Verfassung Belgiens
vom 7. Februar 1831
Titel
I. Das Staatsgebiet und seine Einteilung
Artikel 1. (1) Belgien
ist in Provinzen eingeteilt.
(2) Diese Provinzen sind: Antwerpen, Brabant, Westflandern,
Ostflandern, Hennegau, Lüttich, Limburg, Luxemburg, Namur, unbeschadet der
Verbindung Luxemburgs mit dem Deutschen Bunde.
(3) Durch Gesetz kann das Staatsgebiet gegebenenfalls in
eine größere Anzahl von Provinzen eingeteilt werden.
Artikel 2. Die
Unterteilungen der Provinzen können nur durch Gesetz festgesetzt werden.
Artikel 3. Die Grenzen
des Staates, der Provinzen und der Gemeinden können nur auf Grund eines
Gesetzes geändert oder berichtigt werden.
Titel II. Die Belgier und ihre Rechte
Artikel 4. (1) Die
Eigenschaft eines Belgiers wird erworben, bewahrt und verloren nach Maßgabe der
durch das bürgerliche Recht bestimmten Normen.
(2) Diese Verfassung und die anderen Gesetze über die
politischen Rechte bestimmen, welche neben dieser Eigenschaft die notwendigen
Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte sind.
Artikel 5. (1) Die
Einbürgerung wird durch die gesetzgebende Gewalt gewährt.
(2) Allein die große Einbürgerung stellt den
Ausländer in bezug auf die Ausübung der politischen Rechte dem Belgier gleich.
Artikel 6. (1) Im
Staate gibt es keine Standesunterschiede.
(2) Die Belgier sind vor dem Gesetze gleich; nur sie allein
werden zu den Zivil- und Militärämtern zugelassen, abgesehen von den Ausnahmen,
die für Sonderfälle durch ein Gesetz festgelegt werden können.
Artikel 7. (1) Die
persönliche Freiheit wird gewährleistet.
(2) Außer in den durch das Gesetz vorgesehenen Fällen und
in den Formen, die es vorschreibt, kann niemand verfolgt werden.
(3) Außer bei Ergreifung auf frischer Tat kann
niemand festgenommen werden ohne einen mit Gründen versehenen richterlichen
Haftbefehl, der ihm bei der Festnahme oder spätestens innerhalb der nächsten
vierundzwanzig Stunden vorgelegt werden muß.
Artikel 8. Niemand
kann gegen seinen Willen dem ihm durch das Gesetz zugewiesenen Richter entzogen
werden.
Artikel 9. Eine Strafe
kann nur auf Grund des Gesetzes eingeführt oder verhängt werden.
Artikel 10. Die
Wohnung ist unverletzlich; eine Haussuchung kann nur in den durch das Gesetz
vorgesehenen Fällen und in den Formen, die es vorschreibt, erfolgen.
Artikel 11. Niemandem
kann sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen
Wohles, in den Fällen und in der Weise, die das Gesetz festlegt und gegen eine
gerechte und vorherige Entschädigung.
Artikel 12. Die Strafe
der Vermögenskonfiskation kann nicht eingeführt werden.
Artikel 13. Der
bürgerliche Tod ist abgeschafft; er kann nicht wieder eingeführt werden.
Artikel 14. Die
Freiheit der Glaubensbekenntnisse, diejenige ihrer öffentlichen Ausübung sowie
die Freiheit, die eigenen Meinungen auf jedem Gebiete zu äußern, werden
gewährleistet, unbeschadet der Bestrafung der bei der Wahrnehmung dieser
Freiheiten begangenen Straftaten.
Artikel 15. Niemand
kann gezwungen werden, in irgendeiner Weise an Handlungen und Feierlichkeiten
eines Glaubensbekenntnisses mitzuwirken oder seine Ruhetage einzuhalten.
Artikel 16. (1) Der
Staat hat nicht das Recht, bei der Ernennung oder Einsetzung der Diener
irgendeines Glaubensbekenntnisses einzugreifen oder diesen zu verbieten, mit
ihren Vorgesetzten zu korrespondieren und deren Erlasse zu veröffentlichen, in
diesem letzten Fall vorbehaltlich der gewöhnlichen Verantwortlichkeit in Sachen
des Presse- und Publikationswesens.
(2) Die Zivilehe muß stets der kirchlichen Trauung
vorangehen, vorbehaltlich der gegebenenfalls durch Gesetz zu bestimmenden
Ausnahmen.
Artikel 17. (1) Die
Lehre ist frei; jede vorbeugende Maßnahme ist verboten; die Bestrafung der
Straftaten wird nur durch das Gesetz geregelt.
(2) Der auf Staatskosten erteilte öffentliche Unterricht
wird ebenfalls durch das Gesetz geregelt.
Artikel 18. (1) Die
Presse ist frei; die Zensur kann niemals eingeführt werden; von den
Schriftstellern, Verlegern oder Druckern kann keine Kaution gefordert werden.
(2) Wenn der Verfasser bekannt ist und in Belgien wohnhaft,
so können der Verleger, der Drucker oder der Verteiler nicht verfolgt werden.
Artikel 19. (1) Die
Belgier haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, sofern
sie sich nach den Gesetzen richten, welche die Ausübung dieses Rechtes regeln können,
ohne sie jedoch einer vorherigen Erlaubnis zu unterwerfen.
(2) Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf
Versammlungen unter freiem Himmel, welche gänzlich den Polizeigesetzen
unterworfen bleiben.
Artikel 20. Die
Belgier haben das Recht, Vereinigungen zu bilden; dieses Recht kann keiner
vorbeugenden Maßnahme unterworfen werden.
Artikel 21. (1) Jeder
hat das Recht, an die öffentlichen Behörden Bittschriften zu richten, die von
einer oder mehreren Personen unterzeichnet sind.
(2) Die verfassungsmäßigen Behörden allein haben das Recht,
Bittschriften im Namen einer Gesamtheit einzureichen.
Artikel 22. (1) Das
Briefgeheimnis ist unverletzlich.
(2) Das Gesetz bestimmt, welche Beamten für die Verletzung
des Geheimnisses der der Post anvertrauten Briefe verantwortlich sind.
Artikel 23. Der
Gebrauch der in Belgien üblichen Sprachen ist freigestellt; er kann nur durch
das Gesetz geregelt werden und allein für die Akte der öffentlichen Gewalt und
für die Gerichtssachen.
Artikel 24. Es bedarf
keiner vorherigen Ermächtigung für die Verfolgung von öffentlichen Beamten
wegen ihrer Verwaltungstätigkeit, unbeschadet der die Minister betreffenden
Bestimmungen.
Artikel 25. (1) Alle
Gewalten gehen von der Nation aus.
(2) Sie werden in der von der Verfassung festgesetzten
Weise ausgeübt.
Artikel 26. Die
gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König, die
Abgeordnetenkammer und den Senat ausgeübt.
Artikel 27. (1) Das
Initiativrecht steht jedem der drei Zweige der gesetzgebenden Gewalt zu.
(2) Indessen muß jedes Gesetz, das sich auf die Einnahmen
und Ausgaben des Staates oder auf die Stärke des Heeres bezieht, zuerst durch
die Abgeordnetenkammer angenommen werden.
Artikel 28. Die
bindende Auslegung der Gesetze steht nur der gesetzgebenden Gewalt zu.
Artikel 29. Dem König
steht die vollziehende Gewalt zu, so wie sie durch die Verfassung geregelt ist.
Artikel 30. (1) Die
richterliche Gewalt wird durch die Gerichtshöfe und Gerichte ausgeübt.
(2) Die Urteile werden im Namen des Königs vollstreckt.
Artikel 31. Die
ausschließlichen Belange der Gemeinden oder Provinzen werden durch die
Gemeinde- oder Provinzialräte nach den von der Verfassung festgelegten
Grundsätzen geregelt.
Artikel 32. Die
Mitglieder der beiden Kammern vertreten die Nation und nicht allein die Provinz
oder den Provinzteil, die sie ernannt haben.
Artikel 33. (1) Die
Sitzungen der Kammern sind öffentlich.
(2) Jede Kammer tritt jedoch auf Verlangen ihres
Präsidenten oder zehn ihrer Mitglieder zu einer Geheimsitzung zusammen.
(3) Sie entscheidet danach mit absoluter Mehrheit, ob die
Sitzung über denselben Gegenstand wieder öffentlich aufgenommen werden soll.
Artikel 34. Jede
Kammer prüft die Vollmachten ihrer Mitglieder und urteilt über die
Beanstandungen, die über diesen Gegenstand erhoben werden.
Artikel 35. Man kann
nicht zugleich Mitglied beider Kammern sein.
Artikel 36. Das
Mitglied einer der beiden Kammern, das von der Regierung zu einem besoldeten
Amt ernannt wird und dieses annimmt, verliert sogleich seinen Sitz und kann
sein Amt nur auf Grund einer Neuwahl wieder aufnehmen.
Artikel 37. In jeder
Sitzungsperiode ernennt jede Kammer ihren Präsidenten und ihre Vizepräsidenten
und bildet ihren Vorstand.
Artikel 38. (1) Jeder
Beschluß wird mit der absoluten Mehrheit der Stimmen gefaßt, vorbehaltlich der
von den Geschäftsordnungen der Kammern festgesetzten Bestimmungen über die
Wahlen und die Wahlvorschläge.
(2) Im Falle der Stimmengleichheit ist der zur Beratung
gestellte Vorschlag abgelehnt.
(3) Keine der beiden Kammern kann einen Beschluß fassen,
wenn nicht die Mehrheit ihrer Mitglieder versammelt ist.
Artikel 39. Die
Abstimmung erfolgt mündlich oder durch Sitzenbleiben oder Aufstehen; die
Schlußabstimmung über Gesetze erfolgt stets durch Namensaufruf und mündlich.
Die Wahlen und Kandidatenvorschläge erfolgen in geheimer Abstimmung.
Artikel 40. Jede
Kammer hat das Recht der Untersuchung.
Artikel 41. Ein
Gesetzentwurf kann von einer der Kammern nur angenommen werden, nachdem über jeden
Artikel einzeln abgestimmt worden ist.
Artikel 42. Die
Kammern haben das Recht, die vorgeschlagenen Artikel und Änderungen abzuändern
und zu teilen.
Artikel 43. (1) Es ist
verboten, den Kammern Bittschriften persönlich vorzulegen.
(2) Jede Kammer hat das Recht, die an sie gerichteten
Bittschriften an die Minister zu überweisen. Die Minister sind gehalten,
Erklärungen über ihren Inhalt zu geben, sooft die Kammer es fordert.
Artikel 44. Kein
Mitglied der einen oder der anderen Kammer kann wegen der von ihm in Ausübung
seines Amtes geäußerten Meinungen und abgegebenen Stimmen verfolgt oder einer
Untersuchung unterzogen werden.
Artikel 45. (1) Kein
Mitglied der einen oder der anderen Kammer kann während der Sitzungsperiode
ohne Ermächtigung durch die Kammer, der es angehört, in Strafsachen verfolgt
oder verhaftet werden, es sei denn bei Ergreifung auf frischer Tat.
(2) Eine Schuldhaft kann gegen ein Mitglied der einen oder
der anderen Kammer während der Sitzungsperiode ohne die gleiche Ermächtigung
nicht verhängt werden.
(3) Die Haft oder die Verfolgung eines Mitglieds der einen
oder der anderen Kammer wird während der Sitzungsperiode und für ihre ganze
Dauer ausgesetzt, wenn es die Kammer verlangt.
Artikel 46. Jede
Kammer bestimmt durch ihre Geschäftsordnung, die Form, in der sie ihre
Befugnisse ausübt.
Abschnitt
1. Die Abgeordnetenkammer
Artikel 47. Die
Abgeordnetenkammer setzt sich aus Abgeordneten zusammen, die in direkter Wahl
durch die Bürger gewählt werden, die einen durch das Wahlgesetz festgelegten
Zensus bezahlen. Er kann 100 Gulden direkter Steuer nicht überschreiten und
darf nicht unter 20 Gulden liegen.
Artikel 48. Die Wahlen
finden in den Teilen der Provinzen und an den Orten statt, die das Gesetz
bestimmt.
Artikel 49. Das
Wahlgesetz setzt die Zahl der Abgeordneten nach der Bevölkerung fest; diese
Zahl kann das Verhältnis von einem Abgeordneten auf 40000 Einwohner nicht
übersteigen. Ebenso bestimmt es die erforderlichen Bedingungen, die man
erfüllen muß, um Wähler zu sein, sowie den Verlauf des Wahlverfahrens.
Artikel 50. (1) Um
wählbar zu sein, muß man:
1. gebürtiger Belgier sein oder die große Einbürgerung erlangt haben;
2. im Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte sein;
3. das 25. Lebensjahr vollendet haben;
4. in Belgien wohnhaft sein.
(2) Keine andere Wählbarkeitsbedingung kann verlangt
werden.
Artikel 51. (1) Die
Mitglieder der Abgeordnetenkammer werden auf vier Jahre gewählt. Sie werden zur
Hälfte alle zwei Jahre in der durch das Wahlgesetz bestimmten Reihenfolge erneuert.
Artikel 52. Jedes
Mitglied der Abgeordnetenkammer genießt während der ganzen Dauer der
Tagungsperiode eine monatliche Entschädigung von 200 Gulden. Diejenigen, welche
in der Stadt wohnen, wo die Sitzung stattfindet, genießen keine Entschädigung.
Artikel 53. Die
Mitglieder des Senats werden auf Grund der Volkszahl jeder Provinz von den
Bürgern, welche die Mitglieder der Abgeordnetenkammer wählen, gewählt.
Artikel 54. Der Senat
setzt sich aus einer Anzahl von Mitgliedern zusammen, die der Hälfte der
Abgeordneten der anderen Kammer gleichkommen.
Artikel 55. (1) Die
Senatoren werden auf acht Jahre gewählt, sie werden zur Hälfte alle vier Jahre
in der durch das Wahlgesetz bestimmten Reihenfolge erneuert.
(2) Im Fall der Auflösung des Senats wird er vollständig
erneuert.
Artikel 56. Um zum
Senator gewählt zu werden, muß man:
1. gebürtiger Belgier sein oder die große Einbürgerung erlangt haben;
2. im Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte sein;
3. in Belgien wohnhaft sein;
4. mindestens 40 Jahre alt sein;
5. in Belgien wenigstens 1000 Gulden direkte Steuern, die Gewerbesteuer
inbegriffen, zu bezahlen. In den Provinzen, wo die Zahl der Bürger, die 1000
Gulden direkte Steuern bezahlen, nicht das Verhältnis von 1 auf 6000 Seelen
erreicht, wird sie durch die größten Steuerzahler der Provinz vervollständigt,
bis dieses Verhältnis 1 zu 6000 erlangt.
Artikel 57. Die
Senatoren erhalten keine Besoldung oder Entschädigung.
Artikel 58. Der
voraussichtliche Thronerbe wird mit 18 Jahren von Rechts wegen Senator. Er hat
beschließende Stimme erst im Alten von 25 Jahren.
Artikel 59. Jede
Versammlung des Senats, die außerhalb der Zeit der Sitzungsperiode der
Abgeordnetenkammer abgehalten werden sollte, ist von Rechts wegen ungültig.
Kapitel II. Der König und seine Minister
Artikel 60. Die
verfassungsmäßigen Befugnisse des Königs sind in seiner direkten, natürlichen
und legitimen Nachkommenschaft im Mannesstamm nach dem Rechte der Erstgeburt
und unter dauerndem Ausschluß der Frauen und ihrer Nachkommenschaft erblich.
Artikel 61. (1) In
Ermangelung männlicher Nachkommenschaft kann er seinen Nachfolger mit
Zustimmung der Kammern, welche nach Maßgabe des folgenden Artikels erteilt
wird, ernennen.
(2) Ist eine Ernennung in der vorstehenden Weise nicht
erfolgt, so ist der Thron erledigt.
Artikel 62. (1) Der
König kann ohne Zustimmung der beiden Kammern nicht zugleich Oberhaupt eines
anderen Staates sein.
(2) Keine der beiden Kammern kann über diesen Gegenstand
beraten, wenn nicht mindestens zwei Drittel ihrer Mitglieder anwesend sind, und
der Beschluß ist nur angenommen wenn er mindestens zwei Drittel der Stimmen
erhält.
Artikel 63. Die Person
des Königs ist unverletzlich; seine Minister sind verantwortlich.
Artikel 64. Kein Akt
des Königs kann wirksam werden, wenn er nicht von einem Minister
gegengezeichnet ist, der allein dadurch verantwortlich wird.
Artikel 65. Der König
ernennt und entläßt die Minister.
Artikel 66. (1) Er
verleiht die Dienstgrade im Heere.
(2) Er besetzt die Stellen der allgemeinen Verwaltung und
des auswärtigen Dienstes, vorbehaltlich der durch die Gesetze festgelegten
Ausnahmen
(3) Er besetzt andere Stellen nur auf Grund einer
ausdrücklichen Bestimmung eines Gesetzes.
Artikel 67. Er erläßt
die zur Ausführung der Gesetze erforderlichen Verordnungen und Erlasse, ohne
jemals die Wirkung der Gesetze selbst aussetzen oder von ihrer Ausführung
entbinden zu können.
Artikel 68. (1) Der
König befehligt die Land- und Seestreitkräfte, erklärt den Krieg und schließt
Friedens-, Bündnis- und Handelsverträge. Er setzt die Kammern unter Hinzufügung
der angemessenen Mitteilungen davon in Kenntnis, sobald das Interesse und die
Sicherheit des Staates es erlauben.
(2) Handelsverträge und diejenigen Verträge, welche den
Staat belasten oder Belgier persönlich binden könnten, sind nur wirksam,
nachdem sie die Zustimmung der Kammern erhalten haben.
(3) Keine Gebietsabtretung, kein Gebietsaustausch und kein
Gebietsanschluß kann anders als auf Grund eines
Gesetzes erfolgen. In keinem Falle können die Geheimartikel eines Vertrages die
offenen Artikel aufheben.
Artikel 69. Der König
sanktioniert und verkündet die Gesetze.
Artikel 70. (1) Die
Kammern treten von Rechts wegen alljährlich am zweiten Dienstag im November
zusammen, es sei denn, sie wären vom König früher einberufen worden.
(2) Die Kammern müssen in jedem Jahr mindestens vierzig
Tage versammelt bleiben.
(3) Der König verkündet den Schluß der Sitzungsperiode.
(4) Der König hat das Recht, die Kammern zu einer
außerordentlichen Sitzung einzuberufen.
Artikel 71. Der König
hat das Recht, die Kammern aufzulösen, sei es gleichzeitig oder getrennt. Der
Auflösungsakt enthält die Einberufung der Wähler innerhalb von vierzig Tagen
und der Kammern innerhalb von zwei Monaten.
Artikel 72. Der König
kann die Kammern vertagen. Jedoch kann die Vertagung die Frist von einem Monat
nicht übersteigen und während derselben Sitzungsperiode ohne Zustimmung der
Kammern nicht wiederholt werden.
Artikel 73. Er hat das
Recht, die durch die Richter verhängten Strafen zu erlassen oder herabzusetzen,
vorbehaltlich der für die Minister bestehenden Bestimmungen.
Artikel 74. Er hat das
Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes.
Artikel 75. Er hat das
Recht, Adelstitel zu verleihen, ohne jemals damit ein Vorrecht verbinden zu
können.
Artikel 76. Er
verleiht die militärischen Orden unter Beobachtung dessen, was das Gesetz in
dieser Hinsicht vorschreibt.
Artikel 77. Das Gesetz
setzt die Zivilliste für die Dauer jeder Herrschaft fest.
Artikel 78. Der König
hat keine anderen Befugnisse als die, welche ihm die Verfassung und die auf
Grund der Verfassung erlassenen besonderen Gesetze ausdrücklich verleihen.
Artikel 79. (1) Beim
Tode des Königs versammeln sich die Kammern ohne Einberufung spätestens am
zehnten Tage nach dem Todestage. Wenn die Kammern vorher aufgelöst waren und
die Einberufung im Auflösungsakt für einen späteren Zeitpunkt als den zehnten
Tag festgesetzt war, nehmen die alten Kammern bis zum Zusammentritt derer, die
an ihre Stelle treten sollen, ihre Tätigkeit wieder auf.
(2) Ist nur eine Kammer aufgelöst, so befolgt man dieselbe
Regel hinsichtlich dieser Kammer.
(3) Vom Tode des Königs bis zur Eidesleistung durch seinen
Thronfolger oder den Regenten, werden die verfassungsmäßigen Befugnisse des
Königs im Namen des belgischen Volkes durch die im Rate vereinigten Minister
und unter ihrer Verantwortlichkeit ausgeübt.
Artikel 80. (1) Der
König ist mit vollendetem achtzehnten Lebensjahr
volljährig.
(2) Vom Throne nimmt er erst Besitz, nachdem er inmitten
der vereinigten Kammern feierlich folgenden Eid geleistet hat:
„Ich schwöre, die Verfassung und die Gesetze des belgischen
Volkes zu beachten und die nationale Unabhängigkeit und die Unversehrtheit des
Staatsgebietes zu erhalten.“
Artikel 81. Wenn beim
Tode des Königs sein Thronfolger minderjährig ist, so vereinen sich die beiden
Kammern zu einer einzigen Versammlung, um für die Regentschaft und die
Vormundschaft Vorsorge zu treffen.
Artikel 82. Ist der
König außerstande, zu herrschen, so berufen die Minister, nachdem sie dies
haben feststellen lassen, sofort die Kammern ein. Es wird für die Vormundschaft
und die Regentschaft durch die vereinigten Kammern Vorsorge getroffen.
Artikel 83. (1) Die
Regentschaft kann nur einer einzelnen Person übertragen werden.
(2) Der Regent tritt sein Amt erst an, nachdem er den in
Artikel 80 vorgeschriebenen Eid geleistet hat.
Artikel 84. Während
einer Regentschaft kann keine Änderung der Verfassung vorgenommen werden.
Artikel 85. Im Falle
der Thronerledigung sorgen die gemeinsam beratenden Kammern bis zum
Zusammentritt der gänzlich erneuerten Kammern vorläufig für die Regentschaft;
dieser Zusammentritt erfolgt spätestens innerhalb von zwei Monaten. Die neuen
Kammern, die gemeinsam beraten, sorgen für die Besetzung des Thrones.
Artikel 86. Niemand
kann Minister sein, der nicht gebürtiger Belgier ist oder die große
Einbürgerung erlangt hat.
Artikel 87. Kein
Mitglied der königlichen Familie kann Minister sein.
Artikel 88. (1) Die
Minister haben in der einen oder der anderen Kammer nur dann beschließende
Stimme, wenn sie deren Mitglied sind.
(2) Sie haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen gehört
werden, wenn sie es verlangen.
(3) Die Kammern können die Anwesenheit der Minister
fordern.
Artikel 89. In keinem
Falle kann der mündliche oder schriftliche Befehl des Königs einen Minister der
Verantwortlichkeit entbinden.
Artikel 90. (1) Die
Abgeordnetenkammer hat das Recht, die Minister anzuklagen und sie vor den
Kassationshof zu stellen, der allein das Recht hat, sie in vereinigten
Kassationskammern abzuurteilen, unbeschadet dessen, was durch das Gesetz über
die Erhebung der Privatklage durch die geschädigte Partei sowie über die
Verbrechen und Vergehen, welche die Minister außerhalb der Ausübung ihres Amtes
begehen sollten, bestimmt wird.
(2) Ein Gesetz wird die Fälle der Verantwortlichkeit, die
den Ministern aufzuerlegenden Strafen und das Verfahren gegen sie, sei es bei
einer durch die Abgeordnetenkammer zugelassenen Anklage, sei es bei Verfolgung
durch die geschädigten Parteien, bestimmen.
Artikel 91. Der König
kann einen vom Kassationshof verurteilten Minister nur auf Ersuchen einer der
beiden Kammern begnadigen.
Kapitel III. Die richterliche Gewalt
Artikel 92. Die
Streitigkeiten, welche bürgerliche Rechte zum Gegenstand haben, gehören
ausschließlich zur Zuständigkeit der Gerichte.
Artikel 93. Die
Streitigkeiten, welche politische Rechte zum Gegenstand haben, gehören zur
Zuständigkeit der Gerichte, vorbehaltlich der durch das Gesetz begründeten
Ausnahmen.
Artikel 94. Kein
Gericht und keine streitige Gerichtsbarkeit kann
anders als auf Grund eines Gesetzes eingerichtet werden. Es können keine
außerordentlichen Kommissionen oder Gerichte unter welcher Bezeichnung auch
immer geschaffen werden.
Artikel 95. (1) Es
besteht für ganz Belgien ein Kassationshof.
(2) Dieser entscheidet nicht über Tatfragen, ausgenommen
bei der Aburteilung der Minister.
Artikel 96. (1) Die
Sitzungen der Gerichte sind öffentlich, außer wenn diese Öffentlichkeit die
Ordnung oder die Sitten gefährdet; in diesem Falle stellt dies das Gericht
durch einen Beschluß fest.
(2) Bei politischen und bei Pressedelikten kann der
Ausschluß der Öffentlichkeit nur einstimmig beschlossen werden.
Artikel 97. Jedes Urteil
wird begründet. Es wird in öffentlicher Sitzung verkündet.
Artikel 98. Geschworenengerichte
werden für alle Strafsachen sowie für politische und für Pressedelikte
eingesetzt.
Artikel 99. (1) Die
Friedensrichter und die Richter der Gerichte werden unmittelbar vom König
ernannt.
(2) Die Räte der Appellationsgerichtshöfe und die
Präsidenten und Vizepräsidenten der Gerichte erster Instanz ihres Bereiches
werden vom König aus zwei Doppellisten ernannt, von denen die eine von diesen
Gerichtshöfen, die anderen von den Provinzialräten vorgelegt wird.
(3) Die Räte des Kassationshofes werden vom König aus zwei
Doppellisten ernannt, von denen die eine vom Senat, die andere vom
Kassationshof vorgelegt wird.
(4) In diesen beiden Fällen können die Kandidaten, welche
auf einer Liste aufgeführt werden, ebenso auf der anderen aufgeführt werden.
(5) Alle Vorschläge werden mindestens fünfzehn Tage vor der
Ernennung veröffentlicht.
(6) Die Gerichtshöfe wählen aus ihrer Mitte Präsidenten und
Vizepräsidenten.
Artikel 100. (1) Die
Richter werden auf Lebenszeit ernannt.
(2) Kein Richter kann seines Amtes entsetzt oder zeitweise
enthoben werden, es sei denn durch Richterspruch.
(3) Die Versetzung eines Richters kann nur durch
Neuernennung und mit seiner Zustimmung erfolgen.
Artikel 101. Der König
ernennt und entläßt die Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Gerichtshöfen
und den Gerichten.
Artikel 102. Die
Bezüge der Mitglieder des Richterstandes werden durch das Gesetz festgesetzt.
Artikel 103. Kein
Richter kann von der Regierung besoldete Ämter annehmen, es sei denn, daß er
sie unentgeltlich ausübt, und vorbehaltlich der durch das Gesetz bestimmten
Fälle der Unvereinbarkeit.
Artikel 104. (1) Es
bestehen drei Appellationsgerichtshöfe in Belgien.
(2) Das Gesetz bestimmt ihren Zuständigkeitsbereich und die
Orte, wo sie errichtet werden.
Artikel 105. (1)
Besondere Gesetze regeln die Organisation der Militärgerichte, ihre Befugnisse
und die Rechte und Pflichten der Mitglieder dieser Gerichte sowie deren
Amtszeit.
(2) Es bestehen Handelsgerichte an den durch das Gesetz
bestimmten Orten. Das Gesetz regelt ihre Organisation, ihre Befugnisse, die Art
der Ernennung ihrer Mitglieder sowie deren Amtszeit.
Artikel 106. Der
Kassationshof entscheidet über Kompetenzkonflikte gemäß dem durch das Gesetz
geregelten Verfahren.
Artikel 107. Die
Gerichtshöfe und die Gerichte werden die allgemeinen, provinzialen oder
örtlichen Erlasse und Verordnungen nur insoweit anwenden, als sie mit den
Gesetzen im Einklang stehen.
Kapitel IV. Die provinzialen und gemeindlichen Einrichtungen
Artikel 108. (1) Die
provinzialen und gemeindlichen Einrichtungen werden durch Gesetze geregelt.
(2) Diese Gesetze sichern die Anwendung der folgenden
Grundsätze:
1. die unmittelbare Wahl, vorbehaltlich der Ausnahmen, die das Gesetz
hinsichtlich der Vorstände der Gemeindeverwaltungen und der
Regierungskommissare bei den Provinzialräten festsetzen kann;
2. die Zuweisung aller Angelegenheiten von provinziellem oder gemeindlichem
Interesse an die Provinzial- und Gemeinderäte, unbeschadet der Genehmigung
ihrer Handlungen in den Fällen und gemäß der Art, die das Gesetz bestimmt.
3. die Öffentlichkeit der Sitzungen der Provinzial- und Gemeinderäte in den
durch das Gesetz festgelegten Grenzen;
4. die Öffentlichkeit des Haushalts und der Rechnungsberichte;
5. das Eingreifen des Königs oder der gesetzgebenden Gewalt zur Verhinderung
von Zuständigkeitsüberschreitungen und Verletzungen des allgemeinen Interesses
durch die Provinzial- und Gemeinderäte.
Artikel 109. Die Ausstellung
der Personenstandsurkunden und die Führung der Standesamtsregister gehören
ausschließlich zu den Befugnissen der Gemeindebehörden.
Artikel 110. (1) Eine
Steuer zugunsten des Staates kann nur durch ein Gesetz auferlegt werden.
(2) Eine provinziale Auflage oder Steuer kann nur mit
Einwilligung des Provinzialrates auferlegt werden.
(3) Eine gemeindliche Auflage oder Steuer kann nur mit
Einwilligung des Gemeinderates auferlegt werden.
(4) Das Gesetz bestimmt hinsichtlich der provinzialen und
gemeindlichen Steuern die Ausnahmen, deren Notwendigkeit die Erfahrung erweisen
wird.
Artikel 111 (1) Die
Steuern zugunsten des Staates werden jährlich beschlossen.
(2) Die Gesetze, welche sie festsetzen, bleiben nur ein
Jahr in Kraft, wenn sie nicht erneuert werden.
Artikel 112. (1)
Hinsichtlich der Steuern können Privilegien nicht eingeführt werden.
(2) Eine Steuerbefreiung oder -ermäßigung kann nur durch
ein Gesetz erfolgen.
Artikel 113. Außer in
den durch das Gesetz ausdrücklich ausgenommenen Fällen kann eine Abgabe von den
Bürgern nur als Steuer zugunsten des Staates, der Provinz oder der Gemeinde
gefordert werden. An der gegenwärtigen Verwaltung der Polder- und
Entwässerungsgebiete, die der gewöhnlichen Gesetzgebung unterworfen bleibt,
wird nichts geändert.
Artikel 114. Eine
Pension oder Gratifikation zu Lasten des Staatsschatzes kann nur auf Grund
eines Gesetzes gewährt werden.
Artikel 115. (1) Jedes
Jahr erlassen die Kammern das Rechnungsgesetz und beschließen den Haushaltsplan.
(2) Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen im
Haushaltsplan und in den Rechnungslegungen angeführt sein.
Artikel 116. (1) Die
Mitglieder des Rechnungshofes werden durch die Abgeordnetenkammer für die durch
das Gesetz festgelegte Zeit ernannt.
(2) Dieser Rechnungshof ist mit der Prüfung und Abrechnung
der Rechnungslegungen der allgemeinen Verwaltung sowie aller
Rechnungspflichtigen gegenüber dem Staatsschatze beauftragt. Er wacht darüber,
daß kein Ausgabenposten des Haushaltsplanes überschritten wird und daß kein
Übertrag vorgenommen wird. Er schließt die Rechnungen der verschiedenen
Staatsverwaltungen ab und ist gehalten, zu diesem Zwecke alle notwendigen
Auskünfte und Rechnungsbelege einzuholen. Die allgemeine Staatsrechnungslegung
wird den Kammern mit den Bemerkungen des Rechnungshofes vorgelegt.
(3) Dieser Rechnungshof wird durch ein Gesetz eingerichtet..
Artikel 117. Die
Gehälter und Pensionen der Religionsdiener gehen zu Lasten des Staates; die
dazu erforderlichen Beträge werden jährlich in den Haushaltsplan aufgenommen.
Artikel 118. Die Art
der Rekrutierung der Armee wird durch das Gesetz bestimmt. Es regelt ebenso die
Beförderung, die Rechte und die Pflichten der Militärpersonen.
Artikel 119. Die
Stärke der Armee wird jährlich beschlossen. Das Gesetz, welches sie festlegt,
bleibt nur ein Jahr in Kraft, sofern es nicht erneuert wird.
Artikel 120. Die
Organisation und die Befugnisse der Gendarmerie bilden den Gegenstand eines
Gesetzes.
Artikel 121. Eine fremde
Truppe kann nur auf Grund eines Gesetzes in den Dienst des Staates aufgenommen
werden oder das Staatsgebiet besetzen oder es durchqueren.
Artikel 122. Es
besteht eine Bürgergarde; ihre Organisation wird durch ein Gesetz geregelt.
Artikel 123. Die Mobilmachung
der Bürgergarde kann nur auf Grund eines Gesetzes geschehen.
Artikel 124. Den
Militärpersonen können ihre Dienstgrade, Ehrenrechte und Pensionen nur in der
durch das Gesetz bestimmten Weise entzogen werden.
Titel VI. Allgemeine Bestimmungen
Artikel 125. Die
belgische Nation nimmt die Farben Rot, Gelb und Schwarz und als Wappen des
Königreichs den belgischen Löwen mit der Inschrift "Einigkeit macht
stark" an.
Artikel 126. Die Stadt
Brüssel ist die Hauptstadt Belgiens und der Sitz der Regierung.
Artikel 127. Ein Eid
kann nur auf Grund eines Gesetzes auferlegt werden. Es bestimmt die
Eidesformel.
Artikel 128. Jeder
Ausländer, der sich auf dem Gebiet Belgiens befindet, genießt den den Personen
und den Gütern gewährten Schutz, vorbehaltlich der durch das Gesetz
festgesetzten Ausnahmen.
Artikel 129. Alle
Gesetze, Erlasse oder Verordnungen der allgemeinen, der Provinzial- oder
Gemeindeverwaltung sind nur bindend, nachdem sie in der vom Gesetze
vorgeschriebenen Form veröffentlicht worden sind.
Artikel 130. Die
Verfassung kann weder ganz noch teilweise zeitweilig außer Kraft gesetzt
werden.
Titel VII. Die Verfassungsänderung
Artikel 131. (1) Die
gesetzgebende Gewalt hat das Recht zu erklären, daß Anlaß besteht zur Änderung
einer Verfassungsbestimmung, die sie bezeichnet.
(2) Nach dieser Erklärung sind die beiden Kammern von
Rechts wegen aufgelöst.
(3) Es werden zwei neue Kammern nach Maßgabe des Artikels
71 einberufen.
(4) Diese Kammern befinden in Übereinstimmung mit dem König
über die der Änderung unterliegenden Punkte.
(5) In diesem Falle können die Kammern nur beraten, wenn
mindestens zwei Drittel der Mitglieder einer jeden anwesend sind; keine
Änderung wird angenommen, wenn sie nicht mindestens zwei Drittel der Stimmen
erhält.
Titel VIII. Übergangsbestimmungen
Artikel 132. Für die
erste Wahl des Staatsoberhauptes kann von der ersten Bestimmung des Artikels 80
abgewichen werden.
Artikel 133. (1) Die
Ausländer, die vor dem 1. Januar 1814 in Belgien ansässig waren und weiterhin
dort wohnhaft sind, werden unter der Bedingung als gebürtige Belgier angesehen,
daß sie die Absicht erklären, in den Genuß dieser Bestimmung zu kommen.
(2) Die Erklärung muß, soweit sie volljährig sind,
innerhalb von sechs Monaten von dem Tage an gerechnet, an dem diese Verfassung
in Kraft treten wird, abgegeben werden, und soweit sie minderjährig sind,
innerhalb des auf ihre Volljährigkeit folgenden Jahres.
(3) Diese Erklärung wird von derjenigen Provinzialbehörde
abgegeben, zu der der Ort, an dem sie ihren Wohnsitz haben, gehört.
(4) Sie wird persönlich oder durch einen Bevollmächtigten,
abgegeben, der eine besondere und authentische Vollmacht überbringt.
Artikel 134. (1) Bis
zur Regelung durch ein Gesetz wird die Abgeordnetenkammer das Recht haben,
einen Minister anzuklagen, und der Kassationshof ihn unter Bezeichnung der
Straftat und unter Festsetzung der Strafe abzuurteilen.
(2) Jedoch darf die Strafe nicht über die Zuchthausstrafe
hinausgehen, unbeschadet der ausdrücklich durch die Strafgesetze vorgesehenen
Fälle.
Artikel 135. (1) Das
gegenwärtige Personal der Gerichtshöfe und Gerichte wird bis zur entsprechenden
Regelung durch ein Gesetz beibehalten.
(2) Dieses Gesetz muß innerhalb der ersten
Legislaturperiode verabschiedet werden.
Artikel 136. Ein in
derselben Sitzungsperiode erlassenes Gesetz wird die Art der ersten Ernennung
der Mitglieder des Kassationshofes bestimmen.
Artikel 137. Das
Grundgesetz vom 24. August 1815 sowie die provinzialen und örtlichen Statuten
sind aufgehoben. Jedoch behalten die Provinzial- und Ortsbehörden ihre
Befugnisse, bis das Gesetz darüber etwas anderes bestimmt.
Artikel 138. Vom Tage
des Inkrafttretens der Verfassung an sind alle mit ihr in Widerspruch stehenden
Gesetze, Dekrete, Erlasse, Verordnungen und sonstigen Akte aufgehoben.
Artikel 139. Der
Nationalkongreß erklärt, daß es notwendig ist, durch Einzelgesetze und in der
kürzest möglichen Frist folgende Gegenstände zu regeln:
1. die Presse;
2. die Organisation der Geschworenengerichte;
3. die Finanzen;
4. die Provinzial- und Gemeindeorganisation;
5. die Verantwortlichkeit der Minister und anderer Amtsinhaber;
6. die Gerichtsverfassung;
7. die Revision der Pensionsliste;
8. die geeigneten Maßnahmen, um dem Mißbrauch der Ämterhäufung vorzubeugen;
9. die Revision der Gesetzgebung über Konkurs und Aufschubgewährung;
10. die Organisation der Armee, die Beförderungs- und Ruhestandsrechte und das
Militärgesetzbuch;
11. die Revision der Gesetzbücher.