschaft
nicht widerspricht; für eine spätere Geburt bleibt nur der Beweis durch
Kunstverständige, wenn sie nach genauer Untersuchung der Beschaffenheit des
Kindes und der Mutter die Ursachen eines so außerordentlichen Falles angeben
und begreiflich machen.
§.
134. Weder ein von der Mutter begangener Ehebruch, noch ihre Behauptung, daß
ihr Kind unehelich sey, können demselben Rechte der ehelichen Geburt entziehen:
wenn aber ein Mann behauptet, daß ein von seinem Weibe geborynes Kind nicht das
seinige sey, so muß er die natürliche Unmöglichkeit der von ihm erfolgten
Zeugung beweisen.
§.
135. Kinder, welche außer der Ehe geboren, und durch die nachher erfolgte
Vermählung ihrer Aeltern in die Familie eingetreten sind, werden so, wie ihre
Nachkommenschaft, unter die ehelich erzeugten gerechnet, nur können sie andern
inzwischen erzeugten ehelichen Kindern die Eigenschaft der Erstgeburt, und
andere bereits erworbene Rechte nicht streitig machen.
§.
136. Die in einer ungiltigen Ehe erzeugten Kinder sind als eheliche Kinder
anzusehen, wenn wenigstens einem ihrer Aeltern die schuldlose Unwissenheit der
Ehehindernisses zu statten kommt: doch bleiben folgende Kinder von Erlangung
desjenigen Vermögens ausgeschlossen, welches durch Familienanordnungen der
ehelichen Abstammung besonders vorbehalten ist.
§.
137. Wird ein Kind durch Begünstigung des Gesetzgebers ehelich erklärt, so kann
dieses nur in Rücksicht auf die Aeltern, die dazu einwilligen, nicht aber auch
in Rücksicht auf die übrigen Familienglieder von Wirksamkeit seyn: selbst die
Aeltern können nur in sofern dazu einwilligen, als es um Rechte zu thun ist,
welche sie diesem Kinde hätten zuwenden können, wenn es auch nicht ehelich
erklärt worden wäre.
§.
138. Uneheliche Kinder sind von allen Rechten der Familie und der
Verwandtschaft ausgeschlossen, sie haben weder auf den Familiennamen, noch auf
das Wappen und andere Vorzüge der Vaters einen Anspruch, sonders müssen sich
mit dem Geschlechtsnamen der Mutter begnügen: desto mehr aber muß sich der
Staat ihrer annehmen, und die ihnen angeborne Rechte handhaben.
§.
139. Ein uneheliches Kind hat das Recht von seinen Aeltern einen ihrem Vermögen
angemessenen Unterhalt, Erziehung und Versorgung
(278)
zu fordern: es soll auch wegen dieser unehelichen Geburt weder an seiner Ehre
gekränkt, noch an seinem künftigen Betrieb gehindert werden.
§.
140. Da sich das Recht der unehelichen Kinder auf keinen Vertrag, sondern auf
die Erzeugung allein gründet, dieser Grund aber auf alle Aeltern ohne Ausnahme
wirksam ist, so ist kein Unterschied zu machen, ob der Ehestand zwischen ihren
Aeltern hätte bestehen dürfen, oder nicht, und ob die im Wege gewesenen
Hindernisse zu den auflöslichen oder unauflöslichen gehörten.
§.
141. Vorzüglich ist der Vater zur Verpflegung eines unehelichen Kindes
verbunden: wenn aber dieser nicht im Stande ist das Kind zu verpflegen, so
fällt diese Verbindlichkeit auf die Mutter.
§.
142. Je mehr Aeltern durch ihr Verschulden das Schicksal ihrer unehelichen
Kinder erschweren, desto mehr sind sie verpflichtet zu ihrer Versorgung
beizutragen: unter solche Aeltern sind diejenigen zu rechnen, denen die
Ehehindernisse bekannt waren, Kraft welcher den Kindern das Ehelichwerden
entweder erschwert, oder unmöglich gemacht wird: ein Vater, welcher sein Kind
nicht anerkennen will: eine Mutter, die den Vater nicht redlich anzeigt.
§.
143. Ein Vater, welcher sein Kind freywillig anerkennt, wird, wenn er es verlangt,
heimlich gehalten, und nur zur Bestreitung der verhältnißmäßigen Verpflegungs-
und Erziehungskosten verbunden.
§.
144. Wer aber die Vaterschaft verläugnet, soll zu einem zweifachen Betrag
verurtheilt werden; dieser Betrag ist dreifach zu leisten, wenn die Aeltern mit
einem auflöslichen Ehehindernisse behaftet sind, und vierfach, wenn das
Ehehinderniß unauflöslich ist.
§.
145. Solange eine Mutter ihr uneheliches Kind selbst erziehen will und kann, so
lang darf ihr dasselbe von dem Vater nicht entzogen werden: dessen ungeachtet
muß er doch die Verpflegungskosten bestreiten.
§.
146. Lauft aber das wesentliche Wohl des Kindes durch die mütterliche Erziehung
Gefahr, so ist der Vater berechtigt und verbunden, das Kind von der Mutter zu
trennen, und solches zu sich zu nehmen, oder anderswo sicher und anständig
unterzubringen.
§.
147. Uebrigens steht es beiden Aeltern frei sich über die Versorgung des Kindes
gütlich mit einander zu vergleichen; nur muß der Vater bis zur Vollendung der
Erziehung für die gesetzmäßige Verpflegung haften.
§.
148. Die Verbindlichkeit uneheliche Kinder zu versorgen, ist wie eine jede
andere Schuld zu betrachten, folglich sind nach dem Tode der Aeltern ihre Erben
verpflichtet dergleichen Kinder nach oben angegebenen Maaßstabe zu versorgen.
(279)
§. 149. Wer auf eine in der Gerichtsordnung vorgeschriebene Art überwiesen
wird, daß er der Mutter eines Kindes sechs bis zehn Monate vor ihrer Entbindung
beigewohnt habe, wer dieses auch nur außer Gerichte gesteht, oder sich dessen
rühmt, gegen den steht die rechtliche Vermutung, daß er das Kind gezeugt habe.
§.
150. Die auf Angeben (!) einer Mutter erfolgte Einschreibung eines väterlichen
Namens in das Tauf(-) oder Geburtsbuch gilt für keinen vollständigen Beweis,
wenn nicht die Einwilligung des Vaters durch das Zeugniß des Seelsorgers, und
des Pathen, und durch die von denselben hinzugefügte Bestättigung, daß er ihnen
von Person wohl bekannt sei, damit verbunden ist.
§.
151. Eine Mutter wird gegen ihren Verführer die Schadensklage gestattet: wenn
sie aber jemanden fälschlich für den Vater ihres Kindes angibt, soll sie nach
Umständen gestraft werden.
§.
152. Die väterliche Gewalt besteht in der Regel so lang ein Vater lebt, und
seine Kinder minderjährig sind; hat aber ein Kind das vier und zwanzigste Jahr
erreicht, so hört die väterliche Gewalt auf, wenn der Vater nicht bei Gerichte
um die Fortdauer der Minderjährigkeit angesucht, wenn er sie nicht gehörig
erhalten, oder die erhaltene nicht ordentlich bekannt gemacht hat.
§.
153. Um die Fortdauer der Minderjährigkeit kann ein Vater bei Gerichte
ansuchen, wenn sein Kind unfähig ist sich selbst zu verpflegen, wenn es eine
beträchtlich Schuldenlast hat, oder solche Vergehungen begeht, wegen welcher
ihm die väterliche Unterstützung hätte entzogen werden dürfen.
§.
154. Kinder können vor Erreichung des vier und zwanzigsten Jahres aus der
väterlichen Gewalt tretten, wenn der Vater aus guter Absicht mit Genehmhaltung
des Gerichtes sie ausdrücklich entlässt: wenn er einem zwanzigjährigen Sohne
die Führung einer eigenen Wirtschaft gestattet: oder wenn er eine Tochter
ausheurathet.
§.
155. Wenn ein Vater den Gebrauch der Vernunft verliert: wenn einer als
Verschwender erklärt: oder wegen eines begangenen Verbrechens auf längere Zeit
als ein Jahr zur Gefangenschaft verurtheilt wird, so kommt die väterliche
Gewalt außer Wirksamkeit; hören aber diese Hindernisse auf, so tritt der Vater
wieder in seine Rechte ein.
§.
156. Aeltern, welche die Verpflegung und Erziehung ihrer Kinder gänzlich
vernachläßigen, verlieren die väterliche Gewalt auf immer.
§.
157. Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, welche den ehelosen Stand
nicht feyerlich angelobt, und keine eigenen ehelichen Kinder haben, können an
Kindesstatt annehmen; die annehmende Person heißt Wahlvater oder Wahlmutter;
die angenommene heißt Wahlkind;
(280)
die aus einer solchen Handlung entstehenden Rechte und Verbindlichkeiten werden
durch die Grundsätze der Verträge bestimmt.
§.
158. Wahlväter oder Wahlmütter müssen das fünfzigste Jahr zurückgelegt haben,
und ein Wahlkind muß wenigstens achtzehn Jahre jünger sein, als seine
Wahlältern.
§.
159. Dieser Vertrag kann ohne Einwilligung der natürlichen Aeltern des
Wahlkindes nicht zu Stande kommen, er muß auch seiner Wichtigkeit wegen bei dem
Gerichtsstande der Wahlältern und des Wahlkindes angezeigt, und in die
Gerichtsacten eingetragen werden.
§.
160. Wenn das Wahlkind den Familiennamen unadelicher Wahlältern annehmen soll,
so muß die Landesstelle die Bestättigung dazu ertheilen: Adel und Wappen der
Wahlältern kann auf ein Wahlkind nur unter besonderer Begünstigung des
Gesetzgebers übertragen werden: diese Begünstigung dient beiden Theilen zur
Richtschnur ohne einem Dritten zum Nachtheil gereichen zu können.
§.
161. Durch die Annahme an Kindesstatt kann ein Wahlkind die Familienrechte
seines Wahlvaters in Rücksicht auf die übrigen Verwandten nicht erlangen, es
kann aber auch die Rechte seiner eigenen Familie nicht verlieren.
§.
162. Die Rechte und Verbindlichkeiten der Wahlältern und Wahlkinder lassen sich
auf Kinder, die nur in Pflege genommen werden, nicht anwenden; diese Pflege
steht jedermann frei, und die Partheien haben sich nach dem von ihnen
geschlossenen Vertrage zu verhalten, vorausgesetzt , daß er den Gesetzen nicht
zuwider laufe.
§.
163. Wenn Personen, die aus einer vorigen Ehe Kinder am Leben haben, sich mit
einander vermählen, und einen Vertrag schließen, durch welchen die Kinder
verschiedener Ehen in der Erbschaft mit einander gleich gesetzt werden, so
entsteht die sogenannte Einkindschaft; dieser Vertrag ist nur insofern giltig,
als es dabei um ein freies Vermögen zuthun ist, und als alle darinn
eingeschlossenen Partheien damit einverstanden, oder auf die gehörige Art
gerichtlich vertreten worden sind.
Fünftes
Hauptstück.
Von den
Vormundschaften und Kuratelen.
§.
164. Einem jeden Einwohner des Staates, dem die Aufsicht und Sorge eines Vaters
nicht zu statten kommt, und der noch minderjährig, oder aus einem anderen
Grunde, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen unfähig ist, gewähren die
Gesetze durch einen Vormund, oder durch einen Curator besonderen Schutz und
Beistand.
(281)
§. 165. Ein Vormund sorget unverzüglich für die Person, und für die Rechte
eines Minderjährigen: Ein Kurator, oder Sachwalter wird nur überhaupt zur Besorgung
gewisser Geschäfte, und Angelegenheiten gebraucht.
§.
166. Dasjenige Gericht, unter dessen Gerichtsbarkeit der Minderjährige steht,
bestellt den Vormund von Amtswegen. Diese Bestellung muss ohne Zeitverlust
vorgenommen werden, und es macht keinen Unterschied, ob die Minderjährigen
ehelicher, oder unehelicher Geburt seyen.
§.
167. Wenn sich also ein Fall ereignet, welcher die Bestellung eine Vormundes
nothwendig macht, so sind die Verwandten des Minderjährigen, und andere mit ihm
in Verhältniß stehende Personen unter Verantwortung verbunden, diesen Fall
sogleich dem gehörigen Gerichtsstande anzuzeigen; auch politische Obrigkeiten,
weltliche und geistliche Vorsteher der Gemeinden müssen auf solche Fälle
aufmerksam sein, und nach Umständen Anzeige davon machen.
§.
168. Zu Vormündern können nur solche Personen ernannt werden, welche die zu
diesem Amte erforderlichen Eigenschaften besitzen. Wer also wegen Mangel an
Jahren, wegen Leibes(-) oder Geistesgebrechen, oder aus anderen Gründen seinen
eigenen Geschäften nicht vorstehen kann, oder wer eines Verbrechens schuldig
erkannt worden ist, kann das vormundschaftliche Amt nicht übernehmen.
§.
169. Personen weiblichen Geschlechts, Ordensgeistliche, und Einwohner fremder
Staaten sind in der Regel zur Vormundschaft unfähig. Diejenigen Personen,
welche ein Vater ausdrücklich zur Vormundschaft ausgeschlossen hat, bleiben
dadurch allein schon von dieser bestimmten Vormundschaft ausgeschlossen.
§.
170. Eine bestimmte Vormundschaft ist auch solchen Personen nicht aufzutragen,
die mit dem Minderjährigen nicht einerlei Religion sind, die mit desselben
Aeltern, oder mit ihm selbst in thätiger Feindschaft gelebt haben und die mit
dem Minderjährigen entweder schon in einem Prozesse verwickelt sind oder wegen
noch nicht berichtigten Forderungen in einen verwickelt werden könnten.
§.
171. Die Mitglieder des vormundschaftlichen Gerichtes, und solche Personen, die
sich in der Provinz, in welcher der Minderjährige lebt, entweder gar nicht
aufhalten, oder doch länger als ein Jahr von derselben entfernt seyn müssen,
sind in der Regel zur Vormundschaft unfähig.
(282)
§. 172. Geistliche, Militarpersonen, und Beamte in öffentlichen Bedienungen
können wider ihren Willen nicht zu Vormündern angehalten werden.
§.
173. Einem Staatsbürger, der siebenzig Jahre alt ist: Einem, der fünf Kinder
oder Enkel zu besorgen hat: Einem, der schon mit einer wichtigen und mühsamen
Vormundschaft, oder mit drei kleineren beladen ist, darf wider seinen Willen
keine neue Vormundschaft aufgetragen werden. Hat aber eine solche Person auf
die Wohltat des Gesetzes selbst Verzicht gethan, so kann sie nicht mehr darauf
Anspruch machen.
§.
174. Wenn keine in §§. 168. 169. 170. und 171. angeführte Unfähigkeit
verhindert, so gebührt die Vormundschaft vor allen derjenigen Person, welche
ein Vater in seinem letzten Willen, oder auf eine andere Art ausdrücklich dazu
bestimmt hat.
§.
175. Hat eine Mutter, oder eine andere Person einem Minderjährigen ein Erbtheil
zugedacht, und zugleich einen Vormund ernannt, so ist dieser nur in der
Eigenschaft eines Kurators für das hinterlassene Vermögen anzunehmen.
§.
176. Wenn ein Vater seinen, oder einen unfähigen Vormund ernannt hat, so ist
die Vormundschaft einem Verwandten des Minderjährigen, und zwar vor andern dem
väterlichen Großvater, dann der Mutter, sofort der Großmutter väterlicher
Seite, endlich einem andern Blutsverwandten, und zwar demjenigen an
zuvertrauen, welcher der nächste, ältere, und männlichen Geschlechts ist.
§.
177. Kann eine Vormundschaft auf die angeführte Art nicht bestellt werden, so
hängt es von der Klugheit des Gerichts ab, wen es mit Rücksicht auf Stand,
Fähigkeit, Vermögen, und Ansäßigkeit vorzüglich zum Vormunde ernennen will.
§.
178. Sobald der Vormund ernannt ist, hat ihn das Gericht dahin anzuweisen, daß
er die Vormundschaft innerhalb vierzehn Tagen ordentlich antrette. Diese Frist
kann aus wichtigen Gründen auch verlängert werden.
§.
179. Erheischen es die Umstände Jemanden, der für seine Person dem
Gerichtsstande nicht unterworfen ist, zum Vormund anzunehmen, so kann dieses
nur durch ein Ersuchschreiben an seinen Gerichtsstand geschehen. Hat aber eine
solche Person die Vormundschaft einmal übernommen, so bleibt sie in Rücksicht
auf alle zu diesem Amte gehörigen Angelegenheiten der vormundschaftlichen Behörde
unterworfen.
§.
180. Glaubt derjenige, welchen das Gericht zur Vormundschaft berufen hat, daß
er zu diesem Amte nicht geschickt sey, aber daß ihn das
(283)
Gesetz davon frei spreche; so muß er sich deswegen in Zeit von vierzehn Tagen
an seine persönliche Gerichtsstelle wenden, welche seine Gründe mit ihrem
eigenen Gutachten begleiten, und dem vormundschaftlichen Gericht zur
Entscheidung vortragen soll.
§.
181. Wer seine ihm bekannte Untauglichkeit zur Vormundschaft verhehlet, hat so,
wie das Gericht, daß (!) wissentlich einen untauglichen Vormund ernennt, allen
dem Minderjährigen dadurch entstandenen Schaden, und entgangenen Nutzen zu
verantworten.
§.
182. Dieser Verantwortung setzt sich auch derjenige aus, welcher ohne
gegründete Ursache sich weigert, eine Vormundschaft zu übernehmen; und er soll
überdies durch eine verhältnismäßige Geldstrafe, allenfalls auch durch Arrest
dazu angehalten werden.
§.
183. Man kann das vormundschaftliche Amt nur nach einem von dem gehörigen
Gerichtsstande dazu erhaltenen Auftrage übernehmen; wer sich einer
Vormundschaft anmassen wollte, ist verbunden allen dem Minderjährigen dadurch
erwachsenen Schaden zu ersetzen.
§.
184. Jeder Vormund mit Ausnahme des Großvaters, der Mutter, und der Großmutter
muß vor Antrettung der Vormundschaft vermittelst Handschlages angeloben, daß er
seinen Pflegebefohlenen zur Rechtschaffenheit, Gottesfurcht, und Tugend
anführen, daß er ihn nach seinem Stande, als einen brauchbaren Bürger erziehen,
ihn vor Gerichte, und außer demselben verttreten (!), sein Vermögen getreulich,
und emsig verwalten, und sich in allen nach Vorschrift der Gesetze verhalten
wolle.
§.
185. Einem auf diese Art verpflichteten Vormunde hat das Gericht eine förmliche
Urkunde darüber auszufertigen, damit er in Ausübung seines Amtes beglaubigt
sey, und sich in vorkommenden Fällen rechtfertigen könne: übernimmt ein
Großvater, eine Mutter, oder eine Großmutter eine Vormundschaft, so muß ihnen
eine ähnliche Urkunde zugestellt, und derselben alles, was gewöhnliche
Vormünder angeloben, eingeschaltet werden.
§.
186. Jedes vormundschaftliche Gericht ist verbunden ein sogenanntes
Vormundschaft oder Waisenbuch zu führen; in dieses Buch müssen die Namen,
Familiennamen, das Alter der Minderjährigen, und alles, was sich bei der
Uibernahme, Fortdauer, und Endigung der Vormundschaft Wichtiges ereignet hat,
eingetragen werden.
§.
187. Auf alle Belege soll auf eine solche Art hingewiesen werden, daß sowohl
das Gericht selbst, als auch in der Folge der volljährige gewordene Waise
alles, was ihnen zu wissen nöthig, oder nützlich ist, ohne Schwierigkeit in
authentischer Form einsehen können.
(284)
§. 188. So wie ein von dem Vater ernannter Vormund nicht nur über die Person
des Pflegbefohlenen, sondern auch über dessen Vermögen zu sorgen hat, eben so
wird auch vermuthet, daß der Vater Jemanden, den er zum Kurator über das
Vermögen ernannt hat, auch zugleich die Aufsicht über die Person habe
anvertrauen wollen: hat aber der Vater einen Vormund nicht für alle Kinder,
oder einen Kurator für das ganze Vermögen ernannt, so ist es die Sache des
Gerichts für die anderen Kinder einen Vormund, oder für den übrigen Theil des
Vermögens einen Kurator zu bestellen.
§.
189. Sind mehrere Vormünder ernannt worden, so können sie zwar das
Pupillarvermögen gemeinschaftlich, oder theilweise verwalten; das Gericht muß
aber veranstalten, daß die Person des Pflegbefohlenen, und Hauptführung der
Geschäft nur von einem Einzigen besorgt werde.
§.
190. Müttern, und Großmüttern, die eine Vormundschaft übernehmen, muss immer
ein Mitvormund zugegeben werden: bei der Wahl dieses Mitvormundes muß vor allen
auf den erklärten Willen des Vaters, dann erst auf den Vorschlag der
Vormünderinn, endlich auf die Anverwandtschaft des Pflegbefohlenen Rücksicht
genommen werden.
§.
191. Es ist die Pflicht des Mitvormundes auch seiner Seits das Beste des
Pflegbefohlenen zu befördern: er muß dieses angeloben, und zu diesem Ende der
Vormünderinn, besonders auf ihr Ansuchen, mit seinem Rathe beistehen. Sollte er
wichtige Gebrechen wahrnehmen, so muß er sich bestreben denselben abzuhelfen,
und nöthigen Falles dem Gerichte als der Obervormundschaft Anzeige davon
machen.
§.
192. Eine andere wesentliche Pflicht des Mitvormundes ist es, daß er bei
vorfallenden Geschäften, zu deren Giltigkeit die Einwilligung des
vormundschaftlichen Gerichtes nothwendig ist, das erforderliche Gesuch der
Vormünderinn mit unterzeichne, auch auf Verlangen des Gerichtes über ein
solches Geschäft unmittelbar sein Gutachten erstatte.
§.
193. Ein Mitvormund, welcher diese Pflichten erfüllt hat, bleibt von aller
fernern Verantwortung frei; ist einem Mitvormunde aber zugleich die Verwaltung
des Pupillarvermögens aufgetragen worden, so hat er mit dieser Verwaltung alle
Pflichten eines Kurators übernommen, und das Gericht muß ihm deswegen eine
Beglaubigungskunde ausfertigen lassen.
§.
194. Ein Vormund hat alle Pflichten eines Vaters, aber nicht alle seine Rechte:
er muß in Rücksicht auf die Erziehung seines Pflegbefohlenen alles leisten, was
rechtschaffene Väter in dieser Rücksicht zu leisten pflegen; allein er kann
seinen Pflegbefohlenen eingenmächtig in keine
(285)
andere Provinz versetzen, weder andere wichtige Veränderungen mit demselben
vornehmen: in solchen Fällen hat er sich an das vormundschaftliche Gericht, um
Genehmigung, und Verhaltensregeln zu wenden.
§.
195. Der Pflegebefohlene ist seinem Vormünder Ehrerbietung, und Folgsamkeit
schuldig; er ist aber auch berechtigt sich bei seinen nächsten Verwandten, oder
auch bei der gerichtlichen Behörde zu beschweren, wenn der Vormund seine Macht
auf was immer für eine Art mißbrauchen sollte; an diese Behörden hat sich der
Vormund mit Klagen gegen seinen Pflegebefohlenen zu halten.
§.
196. Die Person des Waisen soll sich vorzüglich der Mutter, selbst dann, wenn
sie die Vormundschaft nicht übernommen hat, oder sich wieder verheuratet hat,
anvertraut werden; es wäre denn, daß das Beste des Kindes eine andere Verfügung
erheischte.
§.
197. Die Unterhaltungskosten bestimmt das vormundschaftliche Gericht, und nimmt
bei dieser Bestimmung auf das Gutachten des Vormunds, auf die Anordnung des
Vaters, auf das Vermögen, auf den Stand, und auf andere Verhältnisse des
Minderjährigen vorzügliche Rücksicht.
§.
198. Reichen die Einkünfte zur Bestreitung die Kosten nicht zu, so darf zwar
das Hauptvermögen, oder das Kapital angegriffen werden; Allein die
Vormundschaft muß besonders darauf bedacht seyn, daß der Minderjährige dadurch
zu einer hinlänglichen Versorgung gelange.
§.
199. Zur Verpflegung ganz mittelloser Waisen müssen die bemittelten nächsten
Verwandten beitragen; in Ermanglung derselben hat der Vormund auf öffentliche
milde Stiftungen, und bestehende Armenanstalten so lang einen gerechten
Anspruch, bis der Pflegebefohlene im Stande ist, sich durch eigene Arbeit, und
Verwendung selbst zu ernähren.
§.
200. Zu gleicher Zeit, als das vormundschaftliche Gericht für die Erziehung des
Waisen sorgt, muß es auch desselben Vermögen zu erforschen, und es durch
Sperre, durch Inventur, und Schätzung sicher zu stellen suchen.
§. 201.
Durch die gerichtliche Sperre können nach Umständen die Mobilien in Verwahrung
genommen werde. Die Inventur besteht darinn, daß ein genaues Verzeichniß von
dem sämtlichen, dem Waisen zugefallenen Vermögen verfaßt wird: In Ansehung der
Inventur ist weder auf die Nachsicht, noch auf das Verboth eines Vaters, oder
eines anderen Erblassers Rücksicht zu nehmen.
§.
202. Das Verzeichniß des Vermögens, und dessen Schätzung müssen also ohne
Zeitverlust, allenfalls auch vor Bestellung des Vormundes
(286)
vorgenommen werden. Das Inventarium wird bei den Verlassenschafts-Akten
aufbewahrt, und dem Vormunde eine authentische Abschrift davon mitgetheilt:
kann die Schätzung nicht sogleich, oder nicht ohne großem Aufwande vorgenommen
werden, so mag sie in Rücksicht auf das unbewegliche Vermögen nicht nur
verschoben, sondern, wenn der Werth desselben aus anderen zuverläßigen Quellen
bekannt ist, auch wohl ganz unterlassen werden.
§.
203. Ist ein liegendes Pupillargut in einer anderen Provinz, oder gar in einem
fremden Staate vorhanden; so muß die vormundschaftliche Behörde den
ordentlichen Gerichtsstand der anderen Provinz, oder des fremden Staates um die
Inventur, und Schätzung, und um die Mittheilung derselben angehen, diesem
Gerichtsstande aber die Bestellung eines Kurators, oder Sachwalters über dieses
Gut gänzlich überlassen.
§.
204. Ist ein Pupillargut in der nämlichen Provinz gelegen, aber einem anderen
Gerichtsstande unterworfen; so gebühren zwar diesem Gerichtsstande alle auf das
sich beziehenden Rechte, und folglich auch die Inventur; allein er soll der
vormundschaftlichen Behörde auf ihr Verlangen nicht nur eine Abschrift davon
mittheilen, sondern auch dem Vormunde die freie Verwaltung des Gutes
überlassen, ohne sich über seine vormundschaftlichen Handlungen eine Art von
Gerichtsbarkeit anzumaßen.
§.
205. Diejenigen Mobillien, welche sich auf einem liegenden Gute befinden um
beständig auf selbem zu bleiben, sind als Theil dieses Gutes anzusehen; alle
übrigen Mobilien aber, selbst Schuldbriefe, und andere ordentlich vorgemerkte
Kapitalien kleben der Person des Minderjährigen an, und gehören unter die
vormundschaftliche Gerichtsbarkeit.
§.
206. Sobald ein Vormund, oder ein Kurator das Pupillarvermögen übernommen hat,
so ist er verpflichtet solches mit aller Aufmerksamkeit eines redlichen, und
fleißigen Hauswirths zu verwalten, und für allen durch sein Verschulden
entstandenen Schaden zu haften.
§.
207. Juwelen, und andere Kostbarkeiten, alle wichtigen Urkunden kommen mit den
Schuldbriefen in gerichtliche Verwahrung; von jenen erhält der Vormund ein
Verzeichniß, von diesen sie zu seinem Gebrauche nöthigen Abschriften.
§.
208. Vom baaren Gelde soll nur soviel in den Händen des Vormundes, oder
Kurators verbleiben, als zum ordentlichen Betrieb der Pupillarwirthschaft
nöthig ist; das übrige muß vorzüglich zu Tilgung der etwa vorhandenen Schulden
verwendet, und wenn kein vorteilhafter Gebrauch davon zu machen ist, auf Zinsen
angeleget werden.
(287)
§. 209. Das übrige bewegliche Vermögen, welches weder zum eigenen Gebrauche des
Pflegebefohlenen dienen, noch auf eine andere Art vortheilhaft verwendet werden
kann, muß im Allgemeinen öffentlich feilgebothen werden: Indessen kann man der
Mutter, und dem Miterben das Hausgeräth in dem gerichtlichen Schätzungspreise
aus freier Hand überlassen. Stücke, die bei der öffentlichen Versteigerung
nicht an Mann gebracht worden sind, kann der Vormund mit Bewilligung des
vormundschaftlichen Gerichts auch unter dem Schätzungspreise verkaufen.
§.
210. Das unbewegliche Vermögen eines Minderjährigen kann in der Regel nicht
veräußert werden; nur der Nothfall oder der offenbare Vortheil können eine
solche Veräusserung, doch nicht anders, als mit Genehmhaltung des
vormundschaftlichen Gerichts, veranlassen.
§.
211. Uiberhaupt kann ein Vormund in allen Geschäften, welche nicht in den
ordentlichen Wirthschaftsbetrieb einschlagen, und welche von größerer
Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche Einwilligung vornehmen; er kann also
eigenmächtig keine Erbschaft unbedingt annehmen, keine ausschlagen, keine
liegenden Güter, oder kostbare Mobilien an sich bringen, keine sichere
Forderung aufkündigen, keine abtretten, keinen beträchtlichen Rechtsstreit
vergleichen, keine Fabrik, keine Handlung, kein Gewerb anfangen, fortsetzen,
oder aufheben.
§.
212. Da ein Vormund für sich allein kein Kapital seines Pflegebefohlenen
aufkündigen, oder wenn es zurückbezahlt wird, in Empfang nehmen kann, so muß
sich Jeder, dem ein solches Kapital aufgekündigt wird, zu seiner Sicherheit die
deswegen ergangene gerichtliche Verordnung vorzeigen lassen, und wenn er es
zurückbezahlt, sich nicht mit der Quittung des Vormundes allein begnügen; auch
steht es ihm frei, die Zahlung unmittelbar an das Gericht selbst zu leisten.
§.
213. So oft der Fall eintritt, daß ein ein ausstehendes Kapital eingehen soll,
hat der Vormund dem Gerichte vorläufige Anzeige davon zu thun, damit es für
dessen vortheilhafte Verwendung die die gehörige Anstalt treffen könne.
§.
214. Schuldforderungen, die nicht hinlänglich durch Instrumente gedeckt, und
sichergestellt sind, muß der Vormund soviel wie möglich sicherstellen lassen,
oder zur Verfallszeit eintreiben: Ist aber bei solchen Forderungen eine Gefahr
vorhanden, so muß sich der Vormund zur Verwendung derselben ohne Zeitverlust
der in der Gerichtsordnung vorgeschriebenen Rechtsmittel bedienen.
§.
215. So lang ein Vormund die durch das Gesetz zur Sicherheit des
Pupillarvermögens vorgeschriebenen Maaßregeln genau beobachtet,
(288)
und über das ihm anvertraute Vermögen zur gehörigen Zeit ordentliche Rechnung
legt, kann er von aller Kauzion (!) freigesprochen werden.
§.
216. In der Regel ist jeder Vormund und jeder Kurator verbunden über die ihm
anvertraute Verwaltung ordentliche Rechnung zu führen, und zu legen: Von der Rechnungslegung
kann zwar der Erblasser in Ansehung des von ihm freiwillig vermachten Betrages
einen Vormund lossprechen, auch das vormundschaftliche Gericht kann dieses,
wenn das Einkommen die Auslagen für den Unterhalt, und die Erziehung des
Pflegebefohlenen nur wenig übersteigt: allein das in der Inventur aufgenommene
Hauptvermögen, und Kapital muß ein Vormund in allen Fällen ausweisen, auch von
dem Zustande seines Pflegebefohlenen Bericht erstatten.
§.
217. Die Rechnungen müssen mit jedem Jahre, oder längsten innerhalb zwei
Monaten nach dessen Verlaufe mit allen erforderlichen Belegen dem
vormundschaftlichen Gerichte übergeben werden: in diesen Rechnungen muß die
Einnahme, und die Ausgabe, der Uiberschuß, oder der Mangel des Kapitals genau
bestimmt werden. Ist unter diesem Pupillarvermögen eine Handlung begriffen, so
hat sich das Gericht mit dem vorgelegten beglaubigten Rechnungsabschluße, oder
mit der sogenannten Bilanz zu begnügen; und solche geheim zu halten.
§.
218. Befindet sich das Pupillarvermögen in verschiedenen Provinzen zerstreut,
und ist dessen Verwaltung dem Vormunde allein anvertrauet worden, so muß er
zwar für jede Provinz eine besondere Rechnung führen, und der dasigen Behörde
vorlegen: allein es bleibt ihm freigestellt zum Besten seines Pflegebefohlenen
den Uiberschuß des in einer Provinz gelegenen Vermögens in einer anderen
Provinz zu verwenden.
§.
219. Das vormundschaftliche Gericht ist verbunden die Rechnungen des Vormundes
nach den in jeder Provinz bestehenden Vorschriften durch Rechnungs- und
Sachverständige prüfen, und berichtigen zu lassen, sofort die Erledigung
darüber zu schöpfen, und dem Vormunde das Resultat davon mitzutheilen.
§.
220. Hält sich der Vormund in der erfolgten Rechnungserledigung durch einen ihm
aufgetragenen Ersatz, oder durch eine ihm nicht bewilligte Forderung beschwert,
so steht ihm der Rekurs an den höheren Richter frei.
§.
221. Ein Vormund kann wegen Erfüllung seiner Pflicht nicht zu Schaden kommen;
er ist berechtigt alles, was er zum Besten seines Pflegebefohlenen rechtmäßig
vorgeschossen, oder sonst aus dem Seinigen geleistet hat, wieder zu fordern.
(289)
§. 222. Ist in den Rechnungen etwas vergessen worden, oder sonst was immer für
ein Verstoß untergelaufen, so kann dieses weder dem Vormunde noch seinem
Pflegebefohlenen zum Nachtheile gereichen.
§.
223. Ein Minderjähriger kann weder als Kläger, noch als Beklagter vor Gericht
erscheinen; in solchen Fällen muß ihn der Vormund seinem Angelobniß zufolge
entweder selbst vertretten, oder durch einen Beistand vertretten lassen.
§.
224. Ein Pflegebefohlener ist zwar berechtiget durch außergerichtliche erlaubte
Handlungen ohne Mitwirkung seines Vormundes etwas für sich zu erwerben; allein
er kann ohne ausdrückliche Genehmhaltung der Vormundschaft weder etwas von dem
Seinigen veräussern, noch sich zu irgend einer Sache verpflichten.
§.
225. Hat der Pflegebefohlene auch ohne Einwilligung seines Vormundes eine
Bedienung angetretten, hat er sich einer Handlung, oder einem Gewerbe gewidmet,
oder als Dienstperson vermiethet, so kann ihn der Vormund ohne wichtige Ursache
vor der gesetzmäßigen Frist nicht zurückrufen: was er auf diese, oder auf eine
andere Art durch seinen Fleiß erwirbt, darüber kann er so, wie mit jenen
Sachen, die ihm zu seinem Gebrauche eingehändigt worden sind, schalten, und
walten, auch sich verhältnißmäßig verpflichten.
§.
226. Einem Pflegebefohlenen, der das zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat,
kann die Obervormundschaft nach Gutbefinden den reinen Uiberschuß seiner
Einkünfte zur eigenen freien Verwaltung überlassen. Auch ist der
Pflegebefohlene berechtigt, über diesen seiner Verwaltung anvertrauten Betrag
unabhängige Verbindungen einzugehen.
§.
227. Gesetzwidrige Handlungen, List und Betrug können einem Minderjährigen in
keinem Falle zu statten kommen; er bleibt vor alles, was er verschuldet, sowohl
mit seiner Person, als mit seinem Vermögen verantwortlich.
§.
228. Eine Vormundschaft endiget sich gänzlich durch den Tod, oder durch die
Volljährigkeit eines Pflegebefohlenen. Stirbt aber ein Vormund, oder wird einer
entlassen, so muß nach Vorschrift der Gesetze ein anderer bestellt werden.
§.
229. Die Volljährigkeit wird nach dem Gesetze mit Antritt des fünf und
zwanzigsten Jahres erreicht; es hängt aber von dem vormundschaftlichen Gerichte
ab, einem bereits zwanzigjährigen Pflegebefohlenen nach vorher eingezogenen
Gutachten des Vormundes, und allenfalls der nächsten Verwandten die Nachsicht
des Alters zu bewilligen, und ihn volljährig zu erklären.
(290)
§. 230. Mit der nämlichen Vorsicht kann das vormundschaftliche Gericht den
Zeitpunkt der Volljährigkeit eines Pflegebefohlenen auf eine längere, und
unbestimmte Zeit hinaussetzen, wenn er wahn(-) oder blödsinnig ist, oder
gerichtlich für einen Verschwender erklärt werden muß.
§.
231. Die Entlassung des Vormundes verordnet das Gericht in einigen Fällen von
Amtswegen, in andern, wenn es darum angesucht wird.
§.
232. Von Amtswegen muß ein Vormund entlassen werden, wenn er als unfähig
erkannt wird, oder wenn sich in Ansehung Seiner solche Bedenklichkeiten äußern,
welche ihn Kraft des Gesetzes von der Vormundschaft ausgeschlossen haben
würden.
§.
233. Hat der Erblasser einen Vormund nur auf gewisse Zeit bestellt, oder ihn
auf einen bestimmten Ereignißfall ausgeschlossen, so muß er entlassen werden,
sobald diese Zeit verflossen, oder der bestimmte Fall eingetretten ist.
§.
234. Einer Mutter muß die Vormundschaft abgenommen werden, sobald sie sich
wieder verheurathet, den Fall ausgenommen, daß sie, oder ihr neuer Ehegatte die
noch mangelnde Sicherstellung des Pupillarvermögens leisten würde.
§.
235. Nehmen die Verwandten des Minderjährigen wahr, daß der Vormund sein Amt
nachläßig verwalte, so sind sie verbunden es dem Gerichte anzuzeigen. Dieses
hat die Beschuldigung zu untersuchen, den Schuldigbefundenen zu bestrafen, und ihn
zum Ersatze des durch seine Nachläßigkeit entstandenen Schadens anzuhalten.
§.
236. Fährt der Vormund dieser Ahndung ungeachtet in seiner Nachläßigkeit fort,
oder zieht er sich einen gegründeten Verdacht der Eigennützigkeit, und des
Betruges zu; so muß er durch Urtheil, und Recht seines Amtes entsetzt, und
verhältnißmäßig bestrafet werden.
§.
237. Ein Vormund kann die Entlassung von seinem Amte verlangen, wenn während
der Vormundschaft solche Gründe eintretten, die ihn Kraft der Gesetze von
Uibernehmung derselben ausgeschlossen, oder befreiet hätten.
§.
238. Einem Vormunde, dem man als vermeintlichen nächsten Verwandten des
Minderjährigen die Vormundschaft aufgetragen hat, steht es zwar frei, einen
später entdeckten nähern, und tauglichen Verwandten an seine Stelle
vorzuschlagen; allein der nähere Verwandte hat kein Recht zu fordern, daß ihm
ein minder naher Verwandter eine bereits angetrettene Vormundschaft abtrette.
(291)
§. 239. Doch können des Minderjährigen Mutter, oder Bruder, welche zur Zeit der
bestellten Vormundschaft selbst noch minderjährig waren, nach erreichter
Volljährigkeit auf die Vormundschaft Anspruch machen; diesen Anspruch hat auch
ein anderer Verwandter, wenn das Gericht einen Fremden zur Vormundschaft
berufen hat.
§.
240. Wenn das Pupillarvermögen dadurch keiner Gefahr ausgesetzt wird, kann ein
Ehemann die Vormundschaft über seine minderjährige Gattin, und ein Wahlvater
die Vormundschaft über sein Wahlkind übernehmen: es wäre denn, daß durch den
geschlossenen Vertrag ein anderes bestimmt worden wäre.
§.
241. Ein unverfänglicher Vormund kann in der Regel nur am Ende des
vormundschaftlichen Jahres, nachdem sein Nachfolger die Verwaltung des
Pupillarvermögens ordentlich übernommen hat, die Vormundschaft niederlegen:
wird aber ein Vormund verfänglich befunden, so hat das Gericht die zur
Sicherheit des Pupillarvermögens nöthigen Maaßregeln ohne Zeitverlust zu
nehmen.
§.
242. Am Ende einer Vormundschaft ist es die Pflicht eines Vormundes, oder wenn
er nicht mehr am Leben ist, seiner Erben das sämmtliche Pupillarvermögen, wenn
der Pflegebefohlene volljährig geworden ist, ihm selbst, oder nach Umständen
seinen Erben, wenn aber der Pflegebefohlene die Volljährigkeit noch nicht
erreicht hat, dem neu bestellten Vormunde gegen Empfangsschein zu übergeben,
und sich darüber bei Gericht zu legitimiren: das aufgenommene Verzeichniß des
Vermögens, und die jährlichen Rechnungsausweise dienen bei solchen Uibergaben
zur Richtschnur.
§.
243. Ein Vormund ist verbunden längstens innerhalb zwei Monaten nach geendigter
Vormundschaft dem Gerichte seine Schlußrechnung zu übergeben: von diesem
Gerichte erhält er nach gepflogener Richtigkeit eine allgemeine Quittung, die
Entbindung von der Kaution, und die sogenannte Verzicht über die ordentlich und
redlich geführte Verwaltung seines Amtes.
§.
244. So lang noch ein Punkt der vormundschaftlichen Verwaltung zu erörtern,
oder zu verantworten übrig ist, kann dem Vormunde die allgemeine Quittung, und
Verzicht verweigert, oder wenigstens die noch mangelnde Berichtigung in
denselben vorbehalten werden. In beiden Fällen ist ein Zeitpunkt zu bestimmen,
an welchem die Partheien, wenn sie bis dahin nicht einig werden können, ihre
Klagen vor Gericht zu bringen haben.
(292)
§. 245. Doch kann auch eine ertheilte ganz unbedingte Verzicht nicht verhindern
einen gewesenen Vormund wegen einer später entdeckten arglistigen, und
betrügerischen Handlung im Wege Rechtens zu verfolgen.
§.
246. Eigentlich hat ein Vormund nur für sein Verschulden, und nicht auch für
das Verschulden der ihm untergeordneten Beamten zu haften: hat er aber aus
eigener Schuld unfähige Leute angestellet: hat er solche beibehalten: oder
nicht auf den Ersatz des von ihnen
verursachten
Schadens gedrungen, so ist er auch dieser Nachläßigkeit wegen verantwortlich.
§.
247. Selbst die Beisitzer des vormundschaftlichen Gerichtes, welche ihr Amt zum
Nachtheile eines Minderjährigen vernachläßiget haben, sind für jede
pflichtwidrige Handlung verantwortlich, und wenn keine andere Erholungsmittel
vorhanden sind, den erweislichen Schaden zu ersetzen verbunden.
§.
248. Je schwerer die mit dem vormundschaftlichen Amte verbundene Last ist,
desto größern Anspruch hat ein Vormund auf Erkenntlichkeit: allein dem
rechtschaffenen Manne ist das Bewußtseyn seine Bürgerpflicht erfüllt zu haben
schon Belohnung genug: und so lange die Ausgaben für einen Pflegebefohlenen
dessen Einnahme beinahe gleich kommen, hat der Vormund auf keine andere
Vergeltung seiner Bemühungen Anspruch.
§.
249. Erweisen es aber die Rechnungen, daß ein Vormund gut gewirthschaftet, und
Ersparungen gemacht hat, oder ist dem Pflegebefohlenen eine anständige
Versorgung zu Theil geworden; dann kann das Gericht dem Vormunde von Amtswegen
eine verhältnißmäßige Belohnung zuerkennen: doch darf diese Belohnung nie mehr
als Fünf von Hundert der reinen Einkünfte betragen, und sich höchstens auf
viertausend Gulden jährlich belaufen.
§.
250. Hat das Gericht dem Vormunde keine Belohnung ausgeworfen, so ist er
befugt, sie innerhalb drei Jahren zu fordern. Glaubt der Vormund, oder die
Verwandtschaft des Pflegebefohlenen, daß die vom Gerichte ausgeworfene
Belohnung mit den geleisteten Diensten, oder mit dem Pupillarvermögen in keinem
Verhältnisse stehe, so kann sich der Vormund innerhalb vierzehn Tagen: die Verwandtschaft
aber innerhalb Eines Jahres von dem Tage der Rechnungserledigung an bei dem
höheren Gerichtsstande beschweren.
§.
251. Für Personen, welche ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen, und ihre
Rechte nicht selbst verwahren können, hat das Gericht, wenn die väterliche,
oder vormundschaftliche Gewalt nicht Platz findet, einen Kurator, oder
Sachwalter zu bestellen.
(293)
§. 252. Dieser Fall tritt ein, bei Minderjährigen, die in einer andern Provinz
ein unbewegliches Vermögen besitzen: bei Volljährigen, die in Wahn, oder
Blödsinn verfallen: bei erklärten Verschwendern: bei Ungebornen: zuweilen auch
bei taub und stumm Gewordenen: und bei Abwesenden.
§.
253. Für wahn und blödsinnig kann nur derjenige gehalten werden, welcher durch
erfahrne Aerzte dafür erklärt wird; als Verschwender aber muß das Gericht von
Amtswegen einen jeden erklären, der sein Vermögen auf eine unbesonnene und
unnütze Art durchbringt, zugleich sich in Schulden steckt, und unter
verderblichen Bedingungen Summen entlehnt.
§.
254. Taube, und Stumme, wenn sie zugleich blödsinnig sind, bleiben beständig
unter Vormundschaft, sind sie aber nach Antritt des fünf und zwanzigsten Jahres
ihre Geschäfte zu verwalten fähig, so darf ihnen wider ihren Willen kein
Kurator gesetzt werden; nur sollen sie vor Gerichte nie ohne einen Sachwalter
erscheinen.
§.
255. Die Bestellung eines Kurators für Abwesende, oder für unbekannte Personen
findet dann statt, wenn sie keinen ordentlichen Sachwalter zurückgelassen
haben, ohne solchen aber ihre eigenen Rechte durch Verzug gefährdet, oder die
Rechte eines Andern in ihrem Gange gehemmet würden. Ist der Aufenthaltsort
eines Abwesenden bekannt, so muß ihn sein Kurator von der Lage seiner
Angelegenheiten unterrichten, und diese Angelegenheiten, wenn keine andere Verfügung
getroffen wird, wie jene eines Minderjährigen, besorgen.
§.
256. In Rücksicht auf Ungeborne wird ein Sachwalter entweder für die
Nachkommenschaft überhaupt, oder für eine bereits vorhandene Leibesfrucht
aufgestellet. Im ersten Falle hat der Sachwalter dafür zu sorgen, daß die
Nachkommenschaft bei einem ihr bestimmten Nachlasse nicht verkürzet werde; im
zweiten Falle aber muß er wachen, daß dem noch ungebornen Kinde kein Recht
verloren gehe, welches ihm zukommen würde, wenn es schon geboren wäre.
§. 257.
Die Gesetze wollen in solchen Fällen nur die Leibesfrucht, nicht aber wegen der
Leibesfrucht einen Dritten begünstigen. Aus diesem Grunde wird ein todgebornes
Kind in Rücksicht auf die ihm vorbehaltenen Rechte so angesehen, als wäre es
nie empfangen worden.
§.
258. In Geschäften, welche zwischen Aeltern, und einem minderjährigen Kinde,
oder zwischen einem Vormunde, und seinem Pflegebefohlenen vorfallen, muß das
Gericht angegangen werden, für das minderjährige Kind, oder für den
Pflegebefohlenen einen besondern Kurator zu ernennen; weil Aeltern und
Vormünder in ihrer eigenen Angelegenheit keine Genehmigung ertheilen können.
(294)
§. 259. Fallen zwischen zwei oder mehreren Pflegebefohlenen, welche einen und
denselben Vormund haben, Rechtsstreitigkeiten vor; so darf dieser Vormund
keinen seiner Pflegebefohlenen vertretten, sondern er muß das Gericht angehen,
daß es für jeden insbesondere einen eigenen Kurator ernenne.
§.
260. Das Gericht, welchem die Ernennung eines Vormunds zusteht, hat in der
Regel unter der nämlichen Vorsicht, und nach den nämlichen Grundsätzen auch den
Kurator zu bestellen. Ist es aber um die Verwaltung einer Sache, oder eines
Geschäftes zu thun, welche zu einem andern Gerichtsstande gehören, so hat
dieser Gerichtsstand auch den Kurator zu ernennen.
§.
261. Wer die gehörigen Eigenschaften zum vormundschaftlichen Amte besitzt, kann
auch eine Kuratele übernehmen. Auch kann der Fall eintretten, daß man Jemanden,
der wegen seines Aufenthaltes in einer fremden Provinz, oder wegen
Verschiedenheit der Religion von der Vormundschaft ausgeschlossen ist, die
Kuratele anvertraue.
§.
262. Kuratoren haben verhältnißmäßig einerlei Recht, und Verbindlichkeiten mit
den Vormündern: die Kuratele hört auf, wenn die dem Kurator anvertrauten
Geschäfte geendiget sind, oder wenn die Gründe aufhören, die den
Pflegebefohlenen an Verwaltung seiner Angelegenheiten verhindert haben.
§.
263. Ob ein Wahn, und Blödsinniger den Gebrauch der Vernunft erhalten habe: ob
der Wille eines Verschwenders gründlich, und dauerhaft gebessert sey, müssen im
ersteren Falle die Zeugnisse der Aerzte, im letzten Falle eine zwei bis
dreijährige Erfahrung entscheiden.
§.
264. Sucht Jemand bei Eintrettung aller durch das Gesetz bestimmten
Erfordernisse um die gerichtliche Todeserklärung eines Abwesenden an; so hat
das Gericht für diesen Abwesenden vor allen einen Kurator zu ernennen. Dann
wird er durch ein auf ein ganzes Jahr gestelltes Edikt unter Warnung der
Todeserklärung gehörig vorgeladen, und wenn er während dieser Zeit nicht
erscheint, oder nicht sonst ein Zeichen seines Lebens und Aufenthalts von sich
giebt, soll die wirkliche Todeserklärung vor sich gehen.
§.
265. Der Tag, an welchem eine Todeserklärung ihre Rechtskraft erlanget hat,
wird für den rechtlichen Sterbetag eines Abwesenden gehalten. Doch schlüsset
eine Todeserklärung den Beweis nicht aus, daß der Abwesende früher oder später
gestorben, oder auch daß er noch am Leben sey. Kommt ein solcher Beweis zu
Stande, so ist derjenige, welcher auf den Grund der gerichtlichen Todeserklärung
ein Vermögen in Besitz genommen hat, wie ein anderer redlicher Besitzer zu
behandeln.
(295)
Sechstes Hauptstück
Von
den Rechten und Pflichten zwischen Herrschaften und Dienstpersonen.
§.
266. Fast jede Haushaltung hat Dienstpersonen nöthig, welche gegen einen
bestimmten Lohn einen Theil der häuslichen Verrichtungen übernehmen; so
verschieden auch diese Verrichtungen seyn mögen, so stimmen doch die Pflichten
aller Dienstpersonen darin überein, daß sie aufmerksam, fleißig und treu seyn,
und das Beste ihrer Herrschaft nach ihren Kräften befördern sollen.
§.
267. Eigentlich steht es dem Haupte der häuslichen Gesellschaft zu,
Dienstpersonen aufzunehmen, doch gilt die rechtliche Vermuthung, daß die Wahl
weiblicher Dienstpersonen der Frau des Hauses überlassen sey.
§.
268. Kein Dienstwerber soll ohne Abschied, oder Entlassungsschein von seiner
vorigen Herrschaft, oder ohne ein anderes bewährtes Zeugniß seines Verhaltens
in einen Dienst aufgenommen werden.
§.
269. Die Herrschaft hat den Abschied, oder das Zeugniß einer aufgenommenen
Dienstperson in Verwahrung zu nehmen, und ihr zu ihrer Sicherheit einen
Gegenschein auszustellen.
§.
270. Wer einer Dienstperson wissentlich ein unwahrhaftes Zeugniß ausstellet,
oder einen verfänglichen Dienstbothen aus eigener Schuld in ein Haus bringt;
der setzt sich einer schweren Verantwortung bei dem Polizeiamte aus, und haftet
ausserdem noch für allen daraus entstehenden Schaden.
§.
271. Wer über seine Person nicht frei schalten kann, sondern unter der Gewalt
eines Andern stehet, kann ohne dessen Einwilligung in keine Dienste tretten:
Diese Einwilligung wird aber für die durch das Gesetz bestimmte Dienstzeit
vermuthet, wenn eine unter väterlicher oder vormundschaftlicher Gewalt stehende
minderjährige Person, oder auch eine Ehegattinn in dem Falle ist, sich durch
Dienstnehmung den nothwendigen Unterhalt verschaffen zu müssen.
§.
272. Ein Dienstvertrag wird zwar durch mündliche Verabredung allein schon
giltig; doch gebührt bei eintrettenden fremden Ansprüchen jener Herrschaft, und
jenem Dienstwerber der Vorzug, welche ihr Recht durch einen schriftlichen
Vertrag, oder durch wirklich gegebenes, und empfangenes Miethgeld beweisen
können.
§.
273. Dieses Miethgeld, oder sogenannte Angeld ist als ein Theil des künftigen
Lohnes anzusehen, und wird in der Regel auf den Lohn abgerechnet.
(296)
§. 274. Die Herrschaft, welche einen unverwerflichen Dienstbothen ihrer Zusage
gemäß nicht aufnimmt, verliert das Miethgeld, und der Dienstbothe, der aus
seiner Schuld einen Dienst nicht antritt, hat das Miethgeld doppelt
zurückzustellen. Beide sind zum Ersatz des weiter erfolgten erweislichen
Schadens verbunden.
§.
275. Worinn die Dienstleistung und der Lohn bestehen, und wie lange die
Dienstzeit dauern soll, dieses wird durch den Vertrag bestimmt, den
Herrschaften, und Dienstpersonen miteinander eingehen. Nur darf in diesen
Vertrag nichts gesetzwidriges aufgenommen werden.
§.
276. In den österreichischen Staaten wird weder Leibeigenschaft noch Sklaverei
geduldet.
§.
277. Werden die wechselseitigen Rechte und Verbindlichkeiten der Herrschaften
und ihrer Dienstpersonen weder durch einen Vertrag, noch durch einen
Aufnahmsschein, oder sogenannten Spannzettel hinlänglich bestimmt; so verordnet
das Gesetz, daß Bediente, und andere Dienstbothen, welche unter den Namen des
gemeinen Gesindes begriffen werden, jede erlaubte ihren Kräften angemessene
Haus- und Feldarbeit zu übernehmen verbunden sind.
§.
278. Lehrjungen, Gesellen, und alle übrigen wie immer genannten Gehülfen der
Handwerker, Gewerbsmänner, und Künstler können zu keinen Verrichtungen
angehalten werden, welche mit ihren Berufsgeschäften, oder gar mit den
bestehenden Innungsartikeln im Widerspruche sind.
§.
279. Hausoffizianten, oder solche Personen, welche zur Bedienung, oder zum
Gefolge einer Herrschaft aufgenommen worden sind, und denen das gemeine
Hausgesinde verhältnißmäßig untergeordnet ist, müssen sich allen häuslichen
Geschäften unterziehen, die ihrer eigentlichen Bestimmung nicht geradezu
entgegen gesetzt sind.
§.
280. Was Erzieher, Leib- und Wundärzte, Kapläne, Sekretäre, Wirthschafter,
Rechnungsführer, und andere Hausgenossen, die mehr mit den Kräften des Geistes,
als des Körpers dienen, für häusliche Verrichtungen zu übernehmen haben, dieses
wird schon hinlänglich durch eines jeden Amt, und Karakter bestimmet.
§.
281. Im Nothfalle ist eine jede in Diensten stehende Person die Stelle einer
andern verhältnißmäßig zu vertreten schuldig: Es ist aber auch jede Herrschaft
verbunden, ihren Dienstpersonen die zur Pflegung des gewöhnlichen Gottesdienstes,
und ihrer Gesundheit nöthige Zeit zu gestatten.
§.
282. Wer einen Dienst angetretten hat, ohne mit seiner Herrschaft über seinen
Lohn, er bestehe nun in Kost, Wohnung, Kleidung,
(297)
Gelde, oder in andern Sachen vorher überein zu kommen, der kann nie auf etwas
mehr Anspruch machen, als auf das, was sein Vorgänger in diesem Dienste
erhalten hat, oder was Dienstpersonen seines gleichen in dem nämlichen Orte
gemeiniglich erhalten, er muß sich sogar mit der geringsten der gewöhnlichen
Vergeltungen begnügen.
§.
283. Ist die Dauer der Dienstzeit nicht durch einen Vertrag, oder durch die Art
des Dienstes selbst entschieden, so bestimmt das Gesetz diese Dauer auf dem
Lande auf ein ganzes Jahr, und in den Hauptstädten auf sechs Wochen: der
Schade, welcher aus der früheren Entlassung oder Austrettung aus einem Dienste
entstehen, muß von dem vergütet werden, der ihn verursachet.
§.
284. Die Herrschaft, und die Dienstperson, welche den Dienstvertrag über den
Verlauf der bedungenen, oder gesetzmässigen Zeit nicht fortsetzen will, muß den
Dienst in Städten vier Wochen, und auf dem Lande sechs Monate vor diesem
Verlauf aufkündigen.
§.
285. Allein die Herrschaft und die Dienstperson sind in manchen Fällen
berechtiget, die Aufkündigungsfrist auf vierzehn Tage einzuschränken: Eine
Herrschaft ist dieses berechtiget, wenn eine Dienstperson zum Dienste
ungeschickt befunden wird: wenn sie dem Spiele, dem Trunke, dem Auslaufen, oder
einer andern unordentlichen Lebensart ergeben ist: wenn sie mit Feuer und Licht
unvorsichtig umgehet: oder mit ihren Dienstgenossen unverträglich lebt: Auch
eine schwangere ledige Weibsperson kann man nach vierzehntägiger Aufkündigung,
jedoch mit Vorsicht für die Sicherheit der Leibesfrucht, entlassen.
§.
286. Eine Herrschaft muß nach vorhergegangener vierzehntägiger Aufkündigung
eine Dienstperson entlassen, wenn sie ihren Lohn zur Verfallzeit, oder
wenigstens vierzehn Täge nachher nicht erhalten hat: oder wenn sie ohne Ursache
hart, oder schimpflich behandelt worden ist.
§.
287. Ein Dienstbothe, der auf dem Lande sich verheurathen, oder eine eigene
Wirthschaft antretten will, muß seinen Dienst nur sechs Wochen vorher
aufkündigen.
§.
288. Auf der Stelle, und ohne alle Aufkündigung kann eine Herrschaft eine
Dienstperson entlassen, wenn sich diese durch einen unwahrhaft befundenen
Abschied, oder durch ein anderes falsches Zeugniß in den Dienst eingeschlichen
hat: wenn sie die häusliche Ruhe störet: wenn sie ihre Herrschaft beleidiget:
ihr übel nachredet: oder sich ihren Befehlen widersetzt: wenn sie die
Hausgenossen zum Bösen verleitet: oder sich einer Veruntreuung schuldig macht.
§.
289. Eine Herrschaft hat kein Recht, eine Dienstperson deßhalben, weil sie
erkranket ist, ohne ordentliche Aufkündigung zu entlassen;
(298)
sie ist vielmehr verbunden, ihr wenigstens auf Rechnung des schon verdienten
Lohnes, oder des sonstigen Vermögens der Dienstperson allen möglichen Beistand
zu leisten; reicht dieses Vermögen nicht zu: verstatten es die häuslichen
Umstände der Herrschaft nicht: oder ist Gefahr der Ansteckung da, so kann und
muß die Herrschaft zu den öffentlichen wohlthätigen Krankenanstalten Zuflucht
nehmen.
§.
290. Eine Dienstperson kann ohne Aufkündigung austretten, wenn sie in einer
schweren Krankheit anderswo untergebracht werden will: wenn man ihr bedungene
Kost, und Lohn versagt: wenn sie der Gefahr grober Mishandlungen, oder der
Verführung ausgesetzt ist: wenn man sie fälschlich eines Verbrechens
beschuldigt: wenn man ihr aufträgt ausser Landes zu reisen: oder sich von dem
Dienstorte auf länger, als ihre Dienstzeit dauert, zu entfernen.
§.
291. Verweise, Vorwürfe, anhaltende Beschäftigungen, selbst das Verbot einige
Täge nicht aus dem Hause zu gehen, gehören unter die Zucht, und
Besserungsmittel der Dienstbothen, und geben ihnen kein Recht, gegen eine
Herrschaft gerichtlich zu klagen, oder den Dienst vor der gesetzmässigen Zeit
aufzukündigen.
§.
292. Wenn der Zeitpunkt, an welchem einer Dienstperson ihr Lohn bezahlt werden
soll, nicht voraus bedungen ist, so muß er ihr, wenn sie sich selbst
beköstiget, zu Ende eines jeden Monats, sonst aber mit jedem Vierteljahre
bezahlt, und in allen Fällen bis auf die Stunde ihres Austrittes aus dem
Dienste berechnet werden. Zur Vermeidung aller Missverständnisse kann die
jedesmalige Bezahlung des Lohnes in dem Spannzettel geschrieben werden.
§.
293. Neujahrs, oder andere Geschenke die einer Dienstperson gegeben worden,
kann die Herrschaft nicht auf den bedungenen Lohn anrechnen.
§.
294. Die Liverei ist ein Theil des Lohnes: es gebühren einem Bedienten, der
durch drei Monate in einem Dienste gestanden ist, die Schuhe, und Strümpfe, und
nach Verlauf des Dienstjahrs alle Stücke der täglichen Liverei. Auf Pelze,
Mäntel, Kapotröcke, und dergleichen hat kein Bedienter einen rechtlichen Anspruch.
§.
295. Dienstpersonen, welchen die Führung einer Wirthschaft ganz oder zum Theil
anvertrauet worden ist, sind verbunden, zu allen Zeiten, besonders aber vor
ihrem Austritt aus dem Dienste Rechnung abzulegen, so wie diejenigen, welchen
die Herrschaft gewisse einzelne Dinge zur Verwahrung übergeben hat, sie richtig
auszuliefern, und jeden durch ihre Schuld entstandenen Schaden zu ersetzen
schuldig sind, entstehet in Ansehung des einen oder des andern dieser Puncte
zwischen den Herrschaften und einer Dienstperson ein Streit, so mag die
Herrschaft
(299) schaft auf ihre Verantwortung einer Dienstperson
ihren Lohn zurückhalten, und im Falle einer Gefahr um Personalarrest derselben
ansuchen; in Ansehung der Rechnungslegung aber muß sie nach Vorschrift der Gerichtsordnung
verfahren.
§ 296. Die Herrschaft sieht bei Aufnehmung einer
Dienstperson vorzüglich auf die Brauchbarkeit derselben: Aus diesem Grunde
endigt sich der mit ihr geschlossene Vertrag mit dem Leben der Dienstperson,
und ihre Erben haben keinen Anspruch, als auf den rückständigen Lohn. Eine
Dienstperson aber nimmt auf die Beschaffenheit der Haushaltung, in welche sie
sich verdinget, Rücksicht, und deßwegen dauert der Dienstvertrag auch nach dem
Tode der Herrschaft bis zur Aufkündigung fort.
§. 297. Die Herrschaft ist verbunden jeder
Dienstperson zur Zeit ihres gesetzmässigen Austrittes ein Zeugniß über ihr
Verhalten während der Dienstzeit zu ertheilen, und für die Wahrheit derselben
gegen Jedermann zu haften: ist die Dienstperson mit diesem Zeugniß unzufrieden,
so steht es ihr frei innerhalb vierzehn Tage bei der nächsten Polizeibehörde um
ein besseres anzusuchen.
§. 298. Hat der Herr gegen seinen Diener, oder dieser
gegen seinen Herrn irgends eine Klage, den Dienstvertrag betreffend, soll
dieses noch binnen dreißigtägigen Zeitfrist, vom Tage des Austritts an (!)
gerechnet, geschehen. Ist diese Zeit verstrichen, kann weder des einen, noch
des andern Klage vor Gericht dießfalls angebracht werden.
§. 299. Ist es aber darum zu thun, die gestörte Ruhe, und
Ordnung eines Hauses schnell herzustellen: eine plötzliche Trennung zwischen
einer Herrschaft, und einer Dienstperson zu untersuchen: Vergehungen schärfer
zu züchtigen: oder gar Verbrechen zu bestraffen, so hat man sich in erstern
Fällen an die Polizei, im letzern Falle aber an das Strafgericht zu wenden.
Zweyter Theil.
Erstes Hauptstück.
Von Sachen, und von ihrer rechtlichen Eintheilung.
§. 1. Alle Dinge, welche von der Person unterschieden
sind, und zu der Menschen Gebrauche dienen, werden im rechtlichen Sinne Sachen
genannt.
§. 2. Solang eine Sache so beschaffen ist, daß Niemand
ein ausschließliches Recht auf sie hat, bleibt sie allen Menschen gemein; hat
aber Jemand einen besondern Anspruch auf dieselbe, so heißt sie eine
angefallene
(300) oder ansprechige Sache. Von dieser Art sind,
eine noch nicht angetrettene Erbschaft, und ein noch nicht gefundener Schatz.
§. 3. Sachen, die sich im Gebiete eines Staates
befinden, sind nicht mehr allen Menschen gemein: sie gehören entweder dem
Staate insgesammt, oder bestimmten Mitgliedern desselben.
§. 4. Jene Sachen, welche dem Staate insgesammt
gehören, theilen sich in zweyerley Gattungen: sie sind nemlich entweder zum
gemeinen, öffentlichen Gebrauche aller Mitglieder bestimmt, als Landstrassen,
Strömme (!), Flüsse, Seehäfen und Meeresufer; dann werden sie ein allgemeines
oder öffentliches Gut genannt.
§. 5. Oder sie werden nicht einem jedem Bürger zum
freien Gebrauche überlassen, sondern zur Bedeckung der Staatsbedürfnisse
bestimmt, als Münz, Post, und andere Regalien, Kammergüter, Berg, und
Salzwerke, Gefälle von Steuern, Zöllen und andern Auflagen; dann heissen sie
das Staatsvermögen.
§. 6. Die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft
sind entweder Gemeinden oder einzelne Personen.
§. 7. Sachen, welche Gemeinden gehören, stehen in
zweifachem Verhältniß: einige davon, als Kirchen, öffentliche Plätze, Brunnen,
Bäche, Weiden, Waldungen, Wege dienen zum Gebrauche eines jeden Mitgliedes; sie
heissen das Gemeindegut.
§. 8. Andere aber, als Häuser, Grundstücke, Kapitalien
und dergleichen dürfen von Niemanden zu seinem besondern Vortheile benutzt
werden; die Einkünfte davon sind zur Bestreitung der Gemeindeauslagen bestimmt:
sie heissen das Gemeindevermögen.
§. 9. Was weder im öffentlichen, noch in dem
Gemeindegut begriffen ist, gehört einzelnen Personen im Staate, und heißt
Privatgut. Hierzu wird nicht nur das Vermögen einer Gemeinde, als einer
moralischen Person, sondern auch dasjenige Vermögen des Landesfürsten
gerechnet, welches er nicht als Oberhaupt des Staates, sondern im
Privateigenthume besitzt.
§. 10. Die Vorschriften über den Gebrauch des
öffentlichen Gutes und des Staatsvermögens sind in den Staatsrechten, jene über
den Gebrauch des Gemeindegutes sind in den politischen Verordnungen enthalten.
Was in Rücksicht auf das Privatgut Rechtens sey; wie es rechtmäßig erworben,
erhalten, und auf andere übertragen werden könne; bestimmen die bürgerlichen
Gesetze: nach diesen Gesetzen werden auch die Streitigkeiten entschieden,
welche zwischen den Eigenthümern eines Privatgutes und den Verwaltern des
Staats, und Gemeindevermögens entstehen.
(301) §. 11. Aus der verschiedenen Beschaffenheit der
Sachen erhalten die sich darauf beziehenden Handlungen und Rechte eine
verschiedene Bestimmung: sie werden nach dieser Beschaffenheit weiter
eingetheilt in körperliche und unkörperliche: in bewegliche und unbewegliche:
in verzehrbare und unverzehrbare: in schätzbare und unschätzbare: in theilbare
und untheilbare Sachen.
§. 12. Körperliche Sachen sind diejenigen, welche in
die Sinnen fallen, z. B. Häuser, Wiesen, Thiere; unkörperliche sind diejenigen,
welche nur durch menschliche Begriffe bestehen, z. B. das Recht zu jagen, zu
fischen und alle andern Rechte.
§. 13. Sachen, welche ohne Verletzung ihrer Substanz
und ihrer Bestandtheile von einer Stelle zur andern versetzt werden können,
sind beweglich; im entgegengesetzten Falle sind sie unbeweglich. Doch kann das
Gesetz oder der Wille des Eigenthümers eine ihrer Natur nach bewegliche Sache
für unbeweglich erklären.
§. 14. Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbaren
Dinge, welche die Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lang ein
unbewegliches Vermögen, als sie nicht vom Grunde und Boden abgesondert worden
sind; selbst die Fische in einem Teiche, und das Wild in einem Walde werden erst
dann ein bewegliches Gut, wenn der Teich gefischt, und das Wild gefangen oder
erlegt worden ist.
§. 15. Auch das Getreide, das Holz, das Viehfutter,
und alle übrigen obgleich schon eingebrachten Erzeugnisse, so wie alles Vieh
und alle zu einem liegenden Gute gehörigen Werkzeuge und Geräthschaften werden
in so fern für unbewegliche Sachen gehalten, als sie nicht zum Verkehr oder
Verbrauch bestimmt, sondern zur Fortsetzung des ordentlichen
Wirthschaftsbetriebes erforderlich sind: so oft nämlich von einem Ganzen die
Rede ist, so werden alle wesentlichen Bestandtheile und alles ordentliche
Zugehör desselben darunter begriffen.
§. 16. Sachen, die auf Grund und Boden in der Absicht
aufgeführt werden, daß sie stets darauf bleiben sollen, als Häuser und andere Gebäude,
mit dem in senkrechter Linie darüber befindlichen Luftraum, sind ebenfalls für
unbewegliche Güter anzusehen: hierzu wird nicht nur alles, was erd- mauer-
nied- und nagelfest ist, als Braupfannen, Brandweinkessel und eingezimmerte
Schränke, sondern auch diejenigen Dinge gerechnet, die zum anhaltenden
Gebrauche eines Ganzen gehören, z. B. Brunneneimer, Seile, Ketten, Löschgeräthe
und dergleichen.
§. 17. Rechte und Verbindlichkeiten sind zwar als
unkörperliche Sachen von dem beweglichen und unbeweglichen Vermögen in strengem
Verstande unterschieden; indessen werden sie in zweifelhaften Fällen in so fern
für beweglich gehalten, als sie nicht ein Theil einer unbeweglichen
(302) Sache, oder von dem beweglichen und
unbeweglichen Vermögen ausdrücklich abgesondert worden sind.
§. 18. Schuldforderungen werden durch die alleinige
Sicherstellung auf ein unbewegliches Gut noch nicht in ein unbewegliches
Vermögen verwandelt.
§. 19. Bewegliche Sachen stehen mit der Person ihres
Eigenthümers unter den nämlichen Gesetzen; unbewegliche hingegen sind den
Gesetzen des Ortes unterworfen, in welchem sie liegen.
§. 20. Verzehrbare Sachen sind diejenigen, welche ohne
ihre Zerstörung, oder ohne ihren gänzlichen Verlust nicht benutzt werden
können, z. B. Wein, Oel, Getreide, Geld: jene Sachen hingegen, welche auch
durch anhaltende Benutzung nicht gäntzlich zerstört oder verbraucht werden
können, werden unverzehrbar genannt: dergleichen sind Häuser, Felder, und
selbst Kleidungsstücke.
§. 21. Im Wiedererstattungsfalle verzehrbarer Sachen
müssen andere von gleichem Werthe, Gattung, Güte, Maß, Zahl und Gewicht
angenommen werden.
§. 22. Schätzbare Sachen sind diejenigen, welche durch
die Bestimmung eines besonderen Werthes mit andern verglichen werden können,
darunter gehören auch Hand, und Kopfarbeiten, und viele andere Handlungen:
Sachen hingegen, deren Werth durch kein Verhältniß mit andern im Verkehr
befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen unschätzbar.
§. 23. Die Bestimmung des Werthes einer Sache heißt
ihre Schätzung, der bestimmte Werth heißt ihr Preis: Schätzung und Preis finden
nicht Statt bei Sachen, die gar keinen Werth haben, als ganz verdorbene
Lebensmittel, oder bei solchen, die unerschöpflich und unermeßlich sind, wie
Luft, Licht und Seewasser, endlich auch bei Handlungen, derer Werth nicht zu
bestimmen ist, z. B. bei allen Tugendübungen.
§. 24. Wenn eine Sache geschätzt werden soll, muß sie
mit einer andern Sache als ihrem Maaßstabe verglichen werden: Vertrag
schließende Theile wählen diesen Maaßstab unter sich selbst; vor Gerichte aber
muß die Schätzung nach einer bestimmten Summe Geldes geschehen; weil dieses
alle übrigen Sachen vorstellt, und einmal als der allgemeine Maaßstab
angenommen worden ist.
§. 25. Es giebt Sachen, die zwar an sich einen gewissen
Werth haben, die aber entweder in Rücksicht auf die Religion, oder aus
Staatsgründen ausser allem Verkehr stehen müssen: von der ersten Art sind alle
dem Gottesdienste geweihten Dinge; von der andern sind alle verbothenen Waaren;
diese sind in den politischen Gesetzen bestimmt.
(303) §. 26. Wird eine Sache nach dem Nutzen
geschätzt, den sie gewöhnlich und allgemein leistet, so fällt der ordentliche
und gemeine Preis aus: nimmt man aber auf besondere Umstände der Zeit und des
Ortes, auf persönliche Verhältnisse, oder auf besondere Vorliebe Rücksicht, so
entsteht ein außerordentlicher Preis. In allen Fällen, wo nichts anders
entweder von den Partheien bedungen, oder von dem Gesetze verordnet ist, muß
der Richter bei Schätzung einer Sache den gemeinen Preis zur Richtschnur
nehmen.
§. 27. Alle Sachen, die nach ihrer Trennung noch ihre
vorige Wesenheit und Benennung beibehalten, werden theilbare Sachen genannt:
dergleichen sind Wein, Getreide, Grundstücke. Andere Sachen, die nicht von
einander getrennt werden können, nennt man untheilbar. Die Untheilbarkeit
gründet sich entweder auf die Natur einer Sache, wenn die Absonderung der
Theile nicht ohne Verletzung oder Veränderung der Substanz möglich ist; oder
sie gründet sich auf das Gesetz, wenn dieses die Trennung der Bestandtheile
verbietet: Beispiele der ersten Art sind ein Pflug, ein Gemälde, eine Orgel:
Beispiele der zweyten sind manche Bauerngüter.
§. 28. Bei theilbaren Sachen kann es keinem Theilhaber
zugemuthet werden statt seines Sachentheiles den Werth desselben anzunehmen:
wird aber auf die Theilung untheilbarer Sachen gedrungen, so dient das Gesetz
über die Theilung des gemeinschaftlichen Gutes zur Richtschnur.
§. 29. Rechte, die Personen auf die Sache ohne
Rücksicht auf gewisse Personen zustehen, werden auch dingliche oder sächliche
Rechte genannt. Diese sind die Reche des Besitzes, des Eigenthums, des Pfandes,
der Dienstbarkeit, und des Erbrechtes.
Zweytes Hauptstück.
Vom Besitze.
§. 30. Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewehrsame
hat, heißt ihr Innhaber. Hat der Innhaber einer Sache den Willen, sie als die
Seinige zu behaupten, so wird er ihr Besitzer. Ohne Macht einer Sache habhaft
zu werden, und ohne Willen sich dieselbe eigen zu machen besteht keine
Besitznehmung.
§. 31. Daher sind Personen, die des Gebrauches der
Vernunft beraubt sind, als Kinder und Wahnsinnige unfähig einen Besitz zu
erlangen. Sie werden durch einen Vormund oder Curator vertretten. Unmündige
können für sich allein eine Sache in Besitz nehmen.
(304) §. 32. Alle körperlichen und unkörperlichen
Sachen, welche den Gegenstand eines Rechtes ausmachen, können in Besitz
genommen werden: die unerschöpflichen, und unschätzbaren können es nicht.
§. 33. Bewegliche körperliche Sachen werden durch
phisische Ergreifung, Wegführung und Verwahrung; unbewegliche aber durch
Betrettung, Verrainung oder Einzäunung in Besitz genommen. In den Besitz
unkörperlicher Sachen oder Rechte setzt man sich, wenn sonst kein Hinderniß im
Wege steht, durch den Gebrauch oder Ausübung derselben für sich selbst.
§. 34. Der Gebrauch eines Rechtes tritt ein, wenn ein
anderer sich verbunden glaubt uns von Zeit zu Zeit etwas zu leisten und es
wirklich leistet: ferner wenn uns Jemand gestattet, und uns berechtigt hält
eine ihm gehörige Sache zu unsern Nutzen zu verwenden: endlich, wenn Jemand
das, was er sonst zu thun befugt wäre, auf unser Verlangen oder Verboth
unterläßt; und sich dazu verpflichtet erkennet.
§. 35. Den Besitz sowohl von Rechten als von
körperlichen Sachen erlangen wir entweder unmittelbar, wenn wir nämlich eines
Rechtes, oder einer Sache, die keinen Herrn hat, habhaft werden, oder
mittelbar, wenn uns der Innhaber in seinem oder eines andern Namen ein Recht
oder eine Sache zu unsern Gebrauche überläßt, überträgt oder einräumt, und wir
sie in dieser Absicht von ihm übernehmen.
§. 36. Bei unmittelbarer Besitzerlangung erhält man
nur soviel in eigene Macht, als wirklich ergriffen, betretten, gebraucht, oder
sonst in Verwahrung gebracht werden kann; bei der mittelbaren erhält man alles,
was der vorige Innhaber gehabt, und durch deutliche Zeichen übergeben hat, ohne
daß es nöthig ist jeden Theil des Ganzen besonders zu übernehmen.
§. 37. Der Besitz ist nach seiner verschiedenen
Beschaffenheit bald rechtmäßig oder unrechtmäßig: bald redlich oder unredlich:
bald ächt oder unächt.
§. 38. Rechtmäßig ist der Besitz, wenn er auf einem
giltigen Titel, das will sagen, auf einem standhaften Rechtsgrunde beruht; im
entgegengesetzten Falle ist er unrechtmäßig.
§. 39. Der Titel oder Rechtsgrund liegt entweder in
der Natur der Sache, wenn diese Niemanden gehört, und folglich von Jedermann in
Besitz genommen werden darf; oder er liegt in dem Willen des Besitzers, wenn er
das Besitzrecht mit oder ohne Entgeld an einen andern überträgt; er liegt
endlich in gewissen Fällen auch in der Kraft des Gesetzes, wenn es Jemanden den
Besitz einräumt.
§. 40. Durch einen giltigen Titel erhält man nur das
Recht zum Besitze einer Sache, nicht den Besitz selbst. Wer nur das Recht zum
Besitze
(305) hat, darf sich im Verweigerungsfalle nicht
eigenmächtig in den Besitz drängen; er muß ihn von dem ordentlichen Richter mit
Anführung seines Titels im Wege Rechtens fordern.
§. 41. Dem Inhaber, der eine Sache nicht in seinem,
sondern im Namen eines Andern
inne hat, kömmt deswegen noch kein Rechtsgrund zur
Besitznehmung dieser Sache zu.
§. 42. Niemand ist berechtigt, den Titel seiner
Gewährsame zu verwechseln: es steht z. B. Niemanden zu, ein geliehenes Buch für
ein geschenktes anzusehen, und sich dadurch eines Titels anzumassen: hingegen
hat jeder das Recht, das, was er vorhin im Besitze hatte, im Namen eines Andern
zu behalten, und diesem, wenn er Willen und Titel dazu hat, den Besitz
einzuräumen.
§. 43. Sobald sogenannte Landtafeln, Stadt- oder
Grundbücher, oder andere dergleichen öffentliche Register eingeführt sind, wird
zur Uibergabe eines dringlichen Rechtes auf unbewegliche Sachen oder liegende
Gründe die ordentliche Eintragung in die gewöhnlichen Bücher erfordert: ohne
diese Eintragung wird kein rechtmäßiger Besitz erlangt.
§. 44. Ist eine bewegliche Sache nach und nach mehrern
Personen übergeben worden, so gebührt das Besitzrecht derjenigen, welche sie
wirklich in ihrer Macht hat; ist aber die Sache unbeweglich, und sind
Vormerkbücher eingeführt, so steht das Besitzrecht ausschließlich demjenigen
zu, welcher als Besitzer derselben vorgemerkt ist.
§. 45. Jedem Menschen kömmt das natürliche Recht des
guten Leumunds gegen alle übrigen zu Statten: es dürfen also weder Innhaber
noch Besitzer zur Ausweisung ihres gültigen Titels aufgefordert werden.
§. 46. Diese Aufforderung findet auch dann noch nicht
statt, wenn Jemand behauptet, daß der Besitz seines Gegners mit andern
rechtlichen Vermuthungen z. B. mit der Freiheit der Person oder der Sache sich
nicht vereinbaren lasse. In solchen Fällen muß der behauptende Gegner vor dem
ordentlichen Richter klagen, und sein vermeintliches stärkeres Recht darthun.
Im Zweifel gebührt dem Besitzer der Vorzug.
§. 47. In wie fern der Besitzer einer Sache, die
verboten oder entwendet zu seyn scheint, den Titel seines Besitzes anzuzeigen
verbunden sey; darüber entscheiden die Straf- und politischen Gesetze.
§. 48. Wer nicht weis, daß die Sache, die er besitzt,
einem andern zugehöre, ist ein redlicher Besitzer; wer dieses weis, ist ein
unredlicher.
§. 49. Die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes
kann im Falle eines Zweifels und Rechtsstreites nur durch richterlichen
Ausspruch entschieden werden.
(306) §. 50. Ein redlicher Besitzer kann aus dem
Grunde des redlichen Besitzes allein schon die Sache, die er besitzt, nach
Belieben und ohne Verantwortung brauchen, verbrauchen, auch wohl vertilgen.
§. 51. Jeder Nutzen und jeder Vortheil, den eine Sache
hervorbringt, abwirft und erträgt, mit einem Worte alle Früchte im
ausgedehntesten Verstande, welche ein redlicher Besitzer bezogen, oder genossen
hat, gehören demselben zu.
§. 52. Der unredliche Besitzer ist hingegen verbunden,
nicht nur alle durch den Besitz einer fremden Sache erlangten Vortheile,
sondern auch jene, welche der Verkürzte hätte erlangen können, zurückzustellen,
und allen dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dieser Ersatz wird nicht
bloß auf den gemeinen Werth der Sache eingeschränkt, er kann sich bis auf den
Werth der besondern Vorliebe erstrecken.
§. 53. Hat der redliche Besitzer an die habhaft
gewordene Sache entweder zur Erhaltung der Substanz oder zur Vermehrung noch
fortdauernder Nutzungen einen Aufwand gemacht, so gebührt ihm der Ersatz.
§. 54. Von jenem Aufwande aber, welcher nur zur
Verschönerung und zum Vergnügen gemacht worden ist, wird nur so viel ersetzt,
als die Sache dem gemeinen Werthe nach wirklich dadurch gewonnen hat, und wofür
sie auch leicht an den Mann gebracht werden könnte: doch hat der vorige
Besitzer die Wahl alles für sich wegzunehmen, was davon noch benutzt, und ohne Schaden
der Substanz weggenommen werden kann.
§. 55. Dem unredlichen Besitzer werden nur diejenigen
Kosten ersetzt, die er zur Erhaltung der Substanz, und zur Verbesserung der
Sache verwendet hat, wenn anders der dadurch erhaltene Vortheil noch besteht,
und die Folgen der Verbesserung noch fortdauern: doch kann der Eigenthümer
dieses Ersatzes wegen nicht gezwungen werden, die Sache selbst zu veräussern.
§. 56. Wenn ein unrechtmäßiger, aber sonst redlicher
Besitzer dem rechtmäßigen Eigenthümer eine Sache abtritt, so ersetzt er den
Schaden nur nach dem gemeinen Werthe; auch steht ihm die Wegnehmung derjenigen
Sachen frei, welche nach §. 54. der redliche Besitzer wegzunehmen berechtigt
ist.
§. 57. Besitzt eine Person die Sache selbst, eine
andere aber das Recht auf alle oder auf einige Nutzungen dieser Sache; so
treffen nach Verschiedenheit der Theile mehrere, und verschiedene Besitzer
eines Ganzen zusammen: in diesem Falle kann eine und die nämliche Person, wenn
sie die Schranken ihres Rechtes überschreitet, in verschiedenen Rücksichten
zugleich ein redlicher und ein unredlicher Besitzer seyn.
(307) §. 58. Der Besitz mag von was immer für einer
Beschaffenheit seyn, so ist Niemand befugt den Besitzer eigenmächtig zu stören.
Der auf eine solche Art Gestörte hat das Recht die Untersagung ähnlicher
Eingriffe und den Ersatz des erweislichen Schadens gerichtlich zu fordern.
§. 59. Wird der Besitzer eines liegenden Grundes, oder
eines andern dinglichen Rechtes durch Führung eines neuen, oder durch
Niederreissung eines alten Baues, Wasser- oder andern Werkes in seinen Rechten
gefährdet, ohne daß sich der Bauführer nach Vorschrift der allgemeinen
Gerichtsordnung gegen ihn geschützt hätte, so ist der Gefährdete berechtigt,
das Verbot einer solchen Neuerung vor Gericht zu fordern, und das Gericht ist
verbunden die Sache auf das schleunigste zu entscheiden.
§. 60. Doch kann die Fortsetzung eines solchen Baues
auch von Gerichtswegen nicht untersagt werden, wenn sich der Bauführer gegen
eine nahe, offenbare Gefahr dadurch schützen will, oder wenn er sich anheischig
macht, und deswegen angemessene Sicherheit leistet, daß er, falls der Kläger
mit seinem Verbotsrechte auslangen sollte, alles in den vorigen Stand setzen,
und den verursachten Schaden vergüten wolle.
§. 61. Ist aber mit der Einstellung des Baues keine
Gefahr verbunden, oder will der Verbotsleger für allen Schaden haften, und zu
dem Ende die erforderliche Sicherstellung leisten; so kann die Bauführung bis
zur gänzliche (!) Beilegung der Sache eingestellt werden.
§. 62. Leistet kein Theil hinlängliche Sicherstellung,
so kann im Zweifel die natürliche Freiheit nicht beschränkt werden, und jeder
Theil bleibt in den ungestörten Rechten seines Besitzes.
§. 63. Kann der Besitzer eines dinglichen Rechtes
beweisen, daß ein bereits vorhandener fremder Bau oder eine andere fremde Sache
dem Einsturz nahe sey, und ihm offenbarer Schaden drohe; so ist er befugt,
gerichtlich auf Sicherstellung zu dringen; wenn anders die politische Behörde
nicht bereits hinlänglich für die öffentliche Sicherheit gesorgt hat.
§. 64. Zu den Rechten des Besitzes gehört auch das
Recht sich in seinem Besitze zu schützen, und in Fällen, wo die richterliche
Hülfe zu spät kommen würde, Gewalt mit Gewalt abzutreiben. Uibrigens hat die
politische Behörde für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe zu wachen, so wie
das Strafgericht für die Bestrafung öffentlicher Gewaltthätigkeiten zu sorgen
hat.
§. 65. Wenn sich Jemand in den Besitz eindringt, oder
durch List oder Bitte heimlich einschleicht, und das, was ihm aus Gefälligkeit
gestattet wird, in ein Recht verwandeln will; so wird der an sich unrechtmäßige
und unredliche Besitz noch überdies unächt: in entgegengesetzten Fällen wird
der Besitz für ächt angesehen.
(308) §. 66. Gegen jeden unächten Besitzer kann sowohl
die Zurücksetzung in die vorige
Lage, als auch die Schadloshaltung eingeklagt werden.
Beides muß das Gericht nach rechtlicher Verhandlung verordnen, und selbst ohne
Rücksicht auf ein stärkeres Recht, welches der Beklagte auf die Sache haben
könnte.
§. 67. Wer überwiesen wird, daß er einen redlichen
Besitzer zu erst gewaltthätig angegriffen und verdrängt hat, wird auch seines
etwa gehabten stärkeren Rechtes verlustig, und nicht weiter angehört.
§. 68. Zeigt es sich nicht gleich auf der Stelle, wer
sich in einem ächten Besitz befinde, und wie fern der eine oder der andere
Theil auf gerichtliche Unterstützung Anspruch habe; so wird die im Streite
verfangene Sache solang der Gewährsame eines Dritten anvertraut, bis der Streit
über den Besitz verhandelt, und entschieden worden ist. Der Sachfällige kann
auch nach dieser Entscheidung die Klage über ein vermeintliches stärkeres Recht
auf die Sache noch anhängig machen.
§. 69. Wenn der bloße Inhaber einer Sache von mehreren
Besitzwerbern zugleich um die Uibergabe derselben angegangen wird, und sich
einer darunter befindet, in dessen Namen die Sache aufbehalten wurde; so wird
sie vorzüglich diesem übergeben, und die Uibergabe den übrigen bekannt gemacht.
Kommt dieser Umstand keinem zu Statten; so wird die Sache in die Hände des
Richters niedergelegt, welcher die Rechtsgründe der Besitzwerber zu prüfen, und
darüber zu entscheiden hat.
§. 70. Der Besitz einer körperlichen Sache geht
verloren, wenn dieselbe, ohne Hoffnung wieder gefunden zu werden, in Verlust
geräth; wenn sie freiwillig verlassen, freiwillig weggelegt; wenn sie aus den
landtäflichen, Stadt, oder Grundbüchern gelöscht; wenn sie auf den Namen eines
Andern eingetragen, oder auf was immer für eine andere Art in fremde Gewalt
gebracht wird.
§. 71. So lang es noch möglich ist, eine verlorne oder
verlegte Sache zu finden, kann man sich durch den bloßen Willen in ihrem
Besitze erhalten. Wahnsinn und Abwesenheit des Besitzers heben den Besitz so
wenig auf, als der Schlaf.
§. 72. Der Besitz unkörperlicher Sachen oder Rechte
geht verloren, wenn der Gegentheil das, was er sonst geleistet hat, nicht mehr
leisten will; wenn er die Ausübung des Rechtes eines andern nicht mehr duldet;
oder wenn er das Verboth etwas zu unterlassen nicht mehr achtet, der Besitzer
aber in allen diesen Fällen es dabei bewenden läßt, und die Erhaltung des
Besitzes nicht einklagt. Durch den Nichtgebrauch eines Rechtes allein geht der
Besitz nicht verloren.
(309)
Drittes Hauptstück.
Vom
Eigenthumsrechte.
§.
73. Alles, was Jemanden zugehöret, alle seine Habe, all sein Gut, folglich alle
seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, alle seine Rechte heissen
überhaupt sein Eigenthum.
§.
74. Im engsten Verstande ist Eigenthum das Recht mit der Substanz und mit den
Nutzungen einer körperlichen Sache frei zu schalten und zu walten, folglich
auch jeden Andern davon auszuschließen, in so fern dadurch die Gesetze, oder
die Rechte eines Dritten nicht verletzt werden.
§.
75. Alle körperlichen sowohl beweglichen als unbeweglichen Sachen sind
insgemein Gegenstände des Eigenthumsrechtes, und Jedermann, den die Gesetze
nicht ausdrücklich ausschließen, ist befugt dasselbe durch sich selbst oder
durch einen Andern in seinem Namen zu erwerben.
§.
76. Wer also entweder in Rücksicht auf die Fähigkeit der Person, die etwas
erwerben will, oder auf die Sache, die erworben werden soll, ein gesetzmäßiges
Hinderniß vorgiebt, dem liegt der Beweis ob.
§.
77. Wenn das Recht auf eine körperliche unbewegliche Sache mit dem Rechte auf
die Nutzungen derselben in einer und der nämlichen Person vereinigt ist, so ist
das Eigenthumsrecht vollständig und ungetheilt; kömmt aber einer das Recht auf
den Grund, und der andern das Recht auf desselben Nutzungen vorzüglich zu, dann
ist das Eigenthumsrecht getheilt und für beide unvollständig: jene wird
Grundeigenthümer, diese wird Nutzungseigenthümer genannt.
§.
78. Das Eigenthum kann zwar auf unzählige andere Arten durch das Gesetz und
selbst durch den Willen des Eigenthümers beschränkt und belastet werden; allein
es wird dessen ungeachtet für ungetheilt und vollständig angesehen: Eben so
wenig leidet die Vollständigkeit des Eigenthums darunter, wenn der Eigenthümer
gegen einen Grundherrn in Verbindlichkeit steht.
§.
79. Wenn eine noch ungetheilte Sache zweien oder mehrern Personen zugleich
gehört, so werden sie nur für eine einzige Person angesehen: Doch hat jede von
ihnen ein Recht sowohl auf die Substanz, als auf die Nutzungen dieser Sache,
und folglich das vollständige Eigenthum auf den sie treffenden Theil derselben.
§.
80. In der Regel ist ein vollständiger Eigenthümer befugt, über seine Sache
frei zu schalten und zu walten: er kann also dieselbe entweder für sich nach
Willkühr benutzen, oder Andern sowohl ganz als zum Theile
(310)
übertragen; er kann sie auch unbenützt lassen, und sogar sich derselben
unbedingt begeben.
§.
81. Eben diese Rechte geniessen auch unvollständige sowohl Grund, als
Nutzungseigenthümer; nur darf der Eine nichts vornehmen, was mit den Rechten
des Andern im Widerspruche steht.
§.
82. Uiberhaupt findet die Ausübung des Eigenthumsrechtes nur in so fern statt,
als die Rechte eines Dritten nicht darunter leiden. Wenn ausdrückliche,
politische Verordnungen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohls das
Eigenthumsrecht zuweilen zu beschränken scheinen; so wird dadurch das Eigenthum
der Staatsmitglieder keineswegs geschmälert, sondern demselben nur vielmehr
eine gemeinnützige Richtung gegeben.
§.
83. Was also in Ansehung der Art und Beschaffenheit der Natur, und
Kunsterzeugnisse, der Aufführung, Erhaltung und Herstellung der Gebäude, und
der Pflege der Waldungen, der Anlegung der Kanäle, Wasserleitungen, und anderer
öffentlicher Anstalten in Bau, Wald, Markt, und andern dergleichen Ordnungen
vorgeschrieben ist, muß genau befolgt werden.
§.
84. Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen
eine angemessene Schadloshaltung sogar das vollständige Eigenthum einer Sache
abtretten.
§.
85. Mit dem Rechte des Eigenthümers jeden Andern von dem Besitze seiner Sache
auszuschliessen, ist auch das Recht verbunden seine ihm vorenthaltene Sache von
jedem Innhaber durch die Eigenthumsklage gerichtlich zu fordern.
§.
86. Wer mit der Eigenthumsklage bestehen will, muß den Beweis führen, daß der Beklagte
die eingeklagte Sache in seiner Macht habe, und daß diese Sache sein Eigenthum
sey.
§.
87. Von einer unbestimmten Sache, z. B. von einem Pferde überhaupt läßt sich
weder Eigenthum noch Besitz denken: wer also eine bewegliche Sache gerichtlich
zurück fordert, muß sie durch Merkmale beschreiben, wodurch sie von allen
ähnlichen Sachen gleicher Gattung ausgezeichnet wird.
§.
88. Sachen, die sich auf diese Art nicht unterscheiden lassen, z. B. baares
Geld mit anderm baaren Gelde vermengt, oder öffentliche auf den Uiberbringer
lautende Schuldbriefe sind also in der Regel kein Gegenstand der
Eigenthumsklage, wenn nicht zufälliger Weise ein günstiger Umstand eintritt,
durch welchen der Kläger sein Eigenthumsrecht beweisen kann.
(311)
§. 89. Im Zweifel, ob eine zurückgeforderte bewegliche Sache eben diejenige
sey, die sich in der Gewährsame des Beklagten befindet, kann der Kläger
verlangen, daß sie vorgewiesen und gerichtlich besichtigt werde: wenn weder von
einem Eigenthums, noch von einem Innhabungsrechte die Rede ist, so findet
dieses Verlangen nicht statt.
§.
90. Wenn der Kläger mit dem Beweise des erworbenen Eigenthums einer ihm
vorenthaltenen Sache zwar nicht ausreicht, doch aber den gültigen Titel und die
ächte Art, wodurch er zu ihrem Besitze gelangt ist, bereits dargethan hat; so
wird er wenigstens solang für den wahren Eigenthümer dieser Sache gehalten, bis
der Beklagte ein besseres, oder wenigstens ein gleiches Recht auf dieselbe
beweiset.
§.
91. Haben der Beklagte und der Kläger einen gleich kräftigen Titel ihres ächten
Besitzes für sich, so steht dem Beklagten das bessere Recht zu; weil so oft
sich zwei streitende Partheien in der nämlichen Lage befinden, dem wirklichen
Besitzer der Vorzug gebührt, und weil in zweifelhaften Fällen, so oft der Kläger
mit seinen Forderungsgründen nicht auslangt, der Beklagte losgesprochen wird.
§.
92. Die Eigenthumsklage gegen einen redlichen Besitzer einer beweglichen Sache
findet ferner nicht statt, wenn er beweiset, daß er diese Sache entweder in
einer öffentlichen Versteigerung, oder von einem zu diesem Verkehr befugten
Handelsmann, oder von sonst Jemanden an sich gebracht habe, dem sie der Kläger
selbst zum Gebrauche, zur Verwahrung, oder in was immer für einer andern
Absicht anvertraut hatte. Nur gegen diese Gewährmänner kann der vorige
Eigenthümer sein Recht auf die Sache verfolgen.
§.
93. Wird es bewiesen, daß der Besitzer entweder schon aus der Natur der an sich
gebrachten Sache, oder aus dem auffallend zu geringen Preise derselben, oder
aber aus den bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormannes einen
gegründeten Verdacht gegen die Redlichkeit seines Besitzes hätte schöpfen
können, so hört er selbst auf ein redlicher Besitzer zu seyn, und muß daher dem
Eigenthümer weichen.
§.
94. Hätte ein solcher Besitzer die Sache auch ohne Entgeld erhalten, so ist es
billig, daß er, der zu gewinnen suchte, dem Eigenthümer, der nur nicht
verlieren will, nachgesetzt werde. Dieser Grundsatz gilt in allen ähnlichen
Fällen.
§.
95. Wird der Besitzer von dem Grundeigenthümer, und von dem Nutzungseigenthümer
wegen Abtrettung des Besitzes zugleich belangt; so muß er jedem den ihm
gebührenden Theil abtretten.
§.
96. Was sowohl der redliche als unredliche Besitzer dem Eigenthümer in Ansehung
des entgangenen Nutzens, oder erlittenen Schadens
(312)
zu vergüten und zu ersetzen habe, ist im vorigen Hauptstücke bereits bestimmt
worden.
§.
97. Der Preis, welchen der Innhaber seinem Vormanne für die ihm überlassene
Sache ausgelegt hat, gehört zwar nicht zu dem nothwendigen Aufwande, doch muß
diese Auslage vergütet werden, wenn Jemand eine entfremdete oder erbeutete
Sache, die sonst schwerlich wieder erlangt worden wäre, ausgelöset, und dadurch
dem Eigenthümer einen wirklichen Nutzen verschaft hat.
§.
98. Wer keinen, oder nur einen verdächtigen Gewährmann anzugeben vermag, wird
in Rücksicht auf den Eigenthümer für einen unredlichen Besitzer angesehen.
§.
99. Wer den Besitz einer Sache vorsätzlich läugnet, und dessen überwiesen wird,
muß dem Kläger deswegen allein schon den Besitz abtretten: doch behält er das
Recht in der Folge seine Eigenthumsklage zu führen.
§.
100. Wer eine Sache, die er nicht besitzt, zu besitzen vorgiebt, und den Kläger
dadurch irre führt; haftet für allen daraus entstehenden Schaden.
§.
101. Wer eine Sache wirklich im Besitz hatte, und sie, um dem Kläger keine Rede
und Antwort zu geben, fahren ließ, wird wie ein unredlicher Besitzer behandelt,
und soweit der Eigenthümer seine Sache von dem wirklichen Innhaber nicht zurück
erhält, zur Bezahlung des ausserordentlichen Werthes der Sache verurtheilt.
Viertes
Hauptstück.
Von
Erwerbung des Eigenthums durch Zueignung.
§.
102. Ohne Titel und ohne ein rechtmäßiges Mittel kann kein Eigenthum erworben
werden.
§.
103. Zur Erwerbung solcher Sachen, worauf Niemand ein besonders Recht hat, ist
die natürliche Freiheit alles zu unternehmen, was keinem Andern schadet, schon
Titel genug. Das Mittel oder die Art dieser Erwerbung besteht in der Handlung,
durch welche man sich der anspruchlosen Sache bemächtiget, und sie sich
zueignet.
§.
104. Zur Erwerbung solcher Sachen, die schon Jemanden gehören, dient als
Haupttitel das Jedermann zuständige Recht alles zu übernehmen, was ihm der
Eigenthümer überlassen will, überlassen kann, oder überlassen muß. In diesen
Fällen besteht das Erwerbungsmittel in der vollbrachten Uibergabe von einer,
und Uibernahme von der andern Seite.
(313)
§. 105. Daher wird die Bemächtigung oder Zueignung einer Sache ein
unmittelbares und ursprüngliches; die Uebergabe und Uebernahme aber ein
mittelbares von einem Andern hergeleitetes Erwerbungsmittel genannt.
§.
106. Weil das Eigenthum urspringlich nur mit Erlangung des Besitzes anfängt; so
kann in solchen Fällen, wo der Besitz entweder von Seite der Person, die
besitzen will, oder von Seite der Sache, die in Besitz genommen werden soll,
nicht Statt findet, kein Eigenthum erlangt werden.
§.
107. Es ist also zwischen dem redlichen Besitzer und dem wirklichen Eigenthümer
ein wesentlicher Unterschied: dem Besitzer ist es genug, wenn er im schuldlosen
Irrthum und in der guten Meinung steht, daß er eine Sache mit Rechtsgrunde und
durch gesetzmäßige Mittel in Besitz genommen habe; der Eigenthümer hingegen muß
eine anspruchlose Sache sich ordentlich zugeeignet, oder von einem wahren Eigenthümer
übernommen haben.
§.
108. Der Staat hat auf alle in seinem Gebiete befindlichen herrenlosen Sachen
ein ausschließliches Recht; eigentlich ist also darin keine Sache anspruchslos,
und allen Menschen gemein; doch giebt es manche Sachen, deren Eigenthum, weil
es noch Niemand erworben hat, von einzelnen Mitgliedern des Staates durch das
Vorrecht der Zueignung vor andern Personen erworben werden kann.
§.
109. Wenn die Freiheit des Eigenthums nicht durch politische Gesetze
eingeschränkt worden ist, so hat der Eigenthümer eines liegenden Gutes das
Recht jede Gattung Raub- und wilder Thiere, die sich herrenlos auf seinem Grund
und Boden befinden, auf alle Weise und zu allen Zeiten aufzufangen, zu tödten,
und sich zuzueignen.
§.
110. Es ist ihm also in der Regel gestattet in seinen Wäldern und Weingärten,
auf seinen Aeckern und Wiesen Wild zu fangen, in seinen Bächen und Seen zu
fischen, und in dem über seinem Gebiete befindlichen Luftraume dem herrenlosen
Geflügel nachzustellen und es zu erlegen; um so viel mehr aber Raub- und wilde
Thiere von seinem Grund und Boden abzuhalten und zu vertreiben.
§.
111. Auf fremden Grund und Boden aber hat Niemand das Recht zu jagen, oder ein
angeschossenes Wild zu verfolgen: es sey denn durch Verleihung des
Staatsoberhauptes oder mit Bewilligung des Eigenthümers: Eine solche
Berechtigung ist im engsten Verstande auszulegen, und darf nicht über die
ausdrückliche Erklärung des Verleihers ausgedehnt werden.
(314)
§. 112. Häusliche Bienenschwärme und andere zahm gemachte Thiere sind zwar kein
Gegenstand des freien Thierfanges; aber im Falle, daß der Eigenthümer des
Mutterstockes den Schwarm durch acht und vierzig Stunden nicht verfolgt hat,
oder daß ein zahmgemachtes Thier durch zwei und vierzig Tage von selbst
ausgeblieben ist, kann sie Jedermann auf dem gemeinen Grunde, und der
Nutzungseigenthümer auf dem Seinigen für sich nehmen und behalten.
§.
113. In allen Bezirken, die kein Gemeinde oder Privateigenthum sind, ist Jagd,
Vogelfang und Fischerei ein Vorrecht des Staates, oder derjenigen, denen er es
eingeraumt hat.
§.
114. Wie der übermäßige Anwachs des Wildes gehemmt, und der vom Wilde
verursachte Schaden ersetzt werde; welchen Personen das Recht zu jagen gebühre;
worin die hohe und niedere Jagd bestehe; wie der Hönigraub, der zuweilen durch
fremde Bienen geschieht, zu verhindern sey; wer Tauben und ähnliches Geflügel
halten dürfe, dieses alles ist in den politischen Gesetzen oder in den
Satzungen der Gemeinden festgesetzt: Wie Wilddiebe zu bestrafen seyn, wird in
den Strafgesetzen bestimmt.
§.
115. Kein Privatmann ist berechtiget Bergwerke, Salzwerke, Alaun, Vitriol, und
Salpeterwerke anzulegen, noch Gold und Silber zu waschen: Alle diese und andere
durch besondere Verordnungen dem Staate vorbehaltene Gegenstände sind in dem gemeinschaftlichen
Staatsvermögen begriffen.
§.
116. Bewegliche Sachen, welche der Eigenthümer nicht mehr als die Seinigen
behalten will, welche er aufgibt, und verläßt, kann sich jedes Mitglied des
Staates eigen machen.
§.
117. Weil es nicht zu vermuthen ist, daß Jemand sein Eigenthum wolle fahren
lassen, zumahl Sachen, die leicht verloren gehen; so darf im Zweifel kein
Finder eine gefundene Sache für herrenlos ansehen, und sich dieselbe ohne
hinlängliche Nachforschung zueignen: Noch viel weniger darf sich Jemand des
Strandrechtes anmassen.
§.
118. Der Finder ist also verpflichtet nach dem vorigen Besitzer zu forschen,
und zu dem Ende den gemachten Fund, wenn er mehr als ein Loth Silber an Werthe
beträgt, in der Kirche des Fundortes dem versammelten Volke innerhalb acht
Tagen bekannt machen zu lassen, und wenn die gefundene Sache mehr als zwölf
Loth Silber werth ist, den Vorfall sogleich dem nächsten Gerichtsstande
anzuzeigen.
§.
119. Das Gericht hat die gemachte Anzeige nach allen Umständen schriftlich
aufzunehmen, und sie ohne die besondern Merkmale der Sache zu berühren, und
ohne Zeitverlust zwei bis dreimal den öffentlichen Zeitungsblättern einschalten
zu lassen. Kann die gefundene
(315)
Sache nicht ohne Gefahr in den Händen des Finders gelassen werden, so muß
demselben die gerichtliche Hinterlegung entweder der Sache selbst, oder wenn
diese nicht ohne merklichen Schaden aufbewahrt werden könnte, des daraus
gelösten Werthes aufgetragen werden.
§.
120. Wenn sich der vorige Innhaber oder Eigenthümer der gefundenen Sache in
einer Jahresfrist von der Zeit der letzten Kundmachung anmeldet, und sein Recht
gehörig darthut, wird ihm die Sache oder das daraus gelösete Geld verabfolget:
Er ist aber verbunden, die Auslagen zu vergüten, und dem Finder, wenn er es
verlangt, zehn vom Hundert des gemeinen Werths als Fundlohn zu entrichten. Doch
soll der Fundlohn in keinem Falle die Summe von fünfhundert Loth Silber
übersteigen.
§.
121. Wird die gefundene Sache innerhalb der Jahresfrist von Niemanden mit Recht
angesprochen, so wird der Finder in den rechtmäßigen Besitz gesetzt, und
erlangt gleich einem andern redlichen Besitzer in der gesetzmäßigen Zeit das
Eigenthumsrecht.
§.
122. Mehrere Personen, welche den Fund zugleich gemacht haben, werden als Eine
angesehen. Auch wird derjenige unter die Mitfinder gezählt, welcher am ersten
die Absicht geäussert hat, sich die gefundene Sache zuzueignen, wenn auch ein
Anderer sie früher an sich gezogen hätte.
§.
123. Wer immer die hier angeführten Vorschriften ausser Acht läßt, haftet für
alle schädlichen Folgen; läßt sie der Finder ausser Acht, so verwirkt er den
Fundlohn, und macht sich noch überdieß nach Umständen des Betruges schuldig.
§.
124. Werden vergrabene, eingemauerte, oder sonst verborgene Sachen eines
unbekannten Eigenthümers ausfindig gemacht; so muß die Anzeige dem
Grundeigenthümer, wie bei gefundenen Sachen, gemacht werden.
§.
125. Kann der Eigenthümer, oder dessen Erbe aus den äusserlichen Merkmalen
entdeckt werden, so wird ihm die Sache zugestellt: Er muß aber sowohl jenem,
der die Anzeige gemacht hat, als dem Eigenthümer des Grundes den §. 120.
ausgemessenen Fundlohn abreichen.
§.
126. Bestehen die ausfindig gemachten Sachen in Geld, Schmuck, oder andern
Kostbarkeiten, die so lang im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen
Eigenthümer nicht mehr erfahren kann; dann heißen sie ein Schatz, und sind eine
herrenlose Sache, worauf der Staat ein vorzügliches Recht hat.
§.
127. Doch wird von einem Schatze zur der dritte Theil zum Staatsvermögen
gezogen: von den zwei übrigen Dritteln fällt eines dem Finder, das andere dem
Nutzungseigenthümer zu, wenn sie anders
(316)
den Fund auf erlaubte Art gemacht, und sich vorschriftmäßig dabei benommen
haben.
§.
128. Wer sich dabei einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht, oder den Fund
verheimlicht hat, dessen Antheil soll verwirkt seyn, und dem Angeber zufallen:
eben diese Strafe fällt auf den Finder, wenn er ohne Wissen und Willen des
Nutzungseigenthümers den Schatz aufgesucht, oder gegraben hat.
§.
129. Finden Arbeitsleute zufälliger Weise einen Schatz; so gebührt ihnen als
Findern ein Drittel davon: sind sie aber von dem Eigenthümer ausdrücklich zur
Aufsuchung eines Schatzes gedungen worden; so müssen sie sich mit ihrem
ordentlichen Lohn begnügen.
§.
130. Die vermöge Völkerrechts dem Feinde abgenommene Beute ist keine herrenlose
Sache: sie gehört als eine rechtliche Genugthuung überhaupt dem Staate, oder
jenen Personen, welchen sie durch den Befehlshaber oder durch Kaperbriefe
überlassen wird.
§.
131. Sobald eine erbeutete Sache von dem Beutemacher in Sicherheit gebracht
ist, verliert der vorige Eigenthümer sein Recht darauf: Wird sie aber noch eher
zurückerobert, so kann sie der Eigenthümer in Anspruch nehmen: er muß aber dem
Wiedereroberer ein Drittel des Werthes davon als Belohnung abreichen.
§.
132. Wer sonst eine fremde Sache von dem unvermeidlichen Verlust oder
Untergange rettet, z. B. ein Schaaf vom Wolfe, gelangt zwar dadurch nicht zu
dem Eigenthume dieser Sache; allein er ist berechtiget, von dem Eigenthümer
eine billige Entschädigung, oder eine verhältnißmäßige Belohnung von zehn von
Hundert zu fordern.
Fünftes
Hauptstück.
Von
Erwerbung des Eigenthumes durch Anwachs und Zuwachs.
§.
133. Anwachs und Zuwachs heißt alles, was aus einer beweglichen oder
unbeweglichen Sache neu entsteht, oder neu zu derselben kömmt, ohne daß es dem
Eigenthümer von Jemanden andern übergeben worden ist.
§.
134. Anwachs und Zuwachs, sie mögen durch Natur, oder durch Kunst, oder durch
beide zugleich bewirkt werden, sind kein neues Erwerbungsmittel, sondern eine
rechtliche Folge des schon gehabten Besitzes oder Eigenthumsrechtes.
§.
135. Die natürlichen Früchte eines Grundes, nämlich solche Nutzungen, die er
ohne bearbeitet zu werden von Zeit zu Zeit hervorbringt, als Kräuter, Schwämme
und dergleichen wachsen dem Eigenthümer
(317)
des Grundes zu; so wie alle Nutzungen, welche aus einemThiere entstehen, dem
Eigenthümer des Thieres zuwachsen.
§.
136. Der Eigenthümer eines Thieres, welches durch das Thier eines Andern
befruchtet worden ist, ist diesem keinen Lohn schuldig, wenn er nicht bedungen
worden ist. Den bei Gelegenheit einer solchen Befruchtung durch die Schuld des
eines, oder des andern Theiles entstehenden Schaden ersetzt der Schuldige.
§.
137. Wenn in der Mitte eines Privatgewässers ein Werder, eine Erdscholle oder
Insel entsteht, oder wenn das Gewässer sein Bett verläßt, so sind die
Eigenthümer der an beiden Ufern liegenden Gründe ausschließlich befugt, die
entstandene Insel oder das verlassene Flußbett verhältnißmäßig nach der Länge und
Breite desselben sich zuzueignen und zu benutzen. Entstehet die Insel auf der
einen Hälfte des Flusses, so hat der Eigenthümer des nähern Uferlandes allein
darauf Anspruch.
§.
138. Werden blos durch die Austrocknung des Flusses oder durch desselben Theilung
in mehrere Arme Inseln gebildet, oder Grundstücke und Felder überschwemmt, so
bleiben die Rechte des vorigen Eigenthums unverletzt.
§.
139. Was bisher von Inseln, welche in Privatgewässern entstehen, bestimmt
worden ist, gilt auch von solchen, welche sich in öffentlichen Flüssen bilden;
wenn anders die an beiden Ufern liegenden Gründe keine andere Gränze, als den
Fluß selbst, haben.
§.
140. Das Erdreich, welches ein Fluß unmerklich und nach und nach an ein fremdes
Ufer spühlt, gehört dem Besitzer des Ufers.
§.
141. Wird aber ein merklicher Erdtheil durch die Gewalt des Flusses an ein
fremdes Ufer gelegt, so verliert der vorige Besitzer sein Eigenthumsrecht
darauf nur in dem Falle, wenn er es in einer Jahresfrist nicht ausübt.
§.
142. Sind die am Ufer liegenden Grundstücke abgeraint, und haben ihr bestimmtes
Maaß, so gehört sowohl die neue Insel als das verlassene Flußbett und das
Uebermaß des angelegten Erdreichs dem Staate, oder demjenigen, dem der Staat
ein Recht darauf verliehen hat: wer aber sein bestimmtes Maaß noch nicht hat,
kann es daraus ergänzen.
§.
143. Jeder Grundbesitzer ist befugt, sein Ufer gegen das Ausreissen des Flußes
zu befestigen: allein Niemand darf solche Pflanzungen oder Werke anlegen, die
den ordentliche Lauf des Flusses verändern, die der Schiffahrt, den Mühlen, der
Fischerei, oder andern fremden Rechten nachtheilig werden könnten; Uiberhaupt
aber können
(318)
alle ähnlichen Anlagen nur mit Erlaubniß der politischen Behörde gemacht
werden.
§.
144. Es steht Jedermann frei sein Eigenthum auf was immer für eine Art zu
verarbeiten, es zu veredeln, und ihm dadurch einen höheren Werth zu geben.
§.
145. Wer aber ein fremdes Eigenthum verarbeitet, gewinnt dadurch noch kein
Recht auf die verarbeitete Materie: Wer also auf eine fremde Tafel mahlen, auf
fremdes Papier schreiben, fremdes Metall, fremden Marmor, Thon, Seide, Wolle,
Flachs, oder was immer sonst für fremde Materialien bearbeiten wollte, hätte
deßwegen noch keinen Anspruch auf das Eigenthum dieser Materialien.
§.
146. Eben so wenig kann derjenige, welcher seine Sache mit der Sache eines
Andern vereinigt, vermengt, oder vermischt, einen Anspruch auf die ganze
vereinigte, vermengte, oder vermischte Sache machen.
§.
147. Können dergleichen vereinigte, vermengte oder vermischte Sachtheile wieder
abgesondert und abgetheilt werden; so wird einem jeden Eigenthümer sein Antheil
zurückgestellt, und demjenigen Genugthuung geleistet, dem sie gebührt: Ist aber
die Zurücksetzung in den vorigen Stand nicht möglich, so wird die Sache beiden
Theilen gemein, und der Urheber der Vereinigung wird nach Beschaffenheit seiner
redlichen oder unredlichen Absicht behandelt.
§.
148. Werden fremde Materialien nur zur Ausbesserung einer beweglichen Sache
verwendet; so findet keine Gemeinschaft Platz: Die fremde Materie fällt dem
Eigenthümer der Hauptsache zu, und dieser ist verbunden nach Beschaffenheit
seines redlichen oder unredlichen Verfahrens dem vorigen Eigenthümer der
verbrauchten Materialien den gemeinen oder ausserordentlichen Werth derselben
zu bezahlen.
§.
149. Wenn Jemand auf eigenem Boden ein grundfestes Gebäude aufgeführt, und
fremde Materialien dazu verwendet hat, so bleibt das Gebäude zwar sein
Eigenthum; er muß aber seinem Gewährmann nahmhaft machen. Ist dieser
unvermögend die Materialien zu bezahlen, oder hat er sie ohne Entgeld
geliefert; so hat ein redlicher Bauführer dem Beschädigten den gemeinen Werth
dafür zu entrichten.
§.
150. Kann der Bauführer keinen Gewährmann nahmhaft machen, oder ist er nicht redlich
zu Werke gegangen; so bezahlt er die Materialien nach dem höchsten Preise, und
haftet für allen anderweitigen Schaden.
§.
151. Hat im entgegengesetzten Falle Jemand mit eigenen Materialien wider Wissen
und Willen des Eigenthümers auf fremden Grunde gebaut; so fällt das Gebäude dem
Grundeigenthümer zu; der Bauführer aber kann nach Beschaffenheit seines
Besitzrechtes den Ersatz der
(319)
nothwendigen und nützlichen Kosten fordern, oder lediglich die Materialien auf
eine unschädliche Art hinwegnehmen.
§.
152. Ist das Gebäude auf fremden Grunde, und aus fremden Materialien
entstanden, so wächst auch in diesem Falle das Eigenthum desselben dem
Grundeigenthümer zu: der Bauführer aber ersetzt vor allen den durch sein
Verschulden dem einen und dem andern Theile verursachten Schaden.
§.
153. Damit aber der Grundeigenthümer nicht mit Nachtheil eines Dritten gewinne;
so muß derselbe einem redlichen Bauführer entweder die nothwendigen und
nützlichen Kosten ersetzen; oder den Grund und Boden oder dessen Benutzung gegen
den angemessenen Werth überlassen: einem unredlichen Bauführer wird nur der
Werth der Materialien, oder deren unschädlichen Zurücknahme gestattet.
§.
154. Was bisher wegen der mit fremden Materialien aufgeführten Gebäude bestimmt
worden ist, gilt auch für die Fälle, wenn ein Feld mit fremden Saamen besäet,
oder mit fremden Pflanzen besetzt worden ist. Ein solcher Zuwachs, den Natur
und Arbeit zugleich gewähren, wird durch die Saat und durch die Pflanzung ein
unbewegliches Gut des Grundes; wenn anders die Pflanzen schon Wurzel geschlagen
haben.
§.
155. Das Eigenthum eines Baumes wird nicht nach den Wurzeln, die sich in einem
angränzenden Grunde verbreiten, sondern nach dem Stamme bestimmt, der aus dem
Grunde und Boden hervorragt: steht der Stamm auf den Gränzen mehrerer
Eigenthümer, so ist ihnen der Baum gemein.
§.
156. Jeder Grundeigenthümer kann die Wurzeln eines fremden Baumes aus seinem
Boden reissen, und die über seinen Luftraum hängenden Aeste abschneiden, oder
sonst benutzen.
§.
157. Ein unredlicher Besitzer wird durch den Ersatz des verursachten Schadens
von der in den Strafgesetzen bestimmten Strafe keineswegs befreiet.
Sechstes
Hauptstück.
von
Erwerbung des Eigenthumes durch Uibergabe.
§.
158. Sachen, die schon einen Eigenthümer haben, können nicht anders, als
mittelbar erworben werden: wenn sie nämlich ihr Eigenthümer einem Andern
überläßt, und dieser sie eigenthümlich übernimmt.
§.
159. Alle Titel eine Sache mittelbar zu erwerben müssen sich also auf den
Willen beider Theile beziehen; und die Erwerbungsart beruht einzig auf der
rechtlichen Uibergabe und Uebernahme derselben.
(320)
§. 160. Der beiderseitige Wille liegt auch in jenen Fällen zu Grunde, in
welchen das Eigenthum durch das Gesetz, durch letztwillige Verordnung, oder
durch richterliche Ausspruch von einer Person auf eine andere übertragen wird.
§.
161. Es wird nämlich der Wille bald ausdrücklich durch Worte, bald
stillschweigend durch Handlungen, und bald durch das Gesetz erklärt.
§.
162. Das Gericht kann Niemanden neue Rechte verschaffen: es muß aber die einem
Jeden gebührenden Rechte handhaben, und die streitigen bestimmen.
§.
163. Wahnsinnige, Minderjährige, gerichtlich erklärte Verschwender und alle,
welchen die Natur oder das Gesetz über das Ihrige zu schalten verbietet, können
das Recht ihre Sachen zu veräußern nicht ausüben: ihr Wille wird bei
Gelegenheit aller Veräusserungsarten durch eigene Vertretter, und in wichtigen
Fällen durch das Gericht ersetzt.
§.
164. Bewegliche Sachen können auf zweierlei Art veräussert werden, nämlich durch
körperliche Uebergabe von Hand zu Hand, oder ohne diese durch die Erklärung des
Uebergebers, daß er eine Sache nur im Namen des Uebernehmers behalten wolle:
durch diese Erklärung gelangt der Uebernehmer zum Eigenthum der Sache, welche
in des vorigen Eigenthümers Gewährsame verbleibt.
§.
165. Ueberschickte Sachen werden erst dann für übergeben gehalten, wenn sie der
Uebernehmer erhält: es wäre denn, daß dieser die Ueberschickungsart selbst
bestimmt oder genehmigt hätte.
§.
166. Hat ein Eigenthümer die nämliche bewegliche Sache an zwei verschiedene
Personen, an eine mit, an die andere ohne Uebergabe veräussert; so bleibt sie
dem wirklichen Inhaber; ist die Sache keinem von beiden übergeben worden; so
hat der erste Erwerber das Vorrecht. In allen Fällen bleibt der Eigenthümer
demjenigen verantwortlich, dem er nicht Wort gehalten hat.
§.
167. Mit dem Eigenthume einer Sache werden alle derselben anklebende Rechte
erworben. Rechte, die auf die Person des Uibergebers eingeschränkt sind, kann
er nicht übergeben. Ueberhaupt kann Niemand einem Andern mehr Rechte abtretten,
als er selbst hat.
§.
168. In den §. 92. bestimmten Fällen, wo das Eigenthum beweglicher Sachen auch
durch Personen, die nicht selbst Eigenthümer sind, an einen redlichen Besitzer
übergeht, wird dieses Recht nicht von dem unbefugten Besitzer, sondern von dem
Gesetze und zwar zur Sicherheit des Handels und Wandls (!) hergeleitet.
(321)
§. 169. Wenn die Abtrettung des Eigenthumes unter einem, und dessen Uibernahme
unter einem anderen Titel erfolgt ; so wird dadurch die Veräusserung und
Erwerbung nicht verhindert: nur muß jeder Titel zu diesem Ende hinreichend, und
der beiderseitige Wille einstimmig seyn.
§.
170. Dächte also ein Eigenthümer seine Sache Jemanden ohne Entgeld zu
überlassen; der Uibernehemer aber meinte diese Sache gegen Entgeld an sich zu
bringen: so geht, wenn anders sonst kein Hinderniß entritt: das Eigenthum
gleichwohl von dem Einen zu dem Andern über; weil überhaupt Beide den
einstimmigen Willen hatten, jener die Sache zu übergeben, dieser sie zu
erwerben.
§.
171. Dächte aber der Uibernahme das Eigenthum einer Sache zu erhalten, wovon
der Uibergeber nur den Gebrauch überlassen will; oder hatte der Eigenthümer
eine Sache als Geschenk überschickt, und der Empfänger sie nur als zur
Verwahrung anvertraut angesehen: so ist wegen Mangel eines auf beiden Seiten
giltigen Titels keine Veränderung in dem Eigenthume geschehen.
§.
172. Unbewegliche Sachen können weder durch den bloßen Willen des Eigenthümers,
noch durch die darauf erfolgte Uibergabe und Uibernahme allein eigenthümlich
erworben werden: solche Erwerbungsgeschäfte müssen noch überdies in die dazu
bestimmten öffentlichen Bücher oder Register eingetragen werden.
§.
173. Bei Bauerngütern ist es genug, wenn der Uibergeber und Uibernehmer, oder
auch nur der Uibergeber allein vor der Obrigkeit des Bezirkes erscheint, und
die Einverleibung des Erwerbungsgeschäftes in die ordentlichen
Vormerkungsbücher, oder wo diese nicht eingeführt sind, in die Amtsregister
bewirkt: wenn der Uibergeber nicht persönlich erscheint, und in allen
städtische oder landtäfliche Güter betreffenden Fällen, muß über das
Erwerbungsgeschäft eine schriftliche Urkunde aufgesetzt, und sowohl von den
sich vertragenden Theilen, als von zweien glaubwürdigen Männern als Zeugen
gefertigt werden.
§.
174. In einer solchen Urkunde müssen die Personen, welche das Eigenthum
übergeben und übernehmen, die erworbene Sache mit ihren Gränzen, der Titel der
Erwerbung und endlich der Ort und die Zeit des geschlossenen Geschäftes
bestimmt angemerkt werden.
§.
175. Wird die gerichtliche Einverleibung einer in Ordnung errichteten Urkunde
nur schriftlich angesucht; so muß sie ohne Verschub vorgenommen und dem
abwesenden Uibergeber Nachricht davon zu eigenen Händen zugestellt werden,
damit derselbe nöthigen Falls die Einverleibung bestreiten, und zu diesem Ende
seinen Widerspruch ebenfalls einverleiben
(322)
lassen, denjenigen aber, welcher die Einverleibung bewirkt hat, zur
Rechtfertigung auffordern könne.
§.
176. Zur Bestreitung einer solchen Einverleibung wird dem Uibergeber, wenn er
im Orte selbst lebt, eine Frist von 30 Tagen: wenn er sich in der nämlichen
Provinz aufhält, 45 Tage: wenn er ausser der Provinz, aber in diesen Staaten
ist, 60 Tage: und wenn er sich in einem fremden Lande befindet, 90 Tage als
Frist gegeben: während dieser Frist, welche keine Erweiterung zuläßt, kann der
einverleibte Uibernehmer die übernommene Sache zum Nachteil des Uibergebers
weder veräussern noch verpfänden.
§.
177. Uiberdies kann Jeder, der sich berechtigt hält, die Giltigkeit einer
Einverleibung zu bestreiten, durch drei Jahre, vom Tage ihrer Entstehung an als
Kläger auftretten , und ihre Auslöschung verlangen: in diesem Falle wird wie in
Fällen anderer Klagrechte verfahren. Nach den hier gegebenen Vorschriften hat
man sich bei allen Einverleibungen dinglicher Rechte zu verhalten.
§.
178. Hat der Eigenthümer die nämliche unbewegliche Sache zweien verschiedenen
Personen übertragen; so fällt sie derjenigen zu welche die Einverleibung früher
bewirkt hat.
§.
179. Eben diese Vorschriften sind auch verhältnißmäßig zu beobachten, wenn das
Eigenthum unbeweglicher Sachen durch ein rechtskräftiges Urtheil, durch ein
Theilungsinstrument, oder durch gerichtliche Uiberantwortung einer Erbschaft
bestimmt werden soll. Uiberhaupt kann Grund und Boden nicht anders, als
mittelst der öffentlichen Bücher oder Register an Jemanden gelangen, noch von
einem, der nicht selbst als Eigenthümer in denselben vorgemerkt ist, an einen
Andern übertragen werden.
§.
180. Um das Eigenthum eines vermachten Gutes zu erwerben, ist es nicht genug,
daß die letztwillige Verordnung überhaupt den öffentlichen Büchern einverleibt
worden sey: wer eine Forderung dieser Art hat, muß bei der Behörde noch die
besondere Einverleibung des Vermächtnisses auswirken.
§.
181. Mit dem Eigenthume unbeweglicher Sachen werden auch die darauf liegenden,
in den öffentlichen Büchern angemerkten Lasten übernommen. Wer diese Bücher
nicht einsieht, leidet in allen Fällen für seine Nachläßigkeit. Andere
Forderungen und Ansprüche die Jemand an den vorigen Eigenthümer hat, gehen
nicht auf den neuen Erwerber über.
(323)
§. 182. Sobald die Urkunde über das Eigenthumsrecht in die landtäflichen,
Stadt- oder Grundbücher eingetragen ist, tritt der neue Eigenthümer in den
rechtsmäßigen Besitz: Doch kann ihm sein Eigenthumsrecht noch innerhalb drei
Jahren, aber nicht später, streitig gemacht werden.
§.
183. Anders verhält es sich mit den Urkunden, die nur bei gerichtlichen
Registern niedergelegt werden: Weil es hier oft an Ordnung und Bequemlichkeit
sie einzusehen und zu benutzen fehlt, so sollen dergleichen Urkunden, und die
sich darauf beziehenden Grundbesitzer nur in der an seinem Orte bestimmten
Verjährungsfrist ihre Rechtskraft und Sicherheit haben.
§.
184. Das Eigenthum überhaupt kann durch den Willen des Eigenthümers, durch das
Gesetz und durch richterlichen Ausspruch verloren gehen. Das Eigenthum der
Grundstücke aber, die den landtäflichen, Stadt- und Grundbüchern einverleibet
sind, wird nur durch Löschung aus diesen Büchern aufgehoben.
§.
185. Diese Löschung ist auf die lediglich bei Gerichten hinterlegten Urkunden
nicht anwendbar. In solchen Fällen muß Jeder, der ein in Besitz genommenes
Grundstück als ein sicheres Eigenthum erhalten will, alle diejenigen, welche
einen Anspruch darauf zu haben vermeinen, vor Gericht laden, und diese
Vorladung durch drei öffentliche Edikte von dreißig zu dreißig Tagen
wiederholen lassen.
Siebentes
Hauptstück.
Von
dem geteilten Eigenthume.
§.
186. In dem Zeitpunkte, in welchem eine Sache ursprünglich und unmittelbar
erworben wird, kann das Eigenthum derselben weder getheilt, noch eingeschränkt,
noch belastet seyn: Diese Bestimmungen entstehen lediglich durch Verfügungen
des Eigenthümers und durch gesetzliche Verordnungen.
§.
187. Die Absonderung des Rechtes auf die Substanz von dem Rechte auf die
Nutzung findet nur bei liegenden Gründen statt: Diese nehmen nach
Verschiedenheit der zwischen dem Grund(-), und Nutzungseigenthümer obwaltenden
Verhältnisse verschiedene Eigenschaften an, und sind vorzüglich als Stift,
Lehen, Erbpacht, und Erbzinsgüter bekannt.
§.
188. Nach Beschaffenheit dieser Güter werden Grundeigenthümer derselben bald
Stifts(-), oder Lehenherren: bald Erbpachtsherren: bald Erbzins(-)
oder Grundherren: die Nutzungseigenthümer aber Lehensmänner, Erbpachtsnehmer,
Erbzinsmänner oder Grundholden genannt.
(324)
§. 189. Lehengut heißt ein solcher Grund und Boden, dessen Nutzungseigenthümer
den Grundeigenthümer gegen dem von diesem ihm zu ertheilenden Schutz besondere
Treue leisten muß. Diese Treue besteht in Abwendung alles Schadens, und in
bestimmten Diensten.
§.
190. Da die Lehendienste so mannigfaltig, als die Gattungen der Lehen selbst
sind, so müssen die Rechte und Verbindlichkeiten der Lehenherrn, und Lehenmänner
genau bestimmt werden. Zweifelhafte, in den Lehenbriefen nicht hinlänglich
bestimmte Fälle werden nach den Lehenrechten entschieden.
§.
191. Erbpachtgut heißt ein solches Nutzungseigenthum, welches Jemanden erblich
überlassen worden ist unter der Bedingung, daß der Besitzer die jährlichen
Nutzungen mit einer jährlichen Abgabe in Gelde, in Früchten, oder auch in
verhältnissmäßigen Arbeiten vergelten soll.
§.
192. Wird diese Abgabe von dem Besitzer nur zur Anerkennung des Grundeigenthums
geleistet; so heißt der Grund ein Erbzinsgut, oder dienstbares Gut.
§.
193. Ist ein Eigenthum dergestalt getheilt, daß einem Theile die Substanz des
Grundes sammt der Benutzung der Unterfläche, dem andern Theile aber nur die
Nutzbarkeit der Oberfläche erblich gehört, so heißt die jährliche von dem
Erbzinnsmann zu entrichtende Abgabe Bodenzins.
§.
194. Erbpacht- und Erbzinsgüter gehen auf alle Erben über, die nicht
ausdrücklich ausgeschlossen werden sind.
§.
195. Das getheilte Eigenthum einer unbeweglichen Sache kann eben so wenig als
das Vollständige ohne Einverleibung der gehörigen Urkunde in die öffentlichen
Bücher oder Register erworben werden. Ein giltiger Titel dazu kann nur gegen
die verbundene Person, nicht aber gegen einen Dritte, oder ein dingliches Recht
gelten.
§.
196. Die Rechte des Grund(-), und Nutzungseigenthümers kommen überhaupt darin
überein, daß ein jeder mit seinem Theile in soweit schalten und walten kann,
als die Rechte des Andern nicht dadurch beeinträchtiget werden.
§.
197. Einer wie der Andere ist berechtigt, seinen Nachtheil gerichtlich zu
verfolgen, ihn zu verpfänden, zu vermachen, oder bei Lebzeiten zu veräußern.
Wer diesfalls eine Einschränkung behaupten will, muß solche durch die gehörigen
Urkunden, durch sogenannte Gewährbriefe oder Handfeste darthun.
§.
198. Der Grundeigenthümer ist insonderheit berechtigt dem Nutzungseigenthümer
nicht nur die Verringerung der Nutzungssache, sondern
(325)
auch alle Veränderungen zu untersagen; wenn dadurch die Ausübung seiner Rechte
vereitelt oder erschwert werden kann.
§.
199. Er kann also verlangen, daß der Erbzinsmann sein behaustes Gut mit dem
Rücken besitze; er kann auf die Erhaltung und Bestellung der Grundstücke, und
selbst auf deren Uiberlassung an andere Erbpacht(-), oder Erbzinnsmänner
bringen, wenn der Vorige die auf dem Grunde haftenden Lasten zu tragen unfähig
ist.
§.
200. Das vorzüglichste Recht des Erbpacht- und Erbzinsherrn besteht in der
Beziehung des jährlichen Zinses und anderer bedungenen Gebühren. Diese können
unter keinem Vorwand erhöht, von den zum Grunde nicht gehörigen Fahrnissen
aber, so wie von andern beweglichen Sachen, gar nicht bezogen werden.
§.
201. In der Regel haftet einer der getheilten Eigenthümer dem andern nicht für
den Zufall. Allein wenn ein Erbpächter durch Krieges(-) oder Pestunfälle oder
durch allgemeinen Mißwachs sein Pachtgut zu benutzen verhindert worden ist; so
muß demselben ein angemessener Erlaß vom Zinse gestattet werden.
§.
202. Ein Erbzinnsmann hat auf einen ähnlichen Erlaß keinen Anspruch: Er muß,
solang ein Theil des Erbgutes vorhanden ist, den ohnehin geringen Geldzins voll
entrichten. Nur wenn die von ihm zu leistende Abgabe in natürlichen Früchten
besteht, ist er in einem Jahre nicht mehr davon abzuführen schuldig, als wirklich
auf dem Erbzinsgute gewachsen ist.
§.
203. Wie weit das Gesetz zur Sicherheit der Forderungen der Grundherrn, die aus
der Grundherrlichkeit entspringen, ein Vorrecht gegen alle übrigen Gläubiger
einräume, ist in der Gerichtsordnung bestimmt.
§.
204. Hat der Erbzinsmann den Zins in der bedungenen Zeit nicht abgeführt; so
kann sein Erbzinsherr bis zum Betrage seiner Forderung die Nutzung selbst in
Beschlag nehmen, und sich aus derselben schadlos halten.
§.
205. Ein Erbpachtsherr hat in Ansehung des über ein Jahr ausständigen Zinses
die Wahl bei Gerichte entweder auf die Nutzungen des Erbpachtgutes, oder
mittelst gerichtlicher Versteigerung auf das Gut selbst anzutragen.
§.
206. Im Zweifel, ob ein Nutzungseigenthum ein Erbpachtgut oder ein Erbzinsgut
sey, giebt der Betrag des jährlichen Zinses und anderer Schuldigkeiten den
Ausschluß. Steht dieser Betrag mit den jährlichen reinen Nutzungen außer allem
Verhältniß, so ist das Nutzungseigenthum
(326)
ein Erbzinsgut; läßt sich aber wenigstens von alten Zeiten her, und bei ganz
öde übernommenen Gründen ein Verhältniß denken, so ist es ein Erbpachtgut.
§.
207. Ein Erbzinsmann kann sein Nutzungseigenthum verkaufen, ohne die
Einwilligung des Grundeigenthümers nöthig zu haben, und ohne daß dieser auf ein
Verkaufs(-), oder Einstandrecht Anspruch machen könne.
§.
208. Hat sich aber der Grundeigenthümer diese Einwilligung und Rechte
ausdrücklich vorbehalten; so muß er sich binnen dreißig Tagen, nach der ihm
gemachten ordentlichen Anzeige erklären. Nach dieser Frist wird seine
Einwilligung für ertheilt gehalten. Uibrigens kann er diese Einwilligung nur
wegen offenbarer Gefahr der Substanz verweigern.
§.
209. Die Abgabe, welche der Grundeigenthümer zuweilen von einem neuen
Nutzungseigenthümer zu fordern hat, heißt, wenn die Veränderung bei Lebzeiten
geschieht, Lehenwaare, geschieht sie aber von Todeswegen, Sterblehen. Beide
werden auch überhaupt Veränderungsgebühren genannt. Ob und wie weit diese
Rechte gegründet seyen, entscheiden die öffentlichen Bücher und Urkunden.
§.
210. Wo es an dinglichen gesetzmäßigen Büchern und Urkunden fehlt, giebt ein
dreißig(-)jähriger ruhiger Besitz für die schon vergangenen Fälle den
Ausschlag: es muß aber jeder Grundeigenthümer bei Verlust aller fernern
Ansprüche innerhalb drei Jahren, von der Kundmachung dieses Gesetzes an, diesen
Mangel ersetzen. Rechte, die nicht vorgemerkt sind, wirken ohnehin nicht gegen
einen Dritten.
§.
211. Der Grundeigenthümer ist seiner Seits (!) verpflichtet, den
Nutzungseigenthümer zu vertretten, und wenn das Nutzungsrecht mit der Substanz
wieder vereinbart wird, ihm oder seinem Nachfolger die getroffenen
Verbesserungen, wie einem andern rechtlichen Besitzer, zu vergüten, und für die
Richtigkeit der öffentlichen Bücher und Register, die er über seine Zinsgüter
führt, zu haften.
§.
212. Für andere Lasten steht der Grundeigenthümer nicht. Der
Nutzungseigenthümer kann überhaupt einem andern nicht mehr Recht übertragen,
als er selbst hat: das Recht des Einen erlischt also mit dem Rechte des Andern.
§.
213. Da dem Nutzungseigenthümer alle ordentliche n und ausserordentlichen
Nutzungen zustehen; so gebührt ihm auch ein verhältnißmäßiger Theil von einem
gefundenen Schatze. Er ist sogar befugt die Substanz zu verringern; wenn die
Benutzung des Grundes sonst nicht statt findet.
(327)
§. 214. Wer nichts als einen Bodenzins entrichtet, hat nur auf die Nutzbarkeit
der Oberfläche als Bäume, Pflanzen und Gebäude und auf einen darin gefundenen
Schatztheil Anspruch: vergrabene Schätze und andere unterirrdische Nutzungen
gehören dem Grundeigenthümer allein zu.
§.
215. Die Verbindlichkeiten der Nutzungseigenthümer stehen überhaupt mit den
festgesetzten Rechten der Grundeigenthümer im Verhältniß: besonders aber soll
der jährliche Zins, wenn nichts anders verabredet worden ist, zwischen dem ersten
November und halben Dezember abgeführt werden.
§.
216. Der Nutzungseigenthümer trägt ferner alle ordentlichen und
ausserordentlichen dem Gute anklebenden Lasten: er entrichtet die Steuern,
Zehenten, und andere besonders vorgemerkte Abgaben. Was auf den Zins vertheilt,
oder verkümmert, das ist mit gerichtlichen Verbote belegt wird, hat der
Grundeigenthümer selbst zu tragen.
§.
217. Jeder neue Nutzungseigenthümer ist in der Regel verbunden sich von dem
Grundeigenthümer eine Urkunde des erneuerten Nutzungseigenthums zu verschaffen:
da aber Gemeinden, und andere moralische Körper ordentlicher Weise nicht
absterben, so sind sie verbunden alle zehn Jahre um eine solche Urkunde, oder
Gewährbriefe anzusuchen. Wer durch sein Verschulden dieses Ansuchen durch drei
Jahre unterläßt, hat die für den Gewährbrief zu entrichtende Taxe vierfach zu
entrichten.
§.
218. Was im vorigen Hauptstücke von der Aufhebung des vollständigen Eigenthums
bestimmt worden ist, gilt überhaupt auch von dem getheilten. Hat der
Nutzungseigenthümer keinen rechtsmäßigen Nachfolger; so wird die Nutzbarkeit
mit der Substanz vereiniget, und fällt nach Berichtigung aller Schulden, die
aus einem andern Vermögen nicht getilget werden können, dem Grundeigenthümer
zu.
§.
219. Durch Zerstörung der Pflanzen, Bäume und Gebäude geht das
Nutzungseigenthum der Oberfläche nicht verlohren; solang noch ein Theil des
Grundes bleibt, kann ihn der Besitzer, wenn er anders seinen Zins abführt, mit
neuen Pflanzen, Bäumen und Gebäuden besetzen.
§.
220. Aus der bloßen Abführung eines fortdauernden Zinses oder jährlicher Renten
von einem Grundstücke oder Gebäude kann man noch nicht auf die Theilung des
Eigenthums folgern: in allen Fällen, in welchen die Trennung der Substanz von
der Nutzbarkeit nicht ausdrücklich erhellt, ist jeder redliche Besitzer als
vollständiger Eigenthümer anzusehen.
(328)
§. 221. Es mag Jemand seine unbewegliche Sache einem Andern gegen jährlichen
Zins eigenthümlich überlassen, oder von einem schon wirklichen Eigenthümer das
Zinsrecht erwerben; so gebührt in beiden Fällen dem Zinsverpflichteten das
vollständige Eigenthum: im ersten Falle kann die Zinspflicht nur mit
beiderseitiger Einwilligung aufhören; im zweiten darf sie der Schuldner allein
halbjährig aufkündigen, und entweder um den ausgelegten Werth, oder wenn dieser
nicht bekannt ist, um die mittlere Taxe einlösen.
Achtes
Hauptstück.
Von
dem Pfandrechte.
§.
222. Eine Sache, welche einem Gläubiger zur Sicherstellung seiner Forderung
gehörig eingeraumt worden ist, heißt überhaupt ein Pfand.
§.
223. Als Pfand kann jede Sache dienen, die in einem Verkehr steht: ist sie
beweglich, so wird sie ein Faustpfand, oder ein Pfand in engster Bedeutung
genannt; ist sie unbeweglich so heißt sie eine Hypothek oder ein Grundpfand.
§.
224. Das Recht sich, wenn die Schuld zur bestimmten Zeit nicht bezahlt wird, an
dem Pfande zu erholen, heißt das Pfandrecht: es haftet auf der pfändlich
eingeraumten Sache, und ist nach Verschiedenheit des Gegenstandes entweder ein
Faustpfandrecht, oder ein Hypothekarrecht.
§. 225.
Beide gehören zu den dinglichen Rechten: sie lassen sich also nicht nur gegen
den Verpfänder, sondern auch gegen einen dritten Innhaber ausüben.
§.
226. Das Pfandrecht setzt zwar immer eine giltige Forderung voraus; aber nicht
jede Forderung giebt ein Recht auf Sicherstellung: diese gründet sich entweder
auf das Gesetz, oder auf einen richterlichen Ausspruch, oder auf die
Einwilligung des Eigenthümers; es sey mittelst Vertrages oder durch
letztwillige Verordnung.
§.
227. Die Fälle, in welchen das Gesetz Jemanden das Pfandrecht einraumt, sind am
gehöhrigen Orte angegeben: in wie fern das Gericht ein Pfandrecht einräumen
könne, bestimmt die Gerichtsordnung: soll aber durch die Einwilligung des
Schuldners, oder eines Dritten, der seine Sache für ihn verhaftet, das
Pfandrecht erworben werden, so dienen die allgemeinen Vorschriften von
Verträgen und Vermächtnissen zur Richtschnur.
(329)
§. 228. Um das Pfandrecht wirklich zu erwerben, muß der mit einem Titel
versehene Gläubiger die verpfändete Sache, wenn sie beweglich ist, in
Verwahrung nehmen, und wenn sie unbeweglich ist, seine Forderung auf die zur
Erwerbung des Eigenthums liegender Gründe vorgeschriebene Art eintragen lassen:
der Titel allein gibt nur ein persönliches Recht zur Sache, aber kein
dingliches Recht auf die Sache.
§.
229. Entsteht die Schuldforderung erst nach bestelltem Pfandrechte; oder ist
die Verpfändung eher vorgenommen worden, als der Pfandgeber das freie Eigenthum
der verpfändeten Sache erhalten hat, so erlangt das Pfandrecht seine volle Kraft
von der Zeit an, zu welcher die Schuldforderung angefangen, oder der Verpfänder
das freie Eigenthum angetretten hat.
§.
230. Wird eine fremde Sache ohne Einwilligung des Eigenthümers verpfändet; so
hat dieser in der Regel zwar das Recht sie zurückzufordern: aber in solchen
Fällen, in welchen die Eigenthumslage gegen einen redlichen Besitzer nicht
statt hat, ist er verbunden entweder den redlichen Pfandinnhaber schadlos zu
halten, oder das Pfand fahren zu lassen und sich mit dem Rückersatzrechte gegen
den Hauptschuldner zu begnügen.
§.
231. Werden Schuldforderungen, Waarenlager, Schiffe, Frachtgüter und andere
dergleichen bewegliche Sachen verpfändet, die man nicht von Hand zu Hand,
sondern durch Zeichen zu übergeben und zu übernehmen pflegt; so sind solche
Maaßregeln zu treffen, daß Jedermann die Verpfändung erfahren, und sich vor
Schaden hüten könne: wer von dergleichen Vorschriften keinen Gebrauch macht,
auf den fallen die nachtheiligen Folgen davon.
§.
232. Wer ohne Nachtheil ein Pfandrecht zum Afterunterpfande annehmen will; der
muss sich das Faustpfand übergeben, oder die Verschreibung seines
Afterunterpfandes auf das Pfandrecht in die öffentlichen Bücher eintragen
lassen; der Innhaber des verpfändeten Guts muß davon benachrichtiget werden,
und er kann seine Schuld nur mit Wissen und Willen dessen, der das
Afterunterpfand hat, abführen.
§.
233. Wer seine Forderung auf ein liegendes Gut eintragen läßt, dem werden alle
in diesem Ganzen begriffene, zu dem freien Eigenthum des Verpfänders gehörige
Theile, folglich auch die noch nicht abgesonderten oder nicht bezogenen Früchte
verhaftet. Wenn also ein Schuldner einem Gläubiger sein Gut, und einem Andern
später die Früchte desselben verschreibt; so ist die spätere Beschreibung nur
in Rücksicht auf die schon abgesonderten und bezogenen Früchte von einiger
Wirkung.
(330)
§. 234. Eine Verschreibung kann sich nicht weiter, als das Recht des
Verpfänders erstrecken, folglich weder den Rechten des Staates auf Steuern und
Gaben, noch den Rechten des Staates auf Steuern und Gaben, noch den Rechten des
Grundeigenthümers auf Erbzinse und andere dinglichen Schuldigkeiten, noch
endlich den Rechten eines früher vorgemerkten Gläubigers Abbruch thun.
§.
235. Der Vorzug der erst berührten Rechte des Staats und des Grundeigenthümers
schränkt sich nur auf die drei letzten Jahre ein: eben dieses gilt auch von den
mit dem Grundkapital verschriebenen Interessen und Zinsen: Zögerungszinse haben
gar kein Vorrecht.
§.
236. Findet die Einverleibung einer Schuldforderung in die öffentlichen Bücher
wegen Mangels gesetzmäßiger Förmlichkeit in der Urkunde nicht statt; so kann
sich der Gläubiger zu dem Ende gerichtlich vormerken lassen, damit ihm bis zur
Entscheidung der Sache Niemand ein Vorrecht abgewinne: durch diese Vormerkung
erhält er ein bedingtes Unterpfandsrecht, welches, wenn die Forderung zuerkannt
wird, von dem Tage der Vormerkung an, in ein wirkliches übergeht.
§.
237. Die geschehene Vormerkung muß sowohl demjenigen, der sie bewirkt hat, als
auch seinem Gegentheil durch Zustellung zu eigenen Händen bekannt gemacht
werden. Der Vormerkungswerber muß binnen vierzehn Tagen, vom Tage der
erhaltenen Zustellung an, die ordentliche Klage zum Erweis seiner Forderung
einreichen; widrigen Falls soll die bewirkte Vormerkung auf Ansuchen des Schuldners
gelöscht werden.
§.
238. Nur für den Fall, wenn der Werth eines Pfandes ohne Verschulden des
Gläubigers in der Folge nicht mehr zur Bedeckung der Schuldforderung zureicht;
ist er berechtigt von dem Schuldner eine bessere Sicherstellung zu fordern: Zu
dieser bessern Sicherstellung kann ein Dritter, der statt des Hauptschuldners
ein Pfand gegeben hat, nur dann angehalten werden, wenn er sich eigends (!)
dazu verbindlich gemacht hat.
§.
239. Hat der Schuldner aus Irrthum oder Uibereilung ein übermäßiges Pfand
gegeben; so steht es ihm frei eine andere, aber angemessene Sicherheit zu
leisten.
§.
240. Wird der Pfandgläubiger nach Verlauf der bestimmten Zeit nicht befriedigt,
so ist er befugt den Schuldner gerichtlich zu belangen, und auf die Feilbietung
des Pfandes anzutragen. Das Gericht hat dabei nach Vorschrift der
Gerichtsordnung zu verfahren.
§.
241. Vor der Feilbietung des Guts ist jedem darauf vorgemerkten Pfandgläubiger
die
Einlösung
der Forderung, wegen welcher die Feilbietung angesucht worden, zu gestatten.
(331)
§.
242. Hypothekargläubiger sind zur bevorstehenden Versteigerung mit Bestimmung
der gesetzmäßigen Frist persönlich vorzuladen: wird diese Vorladung
unterlassen, so muß derjenige, welcher die Sache erstanden hat, für die den
öffentlichen Büchern einverleibte Forderung nach Maaß seines Besitzes noch
ferner haften.
§. 243. Schuldner haben kein
Recht bei Versteigerung einer von ihnen verpfändeten Sache mitzubieten.
§. 244. Wird der Schuldbetrag
aus dem Pfande nicht gelöset, so ersetzt der Schuldner das Fehlende, ihm fällt
aber auch das zu, was über den Schuldbetrag gelöset wird.
§. 245. Ohne Bewilligung des
Pfandgebers darf der Gläubiger das Pfandstück nicht benutzen: er muß es
vielmehr genau verwahren, und wenn es durch sein Verschulden in Verlust geräth,
dafür haften: geht es ohne seine Schuld verloren; so verliert er deswegen seine
Forderung nicht.
§. 246. Wenn die verpfändete
Sache zerstört wird: wenn sich der Gläubiger seines Rechtes darauf gesetzmäßig
begiebt; oder wenn er sie dem Schuldner unbedingt zurückstellt, so erlischt
zwar das Pfandrecht, aber die Schuldforderung besteht noch.
§. 247. Das Pfandrecht
erlischt ferner mit der Zeit, auf welche es eingeschränkt war; folglich auch
mit dem zeitlichen Rechte des Pfandgebers auf die verpfändete Sache: wenn
anders dieser Umstand dem Gläubiger bekannt war, oder aus den öffentlichen
Büchern bekannt seyn konnte.
§. 248. Der bloße Zeitverlauf
verhindert aber weder den Gläubiger, daß er das Pfandstück gegen Bezahlung
zurückstelle, noch den Schuldner, daß er gegen Zurückstellung des Pfandes die
Schuld berichtige.
§. 249. Zur Aufhebung des
Hypothekarrechtes ist die Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend. Ein
Hypothekargut bleibt solang verhaftet, bis die Schuldurkunde aus den
öffentlichen Büchern gelöscht ist.
§. 250. In der Regel ist zwar
der Pfandnehmer verbunden dem Pfandgeber nach getilgter Schuld die verpfändete
Sache zurückzustellen. Allein es gebührt ihm noch das Zurückhaltungsrecht und
ein neues verhältnißmäßiges Pfandrecht darauf; wenn er es auf eine andere,
richtige und schon verfallene Forderung gründen kann. Eben dieses Recht steht
in gleichen Umständen jedem andern redlichen Besitzer zu.
§. 251. Ist aber das
Pfandrecht ausdrücklich auf eine gewisse Zeit eingeschränkt worden, so findet
nach Verlauf dieser Zeit nur die gerichtliche aber keine Privatpfändung mehr
statt.
(332)
§.
252. Gegen das bessere Recht eines Dritten, oder nach ausgebrochenem Konkurse
ist auch nicht einmal die gerichtliche Pfändung von einiger Wirkung.
Neuntes
Hauptstück.
Von
Servituten oder Dienstbarkeiten.
§. 253. Einzelne Rechte auf
eine gewisse Sache können, wie das vollständige und getheilte Eigenthum, durch
den Willen des Eigenthümers, oder durch das Gesetz überlassen, und erworben
werden: wodurch die natürliche Freiheit mit dieser Sache nach eigener Willkühr
zu schalten und zu walten mehr, oder weniger eingeschränkt wird.
§. 254. Ein Eigenthümer kann
z. B. verpflichtet sein bei Benutzung seiner Sache zum Vortheil eines Dritten
etwas zu dulden, oder etwas zu unterlassen: Geschieht dieses, so entsteht eine
Dienstbarkeit, oder sogenannte Servitut: Hierdurch wird das Recht des Einen und
die Schuldigkeit des Andern ausgedrückt.
§. 255. Duldungen und
Unterlassungen, die Einem nützlich sind ohne dem Andern schädlich zu seyn,
können ohne Servitut schon nach den natürlichen Rechten gefordert werden: wer
sie auf geschehenes Ansuchen ohne Grund verweigert, muß von Rechtswegen dazu
angehalten werden. Das Gesetz begünstigt weder Neid, noch Schadenfreude.
§. 256. Die mit einer Servitut
belegte Sache wird demjenigen dienstbar, zu dessen Vortheil ihre Freiheit
beschränkt worden ist. Dergleichen Beschränkungen sind beinahe auf unzählige
Arten möglich; daher sind die Servituten fast unzählich.
§. 257. Sachen werden entweder
einer andern fremden Sache, oder einer gewissen Person dienstbar. Es gibt also
überhaupt sächliche und persönliche Dienstbarkeiten. Beide gehören zu den
dinglichen Rechten; in so fern sie wenigstens den öffentlichen Büchern
einverleibt sind, mithin auf den dienstbaren Sachen selbst haften, und gegen
jeden Besitzer geltend gemacht werden können.
§. 258. Sächliche Servituten
setzen zwei benachbarte Grundbesitzer voraus, deren Einem das dienstbare, dem
Andern das herrschende Grundstück gehört. Das herrschende Grundstück ist
entweder zur Bewohnung oder zur Landwirthschaft bestimmt; daher werden die
sächlichen Servituten in Haus(-), und Feldservituten
eingetheilt.
§. 259. Persönliche Servituten
setzen eine Sache voraus, welche einer Person dienstbar ist: diese Sache kann
beweglich oder unbeweglich, ja sogar von der Person entfernt seyn.
§. 260. Die gewöhnlichen
Hausservituten sind:
1.
Das Recht eine Last seines Gebäudes auf ein fremdes Gebäude zu setzen.
2.
Einen Balken oder Sparren in eine fremde Wand einzufügen.
3.
Ein Fenster in der fremden Wand zu öffnen, es sey des Lichtes, oder der
Aussicht wegen.
4.
Ein Dach, oder einen Erker über des Nachbars Luftraum herauszubauen.
5.
Den Rauch durch des Nachbars Schornstein zu führen.
6.
Die Dachtraufe auf fremden Grund zu leiten.
7.
Eine Mistgrube auf fremden Grund zu halten.
8.
Flüßigkeiten auf des Nachbars Grundstücke zu giessen oder durchzuführen.
Durch
diese und ähnliche Hausservituten wird ein Hausbesitzer befugt etwas auf dem
Grunde seines Nachbars vorzunehmen, was dieser dulden muß.
§. 261. Durch andere
Hausservituten wird der Besitzer des dienstbaren Grundes verpflichtet etwas zu
unterlassen, was ihm sonst zu thun frei stunde (!). Dergleichen sind:
9.
Sein Haus nicht zu erhöhen.
10.
Es nicht zu erniedrigen
11.
Dem herrschenden Gebäude Licht und Luft
12.
oder Aussicht nicht zu benehmen.
13.
Die Dachtraufe seines Hauses von dem Grunde des Nachbars, dem sie zur
Bewässerung seines Gartens, oder zur Füllung seiner Cisterne, oder auf eine
andere Art nützlich seyn kann, nicht abzuleiten.
§. 262. Zu den Feldservituten
gehören vorzüglich folgende:
1.
Das Recht einen Fußsteig, einen Viehtrieb, oder einen Fahrweg auf fremden
Grunde und Boden zu halten.
2.
Dort Wasser zu schöpfen, das Vieh zu tränken, das Wasser ab(-) und herzuleiten.
3.
Das Vieh zu hüten und zu weiden.
4.
Holz zu fällen, verdorrte Aeste und Reiser zu sammeln, Eicheln zu lesen, Laub
zu rechen.
5.
Zu jagen, zu fischen, Vögel zu fangen.
6. Steine
zu brechen, Sand zu graben, Kalk zu brennen.
§. 263. Zu den persönlichen
Servituten gehören vorzüglich der nöthige Gebrauch einer Sache, derselben
völlige Fruchtniessung, die freie Wohnung. Auch werden zuweilen an sich
sächliche Rechte der Person allein eingeräumt z. B. das Recht des Fußsteiges,
des Wasserschöpfens.
(334)
§.
264. Wer die Abweichung von der Natur einer Servitut behauptet, dem liegt der
Beweis ob. Wird es bewiesen, daß Jemand eine Begünstigung, z. B. eine Wohnung,
ein Fenster nur bittweise, oder aus Gefälligkeit, mithin auf allmahliges
Wiederrufen, erhalten hat; so findet nicht einmal eine persönliche Servitut
statt.
§. 265. Alle Servituten kommen
darin überein, daß der Besitzer der dienstbaren Sache in der Regel nicht
verbunden ist etwas zu thun, sondern nur einem Anderen die Ausübung eines
Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen, was er als Eigenthümer sonst zu
tun berechtigt wäre.
§. 266. Die Servituten sind
auf die unschädlichste Art auszuüben. Im Zweifel müssen sie eher eingeschränkt,
als erweitert werden. Doch darf man ohne hinlänglichen Grund weder von ihrer
Natur abweichen, noch ihren Endzweck vereiteln.
§. 267. Keine Servitut läßt
sich von der dienstbaren Sache absondern, noch auf eine andere Sache oder
Person übertragen. Auch wird jene Servitut in so fern für untheilbar gehalten,
als das auf dem Grundstücke haftende Recht durch Vergrößerung, Verkleinerung,
oder Zerstücklung desselben weder verändert noch getheilt werden kann.
§. 268. Das nämliche
Grundstück kann mehreren Gründen oder Personen zugleich dienstbar werden, wenn
anders die ältern Rechte eines Dritten nicht darunter leiden; z. B. wenn der
Fußsteig, der Fahrweg, oder das Wasserschöpfen Einem wie dem Andern vollständig
gewährt wird.
§. 269. Der Besitzer des
herrschenden Grundes ist befugt sein Recht auf die ihm gefällige Art auszuüben.
Nur darf durch diese Ausübungsart der dienstbare Grund nicht eingeschränkt
werden.
§. 270. Nach den hier
angeführten allgemeinen Grundsätzen sind die in Ahnsehung der Servituten entstehenden
Streitigkeiten zu entscheiden. Wer also die Last des benachbarten Gebäudes zu
tragen, die Einfügung des fremden Balkens an seiner Wand, oder den Durchzug des
fremden Rauches in seinem Schornstein zu dulden hat; der muß auch die dazu
bestimmte Mauer, Säule, Wand, oder den Schornstein in gutem Zustand erhalten.
Es kann ihm aber nicht zugemuthet werden, daß er das herrschende Gebäude
unterstützen, oder den Schornstein des Nachbars ausbessern lasse.
§. 271. Findet der Besitzer
des dienstbaren Grundes die Herstellung seines Gebäudes zu beschwerlich; so
kann er die dienstbare Wand dem herrschenden Gebäude abtretten, und sich
dadurch der Dienstbarkeit entledigen. Wird eine solche Wand weder abgetretten
noch hergestellt;
(335)
so ist der Besitzer des herrschenden Gebäudes befugt sie auf Kosten des
saumseligen Nachbars herstellen zu lassen.
§. 272. Das Fensterrecht gibt
nur auf Licht und Luft Anspruch. Die Aussicht muß besonders bewilliget werden.
Wer kein Recht zur Aussicht hat, kann angehalten werden das Fenster zu
vergittern. Uiberhaupt ist mit dem Fensterrechte die Schuldigkeit verbunden,
die Oeffnung zu verwahren. Wer diese Verwahrung vernachlässigt, haftet für
allen anderen daraus entstehenden Schaden.
§. 273. Wer das Recht der
Dachtraufe besitzt, kann das Regenwasser auf das fremde Dach frei, oder durch
Rinnen abfliessen lassen. Von ihm hängt es ab sein Dach höher zu bauen, er kann
seinem Nachbar aber nicht verwehren ein gleiches zu thun. Seiner Seits ist er
verbunden häufig gefallenen Schnee zeitig hinwegzuräumen, und dadurch die
Beschädigung des dienstbaren Grundstückes zu verhindern. Rinnen und
Wasserkästen besorgt Jeder auf seinem Grunde.
§. 274. Wer hingegen das Recht
hat das Regenwasser von dem benachbartem Dache auf seinen Grund zu leiten, hat
auch die Obliegenheit die Auslagen für Rinnen, Wasserkästen, und andere dazu
gehörige Anstalten allein zu bestreiten.
§.275. Erfordern die
abzuführenden Flüssigkeiten Gräben oder Canäle; so muß sie der Eigenthümer des
herrschenden Gebäudes errichten: er muß sie auch decken und reinigen, und
dadurch die Last des dienstbaren Grundes soviel möglich erleichtern.
§. 276. Das Recht des
Fußsteiges begreift das Recht in sich auf diesen Steig sich von Menschen
tragen, oder andere Menschen zu sich kommen zu lassen. Mit dem Viehtriebe ist
das Recht einen Schiebkarren zu gebrauchen, und mit dem Fahrwege das Recht mit
einem oder mehreren Zügen zu fahren verbunden.
§. 277. Hingegen kann, ohne
besondere Bewilligung, das Recht zu gehen nicht auf das Recht zu reiten, oder
sich durch Tiere tragen zu lassen; weder das Recht zu treiben auf das Recht
schwere Lasten zu schleifen, noch das zu fahren auf das Recht freigelassenes
Vieh zu treiben ausgedehnt werden.
§. 278. Das Gesetz bestimmt
über den Raum für diese drei Servituten nicht mehr, als daß er allzeit dem
nöthigen Gebrauche und den Umständen des Ortes angemessen seyn müsse. Werden
Wege und Steige durch Ueberschwemmung, oder durch einen anderen Zufall
unbrauchbar, so muß bis zu derselben Herstellung in den vorigen Stand ein neuer
Raum angewiesen werden.
§. 279. Gleichwie zur
Erhaltung eines Weges alle Personen oder Grundbesitzer, denen der Gebrauch
desselben zusteht, verhältnißmäßig
(336)
beitragen müssen; so trägt auch der Besitzer eines dienstbaren Grundes zur
Ausbesserung der Brücken und Stege nur in soweit bei, als er Nutzen davon
zieht.
§. 280. Das Recht fremdes
Wasser zu schöpfen setzt den freien Zugang zu demselben voraus.
§. 281. Wer das Recht hat
Wasser von fremden Grunde auf den seinigen, oder von seinem Grunde auf fremden zu
leiten, ist auch berechtiget die dazu nöthigen Röhren, Rinnen und Schleussen
(!) auf eigene Kosten anzulegen. Das nicht zu überschreitende Maaß und Ziel
dieser Anlagen wird durch das Bedürfniß des herrschenden Grundes festgesetzt.
§. 282. Ist bei Erwerbung des
Weiderechtes die Gattung und die Anzahl des Triebviehes, ferner die Zeit und
das Maaß, oder die Beschränkung zu weiden ordentlich bestimmt worden; so hat es
dabei sein Bewenden: Fehlt es an einer, oder mehreren dieser Bestimmungen; so
ist der ruhige dreißigjährige Besitz zu handhaben. In zweifelhaften Fällen
dienen folgende Vorschriften zur Richtschnur.
§. 283. Das Weiderecht
erstreckt sich auf jene Gattung von Zug(-), Rind(-) und Schafvieh, aber nicht
auf Schweine und Federvieh, eben so wenig in waldigen Gegenden auf Ziegen.
Unreines und fremdes Vieh ist von der Weide ausgeschlossen.
§. 284. Hat die Anzahl des
Triebviehes während der letzten dreißig Jahre abgewechselt; so muß aus dem
Triebe der drei ersten Jahre die Mittelzahl gezogen, und angenommen werden:
Erhellt auch diese nicht, so ist auf den Umfang und auf die Beschaffenheit der
Weide billige Rücksicht zu nehmen. Auch soll im Zweifel Niemand mehr Vieh zu
hüten befugt seyn, als er mit dem auf eigenem Grunde erzeugten Futter
durchwintern kann. Saugvieh wird nicht zur bestimmten Anzahl gerechnet.
§. 285. Die Triftzeit wird
zwar überhaupt durch den in jeder Feldmarke eingeführten unangefochtenen
Gebrauch bestimmt: allein in keinem Falle darf der Wirthschaftsbetrieb durch
die Behütung verhindert oder auch nur erschwert werden.
§. 286. In Ansehung des
Maaßes, oder der Beschränkung des Weiderechtes muß sich der Servitutsinhaber
mit der Befriedigung seines Bedürfnisses begnügen: er darf weder Gras mähen,
noch in der Regel den Eigenthümer des Grundstückes von der Mitweide
ausschließen, am wenigsten aber die Substanz der Weide verletzen. Wenn ein
Schaden zu befürchten ist, muß er sein Vieh von einem Hirten hüten lassen.
(337)§.
287. Eine Gemeinde, welches das Weiderecht erworben hat, ist zwar befugt die
Nutzung der Hutweide ihren eigenen Mitgliedern und Einwohnern nach Belieben zu
überlassen: wer aber in der Feldmarke dieser Gemeinde nicht wohnhaft ist,
bleibt davon ausgeschlossen.
§. 288. Was bisher auf
Rücksicht auf das Weiderecht vorgeschrieben worden ist, lässt sich
verhältnißmäßig auch auf die Rechte des Thierfanges, des Holzschlages, des
Steinbrechens und alle übrigen Servituten anwenden. Glaubt Jemand diese Rechte
auf das Miteigenthum richten zu können, so sind sie keine Servituten, sondern
natürliche Folgen des Eigenhumsrechtes, und die darüber entstehenden
Streitigkeiten werden nach den Grundsätzen des gemeinschaftlichen Eigenthums
entschieden.
§. 289. Beschränkungen
einzelner Eigenthumsrechte zum allgemeinen Besten heissen gesetzliche
Servituten. Sie sind in der Regel kein Gegenstand des bürgerlichen
Privatrechtes, sondern politischer Verordnungen: so bald aber gestattet wird
Verträge darüber zu schließen, und solche wirklich darüber geschlossen worden
sind; so steht streitenden Theilen auch der Weg Rechtens offen.
§. 290. Eben dieses gilt auch
von Hand(-), und Zugrobathen nämlich von Frohndiensten, wie auch von Zwangs-
und Bannrechten, Kraft welcher einer Gemeinde, oder einem Theile ihrer
Einwohner die Beziehung gewisser Bedürfnisse aus fremden Bezirken untersagt
wird, soweit solche bestehen.
§. 291. Dergleichen Rechte
werden zwar schon durch den ruhigen dreißigjährigen Besitz vollkommen
gerechtfertigt: allein wenn die Beförderung des Handels und der Landwirthschaft
eine andere politische Verfügung erfordert: so muß die gegen eine angemessene
Schadloshaltung genau befolgt werden.
§. 292. Die Ausübung
persönlicher Servituten wird, wenn nichts anders verabredet worden ist, nach
folgenden Grundsätzen bestimmt.Die Befugniß eine fremde Sache zu gebrauchen ist
zwar allen Servituten, die in der Duldung bestehen, gemein. Die besondere
Servitut des Gebrauches aber besteht darin, daß Jemand befugt ist eine
unbewegliche oder auch bewegliche fremde Sache ohne Verletzung der Substanz
bloß zu seinem Bedürfniß zu benutzen.
§. 293. Wer also das
Gebrauchsrecht einer beweglichen oder unbeweglichen Sache z. B. eines
Hauses,
eines Gartens, einer Bibliothek, eines Schmuckes, eines Wagens oder anderer
ähnlicher Sachen besitzt, der darf ohne Rücksicht auf sein übriges Vermögen den
seinem Stande, seinem Gewerbe, und seinem Hauswesen angemessenen Nutzen davon
ziehen.
(338)
§.
294. Er ist aber nicht befugt dergleichen Sachen zu einer andern Bestimmung zu
verwenden, z. B. einen Teich in eine Wiese zu verwandeln; eben so wenig darf er
sein Gebrauchsrecht an einen Anderen übertragen; den einzigen Fall ausgenommen,
wenn sein Recht sonst von keinem, oder nur von sehr geringem Nutzen wäre. Alle
übrigen Benutzungen, die sich ohne Störung des Gebrauchsberechtigten aus einer
solchen Sache schöpfen lassen, kommen dem Eigenthümer zu Statten.
§. 295. Der Eigenthümer ist
aber verbunden alle ordentlichen und ausserordentlichen auf der Sache haftenden
Lasten zu tragen, und sie auf seine Kosten in gutem Stande zu erhalten: nur
wenn diese Kosten den Werth des Gebrauchsrechtes übersteigen, muß der
Berechtigte den Uiberschuß tragen, oder vom Gebrauche abstehen.
§. 296. Fruchtnießung ist das
Recht eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu
genießen.
§. 297. Verzehrbare Sachen
sind also an sich selbst kein Gegenstand weder des Gebrauches noch der
Fruchtnießung; wohl ist es aber ihr bestimmter Werth, so wie überhaupt jedes
auf Zinsen angelegte Kapital.
§. 298. Der Fruchtnießer ist
noch nicht Nutzungseigenthümer: daher kann er zwar die eingesammelten Früchte,
aber nicht das Nutznießungsrecht veräussern.
§. 299. Zu dem ordentlichen
Ertrag der zu den jährlichen Früchten gehört weder ein gefundener Schatz, noch
die Ausbeute von Bergwerksantheilen: beide sind ein Gut des Eigenthümers,
welcher dem Fruchtnießer nur die davon abfallenden Nutzungen zu überlassen hat.
§. 300. Alle Lasten und
Schuldigkeiten, welche schon auf dienstbaren Sachen gehaftet hatten, fallen auf
den Fruchtnießer: er bestreitet auch die Kosten, ohne welche die Früchte nicht
hervorkommen, allein: als ein reiner Ertrag kann überhaupt nur das angesehen
werden, was nach Abzug aller nöthigen Auslagen übrig bleibt.
§. 301. Auch ist der
Fruchtnießer verbunden die dienstbare Sache soviel möglich in dem Stande zu
erhalten, in dem er sie übernommen hat. Er hat also nach Verschiedenheit der
Umstände alle Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen auf seine Kosten zu
besorgen. Wird dessen ungeachtet der Werth der dienstbaren Sache blos durch den
rechtmäßigen Genuß ohne Verschulden des Fruchtnießers verringert; so ist er
nicht dafür verantwortlich.
§. 302. Wer also z. B. die
Fruchtnießung eines Fuhrwerkes, einer Schafherde, eines Gartens, eines Feldes,
oder eines Waldes hat; der muß aus dem Ertrage die Pferde ernähren, die Wägen
und
(339)
Geschirre ausbessern, die Zahl der verzehrten oder sonst abgängigen Lämmer,
sowie die in Abgang gekommen Pflanzen aus dem Nachwachse ergänzen: er muß auch
Wege, Stege und Zäune herstellen, und das Holz forstmäßig und nach Schlägen
benutzen.
§.
303. Die gewöhnlichen Ausbesserungen der Gebäude besorgt zwar der Fruchtnießer
auf seine Kosten; Bauführungen aber, die einen ganzen Jahresertrag erfordern,
übernimmt der Eigenthümer: die Zinsen des dazu nothwendig ausgelegten Kapitals
werden ihm aus dem Ertrage vergütet.
§.
304. Kann oder will der Eigenthümer diesen Aufwand nicht machen; so ist der
Fruchtnießer befugt den Bau auf seine Kosten zu führen, und den Ersatz nach
geendigter Fruchtnießung, wie ein anderer redlicher Besitzer, zu fordern und
einzutreiben.
§.
305. Weigert sich auch der Fruchtnießer das beschädigte Gebäude herzustellen;
so müssen ihm vor dem gemeinen Werthe desselben die jährlichen Zinsen
ausgeworfen und abgeführt werden.
§.
306. Unnöthige, obwohl sonst zur Vermehrung des Ertrages gedeihliche
Bauführungen ist der Nutznießer nicht verbunden zu seinem Schaden zu gestatten.
§.
307. Zur Erleichterung des Beweises der gegenseitigen Forderungen sollen der
Eigenthümer und der Fruchtnießer eine beglaubte Beschreibung aller dienstbaren
Sachen aufnehmen lassen.
§.
308. Die Servitut der freien Wohnung begreift das Recht in sich alle
bewohnbaren Theile eines Hauses sowohl selbst zu beziehen, als sie ohne
Beschädigung der Substanz ganz, oder zum Theil mit oder ohne Entgeld von
Anderen beziehen zu lassen.
§.
309. Der Eigenthümer hat das Recht über alle Teile seines Hauses, die entweder
ausdrücklich vorbehalten sind, oder die nicht zur eigenen Wohnung gehören, z.
B. über die überflüßigen Keller, Scheuern, Stallungen, und der gleichen
Behältnisse zu verfügen: Auch darf ihm die nöthige Aufsicht über sein Haus
nicht erschwert werden.
§.
310. Steuern und andere Lasten trägt der Eigenthümer allein; Sind aber
Ausbesserungen der Gebäude nöthig; so sollen, wenn sie bewohnbare Theile des
Hauses betreffen, die bei Gelegenheit der Fruchtnießung bereits gegebenen
Vorschrift beobachtet werden.
§.
311. In der Regel kann der Eigenthümer von Gebrauchsberechtigten und
Fruchtnießern nur bei wahrscheinlicher Gefahr die Sicherstellung der Substanz
verlangen. Wird sie nicht geleistet, so soll die Sache entweder dem Eigenthümer
gegen eine billige Abfindung überlassen, oder nach Umständen in gerichtliche
Verwahrung gegeben werden.
(340)
§. 312. In Ansehung der Servituten findet ein doppeltes Klagrecht Statt; je
nachdem sie von einem Theile behauptet, und von einem anderen widersprochen
werden können. Im ersten Falle muß der Kläger die Erwerbung der Servitut, oder
wenigstens des Besitzes, als eines dinglichen Rechtes, im zweiten Falle muß er
die an seiner Sache geschehene Störung beweisen. Der eine Beklagte kann sich
mit dem Rechte der natürlichen Freiheit, und der andere mit dem Rechte des
guten Leumundes schützen.
§.
313. In der Regel kann das dingliche Recht auf unbewegliche Sachen nur durch
Eintragung in die gewöhnlichen Vormerkbücher des Ortes, wo die dienstbare Sache
liegt, erlangt werden: auf bewegliche Sachen aber z.B. auf Geräthe, Kleider,
Bücher und dergleichen erlangt man es durch die Uebergabe: diese Uebergabe
geschieht in Ansehung der Capitalien durch gerichtliche Vormerkung und Auflage
an den Schuldner.
§.
314. Der Titel zu einer Servitut ist entweder auf einem Vertrage, oder auf
einer letztwilligen Verordnung, oder einem bei Theilung gemeinschaftlicher
Grundstücke erfolgten Rechtsspruche, oder endlich auf dreyßigjährigen ruhigen
Besitze gegründet. Daraus entsteht aber nur ein persönliches Recht, Kraft
dessen man die Eintragung in die öffentlichen Bücher, oder nach Umständen die
Uibergabe der Sache fordern kann: auch gilt dieses Recht nur gegen diejenigen,
die ihre Einwilligung dazu gegeben haben, aber nicht gegen einen Dritten.
§.
315. Persönliche Servituten hören mit dem Tode der Person auf: dieses ist auch
von moralischen Personen, von Familien und Gemeinden zu verstehen, welche für
todt angesehen werden, sobald alle Mitglieder, welche zur Zeit der Erwerbung
gelebt haben, mit dem Tode abgegangen sind. Beständige jährliche Renten sind
keine persönliche Servitut; und können also ihrer Natur nach auf alle
Nachfolger übertragen werden.
§.
316. Hat Jemand eine Servitut dieser Art als Leibgeding für sich und seine
Nachfolger überhaupt und ohne weitere Bestimmung erworben; so geht das Recht
auf alle Geschlechtsfolger, aber nicht auf einen Fremden über.
§.
317. Der Untergang des dienstbaren oder des herrschenden Grundes stellt zwar
die Dienstbarkeit ein; sobald aber der Grund oder das Gebäude wieder in den
vorigen Stand gesetzt ist, erhält die Servitut wieder ihre vorige Kraft.
§.
318. Hat das blos zeitliche Recht desjenigen, der die Servitut bestellt hat,
oder die Zeit, auf welche sie beschränkt worden ist, den
(341)
Servitutsinhaber aus öffentlichen Büchern, oder auf eine andere Art bekannt
seyn können; so hört nach Verlauf dieser Zeit die Servitut von selbst auf.
§.
319. Aus dem Nichtgebrauche einer Servitut läßt sich zwar noch nicht auf
Verlust derselben folgern: wenn sich aber der dienstbare Theil der Ausübung der
Servitut widersetzt, und der herrschende Theil durch drei auf einander folgende
Jahre sein Recht nicht behauptet hat; so steht dem ersten das persönliche Recht
zu die Löschung der Servitut zu verlangen. Dieses kann aber einem Dritten (!)
inzwischen eingetretenen Besitzer keinen Nachtheil bringen.
§. 320.
Sobald der dienstbare und herrschende Grund in ein Eigenthum vereinigt werden,
hört die Dienstbarkeit von selbst auf: Wird aber in der Folge ein Theil dieses
vereinigten Eigenthums wieder veräußert, ohne das inzwischen in den
öffentlichen Vormerkbüchern die Dienstbarkeit gelöschet worden, so ist der neue
Besitzer des herrschende Grundes befugt die Ausübung der Servitut fordern.
Zehntes
Hauptstück.
Vom
Erbrechte.
§.
321. Der Inbegriff aller Sachen und aller Recht eines Verstorbenen heißt
desselben Verlassenschaft, Nachlaß, und in Beziehung auf den Erben Erbschaft.
Fremdes Gut, und alles, was der Erblasser freiwillig zu vererben kein Recht
hatte, wird nicht dazu gerechnet.
§.
322. Das vorzügliche und besondere Recht sich eine Verlassenschaft zuzueignen,
heißt Erbrecht. Es ist ein dingliches Recht, weil es gegen einen Jeden, der
sich der Erbschaft anmassen will, geltend gemacht werden kann.
§.
323. In der weiteren Bedeutung des Wortes heißt Jedermann Erbe, dem das
Erbrecht zusteht. Eigentlich ist es nur derjenige, welcher die Erbschaft
wirklich angenommen hat.
§.
324. Mehrere Personen, denen das Erbrecht eigen ist, werden in Ansehung dieses
gemeinschaftlichen Rechtes für eine Person angesehen. Sie stehen in dieser
Eigenschaft vor erfolgter Abtheilung Alle für Einen, und Einer für Alle.
§.
325. Nur Nutzungen und Lasten, die der Verlassenschaft ankleben, sind ein
Gegenstand der Erbschaft. Verbindlichkeiten, Rechte und Vorzüge des Erblassers,
die bloß auf seinen persönlichen Verhältnissen beruhet haben, werden auf den
Erben nicht übertragen.
(342)
§. 326. Der Erbe stellt in Rücksicht auf die Verlassenschaft den Erblasser vor.
Beide werden in Beziehung auf einen Dritten nur für Eine Person gehalten. Daher
kann ein Erbe sein besonderes Recht gegen denjenigen nicht verfolgen, dem er im
Namen des Erblassers die Gewähr zu leisten schuldig ist.
§.
327. Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt
hätte, z. B. eine Schuld zu bezahlen, einen Schaden zu ersetzen, eine verwirkte
Geldstrafe zu erlegen, einen Contrakt zu erfüllen, übernimmt sein Erbe.
Geldstrafen hingegen, wozu der Verstorbene noch nicht verurtheilt, und noch
weniger andere ihm zuerkannte Strafen gehen nicht auf den Erben über.
§.
328. Ein Nachlaß noch lebender Personen ist ein Widerspruch. Es kann jemand
Hoffnung zu einem Nachlasse haben, er kann dessen würdig seyn: Das Erbrecht
fällt ihm erst nach dem Tode des Erblassers zu.
§.
329. Stirbt ein vermeintlicher Erbe vor dem Erblasser; so hat er das noch nicht
erlangte Erbrecht auch nicht auf seine Erben übertragen können.
§.
330. Hat der Erblasser überlebt, und das Erbrecht wirklich erlangt; so geht es
auch vor Uibernahm (!) der Erbschaft wie andere erbliche Rechte, auf seine
Erben über, wenn es anders durch Entsagung, oder auf eine andere Art noch nicht
erloschen war.
§.
331. Das Erbrecht gründet sich entweder auf den ordentlich erklärten Willen des
Erblassers, oder auf einen mit ihm errichteten Vertrag, oder endlich auf das
Gesetz.
§.
332. Es giebt also eigentlich dreierlei Arten von Erben. Doch schließt eine die
andere allgemein nicht aus. Es kann sich sogar ereignen, daß eine Erbschaft in
mehrere Erbtheile unter alle drei Arten von Erben vertheilt, und dem Ersten ein
Drittel durch den letzten Willen, dem Zweiten ein Sechstel durch Vertrag, und
dem Dritten die Hälfte durch das Gesetz zugedacht werde.
§.
333. Wird jemanden kein solcher Erbteil, der sich auf sich auf den ganzen
Nachlaß bezieht, sondern nur ein Erbstück, eine Summe, oder ein Recht vermacht;
so heißt es ein Legat, ein Vermächtniß; und derjenige, dem es vermacht worden
ist, heißt nicht Erbe, sondern Legatar oder Vermächtnißerbe.
§.
334. Wer etwas zu erwerben berechtigt ist, kann in der Regel auch erben. Hat
aber Jemand dem Rechte etwas zu erwerben ordentlich z. B. durch feierliche
Gelübde entsagt, oder auf eine bestimmte Erbschaft giltig Verzicht gethan; so
ist er dadurch des Erbrechtes überhaupt oder zum Theile verlustig geworden.
(343)
§. 335. Ob und wieweit einem moralischen Körper, oder denjenigen
Landeseingebornen, die ihr Vaterland oder die Kriegsdienste ohne ordentliche
Erlaubniß verlassen, und sich in einem fremden Staate niedergelassen haben, die
Erbfähigkeit zukomme, wird nach den politischen Verordnungen entschieden.
§.
336. Personen, welches (!) des Ehebruches gerichtlich überwiesen worden sind,
bleiben unter sich von dem Erbrechte aus Testament, oder Vertrage
ausgeschlossen.
§.
337. Unerlaubte Genossenschaften und Körper sind des Erbrechtes unfähig. Es
wird aber überhaupt jede Genossenschaft als unerlaubt angesehen, welche sich
nicht mit der öffentlichen allgemeinen, oder besonderen Bestättigung der
Landesregierung legitimieren kann.
§.
338. Wer den Erblasser, dessen Kinder, Aeltern oder Gatten aus feindseliger
Absicht an Ehre, Leib, oder Gut merklich verletzt hat, der ist in solang des
Erbrechtes unwürdig, als es nicht bewiesen werden kann, daß ihm der Erblasser
vergeben habe.
§.
339. Wer den Erblasser durch Zwang, oder List zur Erklärung, oder
Nichterklärung seines letzten Willens verleitet, oder einen von ihm bereits
errichteten letzten Willen unterdrückt hat, ist von dem Erbrechte
ausgeschlossen, und verantwortet allen einem Dritten dadurch zugefügten
Schaden.
§.
340. Hat jemand eines Anderen letzten Willen aufgesetzt, und sich oder seinen
Kindern, Aeltern, Geschwistern, oder Ehegatten, selbst auf Anordnung des
Erblassers, einen Erbtheil, oder ein Vermächtniß zugeschrieben, so erwächst ihm
und den Seinigen keine Art von Recht daraus, wenn diese Anordnung nicht auf andere
Art bewiesen wird.
§.
341. Ausländer, in deren Vaterlande ein österreichischer Einwohner von dem
Erbrechte ausgeschlossen ist, sind in dießseitigen Provinzen zu erben unfähig.
§.
342. Die Erbfähigkeit kann nur nach dem Zeitpunkte des wirklichen Erbanfalles
bestimmt werden. Dieser Zeitpunkt ist der Tod des Erblassers.
§.
343. Eine später erlangte Erbfähigkeit gibt kein Recht Anderen das zu
entziehen, was ihnen bereits rechtmäßig angefallen ist.
Elftes
Hauptstück.
Von
letztwilligen Verordnungen.
§.
344. Wer berechtigt ist sein Eigenthum einem Andern zu überlassen, kann die
Zeit und die Art dieser Uiberlassung bestimmen. Es
(344)
hängt auch von ihm ab Bedingungen festzusetzen, unter welchen seine
Uiberlassung rechtskräftig werden soll oder nicht.
§.
345. Eine Verfügung, kraft welcher ein Eigenthümer sein Vermögen, oder einen
Theil desselben einer oder mehreren Personen überläßt in der Vermuthung, daß
sie ihn überleben und daß er diese Willenserklärung nicht widerrufen werde,
heißt eine letztwillige Verordnung.
§.
346. Wird in einer letztwilliger Verordnung ein Erbe eingesetzt, so heißt sie
Testament: enthält sie aber nur einzelne Vermächtnisse und Verfügungen; so
heißt sie Codicill, die Erbtheile mögen noch so gering, und die Vermächtnisse
noch so beträchtlich seyn.
§.
347. Der eigentliche Unterschied zwischen Testamenten und Codicillen ist also
nicht allein im Namen eines Erben, oder Legaters noch in dem Werthe des
vermachten Gutes, sondern darin zu suchen, ob der Erblasser Jemanden wenigstens
einen Theil des ganzen Nachlasses oder aber nur ein Erbstück, eine gewisse
Summe, ein gewisses Recht oder dergleichen ohne Rücksicht auf das Ganze
zugedacht habe.
§.
348. Ein oder mehrere Codicille können mit und ohne Testament bestehen. Mehrere
Testamente sind aber in der Regel nicht vereinbarlich: denn ein Testator kann
viele Erbstücke, aber nur eine Verlassenschaft im Ganzen hinterlassen.
§.
349. Hat der Erblasser ohne alle Einschränkung nur einen einzigen Erben
eingesetzt; so fällt demselben der ganze Nachlaß allein zu. Ist aber dem
einzigen Erben nur ein bestimmter Erbtheil z. B. ein Drittel, ein Viertel
ausgemessen worden; so kommen die übrigen Theile mit den verhältnismäßigen
Lasten dem gesetzlichen Erben zu Statten.
§.
350. Sind ohne Vorschrift einer Theilung mehrere Erben eingesetzt worden; so
theilen sie nach den Köpfen. Ein Körper, eine Gemeinde, eine Versammlung, z. B.
die Armen werden nur für eine Person gerechnet.
§.
351. Kann oder will einer der eingesetzten Erben von seinem Erbrechte keinen
Gebrauch machen; so fällt der ihm bestimmte Theil den übrigen eingesetzten
Erben zu.
§.
352. Sind aber mehrere Erben, und zwar jeder für einen bestimmten und
besonderen Erbteil, oder auch nicht stillschweigend, sondern ausdrücklich mit
den Worten in gleiche Theile ernannt worden; so fällt der Theil, welcher Einem
der selben nicht zu Statten kommt, dem gesetzlichen Erben zu.
§.
353. Dieses geschieht auch, wenn die für einen Jeden bestimmten Theile das
Ganze nicht erschöpfen. Auf vorgefundene Erbstücke hingegen, und auf Summen,
von welchen im Testamente keine Meldung gemacht wird, hat der gesetzliche Erbe
keinen Anspruch.
(345)
§. 354. Treffen unter den eingesetzten Erben solche Personen zusammen, wovon
einige bei der gesetzlichen Erbfolge gegen die übrigen als Eine Personen angesehen
werden müßten, z. B. die Bruderskinder gegen den Bruder des Erblassers; so
werden, wenn im Testamente das Gegenteil nicht verordnet wird, die Theile nach
den Stämmen abgemessen. Solange einer von allen diesen vorhanden ist findet
keine gesetzliche Erbfolge Statt.
§.
355. Wird unter mehreren eingesetzten Erben einigen ihr bestimmter Theil, z. B.
ein Drittel, ein Sechstel, anderen aber nichts bestimmtes ausgemessen; so
begnügen sich diese mit den übrig bleibenden Erbtheile.
§.
356. Bleibt nichts übrig; so bekömmt der ohne bestimmten Theil eingesetzte Erbe
soviel, als der, welche mit dem geringsten Theile bedacht worden ist. Dieser
Betrag wird von den bestimmten Theilen verhältnismäßig abgezogen. In allen
anderen Fällen, wo ein Erblasser sich verrechnet hat, ist die Theilung auf eine
Art vorzunehmen, wodurch der Wille des Erblassers nach den über das Ganze
erklärten Verhältnissen auf das möglichste erfüllt wird.
§.
357. Der Erblasser darf in keinem Falle die Ernennung seines Erben dem
Ausspruche eines Dritten überlassen. Er muß selbst eine bestimmte Person zum
Erben einsetzen. Allein er kann seinem Erben eine Bedingung machen, deren
Erfüllung von der Willkühr eines Dritten abhängt.
§.
358. Die Austheilung bestimmter Vermächtnisse z. B. unter Verwandte, Dienstpersonen,
Arme, kann in Ansehen der Personen und Sachen dem Gutbefinden des Erben, oder
eines Dritten überlassen werden.
§.
359. Wer die an ihn gestellte Frage: ob er diese oder jene Personen zum Erben
einsetzen wolle, lediglich bejahet, ist deswegen allein noch kein ernstlicher
Testator. Auch derjenige ist es nicht, welcher im Scherze ohne Uiberlegeung
gegen jemanden äußert; Du sollst mein Erbe seyn! und dergleichen.
§.
360. Selbst eine sonst hinreichende Aeußerung des Erblassers ist ohne Wirkung;
wenn es erweislich ist, daß sie im Zustande der Raserei, des Wahnsinnes,
Blödsinnes oder der Trunkenheit geschehen, oder daß sie aus Zwang, aus Betrug,
aus wesentlichem Irrthume in der bedachten Person, oder in der vermachten Sache
erfolgt sey.
§.
361. Für einen wesentlichen Irrthum wird es auch angesehen, wenn der Testator
alle seine Abstämmlinge übergangen hat, ohne einen derselben mit einem
Erbtheile zu bedenken. Hat er einen von
(346)
ihnen mit einem Erbtheil bedacht, so ist das Testament giltig, und die
Uibergangenen erhalten den gesetzlichen Erbtheil.
§.
362. Wird die bedachte Person, oder die bedachte Sache unrichtig benannt, oder
beschrieben; so kann die dießfalls getroffene Verfügung dadurch noch nicht
ungiltig werden; außer es zeigte sich bei der Entdeckung des Irrthums, daß die
Person verfehlt oder daß die Sache gar nicht vorhanden sey.
§.
363. Auch wenn der vom Testator angegebene Beweggrund eines Vermächtnisses
falsch befunden wird, bleibt die Verfügung noch giltig; wenn es nicht
erweislich ist, daß der Testator irre geführt worden sei, und daß sein Wille
einzig und allein auf diesem Irrthum beruht habe.
§.
364. Er hält eine verruckte Person den Gebrauch der Vernunft, oder wenigstens
helle Zwischenräume; so wird es ihr gestattet, eine letztwillige Verordung zu
errichten: doch muß es durch Sachverständige bewiesen werden, daß der helle
Zwischenraum wenigsten vierundzwanzig Stunden vor, und eben so lang nach
Errichtung des letzten Willens ununterbrochen fortgedauert habe.
§. 365.
Unmündige sind zu testiren unfähig. Die sogenannte Nachsicht des Alters kann
den Mangel an reifer Vernunft nicht ersetzen. Minderjährige können aber mit
Genehmhaltung der Obervormundschaft, oder ihrer Aeltern vom vierzehnten bis zum
achtzehnten Jahr, und wenn sie das achtzehnte Jahr zurückgelegt haben, ohne
weitere Einschränkung testiren.
§.
366. Andere Mängel und Gebrechen verhindern Niemanden letztwillige Verordnungen
zu machen: nur muß der Erblasser seinen Willen auf eine deutliche und bestimmte
Art erklären können.
§.
367. Ordensleute sind in der Regel so wenig befugt zu testiren, als zu erben:
allein wenn sie die Auflösung von ihrem Gelübden erhalten, wenn sie aus einem
Orden sind, dem eine besondere Begünstigung Zustatten kömmt, oder wenn sie
rechtmäßiger Weise ein vollständiges Eigenthum erworben haben; so ist ihnen
erlaubt durch Testament oder Codicill darüber zu verfügen.
§.
368. Ein zur schwersten oder harten Kerkerstrafen verurtheilter Verbrecher ist
von dem Tage des ihm angekündigten Urtheils, und solange seine Strafzeit
dauert, unfähig einen letzten Willen zu errichten. Auch die letztwilligen
Verordnungen der Selbstmörder sind ungiltig.
§.
369. Ein gerichtlich erklärter Verschwender kann nur von seinem persönlichen
untern oder obern Gerichtsstande zu testiren berechtigt werden.
§.
370. Ein an sich selbst rechtsgiltiger letzter Wille kann durch später
eintretende Hindernisse seine Giltigkeit nicht verlieren.
(347)
§. 371. Einen an sich selbst ungültigen letzten Willen macht die später
erfolgte Aufhebung der Hindernisse nicht giltig. Wird in diesem Falle keine
neue letztwillige Verfügung getroffen, so tritt das gesetzliche Erbrecht ein.
§.
372. Man kann schriftlich oder mündlich, schriftlich aber mit oder ohne Zeugen
testiren.
§.
373. Wer schriftlich und ohne Zeugen testiren will, der muß das Testament, oder
Codicill eigenhändig schreiben, den Tag, das Jahr, den Ort seines gegenwärtigen
Aufenthaltes darunter setzen, sich mit seinem Vor- und Geschlechtsnamen
unterzeichnen und sein Petschaft, Siegel oder anderes Zeichen beidrücken.
§.
374. Die Erbeinsetzung durch Beziehung auf einen Zettel, auf einen Brief, oder
anderen Aufsatz ist nur dann von Wirkung, wenn ein solcher Aufsatz mit allen
zur Giltigkeit eines Testamentes nöthigen Erfordernissen versehen ist.
Uibrigens können dergleichen von dem Erblasser angezeigte schriftliche
Bemerkungen allerdings zur Erklärung seines Willens angewendet werden.
§.
375. Wird der letzte Wille nicht von dem Erblasser, sondern von einer anderen
Person niedergeschrieben; so muß der Erblasser außer der bei eigenhändigen
Testamenten erforderlichen Unterschrift und dem Petschaft noch mit eigener Hand
hinzusetzen, daß dieses sein letzter Wille sey: er muß auch drei fähige Zeugen,
denen er von Person bekannt ist, gebrauchen. Doch kann der Schreiber des
Testamentes zugleich dasselbe mit bezeugen helfen.
§.
376. In Gegenwart dieser Zeugen soll der Testator den Aufsatz genau durchsehen,
und mündlich erklären, daß er aecht sey, und seinen Willen enthalte. Dadurch
allein kann allem Verdacht eines unterschobenen oder verfälschten Testamentes
vorgebeugt werden.
§.
377. Die Zeugen sollen das vorgenommene Geschäft auf die nämliche Art, wie der
Erblasser mit eigener Handschrift und Petschaft bekräftigen, und sich
ausdrücklich entweder innwendig oder von außen, aber immer auf die Urkunde
selbst und nicht etwa auf einem blosen Umschlag, als Zeugen des letzen Willens
unterzeichnen. Den Inhalt des Testaments braucht ein Zeuge nicht zu wissen.
§.
378. In der Regel gilt ein und derselbe Aufsatz nicht für mehr als für Einen
Erblasser. Es wird aber Ehegatten gestattet, in einem und dem nämlichen
Testamente entweder sich selbst wechselseitig, oder auch andere und
verschiedene Personen als Erben zu erklären. Ein Testament dieser Art lässt
sich in allen Fällen widerrufen: Obwohl sich aus der Widerrufung des einen
Theils noch nicht auf die Widerrufung des anderen schliessen läßt.
(348)
§. 379. Wer auf keine Art schriftlich testiren will, oder kann, der soll in
Gegenwart dreier Zeugen, die ihn von Person kennen, seinen Willen erklären. Die
Zeugen müssen bei dieser Erklärung alle drei zugleich gegenwärtig seyn.
§.
380. Die Vorsicht erfordert es, daß die Zeugen entweder alle gemeinschaftlich,
oder ein jeder für sich die Erklärung aufschreiben. Nach dessen Tode machen
sich dieselben dem ordentlichen Gerichte zu weiterer Vorkehrung bekannt.
§.
381. Wird ein eigenhändiger letzter Wille unter Behauptung einer Nachahmung der
Handschrift angefochten; so muß vor allen die Vergleichung dieser Urkunde mit
anderen bekannten Aufsätzen des Testators vorgenommen, und auf alle andere zur
Erörterung der Wahrheit dienliche Mittel sorgfältige Rücksicht genommen werden.
§.
382. Eine mündliche letztwillige Verordnung muß auf Verlangen eines jeden, dem
daran gelegen ist, wenigstens von zwei der dabei gebrauchten Zeugen beschworen
werden. Der Eid eines einzigen dient nicht zum Beweise; auch kann hier der
Erfüllungseid nicht statt finden.
§.
383. Es steht jedermann frei sein schriftliches Testament oder Codicill
persönlich dem Gerichte zu überreichen, um es daselbst zu hinterlegen, und
diesen gerichtlichen Vorstand dem Protokolle einverleiben zu lassen, oder
seinen Willen vor Gericht mündlich zu erklären, dessen Aufnahme in das
Protokoll anzusuchen, und für sich eine Abschrift zu erlangen.
§.
384. Das Gericht, welches auf diese Art einen letzten Willen aufnimmt, muß
wenigstens aus zweien eidlich verpflichteten und von allem Interesse freien
Personen bestehen. Es dürfen übrigens nur zwei Zeugen dabei seyn. Diese können,
wie die Zeugen eines schriftlichen Testaments, nur durch Urtheil und Recht zur
Beschwörung ihrer Zeugnisse angehalten werden.
§.
385. Im Nothfalle können erstbestimmte Personen sich in die Wohnung des
Testators begeben, seinen letzten Willen schriftlich oder mündlich aufnehmen,
und dann das Geschäft mit Beisetzung des Tages, Jahres und Ortes zu Protokoll
bringen. Ein fremdes Gericht hat nach dem Tode des Erblassers sein Testament
oder Codicill mit dem sich darauf beziehenden Protokoll an desselben
ordentlichen Gerichtsstand zu übergeben.
§.
386. Blinde, Taube und Stumme haben zwar das Recht selbst zu testieren; aber
sie können so wenig, als Sinnlose und Unmündige bei Errichtung eines letzten
Willens als Zeugen gebraucht werden. Wer die Sprache des Erblassers nicht
versteht, kann bei mündlichen, und wer des
(349)
Schreibens unkündig ist, bei schriftlichen letztwilligen Verordnungen nicht als
Zeuge gelten.
§.
387. Wer sich nicht zur christlichen Religion bekennt, kann den letzten Willen
eines Christen nicht bezeugen.
§.
388. Ein des Truges, oder der Gewinnsucht wegen von einem Kriminalgerichte
verurtheilter Verbrecher ist kein fähiger Zeuge eines letzten Willens.
§.
389. Der Erbe, der Erben Gatte, seine Aeltern, seine Kinder, Schwäger und
besoldete Hausgenossen gehören ebenfalls nicht unter die fähigen Zeugen einer
letztwilligen Verordnung.
§.
390. Auch ein Legatarius kann in seiner eigenen Sache nicht Zeuge seyn. Will
ein Erblasser seinem Zeugen etwas vermachen; so muß er das Vermächtnis entweder
eigenhändig schreiben, oder es durch zwei andere Zeugen beglaubigen lassen.
§.
391. Ordensgeistliche, Weibspersonen, Jünglinge unter achtzehn Jahren können in
der Regel bei Testamenten und Codicillen nicht als Zeugen gebraucht werden.
§.
392. Nur in Fällen, welche das Gesetz begünstigt, in Feldzügen, auf
Schifffahrten, und in Orten, wo die Pest, oder ähnliche ansteckende Seuchen
herrschen, werden auch Ordensgeistliche, Weibspersonen, und Jünglinge, die das
vierzehnte Jahr zurückgelegt haben, als giltige Zeugen eines letzten Willens
angenommen.
§.
393. Zu diesen begünstigten letztwilligen Verordnungen werden nur zwei Zeugen
erfordert, wovon einer auch das Testament schreiben kann. Ist die Gefahr der
Ansteckung groß; so brauchen auch diese nicht zugleich versammelt und
gegenwärtig zu seyn.
§.
394. Die Begünstigung der Militartestamente und Codicille erstreckt sich auf
alle Personen, die ihren Gehalt aus der Kriegskasse ziehen, und im Felde
stehen. Sie fängt mit dem Aufbruche zum Feldzug an, und dauert bis zur
Bekanntmachung des Friedensschlußes.
§.
395. Sechs Monate nach bekannt gemachten Frieden, nach geendigter Schiffahrt
(!), oder Seuche, verlieren die begünstigten letzten Willen ihre Kraft.
§.
396. Letztwillige Verordnungen sind nur in so fern giltig, als die eben
bestimmte Form und Erfordernisse dabei beobachtet werden.
(350)
Zwölftes Hauptstück.
Vom
Nacherben und Fideikommissen.
§.
397. Der Erblasser kann in seinem Testamente neben dem ersten Erben andere
ernennen, die in bestimmten Fällen an seine Stelle treten sollen. Diese
Ernennung heißt Substitution.
§.
398. Es kann sich nämlich ereignen, daß der eingesetzte Erbe vor dem Erblasser
sterbe, oder daß er aus einem andern Grunde die ihm zugedachte Erbschaft nicht
erlange. Zu diesem Ende ernennet der Erblasser Nacherben, so daß er, wenn der
Erste nicht Erbe wird, den Zweiten, und wenn dieser es nicht wird, den Dritten
u. s. w. zu seinen Erben einsetzt.
§.
399. Auch sind Aeltern befugt, ihren unmündigen, wahn(-), oder blödsinnigen Kindern,
wenn Letztere nicht etwa selbst Kinder haben, auf den Fall, daß sie im
unmündigen Alter, im Wahnsinne, oder Blödsinne sterben, und folglich selbst zu
testiren unfähig bleiben sollten, Nacherben zu setzen.
§.
400. Endlich kann der Erblasser seinen Erben verpflichten, daß er die
angetretene Erbschaft weder veräußere, noch darüber testire; er kann ihn
verpflichten, daß er solche nach seinem eigenen Tode einem zweiten ernannten
Erben überlasse, und diesem die nämliche Pflicht in Rücksicht auf einen dritten
Erben auslege.
§.
401. Auf diese drei verschiedene Arten kann die Einsetzung eines Nacherben
geschehen. Die erste heißt die gemeine, die zweite die pupillarische, die
dritte die fideikommissarische Substitution.
§.
402. Die gemeine Substitution läßt sich von jedem Erblasser, und bei jedem
Erben, ja selbst unter Miterben anwenden. Sie darf aber keine andere
Substitution stillschweigend in sich begreifen. Hat der Erblasser nur den einen
Fall, wenn er nicht Erbe seyn kann, ausgedrückt; so ist der andere Fall, wenn
er nicht Erbe seyn will, ausgeschlossen, und umgekehrt.
§.
403. Da der Nacherbe des ersten Nacherben auch in die Stelle des Erben berufen
ist, auf den Fall nämlich, daß beide mit Tode, oder sonst abgehen; so werden
die dem Erben aufgelegten Lasten auch auf den Nacherben ausgedehnt, wenn es
anders nicht solche Lasten sind, die nach dem ausdrücklichen Willen des
Erblassers den persönlichen Verhältnissen des Erben allein ankleben.
§.
404. Sind die Miterben allein wechselseitig zu Nacherben berufen worden; so
wird angenommen, daß der Erblasser die in der Einsetzung
(351)
ausgemessenen Theile auch in der Substitution habe wiederholen wollen. Wird
aber in der Substitution außer den Miterben noch sonst Jemand berufen; so sind
die Erbtheile für alle gleich.
§.
405. Die pupillarische Substitution kann sowohl von väterlicher, als
mütterlicher Seite errichtet werden, wenn dem Kinde von der einen, oder der
andern Linie auch ein Vermögen zufällt. In Ansehung eines anderweitigen
Vermögens steht die Ernennung eines Nacherbens der väterlichen Seite allein zu.
§.
406. Es dürfen aber durch diese Substitution nicht alle gesetzlichen Erben des
Kindes übergangen werden. Sind Geschwisterkinder, oder andere eben so nahe,
oder nähere Blutsverwandte von ihm da; so muß wenigstens einem von ihnen das
eigene freie Vermögen des zu testiren unfähigen Erbens überlassen werden.
§.
407. Hat der Erblasser den Erben, oder Legatar verbothen über den erhaltenen
Nachlaß zu testiren; so darf derselbe nichts davon veräußern, und muß das auf diese
Art Erworbene für seine eigenen gesetzlichen Erben aufbewahren. Das Verboth die
Sache nicht zu veräußern, schränkt das Recht darüber zu testiren nicht ein.
§.
408. Wird der Erbe nur im allgemeinen angewiesen, das, was von der übernommenen
Verlassenschaft nach seinem Tode noch übrig ist, einem bestimmten Nacherben
wieder zu hinterlassen; so wird für diesen wenigstens der vierte Theil davon
aufbewahrt; und nöthigen Falls sicher gestellt.
§.
409. Die Reihe, in welcher die fideikommissarischen Nacherben auf einander
folgen sollen, wird, wenn sie alle Zeitgenossen des Erblassers sind, gar nicht
beschränkt, sie kann sich auf den Dritten, Vierten und noch weiter ausdehnen.
§.
410. Sind es nicht Zeitgenossen, sondern solche Nacherben, die zur Zeit des
errichteten Testaments noch nicht geboren sind; so kann sich diese
fideikommissarische Substitution in Rücksicht auf Geldsummen, Kapitale und
andere bewegliche Sachen bis auf den zweiten Grad erstrecken. In Ansehung
liegender Güter gilt sie nur für den ersten Grad.
§.
411. Die gemeine Substitution erlischt, sobald der eingesetzte Erbe die
Erbschaft angetreten hat; die pupillarische aber, sobald der Pupill zur
Mündigkeit, oder der Sinnlose zum Gebrauche der Vernunft gekommen ist. Die
fideikommissarische endlich wird aufgehoben, wenn keiner von den gesetzmäßig
nachberufenen Erben mehr übrig ist. Die gemeine Substitution ist in jeder
pupillarischen und fideikommissarischen begriffen.
(352)
§. 412. Kapitale, liegende Gründe, oder Rechte, die ein Erblasser durch
Vertrag, oder letzten Willen zu dem Ende aussetzt, daß von den Einkünften
derselben die Kosten entweder zu gemeinnützigen Anstalten, als z. B. für
geistliche Pfründen, Schulen, Kranken(-) oder Armenhäuser, oder zum Unterhalte
gewisser Personen auf alle folgende Zeiten bestritten werden sollen, heißen
Stiftungen. Stiftungen dürfen mit den Substitutionen nicht vermengt werden.
§.
413. Ein Fideikommiß ist eine Anordnung, kraft welcher ein bestimmtes Vermögen
auf alle künftige, oder doch auf mehrere Geschlechtsfolgen als ein
unveräußerliches Gut der Familie erklärt wird. Ohne besondere Begünstigung der
Gesetzgebenden (!) Gewalt kann kein Fideikommiß errichtet werden.
§.
414. Das Fideikommiß ist entweder eine Primogenitur, oder ein Majorat, oder ein
Seniorat; je nachdem der Stifter desselben die Nachfolge entweder dem
Erstgebornen aus der ältern Linie, oder ohne Rücksicht auf die Erstgeburt dem
Aeltern an Jahren, doch aus der nähern Linie, oder endlich auch ohne Rücksicht
auf die Linie dem Aeltesten aus der Familie zugedacht hat.
§.
415. Bei der Primogenitur gelangt eine jüngere Linie erst nach Erlöschung der
ältern zum Fideikommiß; so daß der Bruder des letzten Besitzers dessen Söhnen,
Enkeln und Urenkeln weichen muß. Im Zweifel wird die Primogenitur eher als ein
Majorat, oder Seniorat, und das Majorat wieder eher als ein Seniorat vermuthet.
§.
416. Der Stifter kann auch die Ordnung der Erbfolge ganz umkehren, und den
Letztnachgebornen aus der ältern Linie, oder den Jüngsten aus allen Linien,
oder überhaupt denjenigen berufen, welcher im Grade entweder dem ersten
Erwerber, oder dem letzten Besitzer am nächsten kommt.
§.
417. Hat der Stifter seinen Willen nicht bestimmt genug ausgedrückt; so wird
mehr Rücksicht auf den letzten Besitzer, als auf den ersten Erwerber genommen.
Sind mehrere Personen in gleichem Grad vorhanden; so giebt das höhere Alter den
Ausschlag. Endlich dient die Ordnung der gesetzlichen Erbfolge zur Richtschnur.
§.
418. Die weibliche Nachkommenschaft hat in der Regel keinen Anspruch auf
Fideikomisse. Hat aber der Stifter ausdrücklich verordnet, daß nach Erlöschung
des Mannsstammes das Fideikommiß auf die weiblichen Linen übergehen soll; so
fällt es vor allen der ältesten Tochter des letzten Besitzers zu. Nach ihrem
Tode geht es auf ihre männlichen, oder in deren Ermanglung auf die weiblichen
Erben über, und zwar in der für die männliche Geschlechtsfolge vorgeschriebenen
Ordnung.
(353)
§. 419. Besteht das Fideikommiß in einer Summe; so muß diese Eigenschaft in der
Schuldverschreibung ausdrückt: besteht es in einem liegenden Grunde; so muß sie
in die öffentlichen Bücher eingetragen werden: sonst könnte das
Fideikommißkapital ohne gesetzmäßige Vorsicht bezahlt, oder das Fideikommißgut
weiter veräußert werden.
§.
420. Es muß ferner ein ordentliches, beglaubtes Verzeichniß aller zu einem
Fideikommiß gehörigen Stücke entweder gleich anfänglich errichtet, oder bald
nachgetragen und gerichtlich aufbewahrt werden. Dieses Inventarium dient bei
jeder Besitzveränderung und bei Absonderung des Fideikommisses von dem freien
Vermögen zur Richtschnur. Jeder Nachfolger haftet dafür.
§.
421. Durch Errichtung eines Fideikommisses verliert weder ein früher
vorgemerkter Gläubiger sein Recht, noch der Fideikommißstifter selbst, wenn
anders noch Niemand ein Recht erworben hat, die Freiheit seinen Willen zu
widerrufen. Vielmehr wird sein Wille als widerrufen angesehen, wenn ihm nachher
ein männlicher ehelicher Erbe geboren wird.
§.
422. Das Eigenthum des Fideikommißvermögens ist zwischen der Gemeinschaft aller
Anwärter und zwischen dem jedesmaligen Fideikommißsinhaber getheilt. Jenen
kommt allein das Obereigenthum, diesem aber auch das Nutzungseigenthum zu.
§.
423. Das Obereigenthum berechtigt die Fideikommißanwärter die Hinterlegung der
Fideikommißschuldscheine zu Gerichtshänden zu verlangen, eine schlechte
Verwaltung der Fideikommißgüter gerichtlich anzugeben, zur Vertretung des
Vormundes, oder des Kurators eines minderjährigen Anwärters, oder der
Nachkommenschaft einen gemeinschaftlichen Fideikommißkurator zu bestellen; mit
einem Worte, alle zur Sicherheit der Substanz nöthigen Maaßregeln zu treffen.
§.
424. Der Fideikommißinhaber hat alle Rechte und alle Verbindlichkeiten eines
Nutzungseigenthümers. Er genießt alle Nutzungen, und trägt alle Lasten. Er haftet
nicht für die ohne sein Verschulden erfolgte Verminderung der Substanz; sieht
aber auch von jedem Zuwachse nichts als die Nutzungen.
§.
425. Ein Fideikommißinhaber kann für sich und für die noch nicht vorhandene
Nachkommenschaft, aber nicht für sein Kind, das schon im Mutterleibe ist, auf
sein Recht ordentlich Verzicht thun. Verpfändet er die Früchte des
Fideikommisses; so gilt die Verpfändung nur für den Theil, den er einzusammeln
berechtigt ist, nicht aber für jenen, welcher dem Nachfolger gebührt.
(354)
§. 426. Ein Fideikommiß kann nicht anders als mit einstimmige (!) Einwilligung
des Nutzungseigenthümers und aller Anwärter veräußer(t) werden. Die Anwärter
müssen in diesem Falle durch ein Edikt vorgeladen werden. Ist kein Anwärter
mehr vorhanden; so vereinigt sich das Obereigenthum mit dem Nutzungseigenthum,
und der Nutzungseigenthümer kann das Fideikommißgut nach Willkühr veräußern.
§.
427. Ein zur besondern Stiftung bestimmtes Grundvermögen, es mag in Kapitalien,
oder in liegenden Gründen bestehen, kann selbst mit Einwilligung des
Eigenthümers und der Stiftlinge in keinem Falle angegriffen werden. Hier hat
der Staat die Erhaltung der Substanz auf sich genommen.
§.
428. Ein Fideikomißinhaber kann Grundstücke gegen andere Grundstücke
vertauschen; er kann sie gegen angemessene Zinsen vertheilen, oder in Erbpacht
überlassen. Ein dabei bezogenes Angeld wird als ein Fideikommißkapital
angelegt.
§.
429. Er ist ferner befugt ein unbewegliches Fideikommißgut in ein Kapital zu
verwandeln; und aus wichtigen Gründen ein Drittel dasvon zu verschulden.
§.
430. Der Werth eines liegenden Fideikommißgutes, das vertauscht, zu Gelde
gemacht, oder verschuldet werden soll, wird entweder durch öffentliche
Versteigerung, oder durch den sechsjährigen reinen Ertrag bestimmt, und zu fünf
vom Hundert berechnet.
§.
431. Die Unterstützung nachgeborner Kinder, die Sicherstellung des
Wittwengehalts für die Gattinn des Fideikommißbesitzers, oder seines nächsten
Nachfolgers, die Erhaltung der durch Zeit, oder Zufall beschädigten Gebäude,
die nöthige Hülfe in anderen Unglücksfällen, oder bei Verwaltung eines
öffentlichen Amtes sind Gründe, welche einen Fideikommißinhaber zur
Verschuldung eines Drittels berechtigen.
§.
432. Damit durch die im 428sten und folgenden §§. angeführten Veränderungen die
Rechte eines Dritten nicht verletzt werden, so ist in jedem Falle dieser Art
das Vernehmen zweier oder dreier der nächsten und ältesten Anwärter und zwar
vorzüglich aus einer andern Linie nebst der Genehmhaltung der ordentlichen
Gerichtsbehörde erforderlich. Die Verschuldung über ein Drittel kann nur nach
Vernehmung aller bekannten Anwärter, oder ihrer Kuratoren geschehen.
§.
433. Die Kinder des Fideikommißbesitzers werden in diesem Falle so wie die
abwesenden Anwärter, oder das Fideikommiß überhaupt durch einen Kurator
vertreten. Der Parthei, welche sich durch den Beschluß der ersten Instanz
verletzt hält, steht der Rekurs zu einem höheren Gerichtsstand offen.
(355)
§. 434. Wird die Bewilligung ein Fideikommiß zu verschulden ertheilt; so müssen
die Rückzahlungsfristen festgesetzt und so bestimmt werden, daß jährlich
wenigstens vier bis fünf vom Hundert an dieser Schuld getilget werden.
§.
435. Schulden, die der Fideikommißbesitzer ohne gerichtliche Genehmhaltung
gemacht hat, wirken nicht auf seinen Nachfolger. Dieser ist aber verbunden den
einem jeden redlichen Besitzer gebührenden Ersatz aller in das Fideikommiß
verwendeten Kosten zu leisten, und den Theil der im letzten Jahre verfallenen
Früchte den Erben seines Vorfahrers auf die Art gut zu machen, wie sie den
Erben eines andern Fruchtnießers gut gemacht werden. Früher bezahlte Zinsen und
andere Ausgaben können dem Nachfolger nicht angerechnet werden.
§.
436. Das Fideikommiß erlischt, wenn das Fideikommißgut zu Grunde geht, oder
ganz veräußert werden muß; wenn bei Veränderung des Nutzungseigenthümers weder
der neue Fideikommißinhaber, noch die Anwärter binnen drei Jahren die
Bestättigung nicht ausgewirkt haben; endlich wenn alle in dem Stiftsbriefe
berufenen Linien ausgestorben sind.
Dreizehntes
Hauptstück.
Von
Vermächtnissen.
§.
437. Was von letztwilligen Verordnungen überhaupt gilt, das gilt auch
insbesondere von Vermächtnissen und Legaten. Sie beruhen ebenfalls auf der
Fähigkeit zu testiren und zu erben, und können sowohl in Testamenten, als Codicillen
selbst den Miterben voraus bestimmt werden.
§.
438. Alles, was im gemeinen Verkehr steht, Sachen, Recht (!), Arbeiten und
andere Handlungen, die sich schätzen lassen, können vermacht werden; sie mögen
dem Erblasser, dem Erben, einem Dritten, oder gewisser Massen selbst dem
Legatar gehören.
§.
439. Werden Sachen vermacht, die zwar im gemeinen Verkehre stehen, die aber der
Testator, der Erbe, oder der Legatar nicht besitzen kann; so wird dem Letztern,
wenn er sie nicht erhält, der ordentliche Werth vergütet.
§.
440. Jedes Vermächtnis schmälert die Verlassenschaftsmasse, und fällt in der
Regel allen Erben nach Maaße ihres Erbtheiles zur Last. Es hängt von dem
Testator ab, ob er die Abführung des Legats einem Miterben, oder auch einem
Legatar besonders auftragen wolle.
(356)
§. 441. Im Grunde ist zwar kein Erbe mehr zu leisten schuldig, als er selbst
aus der Verlassenschaft bezieht; tritt aber jemand eine Erbschaft unbedingt und
ohne Vorbehalt an; so macht er sich dadurch verbindlich den Willen des Erblassers
ohne Ausnahme zu erfüllen.
§.
442. Wie dem Erbe gleich nach dem Tode des Erblassers das Recht auf den ganz
frei gebliebenen Nachlaß anfällt, eben so erwirbt auch der Legatar für sich und
seinen Nachfolger ein Erbrecht auf die ihm vermachten Erbstücke.
§.
443. Besteht das Vermächtniß in einzelnen vollständig bestimmten des Erblassers
eigenen Sachen, z. B. in seinem Hochzeitskleide, in seinem mit einer gewissen
Zahl bezeichnetem Hause, und hat der Legatar das Vermächtniß angenommen, oder
besteht es in einem liegenden Gute, und hat er sein Recht den öffentlichen
Büchern einverleiben lassen; so erlangt er sogleich das Eigenthumsrecht.
§.
444. Auf die nämliche Art erwirbt ein Legatar genau bezeichnete Servituten und
andere Rechte eigenthümlich, z. B. den Gebrauch eines Pferdes, die
Fruchtnießung eines bestimmten Feldes, die Bewohnung eines Hauses und
dergleichen.
§.
445. Wenn der Erblasser zwar seine eigene Sache, z. B. sein Kleid, sein Haus,
aber ohne nähere auszeichnende Bestimmung, vermacht hat, und mehrere Sachen
dieser Art in der Verlassenschaft vorhanden sind; so kann der Legatar das Legat
nicht mehr als sein Eigenthum gegen einen anderen Besitzer verfolgen, wohl aber
sein Erbrecht gegen die Masse geltend machen.
§.
446. Ist die nähere Bestimmung des Legats dem Legatar überlassen, ist ihm die
Auswahl des Kleides, des Hauses und so fort freigestellet worden; so kann er
unter allen vorhandenen das beste wählen: widrigen Falls wählt der Erbe. Er muß
aber ein Stück wählen, wovon der Legatar Gebrauch machen kann.
§.
447. Diese Vorschrift wird auch bei der Auswahl solcher Vermächtnisse
beobachtet, welche der Erblasser aus seinem Eigenthume Jemanden nach der Zahl,
nach dem Maaße, oder Gewichte hinterläßt: wenn er z. B. 100 Schafe, 100 Eimer
Wein, 100 Pfund Seide vermacht.
§.
448. Finden sich dergleichen Sachen gar nicht in der Verlassenschaft; so
verliert das Vermächtniß seine Wirkung. Finden sie sich nicht in der
verordneten Menge; so muß sich der Legatar mit den vorhandenen begnügen.
§.
449. Vermacht der Erblasser Sachen von einer gewissen Gattung, oder Art mit
Bestimmung der Zahl, des Maaßes, oder Gewichtes nicht
(357)
bloß aus seinem Eigenthume, sondern überhaupt; so muß sie der Erbe dem Legatar
nach dem mittlern Preise verschaffen. Hier findet die Einwendung, daß diese
Sachen nicht vorhanden, oder zu Grunde gegangen seyen, nicht mehr Statt.
§.
450. Der Erblasser kann die Auswahl der vermachten Stücke auch einem Dritten
auftragen. Nimmt dieser den Auftrag an; so hängt es von ihm ab das beste oder
schlechteste zu wählen: nimmt er ihn nicht an; so wählt die Gerichtsbehörde.
§.
451. Ein Legat, das weder durch seine Natur, noch durch die Erklärung eines
Erblassers hinlänglich bestimmt ist, z. B. eine Uhr, ein Buch, ein Weingarten,
ist ohne Wirkung, wenn sich kein Stück dieser Art in der Verlassenschaft
findet.
§.
452. Es ist ebenfalls ohne Wirkung, wenn das vermachte Stück zur Zeit der
letztwilligen Verordnung schon ein Eigenthum des Legatars war. Hat er es später
erworben, so wird ihm der dafür ausgelegte Betrag ersetzt.
§.
453. Das Vermächtniß einer fremden Sache ist dann giltig, wenn diese Sache
erweislich dem Testator, als das Eigenthum eines Andern, bekannt war. In diesem
Falle muß der Erbe die vermachte Sache, wäre es auch um den außerordentlichen
Werth, an sich bringen und dem Legatar übergeben, oder ihm, wenn sie der
Eigenthümer auf diese Weise nicht abtretten will,
statt
derselben diesen außerordentlichen Werth bezahlen.
§.
454. Auch eine Forderung, die der Testator an den Legatar, oder an einen Andern,
oder die der Legatar an den Testator zu machen hat, kann der Gegenstand eines
Vermächtnisses werden. Der Erbe wird dadurch verpflichtet im ersten Falle die
Schuldverschreibung zurückzustellen, oder die Befreiung von der Schuld
auszufertigen; im zweiten Falle ihm das Recht gegen den Schuldner abzutreten;
im dritten Falle endlich die vom Testator eingestandene Schuld anzuerkennen,
und längstens in der zur Abführung der übrigen Legaten bestimmten Zeitfrist zu
berichten.
§.
455. Wird durch ein Vermächtniß das Pfandrecht, oder die Bürgschaft erlassen;
so folgt daraus nicht, daß auch die Schuld erlassen worden sey: und werden die
Zahlungsfristen verlängert; so müssen noch die Zinsen fortbezahlt werden. Nur
Schulden, die vor Errichtung des letzten Willens gemacht worden sind, können
durch ein Vermächtniß erlassen werden.
§.
456. Unter dem Vermächtnisse aller ausstehenden Forderungen ist weder eine
vermiethete, oder zum Gebrauch ausgeliehene Sache
(358)
noch der Ersatz begriffen, welchen ein Dritter wegen geführter Verwaltung in
die Masse schuldig ist.
§.
457. Wenn der Erblasser einer Person eine Summe z. B. 100 Fl. schuldig ist, und
ihr diese Summe bestimmt vermacht; so wird nicht vermuthet, daß er die Schuld
mit dem Vermächtnisse habe ausgleichen wollen. Der Erbe bezahlt in diesem Falle
die Summe doppelt, einmal als Schuld, und dann als Vermächtniß.
§.
458. Vermacht der Erblasser, ohne eine Summe: oder ein Erbstück zu bestimmen,
Jemanden nur überhaupt das, was er diesem schuldig ist, so fällt das Legat weg.
Ist zugleich eine Summe bestimmt worden; so muß zwar der Erbe die Schuld
anerkennen: allein die übrigen gefährdeten Gläubiger können den Beweis der
Schuld fordern.
§.
459. Das Heurathsgut kann vermacht werden, entweder um den Gatten von der
Zurückzahlung desselben zu befreien, oder um den Erben zu verpflichten, daß er
der Gattinn die als Heurathsgut eingebrachte Summe, oder Stücke ohne
Schwierigkeit und ohne Abzug abführe. Hier gelten die für andere vermachte
Forderungen gegebenen Vorschriften.
§.
460. Vermachen Aeltern den Töchtern das Heurathsgut; so wird solches zu dem
gebührenden gesetzlichen oder letztwilligen Erbtheile beigerechnet, wenn die
Testirenden nicht ausdrücklich erkläret haben, daß sie damit ein
Vorausvermächtniß errichten wollen.
§.
461. Vermacht der Testator einer dritten Person ein unbestimmtes Heurathsgut;
so versteht man darunter, ohne Rücksicht auf das Vermögen des Legatars, eine
solche Ausstattung und ein solches Heurathsgut, als der Vater dieser Person bei
mittelmäßigem Vermögen nach seinem Stande ihr abzureichen schuldig wäre.
§.
462. Der nämliche Maaßstab wird beobachtet, wenn einer Person die Ausstattung
allein, wenn ihr Unterhalt, Erziehung, Kost, Wohnung, oder Einrichtung und
dergleichen vermacht wird.
§.
463. Der Unterhalt begreift Nahrung, Kleidung, Wohnung, Unterricht, mit einem
Worte alle standesmäßige Bedürfnisse und zwar auf Zeit Lebens in sich. Alles
dieses wird auch unter Erziehung verstanden. Die Erziehung endigt sich mit der
Volljährigkeit. Unter Kost wird in der Regel lebenslängliche Speise und Trank
begriffen.
§.
464. Die Einrichtung schließt alle Geräthe und Werkzeuge in sich ein, die zum
anständigen Gebrauche der Wohnung, zur Führung der Haushaltung, und zum Betrieb
des Gewerbes erforderlich sind.
§.
465. Ist Jemanden ein Behältniß vermacht worden, welches nicht für sich selbst
besteht, sondern nur ein Theil eines Ganzen ist, z. B. ein Keller im Hause, ein
eingemauerter Schrank, so wird vermuthet,
(359)
daß dem Legatar auch diejenigen Stücke zugedacht worden sind, welche sich darin
vorfinden, und zu deren Aufbewahrung das Behältniß seiner Natur nach bestimmt
ist.
§.
466. Ist hingegen der Schrank beweglich, und der Keller kein Theil des Hauses,
sondern ein für sich bestehendes Ganzes; so hat der Legatar auf die darin
befindlichen Sachen keinen Anspruch.
§.
467. Worte und Ausdrücke werden überhaupt in ihrer gewöhnlichen, gemeinen
Bedeutung genommen: es müßte denn bewiesen werden, daß der Erblasser mit
gewissen Worten und Ausdrücken einen ihm eigenen besondern Sinn zu verbinden
gewöhnt gewesen sey, und daß das Vermächtniß sonst ohne Wirkung wäre.
§.
468. Durch die Worte: Schmuck, Juwelen, werden zwar in der Regel nur Edelsteine
und gute Perlen bezeichnet: vermacht aber ein Erblasser, der dergleichen nicht
besitzt, seinen Schmuck; so wird vermuthet, daß er seine Granaten, Korallen und
anderes zum Putz bestimmtes Geschmeide vermacht habe.
§.
469. Wird Jemanden des Erblassers Silber vermacht; so versteht man darunter
weder das gemünzte, noch dasjenige Silber, welches ein Theil eines andern
Ganzen ist, z. B. eine Uhr. Auch werden Denk(-), und antike Münzen nicht zum
Gelde, die Wäsche nicht zur Kleidung, unaufgenähte Spitze nicht zur Wäsche,
Mehl nicht zum Getreide, Most nicht zum Weine gerechnet.
§.
470. Zu flüßigen Sachen hingegen gehören die gewöhnlichen zu ihrer Verführung
bestimmten Gefäße, und zur Baarschaft alle Papiere, welche im ordentlichen
Umlaufe die Stelle des baaren Geldes vertreten.
§.
471. Wird ein Schrank, ein Kasten, oder eine Lade mit allen darin befindlichen
Sachen vermacht; so rechnet man dazu Gold und Silber, Schmuck und baares Geld,
selbst die vom Legatar dem Erblasser ausgestellten Schuldscheine. Urkunden,
worauf sich andere Forderungen und Rechte des Erblassers gründen, werden nur
dann dazu gerechnet, wenn sich außer denselben nichts in dem Behältnisse
befindet.
§.
472. Das Eigenthum des Legates geht gleich nach dem Tode des Erblassers an den
Legatar über. Ist es ein bestimmtes einzelnes Erbstück; so kann er es sogleich
fordern. Außerdem werden die Legate, wenn der Erblasser nichts anders verordnet
hat, ein Jahr nach desselben Sterbetage entrichtet.
§.
473. Dem Legatar kommen die in der Zwischenzeit entstandenen Nutzungen, die
verfallenen Zinsen, und jeder andere Zuwachs zu statten. Er trägt hingegen auch
alle auf dem Legate haftenden Lasten,
(360)
und selbst den Verlust, wenn es ohne Verschulden eines Andern vermindert wird,
oder gänzlich zu Grunde geht.
§.
474. Wenn die Verlassenschaftsmasse nicht ganz erschöpft ist; so wird das Legat
des Unterhaltes vor allen andern entrichtet. Und ein solcher Legatar genießt
seine Nahrung vom Tage des Erbanfalles an.
§.
475. Jährliche Renten werden als mehrere von Jahr zu Jahr wiederholte
Vermächtnisse angesehen, und auch nur zu Ende eines jeden Jahres entrichtet.
Stirbt der Legatar, nachdem ein neues Jahr schon angefangen ist; so fällt der
Betrag des vergangenen Jahres auf seine Erben.
§.
476. In allen Fällen, in welchen ein Gläubiger von einem Schuldner
Sicherstellung zu fordern berechtigt ist, kann auch ein Legatar auf die
Sicherstellung seines Legats dringen.
§.
477. Dadurch, daß ein Testament, oder Codicill in die öffentlichen Bücher
eingetragen wird, erhält der Legatar noch kein Pfandrecht. Um dieses zu
erwerben, muß er das Legat auf seinen Namen als eine Last besonders eintragen
lassen.
§.
478. Ein Vermächtniß, welches der Legatar nicht annehmen kann, oder will,
bleibt der Regel nach in der Erbschaftsmasse. Betrifft es aber mehrere
Legataren, die eine einzige Person vorstellen, oder ist das ganze Vermächtniß mehreren
Personen zugleich und ungetheilt zugedacht; so wächst der Antheil, den einer
von ihnen nicht annimmt, den Uibrigen in dem Verhältnisse zu, wie den Miterben
die Erbschaft zuwächst.
§.
479. Wenn die ganze Erbschaft durch Vermächtnisse erschöpft ist; so hat der
Erbe nichts weiter, als die Vergütung seiner zum Besten der Masse gemachten
Auslagen, und eine seinen Bemühungen angemessene Belohnung zu fordern.
§.
480. Will der Erbe den Nachlaß nicht selbst verwalten; so kann er auf die
Anstellung eines Curators antragen, und sich unterdessen bedenken, ob und wie
er die ihm zugefallene Erbschaft annehmen, oder ihr entsagen wolle.
§.
481. Ist die Verlassenschaft über ihre Kräfte so sehr belastet, daß nach
Berichtigung der Vermächtnisse die Schulden nicht bezahlt, oder andere
pflichtmäßige Auslagen nicht bestritten werden könnten; so leiden die Legataren
einen verhältnißmäßigen Abzug, und die Gläubiger werden vor allen aus der Masse
befriedigt.
§.
482. Die Beiträge, welche ein Erblasser nach bestimmten gesetzlichen
Vorschriften zur Unterstützung der Armen, Invaliden, und Krankenhäuser, und des
öffentlichen Unterrichts in dem Testamente
(361)
ausgesetzt hat, sind nicht als Vermächtnisse anzusehen. Sie sind eine
Staatsauflage, müssen selbst von den gesetzlichen Erben entrichtet, und können
nicht nach den Grundsätzen des Privatrechts, sondern nach den politischen
Verordnungen beurtheilt werden.
Vierzehntes
Hauptstück.
Von
Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens.
§.
483. Der Testator kann Jemanden unter besondern Bedingungen, oder auf eine
gewisse Zeit, oder zu einem bestimmten Zwecke zum Erben einsetzen. Er kann
auch, wenn kein Vertrag entgegen steht, sein Testament, oder Codicill abändern,
er kann es ganz aufheben.
§.
484. Eine Bedingung ist aufschiebend; wenn das Erbrecht erst nach ihrer
Erfüllung zu seiner Kraft gelangt. Sie ist auflösend, wenn das Erbrecht bei
ihrem Eintritte verloren geht.
§.
485. Unmögliche, oder unerlaubte Bedingungen werden als keine Bedingungen
angesehen. Sie können weder das Erbrecht aufschieben, noch auflösen.
§.
486. Sind die Bedingungen möglich und erlaubt; so mögen sie noch so schwer,
sonderbar, oder unnütz seyn, sie mögen vom Zufalle, oder von dem Willen eines
Erben, oder Legatar (!) abhangen. Das Erbrecht wird nur durch ihre genaue
Erfüllung erworben.
§.
487. Ist eine im Testamente vorgeschriebene Bedingung gleich schon bei
Lebzeiten des Testators in Erfüllung gegangen; so muß sie nichts destoweniger
auch nach dessen Tode erfüllt werden. Läßt sich diese Erfüllung nicht
wiederholen; so wird die Bedingung unter die unmöglichen gerechnet.
§.
488. Eine unerlaubte Bedingung ist es, daß ein Erbe, oder Legatar, denen sonst
kein Ehehinderniß im Wege steht, sich niemal vermählen sollen. Aber man kann
ihnen die Bedingung auflegen, daß sie eine bestimmte Person nicht heurathen; so
wie man einer mit Kindern versehenen Wittwe auflegen kann, daß sie im
Wittwenstande bleibe.
§.
489. In der Bedingung des Wittwenstandes ist die Bedingung eines ehrbaren
Wandels begriffen. Eine gerichtlich erwiesene ärgerliche Lebensart macht die
Wittwe der ihr für den Wittwenstand zugewiesenen Rechte verlustig.
§.
490. Stirbt der Erbe, oder der Legatar noch vor Erfüllung einer aufschiebenden
Bedingung; so geht das Erbrecht in so fern auf ihre Nachfolger über, als die
Bedingung auch nach derselben Tode erfüllt werden kann.
(362)
§. 491. Durch verneinende Bedingungen, durch solche nämlich, die sich auf den
Nichterfolg einer Ereignung gründen, wird das Erbrecht nicht aufgeschoben.
Erfolgt aber die Ereignung, so erlischt das Erbrecht. Daher kann man von einem
Erben, oder Legatar die Sicherstellung einer unter einer verneinenden Bedingung
erhaltenen Sache mit Recht verlangen.
§.
492. Ist es ungewiß, ob und wann der Zeitpunkt, auf welchen der Erblasser das
Erbrecht eingeschränkt hat, kommen, oder nicht kommen werde, z. B. auf den
Hochzeitstag des Legatars; so wird diese Einschränkung, wie jede andere
Bedingung, angesehen.
§.
493. Ist der bestimmte Zeitpunkt von der Art, daß er kommen muß, z. B. nach
drei Jahren; so wird das Erbrecht, wie andere unbedingte Erbrechte, auch auf
den Nachfolger übertragen, und nur die Uibergabe des Erbtheils, oder Erbstückes
bis zum gesetzten Termin verschoben.
§.
494. Wäre es offenbar, daß die in der letztwilligen Verordnung ausgemessene
Zeit nie kommen könne, z. B. der 30ste Hornung, so wird die Bestimmung dieser
Zeit, wie die Beisetzung einer unmöglichen Bedingung, angesehen.
§.
495. Solang das Erbrecht, welches sich auf eine letztwillige Verordnung gründet,
wegen einer noch nicht erfüllten Bedingung, oder wegen des noch nicht
gekommenen Zeitpunktes verschoben bleibt; so lang findet, wenn der Erblasser
nichts anderes verordnet hat, die gesetzliche Erbfolge Statt.
§.
496. Hat der Erblasser erklärt, daß er durch den Jemanden zugedachten Erbtheil,
oder durch das Erbstück einen gewissen Zweck erreicht wissen wolle; so kann
eines solchen Auftrages wegen die Uibergabe der zugedachten Sache um so weniger
verschoben werden, als die Erreichung des Zweckes durch die Uibergabe
beschleunigt wird.
§.
497. Besteht der Zweck in dem Vortheile eines Dritten, in einer gemeinnützigen
Anstalt, oder in einem Unternehmen zum Andenken des Erblassers; so hat die
Gerichtsbehörde für die Erreichung des Zweckes zu wachen, und nach Umständen
für die Sicherstellung zu sorgen.
§.
498. Zielt der verordnete Zweck einzig zum Vortheile des Erben, oder des
Legatars; so findet keine Sicherstellung Platz. Ist der Zweck an sich selbst,
oder durch Umstände unmöglich zu erfüllen; so wird der Auftrag dazu so
angesehen, als ob er nicht geschehen wäre.
§.
499. Wenn der Testator seinen Erben durch einen Auftrag in die Verlegenheit
setzt entweder eine unmögliche, oder unerlaubte Handlung zu begehen, oder aber,
so fern er diesen Auftrag nicht befolgte, einem Dritten ein Legat zu
entrichten; so gilt weder der Auftrag, noch das Legat.
(363)
§. 500. So lang der Erblasser lebt, ist es ungewiß, ob das von ihm errichtete
Testament, oder Codicill sein letzter Wille sey. Eine spätere giltige Erklärung
seines Willen hebt die frühere auf, wenn beide nicht vereinbarlich sind.
§.
501. Sind Jemanden in einem oder mehreren Codicillen verschiedene Erbstücke
vermacht worden; so bestehen diese Codicille neben dem Testament. Im Falle
eines Widerspruchs hebt auch in Codicillen der spätere Wille den früheren auf.
§.
502. Kann man nicht entscheiden, welcher Wille der spätere sey; so gelten, so
viel es sich thun läßt, beide: und man benimmt sich nach den Grundsätzen des
gemeinschaftlichen Eigenthums.
§.
503. Der einem Testamente, oder Codicille angehängte Beisatz, daß jede andere
spätere letztwillige Verordnung überhaupt, oder wenn sie nicht mit einem
bestimmten Merkmale bezeichnet ist, null und nichtig seyn soll, verhindert zwar
den Erblasser nicht seinen letzten Willen zu verändern: allein wenn er in der
spätern Verordnung den eben angeführten allgemeinen oder besondern Beisatz
nicht ausdrücklich aufhebt; so wird nicht sein späterer, sondern sein früherer
Wille für giltig angenommen.
§.
504. Will der Erblasser die alte Verordnung aufheben, ohne eine neue zu
errichten; so muß er entweder die Urkunde vertilgen, oder seinen Willen
ordentlich widerrufen. Sind von mehreren gleichlautenden Urkunden nur einige
vertilgt worden; so kann man daraus noch nicht auf eine Willensveränderung schließen.
§.
505. Die Willensveränderung erhellet vorzüglich aus dem von einem Erblasser
eigenhändig geschriebenen und unterzeichneten Widerruf. Ein mündlicher Widerruf
erfordert so viele und solche Zeugen, als zur Giltigkeit eines begünstigten
mündlichen Testamentes nöthig sind. Der Erfüllungseid findet hier nicht Statt.
§.
506. Wer in seinem Testamente die Unterschrift durchschneidet, sie
durchstreicht, oder den ganzen Inhalt auslöscht, vertilgt es. Wird nur ein
Theil des Inhaltes ausgelöscht, so ist der übrige giltig.
§.
507. Dadurch, daß die Urkunde in Verlust gerathen, daß sie zufälliger Weise
durchgestrichen, oder sonst verletzt worden ist, verliert der letzte Wille
seine Wirkung nicht; wenn anders der Zufall und der Inhalt der Urkunde auf die
Art erwiesen wird, wie der mündliche Widerruf eines Testamentes erwiesen werden
muß.
§.
508. Wer durch das Gesetz vom Erbrechte ausgeschlossen ist, wer den letzten
Willen des Erblassers als gesetzwidrig ansieht, wer die im Testamente ihm
aufgetragene Vormundschaft ablehnt, wer endlich
(364)
eine Sache von Werth aus der Verlassenschaft unterschlägt, verliert das
Vermächtniß auch ohne ausdrücklichen Widerruf.
§.
509. Ein Legat wird für widerrufen angesehen, wenn der Erblasser die vermachte
Forderung eintreibt, wenn er die Jemanden zugedachte Sache freiwillig
veräußert, oder auf eine solche Art in eine andere verwandelt, daß die Sache
ihre vorige Gestalt und ihren vorigen Namen verliert.
§.
510. Wenn aber der Schuldner die Forderung aus eigenem Antriebe berichtigt hat,
wenn die Veräußerung des Legats nicht wohl vermeidlich gewesen, wenn die Sache
ohne vorläufige Einwilligung des Erblassers verwandelt worden ist, wenn endlich
nicht der letzte Wille sondern die Aechtheit, oder der Sinn der letztwilligen
Verordnung angefochten wird; so besteht das Legat.
§.
511. Wenn nach Errichtung des Testamentes dem kinderlosen Testator ein eheliges
Kind, ein Enkel oder Urenkel geboren wird, so wird das Testament entkräftet.
Stirbt aber das Kind vor dem Testator, so erhält das Testament wieder seine
Kraft.
§.
512. Will oder kann weder ein Erbe, noch ein Nacherbe die Verlassenschaft
annehmen, so wird die letztwillige Verordnung vereitelt, und das Erbrecht fällt
auf die gesetzlichen Erben: Diese sind aber verpflichtet, die übrigen Verfügungen
des Erblassers zu befolgen. Entsagen auch sie der Erbschaft; so werden die
Legataren verhältnißmäßig als Erben betrachtet.
Fünfzehntes
Hauptstück.
Vom
Erbvertrage.
§.
513. Wenn ein Eigenthümer Jemanden, entweder seine ganze Verlassenschaft oder
einen Theil derselben verspricht, und dieser das Versprechen giltig annimmt; so
entstehet der Erbvertrag.
§.
514. Die bloße Erklärung Jemanden künftig zum Erben einsetzen zu wollen, wären
auch noch so viele Zeugen dabei, wird für keinen Erbvertrag gehalten; wenn das
Recht nicht wirklich auf einen Erbtheil bestimmt und eingeräumt worden ist.
§.
515. Räumt ein Eigenthümer Jemanden das Recht ein eine gewisse Summe oder eine
bestimmte Sache von seinem Erben fordern zu können; so entstehet kein
Erbvertrag, sondern dieser erwirbt eine Schuldforderung, die erst nach dem Tode
des Schuldners verfällt, von dem Gläubiger, wenn er eher stirbt, auf seine
Erben übergeht, und auf Verlangen sicher gestellt werden muß.
(365)
§. 516. Das Erbrecht, welches aus einem Erbvertrage entsteht, setzt immer den
Tod des Erblassers voraus. Es kann von dem Vertragserben, wenn er den Erblasser
nicht überlebt, auf keinen Nachfolger übertragen, und der künftigen Erbschaft
willen keine Sicherstellung gefordert werden: denn der blosse (!) Erbvertrag hindert
einen Eigenthümer nicht mit seinem Vermögen, so lang er lebt, nach Belieben zu
schalten.
§.
517. Sind aber im Erbvertrage bestimmte Grundstücke, Kapitale, oder andere
Güter als Nachlaß bestimmt worden; so hat der Vertragserbe die Rechte eines
Gläubigers erworben; und die zum Nachlasse bestimmten Sachen können nach
Umständen die Eigenschaft eines Fideikommisses annehmen.
§.
518. Ein Erbvertrag ist einseitig, oder zweiseitig verbindlich, je nachdem das
Erbrecht nur von einem der vertragenden Theile, oder von beiden Theilen
einander zugesagt und wechselseitig angenommen worden ist.
§.
519. Soll ein Erbvertrag giltig seyn; so muß bei dessen Errichtung alles
beobachtet werden, was zur Giltigkeit eines Vertrages, eines Testamentes, oder
Codicilles nothwendig ist.
§.
520. Minderjährige können zwar eine ihnen zugedachte Verlassenschaft annehmen:
aber sie sind nicht befugt mittelst eines Erbvertrages über ihr Vermögen zu
verfügen, weil sie sich überhaupt ohne vormundschaftliche Genehmigung durch
keinen Vertrag verpflichten können.
§.
521. Unter unmöglichen und unerlaubten Bedingungen kann kein Erbvertrag
bestehen. Wer seine Einwilligung dazu giebt, kann kein Recht daraus erwerben.
§. 522.
Gegen einen Erbvertrag findet keine letztwillige Verordnung Statt. Nur
dasjenige Vermögen, über welches kein Erbvertrag errichtet ist, fällt den
Testamentserben, oder in deren Ermanglung den gesetzlichen Erben zu.
§.
523. Niemand kann durch einen Erbvertrag auf das Recht zu testiren gänzlich
Verzicht thun. Wenigstens ein Viertel des Vermögens muß der letztwilligen
Verordnung vorbehalten werden. Dieses Viertel muß aber ganz frei seyn: und es
darf weder der Jemanden gebührende Pflichttheil, noch eine andere Schuld darauf
haften.
§.
524. Ein dem kinderlosen Erblasser gebornes eheliges Kind hebt den Erbvertrag
auf.
§.
525. Dadurch, daß zwei Personen sich wechselseitig zu Erben einsetzen, entsteht
noch kein Erbvertrag, sondern ein Erbrecht zu Folge letztwilliger Verordnung.
Diese Verordnung kann von beiden Seiten widerrufen werden.
(366)
§. 526. Auch die Uibereinkunft, kraft welcher Aeltern ihre Kinder vollständig
ausstatten, oder sich wegen des künftigen Erbrechtes mit ihnen abfinden, gehört
nicht zu den Erbverträgen. Es wird hier kein Erbtheil auf dem Todesfall
versprochen und angenommen, sondern eine Summe bei Lebzeiten erworben.
§.
527. Der wesentliche Unterschied zwischen Erbverträgen und letztwilligen
Verordnungen besteht also darin, daß diese von dem Erblasser immer verändert,
auch widerrufen, jene aber nur, wie andere Verträge, aufgehoben, und nach
Vorschrift der Gesetze entkräftet werden können.
§.
528. Wer berechtigt ist, Jemanden durch einen Erbvertrag die Erbfolge
zuzusichern, der ist auch befugt, auf sein Erbrecht im voraus Verzicht zu thun.
Sechzehntes
Hauptstück.
Vom
der gesetzlichen Erbfolge.
§.
529. Wenn der Verstorbene kein giltiges Testament errichtet, wenn er in dem
errichteten Testamente nicht über sein ganzes Vermögen verfüget, oder die Personen,
denen er kraft des Gesetzes einen Erbtheil zu hinterlassen schuldig war, nicht
gehörig bedacht hat: so findet die gesetzliche Erbfolge ganz, oder zum Theile
Statt.
§.
530. In Ermanglung eines giltigen Testamentes fällt nämlich die ganze
Verlassenschaft des Verstorbenen seinen nächsten Verwandten zu. Ist aber ein
giltiges Testament vorhanden; so kömmt ihnen derjenige Erbtheil zu, welcher in
demselben Niemanden zugedacht worden ist.
§.
531. Ist eine vom Gesetze besonders begünstigte Person durch eine letztwillige
Verordnung in ihrem Erbrechte verkürzt worden; so kann sie sich auf die
Vorschrift des Gesetzes berufen, und den nach Maßgabe des folgenden
Hauptstückes ihr gebührenden Erbtheil gerichtlich einklagen.
§.
532. Es macht in Ansehung der gesetzlichen Erbfolge keinen Unterschied, ob die
nächsten Verwandten Einwohner der deutschen Erbländer, ob sie Urterthanen aus
einem andern Theile des österreichischen Staates, oder ob sie erbfähige
Ausländer sind.
§.
533. Für die nächsten Verwandten werden diejenigen gehalten, welche mit dem
Erblasser durch die nächste Linie verwandt sind.
Die
Verwandschaftslinien werden auf folgende Art bestimmt.
(367)
Zur ersten Linie gehören diejenigen, welche sich unter dem Erblasser als ihrem
Stamme vereinigen, nämlich seine Kinder und ihre Nachkömmlinge. Zur zweiten
Linie gehören des Erblassers Vater und Mutter sammt denjenigen, die sich mit
ihm unter Vater und Mutter vereinigen, nämlich seine Geschwister und ihre
Nachkömmlinge.
Zur
dritten Linie gehören die Großältern sammt den Geschwistern der Aeltern und
ihren Nachkömmlingen.
Zur
vierten Linie gehören des Erblassers Urgroßältern sammt ihren Nachkömmlingen.
Zur
fünften Linie gehören des Erblassers zweite Urgroßältern sammt denjenigen, die
von ihnen abstammen.
Zur
sechsten Linie gehören des Erblassers dritte Urgroßältern sammt denjenigen, die
von ihnen entsprossen sind.
§.
534. Wenn also der Erblasser eheliche Kinder hat; so fällt ihnen die ganze
Erbschaft zu, sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechtes, sie mögen zu
Lebezeiten des Erblassers oder nach seinem Tode geboren seyn. Mehrere Kinder
theilen die Erbschaft nach ihrer Zahl in gleiche Theile. Enkel von noch
lebenden Kindern, und Urenkel von noch lebenden Enkeln haben kein Recht zur
Erbfolge.
§.
535. Haben die Aeltern noch bei ihren Lebzeiten einem Kinde bloß aus
Freigebigkeit, oder Vorliebe eine Summe Geldes, oder andere Sachen zugewendet;
so braucht dieses Kind seinen Geschwistern keine Rechenschaft davon zu geben.
Nur dann, wenn ein Kind zum Heurathsgute, zur Aussteuer, oder zur Einrichtung
seiner eigenen Haushaltung etwas in voraus erhalten hat, wird der nämliche
Betrag jedem andern Kinde noch vor der Theilung abgereicht.
§.
536. Gleichwohl können Aeltern einem Kinde die Anrechnung eines voraus
erhaltenen Heurathsgutes, einer Aussteuer, oder Einrichtung ausdrücklich
erlassen, wenn ihr Vermögen von der Art ist, daß dadurch den übrigen Kindern
die nöthige Erziehung und Versorgung nicht entgehe. Uebrigens können weder
Aeltern noch Seitenverwandte auf diese Anrechnung einen Anspruch machen.
§.
537. Ist ein Kind des Erblassers vor ihm gestorben, und sind durch dasselbe
Enkel vorhanden; so wird der Antheil, welcher auf dieses verstorbene Kind
gefallen wäre, unter diese nachgelassene Enkel gleich getheilt. Ist von diesen
Enkeln ebenfalls einer gestorben, und hat Urenkel nachgelassen; so wird auf die
nämliche Art des verstorbenen Enkels unter die Urenkel gleich getheilt. Sind
von einem Erblasser noch entferntere Nachkömmlinge vorhanden; so wird die
Theilung verhältnißmäßig nach der eben gegebenen Vorschrift vorgenommen.
(368)
§. 538. Auf diese Art wird eine Erbschaft nicht nur dann getheilt, wenn Enkel
von verstorbenen Kindern mit noch lebenden Kindern, oder entferntere
Nachkömmlinge mit nähern Nachkömmlingen des Erblassers zusammentreffen; sondern
auch dann, wenn die Erbschaft bloß zwischen Enkeln von verschiedenen Kindern,
oder zwischen Urenkeln von verschiedenen Enkeln zu theilen ist. Es können also
die von jedem Kinde nachgelassenen Enkel, und die von jedem Kinde nachgelassenen
Urenkel, ihrer seyen viele oder wenige, nie mehr und nie weniger erhalten, als
das verstorbene Kind, oder der verstorbene Enkel erhalten hätten, wenn sie am
Leben geblieben wären.
§.
539. Ist niemand vorhanden, der von dem Erblasser selbst abstammt; so fällt die
Erbschaft auf diejenigen, die mit ihm durch die zweite Linie verwandt sind,
nämlich auf seine Aeltern und ihre Nachkömmlinge. Leben noch beide A(e)ltern,
so gebührt ihnen die ganze Erbschaft zu gleichen Theilen. Ist eines dieser
Aeltern gestorben; so treten dessen nachgelassene Kinder oder Nachkömmlinge in
sein Recht ein, und es wird die Hälfte, die dem Verstorbenen gebührt hätte,
unter sie nach jenen Grundsätzen getheilt, welche oben in dem §. 534. 537. und
538. §§. wegen Theilung der Erbschaft zwischen Kindern, und entferntern
Nachkömmlingen des Erblassers festgesetzt worden sind.
§.
540. Wenn beide Aeltern des Erblassers gestorben sind; so wird jene Hälfte der
Erbschaft, welche dem Vater zugefallen wäre, unter seine hinterlassene Kinder
und derselben Nachkömmlinge, die andere Hälfte aber, welche der lebenden Mutter
gebührt hätte, unter ihre Kinder und derselben Nachkömmlinge in der Ordnung
nach dem 534. und 537. §§. getheilt. Sind von diesen Aeltern keine andern, als
von ihnen gemeinschaftlich erzeugte Kinder, oder derselben Nachkömmlinge
vorhanden; so theilen sie die beiden Hälften unter sich gleich. Sind aber außer
diesen noch Kinder vorhanden, die von dem Vater, oder von der Mutter, oder von
einem und der andern in einer andern Ehe gezeugt worden sind; so erhalten die
von dem Vater und der Mutter gemeinschaftlich erzeugten Kinder, oder ihre
Nachkömmlinge sowohl an der väterlichen, als an der mütterlichen Hälfte ihren
gebührenden, mit den einseitigen Geschwistern gleichen Antheil.
§.
541. Wenn eines der verstorbenen Aeltern des Erblassers weder Kinder, noch
Nachkömmlinge hinterlassen hat; so fällt die ganze Erbschaft dem andern noch
lebenden Aelterntheile zu. Ist dieser Theil auch nicht mehr am Leben; so wird
die ganze Erbschaft unter seinen Kindern und Nachkömmlingen nach bereits
angeführten Grundsätzen vertheilet.
(369)
§. 542. Sind die Aeltern des Erblassers ohne Nachkömmlinge gestorben; so fällt
die Erbschaft auf die dritte Linie, nämlich auf des Erblassers Großältern und
ihre Nachkommenschaft. Die Erbschaft wird dann in zwey gleiche Theile getheilt.
Eine Hälfte gehört den Aeltern des Vaters und ihren Nachkömmlingen, die andere
den Aeltern der Mutter und ihren Nachkömmlingen
§.
543. Jede dieser Hälften wird unter den Großältern der Seite, wenn sie beide
noch leben, gleich getheilt. Ist eines der Großältern oder sind beide
gestorben; so wird die dieser Seite zugefallene Hälfte zwischen den Kindern und
Nachkömmlingen dieser Großältern nach jenen Grundsätzen getheilt, nach welchen
in dem oben angeführten Falle die ganze Erbschaft zwischen den Kindern und
Nachkömmlingen der Aeltern des Erblassers getheilt werden muß.
§.
544. Sind von der väterlichen oder von der mütterlichen Seite beide Großältern
gestorben, und weder von dem Großvater, noch von der Großmutter Nachkömmlinge
vorhanden; dann fällt den von der andern Seite noch lebenden Großältern, oder
nach derselben Tode ihren hinterlassenen Kindern und Nachkömmlingen die ganze
Erbschaft zu.
§.
545. Nach gänzlicher Erlöschung der dritten Linie fällt die gesetzliche
Erbfolge auf die vierte. Zu dieser Linie gehören die Aeltern des väterlichen
Großvaters und ihre Nachkömmlinge, die Aeltern der väterlichen Großmutter mit
ihren Nachkömmlingen, die Aeltern des mütterlichen Großvaters mit ihrer
Nachkommenschaft, und die Aeltern der mütterlichen Großmutter mit der ihrigen.
§.
546. Sind von allen diesen vier Stämmen Verwandte vorhanden; so wird die
Erbschaft zwischen denselben in vier gleiche Theile getheilt, und jeder Theil
wieder zwischen den zu jedem Stamme gehörigen Personen nach eben den
Grundsätzen untergetheilt, nach welchen zwischen den Aeltern des Erblassers und
zwischen ihren Nachkömmlingen eine ganze Erbschaft gesetzmäßig getheilt wird.
§.
547. Ist einer von den zu dieser Linie gehörigen vier Stämmen bereits
erloschen; so fällt dessen Antheil nicht allen übrigen drei Stämmen zu, sondern
wenn der erloschene Stamm von der väterlichen Seite ist; so fällt dem andern
Stamme von der väterlichen Seite die Hälfte der Erbschaft zu; und wenn der
erloschene Stamm von der mütterlichen Seite ist, so fällt dem andern Stamme von
der mütterlichen Seite ebenfalls die Hälfte der Erbschaft zu. Sind aber beide
Stämme von der väterlichen und mütterlichen Seite erloschen, so fällt auf die
zwey Stämme von der andern Seite, und wenn auch von dieser schon einer
erloschen ist, auf den einzigen von dieser Seite noch übrigen Stamm die ganze
Erbschaft.
(370)
§. 548. Wenn von der vierten Linie kein Verwandter mehr am Leben ist, so fällt
die Erbschaft auf die fünfte, nämlich auf des Erblassers zweite Urgroßältern
und ihre Nachkömmlinge. Zu dieser Linie gehört der Stamm der väterlichen
Großältern des väterlichen Großvaters, der Stamm der mütterlichen Großältern
des väterlichen Großvaters, der Stamm der väterlichen Großältern der
väterlichen Großmutter, der Stamm der mütterlichen Großältern der väterlichen
Großmutter, der Stamm der väterlichen Großältern des mütterlichen Großvaters,
der Stamm der mütterlichen Großältern des mütterlichen Großvaters, der Stamm
der väterlichen Großältern der mütterlichen Großmutter, der Stamm der
mütterlichen Großältern der mütterlichen Großmutter.
§.
549. Jeder von diesen Stämmen hat mit den übrigen gleiches Erbrecht, und wenn
von jedem Stamme Verwandte vorhanden sind, so wird die Erbschaft unter ihnen in
acht gleiche Theile getheilt, und jeder Theil unter den zu diesem Stamme
gehörigen Personen nach der bei den vorigen Linien vorgeschriebenen Ordnung
wieder untergetheilt.
§.
550. Wenn einer dieser acht Stämme erloschen ist; so fällt dasjenige, was
väterlichen Großältern eines Großvaters, oder einer Großmutter gehört hätte,
dem Stamme der mütterlichen Großältern eben dieses Großvaters, oder dieser
Großmutter zu; und was den mütterlichen Großältern eines Großvaters, oder einer
Großmutter gebührt hätte, fällt dem Stamme der väterlichen Großältern eben
dieses Großvaters, oder Großmutter zu.
§.
551. Sind beide Stämme eines Großvaters, oder einer Großmutter erloschen; so
bleiben die Antheile, die zu der väterlichen Seite des Erblassers gehören, bei den
noch übrigen Stämmen der väterlichen Seite, und die Antheile, die zu der
mütterlichen Seite des Erblassers gehören, bleiben bei den noch übrigen Stämmen
von der mütterlichen Seite. Wenn aber von allen vier Stämmen der väterlichen
Seite oder von allen vier Stämmen der mütterlichen Seite kein Verwandter mehr
vorhanden ist, so erhalten die von der andern Seite vorhandenen Stämme die
ganze Erbschaft.
§.
552. Wenn endlich auch die fünfte ganz erloschen ist; so fällt die gesetzliche
Erbfolge auf die sechste, nämlich auf des Erblassers dritte Urgroßältern und
ihre Nachkömmlinge. Zu dieser Linie gehören sechszehn Stämme, nämlich die
Stämme derjenigen Aeltern, aus welchen die Stammältern der fünften Linie
entsprossen sind. Wenn von jedem dieser Stämme Verwandte am Leben sind; so wird
die Erbschaft im sechszehn gleiche Stammtheile getheilt, und jeder Stammtheil
(371)
zwischen den zu diesem Stamme gehörigen Verwandten nach dem bereits angegebenen
Grundsätzen wieder untergetheilt.
§.
553. Sind von einigen dieser Stämme keine Verwandte mehr am Leben; so fallen
ihre Antheile auf diejenigen Stämme, die nach Vorschrift des 547. und 550. §.
mit den erloschenen Stämmen in der nächsten Verbindung stehen. Sind nur von
einen einzigen Stamme Verwandte übrig; so gebührt ihnen die ganze Erbschaft.
§.
554. Wenn Jemand mit dem Erblasser von mehr als einer Seite verwandt ist; so
genießt er von jeder Seite dasjenige Erbrecht, welches ihm als einem
Verwandten, von dieser Seite insbesondere betrachtet, gebührt.
§.
555. Auf diese sechs Linien wird das Recht der verwandtschaftlichen Erbfolge in
Ansehung eines frei vererblichen Vermögens eingeschränkt. Wer mit dem Erblasser
nur in der siebten, oder in einer noch entferntern Linie verwandt ist, hat auf
das von ihm hinterlassene Vermögen keinen Anspruch.
§.
556. In diesem Falle, wenn nämlich in den angeführten sechs Linien kein
Verwandter des Erblassers vorhanden ist; bestimmt das Gesetz dessen
hinterlassenen Ehegatten zum Erben. Ist dieser auch nicht mehr am Leben; so
wird die Verlassenschaft als ein erbloses Gut erklärt, und entweder von der
Kammer, oder von denjenigen Personen eingezogen, welche zur Einziehung erbloser
Güter ein gesetzliches Recht haben.
§.
557. Außer dem eben bestimmten Falle gebührt noch dem überlebenden Ehegatten
ohne Unterschied, ob er eigenes Vermögen besitze, oder nicht, mit jedem Kinde
gleicher Erbtheil zum lebenslänglichen Genusse. Das Eigenthum davon bleibt den
Kindern. Ist kein Kind vorhanden; so erhält der überlebende Ehegatte das
unbeschränkte Eigenthum auf den vierten Theil der Verlassenschaft. Doch wird in
beiden Fällen dasjenige, was gemäß eines errichteten Heirathsbriefes einem
überlebenden Ehegatten aus dem Vermögen des andern zukömmt, in diesen Theil mit
eingerechnet.
§.
558. Außer der Ehe geborne, und durch nachher erfolgte Vermählung ihrer Aeltern
legitimirte Kinder genießen mit den ehelich erzeugten die nämlichen Rechte, und
werden auch in Ansehung der gesetzlichen Erbfolge, wie alle andere ehelichen
Kinder, jedoch nach Maßgabe des 135. §. des ersten Theils behandelt.
§.
559. Einem unehelichen, nur durch die Begünstigung des Gesetzes legitimirten
Kinde kömmt auf die väterliche Erbschaft nur so viel Recht zu, als ihm der
Vater bei der Legitimation wirklich
(372)
eingeräumt hat, und ohne Verletzung etwa vorhandener anderer Kinder hat
einräumen können.
§.
560. In Rücksicht auf die Mutter haben eheliche und uneheliche Kinder bei der
gesetzlichen Erbfolge gleiche Rechte. Doch steht es der Mutter frei, sich mit
den unehelichen Kindern abzufinden, und wegen einer gänzlichen Verzicht auf die
Erbschaft sich mit ihnen zu vertragen.
§.
561. Den Aeltern kömmt auf den Nachlaß ihrer legitimierten Kinder eben das
wechselseitige Recht zu, welches den Kindern auf den Nachlaß ihrer Aeltern
eingeräumt worden ist. Sind aber die Kinder unehelich geblieben; so gebührt nur
der Mutter die gesetzliche Erbfolge. Der Vater, alle Großältern und ihre
Verwandte sind davon ausgeschlossen.
Siebenzehntes
Hauptstück.
Von
dem Pflichttheile.
§.
562. Die Personen, welche der Erblasser in seiner letztwilligen Verordnung mit
einem Erbtheile bedenken muss, sind vor allen seine Kinder: in Ermanglung
derselben seine Aeltern: endlich sein Ehegatte, selbst wenn seine Kinder und
Aeltern noch am Leben sind.
§.
563. Die Pflichten, welche Aeltern gegen ihre Kinder, Kinder gegen ihre
Aeltern, und Ehegatten gegen einander schon bei Lebzeiten haben, sind bereits
im dritten und vierten Hauptstücke des ersten Theils näher bestimmt worden. Sie
sind aber schuldig auch auf den Todesfall einander zu bedenken. In Ansehung
dieser Pflicht beschränkt das Gesetz die Rechte des Eigenthümers.
§.
564. Unter dem Namen der Kinder werden auch Enkel und Urenkel, und unter dem
Namen Aeltern alle Großältern begriffen. Es findet hier zwischen männlichen und
weiblichen Geschlechte, zwischen ehelicher und unehelicher Geburt kein
Unterschied Statt, sobald die Ordnung, die Reihe und das Recht der gesetzlichen
Erbfolge diese Personen wirklich trifft.
§.
565. Der Erbtheil, welchen diese Personen zu fordern berechtigt sind, heißt
Pflichttheil; sie selbst werden in dieser Rücksicht Notherben genannt.
§.
566. Als Pflichttheil bestimmt das Gesetz jedem minderjährigen Kinde die
Hälfte, jedem volljährigen aber das Drittel von dem was dem einem und dem
andern in Ermanglung eines Testamentes nach der gesetzlichen Erbfolge
zugeflossen wäre.
(373)
§. 567. Den Aeltern gebührt als Pflichttheil ein Drittel aus der ganzen freien
Verlassenschaft, dergestalt, dass, ungeachtet einer vorhandenen letztwilligen Verordnung,
gleichwohl einem jeden Notherben in aufsteigender Linie ein reines Drittel von
dem verbleibe, was ihm in Ermanglung einer solchen Verordnung nach der
gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre.
§.
568. Des Ehegatten Pflichttheil ist das Drittel dessen, was ihm in Ermanglung
eines Testamentes zugekommen wäre. Wenn keine Kinder vorhanden sind, wird der
Ehegatte vollständiger und unbeschränkter Eigenthümer des Pflichttheiles: Sind
Kinder vorhanden; so erhält er nur die Nutznießung davon.
§.
569. Um den Pflichttheil richtig ausmessen zu können, werden alle zur
Verlassenschaft gehörigen, beweglichen und unbeweglichen Sachen, alle Rechte
und Forderungen, welche der Erblasser auf seine Nachfolger frei zu vererben
befugt war, selbst alles, was ein Erbe, oder ein Legatar in die Masse schuldig
ist, genau beschrieben und ordentlich geschätzt.
§.
570. Fremdes Gut, und alles, was der Verstorbene auf andere nicht frei vererben
konnte, wird nicht in die Verlassenschaft gezogen. Schulden, alte Lasten, und
solche Rechte, die mit dem Erblasser erlöschen, werden vor allen von der Masse
abgerechnet.
§.
571. Der Pflichttheil wird den Notherben vor den Vermächtnissen und andern aus
dem letzten Willen entspringenden Lasten abgereicht. Sind die in der
Verlassenschaft befindlichen Sachen theilbar; so erhalten sie ihn an den Sachen
selbst: sind sie es nicht; so erhalten sie ihn an gemeinem Werte.
§.
572. Alles, was die Notherben durch Legate, Fideicommisse, Substitutionen,
Erbverträge oder andere Verfügungen des Erblassers wirklich aus der
Verlassenschaft erhalten, wird bei Bestimmung ihres Pflichttheiles in Rechnung
gebracht. Doch kann der Pflichttheil durch keine Bedingung eingeschränkt, noch
auf irgend eine Art belastet werden.
§.
573. Was ein Notherbe bei Lebzeiten des Erblassers bloß aus desselben
Freigiebigkeit als jährlichen Beitrag, oder auf eine andere Art erhalten hat,
wird nicht zum Pflichttheile gerechnet.
§.
574. Haben Aeltern für ein bereits versorgtes Kind Schulden bezahlt, haben sie
ihm ein Heurathsgut, oder eine andere Unterstützung gegeben; so kommen die
deßwegen gemachten Auslagen in die Rechnung seines Pflichttheiles.
§.
575. Besondere einem Vater, oder einer Mutter gemachte Vorschüsse werden nur
auf ausdrückliches Verlangen des Erblassers zum Pflichttheile gerechnet.
(374)
§. 576. Haben Ehegatten in dem Heurathsbriefe eine Vorsehung für den Todesfall
getroffen; so hat der Uiberlebende keinen Anspruch auf einen Pflichttheil.
§.
577. Ein Erbvertrag kann den Rechten des Pflichttheiles sowenig zu nahe treten,
als eine letztwillige Verordnung. Auch durch die pupillarische Substitution
kann ein Vater den Pflichttheil der Mutter nicht vereiteln.
§.
578. Wer nach Vorschrift des zehnten Hauptstückes entweder seines Standes, oder
einer gesetzeswidrigen Handlung wegen unfähig ist zu erben, hat auch überhaupt
keinen Anspruch auf einen Pflichttheil. Sein Antheil fällt in die Masse.
§.
579. Außerdem schließen noch andere Ursachen vom Pflichttheile aus. Ein Kind
kann enterbt werden:
1)
Wenn es vom Christenthume abfällt.
2)
Wenn es seinen Vater, oder seine Mutter wegen eines Civil(-verbrechens) oder
Criminalverbrechens, den Hochverrath ausgenommen, vor Gericht angibt, oder sie
durch öffentlichen Vorwurf eines solchen Verbrechens beschimpft.
3)
Wenn es seinen Aeltern nach dem Leben strebt, oder sich thätlich gegen sie
vergreift.
4)
Wenn es denselben in feindlicher Gefangenschaft, oder in einem andern elenden
Zustande keine Hülfe leistete.
5)
Wenn es Blutschande in aufsteigender Linie begeht.
6)
Wenn es seinen Aeltern durch Angebungen, oder auf eine andere boshafte Art so
viel Schaden verursacht, als sein Pflichttheil betragen würde.
7)
Wenn es sich zu einer schändlichen Rotte gesellt.
8)
Wenn die Tochter eine anständige Heurath ausschlägt, und eine feile Dirne wird.
§.
580. Wenn auch eines dieser Vergehungen nur gegen einen Aelterntheil verübt
wird; so ist der andere berechtigt dem ungerathenen Kind den Pflichttheil zu
entziehen.
§.
581. Aeltern können vom Pflichttheil ausgeschlossen werden:
1)
Wenn sie die christliche Religion verlassen.
2)
Wenn sie ihrem Kind gar keine, oder vorsätzlich eine böse zum Laster führende
Erziehung geben, oder es im großen Elende gänzlich verlassen.
3)
Wenn sie dasselbe fälschlich und boshafter Weise wegen eines
Criminalverbrechens angeben.
4)
Wenn sie ihm, seinem Ehegatten, oder sein Nachkömmling nach dem Leben streben.
(357)
5) Wenn sie mit seinem Gatten ehebrecherischen Umgang gepflogen haben.
§.
582. Treffen eine oder mehrere dieser Enterbungsursachen bei den Aeltern und
Kindern wirklich ein; so wird der Pflichtheil doch nicht gleich von Amtswegen
verwirkt. Der Erblasser muss die Enterbung in seinem Testamente verfügen, und
die gesetzmäßige Ursache ausdrücklich anführen.
§.
583. Dem Ehegatten gebührt kein Pflichttheil:
1)
Aus jeder Ursache, worauf sich die Enterbung der Kinder und Aeltern gründet.
2)
Wenn er sich des Ehebruches schuldig macht.
3)
Wenn er seinen Ehegatten boshafter Weise verläßt.
4)
Wenn er zur beständigen Trennung vom Tische und Bett Anlass gegeben hat.
Bei
solchen Vorfällen wird das Vergehen des einen Ehegatten durch ein ähnliches
Vergehen des andern nicht aufgehoben.
§.
584. Die Enterbungsursache muß immer von dem Erben erwiesen werden, und in den
Worten und dem Sinne des Gesetzes gegründet seyn; sonst ist der ausgeschlossene
Notherbe berechtigt seinen Pflichttheil zu fordern. In Rücksicht auf andere
Verfügungen kann er das Testament aus diesem Grunde nicht anfechten.
§.
585. Auch in dem Falle, daß einem Notherben der ihm gebührende Pflichttheil
nicht vollständig vermacht wird, behält das Testament seine rechtliche Kraft:
obwohl der verkürzte Notherbe die Ergänzung seines Pflichttheiles einklagen
kann.
§.
586. Es können Aeltern und Ehegatten in einem Testamente ganz übergangen
werden; es wird deswegen nicht ungiltig. Der Pflichttheil wird in diesem Fall
aus der Masse entrichtet, und verhältnismäßig von den Erbtheilen und
Vermächtnissen abgezogen. Ein Kind kann aber in einem Testamente nicht
übergangen werden. Der Erblasser muss ihm einen Pflichttheil vermachen, oder
entziehen; widrigen Falles ist das ganze Testament ungiltig.
§.
587. Einem verschwenderischen Notherben, von welchem zu befürchten ist, daß der
ihm gebührende Pflichttheil sonst ganz, oder größten Theils in die Hände seiner
Gläubiger kommen würde, kann auch der Pflichttheil von dem Erblasser, jedoch
nur dermassen (!) entzogen werden, daß solcher dessen Kindern zu Statten komme.
§.
588. Einem Notherben, der von seinem Pflichtheile ausgeschlossen wird, kann man
deßwegen den unentbehrlichen Unterhalt nicht versagen. Diesen sind Aeltern
ihren Kindern, und Kinder ihren hilflosen
(376)
Aeltern aus der Verlassenschaft zu bestimmen verbunden. Die nämliche
Verbindlichkeit findet auch unter noch nicht geschiedenen Eheleuten Statt.
Achtzehntes
Hauptstück.
Von
der Verlassenschaftsabhandlung.
§.
589. Wenn eine Person stirbt, welche ein eigenes Vermögen hat; so nimmt die
Gerichtsbehörde, welcher sie vermöge ihres ordentlichen letzten Wohnsitzes
unterworfen war, in Gegenwart zweier Zeugen von Amtswegen die Besiegelung auf
(!) Nachlaß vor, das ist, sie legt die sogenannte gerichtliche Sperre an.
Todesfälle werden durch die politischen Anstalten am schleunigsten erfahren.
§.
590. Befindet sich der Nachlaß in der Gewährsame solcher Personen, welche der
Erblasser selbst zur Vollstreckung seines letzten Willens ernannt hat, oder in
Händen solcher vermuthlicher Erben, die ihre Geschäfte selbst zu verwalten
fähig sind, und bei welchen für die Verlassenschaft nichts zu befürchten steht;
so dient die Siegelung nur zum Zeichen der Gerichtsbarkeit, und schränkt sich
auf wenige unbedeutende Fahrnisse ein.
§.
591. Ausserdem nimmt der Gerichtsstand den Nachlaß in engere Sperre, und
übergibt ihn, bis der Erbe auftritt, oder ein Kurator bestellt wird, der
Aufsicht einer vertrauten Person. Die entbehrliche Baarschaft, öffentliche
Staatspapiere, Privatschuldbriefe, Gold, Silber und Juwelen nimmt das Gericht
in Verwahrung.
§.
592. Sachen, die nicht entwendet, die in der Wirthschaft nicht entbehrt, oder
nicht lange erhalten werden können, werden nicht versiegelt, sondern besonders
verzeichnet, und demjenigen, der unterdessen die Wirthschaft besorgt, zum
Gebrauche oder allenfalls gegen Verrechnung zum Verkehre überlassen.
§.
593. Erbstücke, die sich unter einer fremden Gerichtsbarkeit befinden, werden
auf erhaltenes Ersuchschreiben von dem Ortsgerichte in Verwahrung gebracht, bis
die Gerichtsbehörde, welcher der Erblasser zur Zeit des Todes seiner Person
nach unterworfen war, weitere Verfügungen darüber trifft.
§.
594. Dieser persönlichen Gerichtsbehörde kommt die Verhandlung der sämmtlichen
Verlassenschaft auch dann zu, wenn der Erblasser in einem fremden Land liegende
Güter hinterlassen hat.
(377)
§. 595. Niemand darf sich einer ihm angefallenen Erbschaft eigenmächtig
anmassen. Wer ein Erbrecht auf einen Nachlaß zu haben vermeint, muß dem
gehörigen Gerichtsstande seine Ansprüche vorlegen, muß sie durch die
erforderlichen Rechtsbehelfe unterstützen, und auf diese Art die Einantwortung
seines Erbtheils erwirken.
§.
596. Da das Erbrecht nur nach dem Tode der Erblassers statt findet; so muss
sich das Gericht vor allen (!) von seinem Tode, oder von seiner Todeserklärung
überzeugen, und sich versichern, ob ein schriftliches oder mündliches Testament
vorhanden, oder wem sonst das Erbrecht zugefallen sey.
§.
597. Wer ein schriftliches Testament in Verwahrung bekömmt, oder ein mündliches
als Zeuge aufnimmt, soll es innerhalb acht Tagen nach erfahrnem Absterben des
Erblassers entweder der Abhandlungsinstanz, oder seinem eigenen Gerichtsstande
zur weiteren Beförderung bekannt machen, oder für allen aus seiner
Nachläßigkeit entstandenen Schaden haften.
§.
598. Wer ein Testament vorsetzlich und zum Nachtheile eines Dritten vertilgt,
unterschlägt, oder verheimlicht, begeht das Verbrechen des Betruges.
§.
599. Ein dem Gerichte vorgelegtes schriftliches Testament wird sogleich in
Beyseyn zweier Zeugen äußerlich besichtigt; dann ohne Verletzung des Siegels
und des Inhaltes erbrochen und abgelesen. Diese gerichtliche Handlung wird zu
Protokoll gebracht, sichtbare Mängel, welche man findet, werden angemerkt,
Beilagen, auf welche sich der Testator bezieht, werden nachgesucht, und den
Akten eingeschaltet.
§.
600. Findet bei einem vom Erblasser selbst aufgesetzten und von keinem Zeugen
unterschriebenen Testamente der Argwohn Platz, daß das Siegel nachgemacht, oder
die Hand nachgeahmt seyn dürfte; so muss es mit äußerster Vorsicht untersucht,
auf die Umstände der Zeit, des Ortes und der Person besondere Rücksicht
genommen, und genau aufgezeichnet werden, wo, wann und von wem ein solches Testament
gefunden und eingebracht worden sey.
§.
601. Wird ein mündliches durch eine übereinstimmende schriftliche Urkunde der
Zeugen bestättigtes Testament vorgelegt, so ist es nicht nöthig die Zeugen
gleich zu verhören. Ist aber die Urkunde nicht von dieser Art, oder entsteht
darüber ein Widerspruch; so werden die Zeugen auf Verlangen der interessirten
Partei, welcher hierzu Fragen vorzulegen freisteht, ohne deßwegen ein Urtheil
zu schöpfen, zu Protokoll vernommen, und beeidiget, darüber steht jedem Intereßirten
die weitere Verhandlung offen.
(378)
§. 602. Jeder bei Gerichte eingebrachter schriftlicher oder mündlicher letzter
Wille wird öffentlich verlesen. Die Punkte, deren Erfüllung keinen Aufschub
leidet, werden dem Erben, oder dessen Stellvertreter unverzüglich bekannt
gemacht. Jedermann, dem daran gelegen ist, kann von dem Inhalte der
letztwilligen Verordnung eine beglaubte Abschrift verlangen.
§.
603. Werden dem Gerichte mehrere Testamente vorgelegt; so müssen sie alle
öffentlich bekannt gemacht werden.
§.
604. Zeugt (!) es sich durch das Testament selbst, oder durch einen andern
Umstand, daß die Person des Erblassers zur Zeit seines Hinscheidens, einem
andern Gerichtsstande unterworfen war; so wird die letztwillige Verordnung
dorthin abgegeben, und für die nöthige Verwahrung der bei dem Verstorbenen
vorgefundenen Sachen gesorgt.
§.
605. Hat der Verstorbene in einem andern Lande liegende Gründe hinterlassen; so
wird der dortigen Gerichtsbehörde auf ihr, oder einer Partei Verlangen das
Original des letzten Willens mitgetheilt. Man bedingt bei dieser Gelegenheit
die künftige Zurückstellung, und behält eine beglaubte Vorschrift des
Originals.
§.
606. Wer sein Erbrecht auf einen Vertrag gründet, muß die Urkunde des
Erbvertrages bei der Abhandlungsinstanz einreichen, derselben Bekanntmachung
verlangen, und sich allen übrigen zu der Verlassenschaftsverhandlung gehörigen
Vorkehrungen unterziehen.
§.
607. Ist weder ein letzter Wille, noch ein Erbvertrag vorhanden; so legitimiren
sich die Erbschaftswerber zur gesetzlichen Erbfolge, und werden vom
Gerichtsstande in ihren Rechten gehandhabt.
§.
608. Wer über sein Erbrecht selbst verfügen kann, dem steht es frei die
Erbschaft mit allen ihr anklebenden Rechten und Verbindlichkeiten zu
übernehmen, oder auszuschlagen. Personen, welche ihr Vermögen zu verwalten
unfähig sind, werden in diesem, wie in andern Fällen, nach Vorschrift des
fünften Hauptstückes ersten Theiles von ihrem Vormündern und Kuratoren
vertreten.
§.
609. Wird jemand zum Erben eingesetzt, dem auch ohne Testament das Erbrecht
zugefallen wäre; so ist er nicht befugt sich auf die gesetzliche Erbfolge zu
berufen, und dadurch die letztwillige Vero(r)dnung zu vereiteln. Dieses wird
aber jenen Personen gestattet, denen ein Pflichttheil gebühret, und die sich damit
begnügen wollen.
§.
610. Ein bekannter Erbe muß sich innerhalb sechs Monaten nach dem Tode des
Erblassers vor der Abhandlungsinstanz erklären.
(379)
§. 611. Stirbt der Erbe während dieser Frist ohne sich erklärt zu haben; so
geht sein Erbrecht auf seine Erben über, wenn sie anders der Erblasser nicht
ausgeschlossen, und andere Nacherben eingesetzt hat. Den Erben gebührt aber das
Uiberlegungsrecht nur auf die von den sechs Monaten noch übrige Zeit.
§.
612. Aus wichtigen Gründen kann die Uiberlegungsfrist noch auf drei Monate
verlängert werden. Wird um keine Verlängerung angesucht, oder ist die Zeitfrist
überhaupt verstrichen; so wird der Verlassenschaftsmasse ein Vertreter
bestellt, und dem Erben durch diesen oder Jemand andern, dem daran gelegen ist,
angezeigt, daß er bei Verlust seines Erbrechtes binnen einem Monate seine
Erklärung von sich geben müsse.
§.
613. Es hängt von dem Erben ab, die Erbschaft unbedingt, oder mit der
Rechtswohlthat des Inventariums anzunehmen.
§.
614. Nimmt er sie mit dieser rechtlichen Wohlthat an; so wird das Inventarium
gerichtlich auf Kosten der Masse vorgenommen, und er steht (!) den Gläubigern
und Legataren nur in so weit, als das Vermögen des Nachlasser zureicht, für
ihre Forderungen, ohne seine eigenen vorhin darauf gehabten zu verlieren.
§.
615. Der Testator kann weder seinen Erben diese Rechtswohlthat entziehen, noch
die Errichtung des Inventariums untersagen. Selbst wenn in einem Erbvertrage
ausdrücklich Verzicht darauf gethan wird, ist es von keiner Wirkung.
§.
616. Das Inventarium wird von zwei Gerichtspersonen in Gegenwart zweier
Hausgenossen oder Nachbarn als Zeugen mit Zuziehung der nöthigen geschwornen
Schätzmeister vorgenommen. Die Gerichtspersonen nehmen den ganzen Nachlaß nebst
den darauf haftenden Lasten ordentlich auf. Die Schätzmeister geben den Werth
der Erbstücke an.
§.
617. Jedermann, dem wirklich daran liegt, kann der Errichtung des Inventariums
beiwohnen, und auf seine Kosten eine beglaubte Abschrift davon nehmen. Er kann
sogar verlangen, daß die Personen, welche den Nachlaß verwahrt oder verwaltet
haben, die Wahrhaftigkeit der Angabe aller Erbsachen eidlich bekräftigen.
§.
618. Wer die Erbschaft ohne Errichtung des Inventariums antritt, haftet in
jedem Falle allen Gläubigern für ihre Forderungen, und allen Legataren für ihre
Vermächtnisse, wenn auch das Vermögen des Nachlasses nicht zureicht.
§.
619. Die redliche Verwaltung der Verlassenschaft wird für sich allein noch
nicht als eine Erbeserklärung angesehen. Wer sich aber der Erbschaft
widerrechtlich anmaßt, verantwortet allen Schaden.
(380)
§. 620. Die Notherben, die nicht hinlänglich sichergestellten Gläubiger, und
die wegen des Erbrechts in Streit gerathenen Parteien können ebenfalls auf die
Errichtung des Inventariums dringen. Im ersten und zweiten Falle werden die
Kosten von der Masse, im letzten aber von der sachfälligen Partei getragen.
§.
621. Befürchtet ein Erbschaftsgläubiger, daß nach Vermengung des Nachlasses mit
dem Vermögen des Erben das vereinigte Vermögen zur Bezahlung der auf dem einen
und dem anderen haftenden Schulden nicht mehr zureichen möchte; so kann er die
Absonderung der Erbschaft von dem eigenen Gute des Erben fordern, und sich
besonders darauf vormerken lassen. Er verliert aber in diesem Falle allen
Anspruch auf das anderweitige Vermögen des Erben.
§.
622. Wenn der künftige Erbe sich nicht verpflichten, und sein Eigenthum nicht
selbst verwalten kann, auch wenn die Person des Erben oder sein Aufenthalt
nicht bekannt ist; so erreicht die Gerichtsbehörde das Inventarium von
Amtswegen. In allen anderen Fällen geschieht es auf Verlangen der Partei.
§.
623. Was zum Besten minderjähriger, oder anderer zur Verwaltung ihres Vermögens
unfähiger Personen vorzunehmen sey, bestimmt das fünfte Hauptstück des ersten
Theiles. Zum Besten solcher Erben, deren Personen oder Aufenthaltsorte
unbekannt sind, wird die engere Sperre angelegt, ein Inventarium errichtet, und
ein Kurator aufgestellt.
§.
624. Ist der Erbe bekannt, der Ort seines Aufenthaltes aber unbekannt, so soll
der bestellte Kurator den Erbanfall ohne Verzug durch ein Edikt kund machen.
Meldet sich der Erbe nicht; so bleibt das Vermögen so lang in Verwahrung, und
Verwaltung des Gerichts, bis er gesetzmäßig für todt erkärt werden kann. Dann
geht die Verlassenschaftsabhandlung so für sich, als wenn der Erbe zur Zeit des
Erbanfalles todt gewesen wäre.
§.
625. Weis (!) das Gericht, daß gesetzliche Erben vorhanden sind, ohne zu
wissen, welchem das Erbrecht vor anderen gebühre; so wird der Erbanfall auf die
nämliche Art bekannt gemacht, und unbeschadet des Erbrechtes, welches dem
gesetzlichen Erben bis zum Verlaufe der gesetzmäßigen Zeit offen bleibt,
derjenige als Erbe angesehen, welcher unter denen, die sich melden, das Gesetz
am meisten für sich hat. Meldet sich Niemand; so wird die Verlassenschaft bis
zur bestimmten Zeit gerichtlich verwahrt und verwaltet, sodann aber als ein
erbloses Gut behandelt.
§.
626. Die Bekanntmachung durch ein Edikt findet auch dann statt, wenn es dem
Gerichte gänzlich ungekannt ist, ob der Erblasser einen
(381)
gesetzlichen Erben zurück gelassen habe. Meldet sich in der gesetzmäßigen Zeit
Niemand; so fällt zwar die Verlassenschaft dem Fiskus heim; allein das Erbrecht
bleibt noch offen. Jeder gesetzliche Erbe kann es geltend machen, und die
Zurückstellung des Erbgutes fordern.
§.
627. Es ist nicht genug, daß Edikte, welche einen Erbanfall ankündigen, der
Gewohnheit nach durch öffentliche Zeitungsblätter bekannt gemacht werden. Diese
Bekanntmachung muß durch drei aufeinander folgende Jahre jedes Jahr zweimal und
zwar im Anfange Januars und Julius wiederholt, und zugleich die Folge, womit
das Gesetz die vernachläßigte Darbringung der Erbesansprüche belegt, den
Edikten ausdrücklich eingeschaltet werden.
§.
628. Ist der Aufenthaltsort eines durch den letzten Willen oder durch das
Gesetz berufenen Erben bekannt; so wird ihm der Erbanfall ohne Verzug
schriftlich angezeigt. Antwortet er binnen sechs Wochen nicht, so wird ihm
mittels eines Ersuchschreibens an die Gerichtsbehörde des Ortes, wo er sich
aufhält, seine Erklärung mit dem Beisatze abgefordert, daß man, wenn er binnen
einem Jahre und sechs Wochen sich nicht erklären sollte, sein Stillschweigen
als eine Entsagung des Erbrechtes ansehen werde.
§.
629. Dringende Geschäfte, die wegen der Verlassenschaftsabhandlung vorfallen,
übernimmt nach Umständen entweder der Curator, oder der von dem Erblasser
ernannte Vollzieher des letzen Willens. Dieser wird wie ein anderer von dem
Eigenthümer aufgestellter Sachwalter angesehen.
§.
630. Giebt des Erblassers Wittwe mit einiger Wahrscheinlichkeit vor, daß sie
gesegneten Leibes sey; so wird derselben bis zum Verlaufe von sechs Wochen nach
ihrer Entbindung ein angemessener Unterhalt abgereicht. Dringen die Gäubiger
der Masse auf ihre Befriedigung; so wird sie veranstaltet.
§.
631. Wenn es die Umstände erfordern, kann der Curator die Gläubiger durch ein
Edikt vorladen, und eine Zeitfrist längstens von einem Jahre und sechs Wochen
zu dem Ende bestimmen lassen, daß die Erscheinenden verhältnißmäßig befriedigt,
die nicht Erscheinenden aber an das, was von der Verlassenschaft übrig bleibt,
gewiesen werden.
§.
632. Sobald erkannt ist, wem über die eingebrachte bedingte oder unbedingte
Erbserklärung das Erbrecht gebühre; so wird die Verlassenschaft übergeben, die
Uibergabe zu Protokoll gebracht, und die Abhandlung geschlossen.
(382)
§. 633. Hat aber der Erblasser gegen das Staatsärarium in Verrechnung
gestanden; so wird seinen Erben die Verlassenschaft nicht eher übergeben, bis
alle Rechnungen berichtigt sind.
§. 634.
Die Gerichtsbehörde sorgt weiter weder für die Befriedigung, noch für die
Sicherstellung der Gläubiger. Auch wird die Uibergabe der Verlassenschaft nicht
bis zur Abführung der Legaten verschoben. Der Erbe hat seine Pflicht erfüllt,
wenn er beweiset, daß er den Legataren von den ihnen zugefallenen
Vermächtnissen Nachricht gegeben, und den Willen des Erblassers so viel möglich
erfüllt, oder dafür hinlängliche Sicherheit geleistet habe.
§.
635. Was die Abhandlungsinstanz noch vor gerichtlicher Uibergabe des Nachlasses
in Ansehung der gesetzmäßigen milden Beiträge für Kranken-(,) Armen- und
Schulanstalten, in Rücksicht auf die Sterbetaxe, die Erbsteuer und das
Abfahrtsgeld vorzukehren hat, schreiben die politischen Verordnungen vor.
§.
636. Nach erfolgter gerichtlicher Uibergabe des Nachlasses kann der Uibernehmer
im Besitze desselben nicht anders angefochten werden, als wenn Jemand noch vor
dem Verlaufe der Verjährungszeit ein besseres, oder ein gleiches Erbrecht des
eingeführten Erben widerspricht und deßwegen die gehörige Klage erhebt.
§.
637. Diese Klage findet aber nur gegen einen solchen Uibernehmer Statt, welcher
sich des Erbrechtes angemaßt hat. Wer nicht das Erbrecht überhaupt, sondern nur
das Eigenthum eines besonderen Erbstückes verfolgen will, der muß nicht die
Erbschafts(klage), sondern die Eigenthumsklage anbringen.
§.
638. Wenn der Kläger mit dem Beweise seines Erbrechtes auslangt, folglich der
Beklagte zur Abtretung der Verlassenschaft ganz, oder zum Theile verurtheilt
wird, so werden die Streitigkeiten, welche über die Zurückstellung der von dem
Besitzer bezogenen Früchte, oder über die von demselben auf den Nachlaß
verwendeten Kosten entstehen können, nach jenen Grundsätzen entschieden, welche
im zweiten Hauptstücke in Rücksicht auf den redlichen oder unredlichen Besitzer
überhaupt festgesetzt worden sind.
§.
639. Erscheint ein gesetzmäßig für todt erklärter Erbe; so tritt der
eingeführte Erbe demselben den Nachlaß ab, oder entrichtet den noch bei ihm
befindlichen Werth davon. Ihm bleibt der unentbehrliche Unterhalt. Ein Dritter
redlicher Besitzer ist für die in der Zwischenzeit erworbenen Erbstücke
Niemanden verantwortlich.
(383)
Neunzehntes Hauptstück.
Von
Gemeinschaft des Eigenthums und anderer dinglicher Rechte.
§.
640. Wenn zwei oder mehrere Personen sich einer herrnlosen Sache zugleich
bemächtigen, wenn ihre Körner, ihre Weine oder andere dergleichen bewegliche
Sachen vermengt oder vermischt, wenn die Gränzen ihrer liegenden Gründe
verrückt, oder auf was immer für eine Art unkenntlich werden, wenn sie endlich
ein Vermächtniß, oder ein anderes Ganzes von einem Dritten übernehmen, oder
selbst zusammentragen, und sich gegenseitig übergeben; so entsteht ein
gemeinschaftliches Eigenthum.
§.
641. So oft ein und dasselbe Recht mehreren Personen ungetheilt zukommt,
entsteht eine Gemeinschaft. Die Gemeinschaft bezieht sich immer auf Sachen, so
wie sich die Gesellschaft immer auf Personen bezieht.
§.
642. Je nachdem man zufälliger Weise oder mit vorläufiger wechselseitiger
Einwilligung in eine Gemeinschaft kommt; so werden auch die Rechte und
Verbindlichkeiten der Theilhaber bestimmt, nämlich aus der Natur der Sachen
allein, oder aus der Willenserklärung, worauf sich die Gemeinschaft gründet; es
sey ein Vertrag oder eine letztwillige Verordnung.
§.
643. So lang alle Theilhaber einverstanden sind, stellen sie nur eine Person
vor, und haben das Recht mit der gemeinschaftlichen Sache nach Belieben zu
schalten: Sobald sie uneinig sind, kann kein Theilhaber über den Antheil des
anderen verfügen: So daß derjenige, welcher eine Veränderung vornehmen will,
dem anderen, der dagegen st, nachgeben muß.
§.
644. Ist aber die vorgeschlagene Veränderung von der Art, daß die Erhaltung
oder bessere Benützung der Sache davon abhängt; so entscheidet die Mehrheit der
Stimmen. Diese Mehrheit der Stimmen wird nicht nach der Zahl der Theilhaber,
sondern nach der Größe ihres Antheils berechnet.
§.
645. Doch haben die Uiberstimmten das Recht entweder die Aufhebung der
Gemeinschaft, oder wenn diese zur Unzeit wäre, Sicherstellung für künftigen
Schaden zu verlangen.
§.
646. Bei gleichen Stimmen hat die Stimme desjenigen den Vorzug, welcher für
allen Schaden zu haften, und eine bessere Sicherstellung zu leisten bereit ist.
Sonst kann auch das Loos, ein Schiedsmann, oder der Richter entscheiden.
(384)
§. 647. Die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten werden nach Verhältnis der
Antheile ausgemessen. Im Zweifel wird ein Antheil für gleich groß angesehen.
Wer das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.
§.
648. Jeder Theilhaber ist vollständiger Eigenthümer seines Antheiles: In sofern
er die Rechte seiner Mitgenossen nicht dadurch verletzt, kann er denselben oder
die Nutzungen davon willkührlich und unabhängig verpfänden, vermachen oder
sonst veräußern.
§.
649. Jeder Theilhaber ist befugt, auf Ablegung der Rechnungen, auf Vertheilung
des Ertrages, und selbst auf Aufhebung der Gemeinschaft zu dringen, wenn er
anders nicht schon in die weitere Fortsetzung eingewilligt hat, und wenn das
Recht, welches mehreren zukömmt überhaupt einer Theilung fähig ist.
§.
650. Da die Theilung immer eine wirklich bestehende Gemeinschaft voraussetzt;
so kann sie nicht vorgenommen werden, so lang die Gemeinschaft widersprochen
wird. Wer also einen Erb(antheil), oder andern Antheil ansprechen will, der muß
sein Erbschafts(recht), oder Miteigenthumsrecht schon bewiesen haben.
§.
651. Derjenige Theilgenoß, welcher die gemeinschaftliche Sache verwaltet, ist
darüber Rechnung zu geben schuldig. Wie eine Rechnung zu genehmigen, wie ihre
Mängel zu rügen und zu erläutern seyn, und das weitere Verfahren überhaupt
schreibt die Gerichtsordnung vor.
§.
652. Ordentlicher Weise sollen die Sachen selbst, z. B. die gebauten Weine,
oder die eingesammelten Körner vertheilt werden. Ist aber diese Vertheilungsart
nicht thunlich, oder den Theilhabern nicht anständig; so können sie sich den
Werth davon verschaffen, und denselben verhältnismäßig unter sich theilen.
§.
653. Wenn nach Erlöschung des Fruchtgenusses die Früchte des letzten Jahres
vertheilt werden; so zieht man vor allen die erforderlichen Baukosten von dem
Ertrage ab, und theilt dann den reinen Rest unter dem Eigenthümer, und dem
ausgetrettenen Fruchtnießer, oder seinen Erben nach dem Zeitmaaße.
§.
654. In der Regel hat jeder Theilhaber das Recht aus der Gemeinschaft zu
tretten; doch darf er es nicht zur Unzeit, oder zum Nachtheile der übrigen
ausüben, und muß sich einen den Umständen angemessenen nicht wohl vermeidlichen
Aufschub gefallen lassen.
§.
655. Hat sich ein Theilhaber durch einen Vertrag, oder durch eine rechtsgiltige
Handlung zur längeren Fortsetzung der Gemeinschaft verbunden; so kann er zwar
vor Verlauf der Zeit nicht austreten: Allein diese Verbindlichkeit wird, wie
andere Verbindlichkeiten, aufgehoben, und erstreckt sich nur in dem Falle auf
die Erben, wenn diese selbst dazu
(385)
eingewilligt haben. Eine Verbindlichkeit zu einer immerwährenden Gemeinschaft
kann nicht bestehen.
§.
656. Bei der nach aufgehobener Gemeinschaft vorzunehmenden Theilung der
gemeinschaftlichen Sache gilt keine Mehrheit der Stimmen. Es muß zur
Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen getheilt werden. Können sie nicht einig
werden; so entscheidet ein Schiedsmann, der Richter, oder das Loos.
§.
657. Der Richter, oder ein Schiedsmann entscheidet auch, ob bei der Theilung
liegender Gründe oder Gebäude ein Theilhaber zur Benützung seines Anteiles
einer Servitut bedürfe, oder nicht.
§.
658. Kann eine gemeinschaftliche Sache nicht ohne Gefahr der Zerstörung der
Substanz getheilt werden, und sind die Theilhaber in Ansehung der Uibernahme
uneinig, so mag sie gerichtlich feilgeboten und verkauft werden. Der
Kaufschilling wird unter die Theilhaber vertheilt.
§.
659. Bei Theilung der Grundstücke müssen die gegenseitigen Gränzen nach
Verschiedenheit der Lage durch Raine, Gräben, Säulen, Gränzsteine, Pfähle,
Bäume, Hügel oder Erdhaufen auf eine deutliche und unwandelbare Art bezeichnet
werden. Flüsse, Berge, und Strassen sind natürliche Gränzen.
§.
660. Um Betrug und Irrthum vorzubeugen werden in die Steine, Säulen, Pfäle (!),
Bäume und Hügel, die wirklich zur Markung dienen, Kreuze, Wappen, Zahlen oder
andere Zeichen gehauen, oder darunter eingegraben.
§.
661. Es ist nicht genug, daß ein gemeinschaftliches Gut gehörig abgemarkt
werde, und daß man Theilungsurkunden darüber errichte. Ein Theilhaber gewinnt
erst dadurch ein besonderes dingliches Recht auf seinen Antheil, wenn die
darüber errichtete Urkunde den öffentlichen Büchern einverleibt wird.
§.
662. Sind die gesetzten Gränzzeichen durch was immer für Umstände so sehr
verletzt, daß zu befürchten steht, sie möchten unkenntlich werden; so hat jeder
Theilhaber das Recht eine gemeinschaftliche Erneuerung der Gränzen zu
verlangen. Die theilnehmenden Nachbarn werden zu diesem Geschäfte vorgeladen,
und die Kosten von allen nach Maaß ihrer Gränzlinien bestritten.
§.
663. Wer eine Markung durch sein Verschulden verletzt, haftet für den
verursachten Schaden und für die Erneuerungskosten. Wer sie boshafter Weise
verruckt, wird als ein Criminalverbrecher bestraft.
§.
664. Wenn die Gränzzeichen wirklich unkennbar geworden sind, oder bei
Berichtigung der Markung ein Streit entsteht; so handhabt das Gericht vor allen
den letzten Besitzstand. Dernach kann jeder, der
(286!
= 386) sich verletzt zu seyn glaubt, die ihm in Ansehung des Besitzes, oder des
Miteigenthums, oder eines anderen dinglichen Rechtes zustehenden Behelfe der
Ordnung nach vorbringen.
§.
665. Die wichtigsten Behelfe bei einer Gränzberichtigung sind erstens die
Ausmessung und Beschreibung, oder auch die Abzeichnung des streitigen Grundes,
dann die für sich darauf beziehenden öffentlichen Bücher und andere Urkunden,
endlich die Aussagen sachkündiger Zeugen, und das von Sachverständigen nach
vorgenommenen Augenscheine gegebene Gutachten.
§.
666. Beweist keine Partei ein ausschließendes Besitzes(recht), oder
Eigenthumsrecht, so vertheilt ihnen das Gericht den streitigen Raum
verhältnismäßig. Im Zweifel wird eine gerade Linie zwischen ihnen gezogen, und
Markung darnach vorgenommen.
§.
667. Kann es nicht bestimmt werden, ob das Weiderecht, in dessen Besitz sich
Jemand befindet, aus einer Servitut, oder aus einem Miteigenthum herrühre; so
wird es für ein gemeinschaftliches Eigenthum gehalten, besonders wenn die
Theilung wegen der sehr vermischten Lage der Gründe nicht leicht hätte
vorgenommen werden können.
§.
668. Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privatbäche, Canäle, Plätze
und andere dergleichen Scheidewände, die sich zwischen benachbarten
Grundstücken befinden, werden für ein gemeinschaftliches Eigenthum angesehen:
wenn nicht Wappen, Auf- oder Innschriften, oder andere Kennzeichen das
Gegentheil beweisen.
§.
669. Jeder Mitgenoß kann eine gemeinschaftliche Mauer auf seiner Seite bis zur
Hälfte in der Dicke benutzen, auch Blinthüren (!) und Wandschränke dort
anbringen, wo auf der entgegen gesetzten Seite noch keine angebracht sind. Doch
darf das Gebäude durch keinen Schornstein oder Feuerherd in Gefahr gesetzt, und
der Nachbar auf keine Art in dem Gebrauche seines Antheiles gehindert werden.
§.
670. Alle Miteigenthümer tragen zur Erhaltung solcher gemeinschaftlicher
Scheidewände verhältnismäßig bei. Wo sie doppelt vorhanden sind, oder das
Eigenthum getheilt ist, bestreitet jeder die Unterhaltungskosten für das, was
ihm allein gehört.
§.
671. Ist die Stellung einer Scheidewand von der Art, daß die Ziegel, Latten
oder Steine auf einer Seite vorlaufen, oder abhangen (!), oder sind die
Pfeiler, Säule (!), Ständer, Bachställe auf einer Seite eingegraben; so ist auf
dieser Seite das ungetheilte Eigenthum. Auch derjenige wird für den alleinigen
Besitzer einer Mauer gehalten, welcher eine daran hangende Mauer von gleicher
Höhe und Dichte unstreitig besitzt.
§.
672. In der Regel ist der alleinige Besitzer nicht schuldig seine verfallene
Mauer oder Planke neu auszuführen. Nur dann muß er sie
(387)
in gutem Stande erhalten, wenn durch die Oeffnung für den Gränznachbar Schaden
zu befürchten stünde. Es ist aber jeder Eigenthümer verbunden auf der rechten
Seite seines Haupteinganges für die nöthige Einschließung seines Raumes und für
die Abtheilung von dem fremden Raume zu sorgen.
§.
673. Servituten, Gränzzeichen und die zum gemeinschaftlichen Gebrauche nöthigen
Urkunden sind keiner Theilung fähig. Die Servituten des Lichtes und der
Aussicht kommen, wie die Gränzzeichen, allen Theilhabern zu Statten. Die
Urkunden werden, wenn sonst nichts im Wege steht, bei dem ältesten Theilnehmer
niedergelegt. Die Uibrigen erhalten auf ihre Kosten beglaubte Abschriften.
§.
674. Diese bloße Theilung was immer für eines gemeinschaftlichen Gutes kann
einem Dritten nicht zum Nachtheile gereichen. Alle ihm zustehenden Pfandes(-),
Servituts(-), und andere dingliche Rechte werden nach, wie vor der Theilung
ausgeübt. Auch persönliche Rechte haben gegen die verpflichtete Person und ihre
Nachfolger, die sie vorstellen, sammt und sonders ihre vorige Wirkung und
Kraft.
§.
675. Was also Jemand an eine Gemeinschaft oder an eine Verlassenschaft schuldig
ist, kann er nicht an einzelne Theilhaber bezahlen. Dergleichen Schulden müssen
an die ganze Gemeinschaft, oder an einen, der sie ordentlich vorstellt,
abgetragen werden.
§.
676. Was bisher von der Gemeinschaft überhaupt bestimmt worden ist, läßt sich
auch auf die einer Familie als einer Gemeinschaft zustehenden Rechte, z. B.
Stiftungen, Fideikommisse, Urkunden und dergleichen anwenden.
Dritter
Theil.
Erstes
Hauptstück.
Von
Verträgen überhaupt.
§.
1. Rechte, die nicht auf die Sache selbst, sondern nur zur Sache, und bloß in
Rücksicht auf die Person gebühren, setzen eine Handlung dieser Person voraus,
welche entweder gesetzmäßig und erlaubt, oder gesetzwidrig und unerlaubt ist.
§.
2. So wie jemand durch eine Handlung ein persönliches Recht überträgt, legt er
sich selbst eine Pflicht auf, die sich zu den persönlichen Rechte (!)
desjenigen, an den die Uibertragung geschehen ist, wie die Ursache
(388)
zur Wirkung verhält, und in dem Willen der verpflichteten Person ihren Ursprung
hat.
§.
3. Ist die verbindliche Handlung erlaubt, so entsteht ein Vertrag; ist sie
unerlaubt, so entsteht eine Verschuldung. In dieser Ordnung werden die
persönlichen Rechte abgehandelt. Am Ende wird das, was Verträgen und
Verschulden gemein ist, bestimmt werden.
§.
4. Wer sich erklärt, daß er Jemanden sein Recht übertragen, das heißt, daß er
ihm etwas gestatten, etwas geben, daß er für ihn etwas thun, oder seinetwegen
etwas unterlassen wolle, macht nur ein Versprechen. Nimmt aber der Andere das
Versprechen giltig an: so kömmt durch den übereinstimmenden Willen beider
Theile ein Vertrag zu Stande.
§.
5. Solang die Unterhandlungen fortdauern, und das Versprechen weder zum voraus,
noch nach selbem angenommen ist, entsteht kein Vertrag. Ein mündliches
Versprechen muß ohne Verzug angenommen werden. Bei schriftlichen kommt es
darauf an, ob beide Theile sich an dem nämlichen Orte befinden, oder nicht. Im
ersten Falle muß die Annahme in vier und zwanzig Stunden, im zweiten aber
innerhalb jenes Zeitraumes, welcher zur zweimaligen Beantwortung nöthig ist,
erfolgen, und dem versprechenden Theile bekannt gemacht werden. Widrigen Falls
kann dieser zurücktreten.
§.
6. Wer sein Versprechen vor dieser Zeit zurücknimmt, und dem Gegentheile
Auslagen verursachet hat, muß ihn entschädigen. Diese Entschädigung findet dann
auch Statt, wenn zur Annahme des Versprechens ein anderer Zeitraum verabredet,
und nicht abgewartet worden ist.
§.
7. Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend
durch sichere Zeichen und Handlungen erklären. Wer z. B. ein Uiberfahrtschiff
besteigt, und sich über einen Fluß setzen läßt, verspricht schon dadurch die
Entrichtung des gewöhnlichen Lohnes, und der Schiffer nimmt das Versprechen an.
§.
8. Ist die Einwilligung nicht frey, nicht verständlich, oder gänzlich
unbestimmt; so entsteht kein Vertrag. Wer sich, um einen andern zu
bevortheilen, undeutlicher Ausdrücke bedient, oder eine Scheinhandlung
unternimmt, dem werden alle nachtheiligen Folgen zugerechnet.
§.
9. Verträge sind einseitig oder zweiseitig verbindlich, je nachdem nur ein
Theil etwas verspricht, und der andere es annimmt, oder aber beide Theile sich
einander Rechte übertragen und wechselseitig annehmen.
(389)
Die ersten werden also ohne Entgeld, die andern aber mit Entgeld geschlossen.
§.
10. Wer einem andern unentgeltlich etwas gibt, leistet, oder freiwillig
erlässt, schenkt es ihm. Muß der andere dagegen auch etwas geben, leisten, oder
unterlassen; so entsteht ein Tausch im weitesten Verstande. Alle Verträge
laufen entweder auf eine Schenkung, oder auf einen Tausch hinaus.
§.
11. Verträge sind die vorzüglichsten Titel, auf welchen die Rechte zur Sache
beruhen. Einseitig verbindliche Verträge sind immer für einen Theil lästig, und
für den andern wohlthätig: zweiseitig verbindliche können weder für lästig,
noch für wohltätig angesehen werden.
§.
12. Wer den Gebrauch der Vernunft nicht hat, ist unfähig seinen Willen zu
erklären: daher können Kinder, Wahnsinnige und gänzlich berauschte (!) weder
ein Versprechen geben, noch eines annehmen. Personen hingegen, die den Gebrauch
der Vernunft haben, aber ihr Vermögen nicht verwalten dürfen, z. B.
Minderjährige, gerichtlich erklärte Verschwender, und solche Personen, oder
Gemeinden, die von einem Curator abhangen, sind zwar unfähig für sich allein
etwas zu versprechen; können aber ein ihnen gemachtes Versprechen annehmen.
§.
13. Ein zur schweresten aber harten Kerkerstrafe verurtheilter Verbrecher kann
von dem Tage des ihm angekündigten Urtheils, und solang seine Strafzeit dauert,
keinen Vertrag giltig schlüssen (!).
§.
14. Haben Väter oder Vormünder gestattet, daß ihre Untergebene eine eigene
Wirthschaft führen, oder sich einem gewissen Stande oder Berufe widmen; so wird
vermuthet, daß sie auch die sich darauf beziehende Verträge genehmigt haben.
§.
15. Wer listiger Weise vorgibt, daß er Verträge zu schließen fähig sey, und
dadurch einen andern hintergeht, der haftet für alle aus dieser Handlung entstehende
Folgen.
§.
16. Wer ein Versprechen durch ungerechte Furcht erzwunden oder durch List
erschlichen hat, ist nicht befugt es anzunehmen. Denn durch unerlaubte
Handlungen kann man sich wohl Verbindlichkeiten auflegen, keineswegs aber
Rechte erwerben.
§.
17. Wenn ein Theil den andern durch falsche Angaben irre geführet hat, und der
Irrthum die Hauptsache selbst betrifft, nämlich den Gegenstand worauf die
Absicht des Andern vorzüglich gerichtet und erkläret worden ist; so entsteht
überhaupt kein Vertrag, und der Irregeführte ist zu gar nichts verbunden.
(390)
§. 18. Betrifft aber der Irrthum nicht die Hauptsache, auch nicht einmal eine
wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern einen Nebenumstand, z. B. das
Maß, die Zahl, das Gewicht, den grösseren (!) oder geringeren Werth der Sache;
so bleibt der Vertrag, in so fern beide Theile in den Hauptgegenstand
gewilligt, und den Nebenumstand nicht als vorzügliche Absicht erklärt haben,
noch immer gültig: allein der irreführende Theil leistet dem irregeführten eine
angemessene Vergütung.
§.
19. Rührt die ungerechte Furcht, die List, oder der Irrthum von einem Dritten
her, und zwar ohne Theilnehmung und ohne Wissen desjenigen, welcher das
Versprechen angenommen hat; so fallen die nachtheiligen Folgen der unerlaubten
Handlung einzig auf ihren Urheber, und die Annahme ist giltig.
§.
20. Die Annahme des Versprechens ist ferner giltig, wenn der versprechende
Theil selbst und allein an seinem Irrthum Schuld ist: da es von ihm abhieng das
Versprechen unter gewissen Bedingungen zu machen; so ist es natürlich, daß er
die Folgen seiner Unwissenheit und seines unvorsichtigen Benehmens selbst
trage.
§.
21. Gleichwie Personen, welche keinen giltigen Vertrag schließen können, aus
ihrem Versprechen keinen Nachtheil zu befürchten haben; so dürfen sie auch aus
einem solchen Vertrage keinen Vortheil erwarten: haben sie einen gezogen, so
sind sie verpflichtet ihn demjenigen zurück zu geben, welcher darunter leiden
würde.
§.
22. Uiber alles, was im Verkehre steht, und was man andern übertragen darf,
können Verträge geschlossen werden. Was nicht geleistet werden kann, was
geradezu unmöglich, oder unerlaubt ist, kann kein Gegenstand eines giltigen
Vertrages werden. Wer einen andern durch dergleichen Versprechen täuschet, wer
ihn aus schludbarer Unwissenheit verkürzt, oder aus dessen Schaden einen Nutzen
zieht, bleibt dafür verantwortlich.
§.
23. Folgende Verträge sind ungültig:
1.
Wenn etwas für die Unterhandlung eines Ehekontraktes bedungen wird.
2.
Wenn der Rechtsfreund sich von seiner Parthei für die Behauptung eines
Prozesses, oder
3.
Wenn der Arzt sich von dem Kranken für die Cur im voraus eine bestimmte
Belohnung bedingt.
4.
Wenn ein bereits abhängiger Prozeß, oder
5.
die Erbschaft einer dritten noch lebenden Person verhandelt wird.
(391)
§. 24. Es ist zwar Niemand befugt über fremdes Thun und Lassen einen Vertrag zu
schließen; hat aber Jemand seine Verwendung bei einem Dritten versprochen, oder
gar für den Erfolg gestanden; so muß er die eingegangene Verbindlichkeit nach
Maße seines Versprechens vollkommen erfüllen.
§.
25. Sind mögliche und unmögliche Dinge zugleich versprochen worden; so müssen
die möglichen erfüllt werden, wenn anders die vertragenden Theile nicht die
ausdrückliche Bedingung gemacht haben, daß kein Punkt des Vertrages von dem
andern abgesondert werden könne.
§.
26. Ob ein Vertrag mündlich oder schriftlich, ob er vor Gerichte, oder außer
demselben errichtet worden sey, dieses macht in Ansehung der Verbindlichkeit
keinen Unterschied.
§.
27. Haben sich die Partheien ausdrücklich zu einem schriftlichen Vertrage
verabredet; so wird er vor der Unterschrift nicht für geschlossen angesehen:
Doch wird die Siegelung nicht wesentlich dazu erfordert.
§.
28. Einem Vertrage kann man, wie einer letztwilligen Verordnung, Bedingungen
beisetzen. Besteht ein Vertrag aus mehreren Hauptpunkten; so wird die besondere
Erfüllung eines jeden Punctes als eine Bedingung angesehen, von welcher die
Einwilligung zu den übrigen Puncten abhängt.
§.
29. Was in Ansehung der Bedingungen bei letztwilligen Verordnungen Rechtens
ist, gilt überhaupt auch bei Verträgen, mit der Ausnahme, daß unmögliche, oder
unerlaubte Bedingungen, welche einem Testamente seine Wirksamkeit nicht
benehmen, die Kraft und Giltigkeit der Verträge aufheben. Vertragende Theile
können dergleichen Ungereimtheiten ausweichen; Erben und Legatarien können es
nicht.
§.
30. Haben die Partheien den Bewegungsgrund oder den Endzweck ihrer Einwilligung
ausdrücklich zur Bedingung gemacht; so werden dergleichen Bewegungsgründe und
Endzwecke, wie andere mögliche und unmögliche Bedingungen, angesehen. Außerdem
haben dergleichen Aeußerungen, auf die Gültigkeit der Verträge keine Wirkung.
§.
31. Wenn zwey oder mehrere Personen Jemanden eben dasselbe Recht zu einer Sache
zugleich versprechen, oder es von ihm annehmen; so wird so wohl die Forderung,
als die Schuld nach den Grundsetzen (!) der Gemeinschaft des Eigenthums
getheilt.
§.
32. Sind also mehrere Mitschuldner einer theilbaren Sache da, so bezahlt keiner
mehr, als seinen Antheil, und gehört eine theilbare Sache
(392)
mehreren Mitgenossen, so begnügt sich jeder mit dem ihm gebührenden Theile
§.
33. Betrifft es hingegen untheilbare Sachen; so kann ein Gläubiger, wenn er der
einzige ist, solche von einem jeden Mitschuldner fordern. Wenn aber mehrere
Gläubiger und nur ein Mitschuldner da sind; so darf dieser die Sache einem
einzelnen Mitgläubiger nicht herausgeben. Er muß auf die Uibereinkunft aller
Mitgläubiger dringen, oder sich von demjenigen, der sie fordert, für die
übrigen sicher stellen lassen.
§.
34. Versprechen mehrere Personen ein und das nämliche Ganze zur ungetheilten
Hand dergestalt, daß sich Einer für Alle, und Alle für Einen ausdrücklich
verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt dann von dem
Gläubiger ab es von einem oder dem andern Mitschuldner zu fordern, und wenn ihn
dieser nur zum Theile befriedigt, das Rückständige von den übrigen
einzutreiben.
§.
35. Hat hingegen Einer mehreren Personen eben dasselbe Ganze zugesagt, und sind
diese ausdrücklich berechtiget worden es zur ungestheilten Hand fordern zu
können; so muß der Schuldner das Ganze demjenigen dieser Gläubiger entrichten,
der ihn zuerst darum belangt: entrichtet er es nicht vollständig, so hat der
andere Gläubiger auf das Rückständige Anspruch.
§.
36. Sobald Ein Mitschuldner dem Gläubiger das ganze entrichtet hat, darf dieser
von den übrigen nichts mehr fordern, und sobald Ein Mitgläubiger von dem
Schuldner ganz befriedigt worden ist, haben die übrigen keinen Anspruch mehr.
§.
37. Es kann Ein Mitschuldner mit dem Gläubiger lästigere Bedingungen eingehen,
ohne den Uibrigen einen Nachtheil zuzuziehen. Es kann aber auch der Gläubiger
einem Mitschuldner seine Verbindlichkeit erlassen, ohne die Verbindlichkeit der
Uibrigen dadurch aufzuheben.
§. 38.
Wie weit ein Mitgläubiger, der die ganze Forderung für sich eingetrieben hat,
den übrigen Gläubigern hafte, und in wie weit ein Mitschuldner, der die ganze
Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, auf den Rückersatz der Uibrigen
Anspruch habe, muß aus den besonderen Verträgen zwischen den Mitgläubigern und
Mitschuldnern bestimmt werden. Haben die Gläubiger, oder Schuldner keine
Gemeinschaft unter sich bedungen; so ist einer dem andern keine Rechenschaft
schuldig.
§.
39. Verträge müssen zu der Zeit, an dem Orte, und auf die Art vollzogen werden,
wie es die Partheien verabredet haben. Nach
(393)
dem Gesetze werden 24 Stunden für einen Tag, 30 Tage für ein Monat, und 365
Tage für ein Jahr gerechnet.
§.
40. Ist keine gewisse Zeit für die Erfüllung des Vertrages bestimmt worden; so
kann sie sogleich, nämlich ohne unnöthige Verzögerung gefordert werden. Hat der
Verpflichtete die Erfüllungszeit sich selbst und seiner Willkühr vorbeihalten;
so muß man entweder seinen Tod abwarten, und sich an die Erben halten, oder,
wenn es um eine blos persönliche nicht vererbliche Pflicht zu thun ist, die
Erfüllungszeit von dem Richter nach Billigkeit festsetzen lassen.
§.
41. Hat man nichts ausgemacht, wo der Vertrag in Erfüllung gehen soll, so
werden unbewegliche Sachen an dem Orte, wo sie liegen, bewegliche aber an dem
Orte, wo das Versprechen gemacht worden ist, übergeben. Dieser Unterschied wird
auch in Ansehung des Maßes, des Gewichtes, der Geldsorten u. d. gl. beobachtet.
§.
42. Hat der Verpflichtete seine Verbindlichkeit an dem vertragsmäßigen Orte
nicht erfüllt; so ersetzt er den daraus entstandenen Schaden.
§.
43. Kann das Versprechen auf mehr, als eine Art, erfüllt werden; so hat der
Verpflichtete die Wahl. Er kann aber von der einmal getroffenen Wahl für sich
allein nicht abgehen.
§.
44. Ist entweder zum Zeichen des abgeschlossenen Vertrages, oder zur Sicherheit
der künftigen Vollziehung ein Angeld gegeben worden; so kann sich weder die
eine Parthei durch den Verlust dieses Angeldes, noch die andere durch die
Bezahlung des doppelten Werthes von der Verbindlichkeit befreien. Eine Ausnahme
von dieser Regel muß sich entweder in dem Gesetze, oder in einer besondern
Verabredung gründen.
§.
45. Die im ersten Theile §§. 18. und 19. angeführten allgemeinen
Auslegungsregeln der Gesetze gelten auch überhaupt für Verträge. Uibrigens soll
ein zweifelhafter Vertrag so erklärt werden, daß er keinen Widerspruch erhalte,
und wenn es möglich ist, von einer Wirkung sey. Ganz unverständliche Verträge
sind ohne Wirkung.
§.
46. Bei einseitig verbindlichen Verträgen wird im Zweifel angenommen, daß sich
der Verpflichtete eher die geringere, als die schwerere Last auflegen wollte.
Bei zweiseitig verbindlichen wird eine dunkle Aeusserung zum Nachtheile
desjenigen erklärt, der sich derselben bedient hat. Es ist seine Schuld, daß er
sich nicht deutlicher ausgedrückt hat.
§.
47. Wie die aus Verträgen entstehenden Verbindlichkeiten aufhören, wird bei
jedem Vertrage besonders, und in dem Hauptstücke von Aufhebung der
Verbindlichkeit überhaupt bestimmt werden.
(394)
§. 48. Alle aus Verträgen entstehenden Rechte und Pflichten gehen auf die Erben
der vertragenden Theile über, wenn sie anders nicht auf blos persönlichen
Verhältnissen und Fähigkeiten beruhen, oder wenn die Erben nicht schon im
Vertrage selbst, oder durch das Gesetz ausgenommen worden sind.
Zweites
Hauptstück..
Von
Schenkungen.
§.
49. Jeder Vertrag, wodurch ein Theil blos aus Freigebigkeit des andern etwas
erwirbt, begreift schon eine Art von Schenkung in sich. Weil aber bald das
Eigenthum einer Sache, bald nur der zeitliche Gebrauch derselben, öfter auch
wohl nur eine gewisse Dienstleistung unentgeltlich zugesichert wird, so werden
diese verschiedenen Arten von Freigebigkeit mit verschiedenen Namen bezeichnet.
§.
50. Ein Vertrag, wodurch eine Sache oder ein Recht unentgeltlich übertragen
wird, heißt eine Schenkung im engsten Verstande, ohne Unterschied, ob die
Uibergabe sogleich oder später erfolge.
§.
51. Durch die Schenkung ohne Uibergabe erhält der Beschenkte nur ein Recht zur
Sache: durch die Schenkung mit der Uibergabe erhält er ein Recht auf die Sache,
nämlich das Recht des Besitzes oder des Eigenthumes, je nachdem ihm das
Geschenk blos von dem Besitzer, oder von dem rechtmäßigen Eigenthümer übergeben
worden ist.
§.
52. Es verändert die Wesenheit der Schenkung nicht, wenn sie aus
Erkenntlichkeit, oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten, oder als
eine besondere Belohnung desselben, gemacht worden ist. Nur darf er vorher kein
Klagerecht darauf gehabt haben.
§.
53. Hat er ein Klagerecht darauf gehabt, entweder weil es unter den Partheien
schon verabredet, und bedungen, oder durch das Gesetz vorgeschrieben war; so
hört es auf eine Schenkung zu seyn. Es ist ein Tauschhandel, oder eine andere
wechselseitige Verbindlichkeit.
§.
54. Wechselseitige zwischen den vertragenden Theilen nicht vorher bedungene
Schenkungen werden als unentgeltliche Verträge angesehen. Sind sie aber vorher
bedungen dergestalt, daß der Schenkende wieder beschenkt werden muß, so entsteht
keine wahre Schenkung im Ganzen, sondern nur in Ansehung des übersteigenden
Werthes.
§.
55. Wenn ein verlobter Theil dem andern in Rücksicht auf die künftige Ehe etwas
zusichert, oder schenkt, oder wenn ein Dritter beide um die Heurath zu
befördern unterstützt; so entsteht ein zweiseitig verbindlicher
(395)
Vertrag, und keine eigentliche Schenkung. Andere unbedingte Hochzeitsgeschenke
werden als unentgeltliche Verträge angesehen.
§.
56. Wenn einer Schenkung die zweifache Bedingung beigefügt wird, daß der
Beschenkte den Schenkenden überlebe, und daß dieser seinen Willen nicht
wiederrufe; so heißt sie eine Schenkung von Todeswegen: dieser Vertrag hat alle
Eigenschaften eines Legates.
§.
57. Schenkungen, welche nicht von dieser zweifachen Bedingung abhangen, gehören
zu den giltigen Schenkungen unter Lebendigen. Selbst wenn festgesetzt wird, daß
das Geschenk erst am Sterbtage (!) des Schenkenden abgeführt werden soll, ist
es noch eine Schenkung unter Lebendigen, und wird wie ein Vertrag dieser Art
behandelt.
§.
58. Jeder rechtmäßige Eigenthümer ist befugt sowohl von Todeswegen, als unter
Lebendigen sein Vermögen nicht nur zum Theile, sondern mit Beobachtung der
gesetzlichen Vorschriften auch ganz zu verschenken. Soll sich aber der
Schenkungsvertrag auch auf das erstrecken, was der Schenkende künftig durch
Erbschaft oder auf eine andere Art erwerben wird; so müssen diese Umstände noch
besonders darin ausgedrückt werden.
§.
59. Aus einem blos mündlichen, ohne wirkliche Uibergabe geschlossenen
Schenkungsvertrage unter Lebendigen erwächst dem Geschenknehmer kein
Klagerecht. Dieses Recht muß um den Verdacht der Uibereilung oder einer
rechtswidrigen Verleitung auszuschliessen, immer durch eine schriftliche
Urkunde begründet werden.
§.
60. Wenn das Geschenk in einer zu gewissen Fristen z. B. monatlich oder
jährlich abzureichenden Abgabe besteht, so erstreckt sich die Verbindlichkeit
dergleichen Abgaben fristenweise zu leisten, so wenig auf die Erben des
Geschenkgebers, als den Erben des Beschenknehmers ein Klagerecht darauf
gebührt: Es müßte denn in dem Schenkungsvertrage ausdrücklich bedungen worden
seyn.
§.
61. Wer ein fremdes Gut oder eine gefährliche Sache z. B. einen wüthigen Hund
wissentlich verschenkt, und dem Geschenknehmer diesen Umstand verschweigt,
haftet für die nachtheiligen Folgen. Wer redlicher Weise ein solches Geschenk
macht, wie es im Zweifel vermuthet wird, ist für nichts verantwortlich.
§.
62. Wer ein gehoftes oder wirklich angefallenes Gut nicht annimmt, wer z. B.
eine Erbschaft ausschlägt, wird noch für keinen Geschenkgeber angesehen: Wer
aber zum Vortheile eines Dritten auf eine Sache oder auf ein Recht Verzicht
thut, macht ihm durch diese Abtrettung ein Geschenk.
(396)
§. 63. Da Schenkungen von Todeswegen überhaupt willkührlich wiederrufen werden können;
so wird eine Schenkung, die in der ausdrücklichen Rücksicht auf eine wirkliche
Krankheit, oder auf eine andere Lebensgefahr des Schenkenden gemacht worden
ist, nach überstandener Gefahr für stillschweigend wiederrufen angesehen.
§.
64. Schriftlich geschlossene Schenkungsverträge unter Lebendigen dürfen in der
Regel nicht wiederrufen werden.
§.
65. Geräth der Geschenkgeber in der Folge in Dürftigkeit so, daß es ihm am
nöthigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt, jährlich vier von hundert des
geschenkten Kapitals, in so weit die geschenkte Sache oder derselben Werth noch
vorhanden ist, und der nöthige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu
fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen
befindet.
§.
66. Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohlthäter eines groben Undankes
schuldig macht, kann die Schenkung wiederrufen werden. Unter groben Undanke (!)
wird jede Verletzung am Leibe, an Ehre und an Gut verstanden, wenn sie von der
Art ist, daß gegen der Verletzer als gegen einen Verbrecher von Amtswegen nach
den Strafgesetzen verfahren werden kann.
§.
67. Der Undank macht den Undankbaren zum unredlichen Besitzer, und giebt den
Erben des Verletzten, in so fern dieser den Undank nicht verziehen hat, und
noch etwas von dem Geschenke vorhanden ist, ein Recht zur Wiederrufungsklage
auch gegen die Erben des Verletzers.
§.
68. Wenn Personen, welchen der Geschenkgeber zur Zeit der Schenkung einen
Pflichttheil zu hinterlassen, oder den Unterhalt zu reichen schuldig ist, durch
desselben Freigebigkeit verletzt werden; so sind sie befugt von dem Beschenkten
so viel zurück zu fordern, als ihnen vermöge ihres Rechtes auf den
Pflichttheil, oder auf den Unterhalt gebührt.
§.
69. Hat der Beschenkte weder die geschenkte Sache, noch den Werth derselben in
Händen; so wird er nach Maaße seines redlichen oder unredlichen Besitzes
behandelt.
§.
70. Dieses gilt auch von der Zurückforderung derjenigen Geschenke, wodurch die
zu Zeit der Schenkung schon vorhandene Gläubiger verkürzt werden sind. Auf Gläubiger,
deren Forderungen jünger sind, als die Schenkung, erstreckt sich dieses Recht
nur dann, wann der Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnißes überwiesen
werden kann.
§.
71. Dadurch, daß einem kinderlosen Vater nach geschlossenem Schenkungsvertrage
Kinder geboren weder, erwächst weder ihm, noch
(397)
den nachgebornen Kindern das Recht die Schenkung zu widerrufen. Doch kann er im
Nothfalle sowohl gegen den Beschenkten, als gegen dessen Erben die oben
angeführte Rechtswohlthat auf die Forderung der jährlichen vier von Hundert des
geschenkten Kapitals geltend machen.
§.
72. Die für Schenkungsverträge festgesetzten Grundsätze gelten auch für die
freiwilligen Belohnungen, und selbst für die wechselseitigen Schenkungen.
§.
73. Unerlaubte und zur Verführung des Beschenkten bereits übergebene Geschenke
kann der Geschenkgeber nicht zurückfordern. In wiefern der Fiskus dieselben
einzuziehen berechtigt sey, bestimmen die politischen Verordnungen.
Drittes
Hauptstück.
Von
Verlehnens und Darleihensverträgen.
§.
74. Wenn Jemanden nur der Gebrauch einer Sache auf eine bestimmte Zeit wirklich
eingeräumt wird, so entsteht der Leih- oder Borgvertrag. Er ist mit der
vorläufig genommenen Abrede etwas zu leihen, oder zu borgen, obschon auch diese
verbindlich ist, nicht zu verwechseln.
§.
75. Leihen und Borgen haben beinahe einerlei Bedeutung. Beide Ausdrücke zeigen
nicht nur das Geben, sondern auch das Nehmen einer Sache zum zeitlichen
Gebrauche an. Sie begreifen die Uibergabe sowohl verzehrbarer als
unverzehrbarer Sachen in sich, und sind allen Verträgen dieser Art gemein, sie
mögen mit, oder ohne Entgeld geschehen.
§.
76. Man kann also nur aus dem Inhalte des Vertrages schliessen, ob Leihen und
Borgen den Gebrauch einer Sache geben, oder ihn annehmen bedeute (!); ob der
Gläubiger oder der Schuldner etwa geliehen, oder geborgt habe; ob dem Schuldner
blos der Gebrauch, oder auch der Verbrauch der geborgten Sache gebühre, ob
dafür etwas geleitstet werden soll, oder nicht u. d. gl.
§.
77. Der Bestimmtheit wegen wird in diesem Gesetzbuche die unentgeltliche
Uibergabe einer unverzehrbaren und zum bloßen Gebrauche dienlichen Sache z. B.
einer Uhr, eines Pferdes, u. d. gl. durch Lehnen oder Verlehnen, und die
Uibernahme einer solchen Sache durch Entlehnen ausgedrückt.
§.
78. Bei verzehrbaren Sachen hingegen, nämlich bei solchen, die nach Maß,
Gewicht oder Zahl übergeben, und zurückgestellt werden, und deren Gebrauch nur
im Verbrauche besteht, z. B. bei Wein, Brod
(398)
und dergleichen, wird das Geben mit dem Worte Darleihen, und das Nehmen mit dem
Worte Anleihen ausgedrückt werden.
§.
79. Leih- und Borgverträge, die gegen Vergeltung geschlossen werden, gehören
nicht mehr zu den Handlungen der Freigebigkeit, sondern zu den
Tauschhandlungen, welche im 7ten und 8ten Hauptstücke dieses Theiles unter
ihren eigenen Benennungen vorkommen werden.
§.
80. Der Entlehner erwirbt weder das Eigenthum, noch den Besitz der entlehnten
Sache, sondern nur das Recht sie auf eine gewisse Zeit zu gebrauchen. Nach Verlauf
dieser Zeit ist er verpflichtet eben dieselbe einzelne Sache z. B. die nämliche
Uhr, das nämliche Pferd zurückzustellen. Er darf keine andere, wenn auch eben
soviel, oder mehr geltende an deren Stelle geben.
§.
81. Wenn keine Zeit zur Zurückgabe festgesetzt, wohl aber die Absicht des
Gebrauches bestimmt worden, so ist der Entlehner verbunden mit dem Gebrauche
nicht zu zögern, um die Sache sobald als möglich wieder zurückzugeben. Das
Recht der Privatpfändung findet hier nicht Statt.
§.
82. Erhebt ein Dritter als Eigenthümer der entlehnten Sache wider den Entlehner
als Inhaber derselben die Eigenthumsklage; so muß dieser dem Lehner Nachricht
davon geben, den Kläger seinen Vormann nennen, und allenfalls die streitige
Sache zu Gerichtshanden niederlegen.
§. 83.
Wenn die verlehnte Sache vor Verlauf der Zeit, und vor geendigtem Gebrauche dem
Lehner selbst unentbehrlich wird, so hat dieser noch kein Recht die Zurückgabe
einzuklagen: Es müßte denn diese Bedingung dem Vertrage ausdrücklich beigefüget
worden seyn.
§.
84. Hat man weder die Dauer, noch die Absicht des Gebrauches bestimmt; so
entsteht kein wahrer Vertrag, sondern ein unverbindliches Bittleihen, und der
Verlehner kann die verlehnte Sache nach Willkühr zurückfordern: Geschähe aber
die Zurückforderung ganz zur Unzeit, und gleichsam aus Schadenfreude, so wird
dem Inhaber der Gebrauch der Sache noch auf eine kurze Zeit, jedoch auf seine
Gefahr gestattet.
§.
85. Der Lehner willigt zwar ein, daß ein anderer seine Sache gebrauche, nicht
aber, daß er sie schmählere, oder gar das Eigenthum, welches in seinen Händen
sicher gewesen wäre, Preis gebe. Geht also die geliehene Sache durch
Verschulden des Entlehners, oder durch einen Zufall zu Grunde, so haftet dieser
in so weit dafür, als er nicht beweisen kann, daß die Sache auch bei dem Lehner
zu Grunde gegangen wäre.
(399)
§. 86. Der Entlehnter ist auch dann verantwortlich, wenn er die Sache anders
gebraucht, als es bedungen ward (!), wenn er den Gebrauch derselben ohne
Einwilligung des Lehners einem Dritten gestattet, oder wenn er die mit dem
Gebrauche verbundenen Kosten ordentlich, und aus seinem Eigenen zu bestreiten
unterläßt.
§.
87. Andere nothwendige Kosten, welche der Lehner selbst zur Erhaltung der Sache
hätte verwenden müssen, werden dem Entlehner, wie einem jeden redlichen
Besitzer, vergütet.
§.
88. Der Entlehner ist zwar in der Regel berechtigt die entlehnte Sache auch vor
der bestimmten Zeit zurückzugeben: Fällt aber die frühere Zurückgabe dem Lehner
beschwerlich, so kann sie wider seinen Willen nicht Statt finden.
§.
89. Wenn der Lehner bei der Zurücknahme des Lehnstückes dessen Mißbrauch oder
übertriebene Abnutzung nach Verlauf von 30 Tagen nicht geahndet hat, oder wenn
der Entlehner bei der Zurückgabe von den auf die Sache verwendeten
außerordentlichen Kosten keine Meldung macht; so wird vermuthet, daß einer und
der andere auf sein dießfalls gehabtes Recht Verzicht gethan habe.
§.
90. Entsteht ein Streit, ob eine Sache Jemanden geliehen worden sey; so liegt
dem Verlehner der Beweis des Leihvertrags ob. Wird aber über die Dauer des
Gebrauches gestritten, so muss der Entlehner sein Recht auf den längeren
Gebrauch beweisen.
§.
91. Dadurch, daß der Entlehner für ein verlorenes Lehnstück den Werth erlegt,
hat er noch kein Recht sich dasselbe, wenn es wieder gefunden wird, gegen den
Willen des Eigenthümers zuzueignen, wenn dieser bereit ist den empfangenen
Werth zurückzugeben.
§.
92. Wenn die Zurückbringung eines Lehnstückes einem Dritten anvertraut wird,
und auf dem Wege verloren, oder zu Grunde geht; so haftet der Entlehner dafür,
den Fall ausgenommen, daß der Verlehner den Uiberbringer selbst vorgeschlagen
hätte.
§.
93. Werden verzehrbahre, nach Zahl, Maß, oder Gewicht zu bestimmende Sachen
jemanden unentgeltlich, und unter der Bedingung übergeben, daß er zwar willkührlich
darüber schalten könne, aber nach einer gewissen Zeit eben soviel von der
nämlichen Gattung und Güte zurückgeben soll; so entsteht ein Darleihensvertrag.
§.
94. Gegenstände des Darleihens sind alle verzehrbahre Materialien, die gezehlt,
gemessen oder gewogen werden können, vorzüglich die gemünzten Metalle oder das
Geld, und die Papiere, die baares Geld vorstellen.
§.
95. Wer das Recht hat frei über sein Vermögen zu verfügen, kann sich auch durch
einen Anleihungsvertrag verbinden.
(400)
§. 96. Ist der Darleiher unbeschränkter Eigenthümer der dargeliehenen Sache, so
überträgt er sein Eigenthum auf den Anleiher: Ist er es nicht, so wird der
Anleiher blos Inhaber der Sache, und man behandelt ihn nach Beschaffenheit
seines redlichen oder unredlichen Besitzes.
§.
97. Je nachdem ein Gelddarlehen entweder in einer gewissen Summe z. B von 900
Gulden ohne Rücksicht auf die Münzsorten, oder aber in bestimmten Gold- oder
Silberstücken z. B. von 200. kais. Dukaten gegeben wird, so muss es der
Anleiher zurückzahlen. Im ersten Falle bezahlt er nur die nämliche Summe in
gangbarer Münze nach dem äussern Werthe, im zweiten Falle ist er verbunden die
ihm vorgeschossene Zahl von Gold(-) oder Silberstücken in eben derselben
Gattung, und nach dem innern Werthe zu zahlen.
§.
98. Gibt es keine Gold- oder Silberstücke dieser Art mehr; so ist der Schuldner
verpflichtet den Gläubiger mit Abführung des verhältnismäßigen innern Werthes,
nämlich nach gleichem Gehalt und Gewichte zu befriedigen.
§.
99. Wo und wann ein Darleihen zurückgegeben werden soll, dieses wird nach den
allgemeinen Grundsätzen von Verträgen entschieden. Es kann aber die Summe,
welche zurückgegeben wird, nie größer seyn, als diejenige, welche der Schuldner
entweder unmittelbar oder mittelbar durch einen Dritten erhalten hat, denn der
wirkliche Empfang gehört zur Wesenheit des Darleihens.
§.
100. Hat also der Anleiher statt baaren Geldes eine Privatschuldverschreibung
empfangen; so ist er zu nichts weiter verbunden, als entweder den Schuldschein
zurückzustellen, oder den zur Zeit des Borgvertrages gehabten Werth zu
entrichten
§.
101. Sind aber die Parteien dahin übereingekommen, daß anstatt der
Privat(-)Schuldverschreibung die ausgedruckte Summe zu der bestimmten Zeit
gezahlt werden soll, so wird der Schuldschein nicht als dargeliehen, sondern
als verzinset im eigentlichen Sinne angesehen, und das Recht des Gläubigers
nach den Regeln der Tauschverträge, und zwar der unentgeltlichen Anleihe
beurtheilt.
Viertes
Hauptstück.
Von
Empfehlungs- und Hinterlegungsverträgen.
§.
102. Unentgeltliche Dienstleistungen finden vorzüglich Statt, wenn Jemand
fremde Geschäfte besorgt, oder fremde Sachen in Verwahrung
(401)
nimmt. Hat nun ein Theil diese Bemühung versprochen, und der andere das
Versprechen angenommen; so ist dadurch im ersten Fall ein Empfehlungsvertrag,
im zweiten aber ein Hinterlegungsvertrag entstanden.
§.
103. Wer Jemanden nur im allgemeinen, und ohne eine bestimmte Verbindlichkeit
auf sich zu nehmen seine Dienste verspricht, der errichtet noch keinen
Empfehlungsvertrag, und wer einem andern zu dessen Besten, oder auch zum Besten
eines Dritten ohne böse Absicht einen Rath ertheilt, haftet nicht für den
Erfolg.
§.
104. Wird für die Besorgung eines fremden Geschäfts auch nur stillschweigend
eine Vergeltung bedungen, welches aus dem Stande und Berufe des
Geschäftsträgers leicht abzunehmen ist, oder soll der Verwahrer einer fremden
Sache eine Belohnung dafür erhalten dann beruhen diese Verträge nicht mehr auf
bloßer Dienstfertigkeit: Sie gehören zu den Tauschhandlungen.
§.
105. Empfehlungsverträge können mündlich oder schriftlich geschlossen werden.
Wer einem andern sein Geschäft aufträgt, wird Empfehler oder Machtgeber, wer
ein fremdes Geschäft übernimmt, wird Gewalthaber, Sachwalter, oder Anwalt
genannt.
§.
106. Das Recht im Namen eines Anderen etwas zu thun, heißt Vollmacht.
Insbesondere versteht man unter Vollmacht die Urkunde, wodurch dieses Recht
ertheilt wird.
§.
107. Es giebt allgemeine und besondere Vollmachten, je nachdem Jemanden die
Besorgung aller, oder nur einiger Geschäfte anvertrauet wird. Die besondern
Vollmachten lassen sich auf gerichtliche, oder außergerichtliche, oder auf
einzelne Angelegenheiten dieser, oder jener Gattung einschränken.
§.
108. Vollmachten werden entweder mit freier, oder nicht freier Hand ertheilt.
Durch eine Vollmacht mit freier Hand wird der Gewalthaber berechtigt, das
Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen unbeschränkt zu leiten. Durch
eine Vollmacht mit nicht freier Hand wird ihm die Art, wie er das Geschäft
betreiben soll, vorgeschrieben.
§.
109. Der Gewalthaber ist verpflichtet das Geschäft seinem Versprechen, und der
erhaltenen Vollmacht gemäß, mit der ihm gewöhnlichen Aufmerksamkeit zu
besorgen. Es ist ihm also, auch wenn er eine beschränkte Vollmacht hat, noch
erlaubt alle Mitteln anzuwenden, die mit der Natur des Geschäftes nothwendig
verbunden sind, oder wenigstens der Absicht des Machtgebers entsprechen.
(402)
§. 110. Trägt der Gewalthaber das Geschäft ohne Noth einem Dritten auf, so
haftet er ganz allein für den Erfolg. Wird ihm aber die Bestellung eines
Afteranwaldes in der Vollmacht ausdrücklich gestattet, oder durch die Umstände
unvermeidlich, so verantwortet er nichts, als ein etwa bei der Auswahl der
Person begangenes Verschulden.
§.
111. Gewiße (!) Geschäfte, wenn nämlich im Namen eines Andern Sachen veräussert
oder gekauft, Erbschaften unbedingt angetreten oder ausgeschlagen, Prozesse
anhängig gemacht, Eide aufgetragen oder angenommen, Gesellschaftsverträge
errichtet, Geld oder Geldeswerth erhoben, Rechte aufgegeben, oder Vergleiche
getroffen werden sollen, erfordern eine besondere auf das einzelne Geschäft
lautende Vollmacht. Allgemeine selbst unbeschränkte Vollmachten sind in diesen
Fällen nicht hinlänglich.
§.
112. Der Gewalthaber ist schuldig dem Machthaber allen durch seine
Nachläßigkeit verursachten Schaden zu ersetzen, und demselben die bei dem
Geschäft vorkommenden Rechnungen, so oft er es verlangt, vorzulegen.
§.
113. Der Machtgeber ist seiner Seits verbunden dem Gewalthaber allen zur
Besorgung des Geschäftes gemachten Aufwand so gut zu ersetzen, wie solcher
einem redlichen Besitzer ersetzt werden muß. Er muß ihm ferner allen durch sein
Verschulden entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen
Schaden vergüten.
§.
114. Leidet der Gewalthaber bei der Geschäftsführung nur zufälligerweise
Schaden; so ersetzet ihm der Machtgeber nichts mehr, als die Vergeltung der
Bemühungen nach dem höchsten Schätzungswerthe würde betragen haben, wenn ein
gedungener Sachwalter das Geschäft geführt hätte.
§.
115. Es ist Gewalthabern nicht erlaubt, ohne Wissen und Willen des Machtgebers
in Rücksicht auf die Geschäftsverwaltung von einem Dritten Geschenke
anzunehmen, oder zu behalten. Auch sind sie nicht befugt ihrer Bemühungen wegen
eine Erkenntlichkeit einzuklagen. Klagen dieser Art sind gegen die Natur des
Empfehlungsvertrages.
§.
116. Verträge wirken zwar nur auf die vertragenden Theile und in dieser
Rücksicht ist der Empfehlungsvertrag nur zwischen dem Machtgeber, und dem
Gewalthaber verbindlich. Allein in so fern der Gewalthaber den Machtgeber
vorstellt, kann er ihm nach Ausweisung der Vollmacht Rechte erwerben, und
Verbindlichkeiten auflegen.
§.
117. Ertheilt z. B. Einer dem Andern die Vollmacht von einem Dritten Geld
anzuleihen: so ensteht zwischen dem Machtgeber und Gewalthaber dadurch allein
schon ein Empfehlungsvertrag: Sobald
(403)
aber der Dritte das Geld wirklich dargeliehen hat, so kommt auch zwischen ihm
und dem Machtgeber noch ein Darleihensvertrag zu Stande.
§.
118. Das Recht des Dritten (im angeführten Falle des Darleihers) wird immer
nach der offenen und vorgezeigten Vollmacht beurtheilt. Lautet z. B. diese
Vollmacht nur auf das Anleihen des Geldes; und eine andere geheime Vollmacht
wäre auf die Verzinsung desselben ausgestellt, so würde sich das Recht des
Darleihers nur auf die offene und keineswegs auf die geheime Vollmacht
erstrecken.
§.
119. Eine zum Nutzen des Dritten ausgestellte und angenommene Vollmacht z. B.
die Vollmacht einem Dritten 100 fl. zu schenken, gibt demselben weder gegen den
Machtgeber, noch gegen den Gewalthaber ein Klagrecht, wenn nicht auch der
Gewalthaber ihm die Zuzählung (!) der Summe wirklich zugesagt hat.
§.
120. Es steht dem Machtgeber frei die Vollmacht nach Belieben zu widerrufen:
doch muß er in diesem Falle dem Gewalthaber die in der Zwischenzeit gehabten
Kosten, und den sonst erlittenen Schaden ersetzen.
§.
121. Ein Gewalthaber, der die einmal angenommene Vollmacht aufkündigen, oder
zurückgeben will, muß eine nicht vorhergesehene Unfähigkeit, oder ein anderes
unterdessen eingetretenes unvermeidliches Hinderniß darthun; sonst haftet er
dem Machtgeber für allen daraus entstandenen Schaden.
§.
122. In der Regel wird die Vollmacht sowohl durch den Tod des Machtgebers, als
des Gewalthabers aufgehoben. Läßt sich aber das angefangene Geschäft ohne
offenbaren Nachtheil der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt sich die
Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Machtgebers; so hat der Gewalthaber das
Recht und die Pflicht es zu vollenden.
§.
123. Verfällt der Machtgeber in Concurs; so bleiben alle Handlungen, die der
Gewalthaber nach Kundmachung dieses Concurses im Namen des Fallirten
unternommen hat, ohne Rechtskraft. Wird hingegen der Gewalthaber Banquerott; so
bleibt seine Vollmacht etwas mit einem Dritten zu verhandeln in so fern wirksam
als dieser nichts dagegen hat.
§.
124. Wird die Vollmacht durch Widerruf, oder durch den Tod des Machtgebers
aufgehoben, so bleiben die mit einem Dritten, dem diese Aufhebung unbekannt
war, geschlossenen Verträge gleichwohl verbindlich: hat der Gewalthaber die
Aufhebung verschwiegen; so verantwortet er die Folgen allein.
(404)
§. 125. Die von einem Körper oder von einer Gesellschaft ausgestellten, und
übernommenen Vollmachten werden durch das Absterben der ganzen Gemeinschaft
aufgehoben.
§.
126. Es gibt Gewalthaber, deren Recht sich nicht auf einen Empfehlungsvertrag,
sondern auf Gesetz, oder auf eine gerichtliche Anordnung gründet. Das Gesetz
berechtigt einen Vater die Geschäfte seines Kindes, und einen Mann die
Geschäfte seines Weibes zu verwalten: Das Gericht stellt für minderjährige,
blödsinnige, sonst unfähige, oder abwesende Personen Sachwalter auf. In allen
diesen Fällen sind die gegenseitigen Pflichten der Hauptsache nach einerlei.
§.
127. Wer ohne Auftrag ein fremdes Geschäft übernimmt, verantwortet alle daraus
entstehenden nachtheiligen Folgen. Besorgt ein dergleichen unberufener
Sachwalter das Geschäft eines Abwesenden, zumal wenn Gefahr auf dem Verzuge
haftet, zu dessen Vortheil; so gebührt ihm, wie einem redlichen Besitzer; der
Kostenersatz.
§.
128. Es ist aber Niemand berechtigt, einem anderen gegen dessen giltig
erklärten Willen nützlich zu werden, oder ihm wider Willen eine Wohlthat zu
erweisen. Ein Sachwalter, der sich auf diese Art aufdringt, verliert seine
Kosten: Sie werden als ein Geschenk angesehen.
§.
129. Das angenommene Versprechen eine fremde Sache in Verwahrung zu nehmen
macht zwar den versprechenden Theil verbindlich; es ist aber noch kein
Hinterlegungsvertrag. Dieser entsteht erst dann, wenn die fremde Sache wirklich
übergeben, und übernommen worden ist.
§.
130. Durch die Uibergabe allein erwirbt der Uibernehmer weder Eigenthum, noch
Besitz, noch Gebrauchsrecht. Er ist blosser Inhaber mit der Vollmacht die ihm
anvertraute Sache zu verwahren.
§.
131. Gestattet der Hinterleger dem Verwahrer den Gebrauch der hinterlegten
Sache; so wird der Hinterlegungsvertrag, je nachdem die Sache verzehrbar, oder
unverzehrbar ist, in einen Darleihens(-), oder in einen Verlehnensvertrag
verwandelt, und es treten dann alle damit verbundenen Rechte und Pflichten ein.
§.
132. Es können auch unbewegliche Sachen in Verwahrung gegeben werden. Wird aber
dem Verwahrer zugleich ein anderes Geschäft z. B. der Anbau des anvertrauten
Grundstückes, oder die Vermiethung eines solchen Hauses aufgetragen, so wird er
als ein Gewalthaber angesehen.
§.
133. Die Hauptpflicht des Verwahrers ist die ihm anvertraute Sache, wie seine
eigene, zu verwahren; sie durch die bestimmte Zeit aufzubehalten, und nach
Verlauf derselben dem Hinterleger in den nämlichen Zustande, und allenfalls mit
dem dazu gekommenen Anwachse zurückzustellen.
(405)
§. 134. Will indessen ein anderer das Eigenthum der ihm anvertrauten Sache
behaupten, so muß er dem Hinterleger davon Nachricht geben, und nach Umständen
die Sache bei Gericht niederlegen.
§.
135. Der Hinterleger kann seine Sache vor der Zeit auf eine dem Verwahrer
unschädliche Art zurücknehmen: Der Verwahrer kann ihm die Zurückgabe nie
verweigern; und findet das Zurückhaltungsrecht hier nicht statt. Der Verwahrer
hingegen kann die ihm anvertraute Sache nicht früher zurückgeben, außer wenn
ein Umstand eintrift, welcher das Recht ertheilt eine Vollmacht aufzukündigen.
§.
136. Ist die Verwahrungszeit weder ausdrücklich bestimmt worden, noch sonst aus
Nebenumständen abzunehmen, so hat man sich wie bei einem Bittleihen zu
verhalten: Wer nämlich eine Bemühung ohne Verbindlichkeit auf sich nimmt, kann
sie nach Belieben aufkündigen.
§.
137. Der Verwahrer haftet dem Hinterleger für allen durch sein Verschulden
entstandenen Schaden, aber keineswegs für den zufälligen.
§.
138. Hat aber der Verwahrer von der hinterlegten Sache einigen Gebrauch
gemacht, hat er sie ohne Noth und ohne Erlaubniß des Hinterlegers einem Dritten
in Verwahrung gegeben, oder mit der Zurückstellung dergestalt verzögert, daß
die Sache, welche bei dem Hinterleger nicht gefährdet gewesen wäre, bei ihm
Schaden litt, so kann er keinen Zufall vorwenden, und die Beschädigung wird ihm
zugerechnet.
§.
139. Zeigt sich an hinterlegten, versiegelten, oder verschlossenen Sachen in
der Folge eine Verletzung des Siegels, oder Schloßes; so vermuthet das Gesetz
ein Verschulden des Verwahrers. Ihm liegt der Beweis ob, daß die Verletzung
ohne sein Zuthun durch blossen Zufall geschehen sey.
§.
140. Wenn der Hinterleger in diesem Falle einen Abgang der hinterlegten Sachen
behauptet, und dessen Vergütung fordert, die Behauptung aber nach seinem
Stande, Vermögen, Gewerbe und nach seinen übrigen Umständen wahrscheinlich ist;
so wird er in Ansehung des Werthes der fehlenden Sachen nach Vorschrift der
Gerichtsordnung zum Schätzungseide gelassen.
§.
141. Der Hinterleger ist seiner Seits verpflichtet dem Verwahrer alle auf die
verwahrte Sache verwendeten Kosten, und den schuldbarer Weise verursachten
Schaden zu ersetzen. Hat aber der Verwahrer im Nothfalle, um das hinterlegte
Gut zu retten, seine eigenen Sachen aufgeopfert; so kann er einen dem
geretteten Stücke angemessenen Ersatz fordern.
(406)
§. 142. Wird eine streitige Sache von den streitenden Partheien oder vom Gerichte
Jemanden ohne eigentlichen Hinterlegungsvertrag in Verwahrung gegeben; so heißt
dieser Verwahrter Sequester. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters
werden nach den bereits festgelegten Grundsätzen beurteilt.
Fünftes
Hauptstück.
Vom
Tausche.
§.
143. Bei einem Tauschvertrage werden entweder Sachen mit Sachen, oder
Handlungen mit Handlungen, oder endlich Sachen mit Handlungen, und Handlungen
mit Sachen vergolten.
§.
144. Die zweiseitig verbindlichen Verträge, die so oft im Handel und Wandel
vorkommen, führen nach Verschiedenheit dessen, was wechselseitig gegeben,
gethan, oder unterlassen werden soll, ihre besondern Benennungen.
§.
145. Das Kaufen und Verkaufen, das Miethen, Pachten, Dingen, das zinsbare
Anleihen, die Lehens(-), Erbzins(-), Gesellschafts(-), und Glücksverträge
gehören zu Tauschgeschäften im weiteren Verstande.
§.
146. Im engsten heißt Tauschen eine Sache gegen eine andere Sache sich
gegenseitig versprechen und überlassen. Der Tausch gehört also zu den
Erwerbungstiteln. Die wirkliche Uibergabe ist nicht zur Errichtung, sondern nur
zur Erfüllung des Tauschvertrages, und zur Erwerbung des Eigenthumes
nothwendig.
§.
147. Welche Personen zum Tauschvertrage berechtigt, und welche Sachen zum
Tausche geeignet seyen, dieses wird nach den allgemeinen Regeln von Verträgen
beurtheilt. Diese Regeln müssen auch auf alle andere vorkommenden Fälle, die im
Gesetze nicht buchstäblich ausgedrückt, oder nicht anders bestimmt sind,
angewendet werden.
§.
148. Das Geld ist kein Gegenstand des Tauschvertrages im engsten Verstande:
doch lassen sich Gold und Silber als eine Waare, und selbst als Münzsorten in
so weit vertauschen, als sie nur gegen andere Münzsorten; goldene nämlich gegen
silberne, kleinere gegen größere Stücke verwechselt werden sollen.
§.
149. Tauschende sind vermöge des Vertrages verpflichtet die vertauschten Sachen
mit ihren Bestandtheilen und mit allem Zugehör zu rechter Zeit, und am
gehörigen Ort zu übergeben, und zu übernehmen. Auch müssen die Sachen, wenn
nicht anders bedungen worden ist, in dem nämlichen Zustand übergeben werden, in
welchem sie sich bei Schließung des Vertrags wirklich befunden haben.
(407)
§. 150. Lassen sich die Sachen nicht zu gleicher Zeit übergeben, und ist es
zweifelhaft, welcher Theil zuerst übergeben soll, oder ob der andere Theil auch
Wort halten werde; so steht es jedem Theil frei das Tauschstück bei Gerichte zu
hinterlegen, ein Gleiches vom Gegentheile zu fordern, und dann die Auslieferung
von der Gerichtsbehörde zu begehren.
§.
151. Der Wille eine Sache bloß zu vertauschen schließt den Willen etwas davon
zu verschenken aus. Jeder Theil will seiner Seits, soviel möglich, der
Ungleichheit ausweichen. Einer darf also so wenig den Irrthum des Anderen
benutzen, als denselben hintergehen.
§.
152. Es kann aber ein Eigenthümer aus der eingetauschten Sache mehr Vortheil
ziehen, als der Andere, folglich kann er einen höhern, ja wohl aus besonderer
Vorliebe den höchsten Werth darauf setzen. Deswegen läßt sich aus einem noch so
hoch getriebenen Werthe noch nicht immer auf Betrug, oder andere Bevortheilung
schliessen.
§.
153. Tauschende haben immer die Verbindlichkeit einander Gewähr zu leisten: Sie
verbürgen sich, daß die übertragene Sache, oder das eingeraumte Recht so
gebraucht und benutzt werden könne, wie es die Natur des Geschäftes, oder die
getroffene Verabredung mit sich bringt.
§.
154. Wer also eine fremde Sache, als die seinige vertauscht, wer seiner Sache
Eigenschaften beilegt, die sie nicht hat, wer fälschlich versichert, daß die
vertauschte Sache zu einem bestimmten Gebrauche tauglich, oder daß sie von
Lasten und Mängeln frei sey, der muß dem anderen Theile, wenn das Widerspiel
hervorkömmt, den dadurch verursachten Schaden ersetzen, und den entgangenen
Nutzen vergüten.
§.
155. Kann das Fehlende, z. B. an Maaß, Zahl, oder Gewicht nachgetragen werden;
so ist dieser Nachtrag Ersatzes genug. Ist aber der Mangel von der Art, daß er
nicht ersetzt werden kann, und daß er den ordentlichen Gebrauch der
eingetauschten Sache verhindert; so kann der Verkürzte außer dem Schadenersatze
die gänzliche Aufhebung des Tauschvertrages fordern.
§.
156. Wenn also z. B. statt eines behandelten ächten Schmuckes ein unächter,
oder statt eines goldenen ein vergoldetes Geschirr übergeben worden ist, so ist
das Tauschgeschäft ungiltig: wenn aber statt 100 Pfund Wolle nur 90, statt 1000
Eimer Wein nur 900 übergeben worden sind; so kann man wohl die Erfüllung des
Tauschvertrages, aber nicht die Aufhebung desselben einklagen.
(408)
§. 157. Ist die Sache offenbar schlecht beschaffen, oder fallen die Mängel
derselben in die Augen, so findet keine Gewährleistung statt: außer sie wäre
für alle Fehler überhaupt zugesagt worden.
§.
158. Wer eine fremde Sache wissentlich eintauscht, hat eben so wenig Anspruch auf
eine Gewährleistung, als derjenige, welcher ausdrücklich Verzicht darauf gethan
hat.
§.
159. Wenn ein Stück Vieh binnen 24 Stunden nach der Uibergabe erkrankt, oder
umfällt; so wird vermuthet, daß es schon vor der Uibergabe krank gewesen sey:
die nämliche Vermuthung gilt, wenn binnen acht Tagen bei Schweinen und Schafen
die Finnen, und binnen dreißig Tagen bei Pferden und Lastthieren der Dampf, die
Stättigkeit, der Koller oder der Rotz entdeckt wird.
§.
160. Der Uibernehmer eines solchen Stück Viehes ist verbunden dem Uibergeber,
oder Gewährsmann sogleich von dem bemerkten Fehler Nachricht zu geben, in
dessen Abwesenheit aber dem Ortgerichte, oder einem Sachverständigen Anzeige
davon zu machen, und den Augenschein vornehmen zu lassen.
§.
161. Nach Verlauf dieser Zeit wird der Kläger nicht mehr gehört: außer wenn er
beweisen will, daß die eingetauschte Sache schon vor Schließung des Vertrages
mangelhaft gewesen sey. Es steht aber auch dem Beklagten der Beweis offen, daß
der gerügte Mangel erst nach erfolgter Uibergabe erfolgt sei.
§.
162. Werden Sachen, so wie sie stehen und liegen, oder in Pausch und Bogen,
nämlich ohne Zahl, Maaß und Gewicht, und ohne irgend eine Beschaffenheit zu
verabreden, treulich und ohne Gefährde vertauschet, wird nichts Wahres vorsätzlich
verschwiegen, und nichts Falsches vorgegeben; so ist kein Theil für die daran
entdeckten Fehler verantwortlich.
§.
163. Hat aber ein Theil nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem andern
gegeben hat, von diesem am Werthe erhalten; so räumt das Gesetz dem verletzten
Theile das Recht ein entweder die Vergütung des ausständigen Werthes, oder die
Aufhebung des Vertrages, und die Herstellung in den vorigen Zustand zu fordern.
Das Mißverhältnis des Werthes wird nach dem Zeitpunkte des geschlossenen Tausches
bestimmt.
§.
164. Diese rechtliche Wohlthat findet zwar überhaupt bei allen Tauschgeschäften
statt: damit aber die Klagen wegen Verletzung über die Hälfte nicht
vervielfältigt werden; so wird sie nur auf die Fälle eingeschränkt, in welchen
der Verlust mehr als 50 Loth Silbers beträgt.
(409)
§. 165. Auf diese Wohlthat hat auch derjenige keinen Anspruch, welcher für
seine Sache eine andere, die weniger als die Hälfte werth ist, wissentlich
annimmt. Es wird vermuthet, er habe einen vermischten Vertrag aus einem Tausche
und aus einer Schenkung schliessen wollen. Daher auch nur die Schenkung aus
rechtlichen Gründen angefochten werden kann.
§.
166. Geht eine bereits vertauschte Sache noch vor derselben Uibergabe
zufälliger Weise ganz zu Grunde; so trägt der Besitzer den Schaden allein. Hat
er etwas dafür empfangen, so ist er verbunden es zurück zu geben, und ist die
Zurückgabe nicht möglich, es auf eine andere Art zu vergüten.
§.
167. Ist aber eine solche Sache durch des Besitzers Verschulden zu Grunde
gegangen; so muß er nicht nur allein dem Gegentheile das Empfangene
zurückgeben, sondern ihm auch den dadurch entstandenen Schaden und entgangenen
Nutzen gut machen.
§.
168. Wird die vertauschte Sache durch den Zufall nur verschlimmert; so braucht
der Besitzer nicht dafür zu haften. Wer also Sachen in Pausch und Bogen
behandelt hat, trägt den zufälligen Untergang einzelner Stücke, wenn anders
nicht alle Stücke zu Grunde gegangen sind.
§.
169. Vor der Uibernahme hat der Eintauscher kein dingliches Recht auf die eingetauschte
Sache. Wenn also der Eigenthümer solche erstlich dem Einen zugesagt, hernach
aber einem Andern übergeben hat; so gebühret dem Ersten nichts, als der Ersatz
des verursachten Schadens und des entgangenen Nutzens.
§.
170. Die unzähligen Tauschhandlungen, die keinen besonderen Namen führen, und
wodurch ein Theil etwas zu geben, der andere etwas zu thun, oder beide etwas zu
thun sich verbinden, werden nach den allgemeinen Regeln zweiseitig
verbindlicher Verträge beurtheilt.
§.
171. Hat ein Theil das Verabredete gegeben, oder gethan, der andere aber sein
erlaubtes Versprechen nicht auf die bedungene Weise erfüllt, so hängt es von
der Willkühr des ersten ab entweder die Aufhebung des Vertrages und einen
vollkommenen Ersatz zu fordern, oder den Wortbrüchigen nach Vorschrift der
Gerichtsordnung zur Erfüllung seines Versprechens anzuhalten.
§.
172. Was jemand zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung wirklich gegeben hat,
kann er nicht wieder zurückfordern. Ist aber etwas zur Verhinderung einer
unerlaubten Handlung gegeben worden; so findet die Zurückforderung Statt.
(410)
§. 173. Vor gänzlicher Erfüllung des Vertrages können die tauschenden Partheien
mit beiderseitiger Einwilligung davon abgehen: nach dessen Erfüllung können sie
es nicht mehr. Sie müssen einen neuen Vertrag schließen, der als ein zweites
Geschäft angesehen wird.
Sechstes
Hauptstück
Vom
Kaufe und Verkaufe
§.
174. Kauf und Verkauf kömmt unter allen Tauschhandlungen am öftersten (!) vor.
Er unterscheidet sich vom Tausche in engster Bedeutung nur darin, daß der
Tausch ohne Beziehung auf eine Geldsumme geschlossen wird, da Kauf und Verkauf
wesentlich auf der Vergleichung der Sache mit dem Werthe am Gelde beruht.
§.
175. Wer für eine gewisse Sache eine bestimmte Summe Geldes verspricht, heißt
Käufer: wer sich anheischig macht diese Sache gegen die versprochene Summe
hinzugeben, wird Verkäufer, der Gegenstand dieses Vertrages aber wird
eigentlich Waare genannt.
§.
176. Wird eine Sache theils gegen Geld, theils gegen eine andere Sache
veräußert; so entstehet ein vermischter Vertrag, welcher entweder zum Kauf und
Verkaufe, oder zum Tausche gezählt wird, je nachdem der Werth am Gelde mehr
oder weniger, als der gemeine Werth der aufgegebenen Sache beträgt.
§.
177. Der Kaufs- und Verkaufsvertrag entsteht also aus der rechtlichen
Einwilligung eine gewisse Waare um einen gewissen Preis oder Kaufgeld zu
überlassen. Er gehört wie der Tausch zu den Titeln ein Eigenthum zu erwerben.
Die Erwerbung selbst kommt nur durch die Uibergabe der Waare zu Stande. Bis zur
Uibergabe behält der Verkäufer das Eigenthumsrecht.
§.
178. Wie die Einwilligung des Käufers und Verkäufers beschaffen seyn müsse, und
welche Sachen gekauft und verkauft werden dürfen, dieses wird nach den Regeln
der Verträge überhaupt, und nach jenen des Tauschvertrages insbesondere
bestimmt. Der Kaufpreis muß in baarem Gelde bestehen, und darf weder verstellt,
noch unbestimmt, noch gesetzwidrig seyn.
§.
179. Muß Jemand seinen Grund zur Anlegung einer Strasse oder eines
Festungsbaues um einen billigen Preis abtreten, oder zur Befriedigung seiner
Gläubiger seine Sachen öffentlich feilbiethen und versteigern lassen; so
geschieht dieses nicht ohne seine Einwilligung: er hat sich schon als Mitglied
der bürgerlichen Gesellschaft dazu einverstanden.
§.
180. Unter Waaren versteht man alles, was sich vertauschen lässt, folglich alle
körperlichen und nicht körperlichen Sachen, selbst diejenigen,
(411)
die erst zu erwarten stehen: z. B. der Fischzug, der Vogelfang, künftige
Früchte. Bei Sachen, die ganz, oder zum Theile außer Handel gesetzt sind z. B.
Gifte, schädliche Bücher, ungestämpelte Waaren, Monturstücke, muß sich nach den
politischen Verordnungen geachtet werden.
§.
181. Wird der Kaufpreis nur auf den Schein verabredet, und folglich blos
erdichtet; so gehört das Geschäft zu den unentgeltlichen Verträgen, und dessen
Giltigkeit oder Ungiltigkeit nebst den übrigen Folgen wird nach den für die
Schenkungen festgesetzten Regeln beurtheilt.
§.
182. Die vertragenden Theile können die Bestimmung des Preises auch einem
Dritten überlassen. Bestimmt dieser in dem bedungenen Zeitraume nichts, oder
will im Falle, daß kein Zeitraum bedungen worden ist, einer der vertragenden
Theile zurücktreten; so wird der Kaufvertrag als ungeschlossen angesehen.
§.
183. Auch der Werth, welcher bei einer andern früheren Veräußerung bedungen
worden ist, kann zur Bestimmung des Preises dienen. Hat man aber den
ordentlichen Marktpreis zum Grunde gelegt, so wird der mittlere Marktpreis des
Ortes zur Zeit, in welcher der Vertrag erfüllt werden muß, angenommen.
§.
184. Wenn für gewisse Sachen, z. B. für Mehl, Brod, Fleisch und dergleichen,
eine ordentliche Taxe besteht, und nicht beobachtet wird; so ist der Preis
gesetzwidrig. In diesem Falle kann für jede noch so geringe Verletzung eine
angemessene Schadloshaltung selbst bei der politischen Behörde gefordert
werden.
§.
185. Unterliegen die Kaufstücke keiner ordentlichen Taxe; so wird der Preis für
gesetzwidrig gehalten, wenn die Verkäufer weniger, als die Hälfte des Werthes
an Gelde erhalten, oder der Käufer für das Kaufstück mehr, als den doppelten
Werth bezahlt hat. Bei solcher Verletzung gilt für den Käufer und Verkäufer das
nämliche Recht, welches in ähnlichen Fällen für tauschende Personen festgesetzt
ist.
§.
186. Läßt sich die Hälfte des erlittenen Verlustes nicht bestimmen, weil die
Thathandlungen, worauf das Recht gegründet werden müsste, ungewiß sind; so
findet der Ersatz wegen Verletzung über die Hälfte eben so wenig Statt, als
wenn das Kaufgeschäft bei einer öffentlichen Versteigerung, oder sonst
gerichtlich vorgenommen worden ist.
§.
187. Der Verkäufer ist schuldig das Kaufstück bis zur Zeit der Uibergabe
sorgfältig zu verwahren, sofort dem Käufer den freien Besitz davon mit allem
Zugehöre, der Verabredung gemäß einzuräumen, und ihm auf sein Verlangen, wie
bei einem Tauschgeschäfte, Gewähr zu leisten. Entsteht über das Zugehör ein
Zweifel; so entscheiden ihn Sachverständige.
(412)
§. 188. Der Käufer hingegen ist verbunden das Kaufstück zu rechter Zeit zu
übernehmen, und zugleich das Kaufgeld nach dem gemeinen Curse baar abzuführen.
Hat der Käüfer nicht mit eigenem, sondern mit fremden Gelde bezahlt; so macht
es in Rücksicht auf einen redlichen Verkäufer keinen Unterschied.
§.
189. Läßt der Käufer dem Verkäufer die Waaren, ohne das Kaufgeld zu erhalten,
abfolgen, und sind Zahlungsfristen bestimmt worden; so wird die Waare auf Borg
gegeben, und das Eigenthum desselben geht gleich auf den Käufer über.
§.
190. Ist keine Zahlungsfrist bestimmt worden, und fordert der Verkäufer
innerhalb drei Tagen weder seine Waare, noch den Preis; so wird angenommen, daß
das Kaufgeld stillschweigend geborgt worden sey. Während dieser drei Tage wird
der Käufer für einen Entlehner angesehen.
§.
191. Nutzen und Gefahr von einer erkauften Sache treffen vor der Uibergabe den
Verkäufer, in soweit er nämlich einer Seits alle Früchte davon bezieht, anderer
Seits aber, wenn sie durch einen Zufall ganz, oder über die Hälfte zu Grunde
geht, den Schaden allein trägt. Alle andern zufälligen Veränderungen gehen auf
die Rechnung des Käufers.
§.
192. Der Zufall findet nur in Rücksicht auf die Waare, keineswegs aber in
Anlehnung des Preises Statt. Das Geld im Allgemeinen geht nie zu Grunde, wohl
aber zuweilen das Kaufstück, als eine einzelne besonders betrachtete
Schuldsache. Wird indessen die Uibergabe der Waare verboten, so ist es eben so
viel, als wenn man den Kauf nicht geschlossen hätte.
§.
193. Hat der Verkäufer oder der Käufer die Erfüllung des Vertrages durch sein
Verschulden verzögert; so ersetzt der Eine die Nutzungen, und der andere die
Zinsen, nebst allem sonst daraus entstehenden Schaden.
§.
194. Wer Sachen, die noch zu erwarten stehen, in Pausch und Bogen kauft, z. B.
künftige Aernde (!) oder Weinlese, nimmt schon nach der Natur des Vertrages die
Gefahr einer völligen Mißrathung, oder Zugrunderichtung auf sich. Es fallen ihm
aber auch alle abgezielten Nutzungen zu.
§.
195. Wer von mehreren Kaufstücken, z. B. Pferden, Wägen eines überhaupt
verkauft, und sich selbst die Auswahl vorbehält, der ist, wenn alle Stücke bis
auf eines zu Grunde gehen, zu nichts verbunden. Ist die Auswahl dem Käufer
überlassen; so hat auch er in diesem Falle auf das einzige überbleibende Stück
keinen Anspruch.
§.
196. Geht die Waare durch Zufall zu Grunde, so bleibt der Kaufvertrag von
selbst ohne Wirkung. Wird aber die Verletzung über
(413)
die Hälfte dargethan, wird die Erfüllung des Vertrages von einer Seite
verzögert, oder mit beiderseitiger Einwilligung gegen einander nachgesehen; so
findet die Aufhebung des Vertrages wie bei dem Tausche Statt.
§.
197. Unter den Bedingungen, welche dem Kaufvertrage beigefügt zu werden
pflegen, sind: der Reukauf, der Rück- oder Wiederkauf, der Vorkauf, der Verkauf
mit Vorbehalt eines bessern Käufers, der Verkauf auf die Probe, und endlich der
Trödelverkauf die gewöhnlichsten.
§.
198. Giebt der Käufer zum Zeichen, oder zur Bekräftigung des geschlossenen
Kaufes dem Verkäufer ein sogenanntes Haft(-), oder Angeld, so wird es als Theil
des bedungenen Preises angesehen. Es kann sich weder der Käufer, wenn er das
Angeld verlieren, noch der Verkäufer, wenn er dessen doppelten Betrag
zurückstellen will, von der Verbindlichkeit des Vertrages losmachen.
§.
199. Wenn man das Kaufgeschäft noch nicht gänzlich geschlossen, sondern sich
noch vorbehalten hat, eine verzehrbare Waare zu zählen, zu wägen, zu messen, zu
kosten, den Anschlag oder das Ertragsverzeichnis einzusehen, und dergleichen,
und es tritt einer der Contrahenten zurück, so verliert der zurücktretende
Verkäufer das etwa schon gegebene Angeld, und der zurücktretende Verkäufer
stellt das Erhaltene doppelt zurück.
§.
200. Haben die Kontrahenten nach geschlossenem Kaufgeschäfte sich mit einander
einverstanden, daß einer und der andere gegen Entrichtung einer bestimmten
Summe befugt seyn soll binnen einer gewissen Zeit vom Kaufe abzugehen; so
entsteht der Reukauf. In diesem Falle muß entweder der Contrakt erfüllt, oder
das Reugeld bezahlt werden. Durch Erfüllung des Contrakts wird der Reukauf
aufgehoben.
§.
201. Wird die Erfüllung des Contraktes durch einen Zufall oder durch
Verschulden des einen Theiles verhindert, so entrichtet der andere Theil kein
Reugeld.
§.
202. Das Recht eine verkaufte Sache wieder einzulösen, heißt Wiederkauf. Ist
dieses Recht dem Verkäufer überhaupt und ohne nähere Bestimmung eingeraumt; so
wird von einer Seite das Kaufstück in einem nicht verschlimmerten Zustande, von
der andern Seite aber das erlegte Kaufgeld zurückgegeben, und die inzwischen
beiderseits aus dem Gelde und aus der Sache gezogenen Nutzungen bleiben gegen
einander aufgehoben.
(414)
§. 203. Hat der Inhaber das Kaufstück aus dem Seinigen verbessert, oder zu
dessen Erhaltung außerordentliche Kösten verwendet; so gebührt ihm, wie einem
jeden redlichen Besitzer, der Ersatz. Er haftet aber auch dafür, wenn durch
sein Verschulden der Werth vermindert, oder die Zurückgabe vereitelt worden
ist.
§.
204. Wenn das Recht des Wiederkaufes nicht besonders beschränkt worden ist, so
dauert und erlischt es wie andere Rechte. Es lässt sich von den Erben des Verkäufers
und gegen die Erben des Käufers ausüben, es läßt sich gar auf einen Dritten
übertragen. Allein gegen den dritten Besitzer kann es nur in sofern ausgeübt
werden, als es sein unbewegliches Gut betrifft, und den öffentlichen Büchern
einverleibt ist.
§.
205. Hat sich der Käufer das Recht ausbedungen die Sache ihm wieder zurück zu
verkaufen; so wird er, wie der Wiederverkäufer bei dem Wiederkaufe, behandelt.
Ist aber die Bedingung des Wiederkaufes verstellt, und eigentlich um eine
Pfandrecht, oder ein Borggeschäft zu bemänteln gebraucht worden; so treten die
Rechte und Verbindlichkeiten des Borgvertrages ein.
§.
206. Wer eine Sache mit der Bedingung verkauft, daß der Käufer, wenn er solche
wieder veräußern will, ihm die Einlösung anbiethen soll, der hat das
Vorkaufsrecht.
§.
207. In der Regel wird das Vorkaufsrecht für ein persönliches Recht gehalten,
und kann nur in Rücksicht auf liegende Gründe durch Eintragung in die
öffentlichen Bücher in ein dingliches verwandelt werden. Hat der Besitzer dem
berechtigten (!) die Einlösung nicht angebothen; so ist er ihm für allen
Schaden verantwortlich.
§.
208. Das Vorkaufsrecht kann ohne ausdrückliche Verabredung ohne Einwilligung
des Besitzers einem Dritten nicht abgetreten werden. Es geht auch nicht auf die
Erben des Berechtigten über, und kann überhaupt nicht auf andere Fälle
ausgedehnt werden.
§.
209. Der Berechtigte muß bewegliche Sachen binnen 24 Stunden, liegende Gründe
aber binnen 30 Tagen von der geschehenen Anbiethung wirklich einlösen. Nach
Verlauf dieser Zeit ist das Vorkaufsrecht erloschen.
§.
210. Bei dem Kaufe auf die Probe geht das Kaufstück zwar in die Gewährsam des
Käufers, aber nicht in sein Eigenthum über. Der Käufer wird, wenn die Dauer der
Probezeit bestimmt ist, als ein Entlehner, und wenn sie unbestimmt ist, als ein
Bittleiher angesehen.
(415)
§. 211. Hat aber der Käufer nicht nur das Kaufstück übernommen, sondern auch
wirklich den Preis dafür bezahlt, so gebührt ihm auch das Eigenthum, und die
Probezeit dauert der Verabredung gemäß. Ist darüber hinaus nichts verabredet
worden; so wird die Probezeit bei beweglichen Sachen auf 24 Stunden, bei
unbeweglichen aber auf ein Jahr angenommen. Nach Verlauf dieser Zeit wird das
Kaufgeschäft für geschlossen angesehen.
§.
212. Wird das Kaufgeschäft mit dem Vorbehalte verabredet, daß der Verkäufer,
wenn sich binnen einer bestimmten Zeit ein besserer Käufer meldet, denselben
vorzuziehen befugt sey; so ist dieses in Ansehung des Verkaufes entweder eine
aufschiebende oder auflösende Bedingung.
§.
213. So lang nämlich das Kaufstück nicht übergeben, das Kaufgeld nicht bezahlt,
oder geborgt worden, und so lang die bestimmte Zeit nicht verflossen ist,
bleibt die Wirklichkeit des Verkaufes aufgeschoben. Ist aber das Kaufstück übergeben,
und bezahlt, und tritt binnen der bestimmten Zeit ein besserer Käufer auf; so
wird der Kaufvertrag aufgelöst.
§.
214. Ist keine Zeit bestimmt worden; so verhält man sich in Anlehnung
derselben, wie bei dem Kaufe auf die Probe. Ob der neue Käufer besser sey,
beurtheilt im Zweifel der Verkäufer. Von ihm hängt es auch ab den ersten Käufer
zu behalten, oder ihm, wenn er auch noch mehr zahlen wollte, den zweiten
vorzuziehen. Die Nutzungen der Sache und des Geldes heben sich gegen einander
auf.
§.
215. Wer seine bewegliche Sachen einem andern für einen gewissen Preis zum
Verkaufe übergiebt; mit der Bedingung, daß ihm der Uibernehmer binnen einer
festgesetzten Zeit entweder das bestimmte Kaufgeld liefern, oder die Sache
zurückstellen soll, der schließt einen Trödelverkauf.
§.
216. Hier wird der Uibernehmer, wie ein Käufer angesehen, dem der Preis geborgt
worden ist, und der sich das Recht des Rücktausches vorbehalten hat. Ihn trift
also Schaden und Nutzen, und wenn er überhaupt zu zahlen unvermögend wird, so wird
das ihm anvertraute Gut seinen Gläubiger gemein.
§.
217. Nach Verlauf der bestimmten Zeit ist der Trödelkäufer verbunden entweder
das bestimmte Kaufgeld zu entrichten, oder das Kaufstück mit allen Nutzungen
zurück zu geben, auch den durch sein Verschulden verursachten Schaden zu
ersetzen. Ihm selbst werden nur solche Kosten vergütet, die dem Uibergeber zum
Nutzen gereichen.
(416)
§. 218. Ist der Preis, oder die Zahlungsfrist nicht bestimmt, oder die Sache
lediglich auf Nutzen und Gefahr des Eigenthümers Jemanden zur Veräußerung
anvertrauet worden; so wird der Uibernehmer wie ein Machthaber, oder Sachwalter
angesehen.
Siebentes
Hauptstück.
Von
Bestand- oder Mieth- oder Pachtverträgen.
§.
219. Gleichwie ein fremdes Gut, welches der Eigenthümer nicht verschenken will,
durch Tausch oder Kauf erworben werden kann; so kann man auch gegen Entgeld
sowohl den Gebrauch verschiedener fremden Sachen, als auch Dienstleistungen
erhalten, die aus blosser Freigebigkeit nicht wären erhalten worden.
§.
220. Der Vertrag, wodurch Jemand den Gebrauch einer fremden nicht verzehrbaren
Sache auf eine gewisse Zeit, und gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt
überhaupt Bestandcontract, insbesondere aber ein Miethcontract, wenn sich die
bestandene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, und Pachtcontract,
wenn sie nur durch Fleiß und Mühe benutzt werden kann.
§.
221. Das Entgeld für verzehrbare Sachen wird Zins, und die darüber getroffene
Uibereinkunft Leihung auf Zinsen genannt. Werden Dienstleistungen gegen
Entgeld, nämlich gegen Lohn behandelt; so entsteht der Dingungs- und
Verdingungscontract.
§.
222. Hieraus erhellet, was man unter den Ausdrücken Miethen und Vermiethen,
Pachten und Verpachten, Darleihen und Anleihen auf Zinsen, oder ein Capital
zinsen und verzinsen, eine Arbeit dingen und verdingen zu verstehen habe.
§.
223. Der Miether zahlt dem Vermiether das Miethgeld, oder den Miethzins, der
Pachter dem Verpachter den Pachtzins, oder Pachtschilling, der Anleiher dem
Darleiher die Zinsen, der Dinger dem Verdinger, die Arbeit mag in Anstrengung
der Leibes- oder Geisteskräfte bestehen, den Lohn in weiterem Verstande.
§.
224. Die Bestands-, Zinsungs- und Dingungsverträge können von den nämlichen
Personen über die nämlichen Gegenstände, und auf die nämliche Art, als der Kaufvertrag,
geschlossen werden. Selbst der Mieth- oder Pachtzins, die Zinsen und der Lohn
werden, wenn keine andere Uibereinkunft getroffen worden ist, wie das Kaufgeld
entrichtet.
(417)
§. 225. Der Eigenthümer kann also sowohl seine beweglichen und unbeweglichen
Sachen, als seine Rechte und Servituten in Bestand geben. Er kann aber auch in
den Fall kommen den Gebrauch seiner eigenen Sache, wenn er Jemand anderem
gebührt, in Bestand zu nehmen.
§.
226. Wer schädliche oder fremde Sachen in Bestand giebt, haftet wie der
Verkäufer derselben für die Folgen. Wer aber eine fremde bewegliche Sache, z.
B. ein Pferd, einen Wagen in Bestand genommen hat, kann sich auch, wie ein
dergleichen Käufer, durch Namhaftmachung seines Vormannes gegen den Eigenthümer
schützen.
§.
227. Sind die Kontrahenten über das Wesentliche des Bestandes, der Zinsung,
oder Dingung, nämlich über die Sache, oder Arbeit und den Preis
übereingekommen; so gilt es in der Regel eben so viel, als wenn der Gebrauch
der Sache, oder die Dienstleistung gekauft, oder verkauft worden wäre. Auch
hier finden Nebenverträge, z. B. Angeld, Reugeld, und andere dergleichen
Bedingungen statt.
§.
228. Der Kaufvertrag gehört zu den Titeln ein Eigenthum auf immer zu erwerben.
Bestandverträge aber werden gemeiniglich nur auf eine gewisse Zeit geschlossen,
und es wird dadurch kein Eigenthum erworben. Dieses ist der Unterschied
zwischen Kaufen und Bestandnehmen.
§.
229. Hat der vollständige Eigenthümer Jemanden nicht allein den zeitlichen
Gebrauch und Genuß seines liegenden Grundes eingeraumt, sondern ihm das
fortwährende Nutzungseigenthum übergeben; so ist kein eigentlicher
Pachtkontrakt, sondern ein Erbpacht(-), oder Erbzinsvertrag entstanden; wovon
bereits im siebenten Hauptstücke des zweiten Theiles gehandelt worden ist.
§.
230. Der Anleiher erlangt zwar auch das Eigenthum der ihm geborgten einzelnen
Geldstücke. Allein der Darleiher wird nichts destoweniger immer für den
Eigenthümer der Summe überhaupt gehalten.
§.
231. Wenn zeitliche Mieth- und Pachtkontrakte ein unbewegliches Gut betreffen,
und in die öffentlichen Bücher eingetragen werden; so läßt sich damit ein
dingliches Recht verbinden. Durch diese Eintragung wird das persönliche Recht
in eine Grundservitut verwandelt, welche sich der nachfolgende Besitzer auf die
noch übrige Zeit gefallen lassen muß.
§.
232. Miether und Pächter sind berechtigt die Mieth- und Pachtstücke dem
Vertrage gemäß durch die bestimmte Zeit zu gebrauchen und zu benutzen, ja so
gar in Afterbestand zu geben, wenn es ohne Nachtheil des Eigenthümers geschehen
kann, und im Kontrakte nicht ausdrücklich untersagt worden ist.
(418)
§. 233. Hingegen sind Miether und Pächter verbunden den bedungenen Mieth- und
Pachtzins nach Maß der Bestandzeit, des Gebrauches und der Nutzungen jährlich,
halbjährig, monatlich, oder täglich, ja, wenn es Landessitte ist, im voraus zu
entrichten.
§.
234. Nach verflossener Bestandzeit muß der Bestandinhaber, wie der Entlehner
die bestandene Sache in dem Zustande, in welchem er sie übernommen hat, und dem
etwa errichteten Inventarium gemäß zurückstellen. Hier macht selbst die
Einwendung des Eigenthumsrechtes keine Ausnahme.
§.
235. Wird das Mieth- oder Pachtstück beschädigt, oder durch Mißbrauch
abgenützt; so haften Miether und Pächter, wie die Entlehner, für ihr
Verschulden, aber nicht für den Zufall. Ein Bestandsinhaber hat nämlich den
Gebrauch und die Nutzungen der fremden Sache gleichsam gekauft, dem Entlehner
hingegen werden sie geschenkt.
§.
236. Wenn also ein gepachtetes Landgut wegen Krieges, oder Pestunfälle, wegen
großer Uiberschwemmungen, oder wegen gänzlichen Mißwachses nicht benutzt werden
kann; so verliert der Verpachter den Pachtzins, wie der Pachter die Nutzungen.
Auf die nämliche Art verliert der Vermiether den Miethzins, wenn das gemiethete
Haus einstürzt, oder abbrennt.
§.
237. Wird dem Miether der Gebrauch des Miethstückes nur zum Theil entzogen; so
wird ihm auch ein verhältnißmäßiger Theil des Miethzinses erlassen. Dem Pachter
hingegen gebührt nur dann ein Erlaß am Pachtzinse, wenn die Nutzungen um mehr,
als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind, und das Gut nur auf ein
einziges Jahr gepachtet worden ist.
§.
238. Hat der Bestandnehmer die Feuer-, Wasser- und Wetterschäden auf sich
genommen; so kommen andere außerordentliche Unglücksfälle nicht auf seine
Gefahr. Verbindet er sich aber auch diese zu tragen; so wird deswegen noch
nicht vermuthet, daß er für den zufälligen Untergang des ganzen Pachtstückes
Gewähr geleistet habe.
§.
239. Wird der Gebrauch, oder Genuß des Bestandstückes nicht wegen dessen
Beschädigung, oder sonst ausgebrochener Unbrauchbarkeit, sondern aus einem dem
Bestandnehmer zugestossenen Hindernisse, oder Unglücksfalle vereitelt, oder
waren zur Zeit der Bestandnehmung die Früchte vom Grunde schon abgesöndert; so
fällt die widrige Ereignung dem Bestandnehmer allein zur Last. Der
Bestandnehmer muß den Zins doch entrichten.
(419).§.
240. Behauptet der Pachter den Erlaß des ganzen Pachtzinses, oder eines Theiles
davon entweder aus dem Kontrakte, oder aus dem Gesetze; so muß er dem
Verpachter ohne Zeitverlust und noch vor verfallener Zahlungsfrist den
geschehenen Unglücksfall anzeigen, und die Begebenheit, wenn sie nicht
landkündig ist, gerichtlich, oder wenigstens durch drei sachkündige Männer
bestättigen lassen; ohne diese Vorsicht wird er nicht angehört.
§.
241. Die Rechte des Bestandgebers beziehen sich überhaupt auf dem Mieth- oder
Pachtzins, auf die Zurückerhaltung des in Bestand überlassenen Gutes nach
verflossener Gebrauchszeit, und endlich auf den Ersatz, wenn das Gut durch
Verschulden des Bestandnehmers geschmälert, oder auf was immer für eine Art
verschlimmert worden ist.
§.
242. Zur Sicherstellung des Mieth- oder Pachtzinses verleiht das Gesetz dem
Vermiether einer Wohnung das Pfandrecht auf die hineingebrachten dem Miether
eigenthumlichen Einrichtungsstücke und Fahrnisse, soweit sie zur Zeit der Klage
noch darin befindlich sind. Dem Verpachter eines Grundstückes aber räumt es das
Eigenthum aller von dem Grunde noch nicht abgesonderten Nutzungen nebst dem
Pfandrechte auf die eingesammelten und noch nicht veräußerten Früchte ein.
§.
243. Die Vermiether und Verpächter sind ihrer Seits verpflichtet das
Bestandstück in brauchbarem Stande zu erhalten, die Bestandinhaber in dem
bedungenen Gebrauche oder Genuße nicht zu stören, ihnen den nothwendigen und
nützlichen Aufwand, in so fern der Nutzen für den Verpachter noch fortdauert,
zu ersetzen, endlich das durch Uibergebung einer fremden oder schädlichen
Sache, oder auf eine andere Art begangene Verschulden zu verantworten.
§.
244. Die Verpachtung eines Landgutes, selbst wenn sie in Pausch und Bogen
geschehen ist, begreift das Recht eine Pfründe zu verleihen nicht in sich, wenn
es nicht im Kontrakte namentlich ausgedrückt worden ist.
§.
245. Wenn der Eigenthümer sein Landgut mit der Bedingung überläßt, daß der
Uibernehmer die Wirtschaft betreiben, und dem Uibergeber einen Theil der ganzen
Nutzung, z. B. ein Drittel, oder die Hälfte geben soll; so entsteht kein
Pacht(-), sondern ein Gesellschaftsvertrag, welcher nach den Regeln der
Gemeinschaft beurtheilt wird.
§.
246. Der Bestandvertrag löset sich von selbst auf, wenn die bestandene Sache zu
Grunde geht. Geschieht dieses aus Verschulden des einen Theiles, so gebührt dem
andern Genugthuung; geschieht es durch einen Unglücksfall, so ist kein Theil
dem andern dafür verantwortlich.
(420)
§. 247. Auch die Zeit hebt den Bestandsvertrag auf, wenn nämlich ein Termin
ausdrücklich bedungen und verflossen ist. Fährt der Bestandinhaber fort die
Sache zu gebrauchen, oder zu benutzen, und der Bestandgeber läßt es dabei
bewenden; so entsteht stillschweigend ein neuer Bestandsvertrag, welcher aber
nur so lang verbindet, als er zur Ausübung des ordentlichen Gebrauches, oder
Genußes der Sache nothwendig ist.
§.
248. Da Grundstücke gewöhnlich ihren Nutzen nur jährlich abwerfen, Wohnungen
hingegen täglich und stündlich gebraucht werden können; so wird angenommen, daß
die Pachtung eines Grundstückes auf ein Jahr, die Miethung einer Wohnung
hingegen nur bis zur nächsten Ausziehungszeit erneuert worden sey.
§.
249. Bei Pachtungen, deren Benutzung sich in mehrere Jahrstermine eintheilen
läßt, z. B. des Brandweinschankes, der Bierbräuerei, kann die stillschweigende
Erneuerung nicht über ein Vierteljahr ausgedehnt werden. Bei Miethwohnungen so
genannter Tag- Wochen- und Monatzimmer, eines Wagens, Pferdes und dergleichen
wird angenommen, daß man die Miethung auf die nämliche Zeit eines Tages, einer
Woche, oder eines Monats wieder habe erneuern wollen.
§.
250. Wer den Vertrag nicht erneuern will, muß den Bestand in der bedungenen
Zeit aufkündigen. Ist keine Zeit bedungen worden; so muß die Aufkündigung bei
Pachtungen in sechs Monaten, bei Miethungen aber in drei Monaten voraus
geschehen. Spätere Aufkündigungen sind ohne Wirkung. Ob und wie viel Platz ein
Einwohner seinem Nachfolger in den letzen acht Tagen zu räumen schuldig sey,
dieses bestimmen die politischen Verordnungen.
§.
251. Der Miether ist berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem
Vertrage abzustehen, wenn er mit der gemietheten Sache, z. B. mit einem
kollerischen Pferde offenbar Gefahr läuft, oder wenn der Vermiether das
Miethstück nicht mehr in brauchbarem Stande erhält. Stirbt der Miether, so geht
die Verbindlichkeit des Vertrages auf seine Erben über.
§.
252. Der Bestandgeber kann seiner Seits die frühere Aufhebung des Kontraktes
fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen nachtheiligen Gebrauch davon
macht, wenn er mit dem Zinse über einen ganzen Termin im Rückstande bleibt, und
wenn ein vermiethetes Gebäude neu aufgeführt werden muß. Wegen bloßer
Ausbesserung oder nützlicher Bauführung kann der Miethvertrag ohne Einwilligung
des Miethers nicht aufgehoben werden.
(421)
§. 253. Hat der Eigenthümer das Bestandstück an einen andern veräußert, und ihm
bereits übergeben; so muß der Bestandinhaber, wenn er mit keinem Pfandrechte
versehen ist, dem nachkommenden neuen Besitzer weichen: er ist aber berechtigt,
von dem Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen Schaden und entgangenen
Nutzen eine vollkommene Genugthuung zu fordern.
Achtes
Hauptstück.
Von
zinsbaren Anleihens- und Dingungs-Verträgen.
§.
254. Obschon der Gebrauch verzehrbarer Sachen einzig und allein in deren
Verbrauch besteht, und also, an sich selbst betrachtet, keine Früchte bringt,
so sind doch mit dem Rechte fremdes Geld, und andere nach Zahl, Maß, und
Gewicht bestimmte Sachen auf eine gewisse Zeit zu behalten, und sie zu
verbrauchen, öfters besondere Vortheile verbunden. Es ist also billig, daß
diese Vortheile mit angemessenen Zinsen vergolten werden.
§.
255. Was bereits von den Tauschverträgen bemerkt worden ist, daß sie nämlich
wegen eines wesentlichen Irrthums, Betruges, oder einer übermäßigen Verletzung
angefochten werden können, dieses gilt auch von dem zinsbaren Anleihen, welches
ebenfalls zu den zweiseitig verbindlichen Verträgen gehört. Zinsen können daher
gerecht oder ungerecht seyn, wie Preis und Lohn.
§.
256. Wenn Zinsen aus einem Vertrage, oder aus dem Gesetze gebühren, ohne daß
ihr Betrag bestimmt ist, so sind fünf vom Hundert und zwischen den von der
Behörde berechtigten Handelsleuten sechs von Hundert auf das Jahr die
gesetzmäßigen.
§,
257. Durch Vertrag können Zinsen mit sechs vom Hundert auf das Jahr von
Jedermann bedungen werden.
§.
258. Die Zinsen sind gemeiniglich bei Zurückzahlung des Kapitals, oder wenn der
Vertrag auf mehrere Jahre geschlossen, und in demselben wegen der Fristen zur
Zahlung der Zinsen nichts ausgemacht worden, jährlich abzuführen. Vorhinein
können sie höchstens auf ein Jahr bezogen werden.
§.
259. Wenn bei dem zinsbaren Anleihen nicht aufrichtig zu Werke gegangen, die
wahre Beschaffenheit des Vertrages durch Scheinhandlungen bemäntelt, weniger
Kapital, als zur Zurückzahlung bedungen ward, gegeben worden, so stehen darüber
dem Entlehner die Einwendungen offen. Der Richter darf ihn nur zur Zurückgabe
desjenigen Betrages, den er empfangen hat, und zu keinen höhern Zinsen, als in
den vorigen §§. bestimmt sind, anhalten.
(422)
§. 260. Die Schuldbriefe müssen daher; was zwischen den Kontrahenten bedungen,
und was gegeben worden, redlich, ohne alle Verdrehung, oder Verhehlung
enthalten. Enthält der Schuldbrief auch nur einen falschen Umstand, so sind
alle Einwendungen des Entlehners für wahr zu halten, welche der Darleiher nicht
durch andere Beweise zu entkräften vermag.
§.
261. Darleihen, welche minderjährige, und ohne Einwilligung ihrer Aeltern
selbst großjährige Kinder unter der Bedingung aufnehmen, daß die Bezahlung bis
zum Tode des Vaters, der Mutter, oder eines andern Erblassers in aufsteigender
Linie verschoben werden soll, sind unerlaubt, die Anleihe mag übrigens
verzinslich, oder nicht verzinslich, in baarem Gelde, oder in Waaren zu Stande
gekommen seyn.
§.
262. Eine erst nach dem Tode der Aeltern zahlbare Anleihe kann Kindern nur mit
Einwilligung des Erblassers in aufsteigender Linie, oder mit Genehmigung des
Gerichtes, von welchem die Kinder abhangen, giltig gegeben werden. Es ist die
Sache des Gerichtes die vorwaltenden Umstände nach Billigkeit zu beurtheilen.
§.
263. So wie man den Gebrauch fremder Sachen, oder die Benutzung fremder Summen
gegen bestimmte Zinsen erhält, so kann man auch persönliche Dienste und
Arbeiten gegen einen gewissen Lohn im Gelde bestehlen (!), und darüber einen
Dingungsvertrag eingehen. Besteht der Lohn nicht im Gelde; so entsteht zwar
auch ein zweiseitig verbindlicher, aber ein namenloser Vertrag.
§.
264. Die Rechte und Verbindlichkeiten zwischen Herren und Dienstpersonen in
Rücksicht auf die häusliche Gesellschaft sind im sechsten Hauptstücke des
ersten Theiles abgehandelt worden. Hier ist die Rede von solchen Rechten und
Verbindlichkeiten, welche, ohne Rücksicht auf häusliche Gesellschaft, für
andere bedungene Dienstleistungen und Arbeiten eintreten, und die nach dem
gepflogenen Einverständnisse abgemessen werden.
§.
265. Ohne Bestimmung der Arbeit und des Lohnes kann zwar kein Dingungs- und
Verbindungsvertrag entstehen; allein sobald Jemand eine Arbeit, oder ein Werk
bestellt, so wird auch angenommen, daß er in einen angemessenen Lohn
eingewilligt habe.
§.
266. Sobald also ein Theil die Arbeit verrichtet, oder das Werk, der
Verabredung gemäß, geliefert hat; so ist ihm der andere den Lohn schuldig, der
allenfalls durch Sachverständige bestimmt wird. Finden aber diese, daß das Werk
der Verabredung gar nicht entsprech (!), so gebührt dem Arbeiter kein Lohn.
(423)
§. 267. Unwesentliche Mängel, solche nämlich, die den Gebrauch des Werkes nicht
verhindern, muß der Arbeiter verbessern, und bis die verbessert sind den Lohn
entbehren. Hat aber der Besteller das Werk einmal angenommen, ohne die sichtbaren
geringen Mängel zu rügen; so darf er nur einen verhältnismäßigen Theil des
Lohnes so lange zurück halten, bis diese Mängel gehoben sind.
§.
268. Wenn die gedungene Person aus ihrer Schuld das Versprechen zu rechter Zeit
nicht erfüllt; so ist der Dinger nicht mehr schuldig die gedungene Sache
anzunehmen, und die gedungene Person ersetzt den daraus entstandenen Schaden.
Verzögert aber der Dinger mit Entrichtung des Lohnes, so ist auch er verbunden
die Dienstperson vollkommen zu entschädigen.
§.
269. Auch für Dienste und Arbeiten, die nicht zu Stande gekommen sind, gebührt
der gedungenen Person der Lohn, wenn sie das Geschäft zu verrichten bereit war,
und von dem Dinger daran verhindert, oder überhaupt um ihre Zeit gebracht
worden ist. Wird die Lieferung des Werkes von dem Besteller gehemmt; so kann
der Werkmeister den erlittenen Verlust einklagen.
§.
270. In der Regel gebührt der Lohn nach vollbrachter Arbeit. Wird aber die
Arbeit in gewissen Abtheilungen der Zeit oder des Werkes selbst verrichtet,
oder sind Auslagen damit verbunden, die der Werkmeister nicht auf sich genommen
hat; so ist dieser befugt einen mit der Dienstleistung verhältnismäßigen Theil
des Lohns zu fordern.
§.
271. Wenn durch einen blossen Zufall der zur Vollführung eines Werkes
vorbereitete Stoff, oder das Werk selbst, ganz oder zum Theile zu Grunde geht;
so trägt der Eigenthümer des Stoffes oder des Werkes den Schaden.
§.
272. Im Zweifel, ob die Bestellung einer Arbeit z. B. eines Kleides, Tisches u.
d. gl. für einen Kaufs(-), oder für einen Dingungs und Verdingungsvertag zu
halten sey, wird vermuthet, daß derjenige, der den Stoff dazu liefert, den
Arbeiter gedungen, oder welches einerlei ist, die Arbeit verdungen habe.
§.
273. Hat hingegen der Meister den Stoff geliefert, so wird ein Kaufvertrag
vermuthet. Dieser Grundsatz gilt auch von Kunstwerken z. B. Uhren, Gemälden,
Bildsäulen u. dergl.
§.
274. Dienstpersonen und Arbeiter, welche auf eine bestimmte Zeit, oder bis zur
Vollendung eines gewissen Werkes gedungen worden sind, können ohne rechtmäßigen
Grund vor verlaufener Zeit, und vor vollendeten Werke weder die Arbeit
aufgeben, noch abgedankt werden.
(424)
Wird die Arbeit unterbrochen, so verantwortet jeder Theil sein Verschulden,
aber keiner den Zufall.
§.
275. In allen Fällen, in welchen ein Gewalthaber berechtiget ist, das ihm
aufgetragene Geschäft einem Dritten zu übertragen, kann auch der gedungene
Arbeiter oder Werkmeister die Arbeit oder den Dienst einem Dritten, jedoch auf
seine Gefahr, anvertrauen. Nach eben diesem Maßstabe gehen auch die Rechte und
Verbindlichkeiten, die aus dem Dingungs(-) und Verdingungsvertrage entstehen,
auf die Erben der Kontrahenten über.
§.
276. Betrifft es Dienste, und Arbeiten, zu deren Verrichtung der Dinger den
Arbeiter oder Werkmeister in Rücksicht seiner besondern Geschicklichkeit
gewählet hat, so hebt der Tod des Bedungenen den Dingungsvertrag auf. Stirbt
aber der Dinger, so kann der Gedungene von seinen Erben die Erfüllung des
Kontraktes oder eine Schadloshaltung fordern.
§.
277. Was von Dienstpersonen, Werkmeistern oder Arbeitern überhaupt festgelegt
worden ist, dieses gilt auch von Rechtsfreunden, Aerzten und Wundärzten,
Faktoren, Provisoren und anderen Personen, welche sich für ihre Bemühungen
einen Gehalt, eine Bestallung oder sonst eine Belohnung ausdrücklich oder
stillschweigend ausbedungen haben.
§.
278. Wenn mit dem Dingungs(-), und Verdingungsvertrage noch andere
Nebenverträge vereinigt werden, z. B. wenn einem Gutsverwalter die Verwahrung
der Gelder und anderer Sachen, oder ein anderes besonderes Geschäft zugleich
anvertraut wird, oder endlich wenn er ein solches Geschäft ohne Auftrag
übernimmt; so müssen die jedem Geschäfte angemessenen gesetzlichen Vorschriften
beobachtet, und die dabei vorkommenden Rechnungen ordentlich geführt und
abgelegt werden.
Neuntes
Hauptstück.
Von
dem Gesellschaftsvertrage.
§.
279. Zu den zweiseitig verbindlichen, und mit einem besonderen Namen
bezeichneten Verträgen gehört auch der Gesellschaftsvertrag. Er entsteht so oft
zwei oder mehrere Personen einwilligen entweder ihre Mühe und Arbeit allein
oder auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen.
§.
280. Wenn also Sachen ohne Wissen und Willen der Eigenthümer gemein werden; so
entsteht aus dieser Gemeinschaft noch keine gesellschaftliche Verbindung: da
hingegen die Uibergabe der zur Gemeinschaft bestimmten Sache immer den
Gesellschaftsvertrag voraussetzt.
(425)
§. 281. Je nachdem die Mitglieder einer Gesellschaft nur einzelne Sachen, oder
Summen; z. B. ein Haus, ein Schiff, hundert feine Mark Silbers, oder aber eine
gewisse Masse von Sachen, z. B. alle Waaren, alle Früchte, alle liegenden
Gründe, oder endlich ihr ganzes Vermögen ohne Ausnahme der Gemeinschaft widmen;
so sind auch die Arten der Gesellschaft verschieden, und die
Gesellschaftsrechte mehr oder weniger ausgedehnt.
§.
282. Alles, was ausdrücklich zum Betrieb des gemeinschaftlichen Geschäftes
bestimmt worden ist, macht den Fond, oder Stock, das Kapital, oder den
Hauptstamm der Gesellschaft aus, das Uibrige wird als abgesondertes, jedem
einzelnen Mitgliede eigenes Gut betrachtet.
§.
283. Wenn eines der Mitglieder eine Summe Geldes, oder ein Grundstück in die
Gesellschaft bringt, das andere aber nur seine Mühe und Arbeit zum
gemeinschaftlichen Nutzen zu verwenden verspricht; so wird nicht die Summe,
oder das Grundstück, sondern bloß der daraus verschaffte Nutzen ein
gemeinschaftliches Gut: es müsste denn ausdrücklich anders bedungen worden
seyn. Wenn hingegen jedes gesellschaftliche Mitglied eine gewisse Summe in die
Gemeinschaft bringt; so wird dieses Kapital unter ihnen ein gemeinschaftliches
Eigenthum.
§.
284. Selbst wenn der Geschäftsvertrag auf das ganze Vermögen lautet; so wird
nur das gegenwärtige, nicht aber auch das künftige, wenn dieses nicht deutlich
ausgedrückt wird, darunter verstanden: wird aber auch das künftige Vermögen
mitbegriffen; so versteht man darunter nur das erworbene, nicht das ererbte:
außer es wäre beides ausdrücklich zugleich bedungen worden.
§.
285. Gesellschaftsverträge, welche sich nur auf das gegenwärtige, oder nur auf das
zukünftige Vermögen beziehen, sind ungiltig, wenn das von dem einen und dem
andern Theile eingebrachte Gut nicht ordentlich beschrieben und verzeichnet
worden ist: dergleichen Verzeichnungen allein sind zureichende Beweise der in
die Gemeinschaft gebrachten Sachen.
§.
286. Ob und wie der gesellschaftliche Vertrag, welcher die ganze Gewerbschaft
contrahirender Handelsleute betrifft, zu errichten, in die gehörigen Register
einzutragen, und öffentlich bekannt zu machen sey; dieses bestimmen die
Wechsel(-), und andere politische Verordnungen. Werden nur einzelne Geschäfte
gemeinschaftlich betrieben; so ist es genug, wenn der darüber errichtete
Vertrag in den Handlungsbüchern erscheint.
§.
287. Der Gesellschaftsvertrag gehört zwar unter die Titel ein Eigenthum zu
erwerben: die Erwerbung selbst aber und die Gemeinschaft kömmt nur durch die
ordentliche Uibergabe der Sachen zu Stande. Bewegliche Sachen werden gleich
durch die Einlage in den Gesellschaftsfond, (426) unbewegliche hingegen erst
dadurch wechselseitig übergeben, daß die Mitglieder als Miteigenthümer in die
öffentlichen Bücher eingetragen werden.
§.
288. Die Pflichten der Mitglieder werden durch den Vertrag bestimmt. Wer sich
bloß zur Arbeit verbunden hat, der ist keinen Beitrag schuldig. Wer lediglich einen
Geld(-), oder andern Beitrag bedungen hat, der hat weder die Verbindlichkeit,
noch das Recht auf eine andere Art zu dem gemeinschaftlichen Erwerbe
mitzuwirken.
§.
289. In der Regel sind alle Mitglieder verbunden, ohne Rücksicht auf ihren
größern oder geringern Antheil, zu dem gemeinschaftlichen Nutzen gleich
mitzuwirken. Keines ist befugt, diese Mitwirkung einem Dritten anzuvertrauen,
oder einen der Gesellschaft schädlichen Nebenhandel zu treiben, am wenigsten aber
ohne Einwilligung aller Mitglieder Jemanden in die Gesellschaft aufzunehmen.
§.
290. Jedes Mitglied haftet für den Schaden, den es der Gesellschaft durch sein
Verschulden zufügt. Dieser Schade läßt sich mit dem Nutzen, den es der
Gesellschaft sonst verschafft hat, keineswegs ausgleichen: hat aber ein
Mitglied durch ein eigenmächtig unternommenes neues Geschäft der Gesellschaft
von einer Seite Schaden und von der andern Nutzen verursacht; so kann eine
verhältnismäßige Ausgleichung Statt haben.
§.
291. Das Vermögen, welches nach Abzug aller Kosten über den Gesellschaftsfond
zurückbleibt, ist der Gewinn. Wenn nichts anders verabredet worden ist; haben
alle Mitglieder gleiches Recht auf den Gewinn.
§.
292. Haben einige Mitglieder den Fond allein verschaft (!), und andere die
Arbeiten geleistet; so erscheint nicht eher ein Gewinn, bis der Fond gedeckt
ist. Die Gesellschaft besteht nur in den Nutzungen, die der mit den Arbeiten
vereinigte Gebrauch des Fonds hervorbringt. Der Fond selbst bleibt ein
Eigenthum derjenigen, welche ihn beigetragen haben; außer es wäre der Werth der
Arbeiten zum Kapital geschlagen, und alles als ein gemeinschaftliches Gut
erklärt worden.
§.
293. Wenn Jemand zum Vortheil eines Dritten seine Bemühungen, oder sein Capital
aufopfert, und auf allen Gewinn Verzicht thut; so entsteht kein
Gesellschaftsvertrag, sondern eine Art von Schenkung.
§.
294. Hat die Gesellschaft ihren Fond ganz oder zum Theile verloren; so wird der
Verlust in dem Verhältnisse vertheilt, wie im entgegengesetzten Falle der Gewinn
vertheilt worden wäre. Wer kein Capital geschossen hat, kann kein Capital
verlieren: er büßt nur seine Bemühungen ein.
(427)
§. 295. Die Gesellschaft kann einem Mitgliede seiner vorzüglichen
Eigenschaften, oder Bemühungen wegen einen größern Gewinn und einen geringen
(!) Verlust bewilligen, als ihm nach seinem Antheil zukäme: nur dürfen
dergleichen Ausnahmen nicht in gesetzwidrige Handlungen ausarten.
§.
296. Gesetzwidrig würde es z. B. seyn, wenn ein Mitglied, welches der
Gesellschaft ein Kapital (!) vorschießt, einer Seits sich gegen alle Gefahr des
Verlustes, sowohl in Rücksicht des Capitals, als der Zinsen sicher stellen, und
von aller Mitwirkung befreien, anderer Seits aber dennoch einen die
gesetzmäßigen Zinsen übersteigenden Gewinn bedingen wollte. Geht ein solcher
Capitalist noch überdies nicht redlich, sondern hinterlistig zu Werke; so
bleibt er dafür verantwortlich.
§.
297. Die Mitglieder, denen die Verwaltung anvertraut ist, sind verbunden, über
den gemeinschaftlichen Fond und über die dahin gehörigen Einnahmen und Ausgaben
ordentlich Rechnung zu führen und abzulegen.
§.
298. Die Schlussrechnung und Theilung des Gewinnes, oder Verlustes kann vor
Vollendung des Geschäftes nicht gefordert werden. Betrifft es aber Geschäfte,
die auf mehrere Jahre hinausdauern, und einen jährlichen Nutzen abwerfen
sollen; so können die Mitglieder, wenn anders das Hauptgeschäft nicht darunter
leidet, jährlich sowohl die Rechnung, als die Vertheilung des Gewinnes
verlangen: übrigens kann jedes Mitglied zu jeder Zeit auf seine Kosten die
Rechnungen einsehen.
§.
299. Wer sich mit der blossen Vorlegung der Bilanz begnügt, oder auch seinem
Rechte Rechnung zu fordern entsagt hat, verliert deßwegen das Recht nicht einen
Betrug zu rügen.
§.
300. Von einer Person, die nur mit einem Theile ihres Vermögens in der
Gesellschaft steht, läßt sich ein gemeinschaftliches und ein besonderes
Vermögen annehmen: über jenes verfügt nur die Gesellschaft, über dieses nur die
Person. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein Dritter gegen die Gesellschaft
hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne
Mitglieder unterschieden werden.
§.
301. Ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung aller Mitglieder
kann die Gesellschaft einem Dritten nicht verbindlich gemacht werden. Diese
Einwilligung geben die Mitglieder entweder unmittelbar selbst, oder mittelbar
durch ihre Machthaber. Bei Handelsleuten begreift das kundgemachte, einem oder
mehreren Mitgliedern ertheilte Recht die Firma zu führen, nämlich alle Urkunden
und Schriften im Namen der Gesellschaft zu unterschreiben, schon eine
allseitige Vollmacht in sich.
§.
302. Was ein Dritter der Gesellschaft schuldig ist, darf er einem einzelnen
Mitgliede derselben nicht bezahlen, und umgekehrt.
(428)
Eben dieses gilt auch bei den Forderungen, welche ein Dritter entweder an die
ganze Gesellschaft, oder an ein einzelnes Mitglied derselben haben kann.
§.
303. Betrifft es gemeinschaftliche Forderungen und Schulden; so kann jedes
Mitglied der Gesellschaft den Schuldner nur für seinen Antheil belangen, oder
von dem Gläubiger belangt werden: außer in dem Falle, welcher bei Handelsleuten
vermuthet wird, daß Alle für Einen und Einer für Alle etwas zugesagt, oder
angenommen haben.
§.
304. Die geheimen Mitglieder einer Handlungsgesellschaft, solche nämlich,
welche ihr einen Theil des Fonds auf Gewinn und Verlust dargeliehen haben, aber
nicht als Mitglieder angekündigt worden sind, haften in keinem Fall mit mehr,
als mit dem dargeliehenen Kapital. Die kundgemachten Mitglieder haften mit ihrem
ganzen Vermögen.
§.
305. Die Gesellschaft löset sich von selbst auf, wenn das unternommene Geschäft
vollendet, wenn die ganze gemeinschaftliche Gewerbschaft zu Grunde gegangen,
oder endlich wenn die zur Dauer derselben festgesetzte Zeit verflossen ist.
§.
306. Besteht die Gesellschaft nur aus zwei Personen; so erlischt sie durch das
Absterben der einen: besteht sie aus mehreren: so wird vermuthet, daß diese sie
nach dem Tode eines Mitgliedes noch unter sich fortsetzen wollen. Diese
Vermuthung gilt überhaupt von den Erben der Handelsleute.
§.
307. Lautet der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auch auf andere Erben, als
der Handelsleute; so sind sie, sobald sie die Erbschaft antreten, verpflichtet,
sich nach dem Willen des Erblassers zu fügen: allein auf die Erbeserben
erstreckt sich dieser Wille nicht, noch weniger vermag er eine immerwährende
Gesellschaft zu stiften.
§.
308. Die gesellschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten gehen in der Regel
nicht auf die Erben eines Mitgliedes über: allein sie sind berechtigt, die
Rechnung bis auf den Tod des Erblassers zu fordern und berichtigen zu lassen.
Sie sind aber im entgegen gesetzten Falle auch verbunden Rechnungen zu geben
und zu berichtigen.
§.
309. Wenn ein Mitglied die wesentlichen Bedingungen des Vertrages nicht
erfüllt, wenn es den Fond angreift, wenn es bankerott wird, oder durch ein
Verbrechen seinen Einfluß und Credit verliert; so kann es vor Verlauf der Zeit
von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
§.
310. Wenn die Zeit zur Dauer der Gesellschaft weder ausdrücklich bestimmt
worden ist, noch aus der Natur des Geschäftes bestimmt werden kann; so mag
jedes Mitglied den Vertrag nach Willkühr aufkündigen: nur darf es nicht mit
Arglist oder zur Unzeit geschehen.
(429)
§. 311. Man kann endlich den Gesellschaftsvertrag vor Verlauf der Zeit
aufkündigen, wenn dasjenige Mitglied, von welchem der Betrieb des Geschäftes
vorzüglich abhieng, gestorben, oder ausgetreten ist.
§.
312. Die Errichtung einer Handlungsgesellschaft, ihre Aufhebung, die Aufnahme
und der Austritt ihrer Mitglieder müssen öffentlich bekannt gemacht werden. Aus
dieser Bekanntmachung wird auch die Kraft und die Dauer der Vollmachten
beurtheilt.
Zehntes
Hauptstück.
Von
Ehepacten.
§.
313. Die persönlichen Rechte der Eheleute, welche vorzüglich aus der
wesentlichen Beschaffenheit der ehelichen Gesellschaft entstehen, sind bereits
im dritten Hauptstücke des ersten Theiles festgesetzt worden. Hier werden
Sachenrechte bestimmt, die bei Gelegenheit des Ehecontractes entstehen, und
durch Nebenverträge besonders in Rücksicht auf das Heurathsgut erworben werden.
§.
314. Unter Heurathsgut, Aussteuer oder Mitgabe wird dasjenige Vermögen
verstanden, welches eine Ehegattinn ihrem Manne zur Erleichterung der
Ehestandslasten wirklich übergeben, oder wenigstens zugesichert hat.
§.
315. Wenn die Braut eigenes Vermögen besitzt und volljährig ist, so hängt es
von ihr und dem Bräutigam ab, wie sie sich wegen des Heurathsgutes und wegen
anderer wechselseitiger Gabe mit einander einverstehen wollen. Ist aber die
Braut noch minderjährig: so wird zur Giltigkeit der Ehepacten auch die
Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichtes erfordert.
§.
316. Besitzt die Braut kein eigenes zu ihrem Unterhalte hinlängliches Vermögen,
so sind Aeltern, oder Großältern nach dem Verhältniß, als sie die Kinder zu
ernähren, und zu versorgen verpflichtet sind, verbunden den Töchtern oder
Enkelinnen bei ihrer Vereheligung ein ihrem Stande und Vermögen angemessenes
Heurathsgut auszusetzen, und darüber mit dem Bräutigam zu unterhandeln.
§.
317. Wenden Aeltern oder Großältern dießfalls ihr Unvermögen vor; so tritt auf
Ansuchen der Brautleute das Gericht ins Mittel; Es untersucht, ohne doch die
innerliche Lage des Hauses zuerforschen, alle Umstände, und hält die Aeltern an,
wenigstens so viel zur Aussteuer zu bestimmen, als ihnen der fernere Unterhalt
der ledigen Tochter kosten würde.
(430)
§. 318. Hat eine Tochter ihr Heurathsgut schon erhalten, und es obschon ohne
ihr Verschulden, verloren; so ist sie nicht mehr, selbst nicht im Falle einer
zweiten Ehe, berechtigt eine neue Aussteuer zu fordern.
§.
319. Großjährige Töchter können auf ihre Aussteuer Verzicht thun: Thut nur der
Bräutigam Verzicht auf die Aussteuer; so erlischt zwar sein Recht darauf, aber
nicht das Recht seiner Ehegattin.
§.
320. Wenn die von den Aeltern bewilligte Aussteuer den Betrag des schuldigen
Unterhaltes, nicht übersteigt; so kann sie nicht mit lästigen Bedingungen zum
Nachtheile der Brautleute beschwert werden. Wird aber die Aussteuer entweder
von den Aeltern über den schuldigen Pflichttheil ausgesetzt, oder von einem
Dritten freiwillig gegeben; so müssen die beigefügten Bedingungen, wie andere
Verträge, erfüllt werden.
§.
321. Im Zweifel, ob das Heurathsgut von dem Vermögen der Aeltern oder der Braut
ausgesetzt worden sey, wird das letztere angenommen: Haben aber Aeltern das
Heurathsgut ihrer minderjährigen Tochter ohne vormundschaftliche Genehmigung
bereits ausgezahlt, so wird vermuthet, daß es die Aeltern aus eigenem Vermögen
gethan haben.
§.
322. Alles, was sich veräußern und nutzen läßt, ist zum Heurathsgute geeignet:
Wenn keine andere Zeit bedungen worden ist; so geschieht die Uibergabe
desselben noch am Tage der Trauung.
§.
323. So lang die eheliche Gesellschaft fortgesetzt wird, gehört die Nutznießung
und der Zuwachs des Heurathsgutes dem Manne zu. Besteht die Aussteuer in baarem
Gelde, in Schuldforderungen oder verzehrbaren Sachen, so gebührt ihm auch das
vollständige Eigenthum davon.
§.
324. Besteht das Heurathsgut in liegenden Gründen, in Rechten oder Fahrnissen,
welche mit Schonung der Substanz benutzt werden können; so wird die Ehegattin
solang als Eigenthümerinn desselben angesehen, als nicht bewiesen wird, daß der
Mann diese Sachen für einen bestimmten Preis übernommen, und sich nur zur Zurückgabe
dieser Preissumme verbunden hat.
§.
325. Hat sich der Ehemann schriftlich oder mündlich geäußert, daß er das
Heurathsgut empfangen habe , so ist es hinlänglich, um die geschehene Uibergabe
gegen ihn und seine Erben zu beweisen: Wird aber ein solches Geständniß erst
nach ausgebrochenen Concurse gemacht; so gereicht es den übrigen Gläubigern zu
keinem Nachttheile (!).
§.
326. Die eheliche Verbindung allein begründet noch keine Gemeinschaft der Güter
zwischen den Eheleuten. Dazu wird ein besonderer
(431)
Vertrag erfordert, nach welchem sie gleich andern Contrahenten beurtheilt
werden.
§.
327. Haben also Eheleute über die Verwendung ihres Vermögens keine besondere
Uibereinkunft getroffen; so behält jeder Ehegatte sein voriges Eigenthumsrecht,
und auf das , was ein Theil während der Ehe erwirbt, ererbt, und auf was immer
für eine Art überkömmt, hat der andere keinen Anspruch.
§.
328. Solang die Ehegattinn nicht widersprochen hat, gilt die rechtliche
Vermuthung, daß sie dem Manne als ihrem gesetzmäßigen Vertreter die Verwaltung
ihres freien Vermögens anvertraut habe. Er wird also in der Regel wie ein
anderer bevollmächtigter Sachwalter angesehen.
§.
329. Wenn kein ausdrücklicher Vertrag vorhanden ist, so haftet der Mann nur für
das Hauptgut oder Capital. Uiber die während der Verwaltung bezogenen Nutzungen
ist er keine Rechnung schuldig. Diese wird vielmehr bis auf den Tag der
aufgehobenen Verwaltung für berichtigt und abgethan angesehen.
§.
330. Eben so wenig ist die Ehegattinn verbunden den Fruchtgenuß zu verrechnen,
den sie ihrem Manne abgetretten, aber bei bestehender Ehe doch selbst bezogen
hat: zumahl da es beiden freisteht, dergleichen stillschweigend eingestandene
Verwaltungen zu widersprechen und einzustellen.
§.
331. In dringender Noth, und bei bevorstehender Gefahr kann dem Ehegatten die
Verwaltung des Vermögens, selbst wenn sie ihm ausdrücklich, und auf immer
verwilligt worden wäre, abgenommen werden. Hingegen ist auch er befugt der
muthwilligen Wirthschaft seiner Gattinn Einhalt zu thun, und sie mit
Einverständniß ihrer etwa vorhandenen nächsten Verwandten sogar als eine
Verschwenderinn erklären zu lassen.
§.
332. Weil das Heurathsgut dem Manne zur Bestreitung der Ehestandslasten
ausgesetzt worden ist, so gilt die rechtliche Vermuthung, daß solches nach dem
Tode des Mannes seiner Ehegattinn, und wenn sie vor ihm stirbt, ihren Erben
heimfalle. Sollen ihre Erben davon ausgeschlossen seyn; so muß dieses durch
einen besonderen Vertrag bedungen werden.
§.
333. Was der Bräutigam oder ein Dritter der Braut zur Sicherstellung , oder
auch zur Vermehrung des Heurathsgutes aussetzt, heißt Gegensteuer oder
Widerlage. Hiervon gebührt zwar der Ehegattinn wärend der Ehe kein Genuß:
Allein nach dem Tode des Mannes gebührt ihr ohne besondere Uibereinkunft das
freie Eigenthum darüber, wenn gleich dem Manne nach dem Tode des Weibes das
Heurathsgut nicht verschrieben worden ist.
(432)
§. 334. Weder der Bräutigam noch seine Aeltern sind verbunden eine Widerlage zu
bestimmen: Allein gleichwie die Aeltern der Braut schuldig sind ihr ein
Heurathsgut auszusetzen, so liegt es auch an den Aeltern des Bräutigams ob ihm
eine ihrem Vermögen angemessene Ausstattung zu geben. Uibrigens kann ein
Heurathsgut ohne Widerlage , wie eine Schenkung an die Braut ohne Heurathsgut
Statt finden.
§.
335. Der Mann ist nicht verpflichtet seiner neuen Gattinn am ersten Morgen nach
der Vermählung ein Geschenk, oder die sogenannte Morgengabe zu überreichen. Ist
aber die Morgengabe in einer bestimmen Summe ausdrücklich versprochen worden;
so wird vermuthet, daß sie binnen den ersten drey Jahren schon überreicht
worden sey.
§.
336. Die Gabe, welche einer Gattinn auf den Fall ihres Wittwenstandes als
Unterstützung versprochen wird, heißt Wittwengehalt, Wittthum, und wenn die
Nutzung eines liegenden Grundes dazu bestimmt wird, Leibgeding. Diese Gabe
gebührt der Wittwe gleich nach dem Tode des Mannes, und soll immer auf drei
Monate vorhinein entrichtet werden.
§.
337. Macht der Mann einen Concurs, oder wird die Ehe geschieden, so haben die
Ehepacten in Rücksicht auf den schuldlosen Theil die nämliche Wirkung, wie bei
dem Tode.
§.
338. In der Regel gebührt der Wittwe noch durch sechs Wochen nach dem Tode des
Mannes, und wenn sie schwanger ist, durch sechs Wochen nach ihrer Entbindung
die gewöhnliche Verpflegung aus der Verlassenschaft: Solang sie aber diese
Verpflegung genießt, kann sie keinen Wittwengehalt beziehen.
§.
339. Wenn die Wittwe zu einer neuen Ehe schreitet, oder gerichtlich eines
unzüchtigen Wandels überwiesen wird, so verliert sie das Recht auf den
Wittwengehalt.
§.
340. Die Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Schenkungen zwischen Eheleuten wird
nach den für die Schenkungen überhaupt bestehenden Gesetzen beurtheilt. Soll
ein Weib auf ihre Ehepacten giltig Verzicht thun; so müssen auch die noch
lebenden Mitkontrahenten, wenn sie etwas beigetragen haben, ihre Einwilligung
dazu geben.
§.
341. Was ein Mann seiner Ehegattinn an Schmuck, Edelsteinen, und anderen
Kostbarkeiten zum Putze gegeben hat, wird im Zweifel nicht für geschenkt
sondern für gelehnt angesehen.
§.
342. Wer das Heurathsgut übergibt, ist berechtigt von demjenigen, der es
empfängt, eine annehmbare Sicherstellung zu fordern. Vormünder und Curatoren
einer minderjährigen Braut können diese Sicherstellung ohne ausdrückliche
Genehmigung des obervormundschaftlichen
(433) Gerichtes nicht erlassen. Eben dieses gilt von der Widerlage, von
dem Wittwengehalt, und allen übrigen Gebühren.
§.
343. Die den Eheleuten entweder aus den Gesetze oder aus dem Vertrage
zustehenden Rechte beruhen keineswegs auf der ehelichen Beiwohnung, sondern
lediglich auf der Trauung: Es müßte denn ausdrücklich anders bedungen worden
seyn. Wird die Ehe gänzlich aufgelöset, oder für nichtig erklärt; so bleiben
dem schuldlosen Theile seine auf das Vermögen des andern Theiles redlich
bedungenen Rechte.
Eilftes
Hauptstück.
Von
Glücks(-), und Wagverträgen.
§.
344. Zufälle, die uns zum Nutzen oder zum Schaden gereichen, nennen wir Glück
oder Unglück. Wer auf einen solchen Zufall etwas zu gewinnen, oder zu verlieren
wagt, und in dieser Absicht mit einem andern einen bestimmten Preis verabredet,
schließt einen Glücks(-), oder Wagvertrag, ein gewagtes Geschäft.
§.
345. Verträge dieser Art können einseitig, oder zweiseitig verbindlich seyn,
und werden daher entweder als Schenkungen, oder als Vertauschungen beurtheilt:
als Schenkungen, wenn der Preis nur einem Kontrahenten zufällt, als Vertauschungen, wenn beiden
Kontrahenten etwas zu gut kömmt.
§.
346. Zu den gewagten Geschäften gehören überhaupt: die Wette, das Spiel, und
das Loos, insbesondere aber alle über gehoffte Rechte, oder über künftige noch
unbestimmte Sachen errichtete Kauf(-), und andere Kontrakte, ferner die
Leibrenten, die Wetter(-) und andere dergleichen Kassen, endlich die
Versicherungs(-) und Bodmereiverträge.
§.
347. Wenn ein künftiges ungewisses Ereigniß von einem Theile als
wahrscheinlich, von dem andern aber, als unwahrscheinlich angegeben, und der
Gewinn eines bestimmten Preises für denjenigen, dessen Erwartung der Zufall
entspricht, unter ihnen verabredet wird: so entsteht eine Wette. Hat der eine,
oder der andere wettende Theil von dem Ausgange schon vorher Gewißheit; so
tritt entweder Arglist, oder Verstellung ein, oder die Wette wird als eine
unbestimmte Schenkung angesehen.
§.
348. Wetten, die mit Arglist, und Verstellung erschlichen werden, so wie jene,
welche den guten Sitten, oder Gesetzen zuwiderlaufen, sind schlechterdings
ungiltig. Der bezogene Preis kann im ersten Falle von den Betrogenen selbst,
und im andern Fällen von Jedermann zum (434) Besten der Armenkasse gegen Abzug
eines Drittels zur Belohnung wenn er eine verlangt, zurückgefordert werden.
§.
349. Redliche, und sonst erlaubte Wetten sind in so weit verbindlich, als der
bedungene Preis nicht blos versprochen, sondern wirklich entrichtet, oder
hinterlegt worden, der Betrag selbst aber den Schenkungsrechten nicht zuwider
ist. Gerichtlich kann der Preis nicht eingeklagt werden.
§.
350. Wer jemanden zu einer Wette, oder zur Bezahlung eines durch eine Wette
erlittenen Verlustes Geld darleiht, dem gebührt kein Klagrecht gegen den
Entlehner; so wie demjenigen, der den Verlust schon bezahlt hat, kein
Zurückforderungsrecht gebührt.
§.
351. Unter Spielen versteht man hier solche Handlungen, welche bald zum
Zeitvertreibe, bald zur Unterhaltung, bald auch um bedungene Preise unternommen
werden, deren Gewinn entweder vom Glücke allein, oder von der Kunst allein,
oder beiden zugleich abhängt.
§.
352. Jedes Spiel ist eine Art von Wette. Die für Wetten festgesetzte Rechte
gelten also auch für Spiele. Was für Spiele verboten, wie Personen, die
verbotene Spiele treiben, und diejenigen, die ihnen dazu Unterschleif geben, zu
bestrafen seyen, dieses bestimmen die politischen Gesetze. Wer in Gefahr ist
sich durch Spielen zu Grunde zu richten, kann für einen Verschwender erklärt
werden.
§.
353. Ein Zettel, ein Stab, ein Würfel, und jedes andere Zeichen, auf dessen von
Ungefähr bestimmten Veränderung man die Erlangung eines Rechtes beruhen läßt,
wird Loos genannt.
Zielt
das Loos auf eine Wette, oder auf ein Spiel; so finden dabei die für Wetten,
und Spiele festgesetzten Rechte statt. Soll aber eine Theilung, eine Wahl, oder
eine Streitigkeit durch das Loos entschieden werden, so treten dabei alle
Rechte der übrigen Verträge ein.
§.
354. Wer aus einer vom Staate genehmigten Glücksbude, oder Lotterie gegen
Erlegung des bestimmten Preises von Loos, oder ein Zettel zieht, der kauft sich
dadurch die Hoffnung zu einem Treffer, nämlich das Recht, die auf dem Zettel
angemerkte Sache von dem Uibernehmer, oder von seinem Machthaber als Gewinn zu
fordern: Steht das Loos unter den Fehlern; so verliert er den bereits erlegten
Preis, kann aber des Geborgten wegen nicht gerichtlich belangt werden.
§.
355. Wer den künftigen Ertrag eines bestimmten Feldes, oder Weingartens mit
Bestimmung des Maaßes, der Zahl, oder des Gewichtes um einen verhältnismäßig
festgesetzten Preis kauft, schließt keinen Glücksvertrag. Kauft er aber das
Getreide, oder die Trauben überhaupt,
(435)
und in Pausch und Bogen; so macht er ein gewagtes Geschäft. Unterdessen gehören
diese Verträge nicht zu den Wetten, sondern müssen, wie andere Verträge, ohne
besondere Einschränkung erfüllt werden.
§.
356. Kann in einem solchen Falle wegen Mißwachsens, oder andere Unfälle gar keine
Aerndte, oder Weinlese vorgenommen werden; so wird der Kauf durch den Untergang
der noch nicht übergebenen Waare ganz aufgehoben: Ausgenommen es wäre
erweislich, daß nur die Hoffnung einer Aerndte, oder Weinlese der einzige
Gegenstand des Kaufes gewesen sey. Hingegen findet hier die Rechtswohlthat
wegen Verletzung über die Hälfte nicht statt.
§.
357. Der Antheil an einem Bergwerke heißt Kux. Da beim Bergbaue der Gewinn
ungewiß ist, ja öfter zur Fortsetzung der Unternehmung Zubuße erfordert wird;
so gehört der Kauf eines Kuxes zu den gewagten Verträgen. Der Verkäufer haftet
nur für die Richtigkeit des Kuxes, und der Käufer kann denselben, wenn er nicht
mehr zubüssen will, liegen lassen, oder sein Eigenthumsrecht darauf aufgeben.
§.
358. Fischern, die den Fang eines Zuges, oder eines ganzen Tages verkauft
haben, gebührt der bedungene Preis, wenn auch nichts gefangen wird. Dergleichen
Fische werden nicht als ordentlich zu erwartende Früchte, wie Getreide oder
Trauben, sondern als eine herrnlose Sache angesehen. Ausserdem verdient die zum
Fischfange verwendete, obschon vergebliche Mühe auch ihren Lohn.
§.
359. Wird zufälliger Weise ein goldenes oder silbernes Geräth, oder eine andere
Sache von Werth in dem Netze ausgehoben; so tritt der Fall eines Fundes ein, und
er wird dem Käufer, oder Verkäufer des Fanges, so wie den übrigen Mitgenossen
gemein. Nach dem Beispiele sind andere ähnliche Fälle zu entscheiden.
§.
360. Der Eigenthümer ist zwar berechtigt über seine Verlassenschaft einen
Vertrag zu schließen: Einem Dritten ist es aber nicht erlaubt seine Hoffnung
auf eine Erbschaft überhaupt oder in Rücksicht auf eine bestimmte lebende
Person zu verkaufen. Nur angetrettene, oder wenigstens angefallene Erbschaften
können verhandelt werden.
§.
361. Der Käufer einer Erbschaft tritt nicht allein in die Rechte, sondern auch
in die Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erben ein, insoweit diese käuflich,
oder verkäuflich sind. Wenn also von der Rechtswohlthat des Inventariums nicht
Gebrauch gemacht wird, ist auch der Erbschaftskauf ein gewagtes Geschäft.
§.
362. Auf Sachen, die dem Verkäufer nicht als Erben, sondern aus einem anderen
Grunde z. B als Vorausvermächtniß, als Fideikommiß,
(436)
als Substituzion, als Schuldforderung aus der Verlassenschaft gebühren, und ihm
auch ohne Erbrecht gebührt hätten, hat der Erbschaftskäufer keinen Anspruch: Es
kömmt ihm hingegen alles zu statten, was der Erbschaft selbst zuwächst, es sey
durch den Abgang eines Legatars, oder eines Miterben, oder auf was immer für
eine andere Art.
§.
363. Alles, was der Erbe als Erbe wirklich angenommen, und mit seinem schon
gehabten Vermögen vereinigt hat, wird mit zur Masse gerechnet, alles hingegen
was er aus dem Seinigen auf die Verlassenschaft verwendet hat, wird von der
Masse abgezogen. Dahin gehören einer Seits die bezogenen Früchte, und
Forderungen, anderer Seits die bezahlten Schulden, die schon abgeführten
Vermächtnisse, und wenn es nicht ausdrücklich anders verabredet worden ist,
selbst die Begräbnißkosten.
§.
364. Insoweit der Verkäufer die Verlassenschaft vor der Uibergabe verwaltet
hat, haftet er dem Käufer dafür, wie ein anderer Geschäftsträger. In
Verhältnissen aber, welche zwischen den Verlassenschaftsgläubigern, oder
Schuldnern, und zwischen dem Verkäufer bestehen, wird angenommen, daß der Käufer
als Machthaber die Person des Verkäufer vorstelle.
§.
365. Hat man bei dem Kaufe der Erbschaft ein Inventarium zum Grunde gelegt; so
haftet der Verkäufer für dasselbe. Ist der Kauf nur in Pausch und Bogen
geschehen; so haftet er erstens für die Richtigkeit seines Erbrechtes, so wie
er es angegeben hat: zweitens für allen dem Käufer durch sein Verschulden
zugefügten Schaden.
§.
366. Das Recht von Jemanden auf Lebenszeit eine jährliche Rente zu fordern kann
wie eine andere Sache verschenkt, oder vermacht werden. Wird es aber für eine
Summe Geldes erkauft, oder gegen ein anderes Kapital erhandelt, so ensteht ein
gewagtes Geschäft, der Leibrenten-Kontrakt.
§.
367. Die Dauer der Leibrente kann von dem Leben des Käufers, oder des
Verkäufers, oder auch eines Dritten abhangen. Sie wird im Zweifel vierteljährig
vorhinein entrichtet, und nimmt in allen Fällen mit dem Leben desjenigen, auf
dessen Kopf sie beruht, ihr Ende: Er mag eines natürlichen, oder gewaltthätigen
Todes sterben.
§.
368. Finden sich Gläubiger des Käufers durch diesen Kontrakt verkürzt, so sind
sie nur berechtigt auf die Leibrente ein Verbot zu legen. Selbst Kinder sind
nicht befugt einen von ihrem Vater errichteten Leibrentenkontrakt wegen
Verletzung im Pflichttheile umzustossen. Es steht ihnen aber frei die
Hinterlegung eines entbehrlichen Theiles der Rente gerichtlich zu fordern, und
sich den nöthigen Unterhalt darauf versichern zu lassen.
§.
369. Wenn mehrere Personen mit einem zusammengeschossenen Kapital unter sich
einen Fond anlegen, aus welchem entweder sie selbst im Falle der Noth, oder
ihre Gattinnen als Wittwen, oder ihre Kinder als Waisen Unterstützung zu
beziehen befugt seyn sollen, nehmen die Kontrahenten eine zwar sichere, aber
geringe Last auf sich, um allenfalls einen verhältnismäßigen Beistand zu
erhalten. Es ist ein gewagtes Geschäft, dessen Rechte nach den Regeln der
Gesellschaftsverträge beurtheilt werden.
§.
370. Wenn Jemand die Gefahr des Schadens, welcher einen Andern treffen könnte,
auf sich nimmt, und ihm gegen einen gewissen Lohn bedungenen Ersatz zu leisten
verspricht, so entsteht der Versicherungscontrakt. Der Versicherer haftet dabei
für den zufälligen Schaden, und der Versicherte für den versprochenen Lohn.
§.
371. Der gewöhnliche Gegenstand dieses Kontrakts sind Waaren, die zu Wasser,
oder zu Lande verführt werden. Es können aber auch andere Sachen, z. B. Häuser,
und Grundstücke gegen Feuer, Wasser, und andere Gefahren, es kann selbst das
Leben einer Person in so fern versichert werden, als der Verlust, welchen ihr
frühzeitiger Tod dem einen verursachen dürfte, von dem andern ersetzt werden
soll.
§.
372. Wenn der Versicherungskontrakt giltig seyn soll, so muß er schriftlich
abgefaßt oder in das Tagebuch eines beglaubigten Mäcklers eingetragen werden:
auch müssen darinn der Gegenstand des Kontraktes, die Namen der Kontrahenten,
der bedungene Lohn, und die auf den besorgten Unfall zu leistende Vergütung
ausdrücklich bestimmt werden.
§.
373. Haben die Kontrahenten noch andere Bedingungen verabredet, z. B. die
Person des Schiffers, oder des Fuhrmanns, die Zeit der Fahrt, den Ort der Aus
und Abladung, u. d. gl.; so darf der Versicherte für sich allein nicht davon
abweichen. Weicht er ab; so ist der Versicherer zu keiner Entschädigung
verbunden; obwohl er berechtigt bleibt den Versicherungslohn zu behalten.
§.
374. Ereignet sich ein Unfall; so muß der Versicherte, wenn kein
unüberwindliches Hinderniß dazwischen kömmt, oder nichts anders verabredet
worden ist, dem Versicherer in derjenigen Zeitfrist davon Nachricht geben,
welche bereits zur Annehmung eines Versprechens zwischen Abwesenden bestimmt
worden ist.
§.
375. Wer den Unfall nicht zur gehörigen Zeit anzeigt, oder denselben nicht
erweisen kann, verliert den Lohn, und hat so wenig Anspruch auf Vergütung, als
derjenige, welcher durch unterlassene Verzollung, oder durch verabsäumte
Verwahrung der Waare sich den Schaden selbst zugezogen hat.
(438)
§. 376. Der Versicherte darf durch den Verlust der Sache nicht mehr, als durch
ihre Rettung erhalten: aus diesem Grund muß der bedungene Lohn immer von dem
wahren Schätzungswerthe der zu versichernden Sache abgezogen werden. Dem
redlichen Versicherer gebührt in jedem Falle der Lohn, der Versicherte hingegen
erhält die Schadloshaltung nur, wenn sich der Unfall wirklich ereignet.
§.
377. Wenn der Untergang, oder die Rettung der Sache zur Zeit des geschlossenen
Vertrages einem der Kontrahenten schon bekannt war, so ist der Vertrag
ungiltig.
§.
378. Wenn baares Geld auf ein Schiff gegen ein Theil des Gewinnes, oder gegen
außerordentliche Zinsen mit der Bedingung geborgt wird, daß wenn das Schiff
ohne Verschulden des Darleihers zu Grunde geht, auch die Forderung der
Darleihers erloschen seyn soll, so entsteht ein Darleihensvertrag, welcher
insbesondere Bodmerei genannt wird.
§.
379. Die Bodmerei läßt sich als eine Wette, oder als ein Gesellschaftsvertrag
beurtheilen. Die weiteren Bestimmungen der Versicherungs(-) und
Bodmereiverträge sind in den Seegesetzen enthalten.
Zwölftes
Hauptstück.
Von
vermutheten Verträgen.
§.
380. Es giebt erlaubte Handlungen, welche zugleich auf die Rechte eines Andern
Einfluß haben, und aus Mangel einer wirklichen Verabredung nicht zu den wahren
Kontrakten gehören, denen aber das Gesetz in Rücksicht auf die vermuthete
Einwilligung der dabei intereßierten Partheien die Kraft eines Kontraktes
beilegt.
§.
381. Die rechtliche Vermuthung gründet sich in solchen Fällen auf einen der
folgenden unstreitigen Sätze: Erstens, daß derjenige, der ein Geschäft
unternimmt, mit den damit gewöhnlich verbundenen Folgen einverstanden sey.
Zweitens, daß Jedermann, selbst ein Unmündiger und Wahnsinniger sein Bestes
befördern lassen wolle. Drittens, daß Niemand mit dem Schaden eines Dritten zu
gewinnen denke.
§.
382. Wir sind überhaupt verpflichtet dasjenige, was ein anderer, ohne es
schenken zu wollen, zu unserm Nutzen verwendet hat, demselben zu vergüten.
Dieser hat also das Recht das zu unserm Nutzen verwendete Gut wieder von uns
zurück zu fordern. Nur was Eheleute, oder Aeltern, oder Kinder für einander
verwenden, wird im Zweifel für geschenkt angesehen.
(439) §. 383. Aus diesem Grunde wird die
freiwillige nützliche Besorgung fremder Sachen, wenn sie der Eigenthümer nicht
ausdrücklich untersagt hat, einem Vollmachtsvertrage gleichgehalten. Diese
Regel gilt in allem Fällen, in welchen Jemand Geschäfte übernimmt, deren
Verwaltung ganz, oder zum Theile zum Nutzen eines Andern gereicht.
§.
384. In solchen Fällen sind Vormünder und Kuratoren, welche ohne
vorhergegangene Verabredung das Vermögen, oder die Geschäfte unmündiger,
abwesender, oder sonst verhinderter Personen zu verwalten übernehmen. Es
entsteht dadurch ein zweiseitig verbindlicher Vertrag: ein Theil verbindet sich
die Verwaltung treu und fleißig zu führen; der andere verpflichtet sich den gemachten
nöthigen Aufwand zu ersetzen.
§.
385. Wer Geschäfte, die dem Vormünder, oder dem Kurator in dieser Eigenschaft
obliegen, nützlich verwaltet, hat das Recht entweder von diesem, oder von ihren
Pflegebefohlenen, deren Bestes er besorgt hat, die Entschädigung zu verlangen.
Dieses gilt auch in dem Falle, wenn Jemand irriger Weise geglaubt hat, daß ihm
die Vormundschaft, oder die Kuratell wirklich obliege.
§.
386. Wer eine Erbschaft antritt, von dem wird vermuthet, daß er seinen Willen
erklärt habe sowohl die Schulden der Masse, wenigstens nach Maaßgabe des
Inventariums, als auch die von dem Erblasser ausgesetzten Vermächtnisse
abzuführen. Gläubiger und Legataren haben also eben das Recht gegen den Erben,
als wenn er einen förmlichen Vertrag mit ihnen geschlossen hätte.
§.
387. In Ermanglung einer andern letztwilligen Anordnung ist der Erbe verbunden
den Erblasser anständig begraben zu lassen. Hat ein Anderer diese Pflicht auf
sich genommen, und die Begräbnißkosten auf eine dem Gebrauche des Ortes und dem
Stande und Vermögen des Verstorbenen angemessene Art bestritten; so kann er von
dem Erben den Ersatz mit eben so viel Rechte fordern, als wenn er von ihm dazu
bevollmächtigt gewesen wäre.
§.
388. Ist die Erbschaft von Niemanden angetreten worden; so gebührt demjenigen,
welcher die nöthigen Begräbnißkosten vorgeschossen hat, der Ersatz aus der
Masse. Er kann deswegen den Verwalter derselben belangen.
§.
389. Wird ein gemeinschaftliches Erb(-), oder anderes Gut von einem Miterben,
oder Mitgenossen ohne Auftrag der übrigen Interessenten verwaltet; so wird
dieser Verwalter als Machthaber angesehen. Er ist einerseits verbunden
ordentliche Rechnung abzulegen, andererseits aber befugt alle nützlich
gemachten Auslagen in Abrechnung zu bringen.
(440)
§. 390. Muß Jemand, um einen größern Schaden von sich und Andern abzuwenden,
sein Eigenthum aufopfern, so wird vermuthet, daß alle, welche Vortheil daraus
ziehen, sich durch einen Vertrag verbinden, den erlittenen Verlust
gemeinschaftlich zu tragen und denjenigen, welcher das Opfer gebracht hat,
verhältnißmäßig zu entschädigen.
§.
391. Wird z. B. ein Schiff von Seeräubern genommen, und gegen ein Lösegeld
wieder losgegeben; so tragen alle Interessenten, selbst der Herr des Schiffes
nach den Regeln des Gesellschaftsvertrages den Schaden gemeinschaftlich. Ein
anderes ist es, wenn ein Schiff geplündert wird: in diesem Falle, wo keiner
leidet, um einem gemeinschaftlichen Uibel vorzubeugen, fällt der Verlust jedem
Theilhaber der Ladung insbesondere zur Last.
§.
392. Wird hingegen ein Schiff zur Rettung erleichtert, und ein Theil der
Ladung, oder des Schiffgeräthes über Bord geworfen; so müssen alle
Interessenten, in so fern sie dadurch gewonnen haben, den Beschädigten
verhältnißmäßig entschädigen.
§.
393. Das Nämliche gilt, wenn um das Schiff zu erleichtern ein Theil der Ladung
in ein Boot gebracht worden, und zu Grunde gegangen ist: oder wenn um einige
Sachen über Bord zu werfen andere, die im Schiff geblieben, und gerettet worden
sind, dadurch Schaden leiden mußten.
§.
394. Gold, Silber, Schmuck, baares Geld, und überhaupt alles, was geschätzt
werden kann, unterliegt in einem solchen Falle dem Beitrage. Dieser wird nicht
nach der Schwere, sondern nach dem Werthe der Sachen und zwar so berechnet, daß
die angesagten und verlornen Frachtgüter nach dem Einkaufspreise, die
geretteten aber nach dem Verkaufspreise angenommen werden. Die nöthigen
Lebensmittel und Kleider kommen hier nicht in Anschlag.
§.
395. Ist das Schiff des Auswerfens ungeachtet zu Grunde gegangen; so ist der
Eigenthümer der ausgeworfenen und geborgenen Sachen keinen Beitrag mehr
schuldig. Doch bleibt das Recht, welches Jemanden auf solche geborgene Sachen
wegen der bei einem vorigen Sturm verschafften Rettung schon zugestanden ist,
in seiner Kraft.
§.
396. Ist die Gefahr des Schiffes durch Verschulden des Schiffsherrn entstanden;
so ist er vor allen verbunden den Werth der zur gemeinschaftlichen Rettung
ausgeworfenen Sachen zu ersetzen. Kann er dieses nicht; so fällt der Ersatz auf
die Eigenthümer der geretteten Sachen.
§.
397. Wann und wo die Vergütung, und Ausgleichung des Schadens, und deren
Sicherstellung auf die geretteten Stücke gefordert
(441)
werden könne, wie der Beweis des erlittenen Unfalls zu führen, und die
Berechnung in Ansehung der verlorenen und geretteten Sachen zu machen sey,
diese bestimmen die besonderen (!) Seegesetze.
§.
398. Wenn Jemanden aus Irrthum etwas geleistet wird, wozu er kein Recht hat; so
vermuthet das Gesetz, daß der Geber sich die Zurückforderung bedungen, und daß
der Empfänger in dieselbe gewilliget habe.
§.
399. Vollbrachte Handlungen lassen sich zwar nicht zurücknehmen: wenn aber
Jemand etwas gethan hat, wozu er sich ohne Entgelt verpflichtet zu seyn irriger
Weise glaubte; so ist er befugt, einen dem verschafften Nutzen angemessenen
Lohn zu fordern.
§.
400. Dieses gilt auch, wenn die Schuldforderung auf was immer für eine Art noch
ungewiß ist, oder wenn sie noch von der Erfüllung einer beigesetzten Bedingung
abhängt. Eine richtige Schuld kann aber deßwegen nicht zurückgefordert werden,
weil die Zahlungsfrist noch nicht verfallen ist: allein eine unrichtige aus
Irrthum bezahlte Schuld kann zurückgefordert werden.
§.
401. Auch Sachen, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden sind, kann der
Geber von dem Empfänger zurückfordern, wenn der rechtliche Grund sie zu
behalten aufgehört hat. Daher muß der Bräutigam, wenn die Ehe nicht zu Stande
kömmt, das vorhinein empfangene Heurathsgut, und der Seefahrer, der seiner über
Bord geworfenen Waare wieder habhaft wird, die schon erhaltene Vergütung
verhältnißmäßig zurückstellen.
§.
402. War Jemand verbunden, aus zweien Sachen nur eine, und diese nach seiner
Willkühr zu geben: und hat er aus Irrthum beide gegeben; so hängt es von ihm
ab, die eine oder die andere zurückzufordern.
§.
403. Der Empfänger wird als redlicher, oder unredlicher Besitzer angesehen, je
nachdem er den Irrthum des Gebers gewußt, oder nicht gewußt hat. Man kann ihn
schlechterdings nicht als einen Entlehner beurtheilen. Die Gefahr des Verlustes
der erhaltenen Sache trifft nur den unredlichen Besitzer. War der Empfänger
redlich; so trägt derjenige den Verlust, welcher ihm die Sache aus Irrthum
gegeben hat.
§.
404. Wer eine Zahlung leistet, von welcher er weiß, daß er sie nicht schuldig
ist, macht eine Schenkung, und ist in der Regel so wenig befugt die Zurückgabe
einzuklagen, als derjenige, welcher zur Unternehmung einer unerlaubten, oder
unmöglichen Handlung einen Vorschuß gethan hat.
(442)
§. 405. Zahlungen zu derer Eintreibung das Gesetz bloß das Klagerecht versagt, z.
B. übermäßige Zinsen, oder Spielschulden, können, wenn sie schon geleistet
worden sind, nicht mehr zurückgefordert werden, den Fall ausgenommen, in
welchem ein Pflegebefohlener, oder eine andere Person bezahlt hat, welche nicht
frei über ihr Eigenthum verfügen kann.
§.
406. Wer seine Forderung auf eine nützliche Kostenverwendung gründet, der muß
nicht nur den verschafften Nutzen, oder den abgewandten Schaden erweisen,
sondern auch darthun, daß diese Vortheile noch wirklich bestehen, oder daß der
Eigenthümer solche bezogen habe, oder wenigstens daß derselbe den nämlichen
Aufwand hätte machen müssen.
§.
407. Wer z. B. einem Sohn, dem der Vater den Unterhalt zu geben schuldig ist,
ein nothwendiges Kleidungsstück verkauft, oder das zu diesem Kleide erforderliche
Geld vorschießt, und den Verkäufer wirklich befriedigt, kann den Vater der
Bezahlung wegen belangen.
§.
408. Hat aber der Sohn den zur Kleidung erhaltenen Stoff verschleudert, oder
das zur Bezahlung des Kleides entlehnte Geld durchgebracht; so kann weder der
Borger des Stoffes, noch der Darleiher des Geldes aus dem Grunde der nützlichen
Kostenverwendung gegen den Vater klagen.
§.
409. Wenn der Kaufmann die Verfertigung des Kleides besorgt, und es dem Sohne
übergibt, ein anderer aber zur Bezahlung der vorgewiesenen Rechnung das Geld
darleiht, und indessen dem Sohne Kleid und Geld entwendet wird; so ist der
Vater verbunden, den Kaufmann, aber nicht den Darleiher zu befriedigen: weil
dieser den Kaufmann nicht selbst bezahlt hat, folglich für die nützliche Verwendung
des Geldes nicht hinlänglich besorgt gewesen ist.
§.
410. Hat sich aber der Sohn ein nothwendiges Kleid auf Borg verschafft, und ist
der Verkäufer mit dem Geld wirklich befriedigt worden; so bezahlt der Vater das
Darleihen, wenn schon das Kleid entwendet worden ist: weil in diesem Falle der
Verkäufer sowohl, als der Darleiher die nützliche Verwendung beweisen. Diese
Grundsätze sind auf alle ähnliche Fälle anzuwenden.
Dreizehntes
Hauptstück.
Von
dem Verschulden.
§.411.
Ein Verschulden im rechtlichen Sinne ist eine freie Handlung, oder
Unterlassung, welche den Zwangspflichten gegen Andere zuwider läuft.
(443)
§. 412. Begebenheiten, die keine freie Handlung, oder Unterlassung zum Grunde
haben, die nicht vorhergesehen, oder wenigstens nicht vermieden werden können,
gehören nicht unter die Verschulden: es sind Zufälle.
§.
413. Wenn sich Jemand freiwillig in einen solchen Zustand versetzt, worin er
nicht mehr frei zu handeln vermag, wenn er sich z. B. betrinkt, oder einer
heftigen Leidenschaft überlässt; so ist das, was er in diesem Zustande zum
Nachtheil eines andern thut, oder unterlässt, nicht mehr Zufall, sondern
Verschulden.
§.
414. Es gibt öffentliche und Privatverschulden, je nachdem durch eine freie
Handlung oder Unterlassung die Pflichten gegen die bürgerliche Gesellschaft
überhaupt, oder gegen einzelne Mitglieder derselben verletzt werden.
§.
415. Durch ein öffentliches Verschulden wird allzeit die darauf gesetzte Strafe
verwirkt. Ein Privatverschulden zieht die Verbindlichkeit nach sich das zugefügte
Unrecht zu heben, und den verursachten Schaden zu ersetzen. Vereinigen sich
beide Arten von Verschulden in einer einzigen Handlung; so finden Strafe und
Ersatz zugleich Platz.
§.
416. Besteht ein öffentliches Verschulden nur in einer geringen Abweichung von
der gesellschaftlichen Ordnung, oder in Vernachläßigung einer
gemeinschaftlichen Pflicht; so ist es ein Polizei- oder anderes bürgerliches
Vergehen: Wird aber die Ruhe und Sicherheit der Gesellschaft boshafter Weise,
und durch eine in den Strafgesetzen ausdrücklich bestimmte Handlung oder
Unterlassung gestört; so wird das Verschulden Verbrechen genannt.
§.
417. Uiber die Folgen der Polizei- und andere bürgerliche Vergehungen bestimmen
die politischen, die Finanz- und andere dergleichen Verordnungen. Was in
Rücksicht auf Verbrechen und derselben Bestrafung Rechtens ist, darüber
entscheidet das Strafgesetz.
§.
418. Nur wenn der Ersatz, nämlich die Ausgleichung des Unrechtes eingeklagt
wird, entscheiden die bürgerlichen Privatrechte, und die Verhandlung, wenn sie
anders nicht durch die Strafgesetze ausdrücklich dem Criminalgerichte
aufgetragen ist, gehört zu dem Civilgerichte; das Verschulden mag in
Nichterfüllung eines Vertrages oder durch anderweitige Verletzung einer Person
an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen begangen worden seyn.
§.
419. Um den Ersatz zu leisten muß entweder alles in den vorigen Zustand
zurückversetzt, oder der Schätzungswerth vergütet werden. Betrifft der Ersatz
nur den erlittenen Schaden, nämlich die Schmählerung des schon gehabten
Vermögens; so ist er eigentlich eine Schadloshaltung:
(444)
Soll er sich aber auch auf den entgangenen Gewinn, oder auf die Tilgung der
Beleidigung erstrecken; so heißt er Genugthuung.
§.
420. Jedes Verschulden rührt von einem vermeidlichen Fehler entweder des
Verstandes oder des Willens her: Von einem Fehler des Verstandes, wenn man das
nicht weiß oder bemerkt, was man wissen oder bemerken soll; von einem Fehler
des Willens, wenn man von seiner erkannten Pflicht vorsätzlich abweicht.
§.
421. Aeußert sich der Fehler von Seite des Verstandes; so heißt er ein
Versehen, eine Nachläßigkeit; äußert er sich von Seite des Willens; so heißt er
eine Bosheit.
§.
422. Das Unrecht aus Bosheit ist schwerer, als das Unrecht aus Versehen, wenn
auch übrigens der auf eine und die andere Art zugefügte Schade gleich ist. Der
böse Wille ist für die künftige Sicherheit gefährlicher, als der schwache
Verstand. Daher erstrecken sich die Vertheidigungsrechte gegen den Boshaften
weiter, als gegen den Nachläßigen: Daher strafen auch die Gesetze jenen
strenger, als diesen.
§.
423. Es gibt zwar einen höheren und einen geringeren Grad sowohl der Bosheit,
als des Versehens, und man kann sich zwischen beiden wieder viele mittlere
Grade vorstellen: Allein sie lassen sich eben so wenig genau berechnen, als
sich die mehrere oder mindere Freiheit des Handelnden bestimmen läßt.
§.
424. Das gröbste Versehen begeht überhaupt derjenige, welcher sich um die
Ausübung seiner Pflichten ganz und gar nicht bekümmert. Wer hingegen alle seine
Aufmerksamkeit darauf richtet, und alle seine Kräfte dazu anstrengt, ist auch
vom geringsten Versehen frei. Die übrigen unzähligen Grade des Versehens liegen
zwischen diesen beiden.
§.
425. Das gröbste Versehen scheint mehr ein Fehler des Willens, als des
Verstandes zu seyn. Es gränzt an die Bosheit, und wird, wenn es um Ersatz zu
thun ist, auch als Bosheit ausgelegt.
§.
426. Jedermann ist für seine Bosheit und für sein Versehen verantwortlich: für
den Zufall hingegen haftet in der Regel Niemand. Er schadet dem Eigenthümer,
ausgenommen wenn er durch eine vorhergegangene unrechtmäßige Handlung veranlaßt
worden ist, oder wenn das Gesetz oder der Vertrag etwas anderes bestimmt.
§.
427. Bei Anwendung der Strafgesetze wird auf die verschiedenen Grade der
Bosheit oder des Versehens Rücksicht genommen. Es kann geschehen, daß von
mehrern Personen, die zusammen eine rechtswidrige Handlung unternommen haben,
eine jede zu einer verschiedenen, und doch verhältnißmäßigen Strafe verurtheilt
werden müße.
(445)
§. 428. Wenn es um Ersatz und Genugthuung zu thun ist; so wird zwischen Bosheit
und Versehen dieser Unterschied gemacht, daß der Nachläßige nur zur
Schadloshaltung; der Boshafte aber auch zur Genugthuung verurtheilt wird. Auf
die Grade der Bosheit kann man keine weitere Rücksicht nehmen. Der
widerrechtlich verursachte Verlust dient allein zum Maßstabe der
Verletzungsklagen.
§.
429. Es ist unnütz und sogar bedenklich über die Grade eines schon erwiesenen
Versehens zu streiten. Die Gerechtigkeit erheischt, daß derjenige, welcher ein
noch so geringes Verschulden begangen hat, die Folgen davon eher trage, als der
Andere, welcher ohne alles Verschulden dadurch beschädigt worden ist.
§.
430. Fügt sich Jemand durch sein eigenes Verschulden Schaden zu; so trägt er
ihn allein: Sind aber beide, der Beschädiger und der Beschädigte Urheber des
Schadens; so trägt jeder die Hälfte.
§.
431. Nicht jede einem Andern nachtheilige Handlung oder Unterlassung ist
deßwegen schon ein Verschulden. Es muß ein Gesetz, oder ein Vertrag vorhanden seyn,
vermöge deren man etwas zu thun, oder zu unterlassen verbunden ist.
§.
432. Wer sich seines Rechtes bedient, und einen Andern in dem seinigen nicht
absichtlich kränkt, verschuldet nichts. Er behauptet das Recht der natürlichen
Freiheit. In so weit sind Unwissenheit und Unterlassung ohne Verschulden.
§.
433. Wer also von des Andern Thun und Lassen keine Wissenschaft hat, wer nicht
hinlängliche Leibes- oder Geisteskräfte besitzt, noch sie zu besitzen vorgiebt,
und wenn er sie besitzt, nicht besonders verbunden ist sie zum Vortheile eines
Andern anzuwenden, kann deßwegen weder einer Bosheit noch eines Versehens
beschuldigt werden. Das Verschulden setzt immer eine Zwangspflicht voraus.
§.
434. Hingegen kann sich Niemand mit vorgegebener Unwissenheit des Gesetzes oder
seiner eigenen Handlung entschuldigen. Wer sich etwas zu leisten verbunden, wer
sich zu einer Kunst, zu einem Handwerk bekannt, wer sich, ohne darum ersucht
worden zu seyn, in fremde Geschäfte gemischt hat, der ist verpflichtet, die
nöthige Aufmerksamkeit darauf zu verwenden: Unterläßt er es; so ist er dafür
verantwortlich.
§.
435. Ob bei Erfüllung eines Vertrages ein Versehen begangen worden sey oder
nicht, muß aus dem Inhalte desselben beurtheilt werden. Wer sich verbindlich
gemacht hat eine ganze Nacht zu wachen, hat ein Versehen begangen, wenn er auch
nur eine Viertelstunde geschlafen hat: Wer die Wache nur auf eine Stunde
zugesagt hat, kann ohne Verantwortung die übrige Zeit schlafen.
§.
436. Wer Jemanden auf sein Ersuchen unentgeltlich und ohne böse Absicht einen
Dienst leistet, wer etwas schenkt, verlehnt, darleiht, ein Geschäft verrichtet,
eine Sache verwahrt, aber sich zu nichts weiter anheischig macht, kann nie
eines Versehens beschuldigt werden. Es kömmt ihm eine schuldlose Unwissenheit zu
Statten. Hat er aber dabei hinterlistig gehandelt; so haftet er für den daraus
entstandenen Schaden.
§.
437. Hat sich hingegen der Geschenkgeber, der Verlehner, der Darleiher, der
Verwalter eines Geschäftes, oder der Verwahrer einer Sache zu dieser Dienstleistung
selbst angebothen, oder sich zu einer das Geschäft betreffenden Verrichtung,
Kunst, oder zu einem dergleichen Amte bekannt; so wird vermuthet, daß er von
dem Gegenstande des Geschäftes wohl unterrichtet sey. Er haftet also für den
aus seiner Nachläßigkeit entstandenen Schaden.
§.
438. Handwerker, Künstler, Rechtsfreunde, Leib- und Wundärzte, Feldmesser,
Rechnungsführer, Wirthe, Schiffer, Fuhrleute und dergleichen, verantworten den
durch ihre Nachläßigkeit verursachten Schaden auch dann noch, wenn ihre
Verwendung ohne Entgelt bedungen worden ist. Gegen das Verschulden eines
Richters beschwert man sich bei einer höhern Behörde. Diese untersucht und
beurtheilt die Beschwerde von Amtswegen.
§.
439. Wer sich ohne Beruf, ohne Vollmacht und ohne Noth in ein fremdes Geschäft
eindringt, begeht schon dadurch ein Verschulden. Er haftet nicht nur für das
Boshafte in seinem Thun und Lassen, sondern auch für die Folgen seiner
Unwissenheit, ja sogar für jeden nachtheiligen Zufall, der ohne diese unbefugte
Einmischung nicht erfolgt wäre.
§.
440. Wer bei Gelegenheit eines Brandes, einer Uiberschwemmung, einer Aufruhr
oder eines andern Nothfalles Jemanden einen Dienst geleistet hat, dem wird der
Schade, welchen er nicht verhütet hat, nicht zugerechnet: Es wäre denn, daß er
einen Andern, der noch mehr geleistet haben würde, durch seine Schuld daran
verhindert hätte. Aber auch in diesem Falle kann er den sicher verschaften
Nutzen gegen den verursachten Schaden in Rechnung bringen.
§.
441. Der Geschenknehmer, der Entlehner, der Anleiher, der Machtgeber, der
Hinterleger und überhaupt jeder, dem eine Dienstleistung zu Statten kömmt,
haben nur so viel Recht, als ihnen von dem Dienstleister durch den
unentgeldlichen Vertrag eingeräumt worden ist. Sie müssen auch ihrer Seits den
erforderlichen Fleiß anwenden. Entsteht bei diesem Geschäfte ein Schade; so
wird er im Zweifel eher ihrem Verschulden, als einem Zufalle zugeschrieben.
§.
442. Bei allen gleich anfangs zweiseitig verbindlichen Verträgen will keiner
der contrahirenden Theile etwas verschenken. Sie erwarten
(447)
gleiche Vortheile von einander, und sind dazu berechtigt. Jeder verpflichtet
sich zum gehörigen Fleiße: Wer diese Pflicht nicht erfüllt, begeht ein
Versehen, und verantwortet es.
§.
443. Auch für Verletzungen, welche ohne Beziehung auf einen Vertrag vorsätzlich
oder aus Versehen zugefügt werden, gebührt dem Verletzten ein angemessener
Ersatz, und zwar ohne Rücksicht, ob der Verletzer dießfalls noch bestrafet
werde oder nicht.
§.
444. Wer Jemanden an seinen Körper verletzt, bestreitet die Heilungskosten des
Verletzten, ersetzt ihm den entzogenen Verdienst, und bezahlt ihm auch, wenn er
es verlangt, ein billiges sogenanntes Schmerzengeld.
§.
445. Ist die verletzte Person durch die Mißhandlung verunstaltet worden; so muß,
zumal wenn sie weiblichen Geschlechtes ist, in so fern auf diesen Umstand
Rücksicht genommen werden, als ihr besseres Fortkommen dadurch verhindert
werden kann.
§.
446. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod eines Hausvaters; so
sind sein Weib und seine Kinder berechtigt, nicht nur das, was sie an ihrem
rechtmäßigen Unterhalte dadurch verlohren haben, sonder auch fernere
Schadloshaltung, und wenn die Verletzung vorsätzlich geschehen ist,
vollständige Genugthuung von dem Verletzer zu fordern. Dieses Recht haben auch
andere Personen, die aus einer solchen Verletzung Schaden leiden.
§.
447. Wer eine Weibsperson verführt, und mit ihr ein Kind zeugt, bezahlt vor
allem die Kosten der Entbindung und des Wochenbettes, und erfüllt die übrigen
im dritten Hauptstücke des ersten Theiles festgesetzten Vaterspflichten.
§.
448. Wer einen Andern durch widerrechtlichen Arrest, durch gewaltsame
Entführung, oder durch Privatgefangennehmung seiner Freiheit beraubt, ist vor
allem verpflichtet, dem Verletzten die vorige Freiheit zu verschaffen, und ihm
allen daraus erfolgten Schaden und entgangenen Nutzen zu ersetzen. Kann er ihm
die Freiheit nicht mehr verschaffen; so muß er seinem Weibe und seinen Kindern
und allen andern hierdurch beschädigten Personen wie bei der Entleibung Ersatz
leisten.
§.
449. Das Recht des guten Leumundes kann durch Beschimpfungen in Reden, in
Schriften und Abbildungen, so wie durch andere boshafte, die Ehre einer Person
kränkende Handlungen verletzt werden. Erfolgt daraus wirklicher Schade; so ist
der Verletzte berechtigt gegen den Verletzer den vollständigen Ersatz bei dem
Civilgerichte einzuklagen.
§.
450. Ist kein wirklicher Schade daraus erfolgt; so wird der Verletzer von dem
Civilgerichte mit Arrest, mit Geld oder andern Strafen gezüchtigt. Processe
werden in solchen Fällen nicht gestattet, sondern nach
(448)
gepflogener gerichtlicher Untersuchung wird ohne weiters die angemessene Strafe
erkannt.
§.
451. Zum Maßstabe der Strafe dienen außer dem Vermögensstande die gegenseitigen
Verhältnisse des Beleidigten und des Beleidigers. Diese Strafen sind außerdem
Mittel zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Sie werden, wenn
sie im Gelde bestehen, zum Beßten (!) der Armen bestimmt.
§.
452. Tritt Gefahr neuer Verletzungen ein; so kann der Verletzte auf
hinlängliche Sicherheit gegen künftige Kränkungen seiner Ehre dringen. Hierzu
dient entweder die Hinterlegung oder Verbürgung einer Summe Geldes, oder die
Androhung einer schärfern Bestrafung. Verläumdungen werden nach Inhalt des
Strafgesetzes als Verbrechen bestraft.
§.
453. Es giebt unzählige Fälle das Vermögen eines Andern zu schmählern. Der
Verletzte muß sich um die Beweismittel der aus Bosheit oder aus Versehen
geschehenen Verletzung und des daraus erfolgten Schadens soweit es thunlich
ist, bewerben.
§.
454. Wird der Schade vorsetzlich zugefügt, es mag aus Eigennutz, nämlich durch
Raub, Diebstahl, Betrug, unbefugte Gewalt, oder aus Muthwillen und
Schadenfreude geschehen, so ist der Verletzte berechtigt sowohl den Werth der
besondern Vorliebe zur Sache, als auch den entgangenen Gewinn zu fordern.
§.
455. Ist aber der Schade aus Nachläßigkeit oder schuldbarer Unwissenheit
entstanden, dadurch z. B. daß man Kinder oder Rasende nicht wohl verwahrt, daß
man sich mit Feuermachen, Wasserleiten, mit Schießen, Fahren, Reiten, Bauen,
Graben, Werfen, Ausgiessen und dergleichen unvorsichtig, oder ungeschickt
beträgt, so vergütet der Verletzer den höchsten Werth, welcher von der Zeit der
Beschädigung bis zur Zeit des Ersatzes bestanden hat.
§.
456. Kinder oder Wahnsinnige können weder einer Hinterlist, noch einer
schuldbaren Unwissenheit beschuldigt werden. Der aus ihrer Handlung entstandene
Schade, wenn sie Niemand durch ein Verschulden zum Handeln veranlaßt hat, gehört
zu den Zufällen. Weil aber der Schadenersatz sich auch auf das
Vertheidigungsrecht gründet, welches auch gegen Kinder und Wahnsinnige Statt
hat; so fällt derselbe, wenn er nicht von dem Schuldigen geleistet worden ist,
dennoch auf den Beschädiger.
§. 457.
Wird Jemand durch ein Thier verletzt, oder beschädigt; so ist derjenige dafür
verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereitzt, oder zu verwahren
vernachläßigt hat. Kann Niemand eines Verschuldens
(449)
dieser Art überwiesen werden; so wird die Verletzung oder Beschädigung für
einen Zufall gehalten.
§.
458. Wer auf seinem Grunde und Boden fremdes Vieh antrifft, ist deswegen noch
nicht berechtigt es zu tödten. Er kann es durch anpassende Gewalt verjagen,
oder wenn er dadurch Schaden gelitten hat - das Recht der Privatpfändung über
soviele Stücke Viehes ausüben - als zu seiner vollständigen Genugthuung
hinreicht. Doch muß er - wenn sich die Partheien nicht eher verglichen haben,
seine Klage binnen drei Tagen vor den Richter bringen, oder das gepfändete Vieh
zurückgeben.
§.
459. Es können einem Verletzten auch mehrere Personen verantwortlich werden:
wenn sie nämlich mit vereinigten Kräften und Willen eine unrechtmäßige Handlung
unternehmen, oder durch Bitten , Rathen, Reizen, Drohen, Befehlen, Helfen,
Verhehlen und dergleichen dazu beitragen oder wenn sie ihre besondere
Verbindlichkeit, das Uibel zu verhindern nicht erfüllen.
§.
460. Die Strafe fällt verhältnißmäßig auf alle Theilnehmer und Mitschuldige.
Der Ersatz aber wird dem Beschädigten nur einmal geleistet. Ist die Verletzung
aus Bosheit geschehen; so haften Alle für Einen und Einer für Alle: Ist sie aus
Versehen erfolgt; so ist ein Jeder nur für sich allein verantwortlich.
§.
461. Die wegen eines Verschuldens erwirkte Strafe trifft nur den Urheber, und
nicht auch seinen Erben: Allein der vollständige Schadenersatz muß auch von den
Erben geleistet werden.
Vierzehndes
Hauptstück.
Von
Rechten und Verbindlichkeiten durch Nebenpersonen, und auf Nebengebühren.
§.
462. In der Regel ist Niemand für fremde Handlungen verantwortlich. Durch
Verträge werden nur die Kontrahenten verbunden, und hat Jemand etwas
verschuldet, so wird es nur ihm, und nicht einem Schuldlosen zugerechnet.
§
463. Wenn aber das Gesetz Jemanden gestattet oder befiehlt eine andere Person
zu vertreten, oder wenn Jemand sich verbindet für die Handlungen eines Andern
zu haften; so kann eine Person der andern sowohl Rechte erwerben, als
Verbindlichkeiten auflegen.
§
464. Daß Männer ihre Weiber, Väter ihre Kinder, Vormünder und Kuratoren ihre
Pflegebefohlenen zu vertreten schuldig sehn, ist bereits im dritten, vierten
und fünften Hauptstücke des ersten Teilsbereits im dritten, vierten uind
fünften Hauptstücke des ersten Theils
(450)
festgesetzt worden. Kann nun diese Vertretung nicht statt finden ohne den
Vertretenen verbindlich zu machen; so ist auch der Vertreter berechtigt eine
solche Verbindlichkeit einzugehen.
§.
464. Wie ein Machtgeber aus eigenem Willen durch die Handlungen des Machthabers
Rechte und Verbindlichkeiten überkommen könne, ist im vierten Hauptstücke des
dritten Theiles festgesetzt worden. Hier sollen die Fälle bestimmt werden, in
welchen entweder vermöge der Vollmacht oder vermöge des Gesetzes eine Person
für die andere zu haften verbunden wird.
§.
466. Die Vollmacht hat die nämlichen Wirkungen: sie mag durch einen
Empfehlungsvertrag ohne Entgeld, oder durch einen Dingungsvertrag gegen Entgeld
gegeben oder übernomen worden seyn. Wer einem Anderen die Gewalt etwas in
seinem Namen zu thun rechtmäßig übertragen hat, wird dafür angesehen, als wenn
er es selbst gethan hätte.
§.
467. Wenn also der Eigenthümer einer Handlung, eines Schiffes, eines Kaufladens
oder eines anderen Gewerbes die Verwaltung seiner Geschäfte einem Faktor, einem
Schiffer, einem Ladendiener oder andern Geschäftsträger anvertraut; so haftet
er in soweit für sie, da sie ihre Vollmacht nicht überschritten haben.
§.
468. Ist die Verwaltung eines Geschäftes schriftlich aufgetragen worden; so
wird der Umfang der Vollmacht aus der (!) Sache gehörigen Urkunde, z. B. aus
der ordentlich kund gemachten Firma, aus Wechsel und Frachtbriefen u. d. gl.
beurtheilt.
§.
469. Ist die Vollmacht nicht schriftlich gegeben worden; so wird ihr Ursprung
aus dem Gegenstande und aus der Natur des Geschäftes beurtheilt. Wer einem
Anderen eine Verwaltung anvertraut hat, von dem wird vermuthet, daß er ihm auch
die Macht eingeräumt habe, alles dasjenige zu thun, was die Verwaltung selbst
fordert, und was gewöhnlich damit verbunden ist.
§.
470. Gestattet der Eigenthümer einer Handlung seinem Bedienten oder seinem
Lehrlinge Waaren im Laden oder außer demselben zu verkaufen; so wird vermuthet,
daß sie bevollmächtigt seyn die Bezahlung zu empfangen, und Quittungen dagegen
auszustellen.
§.
471. Die Vollmacht Waaren im Namen des Eigenthümers zu verkaufen, estreckt sich
aber nicht auf das Recht in seinem Namen Waaren einzukaufen. Auch dürfen
Fuhrleute weder den Werth der ihnen anvertrauten Güter beziehen, noch Geld
darauf borgen, wenn es nicht ausdrücklich in Frachtbriefen bestimmt worden ist.
(451)
§. 472. Herrschaften und Familienhäupter sind nicht verbunden, das , was von
ihren Dienstpersonen oder andern Hausgenossen in ihrem Namen auf Borg genommen
wird, schlechterdings zu bezahlen. Der Borger muß in solchen Fällen den
gemachten Auftrag erweisen.
§.
473. Besteht aber zwischen dem Borgnehmer und dem Borggeber ein ordentliches
Einschreibbuch, worin die ausgeborgten Sachen aufgezeichnet werden; so gilt die
Vermuthung, daß der Uiberbringer dieses Buches bevollmächtigt sey die Waare auf
Borg zu nehmen.
§.
474. Für die unerlaubten Handlungen, die der Vorsteher eines Gewerbes begeht,
ist der Eigenthümer, der nicht theil daran genommen hat, nicht verantwortlich.
Werden aber Waaren wegen Uibertretung der Zoll(-) und anderer polititischer
Gesetze verwirkt; so verliert der Eigenthümer die Waaren, und nimmt seinen
Regreß an dem Schuldigen.
§.
475. Haus(-) und Dienstherren sind in der Regel nicht verbunden den von ihren
Hausgenossen oder Diestpersonen verursachten Schaden zuersetzen. Wenn sie aber
einem bekannten Verbrecher Aufenthalt geben, oder eine Dienstperson ohne
Zeugniß aufnehmen; so haften sie für allen durch solche Leute entstandenen
Schaden.
§.
476. Wirthe, Schiffer und Fuhrleute verantworten den Schaden, welchen ihre
Dienstpersonen einem Reisenden in ihrem Hause, Schiffe, oder an der Befrachtung
verursachen. Beschädigt aber ein Reisender den andern, oder entsteht der Schade
durch Zufall; so verantworten sie nichts.
§.
477. Wird Jemand durch Herauswerfen, oder Gießen beschädigt; so haftet der
Hausbewohner, aus dessen Wohnung geworfen, oder gegossen worden ist, für den
Schaden.
§.
478. Wegen wahrscheinlicher Gefahr, daß ein Schild, ein Geschirr, oder eine
andere über einen gangbaren Platz aufgehängte, oder gestellte Sache fallen, und
die Vorübergehenden beschädigen könnte, steht noch Niemanden eine gerichtliche
Klage, wohl aber Jedermann das Recht, zu der allgemeinen Sicherheit wegen die
Gefahr bei der politischen Behörde anzuzeigen.
§.
479. Unter Nebengebühren versteht man diejenigen Forderungen, welche ein
Gläubiger von seinem Schuldner außer der Hauptschuld zuweilen einzuklagen
berechtigt ist. Sie bestehen entweder in dem Anwachse, Zuwachse, oder in den
Früchten der Hauptsache, oder in bestimmten und Zögerungszinsen, oder in dem,
was dem Andern daran liegt, nämlich in dem sogenannten Interesse, oder endlich
im Betrage der Strafe, welche ein Theil sich auf den Fall ausbedungen hat, da
der andere die Verbindlichkeit nicht erfülle.
(452)
§. 480. In wie weit mit dem Rechte auf die Sache das Recht auf den Zuwachs,
oder auf die Früchte derselben verbunden sen, ist in dem zweiten und fünften
Hauptstücke des zweiten Theiles bestimmt worden. Wegen des blossen Rechtes zur
Sache, nämlich wegen des Rechtes an eine gewisse Person hat der Berechtigte
noch keinen Anspruch auf Nebengebühren, wenn nicht ein besonderer Betrag , oder
ein nachtheiliges Verschulden vorhanden ist.
§.
481. Ein Schenkungsvertrag wird nicht im ausgedehnten, sondern im engen
Verstande genommen. Wer z. B. einen Morgen Landes verschenkt hat, ist nicht
verpflichtet auch den vor der Uibergabe durch Anschwemmung neu erhaltenen
Zuwachs zu überlassen. Er ist sogar berechtigt alle vorhandenen Früchte
einzusammeln und für sich zu behalten.
§.
482. Bei einem Tauschvertrage gebühren jedem Kontrahenten die Früchte seiner
Sache bis zur Uibergabe derselben. Hat aber ein Theil die vertauschte Sache
sammt den Früchten übergeben; so wird vermuthet, daß der andere ein Gleiches zu
thun eingewilligt habe.
§.
483. Hat bei einem Kaufvertrage der Käufer die wegen der gekauften Sache
bestehende Gefahr auf sich genommen; so gilt die Vermuthung, daß ihm auch die
Früchte derselben überlassen worden seyn (!). Hingegen ist der Käufer
verpflichtet dem Verkäufer die Nutzungen des Preises, nämlich die Zinsen zu
entrichten.
§.
484. Außer diesem Falle können Zinsen als Nebengebühren nur dann gefordert
werden, wenn entweder der Schuldner solche zugesagt, oder wenn er mit der
Entrichtung der Hauptschuld gezögert hat. Diese Nebengebühr gehört dem
Gläubiger von dem Tage der Zusage, oder von dem Tage der erfolgten Verzögerung
verhältnismäßig.
§.
485. Das Maaß der Zinsen, die auf einem Vertrage beruhen, ist in dem achten
Hauptstücke des zweiten Theiles bestimmt worden. Zögerungszinsen fallen dem
Schuldner zur Last, wenn er in der bedungenen Zahlungsfrist nicht zuhäl (!)t,
oder wenn er im Falle, daß keine Zahlungsfrist bedungen war, nach dem Tage der
geschehenen gerichtlichen Einmahnung sich nicht mit dem Gläubiger abgefunden
hat.
§.
486. Zinsen von Zinsen dürfen nie genommen werden. Hat der Gläubiger ohne
gerichtliche Einmahnung die Zinsen bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen
lassen; so erlischt das Recht von dem Kapitale weitere Zinsen zu fordern.
§.
487. Läßt sich der dem Gläubiger verursachte Schade durch Zinsen nicht
ausgleichen, z. B. wenn der Betrag gar nicht, oder nicht zur rechten Zeit
erfüllt worden ist; so kann der Gläubiger das sogenannte Interesse einklagen,
und es wird ihm der Ersatz des aus Versehen zugefügten Schadens, oder auch die
vollständige Genugthuung, nämlich die Vergütung des von dem Schuldner
vorsätzlich entzogenen Nutzens zuerkannt.
§.
488. Wollen die Kontrahenten dem Rechtstreite, welcher wegen Ausmessung des
Interesse entstehen könnte, durch Bestimmung eines Geld(-), oder andern
Betrages ausweichen; so sind sie berechtigt eine besondere Uibereinkunft
darüber zu treffen, und auf den Fall, daß entweder das Versprechen gar nicht,
oder zu spät erfüllt würde, sich eine Strafe auszubedingen.
(453)
§. 489. Doch darf der Betrag der Strafe wegen nicht erfüllten Versprechens das
erweisliche doppelte Interesse, und wegen verzögerter Zahlung die höchsten
gesetzmäßigen Zinsen nicht übersteigen. Ist das Interesse kein Gegenstand der
Schätzung; so muß es durch den Richter bestimmt werden.
Fünfzehntes
Hauptstück
Von
Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten
§.
490. Das blosse Recht zur Sache beruht nicht immer auf einem festen und sichern
Grunde. Die verpflichtete Person ist zuweilen unbekannt, oder in einem fremden
Gebiete angesessen, sie kann mittellos, sie kann flüchtig werden. Der Gläubiger
kann also auf die Sicherstellung seines Rechtes und auf die Befestigung der
Verbindlichkeit seines Schuldners dringen.
§.
491. Zuweilen begnügt er sich mit dem Ehrenworte, oder mit der eidlichen
Versicherung des Schuldners. Oefter verlangt er das Unterpfand einer anderen
Person, oder gar einer bestimmten Sache. Dadurch entstehen verschiedene
Nebenverträge.
§.
492. Durch Verpfändung seines Ehrenwortes, und selbst durch Leistung des
Eidschwures überträgt der Schuldner seinem Gläubiger noch kein neues Recht;
dergleichen Bekräftigungen sind zwar für den Verpflichteten neue Gründe zur
Erfüllung seiner Verbindlichkeit: Allein bei einem ehrlichen Schuldner sind sie
entbehrlich, und bei einem treulosen sind sie von keiner Wirkung.
§.
493. Wer hingegen die Verbindlichkeit einer andern Person zum Unterpfande
seiner Schuld stellt, der verschaft seinem Gläubiger schon ein neues Recht zur
Sache, nämlich das Recht gegen die zum Unterpfande beigetretene Person.
(454)
§. 494. Besteht das Unterpfand in einer Sache; so wird das Recht zur Sache mit
dem Rechte auf die Sache, nämlich mit dem Pfandrechte vereinigt, und dem
Gläubiger eine noch größere Sicherheit als durch eine andere Person gewährt.
§.
495. Ein Dritter kann sich dem Gläubiger für den Schuldner auf dreierlei Art
verpflichten: Einmal, wenn er allein die ganze Schuld über sich nimmt: Dann
wenn er der Verbindlichkeit als Mitschuldner eben derselben Sache unbedingt
beitritt: Endlich, wenn er sich für die Befriedigung des Gläubigers auf den
Fall verbürgt, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle.
§.
496. Durch den ersten Vertrag wird die vorige Verbindlichkeit nicht eigentlich
befestigt, sondern mit Einwilligung des Gläubigers verwechselt, und von einem
neuen Schuldner, welcher als Alleinzahler haftet,übernommen.
§.
497. Durch den zweiten Vertrag entsteht eine Gemeinschaft von mehrern
Mitschuldnern, welche, wenn keine Theilung bedungen worden ist, Alle für Einen
und Einer für Alle haften. Es hängt hier von der Willkür des Gläubigers ab, sich
an den einen oder den andern zu halten.
§.
498. Bei dem dritten Vertrage bleibt der erste Schuldner noch immer der
Hauptschuldner: Der zweite kommt nur als Nachschuldner hinzu. Dieser heißt
Bürge, und der zwischen ihm und dem Gläubiger geschlossene Vertrag wird
Bürgschaftskontrakt genannt.
§.
499. Wer beim Bürgen auf den Fall, daß derselbe durch seine Bürgschaft zu
Schaden kommen soll, Entschädignung zusagt, heißt Rückbürge. Er kann wie der
Hauptbürge unter verschiedenen Verhältnissen auch Schadloshaltungsbürge genannt
werden.
§.
500. Man kann ohne Entgeld, oder gegen Entgeld Bürgschaft leisten. In dieser
Rücksicht gehört der Bürgschaftskontrakt bald zu den einseitig, bald zu den
zweiseitig verbindlichen Verträgen.
§.
501. Wer sich dabei eine Scheinhandlung erlaubt, kann dadurch kein Recht
erwerben.
§.
502. Wer einen Schuldschein nur unterschreibt, ohne sich als Alleinzahler, oder
Mitschuldner oder Bürge zu erklären, wird als Zeuge betrachtet.
§503.
Wer sich als Bürge und Zahler unterschreibt, wird als Mitschuldner für das
Ganze angesehen: Es wäre denn, daß er sich ausdrücklich nur für einen Theil
verbindlich gemacht hätte.
(455)
§. 504. In so weit Jemand gültige Geschenke machen kann, ist er auch, und zwar
ohne Unterschied des Geschlechtes, berechtigt fremde Verbindlichkeiten auf sich
zu nehmen.
§.
505. Bürgschaftskontrakte können nicht allein über bestimmte Summen, sondern
auch über erlaubte Handlungen und Unterlassungen, nämlich in Beziehung auf das
Interesse des Sichergestellten erichtet werden. Was unerlaubt ist, läßt sich
eben so wenig giltig verbürgen, als verabreden.
§.
506. Verbindlichkeiten, welche nie zu Recht bestanden haben, oder schon
aufgehoben sind, können weder übernommen noch bekräftigt werden. Auch kann sich
der Bürge nur in soweit verpflichten, als der Hauptschuldner verpflichtet war.
§.
507. Wer sich für einen Minderjährigen oder für einen gerichtlich erklärten
Verschwender verbürgt, wird für einen ungetheilten Mitschuldner für das Ganze
angesehen.
§.
508. Die Einwendung des Selbstbedürfnisses, wodurch ein Schuldner, zumahl ein
Staatsbeamter, nach Vorschrift der Gerichtsordnung die Beihaltung des nöthigen
Unterhaltes fordern kann, kommt den Bürgen nicht zu Statten. Größer darf die
Forderung gegen den Bürgen nicht seyn, als gegen den Schuldner, aber fester und
sicherer.
§.
509. Der Bürge kann erst dann belangt werden, wenn die Klage gegen den
Hauptschuldner, oder dessen Masse gehörig geführt, und dem vorgeladenen Bürgen
dargethan wird, daß der Hauptschuldner zu zahlen unvermögens sey. Dieses gilt
auch in Ansehung des Rückbürgens.
§.
510. Hat sich der Bürge als Zahler verbunden, oder dem Rechte, daß der
Hauptschuldner zuerst belangt werden müsse, entsagt: so wird er nicht mehr als
bloßer Bürge, sondern als ungetheilter Mitschuldner behandelt. Das nämliche
findet statt, wenn der Hauptschuldner aus der Gerichtsbarkeit der
österreichischen Staaten entwichen, und der Gläubiger keiner Nachläßigkeit zu
beschuldigen ist.
§.
511. Wer die Schuld eines Andern bezahlt, tritt in die Rechte des Hauptgläubigers
ein, und ist befugt von dem befreiten Schuldner den Ersatz zu fordern. Zu
diesem Ende ist der befriedigte Hauptgläubiger verbunden dem Zahler alle
vorhandenen Rechtsbehelfe auszuliefern.
§.
512. Haben für die nämliche ganze Summe mehrere Personen Bürgschaft geleistet,
und hat eine von ihnen die ganze Schuld abgetragen; so gebührt dieser kein
Klagerecht zum Rückersatze gegen die übrigen, ausgenommen sie hätten in einer
Gemeinschaft gestanden.
(456)
§. 513. Hat der Bürge oder Zahler den Gläubiger befriedigt ohne sich mit dem
Hauptschuldner einzuverstehen; so kann dieser alles gegen ihn einwenden, was er
gegen den Gläubiger hätte einwenden können.
§.
514. Die Verbindlichkeit des Bürgens hört verhältnismäßig mit der
Verbindlichkeit des Schuldners auf. Hat sich der Bürge nur auf eine gewisse
Zeit verpflichtet; so hat die Bürgschaft nach Verlaufe derselben ihr Ende. Die
Entlassung eines Mitbürgen hingegen kommt den übrigen Mitbürgen nicht zu
Statten.
§.
515. Durch den Verlauf der Zeit, binnen welcher der Schuldner hätte zahlen
sollen, wird der Bürge, wenn auch der Gläubiger nicht auf die Befriedigung
gedrungen hat, noch nicht von seiner Bürgschaft befreit: Aber er ist befugt
sowohl gegen den Gläubiger, als gegen den
Schuldner
auf die Berichtigung der Schuld zu klagen, und die Entlassung von der
Bürgschaft zu verlangen.
§.
516. Eben dieses Recht steht dem Bürgen zu, wenn der Schuldner als übler Wirth
erscheint, wenn er sich der Absicht auszuwandern verdächtig macht, oder wenn
das verbürgte Geschäft geendet ist. Im letzten Falle kann die Abrechnung und
die Aufhebung der Bürgschaft gefordert werden.
§.
517. Ist der Bürgschaftskontrakt weder durch eine Hipothek (!), noch durch ein
Faustpfand befestigt; so erlischt er binnen drei Jahren nach dem Tode des
Bürgen, wenn der Gläubiger in der Zwischenzeit unterlassen hat von dem Erben
die Schuld gerichtlich oder außergerichtlich einzumahnen.
§.
518. Die Belangung der Bürgen ist oft Schwierigkeiten ausgesetzt. Das
Pfandrecht hingegen gewährt dem Gläubiger die beste Sicherstellung.
§.
519. Pfandkontrakt heißt derjenige Vertrag, wodurch der Schuldner, oder ein
Anderer statt seiner auf eine ihm zugehörige Sache dem Gläubiger das Pfandrecht
wirklich einräumt, und ihm also das bewegliche Pfandstück übergibt, oder das
unbewegliche durch die Pfandbücher verschreibt. Der Vertrag ein Pfand übergeben
zu wollen ist noch kein Pfandkontrakt.
§520.
Was bei Verträgen überhaupt Rechtens ist, gilt auch bei dem Pfandkontrakte. Er
ist zweiseitig verbindlich. Erfüllt der Pfandgeber die durch das Pfand
befestigte Verbindlichkeit nicht; so muß er sich gefallen lassen, daß sein
Pfand nach Vorschrift der Gerichtsordnung veräußert werde. Der Pfandnehmer muß
das Faustpfand wohl verwahren, und es nach erhaltener Befriedigung dem
Verpfänder zurückgeben: betrifft es eine Hipothek; so muß der befriedigte
Gläubiger die Löschung der Verbindlichkeit aus den Hipothekenbüchern gestatten.
(457)
§. 521. Der Faustpfandnehmer ist verbunden, dem Pfandgeber einen Pfandschein
auszustellen, und darin die unterscheidenden Kennzeichen desselben zu
beschreiben. Auch können die wesentlichen Bedingungen des Pfandkontraktes in
dem Pfandscheine angeführt werden.
§.
522. Alle der Wesenheit des Pfandkontraktes entgegenstehende Bedingungen und
Nebenverträge sind ungiltig. Dahin gehören die Verabredungen, daß nach der
Verfallzeit der Schuldforderung das Pfandstück dem Gläubiger heimfalle, daß er
es nach Willkühr, oder um einen schon vorhin bestimmten Preis veräußern könne,
daß der Schuldner das Pfand niemal einlösen, oder ein liegendes Gut keinem
Andern verschreiben dürfe.
§.
523. Der Nebenvertrag, daß dem Gläubiger der Fruchtgenuß der verpfändeten Sache
zustehen soll, ist nur in soweit giltig, als das durch das Maaß der
gesetzmäßigen Zinsen nicht überschritten wird. Daher ist der Pfandgeber
berechtigt bei dem Schluße des Geschäftes die Rechnungen zu fordern.
§.
524. Wer verbunden ist eine Sicherstellung zu leisten, muß diese
Verbindlichlichkeit durch ein Faustpfand oder durch eine Hipothek erfüllen. Nur
im Falle, daß er ein Pfand zu geben außer Stande ist, werden taugliche Bürgen
angenommen.
§.
525. Niemand ist schuldig eine Sache, die zur Sicherstellung dienen soll ,
höher als auf zwei Drittel des Schätzungswerthes zum Pfande anzunehemen. Wer
ein angemessenes Vermögen besitzt, und in dem Lande belangt werden kann, ist
ein tauglicher Bürge.
Sechtzehntes
Hauptstück.
Von
Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten
§.
526. Es hängt von dem einstimmigen Willen des Gläubigers und des Schuldners ab
ihre gegenseitigen willkührlichen Rechte und Verbindlichkeiten umzuändern oder
aufzuheben. Die Umänderung kann ohne und mit Hinzukunft einer dritten Person ,
und zwar entweder eines neuen Gläubigers oder eines neuen Schuldners geschehen.
§.
527. Die Umänderung ohne Hinzukunft einer dritten Person findet statt, wenn der
Rechtsgrund einer Schuldforderung verwechselt wird, folglich die alte
Verbindlichkeit in eine neue übergeht. Z. B. wenn ein Verkäufer dem Käufer das
Kaufgeld als ein zinsbares Darlehen überläßt.
§.
528. Eine solche Umänderung heißt Novazion, Schulderneuerung, oder
Neuerungsvertrag. Vermöge dieses Vertrages hört die vorige Haupt
verbindlichkeit auf, und die neue nimmt zugleich ihren Anfang.
(458)
§. 529. Die mit der vorigen Hauptverbindlichkeit verknüpften Bürgschafts-
Pfand- und andere Rechte werden durch den Neuerungsvertrag ohne ein besonderes
Einverständniß der Interessenten nicht erneuert, sie werden aber auch nicht
aufgehoben, sondern lassen sich, in soweit Niemanden eine neue Last zuwächst,
noch wie vorhin ausüben.
§.
530. Wird der Neuerungsvertrag für ungiltig erkannt; so bleibt die vorige
Hauptverbindlichkeit in ihrer Wirkung: Sind aber inzwischen dem Bürgen oder dem
Verpfänder die Nebenverbindlichkeiten giltig und unbedingt nachgelassen worden;
so bleiben sie ungeachtet der bestehenden Hauptverbindlichkeit aufgehoben.
§531.
Die nähere Bestimmung, wo, wann und wie eine schon vorhandene Verbindlichkeit
erfüllt werden soll, ist eben so wenig als ein Neuerungsvertrag anzusehen, als
die bloße Austellung eines neuen Schuldscheines, oder einer andern dahin
gehörigen Urkunde. Uiberhaupt wird im Zweifel die alte Verbindlichkeit nicht
für aufgelöst gehalten, solang sie mit der neuen noch wohl bestehen kann.
§.
532. Ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte
dergestalt entschieden werden, daß jede Parthei sich wechselseitig etwas zu
geben, zu thun oder zu lassen verbindet, heißt Vergleich. Der Vergleich gehört
zu den Tauschverträgen, und wird nach eben denselben Grundsätzen beurteilt.
§.
533. Uiber unstreitige Rechte oder über richterliche Sprüche, die zur
Rechtskraft erwachsen sind, läßt sich kein Vergleich errichten. Wer dem
Verpflichteten ein unstreitiges Recht wissentlich nachläßt, oder auf ein
zweifelhaftes Recht ohne Entgeld Verzicht thut, macht eine Schenkung.
§.
534. Alle Streitigkeiten, zu deren Entscheidung richterliche Hilfe angerufen
werden darf, lassen sich in der Regel auch außergerichtlich durch Vergleiche
beilegen.
§.
535. Allein es giebt zweifelhafte Fälle, welche durch einen Vergleich nicht
beigelegt werden dürfen. Dahin gehört vorzüglich der zwischen Eheleuten über
die Giltigkeit ihrer Ehe entstandene Streit. Diesen kann nur der durch das
Gesetz bestimmte Gerichtsstand entscheiden.
§.
536. Damit letztwillige Verordnungen nicht vereitelt werden, dürfen die
Partheien, welche den Inhalt eines letzten Willens bezweifeln, vor dessen
Bekanntmachung weder einen gerichtlichen noch außergerichtlichen Vergleich
darüber errichten. Eine darüber entstsndene Wette beruht auf ihrem Werthe (!).
(459)
§. 537. Vergleiche über Verbrechen und Strafen sind nur dann giltig, wenn die
Verbrechen von der Art sind, daß sie der Richter von Amtswegen nicht
untersuchen, sondern die Klage der Parthei abwarten muß.
§.
538. Vergleiche, die auf Verheimlichung anderer Verbrechen, oder auf Entgehung
der öffentlichen Strafe abzielen, sind unerlaubt, und ungiltig. Uiber die
Privatgenugthuung können sich die Partheien nach Gutbefinden vergleichen.
§.
539. Ein Vergleich, welcher über eine besondere Streitigkeit geschlossen worden
ist, erstreckt sich nicht auf andere Fälle. Selbst allgemeine, auf alle
Streitigkeiten überhaupt lautende Vergleiche sind auf solche Rechte nicht
anwendbar, auf welche Niemand denken konnte, aber die durch Betrug unterdrückt,
oder durch Hinterlist verschwiegen wurden.
§.
540. Ein redlich errichteter Vergleich kann aus dem Grunde der Verletzung über
die Hälfte nicht angefochten werden. Die Hälfte eines zweifelhaften Ganzen läßt
sich nicht bestimmen. Auch können Vergleiche überhaupt als eine Art gewagter
Verträge angesehen werden.
§.
541. Ein Irrthum in der Wesenheit der Person macht den Vergleich ungiltig. Ein
anderer Irrthum hingegen, beträfe er auch selbst die Beschaffenheit des
streitigen Rechtes, steht der Giltigkeit des Vergleiches nicht entgegen.
§.
542. Neu gefundene Urkunden, wenn sie auch den gänzlichen Mangel eines Rechtes
auf Seite einer Parthei entdeckten, können einen redlich eingegangenen
Vergleich nicht entkraften.
§.
543. Ein offener Rechnungsverstoß oder ein Fehler, welcher beim Abschluße eines
Vergleiches im Summiren oder Abziehen einer Geldsumme begangen wird, schadet
keinem der kontrahierenden Theile.
§.
544. Bürgen und Pfänder, welche zur Sicherheit des ganzen noch streitigen
Rechtes gegeben worden sind , haften auch für den Theil, der durch den
Vergleich bestimmt worden ist. Durch die Umänderung der Hauptverbindlichkeit
allein und ohne weitere Verabredung werden die Nebenverbindlichkeiten nicht
aufgehoben.
§.
545. Wenn Forderungen von einer Person an die andere übertragen, und von dieser
giltig angenommen werden; so entsteht die Umänderung des Rechtes mit Hinzukunft
eines neuen Gläubigers. Eine solche Uibereinkunft heißt Uibertretungsvertrag
(Cession) und kann mit oder ohne Entgeld geschlossen werden.
(460)
§. 546. Durch den Abtretungsvertrag entsteht nur zwischen dem Uiberträger
(Cedent) und dem Uibernehmer der Forderung, (Cessionar) nicht aber zwischen dem
leztern und dem übernommenen Schuldner (Cessus) eine neue Verbindlichkeit.
Daher ist der Schuldner, solang ihm der Uibernehmer nicht bekannt wird,
berechtigt den ersten Gläubiger zu bezahlen, oder sich sonst mit ihm
abzufinden.
§.
547. Dieses kann der Schuldner nicht mehr, sobald ihm der Uibernehmer bekannt
gemacht worden ist. Allein es bleibt ihm das Recht seine Einwürfe gegen die
Forderung anzubringen. Hat er die Forderung gegen den Uibernehmer für richtig
erkannt; so ist er verbunden denselben als seinen Gläubiger zu befriedigen.
§.
548. Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, können nicht
abgetreten werden. Schuldscheine, die auf den Uiberbringer lauten, bedürfen
keiner Ceßion (!). Uibrigens sind die Rechte des Uibernehmers mit den Rechten
des Uiberträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung eben dieselben.
$.
549. Wer eine Forderung ohne Entgeld abtritt, und also verschenkt, haftet nicht
weiter für dieselbe. Kömmt aber die Abtretung durch einen Tausch zu Stande; so
ist der Uiberträger in der Regel verbunden dem Uibernehmer nicht nur für die
Richtigkeit der Forderung sondern für die Sicherheit derselben Gewähr zu
leisten.
§.
550. Giebt der Cedent selbst die Forderung als unrichtig, oder als unsicher an;
so braucht er im ersten Falle gar nicht, und im zweiten Falle nur zum Theile
Gewähr zu leisten.
§.
551. Wer die Abtretung mit einem Verluste von zehn vom Hundert gemacht hat,
haftet weiter für keine Sicherheit. Auch haftet der Cedent nie für mehr, als
was er von dem Ceßionar erhalten hat.
§.
552. Hat der Uibernehmer einer in öffentlichen Büchern vorgemerkten Forderung
in Rücksicht auf die Sicherheit desselben die Pfandbücher einsehen können; so
gebührt keine weitere Gewährleistung. Hat der Uibernehmer eine Anfangs sichere
Forderung durch kein eigenes Versehen unsicher werden lassen; so haftet der Uiberträger
für nichts.
§.
553. Ein Versehen dieser Art begeht der Uibernehmer, wenn er die Forderung zu
rechter Zeit nicht aufkündigt, oder nach verfallener Zahlungsfrist nicht
eintreibt; wenn er die noch mögliche Sicherheit zu rechter Zeit sich zu
verschaffen versäumt, oder die gerichterliche Exekuzion zu betreiben unterläßt.
§.
554. Wenn der Schuldner an seine Stelle einen Dritten als Zahler stellt, und
den Gläubiger an ihn anweiset; so entsteht die Umänderung der Verbindlichkeit
durch die Hinzukunft eines neuen Schuldners.
(461)
§. 555. Wenn der angewiesene Gläubiger den angewiesenen Schuldner statt des
Anweisenden annimmt, und der Schuldner seine Einwilligung dazu giebt; so wird
der Anweisende von der Schuld befreiet, und es entsteht eine vollständige
Anweisung, eine Delegation.
§.
556. Solang dieser dreifache Vertrag nicht zu Stande kömmt, bleibt die
Anweisung unvollständig, und heißt Aßignation. Diese Anweisung ist nur für
diejenigen contrahirenden Theile von einer Wirksamkeit, die mit einander
einverstanden sind.
§.
557. Hat der Anweiser einem Dritten, der ihm nichts schuldig ist, die
Zahlungsleistung aufgetragen; so steht es diesem frei, die Anweisung anzunehmen
oder nicht. Nimmt er sie nicht an; so kömmt keine neue Verbindlichkeit zu
Stande: Nimmt er sie an; so entsteht ein Vertrag zwischen dem Anweiser
(Aßignant) und dem, welchen die Zahlungsleistung aufgetragen ist, (Aßignat)
aber noch nicht mit dem, welcher die Zahlung zu empfangen hat. (Aßignatar).
§.
558. Der Aßignant kann als Machtgeber eine von dem Aßignatar noch nicht
angenommene Aßignation von dem Aßignaten als Machthaber wiederrufen. In diesem
Falle ist der Aßignat nicht mehr befugt, dem Aßignatar Zahlung zu leisten.
§.
559. Hat der Aßignat seinen Willen, die von dem Aßignanten angewiesene Zahlung
zu leisten, dem Aßignator zwar erklärt, letzterer aber die Erklärung nicht
angenommen, und in die Umänderung seines Rechtes nicht gewilligt; so hat dieser
noch die Wahl die Zahlung von dem Aßignanten zu fordern, oder der Aßignation
beizustimmen.
§.
560. Hat der Aßignatar die Erklärung des Aßignaten angenommen; so findet gegen
den Aßignanten keine Forderung mehr Statt: hat aber der Aßignat zu rechter Zeit
die Zahlung nicht geleistet; so haftet der Aßignant dafür.
§.
561. Wenn der Aßignant seinem Schuldner als Aßignaten die Zahlung aufträgt, und
den Aßignatar an ihn zum Empfange anweiset; so muß der Aßignat die Schuld
entweder dem Aßignanten oder dem Aßignatar abführen. Die Aßignation gilt dem
Aßignatar als eine Abtretungsurkunde.
§. 562.
Bei der Aßignation, die zugleich eine Cession in sich begreift, ist die
Einwilligung des Aßignaten nicht nöthig. Aus diesem Grunde ist der Aßignat auch
befugt, statt des Aßignatar unmittelbar den ersten Gläubiger zu befriedigen.
Wenn aber der Aßignat die Zahlung ohne Grund verweigert, oder nachdem er sie
dem Aßignatar zugesagt hatte, damit zögert; so haftet er für die Folgen.
(462)
§. 563. Wird die Anweisung von dem Aßignaten nicht angenommen; so muß der
Aßignatar dem Aßignanten binnen vierzehn Tagen davon Nachricht geben. Diese
Frist wird von dem Tage an gerechnet, an welchem die Anweisung dem Aßignaten in
seiner Wohnung hat vorgezeigt werden können. Handelsleute halten sich lediglich
an die Wechselordnung.
Siebenzehntes
Hauptstück.
Von
Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten.
§.
564. Recht und Verbindlichkeit stehen gegeneinander in einem solchen
Verhältniss, daß die Verbindlichkeit auf der einen Seite aufgelöst wird, wenn
das Recht auf der andern aufhört, und umgekehrt. So wie die Verbindlichkeit aufgelöst
wird, ist der Verpflichtete nichts mehr schuldig.
§.
565. Hat der Berechtigte das, was ihm gebührt, wirklich erhalten; so kann er es
auf keine Art und zu keiner Zeit mehr fordern. Sein Recht ist getilgt.
Vorzüglich wird also die Verbindlichkeit aufgelöst, wenn der Verpflichtete das
leistet, was er zu leisten schuldig ist.
§.
566. Gegen seinen Willen kann weder der Gläubiger gezwungen werden etwas
anderes anzunehmen, als was er zu fordern hat, noch der Schuldner etwas anderes
zu leisten, als was er zu leisten verbunden ist. Dieses gilt auch von dem Orte,
von der Zeit, und von der Art die Verbindlichkeit zu erfüllen.
§.
567. Wenn gegenseitige Forderungen zusammentreffen, die nicht nur richtig und
gleichartig, sondern auch so beschaffen sind, daß eben dieselbe Sache, die dem
Einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem Andern
entrichtet werden kann; so entsteht eine gegenseitige Aufhebung der
Verbindlichkeiten, (Kompensation) welche selbst von Rechtswegen die
gegenseitige Zahlung bewirkt.
§.
568. Niemand ist verbunden Schulden abzutragen, die noch nicht richtig (liquid)
oder noch nicht fällig sind. Zwischen richtigen und unrichtigen Forderungen
findet also die Kompensation nicht Statt.
§.
569. Es ist aber auch kein Gläubiger verbunden eine Sache für die andere
anzunehmen. Daher lassen sich ungleichartige Sachen z. B. Wein mit Getreide,
oder bestimmte gleichartige mit unbestimmten z. B. ein auserlesenes Pferd mit
einem andern Pferde nicht gegeneinander aufheben. Entlehnte oder in Verwahrung
genommene Stücke sind überhaupt kein Gegenstand der Compensation.
(463)
§.570. Eben so wenig kann ein Schuldner seinem Gläubiger dasjenige in
Aufrechnung bringen, was dieser einem Dritten und der Dritte ihm (!) Schuldner
zu zahlen hat. Selbst eine Summe die Jemand an eine Staatskasse zu fordern hat,
kann gegen die Zahlung, die er an eine andere Staatskasse zu leisten hat, nicht
abgerechnet (!) werden.
§.
571. Nur wenn der Gläubiger und der Schuldner einverstanden sind die
Verbindlichkeit zu erneuern, oder wenn die Zahlung selbst unmöglich ist, kann
etwas anderes an Zahlung Statt gegeben werden. Diese Art etwas an Zahlungs
Statt zu geben, wird immer als ein Tauschvertrag betrachtet.
§.
572. Wer eine richtige und verfallene Schuld bezahlt, verschlimmert seinen
Zustand nicht, er verbessert ihn. Eine Person die sonst unfähig ist ihr
Vermögen zu verwalten; kann also eine solche Schuld rechtmäßig abtragen, und
sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte sie aber eine unrichtige oder noch
nicht verfallene Schuld abgetragen; so ist ihr Vormund oder Curator verbunden
das Bezahlte zurückzufordern.
§.
573. Kann und will ein Dritter statt des Schuldners mit dessen Einverständniß
bezahlen; so muß der Gläubiger die Bezahlung annehmen, und dem Zahler sein
Recht abtreten. Diese Bezahlung durch einen Dritten findet aber nicht Statt,
wenn weder der Gläubiger noch der Schuldner damit einverstanden sind.
§.
574. Der Schuldbetrag muß dem Gläubiger oder dessen Machthaber oder demjenigen
geleistet werden, den das Gericht als Eigenthümer der Sache erkannt hat. Was
Jemand an eine Person bezahlt hat, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten
darf, ist er soweit wieder zu zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht wirklich
zum Nutzen des Empfängers verwendet worden ist.
§.
575. Der Gläubiger ist nicht schuldig die Zahlung einer Schuldpost theilweise
oder auf Abschlag anzunehmen. Sind aber verschiedene Posten zu zahlen; so wird
diejenige für abgetragen gehalten, welche der Schuldner mit Einwilligung des
Gläubigers tilgen zu wollen sich ausdrücklich geäußert hat.
§.
576. Wird die Willenmeinung des Schuldners bezweifelt, oder von dem Gläubiger
widersprochen; so sollen zuerst die Zinsen, denn das Capital, von mehreren
Capitalien aber dasjenige, welches schon eingefordert oder fällig ist, und nach
diesem dasjenige, welches dem Schuldner schuldig zu bleiben am meisten
beschwerlich fällt, abgeschrieben werden.
§.
577. Wenn die Zahlungsfrist auf keine Art bestimmt worden ist; so kann dem
Schuldner keine Zögerung zur Last gelegt werden. Die
(464)
Zögerung fängt erst mit dem Tage an, an welchem die Einmachung wirklich
geschehen ist.
§.
578. In gewissen Fällen wird die Zahlungsfrist durch die Natur der Sache
bestimmt. Alimente werden wenigstens auf einen Monat vorhinein bezahlt. Stirbt
der Verpflegte während dieser Zeit; so sind dessen Erben nicht schuldig etwas
von dem vorhinein Bezahlten zurückzugeben.
§.
579. Hat der Gläubiger gezögert die Zahlung anzunehmen; so fallen die widrigen
Folgen auf ihn. Uiberhaupt wird der eine Theil wegen seiner frühern Zögerung
als schuldlos geachtet, wenn später eine Zögerung des andern Theiles dazu
kömmt.
§.
580. Kann der Schuldabtrag deswegen nicht geleistet werden, weil der Gläubiger
unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebothe unzufrieden ist; so darf der
Schuldner die abzutragende Sache, sie mag beweglich oder unbeweglich seyn, bei
Gerichte hinterlegen. Diese Hinterlegung kömmt dem Schuldabtrage gleich, sie
befreit den Schuldner von seiner Verbindlichkeit, und wälzt jede Gefahr der
hinterlegten Sache auf den Gläubiger.
§.
581. Der Zahler ist in allen Fällen berechtigt von dem Befriedigten eine
Quittung, nämlich ein schriftliches Zeugniß der erfüllten Verbindlichkeit zu
verlangen. In der Quittung muß der Name des Schuldners und des Gläubigers, so
wie der Ort, die Zeit und der Gegenstand der getilgten Schuld ausgedrückt
werden: Sie muß ferner von dem Gläubiger oder dessen Machthaber unterschrieben
seyn.
§.
582. Besitzt der Gläubiger von dem Schuldner einen Schuldbrief; so ist er außer
der Quittung verbunden denselben zurückzugeben, oder allenfalls die abgeführte
Summe auf den Schuldbrief selbst abschreiben zu lassen. Der zurückerhaltene
Schuldbrief ohne Quittung gründet für den Schuldner die rechtliche Vermuthung
der geleisteten Zahlung: Er schließt aber den Gegenbeweis nicht aus.
§.
583. Eine Quittung, die der Gläubiger dem Schuldner für eine abgetragene neuere
Schuldpost ausgestellt hat, beweiset zwar nicht, daß auch andere ältere Posten
abgetragen worden seyn: Wenn es aber gewisse Gefälle, Renten oder solche
Abgaben betrifft, welche wie Geld- Grund- oder Hauszinsen aus eben demselben
Titel und zu einer gewissen Zeit abgetragen werden sollen; so wird vermuthet,
daß derjenige, welcher sich mit der Quittung des letztverfallenen Termins
ausweiset, auch die früher verfallenen berichtigt habe.
§.
584. In allen Fällen, in welchen der Gläubiger berechtigt ist sein Recht fahren
zu lassen, sich desselben zu begeben, Verzicht darauf
(465)
zu thun, oder es einem Andern abzutreten, kann er ihm auch zum Vortheile seines
Schuldners entsagen. Durch diese Entsagung des Gläubigers wird die
Verbindlichkeit des Schuldners aufgehoben.
§.
585. Niemand kann von der nämlichen Sache zugleich Schuldner und Gläubiger
seyn. Sobald also der Eine von dem Andern eine Erbschaft macht, und ohne
Vorbehalt antritt, und so oft auf was immer für eine Art das Recht mit der
Verbindlichkeit in einer Person vereinigt wird; so erlöschen beide: Außer wenn
es dem Gläubiger noch frei steht, seine Rechte voneinander abzusondern, oder
wenn Verhältnisse von ganz verschiedener Art eintreten.
§.
586. Der gänzliche Untergang der Sache hebt die Verbindlichkeit auf, dieselbe
abzutragen: Es wäre denn, daß der Schuldner ein Versehen dabei begangen hätte,
oder daß er selbst für jeden Zufall zu haften verbunden gewesen wäre. Diese
Grundsätze gelten auch für diejenigen Fälle, in welchen die Erfüllung der
Verbindlichkeit, oder die Zahlung einer Schuld auf eine andere Art unmöglich
wird.
§.
587. Der Tod hebt weder Rechte noch Verbindlichkeiten auf. Sie gehen auf die
Erben über. Nur solche Rechte und Verbindlichkeiten, die bloß persönliche
Handlungen des Verstorbenen betreffen, erlöschen mit ihm.
Achtzehntes
Hauptstück.
Wie
Sachen ersessen und verjährt werden.
§.
588. Zu den Ursachen, aus welchen Rechte und Verbindlichkeiten erlöschen,
gehört auch der Verlauf der Zeit, auf deren Dauer sie eingeschränkt worden
sind. In einzelnen Fällen wird diese Einschränkung bald von einer letztwilligen
Verordnung, bald von einem Vertrage, bald von einem richterlichen Ausspruche;
im Allgemeinen aber von dem Gesetze allein bestimmt.
§.
589. Der Verlust eines Rechtes, welches während der vom Gesetze bestimmten Zeit
gar nicht ausgeübt worden ist, heißt Verjährung. Das auf diese Art verlohrne
Recht wird ein verjährtes Recht genannt.
§.
590. Wird das verjährte Recht Kraft des Gesetzes zugleich auf jemand Andern
übertragen; so heißt es ein ersessenes Recht. Diese Erwerbungsart heißt
eigentlich Ersitzung.
§.
591. Durch die Verjährung im eigentlichen Sinne wird ein schon bestehendes Recht
wegen des Nichtgebrauches nur aufgehoben, und also die ursprüngliche Freiheit
wieder hergestellt. Durch die Ersitzung
(466)
hingegen verliert der Eine sein Recht, weil er es nicht ausübt, und ein Anderer
erhält es vermöge des gesetzlichen Besitzes. Die Ersitzung begreift also
nothwendig die Verjährung in sich: Die Verjährung hingegen findet auch ohne
Ersitzung Statt.
§.
592. Damit das Privateigenthum nicht immer schwankend bleibe, und
Rechtsstreitigkeiten soviel möglich verhindert oder abgekürzt werden; so muß
das Gesetz die bürgerlichen Ersitzungs(-) und Verjährungsrechte einführen und
genau bestimmen..
§.
593. Jedermann, der sonst ein Eigenthum erwerben kann, mag es auch durch
Ersitzung erwerben. Es wird aber erfordert, daß er die Sache oder das Recht, die
er auf diese Art erwerben will, wirklich besitze, daß sein Besitz rechtmäßig
und redlich sey, und durch die ganze von dem Gesetze bestimmte Zeit fortgesetzt
werde.
§.
594. Die Verjährung gewährt nicht nur die Sicherheit des Eigenthums, sondern
auch das Veräußerungsrecht. Daher wird sie gegen Mündel und Pflegebefohlene,
gegen Kirchen, Gemeinden, und andere moralische Körper, gegen Verwalter des
öffentlichen Vermögens, und gegen diejenigen, welche ohne ihr Verschulden
abwesend oder sonst zu klagen verhindert sind, nicht schlechterdings gestattet.
Diesen leistet das Gesetz einen besonderen Schutz.
§.
595. Was sich erwerben läßt, kann auch ersessen werden. Sachen hingegen, welche
vermöge ihrer wesentlichen Beschaffenheit, oder vermöge der bürgerlichen Rechte
Niemand besitzen kann, ferner Sachen, welche ganz und gar unveräußerlich sind,
oder nicht erworben werden können, sind kein Gegenstand der Ersitzung.
§.
596. Aus diesem Grunde können die dem Staatsoberhaupte als Staatsoberhaupte
allein zukommende Rechte z. B. das Recht, Zölle anzulegen, Münzen zu prägen,
Steuern auszuschreiben, und andere sogenannte Majestätsrechte durch Ersitzung
nicht erworben werden. Eine in dem Privatrechte und bloß für einzelne Bürger
eingeführte Erwerbungsart läßt sich nämlich nicht auf die öffentlichen Rechte
des Staates anwenden.
§.
597. Die dem Staatsoberhaupte nicht vorbehaltenen Rechte können zwar überhaupt
von andern Staatsbürgern ersessen werden: Aber einige derselben, z. B. die
Rechte auf Waldungen, Jagden, Fischereien und dergleichen erfordern einen
längern Besitz, als den gewöhnlichen.
§.
598. Die Rechte eines Ehegatten, eines Vaters, eines Kindes und andere
persönliche Recht, die mit den Sachenrechten nichts gemein haben, sind kein
Gegenstand der Ersitzung. Doch kömmt redlichen Eheleuten, Aeltern und Kindern
die schuldlose Unwissenheit zur
(467)
einstweiligen Behauptung und Ausübung ihrer vermeinten Rechte zu Statten.
§.
599. Handlungen, welche Jedermann willkührlich ausüben, oder unterlassen kann,
z. B. sein Getreid, Brod, seinen Wein da oder dort zu kaufen, seine Waaren von
diesen oder jenen Fuhrleuten führen zu lassen, unterliegen keiner Ersitzung.
Hat aber eine Person der andern das Untersagungsrecht ausdrücklich, oder
stillschweigend eingeräumt, so fängt der Besitz gegen ihre Freiheit von dem
Augenblicke an, als sich eine Untersagung der andern gefüget hat, und es wird
dadurch, wenn alle übrigen Erfordernisse eintreffen, die Ersitzung bewirkt.
§.
600. Es kann also ein Eigenthümer seine Rechte durch undenkliche Zeiten nicht
ausüben, z. B. seine Wiese, oder sein Wasser nicht benützen, ohne daß sein
Nachbar ein Recht darüber erwerbe. Sobald ihm aber der Nachtbar untersagt auf
dieser Wiese zu grasen, oder in diesem Wasser zu fischen, und er sich das
Verboth gefallen läßt; so kann mit der Zeit das Recht des Einen verjährt und
des Anderen ersessen werden.
§.
601. Jeder Besitz, der sich auf einen solchen Titel gründet, welcher zur
Uibernahme des Eigenthumes, wenn solches dem Uibergeber gebührt hätte,
hinlänglich gewesen wäre, ist rechtmäßig und zur Ersitzung hinreichend.
Dergleichen sind das Vermächtniß, die Schenkung, das Darleihen, der Kauf und
Verkauf. Andere Titel hingegen, z. B. Verlehnen, Hinterlegen, Verpachten,
Verpfänden sind zur Ersitzung nicht hinreichend.
§.
602. Der Besitz muß redlich seyn. Weiß also der Tauschende, der Käufer, oder
der Beschenkte, daß die ihm übergebene Sache einem Dritten gehöre, oder kann er
den wahren Eigenthümer eines unbeweglichen Gutes, oder vorgemerkten Rechts aus
den öffentlichen Büchern kennen lernen; so wird er schon als ein unredlicher
Besitzer angesehen, und hat keine Anspruch auf den Beistand des Gesetzes.
§.
603. Der Besitz muß auch ächt seyn. Wenn er durch Gewalt erzwungen, bittweise
erhalten, oder heimlich erschlichen worden ist; so ist er eben deswegen schon
unredlich. Die Unredlichkeit des vorigen Besitzers hindert einen redlichen
Nachfolger nicht die Ersitzung von dem Tage seines Besitzes anzufangen.
§.
604. Bisher ist die Zeit, in welcher ein Recht entsteht, oder erlischt, nur für
einige besondere Fälle festgesetzt worden. Hier wird das in allen Fällen zur
Ersitzung, oder Verjährung nöthige Zeitmaaß überhaupt bestimmt werden. Es kömmt
dabei sowohl auf die Verschiedenheit der Sachen, als der Person an.
(468)
§. 605. Unter den dinglichen Rechten läßt sich das Besitzrecht nur mit dem
Eigenthume der besessenen Sache eigentlich ersitzen. Die Ersitzung beweglicher
Sachen, deren Eigenthum der Uibernehmer nicht gleich durch die Uibergabe
erhält, wird nach einem dreyjährigen rechtlichen Besitze vollbracht.
§.
606. Unbewegliche, auf den Namen des Besitzers in die öffentlichen Bücher
ordentlich eingetragenen Sachen werden binnen drei Jahren und sechs Wochen
ersessen. Die Gränzen der Ersitzung werden nach Maaße des vorgemerkten Besitzes
beurtheilt.
§.
607. Wo noch keine ordentlichen Vormerkungsbücher eingeführt sind, und die
Erwerbung unbeweglicher Sachen aus den Gerichtsakten und andern Urkunden zu
erweisen ist, gelangt die Ersitzung erst nach zehn Jahren zu ihrer Kraft.
§.
608. Dienstbarkeiten und andere auf fremden Boden ausgeübte besondere Rechte
werden wie das Eigenthumsrecht binnen drei Jahren und sechs Wochen ersessen.
Man rechnet die Zeit von dem Tage, an welchem der Berechtigte in öffentlichen
Büchern ordentlich vorgemerkt worden ist.
§. 609.
Solang der Berechtigte nicht vorgemerkt ist, steht ihm nur der körperliche,
aber kein rechtlicher Besitz zu. Erst nach dreißig Jahren kann ein solcher
redlicher Inhaber, auch ohne einen rechtmäßigen Titel darzuthun, die Vormerkung
fordern.
§.
610. Bei Rechten, die selten ausgeübt werden können, z. B. bei dem Rechte eine
Pfründe zu vergeben, oder Jemanden bei Herstellung einer Brücke zum Beitrage
anzuhalten, muß derjenige, welcher die Vormerkung ansucht, nebst dem Verlaufe
von dreißig Jahren, auch die in der Zwischenzeit erfolgte dreimalige Ausübung
dieses Rechtes beweisen.
§.
611. Pfand, Lehen, und hinterlegte Stücke können von Gläubigern, Entlehnern und
Verwahrern aus Mangel eines ächten, rechtmäßigen und redlichen Besitzes niemal
ersessen werden. Ihre Erben stellen die Erblasser vor, und haben nicht mehr
Titel, als dieselben. Nur dem dritten rechtmäßigen Besitzer kann die
Ersitzungszeit zu Statten kommen.
§.
612. Bewegliche Sachen, die Jemand entwendet, oder unbewegliche, deren er sich
bemächtigt hat, kann sein Erbe nie ordentlich ersitzen. Ein dritter redlicher
Besitzer solcher Sachen muß den Verlauf der gewöhnlichen Zeit doppelt abwarten.
Dieses gilt auch von geschenkten fremden Sachen.
(469)
§. 613. Auch gegen den Fiscus, d. i. gegen die Verwalter öffentlicher
Einkünfte, z. B. der Cameral(-), und Domainengüter, so wie gegen Güter der
Kirchen, Gemeinden und anderer erlaubten moralischer Körper reicht die gemeine,
ordentliche Ersitzungszeit nicht zu. Der Besitz beweglicher solcher Sachen muß
durch sechs Jahre, und der Besitz unbeweglicher Sachen, welcher in den
öffentlichen Büchern vorgemerkt ist, muß durch sechs Jahre und zwölf Wochen
fortgesetzt werden. Alle andern Rechte lassen sich nur durch den Besitz von
vierzig Jahren erwerben.
§.
614. Wer mit einer von dem Gesetze begünstigten Person in Gemeinschaft steht,
dem kömmt die nämliche Begünstigung zu Statten. Uiberhaupt haben Begünstigungen
gegen andere gleich Begünstigte ihre Wirkung.
§.
615. Der Aufenthalt des Eigenthümers außer der Provinz, in welcher sich die
Sache befindet, steht der ordentlichen Ersitzung in so weit entgegen, daß die
Zeit einer willkührlichen und schuldlosen Abwesenheit nur zur Hälfte, folglich
ein Jahr nur für sechs Monate gerechnet wird. Doch soll die Zeit nie weiter,
als bis auf dreißig Jahre zusammen verdoppelt werden. Schuldbare Abwesenheit
genießt keine Rechtswohlthat.
§.
616. In sofern jede Ersitzung eine Verjährung in sich begreift, werden beide in
einem Zeitpunkte vollbracht. Zur eigentlichen Verjährung aber, nämlich zum Verluste
eines Rechtes auf die Sache, oder zur Sache eines Dritten wegen Nichtgebrauches
werden in der Regel dreißig Jahre gefordert.
§.
617. Alle Rechte also gegen einen Dritten, die den öffentlichen Büchern nicht
einverleibt sind, doch aber in Handel und Wandel bestehen, sie mögen sich auf
einen Vertrag, oder auf ein Verschulden gründen, erlöschen durch den
dreißigjährigen Nichtgebrauch, oder durch ein so lange Zeit beobachtetes
Stillschweigen.
§.
618. Dieses gilt auch von allen auflösbaren Verbindlichkeiten,
Schuldverschreibungen und Forderungen, die in jährlichen Abgaben, Zinsen,
Renten oder gewissen Dienstleistungen bestehen. Nur in Rücksicht der (!) §.
613. begünstigten Personen werden, wie zur Ersitzung, also auch zur Verjährung
vierzig Jahre erfordert.
§.
619. In Ansehung unauflöslicher Verbindlichkeiten, z. B. der Verbindlichkeit
Kindern den unentbehrlichen Unterhalt zu verschaffen, eine gemeinschaftliche
Sache zu theilen, die Gränze zu bestimmen, u. d. gl. können auch die
entgegengesetzten Rechte nicht verjährt werden. Dieses gilt auch von der
Verbindlichkeit Steuern und Abgaben zu zahlen. Von Verbindlichkeiten dieser Art
kann man nur durch ausdrückliche giltige Begünstigungen befreit werden.
(470)
§. 620. So lang der Gläubiger das Pfand in den Händen hat, kann ihm die
unterlassene Ausübung des Pfandrechtes nicht eingewendet, und also das
Pfandrecht nicht verjährt werden. Auch das Recht des Schuldners sein Pfand
einzulösen bleibt unverjährt.
§.
621. Der Schuldner ist nicht befugt die Kraft des Gesetzes zu vereiteln, und
sich selbst eine kürzere Verjährungszeit zu bestimmen: Auch darf er die seinem
Gläubiger ausgestellten Schuldbriefe vor Verlaufe (!) dreißig Jahre nicht todt
und aberklären lassen. Sind aber Jemanden seine eigenen Urkunden verloren gegangen,
so steht es ihm frei derselben Tödtung gerichtlich anzusuchen.
§.
622. Die Löschung einer in den öffentlichen Büchern vorgemerkten Schuldpost
kann, wenn der darin benannte Gläubiger oder sein Erbe nicht einstimmt, nur
nach Verlaufe von dreißig Jahren vor sich gehen. Es steht aber dem Eigenthümer
frei die über den abgeführten Schuldbetrag erhaltene Quittung zu jeder Zeit
ordentlich eintragen zu lassen.
§.
623. Die allgemeine Regel, daß ein Recht wegen Nichtgebrauchs erst nach
Verlaufe von dreißig Jahren verloren gehe, ist nur auf diejenigen Fälle
anwendbar, für welche das Gesetz nicht schon einen kürzeren Zeitraum
ausgemessen hat.
§.
624. Die Rechte eine letztwillige Verordnung umzustossen, die Ausgleichung des
Pflichttheiles zu fordern, eine Schenkung wegen Undankbarkeit des Beschenkten
zu wiederrufen, endlich einen Tauschkontrakt wegen Verletzung über die Hälfte
aufzuheben, müssen binnen fünf Jahren ausgeübt werden. Nach Verlaufe dieser
Zeit sind sie verjährt.
§.
625. Wie lang das Wechselrecht einem Wechselbriefe anklebe, ist in der
Wechselordnung bestimmt.
§.
626. Das Klagerecht wegen erlittenen Schadens erlischt nach drei Jahren von der
Zeit an, zu welcher der Schade dem Beschädigten bekannt wurde. Ist ihm der
Schade nicht bekannt worden; so verjährt sich das Klagrecht nur nach dreißig
Jahren.
§.
627. Klagen über Injurien, die lediglich in Beschimpfungen in Worten, Schriften
oder Gabärden bestehen, können nach Verlaufe eines Jahres nicht mehr erhoben
werden. Besteht aber die Beleidigung in Thättigkeiten (!); so dauert das
Klagerecht auf Genugthuung durch drei Jahre.
§.
628. Gegen solche Personen, welche ihren Gegentheil nicht gerichtlich
aufzufordern vermögen, kann die Ersitzungs- oder Verjährungszeit nicht
anfangen. Es ist dabei gleichviel, ob das Unvermögen durch Minderjährigkeit,
oder Blödsinn solcher Personen, denen etwan kein
(471)
Vormund bestellt war, oder durch unvermeidliche und rühmliche Abwesenheit in
Civil- oder Kriegsdiensten, oder endlich durch gänzlichen Stillstand der
Rechtspflege z. B. in Pest- und Kriegszeiten entstanden sey.
§.
629. Die nämliche Ausnahme gilt auch für Ehegattinnen, Kinder und
Pflegebefohlene gegen Gatten, Aeltern und Vormünder, solange sie noch unter
ehelicher, älterlicher oder vormundschaftlicher Gewalt stehen.
§.
630. Hat aber die Ersitzungs- oder Verjährungszeit einmal angefangen; so läuft
sie auch wider alle eben bestimmte Personen fort. Doch verleiht ihnen das
Gesetz eine andere Rechtswohlthat, die Einsetzung in den vorigen Stand.
§.
631. Wer eine Sache von einem rechtmäßigen und redlichen Besitzer redlich
übernimmt, der ist als Nachfolger berechtigt die Ersitzungszeit seines
Vorfahrers mit einzurechnen. Eben dieses gilt auch von der Verjährungszeit.
Neunzehntes
Hauptstück.
Von
der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§.
632. Neben denjenigen Fällen der Wiedereinsetzung in vorigen Stand, worüber die
Gerichtsordnung die Bestimmung giebt, verleiht das Gesetz auch in einigen
besonderen Fällen denjenigen, die in ihren Rechten verkürzt worden sind, die
Rechtswohlthat der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
§.
633. Diese besondern Fälle sind: Erstens, wenn eine großjährige Person beweisen
kann, daß während ihrer Minderjährigkeit eine Handlung zu ihrem Schaden
vorgegangen ist: Zweitens, wenn Jemand daraus, daß er ohne sein Verschulden
abwesend war, verkürzt werden soll.
§.
634. Allein auch in diesen Fällen findet die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nur unter einer doppelten Bedingung statt. Einmal: Sie muß binnen zwei
Jahren nach erfolgter Großjährigkeit oder Zurückkunft gefordert werden. Dann:
die angebliche Verkürzung muß von Wichtigkeit seyn.
§.
635. Die Klage auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muß, wie eine andere
Klage, bei dem ordentlichen Richter angebracht, und von demselben beurtheilt
werden.
§.
636. Derjenige, dem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu statten kömmt,
kann verlangen, daß ihm die Sache oder das Recht in jenem Zustande, in welchem
sie sich vor der ihm schädlichen Handlung befunden haben, wieder eingeräumt,
oder dafür Ersatz geleistet werde.
(472)
§. 637. Dem Gegentheile bleiben aber alle Einwendungen vorbehalten, die ihm aus
dem redlichen Besitze zustehen.
§.
638. Erben können nur in soweit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
verbunden werden, als die in Anspruch genommenen Sachen und Rechte auf sie
gekommen sind.