Verfassung von
Frankfurt (1810)
Höchstes
Organisations-Patent der Verfassung des Großherzogthums Frankfurt.
Wir Carl von
Gottes Gnaden Fürst-Primas des
Rheinischen
Bundes, Großherzog von Frankfurt, Erzbischof von Regensburg u. a.
Des Kaisers
Napoleon kaiserl. Königl. Majestät haben Uns den 19ten Febr. d. J. gegen
Abtretung des Fürstenthums Regensburg und des Rheinschiffahrts-Octroi's auf der
rechten Rheinseite, den größten Theil der Fürstentümer Fuld und Hanau unter der
Bedingniß abzutreten geruhet, dass diese Länder nebst dem Fürstenthume
Aschaffenburg und der Stadt Frankfurt, das neue Großherzogthum Frankfurt
bilden, und nach Unserm tödtlichen Hintritte an des Vicekönigs von Italien
kaiserl. Hoheit, und sodann die männlichen Nachfolger Seines großherzoglichen
Hauses übergehen sollen.
Unsere Pflicht
erfordert, dass wir den Rest Unserer Tage dem Wohl derjenigen Länder widmen,
welche die göttliche Vorsehung und die perönlichen wohlwollenden Gesinnungen
des Kaisers Napoleon Uns anvertraut haben.
Die Bestandtheile
des Großherzogtums Frankfurt bilden nunmehr ein Ganzes. Einheit der möglich
besten Verfassung wird für diesen Staat wohlthätig und zweckmäßig seyn.
Die bestdenkbare
Staatsverfassung ist diejenige, in welcher der allgemeine Wille der Mitglieder
durch vernünftige Gesetze ausgedrückt wird, in welcher die Verwaltung der
Gerechtigkeit durch unabhängige wohlbesetzte Gerichtsstellen besorget wird, in
welcher die vollstreckende Gewalt der Hand des Fürsten ganz anvertraut ist.
In allen
Staatsverfassungen, welche aus dem Geiste des Kaisers Napoleon geflossen sind,
erkennt man Anwendungen dieser Grundsätze; allenthalben haben gewählte
Volksvertreter Einfluß auf die Annahme der Gesetze und Verwendung des
Staatsvermögens; allenthalben sind die Gerichtsstellen von dem Einf1usse
fremder Gewalt unabhängig; allenthalben ist die Vollstreckung der Gesetze
kraftvoll und wirksam, weil sie in der Hand des Regenten ist.
Unter allen
Verfassungen, welche dem Kaiser Napoleon ihr Daseyn zu danken haben, enthält
die Verfassung des Königreichs Westphalen die meisten Grundsätze, die man nach
Unserer Überzeugung auf das Wohl des Großherzogthums Frankfurt anwenden kann.
Sie ist eigenes Werk des Kaisers Napoleon, ist für einen teutschen Staat
bestimmt, hat sich bereits durch die Regierung des Königs Hieronymus Napoleon
Majestät bewährt.
Nach beschränktem
Verhältnisnissen und besonderen Localumständen fließt aus der Anwendung dieser
Grundsätze, nach Unserer Ueberzeugung, folgende Organisation Unsers Großherzogthums
Frankfurt.
§. 1. Das
Großherzogthum Frankfurt besteht:
aus der Stadt
Frankfurt und ihrem Gebiete,
aus dem
bisherigen Fürstenthume Aschaffenburg,
aus dem größten
Theile des bisherigen Fürstenthums Fuld,
dem größten
Theile des Fürstenthums Hanau,
sodann der Stadt
Wetzlar.
§. 2. Das
Großherzogthum Frankfurt macht einen Theil des rheinischen Bundes aus, dessen
Primatialwürde Uns durch die rheinische Bundesacte anvertraut ist.
§. 3, Das
Contingent des Großherzogthums Frankfurt besteht aus 2800 Mann.
§. 4. Nach Unserm
Absterben kommt das Großherzogthum Frankfurt an des Prinzen Eugen Napoleon
kaiserl. Hoheit, und dessen gerade Abstammung von Sohn zu Sohn, mit beständiger
Ausschliessung der Frauen, und Rückfall an die kaiserl. Krone, im Falle, wenn
die männliche Linie erlöschen sollte. (Alles zufolge Art. 3 des Vertrags vom
19ten Febr. 1810.)
§. 5. Sobald der
erzbischöfliche Sitz von Regensburg nach Frankfurt verlegt seyn wird: so ist
alsdann der künftige Großherzog verbunden, dem Erzbischoffe, den er zu dieser
Würde benennen wird, 60 000 Franken jährlich zu seinem Unterhalte anzuweisen.
Der Nachfolger des künftigen Großherzogs sind auf ewige Tage schuldig, diese
Verbindlichkeit zu erfüllen. (Vermöge Art. 4 des Vertrags vom 19. Febr. 1810)
§. 6. Wir
erkennen Uns verbunden, in Gemäßheit des Reichsschlusses vom Jahre 1803 die
Renten zu bezahlen, welche nach den §§. 7, 9, 14, 17, 19, 20 und 27 des
gedachten Reichsschlusses auf die Hälfte des Rhein-Octroi's angewiesen worden;
und Wir werden diese Verbindlichkeit erfüllen nach dem ausdrücklichen Inhalte
des mehr erwähnten Reichsschlusses.
Die
Spezialhypothek der Renten, welche deren Eigenthümer auf die Hälfte des
Octroi's hatten, ist für immer gegründet auf die Domainen von Fuld und Hanau.
(Vermöge Art. 6 des Vertrags vom 19ten 1810) Die Erfüllung dieser Pflicht
werden wir unmittelbar selbst besorgen.
§. 7. Die
Donationen Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen, bis auf die Summe von
600.000 Franken Renten an Domainen der Fürstenthümer Fuld und Hanau, werden von
Uns bestätiget und verbürgt.
Die Donatarien
geniessen diese Güter als wahres Eigenthum, welches binnen 10 Jahren mit keiner
neuen Auflage beschwert werden kann; auch können sie diese ihnen eigenthümlich
zugehörigen Güter verkaufen, ohne dass sie von diesem Verkaufe eine Abgabe
entrichten. (Gemäß des Vertrags vom 19ten Febr. 1810)
§.8. Wir werden
dafür sorgen, daß die Schulden, mit welchen die Länder des Großherzogthums
beschweret sind, ordentlich und richtig bezahlt werden.
§. 9. Zur
Bezahlung der Schulden, welche auf die Rente Lohneck und dem Zolle Wilzbach
hafteten, werden Wir verhältnismäßig beitrage, nebst jenen Fürsten, so in dem
Besitze der Lande sind, welche dem ehemaligen mainzer Kurstaate gehörten.
(Vermöge Art. 9 des Vertrags vom 19ten Febr. 1810).
§. 10. Wir
bestimmen auf die Tage Unsers Lebens für den Unterhalt Unseres Hofstaates und
alle damit verbundene Ausgaben an Hofpersonale, Hofdienerschaft, Tafel,
Marstall, Reisekosten, Geschenken, und Unterhalt Unserer Person eine jährliche
Summe von 350 000 Fl., welche dem Verhältnisse in jeder Hinsicht angemessen
ist. Die Summe wird vom Ertrage der Waldungen, der Domainen und anderer Gefälle
überhaupt in Quartalraten aus der Generalcasse erhoben.
§. 11. Das
Großherzogthum wird durch eine Constitution regiert, welche die Gleichheit
aller Unterthanen vor dem Gesetze und die freie Ausübung des Gottesdienstes der
verschiedenen verfassungsmäßig aufgenommenen Religionsbekenntnisse festsetzt.
§ 12. Die
besonderen Verfassungen der Provinzen, Städte und Corporationen des Großherzogthums
sind aufgehoben; ebenso die Privilegien einzelner Personen und Familien, so
weit sie mit Befolgung der Gesetze im Widerspruch stehen; durch diese
Bestimmung werden jedoch jene Befugnisse nicht aufgehoben im dem
Großherzogthume Frankfurt, welche durch die rheinische Bundesacte dem
mediatisierten Fürsten und Herren zugesichert worden.
§. 13. Die
Leibeigenschaft wird aufgehoben; alle Einwohner des Großherzogthums geniessen
gleiche Rechte.
So oft der Ertrag
der Leibeigenschaft und der dahin gehörenden Abgaben wesentlichen Beitrag zum
allgemeinen Besten leistet, soll ein andrer billiger Ersatz eintreten durch
Vertheilung hinreichender indirecten Auflagen, welche den Personenrechten der
Unterthanen minder lästig und kränkend sind.
Sollten durch Aufhebung
der Leibeigenschaft Privatpersonen verlieren; so steht ihnen der Anspruch auf
Entschädigung im Wege Rechtens offen, nach den Grundsätzen, welche im
Königreiche Westphalen eingeführt worden.
§. 14. Der Adel
besteht, wie bisher, mit seinen verschiedenen Benennungen und gebührender
Achtung, ohne daß er jedoch ein ausschliessendes Recht weder zu Aemtern,
Diensten und Würden, noch Befreiung von öffentlichen Lasten dadurch erhält.
§. 15. Es soll
ein und dasselbe Steuersystem für alle Theile des Großherzogthums seyn; die
Grundsteuer soll niemals den fünften Theil der Revenuen übersteigen.
Provisorisch bis zur Gleichstellung bleibt es bei dem gegenwärtigen Zustande
der Grundsteuer. Die Stempeltaxe und die Protocollirung (timbre et
enregistrement) werden eben so, wie in Frankreich, eingeführt. Sollte nebstdem
neuerlich in Beziehung auf Staatsbedürfnisse Vermehrung der Auflagen nöthig
werden, so sind dieselben auf indirecte und persönliche Abgaben nach Gradation
des Vermögens in verhältnißmäßig erhöhtem billigen Maasstabe anzusetzen; und im
Falle eine Kopfsteuer unvermeidlich werden sollte: so kann dies nur alsdann
geschehen, wenn hierüber mit den Ständen verfassungsmäßige Verhandlung
eingetreten seyn wird.
§. 16. Das System
von Maas und Gewicht, welches in Frankreich besteht, soll in dem ganzen
Großherzogthume eingeführt werde; welches zum Theile schon geschehen ist.
Hierüber wird noch eine besondere Instruction, nach vorhergegangener reifer
Berathung erfolgen.
§. 17. Wir werden
einen Minister des Inneren, der Justiz und Polizei, einen Minister der
Finanzen, der Domainen und des Handels und einen Minister Staatssecretair,
welchem die auswärtigen Angelegenheiten, die Beschützung des Cultus und
Aussicht über Administration der Kriegscasse anvertraut sind, ernennen. Die
Minister sind, jeder in seinem Fache, für die Vollziehung der Gesetze und
Vollstreckung der daraus fliessenden Verfügungen verantwortlich.
§. 18. Den
Vorsitz in dem Staatsrathe hat der Großherzog selbst. Die Beisitzer sind die
drei Minister und sechs Staatsräthe, deren Ernennung eben so, wie jene des
Generalsecretairs des Staatsrathes, von Uns geschieht.
§. 19. Alle
Gesetze über Auflagen, die Einführung neuer Civil- und peinlichen Gesetze
sollen in dem Staatsrathe vorbereitet, discutirt und entworfen werden.
§. 20. Die in dem
Staatsrathe entworfenen Gesetze sollen von den Ständen ernannten Commissionen
mitgetheilt werden. Jede Commission besteht aus drei Mitgliedern. Die
Commissionen sind:
die Finanzcommission,
die
Civil-Justizcommission,
eine Commission
des peinlichen Justizwesens;
welche in der
Session ernannt, und nach Verschiedenheit der Gegenstände erneuert werden.
§. 21. Die
ständischen Commissionen können discutiren über die Gesetzentwürfe mit denjenigen
Mitgliedern des Staatsrathes, welche dazu den Auftrag erhalten. Die Bemerkungen
der Commissionen werden in dem Staatsrathe unter Unserm Vorsitze gelesen, und
über nützliche Modificationen berathschlaget.
§. 22. Die
Redaction der Gesetzentwürfe soll durch zwei Mitglieder des Staatsraths den
Ständen überbracht werden, welche sodann darüber, nach angehörten Beweggründen,
berathschlagen werden.
§. 23. Der
Staatsrath hat die Verwaltungsverordnungen zu discutiren und zu entwerfen.
§. 24. Er hat
über die Streitigkeiten zu erkennen, welche sich zwischen den verwaltenden und
gerichtlichen Stellen erheben; auch hat der Staatsrath über die Frage zu
entscheiden, ob angeklagte Verwaltungsbeamte vor Gericht gestellt werden.
§. 25. Der
Staatsrath hat in Ausübung seiner Attribute eine berathende Stimme; in
Gegenständen aber, welche geeignet sind, vor das Cassationstribunal gebracht zu
werden, versieht der Staatsrath die Stelle des Cassationsgerichts. Für
streitige Fälle in Verwaltunsgssachen werden Advocaten bei demselben
angestellt.
§. 26. Die Stände
des Großherzogthums bestehen aus 20 Mitgliedern, deren 12 aus reichen
Grundeigenthümern, 4 aus reichen Kaufleuten oder Fabrikanten, 4 aus
vorzüglichen Gelehrten von den Departementscollegien ernannt werden. Sie
bekommen von dem Staate keinen Gehalt, wohl aber mäßig bestimmte Tagegelder von
jedem der Departemente.
§. 27. Sie werden
alle 3 Jahre um ein Drittel erneuert; die Austretenden können unmittelbar
wieder gewählt werden.
Der Präsident der
Stände wird von Uns ernannt. Die Stände versammeln sich auf Unsere Berufung;
ihre Versammlung kann von Uns prorogirt oder aufgelöst werden.
§. 28. Die Stände
berathschlagen über die Gesetzentwürfe, welche der Staatsrath verfasst hat.
Die gedruckten
Rechnungen der Minister sind ihnen alle Jahre vorzulegen.
Die Stände
berathschlagen über Gesetzentwürfe im geheimen Scrutinum durch absolute
Mehrheit der Stimmen.
§. 29. Das
Großherzogthum wird in Departemente, Districte und Municipalitäten eingetheilt.
Die vier
Departemente sind:
1) Die Stadt
Frankfurt und ihr Gebiet;
2) Das ehemalige
Fürstenthum Aschaffenburg;
3) der größte
Theil des ehemaligen Fürstenthums Fuld;
4) der größte
Theil des ehemaligen Fürstenthums Hanau;
welches unter
gewissen Beziehungen mit dem frankfurter Departemente in Beziehung gesetzt
wird, weil Hanau bekanntlich eine Fabrikstadt, und Frankfurt eine Handelsstadt
ist.
Für die Stadt
Wetzlar wird ein Unterpräfekt ernannt.
§. 30. In jedem
Departemente wird ein Präfecturrath errichtet zur Entscheidung der
Streitigkeiten, welche bei den Verwaltungsgegenständen vorkommen.
§. 31. Die
Mitglieder des Präfecturraths und der Präfectur-Generalsecretair werden von und
ernannt.
§. 32. Es wird in
jedem Departemente ein Departementscollegium gebildet, dessen Mitglieder ihre Stellen
lebenslänglich bekleiden. Wir werden ehestens die Mitglieder dieser
Departementscollgeien ernennen.
§. 33. Diese
Benennung wird bestehen in 2/3 der Meistbegüterten; 1/6 wird bestehen aus
den reichsten
Kaufleuten und Fabrikanten und 1/6 aus vorzüglich Gelehrten und Künstlern.
§. 34. Es kann
Niemand zum Mitglied der Departementscollegien gewählt werden, der nicht
großjährig ist.
§. 35. Die
Departementscollegien ernennen die Mitglieder der Stände. Jedes Departement
ernennt drei Güterbesitzer, einen Handelsmann oder Fabrikanten, einen Gelehrten
oder Künstler.
§. 36. Es wird
auch in jedem Departemente ein General-Departementsrath seyn. Zu jeder
Ernennung werden Uns von den Departementscollegien zwei Candidaten (deren einer
Mitglied der Departementscollegien seyn darf) vorgeschlagen.
Eben so werden
Uns von den Departementscollegien die Municipalräthe vorgeschlagen.
Die Mitglieder
der Departements- sowohl als Municipalräthe werden alle zwei Jahre zur Hälfte
erneuert.
§. 37. Die
Einführung des Codex Napoleon vom 1sten Jänner 1811 an ist bereits von Uns für
das Großherzogthum verordnet worden.
§. 38. Die
Gerichtsstellen in Civil- und Crirninalsachen bestehen provisorisch, wie
bisher.
§. 39. Der
gerichtliche Stand ist unabhängig. Die Richter werden von Uns ernannt.
§. 40. Die
Urtheile der Gerichtshöfe werden in Unserm Namen ausgesprochen. Wir behalten
Uns das Recht vor, die Criminalstrafen zu mildern oder zu erlassen.
§. 41. Die
Militärconscription ist ein Grundgesetz des Großherzogthums Frankfurt.
§. 42. In dem
Großherzogthum sind die Ministerien der Justiz, der Polizei und des Innern in
einer Person vereinigt. Als Minister der Justiz wachet derselbe auf den
gesetzmäßigen, festen und unpartheiischen Geschäftsgang sämmtlicher
JustizsteIlen; als Minister der Polizei und des Innern stehen in dahin
gehörigen Gegenständen die Präfecte der Departemente unmittelbar unter ihm; so
wie dann die Präfecte mit jedem Minister in Verbindung stehen, und von ihm in
seinem Wirkungskreise Weisungen erhalten. Die Präfecte besorgen die
Vollstreckung der Gesetze, können aber dieselben nicht überschreiten. Jedem
liegen ob in seinem Departemente Aufsicht über Erziehung, Ackerbau und Gewerbe,
milde Stiftungen, Armenanstalten, Gemeinheitswälder, Wege, Gemeingüter,
Sicherheit des Cultus, Mitwirkung bei der Aushebung der Milizen und Sicherheit
der Steuerregister.
Der Präfect
theilt dem Generaldepartementsrathe jährlich die Darstellung desjenigen mit,
was binnen Jahresfrist im Departemente geschehen, und zu dessen Wohl zustande
gekommen ist.
Aus besonderer
Vorliebe für Künste und Wissenschaften behalten Wir Uns, wie bisher,
unmittelbar vor, die Leitung der aschaffenburger Universitätsgeschäfte und des
frankfurter Kunstmuseums, desgleichen auch der aschaffenburger Bibliotheken und
Unserer Gemäldesammlung. Wir werden jedoch auch hierüber, unter Berathung mit
Unserm Minister des Innern, das Nähere noch bestimmen.
§. 43. Unter das
Finanzministerium gehören die Domainen, der öffentliche Schatz, Handlung,
Fabriken, und Ermunterung der Künste.
Der Finanzminister
hat die Oberaufsicht über die Generalcasse, in welche alle Einnahmen des Staats
fliessen, dessen Ausgaben daraus verwendet und den Ständen verrechnet werden.
Den
Generalcassierer ernennen Wir selbst, dessen Cassecontrolleur und Einnehmer in
den Departementen bringt Unser Finanzminister zum Vorschlage.
Insbesondere
stehen auch unter der Oberaufsicht des Finanzministeriums die directen und
indirecten Steuern, Zölle, Posten, Schifffahrt, Chausseen, Regalien, Lotterien,
Lombard, Münzen, Berg-, Salz- und Hüttenwerke, Mineralwässer und alle
Gegenstände, welche dem öffentlichen Schatze ein Einkommen geben; so wie
derselbe auch das Präsidium der Handelskammer führt.
In Betreff der
gedachten Gegenstände ertheilt er die zweckmäßigen Weisungen an die Präfecte,
welche hierin auch an ihn angewiesen sind.
§. 44. In der
Person Unsers Minister-Staatssecretairs sind vereiniget das Ministerium
auswärtiger Angelegenheiten, die Beschützung des ungestörten Cultus, die
Besorgung der Militair-Sold- und Verpflegungsadministration, und die
Ausfertigung sämmtlicher großherzoglicher Entschliessungen.
§. 45. Jeder
Minister referirt unmittelbar an den Großherzog über jene Gegenstände, die nach
der bestehenden Verfassung und nach schon bestimmten gesetzlichen Normen in
seinem Wirkungskreise zu besorgen oder zu entscheiden vorkommen. Wenn hingegen
etwa Neues darin bestimmt, vorgeschrieben, oder eine Abänderung in der
bestehenden Verfassung, Verordnungen und Directionsnormen getroffen werden
soll: so hat Uns der betreffende Minister blos seinen Antrag vorzulegen, damit
Wir diesen vorerst, ehe Unsere Entschliessung oder Entscheidung erfolgt, dem
Staatsrathe zum Gutachten mittheilen können.
Jeder Minister
hat sein eigenes Bureau; dessen Mitarbeiter wählt er selbst unter Quiescenten
oder Fremden, unter Responsabilität auf die Rechtschaffenheit der Letztern.
§. 46. Dieses
Organisationspatent enthält Grundzüge, deren nähere Bestimmung und Entwickelung
sich nach und nach durch Verhandlungen und Zusammenwirken der Stellen mehr und
mehr ausbilden werden.
Unterdessen
enthält das Organisationspatent mehrere unwandelbare Sätze. Dergleichen sind
diejenigen, die sich auf den Vertrag vom 19ten Februar d. J. gründen;
dergleichen sind auch diejenigen, welche aus den Grundsätzen der Gesetzgebung
des Kaisers Napoleon hervorleuchten, daß nämlich die Mitglieder eines jeden
Staates repräsentirt seyn müssen, dass die Justizverwaltung unabhängig und nach
dem Gewissen der Richter entscheiden müsse, und daß die vollstreckende Gewalt
ganz durch die Hand des souverainen Fürsten wirke.
Die übrigen
Grundsätze dieses Organisationspatents sind aus Unserer Ueberzeugung und aus
dem aufrichtigen Wunsche für das Wohl des Großherzogthum geflossen; müssen sich
je doch erst (wie gesagt) durch Erfahrung als vollständig verlässig bewähren.
Wenn Uns der
Allmächtige bis dahin das Leben fristet: so behalten Wir Uns vor, die
zweckmäßig befundene Verfassung der Prüfung und Genehmigung Unsers
verehrungswürdigen Herrn Nachfolgers und der Bestätigung des Kaisers Napoleon
Majestät ehrerbietigst vorzulegen.
§. 47. Jene
bisherigen Landesstellen. deren Wirkungskreis mit dem gegenwärtigen
Organisationssysteme des Großherzogthums Frankfurt nicht vereinbarlich ist,
werden vom 1sten Jänner 1811 an als erloschen erklärt. Ihre Mitglieder erhalten
theils ihre organisationsmäßige Anstellung; in Fällen, wo dieses unmöglich ist,
behalten sie sichere verfassungsmäßige Pensionen.
Aschaffenburg den
16ten August 1810
Carl, Großherzog.
(L. S.)