(287) Allgemeines Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaiserthum Oesterreich. XVII. Stück. Ausgegeben und versendet am 11. Jänner 1850.

25. Kaiserliches Patent vom 17. Jänner 1850, giltig für diejenigen Kronländer, in welchen das Strafgesetzbuch vom 3. September 1803 in Wirksamkeit steht; wodurch eine neue provisorische Strafproceß-Ordnung mit der Bestimmung kundgemacht wird, daß der Tag, an welchem sie in Wirksamkeit zu treten hat, erst nachträglich bekannt gegeben wird.

Wir Franz Joseph der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich; König von Hungarn und Böhmen, König der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Croatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Illirien, König von Jerusalem etc. ; Erzherzog von Oesterreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnthen, Krain und der Bukowina; Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara, gefürsteter Graf von Habsburg, von Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc. ; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark; Großwoiwod der Woiwodschaft Serbien etc. etc.

Haben zur Durchführung der im §. 103 der Reichsverfassung ausgesprochenen Grundsätze der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Strafverfahrens, des Anklageprocesses und der Schwurgerichte auf den Antrag Unseres Justizministers und auf Einrathen Unseres Ministerrathes nach Maßgabe des §. 120 der Reichsverfassung vorerst für jene Kronländer des österreichischen Kaiserstaates, in welchen das Strafgesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen vom 3. September 1803 gegenwärtig in Wirksamkeit ist, eine provisorische Strafproceß-Ordnung zu erlassen befunden, und verordnen wie folgt:

(288) Art. I. Der Tag, an welchem die neue Strafproceß-Ordnung in jedem einzelnen Kronlande in Wirksamkeit zu treten hat, so wie die Modificationen, welche allenfalls durch die eigenthümlichen Verhältnisse einzelner Kronländer für dieselben nöthig werden dürften, werden durch besondere Verordnungen zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden.

Art. II. Von dem in Gemäßheit des Art. I. festzusetzenden Tage an sind der zweite Abschnitt des ersten und der zweite Abschnitt des zweiten Theiles des Strafgesetzbuches vom 3. Septbr. 1803 sammt allen darauf bezüglichen nachträglichen Verordnungen, so wie alle Vorschriften über das Verfahren in Fällen von einfachen Polizeiübertretungen, und die mit Patent vom 14.  März 1849 kundgemachte Vorschrift über das Verfahren in Preßübertretungsfällen für alle neu anhängig werdenden Strafsachen aufgehoben.

Art. III. Ueber Criminaluntersuchungen, rücksichtlich welcher vor dem nach Art. I. festzusetzenden Tage bereits ein förmlicher Einleitungsbeschluß ergangen und in Rechtskraft erwachsen ist, so wie über Untersuchungen wegen einfacher oder schwerer Polizeiübertretungen, welche vor jenem Tage geschlossen wurden, ist das weitere Verfahren nach den bis dahin geltenden Gesetzen zu pflegen, das Urtheil nach eben diesen Gesetzen zu fällen, und das Verfahren in höherer Instanz nur nach diesen Gesetzen durchzuführen.

Art. IV. Dagegen sind Voruntersuchungen wegen Verbrechen, über welche vor dem Tage, an dem die neue Strafproceß-Ordnung in Wirksamkeit tritt, noch kein rechtskräftiger Beschluß auf Einleitung der ordentlichen Criminaluntersuchung ergangen ist, so wie alle Untersuchungen wegen einfacher oder schwerer Polizeiübertretungen, die vor jenem Tage noch nicht geschlossen wurden, gleich einer Voruntersuchung im Sinne der neuen Strafproceß-Ordnung zu behandeln.

Art. V. Das Verfahren über Preßvergehen, rücksichtlich welcher bereits vor dem nach Art. I. festzusetzenden Tage die Hauptverhandlung angeordnet wurde, ist nach den Bestimmungen der Vorschrift vom 14. März 1849 über das Verfahren in Preßübertretungsfällen zu Ende zu führen. Ueber andere Preßvergehen aber ist das Verfahren nach den Vorschriften der neuen Strafproceßordnung fortzusetzen.

Art. VI. Von dem Tage der Wirksamkeit der neuen Strafproceß-Ordnung an haben über die Competenz der verschiedenen Arten von Gerichten folgende Bestimmungen zu gelten:

Art. VII. Vor die Geschwornengerichte gehört die Hauptverhandlung und Entscheidung.

A. über nachstehende Verbrechen, in sofern sie nicht wegen des Zusammenhanges mit einer hochverrätherischen Unternehmung vor das Reichsgericht gehören:

1. Störung der inneren Ruhe des Staates (§§. 57-59 St. G. I. Thls.);

2. Aufstand und Aufruhr (§§. 61-69 St. G. I. Thls.);

3. öffentliche Gewaltthätigkeiten in den Fällen des §. 70 St. G. I. Thls., wenn der Widerstand mit Waffen geschehen oder mit einer Beschädigung oder Verwundung begleitet ist; des §. 72; des §. 74, jedoch nur, wenn der wirklich verursachte Schade tausend Gulden C. M. übersteigt; des durch das Justiz-Hofdecret vom 18. März 1847, Z. 1924, erlassenen Eisenbahn-Strafgesetzes ohne Ausnahme; der §§. 75, 78 und 80 St. G. I. Thls. und des Hofdecretes vom 19. August 1826, Z. 2215 der J. G. S. über den Sclavenhandel;

(289) 4. Mißbrauch der Amtsgewalt und Geschenkannahme in Amtssachen (§§. 85-88 St. G. I. Thls.);

5. Verfälschung der öffentlichen Creditspapiere (§§. 92-102 St. G. I. Thls.);

6. Münzverfälschung (§§. 103-106 St. G. I. Thls.);

7. Religionsstörung (§§. 107-109 St. G. I. Thls.);

8. Nothzucht (§§. 110-112 St. G. I. Thls.);

9. Mord und Todtschlag (§§. 117-127 St. G. I. Thls.);

10. Abtreibung der Leibesfrucht wider Wissen und Willen der Mutter (§§. 131, 132 St. G. I. Thls.);

11. Weglegung eines Kindes im Falle des §. 134 St. G. I. Thls. ;

12. Verwundung im Falle des §. 139 St. G. I. Thls. ;

13. Zweikampf (§§. 140-146 St. G. I. Thls.);

14. Brandlegung (§§. 147-149 St. G. I. Thls.);

15. Diebstahl, wenn die Strafe nach §. 159 St. G. I. Thls. zwischen fünf und zehn Jahren auszumessen ist;

16. Veruntreuung von ämtlich anvertrautem Gut (§§. 161 und 162 St. G. I. Thls.) und im Falle des §. 163, wenn die Strafe nach §. 164 zwischen fünf und zehn Jahren auszumessen ist;

17. Raub und Theilnahme an demselben (§§. 169-175 St. G. I. Thls.);

18. Betrug in den Fällen des §. 178 lit. a) und f) St. G. I. Thls., und in allen Fällen, in welchen die Strafbestimmung des §. 182 anzuwenden ist;

19. zweifache Ehe (§§. 185-187 St. G. I. Thls.);

20. Verläumdung (§§. 188 und 189 St. G. I. Thls.);

21. Verbrechern geleisteter Vorschub, jedoch nur in den Fällen, in welchen nach §. 197 St. G. I. Thls. die Strafe zwischen fünf und zehn Jahren auszumessen ist;

B. über die in den §§. 22-35 des Patentes vom 13. März 1849 gegen den Mißbrauch der Presse aufgeführten Preßvergehen.

Art. VIII. Die Voruntersuchung rücksichtlich der in dem vorstehenden Artikel aufgeführten schweren Verbrechen und Preßvergehen steht den Bezirks-Collegialgerichten unter Beobachtung der in der Strafproceß-Ordnung enthaltenen Bestimmungen zu.

Art. IX. Den Bezirks-Collegialgerichten steht ferner in dem ihnen als Strafgerichten über Verbrechen und Vergehen zugewiesenen Sprengel die Voruntersuchung und Hauptverhandlung, so wie die Entscheidung in erster Instanz zu:

A. über die nicht den Schwurgerichten zugewiesenen Verbrechen:

1. öffentliche Gewaltthätigkeit im Falle des §. 70 St. G. I. Thls., wenn der Widerstand ohne Waffen und ohne Beschädigung oder Verwundung erfolgte;

2. öffentliche Gewaltthätigkeit durch boshafte Beschädigung fremden Eigenthums (§. 74 St. G. I. Thls.), jedoch nur, wenn der verursachte Schaden zwar den Betrag von fünf Gulden C. M., jedoch nicht von tausend Gulden C. M. übersteigt, und nicht das durch a. h. Entschließung vom 30. Jänner 1847 und Justiz-Hofdecret vom 18. März 1847, Z. 1924 erlassene Eisenbahnstrafgesetz Platz greift;

3. öffentliche Gewaltthätigkeit durch gefährliche Drohung (Hofdecret vom 18. Juli 1835, Z. 17516);

(290) 4. Verführung zum Mißbrauch der Amtsgewalt (§§. 89-91 St. G. I. Thls.);

5. die in den §§. 113-116 St. G. I. Thls. angeführten Unzuchtsfälle;

6. Abtreibung der Leibesfrucht in den Fällen der §§. 128-130 St. G. I. Thls. ;

7. Weglegung eines Kindes im Falle des §. 135 St. G. I. Thls. ;

8. Verwundung oder schwere Körperverletzung (§§. 136-138 St. G. I. Thls.) mit Ausnahme des im §. 139 erwähnten Falles;

9. Diebstahl in allen Fällen, in welchen die Strafe nach den §§. 157 und 158 St. G. I. Thls. auszumessen ist;

10. Veruntreuung im Falle des §. 163 St. G. I. Thls., wenn die Strafe nach §. 164 zwischen sechs Monaten und fünf Jahren auszumessen ist;

11. Theilnehmung am Diebstahl oder an der Veruntreuung (§§. 165 und 166 St. G. I. Thls.);

12. Betrug in allen Fällen, in welchen die Strafbestimmungen des §. 181 St. G. I. Thls. anzuwenden sind, mit Ausnahme der Fälle des §. 178 lit. a und f;

13. Verbrechen geleisteter Vorschub (§§. 190-200 St. G. I. Thls.) mit Ausnahme der Fälle, in welchen die Strafe nach §. 197 zwischen fünf und zehn Jahren auszumessen ist;

B. über die nachstehenden strafbaren Handlungen, welche von jetzt an unter der Gesammtbenennung „Vergehen“ begriffen werden:

1. die in den §§. 28 lit. a und 29 St. G. II. Thls. erwähnten Uebertretungen von Unmündigen, welche, wenn sie von Mündigen begangen worden wären, ihrer Eigenschaft nach als Verbrechen behandelt werden müßten:

2. Auflauf (§§. 51-56 St. G. II. Thls.);

3. Aufreizung gegen Staats- und Gemeindebehörden (§. 71 St. G. II. Thls. und Patent vom 17. Jänner 1850 Art. XV.);

4. Beleidigung einer Wache im Falle des §. 73 St. G. II. Thls. ;

5. thätige Beleidigungen, welche öffentliche Beamte oder Diener im Amte ausüben, (§§. 86 und 87 St. G. II. Thls.);

6. fahrlässige Tödtungen oder schwere Verwundungen (§. 89 St. G. II. Thls.);

7. Verheimlichung der Geburt (§§. 94 und 95 St. G. II. Thls.);

8. Unwissenheit von Aerzten und Wundärzten (§§. 111 und 112 St. G. II. Thls.);

9. unerlaubte Verabredungen von Gewerbsleuten oder Handwerksgesellen und Verheimlichung von Vorräthen (§§. 227-232 St. G. II. Thls.);

10. die in den §§. 234-240 St. G. II. Thls. aufgeführten Ehrenbeleidigungen;

11. die in den §§. 246-253 St. G. II. Thls. aufgeführten Unzuchtsfälle;

12. Kuppelei (§§. 256-259 St. G. II. Thls.);

13. widerrechtliche Eröffnung gerichtlicher Siegel in den Fällen des Patentes von 17. Jänner 1850 Art. III. ;

14. das Vergehen der Verführung zum Mißbrauche der Amtsgewalt (Patent vom 17. Jänner 1850 Art. V.);

15. alle Uebertretungen der Postvorschriften (Patent vom 21. Mai 1805);

16. alle Uebertretungen des Patentes vom 2. December 1803 gegen den Wucher;

17. alle Uebertretungen des Gesetzes vom 19. October 1846 zum Schutze des geistigen Eigenthumes;

(291) 18. alle Uebertretungen des durch allerhöchste Entschließung vom 30. Jänner 1847 erlassenen Eisenbahnpolizeigesetzes;

19. alle Uebertretungen der in den §§. 4, 6, 7 und 14-18 des Patentes vom 13. März 1849 gegen den Mißbrauch der Presse enthaltenen Vorschriften;

20. alle Uebertretungen des Patentes vom 17. März 1849 über die Ausübung des Vereinigungs- und Versammlungsrechtes, mit Ausnahme der §§. 23 und 31-33;

21. leichtsinnige Crida in Gemäßheit der durch Hofkanzleidecret vom 17. April 1847 kundgemachten a. h. Entschließung vom 13. März 1847.

Art. X. Vor die Bezirksgerichte gehören die nachstehenden Handlungen, welche von nun an sämmtlich „Uebertretungen“ zu nennen sind:

1. alle nicht den Bezirks-Collegialgerichten ausdrücklich zugewiesenen schweren Polizeiübertretungen;

2. die in dem Patente vom 17. Jänner 1850, Art. II, IV, VIII und IX aufgeführten Uebertretungen der boshaften Beschädigung fremden Eigenthumes, der Rückkehr eines Verwiesenen, des Diebstahles und der Nachmachung oder Verfälschung einer öffentlichen Urkunde;

3. alle einfachen Polizeiübertretungen, welche nicht der Gemeindepolizei zugewiesen werden;

4. die Uebertretungen des §. 19 des Patentes vom 13. März 1849 gegen den Mißbrauch der Presse;

5. die Uebertretungen der in den §§. 23 und 31-33 des Patentes vom 17. März 1849 über die Ausübung des Vereinigungs- und Versammlungsrechtes enthaltenen Vorschriften;

Art. XI. Der §. 29 St. G. I. Thls. wird außer Wirksamkeit gesetzt, und die Vorschrift des §. 28 St. G. I. Thls. auf alle Fälle ausgedehnt, in welchen entweder Verbrechen mit Vergehen oder Uebertretungen, oder Vergehen mit Uebertretungen, oder in welchen Vergehen oder Uebertretungen verschiedener Gattung zusammentreffen.

Art. XII. Unsere Minister der Justiz und des Innern sind mit dem Vollzuge dieser Verordnung beauftragt.

Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien den 17. Jänner 1850.

Franz Joseph. L(oco) S(igilli)

Schwarzenberg. Krauß. Bach. Bruck. Kulmer. Thinnfeld. Gyulai. Schmerling. Thun.

(292) Strafprozeß-Ordnung

Erstes Hauptstück.

Allgemeine Bestimmungen.

§. 1. Niemand kann wegen Verbrechen, Vergehen oder Uebertretungen mit Strafe belegt werden, außer nach vorgängigem Strafverfahren in Gemäßheit dieser Strafprozeß-Ordnung und in Folge eines von dem zuständigen Richter gefällten Urtheiles.

§. 2. Die gerichtliche Verfolgung der strafbaren Handlungen liegt in der Regel den von dem Gesetze hiezu bestimmten Beamten kraft ihres Amtes ob. Ausgenommen sind diejenigen Fälle, in welchen nach Vorschrift der Strafgesetze nur auf Verlangen des Beleidigten oder Beschädigten verfahren werden darf.

§. 3. Alle in dem Strafverfahren thätigen Behörden haben die zur Ueberführung und die zur Vertheidigung des Angeschuldigten dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen.

§. 4. Privatrechtliche Ansprüche auf strafbare Handlungen sind auf Antrag des Beschädigten im Strafverfahren mit zu erledigen, wenn nicht die Nothwendigkeit weiterer Ausführung eine Verweisung derselben vor die Zivilgerichte angemessen erscheinen lässt.

§. 5. Hängt die Verhandlung oder Entscheidung einer Strafsache von der Beantwortung privatrechtlicher Vorfragen ab, so erstreckt sich die strafgerichtliche Untersuchung auch auf diese und der Strafrichter ist hinsichtlich derselben an ein nach verübter That erfolgtes Erkenntniß des Zivilrichters nicht gebunden. Nur wenn die Vorfrage eheliche oder Verwandtschaftsverhältnisse betrifft, worüber vor Beendigung der Untersuchung ein bürgerlicher Rechtsstreit anhängig gemacht wurde, kann das strafgerichtliche Verfahren bis zum Erkenntniß des Zivilrichters ausgesetzt werden.

§. 6. Die in diesem Gesetze anberaumten Fristen sind, wenn das Gegentheil nicht ausdrücklich verfügt ist, ausschließend (präclusiv) und können nicht verlängert werden. Wenn dieselben von einem bestimmten Tage an zu laufen haben, sind sie so zu berechnen, dass dieser Tag nicht mitgezählt wird. Sonn- und Feiertage sind immer einzurechnen.

§. 7. Die in diesem Gesetze ausgesprochenen Geldstrafen, welche von dem Straffälligen nicht eingebracht oder nicht ohne empfindlichen Nachtheil für den Unterhalt seiner Angehörigen geleistet werden können, sind in Arreststrafen von je Einem Tage für fünf Gulden C. M. zu verwandeln. Alle Geldstrafen verfallen an Armeninstitute des Ortes, wo die Strafe erkannt wurde, und sind an die Gemeindekasse dieses Ortes abzuführen.

(293) Zweites Hauptstück.

Von den Gerichtsbehörden.

§. 8. Die Gerichtsbarkeit in Strafsachen wird von den Bezirksgerichten, den

Bezirks-Collegial- und Landesgerichten, den Geschwornengerichten, den Oberlandesgerichten und dem Cassationshofe ausgeübt.

I. Bezirksgerichte.

§. 9. Die Bezirksrichter und die zum Richteramte befähigten Stellvertreter derselben haben als Einzelrichter über alle Uebertretungen, welche nicht der Gemeindepolizei zugewiesen werden, die Untersuchung zu führen und in erster Instanz zu erkennen. In Beziehung auf Verbrechen und Vergehen liegt den Bezirksgerichten jene Mitwirkung ob, welche ihnen durch diese Strafprozeß-Ordnung zugewiesen wird.

II. Bezirks-Collegialgerichte.

§. 10. Die Bezirks-Collegialgerichte haben für den denselben als Bezirksgerichten zugewiesenen Sprengel aus ihrer Mitte einen oder mehrere Einzelrichter zu bestellen, welche das Strafrichteramt in Uebertretungsfällen gleich jedem Bezirksrichter ausüben.

§. 11. Zu dem den Bezirks-Collegialgerichten als Strafgerichten über Verbrechen und Vergehen zugewiesenen Sprengel steht ihnen bezüglich der im Artikel IX der Einführungsverordnung aufgeführten Verbrechen und Vergehen nicht nur die Voruntersuchung, sondern auch die Hauptverhandlung und Entscheidung in erster Instanz zu.

§. 12. Rücksichtlich der durch Art. VII der Einführungs- Verordnung den Schwurgerichten zugewiesenen Verbrechen und Preßvergehen steht den Bezirks-Collegialgerichten nur die Voruntersuchung zu.

§. 13. Zur Führung der Voruntersuchungen werden ein oder mehrere Mitglieder des

Bezirks-Collegialgerichtes als Untersuchungsrichter bestellt. - Wo das

Bezirks-Collegialgericht als Collegium zu entscheiden hat, faßt es seine Beschlüsse in Versammlungen von zwei Richtern und einem Vorsitzenden.

III. Landesgerichte.

§. 14. Die Landesgerichte üben das Richteramt in Strafsachen theils in erster, theils in zweiter Instanz aus. Als erste Instanz haben sie ihre Beschlüsse in Versammlungen von zwei Richtern und einem Vorsitzenden, als zweite Instanz in Versammlungen von vier Richtern und einem Vorsitzenden zu fassen.

(294) §. 15. In erster Instanz haben die Landesgerichte durch einen aus ihrer Mitte gebildeten Senat als Bezirks-Collegialgerichte für den Umfang eines bestimmten Bezirkes die in den §§. 11 bis 13 denselben zugewiesene Wirksamkeit auszuüben. Außerdem werden vorzüglich aus ihrer Mitte die Richter zu den Geschwornengerichten bestellt.

§. 16. In zweiter und letzter Instanz entscheiden die Landesgerichte:

a) über die Beschwerden gegen die von den Bezirksgerichten in Uebertretungsfällen ergangenen Erkenntnisse;

b) über die Beschwerden gegen die Erkenntnisse der Strafgerichte über Vergehen und über die nicht den Schwurgerichten zugewiesenen Verbrechen, es mögen diese Erkenntnisse von den Bezirks-Collegialgerichten oder von dem im §. 15 erwähnten Senate des Landesgerichtes selbst erflossen seyn; nur darf in letzterem Falle kein bei der ersten Entscheidung eingeschrittener Richter in die zur Verhandlung und Entscheidung in zweiter Instanz zu berufende Versammlung aufgenommen werden.

IV. Geschwornengerichte.

§. 17. Vor die Geschwornengerichte gehört die Hauptverhandlung und Entscheidung über die in dem Art. VII der Einführungs-Verordnung aufgeführten Verbrechen und Preßvergehen.

§. 18. An dem Sitze jedes Landesgerichtes werden alle drei Monate die ordentlichen Schwurgerichtssitzungen abgehalten, und zwar bei den unter Einem Oberlandesgerichte stehenden Landesgerichten nach einer von den Ersteren zu bestimmenden Reihenfolge. In Wien finden die ordentlichen Schwurgerichts-Sitzungen alle Monate, in anderen Städten von mehr als 50,000 Einwohnern alle zwei Monate Statt. Dem Oberlandesgerichte steht es auch zu, wenn die Zahl oder Wichtigkeit der vorliegenden Anklagen es erfordern, die Berufung einer außerordentlichen Schwurgerichts-Sitzung oder aus besonders wichtigen Gründen die Abhaltung der Sitzung an einem anderen Orte anzuordnen.

§. 19. Eine ordentliche Schwurgerichts-Sitzung darf nicht eher geschlossen werden, als bis über alle Strafsachen entschieden ist, rücksichtlich welcher das Verweisungserkenntniß bei Eröffnung der Sitzung bereits rechtskräftig war. Ueber Fälle, in welchen das Verweisungserkenntniß bei Eröffnung der Schwurgerichtssitzung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, kann die Hauptverhandlung während derselben Sitzung mit Genehmigung des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes nur dann erfolgen, wenn der Staatsanwalt oder der Angeklagte darauf anträgt, und der Gegentheil diesem Begehren zustimmt. Der Angeklagte hat jedoch in beiden Fällen ausdrücklich auf die ihm nach §. 241 zustehende Nichtigkeitsbeschwerde und die im §. 256 zugestandene achttägige Frist Verzicht zu leisten.

§. 20. Jedes Geschwornengericht besteht aus einem Gerichtshofe und zwölf Geschwornen (Geschwornenbank) .

(295) 1. Gerichtshof des Schwurgerichtes.

§. 21. Der Gerichtshof des Geschwornengerichtes besteht aus einem Vorsitzenden, vier Richtern und einem Schriftführer. Den Vorsitzenden ernennt der Präsident des Oberlandesgerichtes in der Regel aus den Mitgliedern dieses Gerichtes, doch kann er auch den Präsidenten oder einen Rath des Landesgerichtes, bei welchem das Schwurgericht gehalten werden soll, zu diesem Amte berufen. Jedenfalls hat er auch ein Mitglied des Landesgerichtes als Stellvertreter des Vorsitzenden zu bezeichnen. Diese Ernennungen sind in der Regel sechs Wochen vor dem Beginne der Schwurgerichtssitzung, bei außerordentlichen Sitzungen aber wenigstens vierzehn Tage vor dem Beginne derselben vorzunehmen, und sammt dem Tage und der Stunde der Eröffnung der Sitzung durch die öffentlichen Blätter und durch Anschlag an dem Landesgerichtshause kundzumachen.

§. 22. Die übrigen Mitglieder des Schwurgerichtshofes und zwei Ergänzungsrichter werden aus den Mitgliedern des Landesgerichtes von dem Vorsteher desselben wenigstens acht Tage vor Eröffnung der Schwurgerichtssitzung ernannt. Wer in einer Sache Untersuchungsrichter gewesen, oder an der Entscheidung der Anklagekammer, wodurch die Sache vor das Geschwornengericht gewiesen wurde, Theil genommen hat, kann bei sonstiger Nichtigkeit nicht Mitglied des Schwurgerichtshofes seyn.

2. Die Geschwornen.

§. 23. Zu dem Amte eines Geschwornen ist in der Regel jeder Mann berufen und verpflichtet, welcher

a) mindestens dreißig Jahre alt,

b) des Lesens und Schreibens kundig ist,

c) ein Jahr in der Gemeinde, in der er sich aufhält, seinen ordentlichen Wohnsitz hat, und

d) zugleich zufolge der §§. 43 und 44 der Reichsverfassung die Wahlberechtigung zu den Wahlen für das Unterhaus besitzt, d. h. entweder den durch das Wahlgesetz bestimmten Jahresbetrag an directer Steuer bezahlt, oder ohne Zahlung einer directen Steuer nach seiner persönlichen Eigenschaft in einer Gemeinde eines österreichischen Kronlandes das active Wahlrecht besitzet (!).

§. 24. Die Seelsorger aller gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, Volksschullehrer, wirklich dienende Staatsbeamten, und in activer Dienstleistung stehende Militärpersonen können zu dem Amte eines Geschwornen nicht berufen werden.

§. 25. Unfähig zu dem Amte eines Geschwornen sind gerichtlich erklärte Verschwender und andere Pflegebefohlene, dann alle Personen, welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen außer Stand sind, den Pflichten eines Geschwornen nachzukommen.

§. 26. Personen, über deren Vermögen der Concurs eröffnet ist, oder welche nach gepflogener Concursverhandlung in der Untersuchung nicht schuldlos erklärt wurden; Alle, welche eines Verbrechens oder eines aus Gewinnsucht begangenen, oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens, oder einer solchen Uebertretung schuldig erklärt wurden; endlich Jene, welche wegen einer anderen Gesetzesübertretung zu einer mindestens halbjährigen Freiheitsstrafe verurtheilt wurden, sind von dem Amte eines Geschwornen ausgeschlossen.

§. 27. Das Amt eines Geschwornen kann von Denjenigen abgelehnt werden, welche das fünfundsechzigste Lebensjahr überschritten haben. Ein Geschworner, welcher der an ihn ergangenen Aufforderung bei einer Schwurgerichtssitzung Genüge geleistet hat, kann für das nächste Jahr die Eintragung in die Geschwornenliste ausdrücklich ablehnen.

§. 28. In jeder Gemeinde hat der Gemeindevorstand unter Zuziehung von Mitgliedern des Gemeindeausschusses ein genaues alphabetisches Verzeichniß aller in der Gemeinde zu den Verrichtungen eines Geschwornen berufenen Personen zusammenzustellen.

§. 29. Diese Gemeinde-Geschwornenliste muß an dem Amtssitze des Gemeindevorstandes während acht Tagen zu Jedermanns Einsicht aufliegen, und daß dieses der Fall sei, öffentlich bekannt gemacht werden.

§. 30. Jedem Gemeindegliede steht es frei, binnen acht Tagen, vom letzten Tage der Auflegung der Gemeinde-Geschwornenliste an, gegen dieselbe wegen Uebergehung gesetzlich berufener oder wegen Eintragung unzulässiger Personen Einsprache (Reclamation) bei dem Gemeinde-Vorstande zu erheben.

§. 31. Wird eine solche Einsprache von dem Gemeinde-Vorstande für begründet erachtet, so hat derselbe die Berichtigung in der Gemeinde-Geschwornenliste sogleich vorzunehmen, diese Aenderung durch Anschlag an dem Amtssitze bekannt zu machen, und zugleich die Person, deren Name aus der Liste gestrichen oder derselben beigefügt wurde, davon zu verständigen. Hat dagegen der Gemeindevorstand die Einsprache ungegründet befunden, so ist der Reclamant hievon in Kenntniß zu setzen.

Es steht jedem Gemeindemitgliede zu, binnen acht Tagen von der Veröffentlichung der Aenderung, dem Betheiligten und Reclamanten aber binnen acht Tagen von der Verständigung an, bei dem Bezirkshauptmanne Beschwerde zu erheben.

§. 32. Nach Ablauf der im §. 30 vorgezeichneten Reclamationsfrist hat jeder Gemeindevorstand die Gemeinde-Geschwornenliste, unter Angabe der über Einsprache darin vorgenommenen Aenderungen und der zurückgewiesenen Reclamationen, dem Bezirkshauptmanne einzusenden.

§. 33. Der Bezirkshauptmann hat sämmtliche Listen der in seinem Bezirke gelegenen Gemeinden zu einem Verzeichniß zusammenstellen zu lassen, welches die Bezirksgeschwornenliste bildet.

(297) Eine Abschrift davon ist dem Staatsanwalte an dem Bezirks-Collegialgerichte mitzutheilen, welcher allfällige Reclamationen binnen acht Tagen zu erheben hat.

§. 34. Ueber solche Reclamationen, so wie über die nach §. 31 eingebrachten Beschwerden hat der Bezirkshauptmann mit Zuziehung des Obmannes und wenigstens zweier Mitglieder des Bezirks-Gemeinde-Ausschusses zu entscheiden. Wird die Beschwerde gegründet befunden so hat der Bezirkshauptmann sogleich die Berichtigung in der Bezirksliste vorzunehmen, und hievon den Betheiligten zu verständigen. Dieser kann binnen einer Frist von acht Tagen gegen diese Aenderung bei dem Bezirkshauptmanne seine Beschwerde überreichen. Sowohl die Beschwerden als auch alle in den §§. 31 und 33 erwähnten Beschwerden und Reclamationen, welche bei der nach dem Eingange dieses Paragraphes vorgenommenen Prüfung unberücksichtigt gelassen wurden, hat der Bezirkshauptmann gutächtlich dem Landesgerichte vorzulegen, welches binnen 14 Tage darüber zu entscheiden hat. Gegen die Entscheidung des Landesgerichtes findet keine Berufung mehr Statt.

§. 35. Die auf diese Weise vervollständigten und festgestellten Bezirkslisten sind an den

Kreis-Präsidenten oder den von ihm delegirten Bezirkshauptmanne am Sitze des Schwurgerichtes einzusenden.

Derselbe hat aus dem ganzen Sprengel des Schwurgerichtes die Obmänner der

Bezirks-Gemeinde-Ausschüsse und zwei von jedem Bezirks-Ausschusse abgeordnete Vertrauensmänner einzuberufen, welche unter seiner Leitung aus den Bezirkslisten die Hauptlisten durch Wahl derjenigen Personen bilden, die ihnen wegen Ehrenhaftigkeit der Gesinnung und erprobter Einsicht zu dem Amte eines Geschwornen am geeignetsten erscheinen.

§. 36. Die Wahl geschieht in der Art, daß für Städte mit einer Bevölkerung über 50,000 Einwohner und in allen nicht zu einer besonderen Vertretung auf den Landtagen nach den verschiedenen Landesverfassungen berechtigten Gemeinden auf je 500 Seelen, in den zur besonderen Vertretung auf den Landtagen berechtigten Gemeinden aber auf je 250 Seelen ein Geschworner entfällt. Für eine Theilzahl von mehr als 250 oder 125 Seelen wird ein Geschworner mehr gewählt.

Bei dieser Wahl ist sorgfältig darauf zu achten, daß wo möglichst Befähigte aus allen Gegenden des Schwurgerichtssprengel der Hauptliste einverleibt werden.

§. 37. Aus den auf die bezeichnete Art gewählten Geschwornen wird die Jahresliste, das ist, das Verzeichniß der bei den Schwurgerichtssitzungen des nächsten Jahres zu verwendenden Geschwornen an einem bekannt zu machenden Tage öffentlich unter Leitung des Kreispräsidenten oder des von ihm delegirten Bezirkshauptmannes am Sitze des Landesgerichtes und unter Zuziehung des dortigen Gemeindevorstandes durch das Loos gebildet. Zu diesem Ende werden sämmtliche Namen der auf der Hauptliste eingetragenen Geschwornen mit genauer Angabe ihres Wohnortes in eine Urne gelegt, und daraus die für jedes Schwurgericht durch besondere Verfügung festgesetzte Zahl von Geschwornen, die jedoch nirgends unter 200 oder über 800 betragen soll, gezogen.

(298) §. 38. Die Jahresliste der Geschwornen ist durch den Druck zu veröffentlichen, und wird den Präsidenten des Oberlandesgerichtes und des Landesgerichtes, dem

General-Procurator und dem Staatsanwalte am Orte des Schwurgerichtes, allen Vorständen der zu dem Schwurgerichtssprengel gehörigen Gemeinden, endlich jedem auf der Jahresliste enthaltenen Geschwornen portofrei zugesendet.

§. 39. In jeder Gemeinde werden jährlich die Personen aus den

Gemeinde-Geschwornenlisten gestrichen, welche mit Tod abgegangen sind, oder die zum Geschwornenamte erforderliche Befähigung verloren, oder nach §. 27 den Entschuldigungsgrund des hohen Alters oder der für ein Jahr erfüllten Dienstleistung ausdrücklich bei dem Gemeinde-Vorstande geltend gemacht haben.

Andererseits werden diejenigen Personen beigefügt, welche inzwischen die gesetzliche Befähigung zum Amte eines Geschwornen erlangt haben. Die Bestimmungen über die Bekanntmachung der Gemeindelisten, über die Bildung der Bezirks-, Haupt- und Jahresliste, über die Einbringung und Erledigung der Einsprachen und Beschwerden finden sohin alljährlich ihre Anwendung.

§. 40. Aus der Jahresliste der Geschwornen (§. 37) werden für jede Schwurgerichts-Sitzung durch das Loos sechsunddreißig Haupt- und neun Ergänzungsgeschworne bestimmt. Dieß geschieht wenigstens vierzehn Tage vor Beginn der Schwurgerichts-Sitzung durch den Präsidenten des Landesgerichtes im Beisein (!) des Staatsanwaltes in öffentlicher Sitzung. Zuerst werden aus der Jahresliste die Namen aller an dem Orte des Schwurgerichtes wohnenden Geschwornen entnommen, in eine Urne gelegt, und daraus durch den Präsidenten des Landesgerichtes neun Ergänzungsgeschworne gezogen. Hierauf werden die Namen aller auf der Jahresliste stehenden Personen, mit Ausnahme der eben gezogenen Ergänzungsgeschwornen, in die Urne gelegt und daraus sechsunddreißig Hauptgeschworne für die ganze Schwurgerichtssitzung gezogen. Die Vorschriften dieses Paragraphes sind bei sonstiger Nichtigkeit zu beobachten.

§. 41. Die 36 Hauptgeschwornen sind unter Angabe des Ortes, des Tages und der Stunde der Eröffnung der Schwurgerichts-Sitzung und unter Hinweisung auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens durch den Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes oder dessen Stellvertreter schriftlich vorzuladen. Es ist dafür Sorge zu tragen, daß die Zustellung der Ladung zu ihren eigenen Händen, wo möglich acht Tage vor dem Beginne der Sitzung erfolge. Die 9 Ergänzungsgeschwornen sind in gleicher Weise von ihrer Berufung in Kenntniß zu setzen.

§. 42. Die Hauptgeschwornen, welche auf die an sie ergangene Vorladung erschienen, und ihren Verrichtungen als Geschwornen nachgekommen sind, so wie jene Ergänzungsgeschwornen, welche bei einer ordentlichen Schwurgerichts-Sitzung zur Ergänzung als Hauptgeschworne zugezogen worden sind, und ihre Verbindlichkeiten erfüllt haben, sind für dasselbe Jahr von der nochmaligen Theilnahme an den

Schwurgerichts-Sitzungen befreit, es wäre denn, daß sie auf diese Befreiung ausdrücklich verzichtet hätten, worüber jeder derselben am Schlusse der Sitzung besonders zu befragen ist. Die Namen der Geschwornen, welche diese Befreiung erlangt haben,

(299) sind von der Jahresliste zu streichen, und einer weiterern Verlosung (!) für spätere Schwurgerichts-Sitzungen desselben Jahres nicht mehr zu unterziehen.

§. 43. Jeder Geschworne, welcher nicht der an ihn ergangenen Vorladung gemäß erscheint, oder sich vor Beendigung der Schwurgerichts–Sitzung ohne Erlaubniß des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes entfernt, ist von dem Gerichtshofe in eine Strafe von 25 bis 50 fl., im zweiten Falle von 50 bis 100 fl., im dritten Falle von 100 bis 200 fl. C. M. zu verurtheilen. In dem letzteren Falle ist der Ausgebliebene zugleich des Ehrenamtes eines Geschwornen für verlustig zu erklären, und das darüber ergangene Erkenntniß, sobald es in Rechtskraft erwachsen ist, öffentlich bekannt zu machen. Gegen ein solches Straferkenntniß kann der Verurtheilte nur binnen 8 Tagen von Zustellung desselben bei dem Schwurgerichtshofe oder falls dieser nicht mehr versammelt ist, bei dem Landesgerichte Einspruch erheben und unter genügender Bescheinigung, daß ihm die Vorladung nicht gehörig zugestellt worden, oder daß ihm ein unvorhergesehenes und unabwendbares Hinderniß vom Erscheinen abgehalten habe, oder daß die ausgesprochene Strafe nicht im Verhältniß zu seinem Versäumniß stehe, um Aufhebung oder Milderung der ihm auferlegten Strafe bitten. Gegen die hierauf erfolgte Entscheidung des Schwurgerichtshofes oder Landesgerichtes findet kein weiteres Rechtsmittel Statt.

§. 44. Jeder Geschworne, der seine Obliegenheit erfüllt, wird, wenn sein Wohnsitz weiter als zwei Stunden von dem Orte des Schwurgerichtes entfernt liegt, auf Verlangen eine mäßige Entschädigung für die Reisekosten erhalten, deren Betrag durch besondere Verordnung festgesetzt wird.

V. Oberlandesgerichte.

§. 45. Die Oberlandesgerichte haben in Strafsachen nur als Anklagekammer über die Anträge auf Versetzung in Anklagestand wegen der den Schwurgerichten zugewiesenen Straffälle, so wie über die in Gemäßheit dieser Strafprozeß-Ordnung an dieselbe gelangenden Beschwerden (§§. 238 und 397) zu entscheiden. Sie fassen ihre Beschlüsse in Versammlungen von 4 Räthen und einem Vorsitzenden.

VI. Cassationshof.

§. 46. Der Cassationshof hat über die Nichtigkeitsbeschwerden gegen die von den Geschwornengerichten oder von den Bezirks-Collegial- und Landesgerichten in Strafsachen gefällten Erkenntnisse zu entscheiden. Er faßt seine Beschlüsse in Versammlungen von wenigstens sechs Räthen und einem Vorsitzenden.

VII. Abstimmung bei den Gerichten.

§. 47. Die Beschlußfassung bei den Gerichten erfolgt nach vorausgegangener Berathung durch Stimmenmehrheit. Die dem Dienstalter nach jüngeren Mitglieder des Gerichtes geben ihre Stimme vor den älteren, der Vorsitzende aber seine Stimme zuletzt ab. Bei mehr als zwei verschiedenen Meinungen über dieselbe Frage werden die dem Angeschuldigten nachtheiligsten Stimmen den zunächst minder nachtheiligen so lange zugezählt, bis sich eine Mehrheit ergibt.

(300) VII. Nebenpersonen bei den Gerichtsbehörden.

§. 48. Jeder Gerichtssitzung muß ein Schriftführer beiwohnen und das Protokoll (!) darüber aufnehmen. Sowohl diese Schriftführer als die zur Führung der Protokolle bei Voruntersuchungen wegen Verbrechen und Vergehen zu verwendenden Personen müssen zu Führung der Protokolle beeidigt seyn; es ist jedoch nicht erforderlich, daß sie zum Richteramt befähigt seyen.

IX. Verhältniße der Sicherheits- und anderen Behörden.

§. 49. Die Sicherheitsbehörden, unter welchen auch die Gemeindevorsteher begriffen sind, haben alle Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen, so ferne sie nicht bloß auf Verlangen eines Betheiligten untersucht werden, nachzuforschen, und die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordungen zu treffen, welche zur Aufklärung der Sache dienen, oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung, oder die Flucht des Thäters verhüten können. Sowohl die Sicherheitsbehörden, als auch ihre untergeordneten Diener können, wenn Gefahr am Verzuge haftet, Haussuchungen (§. 144 bis 149) und die vorläufige Verwahrung von Angeschuldigten (§. 186 und 187) unaufgefordert vornehmen. Sie müssen jedoch ihre dießfälligen (!) Protocolle unverzüglich dem zuständigen Staatsanwalte oder Untersuchungsrichter mittheilen.

§. 50. Die Gerichtsbehörden sind befugt, erforderlichen Falles die bewaffnete Macht unmittelbar, ohne Dazwischenkunft einer anderen Behörde, zum Beistand aufzufordern.

Drittes Hauptstück.

Von der Staatsanwaltschaft.

§. 51. Bei jedem Bezirks-Collegialgerichte, so wie bei jedem Landesgerichte werden Staatsanwälte, bei jedem Oberlandes-Gerichte, so wie bei dem Cassationshofe Generalprocuratoren mit der erforderlichen Anzahl von Stellvertretern angestellt. Die Stellvertreter der Staatsanwälte sind, wo sie für die letzteren auftreten, zu allen Amtshandlungen derselben gesetzlich berechtigt.

§. 52. Die Mitglieder der Staatsanwaltschaft sind unabhängig von den Gerichten, bei welchen sie angestellt sind. Die Staatsanwälte bei den Bezirks-Collegial- und Landesgerichten sind den Generalprocuratoren bei den Oberlandes-Gerichten, diese so wie der Generalprocurator bei dem Cassationshofe dem Justizministerium unmittelbar untergeordnet.

§. 53. Zu dem Geschäftskreise der Staatsanwälte bei den

Bezirks-Collegial- und Landesgerichten gehört die Betheiligung an allen Voruntersuchungen wegen Verbrechen und Vergehen (§. 85) und an allen Hauptverhandlungen bei diesen Gerichten, so fern nicht der Generalprocurator des Oberlandesgerichtes selbst oder durch einen seiner Stellvertreter einzuschreiten für angemessen

(301) erachtet. Die Hauptverhandlung vor den Geschwornengerichten gehören unter eben dieser Beschränkung zum Wirkungskreise der Staatsanwälte bei den Landesgerichten, an deren Sitze das Schwurgericht abgehalten wird. Doch steht es den General-Procuratoren zu, für einzelne Fälle auch Staatsanwälte eines Bezirks-Collegialgerichtes mit der Amtshandlung vor dem Geschwornengerichte zu beauftragen. Die Staatsanwälte an den Bezirks-Collegial- und Landesgerichten sind befugt, sich auch bei den vor die Bezirksgerichte gehörigen Untersuchungen und Verhandlungen zu betheiligen.

§. 54. Die Staatsanwälte bei den Bezirks-Collegial- und Landesgerichten haben dem General-Procurator bei dem Oberlandesgerichte nach Ablauf jeden Monats über die während desselben erledigten, so wie über die noch anhängigen Strafsachen und den Stand der letzteren Bericht zu erstatten. Sie haben auch in einzelnen Straffällen, wenn sie es der Wichtigkeit der Sache wegen nöthig finden, und wenn es sich um die Einleitung oder um die Einstellung einer Untersuchung, oder auch nur um einzelne Untersuchungsschritte handelt, an denselben zu berichten und dessen Weisungen zu befolgen.

§. 55. Der Generalprocurator bei dem Oberlandesgerichte hat sein Amt bei den vor diesem Gerichte als Anklagekammer erforderlichen Verhandlungen auszuüben.

Außerdem steht ihm die Aufsicht über alle ihm untergeordneten Staatsanwälte zu. Er erstattet am Ende jedes Vierteljahres an das Justizministerium Bericht über die im Laufe desselben erledigten und noch anhängigen Strafsachen.

§. 56. Die Verhandlungen vor dem Cassationshofe gehören in den Geschäftskreis des bei demselben angestellten Generalprocurators oder seiner Stellvertreter.

§. 57. Die Staatsanwälte haben alle strafbaren Handlungen, welche zu ihrer Kenntniß kommen, und nicht bloß auf Verlangen eines Betheiligten zu untersuchen und zu bestrafen sind, von Amtswegen zu verfolgen, und daher wegen deren Untersuchung und Bestrafung durch das zuständige Gericht das Erforderliche zu veranlassen, zugleich aber auch darüber zu wachen, daß Niemand schuldlos verfolgt werde.

Sie vertreten sowohl in der Voruntersuchung als in der Hauptverhandlung den durch das Verbrechen oder Vergehen verletzten Staat und haben darauf zu sehen, daß die Untersuchung den gesetzmäßigen Gang einhalte, und daß alle zur Erforschung der Wahrheit dienlichen Mittel gehörig benützt werden. Sie sind befugt, jederzeit von dem Stande der anhängigen Untersuchung durch Einsicht der Acten Kenntniß zu nehmen oder deren Mittheilung zu verlangen, ohne daß jedoch das Strafverfahren dadurch aufgehalten werden darf. Nehmen sie Unregelmäßigkeiten oder Verzögerungen wahr, so haben sie auf geeignete Weise deren Abstellung zu veranlassen und erforderlichen Falles dem Generalprocurator die Anzeige zu machen, damit dieser durch das Oberlandesgericht die Abhilfe bewirke.

§. 58. Die Staatsanwälte stellen ihre Anträge mündlich oder schriftlich. In gleicher Weise geben sie über Anträge des Angeschuldigten oder über Anfragen des Gerichtes Erklärungen ab.

(302) Sie können im Laufe der Voruntersuchung den Berathungen des Gerichtes, niemals aber bei sonstiger Nichtigkeit der Abstimmung und Beschlußfassung beiwohnen.

§. 59. Die Staatsanwälte sind bei Voruntersuchungen befugt, sich in unmittelbare Verbindung mit Sicherheitsbehörden zu setzen und deren Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die Sicherheitsbehörden und deren untergeordnete Diener haben ihren Anordnungen Folge zu leisten.

§. 60. Die Generalprocuratoren am Cassationshofe und an den Oberlandesgerichten haben dem Justizministerium nach Ablauf jedes Jahres über den Zustand und Gang der Rechtspflege, so wie über die wahrgenommenen Gebrechen der Gesetzgebung und des Geschäftsganges Bericht zu erstatten.

Viertes Hauptstück.

Von der Zuständigkeit der Strafgerichte.

I. Einzelne Gerichtstände.

§. 61. Die Beschaffenheit der That ist bei Verbrechen oder Vergehen durch dasjenige Bezirks-Collegialgericht (§§. 94, 95), bei Uebertretungen aber durch jenes Bezirksgericht zu erheben, in dessen Bezirke die strafbare Handlung begangen worden ist.

§. 62. Denselben Gerichten steht in der Regel auch das Verfahren gegen den Beschuldigten zu.

§. 63. Hat jemand in verschiedenen Gerichtsbezirken mehrere Verbrechen oder Vergehen oder Uebertretungen begangen, so ist unter den Gerichten dieser Bezirke rücksichtlich aller von dem Angeschuldigten verübten strafbaren Handlungen dasjenige als das ausschließlich zuständige anzusehen, welches durch Vorladung oder Vernehmung des Angeschuldigten als solchen, durch Verhaftung oder Verfolgung desselben mittelst der Nacheile oder durch Steckbriefe den anderen zuvorgekommen ist. Hat aber jemand in verschiedenen Gerichtsbezirken zugleich Verbrechen und Vergehen oder Uebertretungen, oder zugleich Vergehen und Uebertretungen begangen, so ist im ersten Falle das über die Verbrechen, im letzten Falle das rücksichtlich der Vergehen zuständige Gericht ausschließlich zuständig, wenn auch das über die strafbaren Handlungen geringere Art zuständige Gericht zuvorgekommen wäre.

§. 64. Das Zuvorkommen entscheidet auch, wenn die strafbare Handlung auf der Gränze zweier Gerichtsbezirke begangen worden ist.

§. 65. Wenn der Beschädigte die Anzeige einer strafbaren Handlung bei dem Gerichte macht, in dessen Bezirke der Angeschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat, so wird dieses Gericht zuständig, wenn nicht das Gericht des Bezirkes der begangenen That bereits zuvorgekommen ist, oder wenn nicht der Staatsanwalt dieses Bezirkes oder der Angeschuldigte verlangen, daß die Sache dahin abgegeben werde.

(303) §. 66. Ist ein Verbrechen im Auslande begangen worden, dessen Bestrafung nach den Vorschriften der §§. 30 und 32 St. G. B. I. Thls. im Inlande stattfinden kann, so ist jenes Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Angeschuldigte seinen festen Wohnsitz oder in Ermanglung eines solchen seinen zeitlichen Aufenthaltsort hat. Wenn der Angeschuldigte weder Wohnsitz noch Aufenthaltsort im Lande hat, so ist dasjenige Gericht zuständig, in dessen Bezirke er ergriffen wird.

§. 67. Hat dieselbe Person strafbare Handlungen in Inlande und im Auslande verübt, so ist das für die ersteren zuständige inländische Gericht zugleich auch für die Letzteren zuständig.

§. 68. Wenn die Auslieferung eines in diesen Ländern sich aufhaltenden Fremden wegen eines im Auslande begangenen Verbrechens, das nicht unter die Vorschrift §. 32 St. G. B. I. Thls. fällt, von einem auswärtigen Staate verlangt wird, so steht die Beurtheilung und die Verhandlung mit der fremden Behörde nach Maßgabe des §. 66 dem Bezirks-Collegial-Gerichte zu, in dessen Bezirke der Angeschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat, oder in dessen Bezirke er ergriffen wird. Auf das Verlangen der Auslieferung oder über erlassenen Steckbriefe ist zwar gegen die Entweichung des fremden Angeschudigten die nöthige Vorkehrung zu treffen, auf seine Auslieferung aber nach Vernehmung des Staatsanwaltes bei dem Oberlandesgerichte nur dann anzutragen, wenn von der auswärtigen Behörde sogleich oder in einem angemessenen Zeitraum solche Beweise oder Anzeigungen beigebracht werden, worüber sich der hier vorgenommene Fremde nicht auf der Stelle auszuweisen vermag. Das Oberlandesgericht hat seinen Beschluß jederzeit vorläufig dem Justizministerium zur Genehmigung vorzulegen.

§. 69. Ebenso muß, wenn die Auslieferung eines fremden Verbrechers nicht angesucht worden, sondern nach Vorschrift des §. 33 St. G. I. Thls. dem auswärtigen Staate anzubieten ist, die Genehmigung des Oberlandesgerichtes und des Justizministeriums eingeholt werden.

§. 70. Die Zuständigkeit eines Gerichtes, bei welchem eine Untersuchung wegen eines Verbrechens oder wegen eines dem Schwurgerichte zugewiesenen Vergehens bereits anhängig ist, erstreckt sich auch auf alle strafbaren Handlungen, welche der Angeschuldigte erst während der Untersuchung in einem anderen Gerichtsbezirke verübte. Hat aber ein wegen eines anderen Vergehens oder einer Uebertretung in Untersuchung stehender Angeschuldigter während der Untersuchung in einem anderen Gerichtsbezirke ein Verbrechen oder ein vor das Schwurgericht gehöriges Vergehen verübt, so wird das rücksichtlich dieses Verbrechens oder Vergehens zuständige Gericht auch für das oberwähnte Vergehen oder die Uebertretung zuständig, und die Untersuchung wegen dieser strafbaren Handlungen muß an dasselbe abgegeben werden.

§. 71. Haben mehrere Personen an der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens Theil genommen, so begründen die Zuständigkeit eines Gerichtes über den Hauptthäter oder Urheber auch die Zuständigkeit über alle Mitschuldigen und Theilnehmer (§. 72). Haben bei einer Verbindung zur Ausführung eines gemeinschaftlich bezweckten Verbrechens mehrere Mitschuldige

(304) Handlungen in verschiedenen Gerichtsbezirken vorgenommen, so wird das zuvorkommende Gericht über alle Mitschuldigen zuständig.

II. Besondere Gerichtsstände.

§. 72. Das Strafverfahren gegen Personen, die nach besonderen Vorschriften in Straffällen der Militär-Gerichtsbarkeit unterstehen, bleibt auch fernerhin den Militärgerichten vorbehalten. Die Erhebung des Thatbestandes rücksichtlich solcher strafbaren Handlungen, welche nach den allgemeinen Strafgesetzen zu behandeln sind, steht jedoch den Militärgerichten nur dann zu, wenn der Beschuldigte offenbar der Militär-Gerichtsbarkeit untersteht. Ergibt sich dieß erst im Laufe einer Voruntersuchung, so ist die Verhandlung von dem Zivil-Strafgerichte abzubrechen und dem Militärgerichte zu übergeben.

§. 73. Die auswärtigen Gesandtschaften und das eigentliche Gesandtschaftspersonale derselben stehen nicht unter der Gerichtsbarkeit der Landesbehörden. Auch die Haus- und Dienstleute fremder Souveräne oder Gesandte angehört, unterstehen den österreichischen Gerichten nicht. Hätte daher mit solchen Personen eine Amtshandlung wegen eines Verbrechens einzutreten, so ist sich zwar nach Umständen der Person des Beschuldigten zu versichern, jedoch sogleich die Anzeige davon an das Obersthofmarschallamt zur weitern Eröffnung an den Souverän oder Gesandten wegen Uebernahme des Beschuldigten zu machen.

III. Befugniß zur Delegirung.

§. 74. In allen Fällen, wo das Zuvorkommen den Ausschlag gibt, und die Gerichtsbarkeit von Einzelrichtern oder Bezirks-Collegial-Gerichten unter demselben Landesgerichte zusammentrifft, kann dieses sämmtliche oder einzelne Untersuchungen Einem der zusammentreffenden Gerichte zuweisen, wenn dieß wegen der Wichtigkeit eines oder mehrerer Verbrechen, wegen der Zahl der in einem Bezirk fallenden Verbrechen, oder der daselbst zu vernehmenden Zeugen, oder überhaupt zur Erleichterung des Verfahrens angemessen erscheint. Dieselbe Befugniß steht, wenn die Gerichtsbarkeit von Einzelrichtern oder Bezirks-Collegial-Gerichten unter verschiedenen Landesgerichten oder die Gerichtsbarkeit verschiedener Landesgerichte selbst zusammentrifft, dem Oberlandesgerichte, und wenn die Gerichtsbarkeit mehrerer unter verschiedenen Oberlandesgerichten stehenden Gerichte zusammentrifft, dem Cassationshofe zu.

§. 75. Die Oberlandesgerichte sind auch berechtigt, aus Rücksichten der öffentlichen Sicherheit oder wegen Mangels hinreichender Gefängnisse ausnahmsweise Untersuchungen dem zuständigen Gerichte abzunehmen, und einem anderen Gerichte derselben Art in ihrem Sprengel zuzuweisen.

IV. Streitigkeiten über die Zuständigkeit von Gerichten.

§. 76. Ist die Zuständigkeit in Strafsachen zwischen verschiedenen Gerichten streitig, welche unter demselben Landesgerichte stehen, so entscheidet das letztere. Streitigkeiten über die Zuständigkeit

(305) zwischen Gerichten, die nicht demselben Landesgerichtssprengel angehören, so wie zwischen Landesgerichten entscheidet das Oberlandesgericht.

Gehören die über die Zuständigkeit streitenden Gerichte zu verschiedenen Oberlandesgerichtssprengeln, so entscheidet der Cassationshof. Wegen Entscheidungen dieser Art findet kein Rechtsmittel statt.

In der Zwischenzeit hat jedes der streitenden Gerichte die zur Einleitung der Untersuchung und Herstellung des Thatbestandes in seinem Bezirke nöthigen Handlungen und insbesondere alle jene Untersuchungsschritte vorzunehmen, bei welchen Gefahr auf dem Verzuge haftet.

V. Amthandlungen nicht zuständiger Gerichte.

§. 77. Alle auch nicht zuständigen Strafgerichte, in deren Bezirke sich Spuren eines Verbrechens finden, sind, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, berechtigt und verpflichtet, jene Handlungen vorzunehmen, die zur Herstellung des Thatbestandes oder zur Festhaltung eines Angeschuldigten dienen können. Sie müssen jedoch die zuständigen Gerichte oder Staatsanwälte davon alsbald in Kenntniß setzen, und denselben die von ihnen aufgenommenen Verhandlungen übersenden.

§. 78. Untersuchungshandlungen, welche ein nicht zuständiges Strafgericht außer dem Falle des vorhergehenden Paragraphes vorgenommen, sind deßhalb allein noch nicht ungiltig, sofern sie sich nur auf die Voruntersuchung beziehen; doch liegt es dem zuständigen Gerichte ob, zu beurtheilen, in wie fern eine Wiederholung oder Ergänzung dieser Handlung einzuleiten sei.

Fünftes Hauptstück

Von der Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen.

I. Ausschließung der Gerichtspersonen.

§. 79. Richter und Protocollführer (!) sind von der Vornahme gerichtlicher Handlungen im Strafverfahren ausgeschlossen, wenn der Angeschuldigte oder der durch das Verbrechen oder Vergehen Verletzte mit ihnen durch das Band der Ehe, durch Verwandtschaft in auf- und  absteigender Linie oder in der Seitenlinie bis zum vierten Grade oder durch Schwägerschaft bis zum zweiten Grade verbunden ist, oder zu ihnen in dem Verhältnisse von Wahl- oder Pflege-Eltern (!) oder Kindern, oder eines Vormundes oder Mündels steht.

§. 80. Ausgeschlossen ist ferner derjenige Richter oder Protocollführer, welcher außerhalb seiner Dienstverrichtung Zeuge des in Frage stehenden Verbrechens oder Vergehens gewesen; welcher in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden, oder als Rechtsfreund oder Vertheidiger, als Staatsanwalt oder in einer frühreren Instanz als Richter thätig gewesen ist.

(306) §. 81. Der Richter ist schuldig, das Verhältniß, welches den Grund seiner Ausschließung bildet, unverzüglich, wenn er ein Einzelbezirksrichter (!) ist, dem Bezirks-Collegial-Gerichte, außerdem aber dem Vorsteher des Gerichtes, dessen Mitglied er ist, anzuzeigen.

Der Protocollführer hat diese Anzeige dem Richter zu machen, bei welchem er das Protocoll führen soll.

§. 82. Jede Gerichtsperson hat sich von dem Zeitpuncte an, in welchem ihr ein Ausschließungsgrund bekannt geworden, aller gerichtlichen Handlungen bei sonstiger Nichtigkeit zu enthalten. Nur wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, und die Vertretung durch einen anderen Richter oder Protocollführer nicht sogleich bewirkt werden kann, hat eine solche Gerichtsperson die dringend nöthigen gerichtlichen Handlungen selbst vorzunehmen.

II. Ablehnung der Gerichtspersonen.

§. 83. Sowohl der Staatsanwalt als auch der Angeschuldigte, und bei Verbrechen oder Vergehen, die nur auf Verlangen eines Betheiligten untersucht werden, auch dieser können Mitglieder des Gerichtes und Protocollführer ablehnen, wenn sie Gründe anzugeben und darzuthun vermögen, welche geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Abzulehnenden in Zweifel zu setzen.

§. 84. Das Gesuch, womit ein Betheiligter die Ablehnung eines Richters geltend machen will, ist jederzeit bei dem Gerichte, welchem der Abgelehnte angehört, und zwar, wenn es sich um die Ablehnung eines Mitgliedes des erkennenden Gerichtes handelt, längstens 24 Stunden, und wenn es sich um die Ablehnung eines ganzen Gerichtshofes handelt, längstens acht Tage vor Beginn der zur Verhandlung anberaumten Sitzung zu überreichen oder zu Protocoll zu geben. In diesem Gesuche müssen die Gründe der Ablehnung genau angegeben und so viel als möglich bescheinigt seyn.

§. 85. Ueber die Zulässigkeit der Ablehnung einer Gerichtsperson entscheidet in der Regel der Vorsteher des Gerichtes, zu welchem sie gehört. Wird aber ein ganzes Gericht oder der Vorsteher eines Gerichtes abgelehnt, so enscheidet:

1) das Landesgericht, wenn ein Bezirks-Collegial-Gericht oder der Vorsteher desselben oder ein Einzelbezirksrichter verbeten werden;

2) das Oberlandesgericht, wenn ein Landesgericht oder dessen Präsident verbeten werden;

3) der Cassationshof, wenn ein Oberlandesgericht oder dessen Präsident abgelehnt werden

Wegen diese Entscheidungen findet kein Rechtsmittel statt. Die Behörde oder der Gerichtsvorsteher, welche über die Ablehnung entscheiden, haben zugleich, falls derselben stattgegeben wird, einen anderen Einzel- oder Untersuchungsrichter oder einen anderen Gerichtshof zu bezeichnen, welchem die Sache zu übertragen ist.

III. Ausschließung von Staats-Anwälten.

§. 86. Befindet sich ein Staatsanwalt in einem Verhältnisse, das die Ausschließung oder Ablehnung eines Richters begründen würde, so ist er verpflichtet, sich des Einschreitens in der

(307) Sache, für die er als ausgeschlossen oder befangen erscheint, zu enthalten, dieselbe seinem Stellvertreter zu überlassen und davon dem Generalprocurator die Anzeige zu machen. Ist ein Generalprocurator ausgeschlossen, so hat er die Anzeige an das Justizministerium zu erstatten. Die Ablehnung eines Staatsanwaltes findet nicht statt.

Sechstes Hauptstück.

Von der Voruntersuchung über Verbrechen und Vergehen im Allgemeinen.

§. 87. Die Voruntersuchung hat den Zweck, den Thatbestand zu erheben, den Thäter zu ermitteln, die zur Ueberführung oder Vertheidigung des Angeschuldigten dienenden Beweismittel zu erforschen und hierdurch entweder den Ausspruch, daß kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung vorhanden sei, herbeizuführen, oder die Hauptverhandlung mit dem Angeschuldigten vorzubereiten.

I. Stellung des Untersuchungsrichters im Allgemeinen.

§. 88. Die Voruntersuchung wird von dem Untersuchungsrichter (§. 13) persönlich und unmittelbar geführt; doch kann er die in seinem Sprengel befindlichen Bezirks-Einzelrichter um die Vornahme einzelner gerichtlichen Handlungen ersuchen.

Sind aber Untersuchungshandlungen in einem anderen Collegial-Gerichtssprengel vorzunehmen, oder dient deren Vornahme daselbst zur Erleichterung des Geschäftes, so hat der Untersuchungsrichter die Vornahme dieser gerichtlichen Handlungen durch Ersuchschreiben (!) an den Richter jenes anderen Bezirkes zu veranlassen.

§. 89. In einzelen Fällen kann die Führung der Voruntersuchung, wenn dieselbe voraussichtlich nicht von großer Ausdehnung ist, von dem Bezirks-Collegial-Gerichte nach Anhörung des Staatsanwaltes demjenigen Bezirks-Einzelrichter übertragen werden, in dessen Bezirke das Verbrechen oder Vergehen begangen worden ist, oder der Angeschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat. Es bleibt jedoch dem Bezirks-Collegial-Gerichte unbenommen, die Voruntersuchung zu jeder Zeit wieder an sich zu ziehen.

§. 90. In der Regel hat der Untersuchungsrichter die Voruntersuchung nur in Folge eines dahin zielenden Antrages des Staatsanwaltes einzuleiten. Erhält er durch Anzeigen oder auf andere Art Kenntniß von der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens, bevor ein Antrag des Staatsanwaltes an ihn gelangt ist, so muß er demselben davon unverweilt Nachricht geben. Haftet Gefahr auf dem Verzug, so hat er sofort, ohne den Antrag des Staatsanwaltes abzuwarten, die zur Feststellung des Thatbestandes und zur Verfolgung oder Festnehmung des Thäters nöthigen Handlungen vorzunehmen, muß aber den Staatsanwalt unverweilt davon in Kenntniß setzen.

§. 91. Ist die Einleitung einer Voruntersuchung von dem Staatsanwalt beantragt worden, so hat der Untersuchungsrichter sohin, ohne weitere Anträge des Staatsanwaltes abzuwarten, von Amtswegen einzuschreiten und das Geeignete zu verfügen.

(308) §. 92. Wenn der Untersuchungsrichter Anträgen des Staatsanwaltes hinsichtlich der Einleitung einer Untersuchung oder hinsichtlich der Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen beizutreten Bedenken findet, oder wenn er es wegen der Wichtigkeit einer Untersuchungshandlung für nöthig erachtet, hat er die Entscheidung des Bezirks-Collegial-Gerichtes einzuholen. Er nimmt dann an der Berathung, aber nicht an der Beschlußfassung Theil. Von solchen Berathungen des Bezirks-Collegial-Gerichtes ist der Staatsanwalt, so viel thunlich, vorher zu benachrichtigen, damit er seine Ansichten schriftlich oder mündlich vortragen kann.

§. 93. Der Untersuchungsrichter erstattet dem Bezirks-Collegial-Gerichte über den Stand aller anhängigen Untersuchungen wöchentlich einmal mündlichen Vortrag. Der Staatsanwalt wohnt dieser Sitzung bei und ist berechtigt, über diesen Vortrag Anträge zu stellen.

II. Stellung des Staatsanwaltes in der Voruntersuchung.

§. 94. Der Staatsanwalt hat alle über Verbrechen oder Vergehen an ihn gelangenden Anzeigen, welche er für erheblich erachtet, so wie die zu seiner Kenntniß kommenden Beweismittel dem Untersuchungsrichter mitzutheilen und zugleich die geeigneten Anträge zu stellen. Er hat auch zur Entdeckung unbekannter Thäter durch Erforschung dahin führender Anzeigungen mitzuwirken.

§. 95. Untersuchungshandlungen nimmt der Staatsanwalt selbst bei sonstiger Nichtigkeit nicht vor. Er ist jedoch berechtigt, Personen, welche Aufklärung über begangene Verbrechen oder Vergehen zu ertheilen im Stande seyn dürften, vorläufig und unbeeidigt durch Bezirks-Einzelrichter oder in deren Abwesenheit oder Behinderung auch durch Beamte der Sicherheitsbehörden in seiner Gegenwart vernehmen zu lassen. Außerdem kann er in dringenden Fällen in Abwesenheit des Untersuchungsrichters und seines Stellvertreters Augenschein, Haussuchung und andere Untersuchungshandlungen durch Bezirkseinzelrichter oder Beamte der Sicherheitsbehörden vornehmen lassen, und denselben auch selbst beiwohnen. In allen diesen Fällen sind die aufgenommenen Protocolle unverweilt dem Untersuchungsrichter mitzutheilen, welcher deren Form und Vollständigkeit zu prüfen und nöthigenfalls die Wiederholung oder Ergänzung der Verhandlung zu bewirken hat.

§. 96. Der Staatsanwalt darf dagegen bei der förmlichen Vernehmung des Angeschuldigten oder der Zeugen durch den Untersuchungsrichter nicht gegenwärtig seyn. Er ist aber berechtigt, dem Augenschein, einer Haussuchung und der Durchsuchung von Papieren beizuwohnen und die Gegenstände zu bezeichnen, auf welche diese Untersuchungshandlungen auszudehnen sind. Der Untersuchungsrichter soll den Staatsanwalt zu diesem Behufe in der Regel von der Vornahme dieser Handlungen im Voraus benachrichtigen, kann sie aber auch, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, ohne vorausgegangene Verständigung desselben vornehmen.

(309) III. Pflichten der Bezirks-Einzelrichter in Betreff der Voruntersuchung.

§. 98. Wird einem Bezirks-Einzelrichter ein in seinem Bezirke verübtes, zur Zuständigkeit des daselbst nicht anwesenden Untersuchungsrichters gehöriges Verbrechen oder Vergehen angezeigt, bei welchem die schleunige Vornahme eines Augenscheines, einer Haussuchung oder anderer Untersuchungshandlungen erforderlich erscheint, so muß er zwar den Staatsanwalt und Untersuchungsrichter davon schleunigst benachrichtigen, doch hat er sich unverzüglich an den Ort der That zu begeben, um vorläufig, so weit nöthig, den Thatbestand festzustellen, und die erforderlichen Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Die darüber aufgenommenen Protocolle hat er dem Staatsanwalte mitzutheilen.

IV. Verfahren bei Anzeigen.

§. 99. Wird ein Verbrechen oder Vergehen mündlich oder schriftlich angezeigt, so ist der Anzeiger über alle Umstände zu vernehmen, von welchen die Beurtheilung seiner persönlichen Glaubwürdigkeit und der Wahrheit seiner Anzeige abhängt.

§. 100. Ueber namenlose Anzeigen sowie über Anzeigen, die von einem völlig Unbekannten herrühren, ist zwar, falls sie bestimmte, das Verbrechen oder Vergehen glaubwürdig bezeichnende Umstände enthalten, zur Erhebung dieser Umstände zu schreiten; doch ist dabei mit Vermeidung alles Aufsehens und mit möglichster Schonung der Ehre der beschuldigten Personen vorzugehen.

V. Verfahren bei vorhandenen Spuren und Gegenständen eines Verbrechens.

§. 101. Hat ein Verbrechen oder Vergehen Spuren zurückgelassen, so sind diese in geeigneter Weise, insbesondere durch Augenschein nach den in dem folgenden Hauptstücke enthaltenen Bestimmungen zu erheben. Es ist Sorge zu tragen, daß solche Spuren bis zur Vornahme dieser Erhebung so viel als möglich in unverändertem Zustande erhalten werden.

§. 102. Gegenstände, an oder mit welchen die strafbare That verübt wurde, oder welche der Angeschuldigte am Orte der That zurückgelassen hat, überhaupt Gegenstände, welche von dem Angeschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen sind, aber in anderer Weise zur Herstellung des Beweises dienen können, sind, soweit es möglich ist, in gerichtliche Verwahrung zu nehmen. Sie sind entweder in einen mit dem Gerichtssiegel zu verschließenden Umschlag zu bringen, oder es ist an ihnen ein Papierstreifen dergestalt mit dem Gerichtssiegel zu

(310) befestigen, daß er ohne Verletzung des Siegels von dem Gegenstande nicht getrennt werden kann. Umschlag und Papierstreifen sind mit einer entsprechenden Aufschrift zu versehen.

VI. Protocollführung und Gerichtszeugen.

§. 103. Bei allen gerichtlichen, zur Untersuchung gehörenden Handlungen, worüber Protocolle aufzunehmen sind, ist mit Ausnahme der im §. 92 bezeichneten Fälle bei sonstiger Nichtigkeit außer dem Beamten, welcher die Handlung vornimmt oder leitet, stets die Gegenwart eines beeideten Protocollführers erforderlich.

§. 104. Ist bei einer Untersuchungshandlung die Zuziehung von Gerichtszeugen erforderlich, so müssen diese volljährige, unbescholtene, bei der Sache unbetheiligte Männer und entweder allgemein oder für den einzelnen Fall mittelst, Handschlages dahin verpflichtet seyn, daß sie, um möglicher Weise Zeugniß vor Gericht abzulegen, auf Alles, was vor ihnen vorgenommen oder ausgesagt werden wird, volle Aufmerksamkeit verwenden, über die getreue Protocollirung desselben wachen, und bis zur Hauptverhandlung über Alles, was ihnen bei Gelegenheit der Untersuchungshandlung bekannt geworden, Stillschweigen beobachten werden.

§. 105. Die Protocolle über gerichtliche Handlungen werden gleich bei Vornahme derselben, und wo dieß nicht thunlich ist, unmittelbar nachher aufgenommen.

§. 106. Jedes Protocoll enthält die Bezeichnung des Ortes, Jahres und Tages der Aufnahme und der gegenwärtigen Personen.

Die Fragen und Antworten sind ohne Weitläufigkeit und wo möglich, in den wirklich gebrauchten Ausdrücken niederzuschreiben. Den Vernommenen steht es frei, ihre Antworten dem Protocollführer in die Feder zu sagen. Bedienen sie sich dieses Rechtes nicht, so hat der Richter die Antworten laut, so daß es die Anwesenden hören, zu dictiren.

§. 107. Jedes Protocoll ist den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen vorzulesen, auch auf Verlangen zum Durchlesen vorzulegen und die geschehene Vorlesung oder Vorlegung, so wie die Genehmigung im Protocolle zu bemerken. Dasselbe ist sodann von den vernommenen Personen durch Beisetzung des Namenszuges oder Handzeichens auf jeden Bogen, und am Schlusse von den anwesenden Beamten, dem Protocollführer und den etwa beigezogenen Gerichtszeugen zu unterschreiben. Verweigert der Vernommene die Unterschrift, so ist dieß nebst dem Grunde der Weigerung im Protocolle zu bemerken.

§. 108. In dem einmal Niedergeschriebenen darf nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden. Durchstrichene Stellen müssen noch lesbar bleiben. Erhebliche Aenderungen oder Berichtigungen, die ein Vernommener seiner Aussage beifügt, sind in das Protocoll ausdrücklich anzunehmen oder am Rande desselben oder in einem Nachtrage zu bemerken, und auf die im §. 107 bezeichnete Art zu genehmigen und zu unterschreiben.

(311) §. 109. Besteht das Protocoll (!) aus mehreren Bogen, so müssen diese sämmtlich mit einem Faden zusammengeheftet und die Enden des Fadens mit dem Gerichtssiegel so versiegelt werden, daß kein Bogen ohne Verletzung des Siegels herausgenommen werden kann.

VII. Strafgewalt des Untersuchungsrichters.

§. 110. Gegen diejenigen, welche sich ungeachtet vorausgegangener Ermahnungen bei irgend einer Verhandlung der Voruntersuchung ein ungestümes oder beleidigendes Betragen zu Schulden kommen lassen, kann der Untersuchungsrichter eine Strafe bis zu acht Tagen Gefängniß, und wenn der zu Bestrafende bereits verhaftet ist, Dunkelarrest oder hartes Lager bis auf acht Tage, oder Entziehung warmer Kost während einer Woche, unter Beobachtung der im §. 21 St. G. I. Thls. enthaltenen Beschränkung, verhängen.

Jede solche Verfügung ist in den Daten ersichtlich zu machen und dem Bezirks-Collegial-Gerichte anzuzeigen.

VIII. Einstellung der Voruntersuchung.

§. 111. Bei Verbrechen oder Vergehen, die von Amtswegen zu untersuchen und zu bestrafen sind, ist das Verfahren ohne Weiteres einzustellen, wenn nach dem übereinstimmenden Urtheile des Untersuchungsrichters und des Staatsanwaltes kein Grund zur Fortsetzung desselben mehr vorhanden ist.

Sind der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt entgegengesetzter Ansicht, so ist die Entscheidung des Bezirks-Collegial-Gerichtes einzuholen.

Gegen das Erkenntniß des letzteren auf Einstellung des Verfahrens steht dem Staatsanwalte binnen drei Tage das Rechtsmittel der Beschwerdeführung an das Landesgericht mit aufschiebender Wirkung zu.

§. 112. Bei Verbrechen oder Vergehen, die nur auf Verlangen eines Betheiligten untersucht werden, ist die Voruntersuchung stets einzustellen, wenn der Betheiligte dieß verlangt, oder seinen Antrag ganz zurücknimmt.

§. 113. Wird eine Voruntersuchung eingestellt, so ist dem Angeschuldigten auf sein Verlangen von dem Bezirks-Collegial-Gerichte ein Amtszeugniß darüber auszufertigen, daß sich alle gegen ihn vorgenommenen Verdachtsgründe behoben haben, oder daß kein Grund zu weiterer gerichtlicher Verfolgung vorhanden sei. Um das erstere zu erhalten, kann der Angeschuldigte verlangen, daß Entschuldigungsbeweise, die er anzeigt, von dem Untersuchungsrichter erhoben, nach deren Ergebniß ein neues Amtszeugniß ausgefertigt werde.

IX. Rechtsmittel in der Voruntersuchung

§. 114. Alle, welche sich während der Voruntersuchung durch eine Verfügung oder Verzögerung des Untersuchungsrichters beschwert erachten, haben das Recht, darüber eine Entscheidung des

(312) Bezirks-Collegial-Gerichtes zu verlangen, und ihr Begehren entweder schriftlich oder mündlich bei dem Untersuchungsrichter oder unmittelbar bei dem Bezirks-Collegial-Gerichte anzubringen.

§. 115. Gegen Entscheidungen des Bezirks-Collegial-Gerichtes in der Voruntersuchung kann jeder Betheiligte Beschwerde bei dem Landesgerichte führen, welches darüber in letzter Instanz entscheidet. Diese Beschwerde ist binnen drei Tagen nach der Eröffnung der Entscheidung des Bezirks-Collegial-Gerichtes bei den(!) Untersuchungsrichter anzubringen, und hat, sofern nicht Gefahr auf dem Verzuge haftet, aufschiebende Wirkung. Gegen Entscheidungen des Bezirks-Collegial-Gerichtes, welche die in den §§. 110 und 190 erwähnten Strafen betreffen, findet keine Beschwerdeführung Statt.

Siebentes Hauptstück

Von dem Augenscheine und den Sachverständigen.

I. Von dem Augenscheine und der Zuziehung von Sachverständigen überhaupt.

§. 116. Der Augenschein ist vorzunehmen, so oft ein für die Untersuchung erheblicher Umstand dadurch aufgeklärt werden kann. Setzt die Erforschung des zu untersuchenden Gegenstandes besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten voraus, so sind Sachverständige beizuziehen.

§. 117. Der Augenschein ist in Gegenwart zweier Gerichtszeugen vorzunehmen. Das hierüber aufzunehmende Protocoll ist so bestimmt und umständlich abzufassen, daß es eine vollständige und treue Anschauung der besichtigten Gegenstände gewähre. Es sind demselben zu diesem Zwecke erforderlichen Falles Zeichnungen, Pläne oder Risse beizufügen, und Maße, Gewichte, Größe und Ortsverhältnisse nach bekannten und unzweifelhaften Bestimmungen zu bezeichnen.

§. 118. Sind bei einem Augenscheine Sachverständige erforderlich, so soll der Untersuchungsrichter in der Regel deren zwei zuziehen. Die Beiziehung eines Sachverständigen genügt, wenn der Fall von geringerer Wichtigkeit ist, oder das Zuwarten bis zum Eintreffen eines zweiten Sachverständigen für den Zweck der Untersuchung bedenklich erscheint.

§. 119. Die Wahl der Sachverständigen steht dem Untersuchungsrichter zu. Sind dergleichen bleibend angestellt, so soll er Andere nur dann zuziehen, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, oder wenn jene durch besondere Verhältnisse abgehalten sind oder in dem einzelnen Falle als bedenklich erscheinen.

§. 120. Personen, welche in einem Untersuchungsfalle als Zeugen nicht vernommen werden dürften, sind bei sonstiger Nichtigkeit als Sachverständige nicht beizuziehen. Befindet sich der Angeschuldigte zur Zeit des Augenscheines bereits in Untersuchung, so müssen ihm die Sachverständigen vor der Vornahme des Augenscheines namhaft gemacht, und wenn er erhebliche Einwendungen gegen dieselben vorbringt, falls nicht Gefahr am Verzuge haftet, andere Sachverständige berufen werden.

(313) §. 121. Sachverständige, welche nicht bleibend angestellt und als solche beeidet sind, müssen vor der Vornahme des Augenscheins eidlich verpflichtet werden, daß sie den Gegenstand desselben sorgfältig untersuchen, die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig angeben, und ihr Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln ihrer Wissenschaft oder Kunst abgeben wollen.

§. 122. Die Gegenstände des Augenscheins sind von den Sachverständigen in Gegenwart der Gerichtspersonen zu besichtigen und zu untersuchen, außer, wenn letztere aus Rücksichten des sittlichen Anstandes sich zu entfernen für angemessen erachten, oder wenn die erforderlichen Wahrnehmungen, wie bei der Untersuchung von Giften, nur durch fortgesetzte Beobachtung oder länger dauernde Besuche gemacht werden können.

§. 123. Der Untersuchungsrichter leitet den Augenschein durch Sachverständige. Er bezeichnet die Gegenstände, auf welche sie ihre Beobachtung zu richten haben, und stellt die Fragen, deren Beantwortung er für erforderlich hält. Die Sachverständigen können verlangen, daß ihnen aus den Acten oder durch Vernehmung von Zeugen jene Aufklärung über von ihnen bestimmt zu bezeichnende Punkte gegeben werden, welche sie für das abzugebende Gutachten für erforderlich erachten.

§. 124. Die von den Sachverständigen gemachten Wahrnehmungen sind von dem Protocollführer sogleich aufzuzeichnen. Das Gutachten sammt dessen Gründen können sie entweder sofort zu Protocoll geben, oder sich die Abgabe eines schriftlichen Gutachtens vorbehalten, wofür eine angemessene Frist zu bestimmen ist.

§. 125. Finden der Untersuchungsrichter oder der Staatsanwalt, daß das Gutachten der Sachverständigen dunkel, unvollständig, unbestimmt, daß es im Widerspruche mit sich selbst oder mit erhobenen Thatumständen sei, oder daß die aus den angegebenen Vordersätzen gezogenen Schlüsse nicht folgerichtig seien, so sind die Sachverständigen noch einmal zu vernehmen, und wenn sich der Anstand dadurch nicht hebt, ist ein neues Gutachten von anderen Sachverständigen einzuholen.

§. 126. Wenn die Angaben der Sachverständigen in Beziehung auf die von ihnen wahrgenommenen Thatsachen von einander erheblich abweichen, so ist der Augenschein, sofern es möglich ist, mit Zuziehung derselben oder anderer Sachverständigen zu wiederholen.

Sind die Sachverständigen dagegen verschiedener Meinung in Bezug auf das Gutachten, so hat der Untersuchungsrichter entweder einen dritten Sachverständigen beizuziehen, oder ein Gutachten von anderen Sachverständigen einzuholen. Sind die Sachverständigen Aerzte oder Chemiker, so ist in solchen Fällen aber auch sonst bei wichtigen Verbrechen oder auf Antrag des Staatsanwaltes das Gutachten des Lehrkörpers der medicinischen Facultät der nächstgelegenen Universität einzuholen.

(314) II. Verfahren bei Tödtungen und Körperverletzungen insbesondere.

§. 127. Wenn sich bei einem Todesfalle Verdacht ergibt, daß derselbe durch ein Verbrechen oder Vergehen verursacht worden sei, so muß vor der Beerdigung die Leichenschau und Leichenöffnung vorgenommen werden. Ist die Leiche bereits beerdigt, so muß sie zu diesem Behufe wieder ausgegraben werden, wenn nach den Umständen noch ein Ergebniß davon erwartet werden kann und die Rücksicht auf die Gesundheit der Personen, welche an der Leichenschau Theil nehmen müssen, es nicht widerräth.

§. 128. Ehe zur Oeffnung der Leiche geschritten wird, ist die Besichtigung derselben durch Personen, welche den Verstorbenen gekannt haben, und wenn ein Verdächtiger bereits in Untersuchung gezogen ist, auch durch diesen zu veranlassen. Ist der Verstorbene ganz unbekannt, so muß eine genaue Beschreibung der Leiche zu den Acten gebracht, und in den öffentlichen Blättern bekannt gemacht werden.

§. 129. Die Leichenschau und Leichenöffnung wird durch den Gerichtsarzt und den Gerichtswundarzt, oder in deren Verhinderung durch einen Arzt und Wundarzt vorgenommen.

Der Arzt, welcher den Verstorbenen in der seinem Tode allenfalls vorhergegangenen Krankheit behandelt hat, ist, wenn es ohne Verzögerung geschehen kann, zur Gegenwart bei der Leichenschau aufzufordern.

§. 130. Bei der Leichenschau hat der Untersuchungsrichter darauf zu sehen, daß die Lage und Beschaffenheit des Leichnams, der Ort, wo, und die Kleidung, worin er gefunden wurde, genau bemerkt, so wie Alles, was nach den Umständen für die Untersuchung von Bedeutung seyn könnte, sorgfältig beachtet werde. Insbesondere sind Wunden und andere äußere Spuren erlittener Gewaltthätigkeit nach ihrer Zahl und Beschaffenheit genau zu verzeichnen, die Mittel und Werkzeuge, durch die sie wahrscheinlich verursacht wurden, anzugeben, und die etwa vorgefundenen möglicher Weise gebrauchten Werkzeuge mit den vorhandenen Verletzungen zu vergleichen.

§. 131. Bei jeder Leichenschau ist die Oeffnung des Kopfes, der Brust- oder Unterleibshöhle, und zwar selbst dann vorzunehmen, wenn eine Ursache des Todes bereits in einem Theile des Körpers aufgefunden worden ist.

§. 132. Das Gutachten hat sich über die wirkende Ursache des Todes des Verstorbenen auszusprechen und folglich nachstehenden Fragen zu beantworten:

1) ob der Verstorbene eines gewaltsamen Todes und insbesondere, ob er an den wahrgenommenen Verletzungen, und an welchen derselben gestorben sei? oder

2) ob aus besonderen Umständen als gewiß oder wahrscheinlich anzunehmen sei, a) daß der Tod schon vor jenen Verletzungen eingetreten, oder b) daß er in Folge einer zu der Verletzung hinzugekommenen und von ihr unabhängigen Ursache erfolgt sei; endlich, falls die wahrgenommenen Verletzungen als die Todesursache erklärt wurden.

(315) 3) ob die dem Angeschuldigten zur Last liegende Handlung schon ihrer allgemeinen Natur nach, oder wegen der eigenthümlichen Leibesbeschaffenheit, oder wegen eines besonderen Zustandes des Verletzten, oder wegen zufälliger äußerer Umstände die tödtliche Verletzung verursacht habe.

§. 133. Bei Anzeigen eines Kindesmordes ist nebst der vorschriftsmäßigen Untersuchung der Kindesleiche vorzüglich darauf zu sehen, ob das Kind lebendig geboren worden, und sein Leben außerhalb der Mutter fortzuleben fähig gewesen sei. Insbesondere ist in solchen Fällen die Lungen- und Athemprobe vorzunehmen.

§. 134. Ergibt sich der Verdacht der Vergiftung, so ist die Untersuchung der verdächtigen Stoffe durch zwei Chemiker unter Aufsicht und Mitwirkung eines oder zweier Gerichtsärzte vornehmen zu lassen.

§. 135. Bei Körperverletzungen und Verwundungen ist die Besichtigung der Verletzten durch den Gerichtsarzt oder Wundarzt und in Fällen schwerer Verletzung durch Beide zu veranlassen. Es ist hierbei auf die gebrauchten Werkzeuge und auf die eingetretenen oder noch zu besorgenden nachtheiligen Folgen besondere Rücksicht zu nehmen. Das ärztliche Gutachten hat sich darüber auszusprechen, welche von den einzelnen Wunden an und für sich, oder ob dieselben in ihrer Gesammtwirkung, und zwar in beiden Fällen unbedingt, oder mit Rücksicht auf zufällige Nebenumstände als leicht, schwer oder lebensgefährlich anzusehen seien.

§. 136. Ist die körperliche Besichtigung einer Frauensperson nöthig, so können nach Umständen auch Geburtsärzte, oder in minder wichtigen Fällen Hebammen statt der gerichtlichen Aerzte oder Wundärzte damit beauftragt werden.

III. Sachverständige bei Urkunden.

§. 137. Zur Herstellung des Beweises der Aechtheit von Urkunden, insbesondere wenn der Angeschuldigte deren Anerkennung verweigert, kann eine Vergleichung mit anderen unzweifelhaft ächten Urkunden durch Sachverständige vorgenommen werden. Fehlt es an zu vergleichenden Handschriften des Angeschuldigten selbst, so kann derselbe aufgefordert werden, einige Worte oder Sätze vor Gericht niederzuschreiben, ohne daß jedoch deshalb Zwangsmittel angewendet werden dürfen.

§. 138. Urkunden, die in einer nicht gerichtsüblichen Sprache geschrieben und für die Untersuchung erheblich sind, hat der Untersuchungsrichter durch einen beeideten Dolmetscher übersetzen zu lassen, und sammt der Übersetzung zu den Acten zu bringen.

IV. Verfahren bei Verfälschung oder Nachmachung öffentlicher Creditspapiere und bei Münzverfälschung.

§. 139. In den Fällen der Nachmachung oder Verfälschung öffentlicher Creditspapiere hat sich der Untersuchungsrichter unter Aufschluß der beanständeten Creditspapiere durch den Vorsteher des Gerichts, dem er angehört, an das k. k. Finanzministerium oder die k. k. priv. Nationalbank

(316) zu wenden, um den Befund über ihre Aechtheit oder Unächtheit und die weitere Auskunft zu erhalten, in welcher Art die Verfälschung oder Nachmachung geschehen sei, ob ganz oder theilweise mit dazu vorbereiteten Werkzeugen, endlich ob bereits derlei verfälschte oder nachgemachte Creditspapiere vorgekommen seien.

§. 140. Eben dieses Verfahren ist auch bei Münzverfälschungen zu beobachten; doch haben sich in solchen Fällen die Gerichtsvorsteher unmittelbar an die Landesmünz-Probierämter zu wenden.

V. Verfahren bei Brandlegungen.

§. 141. Bei Brandlegung ist insbesondere der Ort, wo der Zündstoff gelegt oder das Feuer zuerst ausgebrochen ist, nebst den Umständen, welche auf die Entstehungsart desselben schließen lassen, die Ausdehnung des Brandes, die Entfernung der Brandstätte von anderen Gebäuden und überhaupt die Größe der Gefahr für Leben oder Eigenthum, so wie das Maß des wirklich entstandenen Schadens auszumitteln.

III. Verfahren bei anderen Beschädigungen des Eigenthumes.

§. 142. Bei Verbrechen oder Vergehen, durch welche Schaden am Vermögen zugefügt oder zuzufügen verursacht wurde, ist durch den Augenschein vorzüglich die Beschaffenheit der angewandten (!) Gewalt oder List, der gebrauchten Mitteln oder Werkzeuge und die Größe des verursachten Schadens zu erheben.

§. 143. Kann der durch ein Verbrechen oder Vergehen verursachte Schade durch die Aussage des Beschädigten nicht zuverlässig erhoben werden, oder ist mit Grund zu vermuthen, daß derselben seinen Schaden zu hoch schätze, so ist die Größe desselben in jenen Fällen, in welchen sie auf die Zurechnung der That als Verbrechen oder auf das Strafmaß von Einfluß ist, durch Vernehmung solcher Personen, welchen die Sache, woran der Schade geschehen, bekannt ist, oder durch Sachverständige zu ermitteln.

Achtes Hauptstück.

Von der Haussuchung und der Beschlagnahme von Briefen und Urkunden.

I. Haussuchung

§. 144. In Häusern, welche dem Publicum offen stehen, namentlich in Gasthäusern, so weit sie nicht bleibend an Privatpersonen vermiethet sind, ist die Haussuchung gestattet, wenn es aus den Umständen wahrscheinlich ist, daß sich in einem solchen Hause eine eines Verbrechens oder Vergehens verdächtigte Person verborgen halte, oder daß darin Gegenstände zu finden seien, welche für die Untersuchung von Bedeutung seyn können.

(317) §. 145. Die Durchsuchung des Hauses oder der Wohnung eines Angeschuldigten findet Statt, wenn es wahrscheinlich ist, daß sich darin Gegenstände finden werden, die für die Untersuchung von Bedeutung seyn können. Außerdem kann dieselbe, wenn sich der Angeschuldigte verborgen hält, zum Zwecke seiner Auffindung angeordnet werden, sobald ein Verhafts- oder Vorführungsbefehl gegen ihn erlassen ist.

§. 146. In den Häusern oder Wohnungen anderer Personen ist die Durchführung gestattet, wenn es dringend wahrscheinlich ist, daß sich der Angeschuldigte darin verborgen hält, oder daß die Bewohner dieser Häuser oder Wohnungen Gegenstände, die für die Untersuchung von Bedeutung sind, besitzen und dieselben verheimlichen werden. Ist kein Grund zu dieser letzteren Annahme vorhanden, so ist der Besitzer eines solchen Gegenstandes vorerst zur Herausgabe desselben aufzufordern, und erst wenn er den Besitz läugnet, oder die Herausgabe verweigert, findet die Haussuchung oder die Wegnahme des Gegenstandes Statt.

§. 147. In der Regel soll die Haussuchung von dem Untersuchungsrichter durch einen mit Gründen versehenen Befehl, der dem Betheiligten sofort oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zuzustellen ist, angeordnet werden,

Auch ohne einen Befehl des Untersuchungsrichters kann die Haussuchung, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, in Folge einer Aufforderung des Staatsanwaltes von Bezirksrichtern oder Polizeibeamten vorgenommen werden. Wenn der Angeschuldigte auf frischer That betreten, oder alsbald nach der That durch öffentliche Nachtheile oder öffentlichen Nachruf als des Verbrechens oder Vergehens verdächtigt bezeichnet, oder im Besitze von Gegenständen betreten wird, die von dem Verbrechen oder Vergehen herrühren oder auf seine Theilnahme an demselben hinweisen, können Bezirksrichter, Polizeibeamte, Gensdarmen (!) und andere Diener der öffentlichen Gewalt, auch ohne dazu besonders aufgefordert oder beauftragt zu seyn, eine Haussuchung zur Auffindung des Verfolgten vorzunehmen.

§. 148. In der Regel ist die Haussuchung in Gegenwart des Untersuchungsrichters, eines Protocollführers und zweier Gerichtszeugen vorzunehmen. In geringeren Fällen kann der Untersuchungsrichter die Haussuchung auch durch einen anderen Gerichtsbeamten, einen Polizei-Beamten oder Gemeindevorsteher unter Zuziehung von zwei Gerichtszeugen vornehmen lassen. Ueber jede Hausdurchsuchung ist ein Protocoll aufzunehmen und es sind darin die Gründe, welche die Hausdurchsuchung veranlaßt haben, aufzuführen.

§. 149. Die Haussuchung ist stets mit möglichster Schonung für den Ruf der Person, bei welcher sie vorgenommen wird, und mit der möglichst geringen Belästigung derselben vorzunehmen. Zur Nachtzeit findet eine Hausdurchsuchung, dringende Fälle ausgenommen, nicht Statt. Der Bewohner oder Inhaber der zu durchsuchenden Räume, es mag der Angeschuldigte oder ein Dritter seyn, oder ein Mitglied seiner Familie und in Abwesenheit solcher Personen ein Nachbar, sind aufzufordern, der Haussuchung beizuwohnen. Vorgefundene verdächtige Gegenstände sind in gerichtliche Verwahrung zu nehmen.

(318) II. Durchsuchung und Abnahme von Papieren und Urkunden überhaupt.

§. 150. Eine Durchsuchung der im Besitze des Angeschuldigten befindlichen Papiere ist nur gestattet, wenn zu vermuthen ist, daß sie für die Untersuchung erheblich seyn werden. Im Besitze dritter Personen befindliche Papiere dürfen nur dann durchsucht werden, wenn dringende Verdachtsgründe nach einer Vernehmung des Besitzers nicht als beseitigt anzunehmen sind.

§. 151. Will der Inhaber von Papieren deren Durchsuchung nicht gestatten, so sind dieselben versiegelt zu Gericht zu hinterlegen, und es ist sofort die Entscheidung des Bezirks-Collegial-Gerichtes einzuholen, ob sie durchsucht oder zurückgegeben werden sollen.

§. 152. Die Durchsuchung von Papieren kann nur in Kraft eines von dem Untersuchungsrichter erlassenen, mit Gründen versehenen Befehls vorgenommen werden, welcher dem Betheiligten sofort oder innerhalb der nächsten Vierundzwanzig Stunden zuzustellen ist. Sie ist von dem Untersuchungsrichter oder dessen Abgeordneten unter Zuziehung eines Protocollführers und in Gegenwart von zwei Gerichtszeugen mit möglicher Schonung der Privatgeheimnisse vorzunehmen und auf diejenigen Papiere zu beschränken, welche für die anhängige Untersuchung wichtig werden können. Papiere, die sich bei der Durchsuchung als erheblich ausweisen, sind in gerichtliche Verwahrung zu nehmen und zu verzeichnen, oder wenn letzteres unthunlich ist, in einen mit dem Gerichtssiegel zu verschließenden Umschlag zu bringen.

Auch dem bei der Durchsuchung etwa anwesenden Betheiligten ist die Beidrückung eines Siegels zu gestatten. Wird eine Entsiegelung vorgenommen, so ist der Betheiligte aufzufordern, derselben beizuwohnen. Erscheint er auf eine solche Aufforderung nicht, oder kann ihm dieselbe wegen seiner Abwesenheit nicht zugestellt werden, so ist die Entsiegelung dennoch vorzunehmen.

§. 153. Urkunden, deren Besitz zugestanden oder sonst erwiesen ist, und welche für die Untersuchung eines Verbrechens oder Vergehens erheblich seyn können, müssen von Jedermann auf Begehren herausgegeben werden.

Verweigert der Angeschuldigte die Herausgabe einer solchen Urkunde, so ist mit der Haussuchung wider ihn vorzugehen. Dritte Personen kann der Untersuchungsrichter, falls die Abnahme der Urkunde mittels Haussuchung nicht bewirken läßt, durch eine Geldstrafe bis zu fünfzig Gulden, und bei fernerer Weigerung in wichtigeren Fällen durch Gefängniß bis zu sechs Wochen zur Herausgabe der Urkunde anhalten.

III. Beschlagnahme und Eröffnung von Briefen.

§. 154. Wenn der Angeschuldigte bereits wegen eines Verbrechens oder Vergehens verhaftet, oder wenn ein Vorführungs- oder Verhaftsbefehl gegen ihn erlassen ist, so können Briefe, welche an

(319)

denselben gerichtet sind, oder welche er an Andere abgesendet, von dem Untersuchungsrichter oder dem Staatsanwalt in Beschlag genommen, so wie deren Auslieferung von den Postbehörden verlangt werden. Der Staatsanwalt hat solche Briefe sofort uneröffnet an den Untersuchungsrichter abgeben zu lassen. Er kann auch die Postbehörde auffordern, solche Briefe bis zum Eintreffen einer weiteren gerichtlichen Verfügung zurückzuhalten; erfolgt jedoch eine solche Verfügung von Seite des Untersuchungsrichters nicht binnen drei Tagen, so hat die Postbehörde die Beförderung der zurückgehaltenen Briefe nicht weiter aufzuhalten.

§. 155. Die Eröffnung der mit Beschlag belegten Briefe kann nur durch den Untersuchungsrichter, und zwar mit Zustimmung des Angeschuldigten ohne Weiteres geschehen. Wenn der Angeschuldigte nicht zustimmt, hat der Untersuchungsrichter vorläufig die Genehmigung des Bezirks-Collegial-Gerichtes einzuholen.

§. 156. Die Beschlagnahme von Briefen ist dem Angeschuldigten, oder, wenn er abwesend ist, einem seiner Angehörigen sogleich bekannt zu machen. Ist die Eröffnung der Briefe erfolgt, so sind dieselben, sofern von der Mittheilung ihres Inhaltes kein nachtheiliger Einfluß für die Untersuchung zu besorgen ist, dem Angeschuldigten oder demjenigen, an welchen sie gerichtet sind, in Urschrift oder Abschrift, ganz oder auszugsweise mitzutheilen. Ist der Angeschuldigte flüchtig, so geschieht die Mittheilung an einen seiner Angehörigen. Sind keine Angehörigen des Angeschuldigten vorhanden, so ist der Brief, wenn es nach dem Ermessen des Richters im Interesse des Absenders liegt, diesem zurückzuschicken, oder demselben, falls der Brief bei den Acten bleiben muß, die erfolgte Beschlagnahme anzuzeigen.

§. 157. In Beschlag genommene Briefe, deren Eröffnung nicht für nöthig erachtet wurde, sind ohne Verzug denjenigen, an welche sie gerichtet sind, auszufolgen oder der Post zurückzugeben.

Neuntes Hauptstück.

Von der Vernehmung der Zeugen.

§. 158. In der Regel ist Jeder, der als Zeuge vorgeladen wird, verpflichtet, der Vorladung Folge zu leisten und über dasjenige, was von dem Gegenstande der Untersuchung bekannt ist, vor Gericht Zeugniß abzulegen.

§. 159. Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht vernommen werden:

a) Geistliche in Ansehung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde;

b) Staatsbeamte, wenn sie durch ihr Zeugniß das ihnen obliegende Amtsgeheimniß verletzen würden, insofern sie dieser Pflicht nicht durch ihre vorgesetzte Dienstbehörde entbunden worden sind.

§. 160. Von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses sind befreit:

a) die Verwandten des Angeschuldigten in auf- und absteigender Linie und bis zum vierten Grad der Seitenlinie, dessen Ehegatten, Verschwägerte in auf- und absteigender Linie

(320) und bis zum zweiten Grad der Seitenlinie; Adoptiv- und Pflege-Aeltern oder Kinder; der Vormund oder Mündel desselben:

b) Vertheidiger in Ansehung desjenigen, was ihnen in dieser Eigenschaft von dem Angeschuldigten anvertraut worden ist.

Der Untersuchungsrichter hat diese Personen, wenn sie als Zeugen vorgerufen werden, über ihr Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, bei sonstiger Nichtigkeit zu belehren und dieß im Protokolle zu bemerken.

§. 161. In der Regel ist jeder Zeuge vor dem Richter zu erscheinen verbunden; doch können Personen, welche durch Krankheit oder Gebrechlichkeit vor Gericht zu erscheinen verhindert sind, in ihrer Wohnung vernommen werden.

§. 162. Prinzen und Prinzessinnen des kaiserlichen Hauses werden als Zeugen durch den k. k. Oberhofmarschall oder außer Wien durch den Präsidenten des Landesgerichtes ihres Aufenthaltsortes in ihren Wohnungen vernommen.

§. 163. Steht der Zeuge nicht unter der Gerichtsbarkeit des Untersuchungsrichters, oder ist dessen Aufenthaltsort über zwei Meilen von dem Sitze des Untersuchungsrichters entfernt, so hat der Untersuchungsrichter dessen Vernehmung durch das Bezirks-Collegial-Gericht oder durch den Bezirks-Einzelrichter, welchem der Zeuge untersteht, zu veranlassen. Sollte jedoch der Untersuchungsrichter die eigene Vernehmung des Zeugen zur Erlangung einer erschöpfenden Aussage oder zur Beschleunigung der Sache für nothwendig halten so kann er denselben durch das Gericht, welchem der Zeuge untersteht, zum persönlichen Erscheinen vorladen, oder wenn die Stellung des Zeugen von den Untersuchungsrichter mit zu großen Schwierigkeiten oder Kosten verbunden wäre, denselben an dessen Aufenthaltsorte, jedoch nicht ohne vorläufige Benachrichtigung des zuständigen Gerichtes, selbst vernehmen.

§. 164. Im Laufe der Voruntersuchung sind Zeugen, welche der Militär-Gerichtsbarkeit unterstehen, an solchen Orten, wo sich ein Militärgericht befindet, durch die Militär-Behörden, an anderen Orten aber durch den Untersuchungsrichter in der bisher üblichen Weise, jedoch unter gleichzeitiger Benachrichtigung des Militärgerichtes zu vernehmen.

Zur Hauptverhandlung sind Officiere und die im activen Dienste stehende Mannschaft in der Regel nicht vorzuladen, sondern das Gericht hat sich mit der Vorlesung der von denselben in der Voruntersuchung gemachten Aussagen zu begnügen. In jenen Fällen aber, in welchen die Aussage solcher Zeugen für den Anschuldigungs- oder Entschuldigungsbeweis von entscheidender Wichtigkeit ist, steht es dem Vorsteher des Gerichtes oder dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichtes zu, über Antrag des Staatsanwaltes oder Vertheidigers das persönliche Erscheinen der Officiere oder der Mannschaft bei dem betreffenden Militärgerichtsherrn zu erwirken.

Die Mitglieder der Gensd’armerie (!) und Sicherheitswache sind rücksichtlich ihrer Vernehmung als Zeugen sowohl in der Voruntersuchung als bei der Hauptverhandlung, alle übrigen der Militär-Gerichtsbarkeit unterstehenden Personen aber bei der Hauptverhandlung gleich Zeugen aus dem Civilstande zu behandeln.

(321) §. 165. Wenn ein Zeuge der an ihn ergangenen Vorladung nicht Folge leistet, so geschieht seine neuerliche Vorladung unter Androhung einer Geldstrafe von einem bis zu zehn Gulden für den Fall des Nichterscheinens und unter der ferneren Drohung, daß ein Vorführungsbefehl gegen ihn werde erlassen werden. Bleibt der Zeuge ohne giltige Entschuldigungsgründe dennoch aus, so hat der Untersuchungsrichter die Geldstrafe wider ihn zu verhängen und den Vorführungsbefehl auszufertigen. In dringenden Fällen kann der Untersuchungsrichter schon nach dem ersten Ausbleiben einen Vorführungsbefehl gegen den nicht erschienenen Zeugen erlassen.

§. 166. Verweigert ein Zeuge die Ablegung eines Zeugnisses, zu dem er verpflichtet ist, so kann ihn der Untersuchungsrichter durch eine Geldstrafe bis zu fünfzig Gulden, und bei fernerer Weigerung in wichtigeren Fällen durch Gefängniß bis zu sechs Wochen dazu anhalten.

§. 167. Zeugen, welche von dem Orte des Gerichtes, wo sie vernommen werden, über zwei Stunden entfernt wohnen, erhalten auf Verlangen eine angemessene Entschädigung für Zeitversäumniß und Reisekosten. Für das Erscheinen bei der Hauptverhandlung erhält jeder Zeuge auf Verlangen eine Zeugengebühr. Die nähere Bestimmung dieses Tarifes erfolgt durch besondere Verordnungen.

§. 168. Jeder Zeuge wird von dem Untersuchungsrichter ohne Beiseyn des Angeschuldigten oder anderer Zeugen vernommen. (§§. 96 und 103). Es ist denselben während ihrer Vernehmung ein Sitz zu gestatten.

§. 169. Ist ein Zeuge der Gerichtssprache nicht kundig, so muß die Vernehmung mit Zuziehung eines beidigten (!) Dolmetschers vorgenommen und jede Frage und Antwort sowohl in der Ursprache als in der Übersetzung zu Protokoll (!) gebracht werden. Der Dolmetscher kann auch selbst als Protocollführer (!) verwendet werden.

§. 170. Ist ein Zeuge taub, so werden ihm die Fragen schriftlich vorgelegt, und ist er stumm, so wird er aufgefordert, schriftlich zu antworten. Wenn die eine oder die andere Art der Vernehmung nicht möglich ist, so muß die Vernehmung des Zeugen unter Zuziehung einer oder mehrerer Personen geschehen, welche der Zeichensprache desselben kundig sind, oder sonst die Geschicklichkeit besitzen, sich mit Taubstummen zu verständigen, und welche vorher als Dolmetscher zu beeidigen sind.

§. 171. Der Zeuge ist vor seiner Vernehmung zu ermahnen, über alle Umstände, über die er befragt werden wird, nach seinem besten Wissen und Gewissen die reine Wahrheit anzugeben, nichts zu verschweigen und seine Aussage so abzulegen, daß er sie erforderlichen Falles eidlich bekräftigen könne.

§. 172. Sodann ist der Zeuge um seinen Vor- und Zunamen, Geburts- und Wohnort, Stand, Gewerbe oder Beschäftigung, sein Alter, seine Religion und erforderlichen Falles über andere

(322) persönliche Verhältnisse, insbesondere über sein Verhältniß zu dem Angeschuldigten oder zu einem bei der Untersuchung Betheiligten zu befragen.

§. 173. Bei der Vernehmung über die Sache selbst ist der Zeuge zuvörderst zu einer zusammenhängenden Erzählung der den Gegenstand des Zeugnisses bildenden Thatsachen, sodann aber zur Ergänzung derselben und zur Hebung von Dunkelheiten oder Widersprüchen zu veranlassen. Der Zeuge ist insbesondere aufzufordern, den Grund seines Wissens anzugeben, dagegen sind Fragen, durch welche ihm Thatumstände vorgehalten werden, welche erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, möglichst zu vermeiden.

§. 174. Sollen dem Zeugen zum Behufe der Anerkennung Personen vorgestellt oder Sachen vorgelegt werden, so ist er vorher zur genauen Beschreibung und Angabe der unterscheidenden Kennzeichen derselben aufzufordern.

§. 175. Stimmen Aussagen von Zeugen unter einander in erheblichen Umständen nicht überein, so kann der Untersuchungsrichter deren Gegenüberstellung veranlassen.

§. 176. Die Gegenüberstellung soll in der Regel nicht zwischen mehr als zwei Personen zugleich geschehen. Die Gegenübergestellten sind über jeden einzelnen Umstand, in Beziehung auf welchen sie von einander abweichen, besonders zu vernehmen, und die beiderseitigen Antworten zu Protocoll zu bringen.

§. 177. In der Voruntersuchung findet eine Beeidigung der Zeugen nicht Statt, außer wenn bei einem Zeugen wegen Krankheit, längerer Abwesenheit oder aus anderen Gründen zu besorgen ist, daß er bei der Hauptverhandlung nicht werde gegenwärtig seyn können, wenn der Staatsanwalt oder der Angeschuldigte die Beeidigung eines Zeugen besonders beantragen, oder wenn der Untersuchungsrichter nur durch die Forderung der eidlichen Bestätigung der Zeugenaussage die volle Wahrheit erfahren zu können glaubt.

§. 178. Folgende Personen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht beeidet werden:

a) welche selbst in Verdacht stehen, daß sie die strafbare Handlung, wegen welcher sie abgehört werden, begangen oder daran Theil genommen haben;

b) die sich wegen eines Verbrechens oder eines aus Gewinnsucht begangenen Vergehens in Untersuchung oder Strafe befinden;

c) diejenigen, welche schon einmal wegen eines falschen Zeugnisses oder falschen Eides bestraft worden sind;

d) die zur Zeit ihrer Abhörung das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben;

e) welche an einer erheblichen Schwäche des Wahrnehmungs- oder Erinnerungsvermögens leiden;

f) welche mit dem Angeschuldigten in Feindschaft leben, sofern sie gegen ihn aussagen;

g) die in ihrem Verhöre wesentliche Umstände angegeben haben, deren Unwahrheit bewiesen ist, und worüber sie nicht einen bloßen Irrthum nachweisen können

(323) §. 179. Die Beeidigung eines Zeugen ist von dem Untersuchungsrichter in den Fällen des §. 177 nach der Abhörung desselben vorzunehmen. Der Beeidigung ist eine Mahnung des Zeugen an seine Pflicht zur Angabe der Wahrheit und eine Warnung desselben vor Begehung eines Meineides vorauszuschicken. Der Zeuge hat sohin zu beschwören, daß er ohne Gunst, Haß oder Furcht die reine und volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit ausgesagt habe. Die Bekräftigung lautet: „So wahr mir Gott helfe!“ Rücksichtlich der besonderen Förmlichkeiten, welche bei der Eidesablegung nach Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses zu beobachten sind, bleiben die bestehenden Vorschriften in Kraft. Wenn der Zeuge einer Religionsgesellschaft angehört, welcher die Ablehnung eines förmlichen Eides gesetzlich gestattet ist, so hat er eine feierliche Versicherung an Eidesstatt abzulegen.

§. 180. Die in dem §. 160 erwähnten Personen können, wenn sie freiwillig Zeugniß ablegen, den Zeugeneid verweigern. Gegen andere Personen, welche sich weigern, den Eid zu leisten oder die Versicherung an Eidesstatt zu geben, tritt, wenn die Ermahnung, zu welcher der Untersuchungsrichter einen Seelsorger von der Confession des Zeugen beiziehen kann, fruchtlos ist, das im §. 166 vorgeschriebene Verfahren ein.

§. 181. Der durch ein Verbrechen oder Vergehen Beschädigte oder Beleidigte ist in Beziehung auf seine Aussagen über die strafbare That und die dabei in Frage kommenden Umstände wie ein Zeuge zu behandeln. Bei Verbrechen oder Vergehen aber, die nur auf Verlangen eines Betheiligten verfolgt werden, hat dieser auf eine Zeugengebühr keinen Anspruch.

Zehntes Hauptstück.

Von der Vorladung, Vorführung und Verhaftung des Angeschuldigten.

§. 182. Als Angeschuldigter darf nur derjenige betrachtet werden, gegen welchen Verdachtsgründe vorliegen, die zwischen demselben und einem bestimmten Verbrechen oder Vergehen einen solchen Zusammenhang wahrnehmen lassen, daß nach unparteiischer Ueberlegung daraus wahrscheinlich wird, er habe dieses Verbrechen oder Vergehen verübt oder daran Theil genommen. Bei Verbrechen oder Vergehen, die nur auf Verlangen eines Betheiligten untersucht und bestraft werden, muß noch das Ansuchen des Betheiligten hinzutreten.

I. Vorladung des Angeschuldigten.

§. 183. Der Angeschuldigte wird, wo das Gesetz nichts Anderes vorschreibt, zuerst nur zur Vernehmung vorgeladen. Diese Vorladung geschieht entweder mündlich mittelst Vorweisung eines von dem Untersuchungsrichter hiezu ertheilten schriftlichen Befehles, oder mittelst Zustellung einer von dem Untersuchungsrichter unterzeichneten, an den Vorzuladenden gerichteten schriftlichen Ladung. Sowohl der Vorladungsbefehl, als die schriftliche Ladung müssen den Namen des Gerichtes und des Vorgeladenen, die allgemeine Bezeichnung des Gegenstandes der Untersuchung,

(324) den Ort, den Tag und die Stunde des Erscheinens und den Beisatz enthalten, daß der Vorgeladene im Falle seines Ausbleibens persönlich werde vor Gericht geführt werden.

§. 184. Der Untersuchungsrichter besorgt die Vorladungen durch die Gerichtsdiener oder veranlaßt deren Besorgung durch die Gemeindevorsteher. Die geschehene Vorladung ist in den Acten ersichtlich zu machen. Wird der Angeschuldigte bei der Vorladung nicht angetroffen, so kann dieselbe an seinen Ehegatten oder an einen seiner Hausgenossen mit derselben Wirkung erfolgen, als ob sie an ihn selbst geschehen wäre.

§. 185. II. Vorführung und vorläufige Verwahrung des Angeschuldigten.

Erscheint der Vorgeladene nicht, ohne eine hinreichende Entschuldigungsursache angezeigt zu haben, so ist ein schriftlicher Vorführungsbefehl gegen ihn auszufertigen.

§. 186. Selbst ohne vorgängige Vorladung kann der Untersuchungsrichter einen Vorführungsbefehl gegen den eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen erlassen:

a) wenn derselbe Anstalten zur Flucht gemacht hat, oder als ein in der Gemeinde Unbekannter, als ausweis- oder heimathlos, wegen seines herumziehenden Lebenswandels oder aus anderen Gründen der Flucht verdächtig ist;

b) wenn er auf frischer That betreten, oder alsbald nach der That als des Verbrechens oder Vergehens verdächtig durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Nachruf bezeichnet, oder mit Waffen oder anderen Gegenständen, die von dem Verbrechen oder Vergehen herrühren, oder sonst auf seine Theilnahme an demselben hinweisen, betreten wird;

c) wenn nach den Umständen des Falles zu besorgen ist, daß er die Untersuchung durch Vernichtung der Spuren des Verbrechens oder Vergehens, durch Verabredung mit seinen Mitschuldigen oder auf andere Art vereiteln oder erschweren werde.

§. 187. In den in dem vorstehenden Paragraphe erwähnten Fällen kann eine vorläufige Verwahrung des Verdächtigen zum Behufe der Vorführung vor den Untersuchungsrichter auch von Einzel-Bezirksrichtern und Polizeibeamten, ohne daß es einer schriftlichen Anordnung bedarf, verfügt und vorgenommen werden. Ebenso kann in diesen Fällen in Abwesenheit oder bei Verhinderung des Untersuchungsrichters der Staatsanwalt die vorläufige Verwahrung des Verdächtigen verfügen und durch Einzel-Bezirksrichter oder Polizeibeamte vornehmen lassen. Der in Verwahrung Genommene ist durch den Einzel-Bezirksrichter oder die Polizeibehörde ungesäumt zu vernehmen, und wenn sich dabei ergibt, daß kein Grund zu seiner weiteren Verwahrung vorhanden sei, sogleich freizulassen, widrigens binnen achtundvierzig Stunden an den Untersuchungsrichter abzuliefern.

§. 188. Der Untersuchungsrichter hat den ihm vorgeführten oder in Gemäßheit des §. 187 an ihn abgelieferten Angeschuldigten binnen vierundzwanzig Stunden zu vernehmen. Wäre dieß nicht möglich, so kann der Angeschuldigte zwar einstweilen in Verwahrung behalten werden, es ist jedoch dessen Vernehmung so bald als möglich einzuleiten und der Grund, warum dieselbe nicht

(325) früher stattfinden konnte, im Protocolle anzumerken. Nach der Vernehmung hat der Untersuchungsrichter sofort zu beschließen, ob der Angeschuldigte wieder auf freien Fuß gestellt oder in die eigentliche Untersuchungshaft genommen werden soll.

§. 189. Wenn es bei einem Aufstand oder Aufruhr, bei einer öffentlichen Gewaltthätigkeit oder bei einer mit einer schweren Körperverletzung oder Tödtung verbundenen Schlägerei nicht möglich ist, die Schuldigen sogleich auszumitteln, so können Alle, welche dem Vorgange beigewohnt haben und von dem Verdachte der Theilnahme nicht völlig frei sind, einstweilen festgenommen werden. Sie müssen jedoch binnen längstens drei Tagen von dem zuständigen Richter vernommen und dürfen nicht länger in Gewahrsam behalten werden, diejenigen ausgenommen, wider welche bereits die Untersuchungshaft verhängt werden konnte. (§. 191.)

§. 190. Begibt sich der Untersuchungsrichter gleich nach Verübung eines Verbrechens an Ort und Stelle, um den Thatbestand zu erheben, so kann er Jedem, bei dem er es nothwendig findet, befehlen, daß er während desselben oder auch noch während des folgenden Tages seinen Aufenthaltsort nicht verlasse. Wer diesem Befehle zuwider handelt, wird im Betretungsfalle zum Zwecke seiner Vernehmung festgenommen, und kann von dem Untersuchungsrichter nach Umständen zu einer Geldstrafe bis zu fünfzig Gulden verurtheilt werden.

III. Untersuchungshaft des Angeschuldigten.

§. 191. Gegen den Angeschuldigten, welcher auch nach seiner Vernehmung des ihm zur Last gelegten Verbrechens oder Vergehens verdächtig bleibt, hat der Untersuchungsrichter die eigentliche Untersuchungshaft zu verhängen:

a) wenn das Verbrechen oder Vergehen wenigstens mit fünfjähriger Kerkerstrafe bedroht ist; oder

b) wenn zu besorgen ist, daß der Angeschuldigte die Untersuchung durch Verabredung mit Mitschuldigen oder mit Zeugen oder durch Vernichtung der Spuren des Verbrechens oder Vergehens vereiteln oder bedeutend erschweren werde; oder

c) wenn der Angeschuldigte Anstalten zur Flucht gemacht hat, wenn er als ausweis- oder heimathlos, wegen seines herumziehenden Lebenswandels, wegen schlechten Leumundes oder aus anderen Gründen der Flucht verdächtig erscheint.

§. 192. Der Untersuchungsrichter hat in solchen Fällen, wenn nicht die Gefahr auf dem Verzuge haftet, einen mit Gründen versehenen schriftlichen Verhaftsbefehl zu erlassen, welcher dem Angeschuldigten bei seiner Verhaftung oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zuzustellen ist. Beschließt der Untersuchungsrichter die Untersuchungshaft unmittelbar nach der Vernehmung eines Angeschuldigten, so ist dieser Beschluß sammt dessen Gründen dem Angeschuldigten mündlich zu eröffnen und diese Mittheilung in dem Protocolle zu bemerken.

§. 193. Der Untersuchungsrichter hat über jeden von ihm auf Verhängung der Untersuchungshaft gefaßten Beschluß längstens binnen drei Tagen dem Bezirks-Collegialgerichte mündlichen Vortrag

(326) zu erstatten, und dieses entscheidet nach Anhörung des Staatsanwaltes, ob die Haft fortzudauern habe oder wieder aufzuheben sei. Ist der Beschluß des Untersuchungsrichters von dem Bezirks-Collegialgerichte bestätiget worden, so muß der Angeschuldigte hievon sogleich, oder wenn er erst später verhaftet wurde, binnen 24 Stunden von der Zeit seiner Einbringung in Kenntniß gesetzt werden.

Beschließt dagegen das Bezirks-Collegialgericht die Aufhebung der Haft, so ist der Angeschuldigte sofort zu entlassen, es sei denn, daß der Fall des §. 202 eintritt.

IV. Behandlung der Untersuchungsgefangenen.

§. 194. Die Untersuchungshaft, so wie die vorläufige Verwahrung eines Angeschuldigten ist mit möglicher Schonung der Person und der Ehre desselben zu vollziehen. Der Gefangene soll nur jene Beschränkungen erleiden, welche erforderlich sind, um sich seiner Person zu versichern und für die Untersuchung nachtheilige Verabredungen zu hindern.

§. 195. Die Verhafteten sollen, so viel möglich ist, jeder allein in einem eigenen Gefängnisse verwahrt werden. Wo diese abgesonderte Verwahrung jedes Verhafteten nicht thunlich ist, hat das Gericht dafür zu sorgen, daß nicht Personen verschiedenen Geschlechtes, Theilnehmer an demselben Verbrechen oder Vergehen, ungeübte oder jugendliche Verbrecher mit geübten oder erwachsenen zusammen in Ein Gefängniß gebracht werden. Auch ist bei dieser Vertheilung der Untersuchungsgefangenen auf deren Bildungsstufe und auf die Art der ihnen zur Last liegenden Verbrechen oder Vergehen Rücksicht zu nehmen.

§. 196. Gewohnte Bequemlichkeiten und Beschäftigungen, die dem Stande und den Vermögensverhältnissen des Gefangenen entsprechen, darf er sich auf seine Kosten verschaffen, in sofern sie mit dem Zwecke der Haft vereinbar sind und weder die Ordnung des Hauses stören, noch die Sicherheit gefährden.

§. 197. Wenn der Gefangene den Besuch eines Arztes oder eines Geistlichen seiner Confession nach eigener Wahl verlangt, oder wenn ihn Verwandte oder Personen, die mit ihm in Geschäftsverhältnissen stehen, oder mit welchen er sich zu berathen wünscht, besuchen wollen, so ist die Erlaubniß hiezu unter den durch die Hausordnung gebotenen Bedingungen nicht zu verweigern. Solche Besuche finden in der Regel nur in Gegenwart einer Gerichtsperson Statt und können, wenn nach den Umständen des Falles aus denselben Nachtheil für die Untersuchung zu besorgen ist, von dem Untersuchungsrichter gänzlich untersagt werden.

§. 198. Der Verhaftete darf nur mit Vorwissen des Untersuchungsrichters Briefe empfangen oder an Andere absenden, und wenn Nachtheile für die Untersuchung zu besorgen sind, nur nachdem der Untersuchungsrichter die Briefe gelesen und deren Absendung oder Aushändigung an den Verhafteten unbedenklich gefunden hat. Die Erlaubniß zur Absendung von Schreiben an höhere Justizbehörden darf dem Gefangenen nie verweigert werden.

(327) §. 199. Fesseln sind dem Verhafteten nur dann anzulegen, wenn er Entweichungsversuche gemacht hat, oder nicht anders sicher verwahrt werden kann, oder wenn dies  wegen besonderer Gefährlichkeit seiner Person zur Sicherheit Anderer, insbesondere der Aufseher und Gefangenwärter (!) erforderlich erscheint.

§. 200. Die Bezirksrichter, so wie die Vorsteher der Bezirks-Collegial(-) und Landesgerichte sind verpflichtet, wenigstens einmal in jedem Monat, unter Zuziehung einer Gerichtsperson, die ihnen unterstehenden Gefängnisse unvermuthet zu besuchen, die Verhafteten in Abwesenheit der Gefangenwärter über ihre Verpflegung und Behandlung zu befragen, und wegen Abstellung der hiebei entdeckten Gebrechen das Nöthige zu verfügen.

V. Aufhebung der Haft und Sicherheitsleistung.

§. 201. Wenn im Laufe der Voruntersuchung die Gründe, aus welchen die Untersuchungshaft verhängt wurde, wegfallen, so ist die Aufhebung derselben von dem Untersuchungsrichter, mit Zustimmung des Staatsanwaltes, zu verfügen. Sind der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt hierüber verschiedener Meinung, so hat das Bezirks-Collegialgericht zu entscheiden.

§. 202. Die Beschwerdeführung des Staatsanwaltes gegen den Beschluß des Bezirks-Collegial(ge)richtes, wodurch die verhängte Untersuchungshaft gegen Sicherheitsleistung oder auch ohne dieselbe aufgehoben wird, hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn der Staatsanwalt seine Beschwerde gleich bei Eröffnung jenes Beschlusses anmeldet und längstens binnen drei Tagen ausführt.

§. 203. Wird ein Angeschuldigter im Laufe der Voruntersuchung aus der vorläufigen oder Untersuchungshaft entlassen und auf freien Fuß gesetzt, so kann ihm der Untersuchungsrichter das Handgelöbniß darüber abfordern, daß er sich ohne Genehmigung des Untersuchungsrichters von seinem Aufenthaltsorte nicht entfernen noch sich verborgen halten werde. Der Bruch dieses Handgelöbnisses zieht die Verhängung der Untersuchungshaft wieder (!) den Angeschuldigten nach sich.

§. 204. Ist die Untersuchungshaft eines Angeschuldigten nur wegen des Verdachtes der Flucht (§. 191, lit. c) verhängt worden, so kann dieselbe auf Verlangen des Angeschuldigten, und nachdem der Staatsanwalt darüber gehört worden, von dem Untersuchungsrichter, oder wenn dieser und der Staatsanwalt verschiedener Meinung sind, durch Beschluß des Bezirks-Collegialgerichtes abgewendet oder aufgehoben werden, wenn der Angeschuldigte mittelst Handgelöbnisses verspricht, daß er sich bis nach erfolgter Aburtheilung von seinem Wohnorte ohne Genehmigung des Untersuchungsrichters nicht entfernen noch verborgen halten werde, und wenn er dafür entweder selbst oder durch einen Dritten mit einer bestimmten Geldsumme Sicherheit bestellt. Hierüber ist jederzeit eine gerichtlich legalisierte Widmungsurkunde auszufertigen.

(328) §. 205. Die Versicherungssumme ist entweder in barem Gelde oder in auf den Überbringer lautenden, in Conventions-Münze verzinslichen kaiserlich-österreichischen Staatsschuldverschreibungen nach dem Börsecurs des Erlagstages, jedoch nicht über den Nennwerth berechnet, gerichtlich zu hinterlegen, oder durch Pfandbestellung auf unbewegliche Güter, oder durch taugliche Bürgen (§. 1374 b. G. B.), welche sich zugleich als Zahler verpflichten, sicher zu stellen. Die Größe der Versicherungssumme wird auf den Antrag des Staatsanwaltes von dem Untersuchungsrichter und, wenn dieser und der Staatsanwalt verschiedener Meinung sind, von dem Bezirks-Collegialgerichte festgesetzt. Bei Bestimmung derselben ist auf die Größe der zu erwartenden Strafe(,) auf den wahrscheinlichen Betrag der Gerichtskosten und des zu leistenden Schadenersatzes, endlich auf das Vermögen desjenigen Rücksicht zu nehmen, der die Sicherheit bestellt. Sie darf jedoch nie weniger, als ein hundert Gulden Conventions-Münze betragen.

§. 206. Die Entlassung des Angeschuldigten aus der Untersuchungshaft erfolgt erst, nachdem die Widmungsurkunde in der von dem Staatsanwalt genehmigten Weise ausgefertigt, und entweder die Versicherungssumme in Barem oder in Obligationen (§. 205) bei dem Bezirks-Collegialgerichte erlegt, oder im Falle der Pfandbestellung auf ein unbewegliches Gut die erfolgte Einverleibung der Widmungsurkunde in die öffentlichen Bücher nachgewiesen ist.

§. 207. Wenn sich der Angeschuldigte ohne Erlaubniß des Untersuchungsrichters von seinem Wohnort entfernt, und über die an ihn ergangene Aufforderung, welche im Falle seiner Nichtauffindung in seiner Wohnung anzuschlagen ist, binnen drei Tagen nicht vor Gericht erscheint, wird die Versicherungssumme auf Antrag des Staatsanwaltes von dem Bezirks-Collegialgerichte für verfallen erklärt. Dieses Erkenntniß ist, sobald es rechtskräftig geworden, gleich jedem Civilurtheile exekutionsfähig (!). Die verfallenen Sicherheitsbeträge sind an die Staatskasse (!) abzuführen, doch hat der durch das Verbrechen oder Vergehen Beschädigte das Recht, zu verlangen, daß vor allem seine Entschädigungsansprüche daraus befriedigt werden.

§. 208. Wenn sich der Angeschuldigte auf eine Vorladung des Untersuchungsrichters ohne hinlängliche Entschuldigung nicht stellt, wenn er nach der bewilligten Befreiung Anstalten zur Flucht trifft, oder wenn neue Umstände vorkommen, die seine Verhaftung erfordern, so ist, ungeachtet der Sicherheitsleistung, mit der Verhaftung desselben neuerlich vorzugehen.

Ist die Verhaftung des Angeschuldigten in diesem Falle erfolgt, so wird die Sicherheitssumme frei und die Bürgen sind ihrer Verbindlichkeit enthoben.

Dasselbe ist der Fall, sobald dem Angeschuldigten das Urtheil kundgemacht ist.

§. 209. Für Verhaftnehmungen außer den im Gesetze bestimmten Fällen bleibt der schuldtragende Beamte oder Diener der öffentlichen Gewalt, nach §. 86 St. G. II. Theiles, verantwortlich.

(329) Eilftes Hauptstück.

Von der Vernehmung des Angeschuldigten.

§. 210. Der Angeschuldigte ist von dem Untersuchungsrichter mündlich zu vernehmen, doch kann ihm dieser bei verwickelten Punkten (!) auch eine schriftliche Beantwortung gestatten.

Ist ein Verhafteter mit Fesseln belegt worden, so müssen ihm dieselben, mit Ausnahme des letzten Falles des §. 199, bei seiner Vernehmung abgenommen werden. Auch ist jedem Angeschuldigten während seiner Vernehmung ein Sitz zu gestatten. Ist der Angeschuldigte der Gerichtssprache nicht kundig, oder ist er taub oder stumm, so sind die Vorschriften der §§. 169 und 170 zu beobachten.

§. 211. Der Untersuchungsrichter hat vor dem Beginne der Vernehmung den Angeschuldigten zu ermahnen, daß er die ihm vorzulegenden Fragen bestimmt, deutlich und der Wahrheit gemäß beantworte. Sodann ist der Angeschuldigte über seinen Vor- und Zunamen, sein Alter, seine Religion, seinen Geburts- und Wohnort, Stand, Gewerbe oder Beschäftigung; ferner, so weit es zum Zwecke der Untersuchung erforderlich erscheint, über seine Familien- und Vermögensverhältnisse, seinen Lebenslauf, und darüber, ob und weßhalb er schon in Untersuchung oder Strafe gewesen, zu befragen.

§. 212. In der Hauptsache hat der Untersuchungsrichter dem Angeschuldigten das Verbrechen oder Vergehen, dessen er beschuldigt ist, im Allgemeinen zu bezeichnen, und ihn zu veranlassen, daß er sich über die den Gegenstand der Anschuldigung bildenden Thatsachen in einer zusammenhängenden, umständlichen Erzählung äußere. Die weiteren Fragen sind, mit Vermeidung aller unnöthigen Weitläufigkeit auf die Ergänzung der Erzählung, auf die Entfernung etwaiger Dunkelheiten und Widersprüche zu richten, und insbesondere so zu stellen, daß der Angeschuldigte alle gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe erfahre, und vollständige Gelegenheit zu deren Beseitigung und zu seiner Rechtfertigung erhalte. Gibt er Thatsachen oder Beweismittel zu seiner Entlastung an, so müssen dieselben, sofern sie nicht offenbar nur zur Verzögerung angegeben wurden, erhoben werden.

§. 213. Die an den Angeschuldigten zu stellenden Fragen dürfen nicht unbestimmt, dunkel, mehrdeutig oder auf verschiedene Umstände zugleich gerichtet seyn. Fragen, wodurch dem Angeschuldigten Thatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, sind möglichst zu vermeiden. Bei der Erforschung von Mitschuldigen soll der Untersuchungsrichter soviel thunlich die Bezeichnung bestimmter Personen durch Namen oder andere leicht kennbare Merkmale vermeiden.

§. 214. Gegenstände, die sich auf das Verbrechen beziehen, oder zur Ueberweisung des Angeschuldigten dienen, sind ihm nach vorläufiger Beschreibung derselben (§. 174) zur Anerkennung vorzulegen, und er ist, sofern eine Vorlegung derselben nicht möglich ist, zu diesen Gegenständen zum Behufe ihrer Anerkennung zu führen.

(330) §. 215. Um den Angeschuldigten zu Geständnissen oder anderen bestimmen Angaben zu bewegen, dürfen weder Versprechungen oder falsche Vorspiegelungen, noch Drohungen oder Zwangsmittel angewendet werden. Auch soll die Voruntersuchung nicht durch das Bemühen, ein Geständniß zu erlangen, verzögert werden.

§. 216. Verweigert der Angeschuldigte überhaupt oder auf bestimmte Fragen zu antworten, oder stellt er sich taub, stumm, wahn- oder blödsinnig, und ist der Untersuchungsrichter in den letzteren Fällen entweder durch seine eigenen Wahrnehmungen oder durch Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen von der Verstellung überzeugt, so ist der Angeschuldigte aufmerksam zu machen, daß sein Verhalten die Untersuchung nicht hemmen, sondern nur verlängern, einen für ihn nachtheiligen Einfluß auf die Beurtheilung der Sache ausüben, und daß er sich dadurch möglicher Weise etwaiger Vertheidigungsgründe berauben könne.

§. 217. Weichen frühere oder spätere Angaben des Angeschuldigten von einander ab, widerruft er insbesondere frühere Geständnisse, so ist er über die Veranlassung zu jenen Abweichungen und die Gründe seines Widerrufes zu befragen.

§. 218. Wenn die Aussagen eines Angeschuldigten in erheblichen Punkten von den Angaben eines wider ihn aussagenden Zeugen oder Mitschuldigen abweichen, so sind ihm diese im Laufe der Voruntersuchung nur dann gegenüberzustellen, wenn es der Untersuchungsrichter zur Aufklärung der Sache für nothwendig erachtet, oder wenn der Angeschuldigte diese Gegenüberstellung zum Behufe seiner Vertheidigung verlangt.

Die im §. 160, lit. a aufgeführten Personen dürfen, wenn sie sich auch als Zeugen haben abhören lassen, die Gegenüberstellung mit dem Angeschuldigten ablehnen, außer wenn sie dieser selbst zum Behufe seiner Vertheidigung verlangt. Bei solchen Gegenüberstellungen ist das in dem §. 176 vorgeschriebene Verfahren zu beobachten.

§. 219. Geständnisse des Angeschuldigten entbinden den Untersuchungsrichter nicht von der Pflicht, den Thatbestand so weit als möglich zu entmitteln (!). Ist das Geständniß umfassend und durch die übrigen Ergebnisse der Voruntersuchung unterstützt, so hängt die Vornahme weiterer Erhebungen von den besonderen Anträgen des Staatsanwaltes ab.

Zwölftes Hauptstück.

Von dem Schlusse der Voruntersuchung und der Versetzung in den Anklagestand.

I. Schluß der Voruntersuchung

§. 220. Die Voruntersuchung wird geschlossen, sobald die dem Untersuchungsrichter bekannt gewordenen Erkenntnisquellen so benützt sind, daß von weiterer Verfolgung derselben weder eine bessere Aufklärung der Sache, noch die Entdeckung neuer erheblicher Umstände zu erwarten

(331) ist. Der Untersuchungsrichter hat sich hierbei gegenwärtig zu halten, daß mit der größten Beschleunigung für eine gründliche Vorbereitung der Hauptverhandlung Sorge zu tragen ist.

§. 221. Ist die Voruntersuchung wider den Angeschuldigten wegen mehrerer Verbrechen oder Vergehen geführt worden, so kann dieselbe auch schon dann geschlossen werden, wenn sie nur wegen der schweren Verbrechen oder Vergehen erschöpft ist, und die geringeren voraussichtlich keinen wesentlichen Einfluss auf die Ausmessung der Strafe oder auf die Frage der Entschädigung haben werden.

§. 222. Am Schlusse der Voruntersuchung hat der Untersuchungsrichter dem Angeschuldigten zu bedeuten, daß er zur Abwendung seiner Versetzung in den Anklagestand eine Vertheidigungsschrift bei dem Bezirks-Collegialgerichte überreichen könne, zu deren Verfassung ihm auf sein Verlangen eine Frist von acht Tagen anzuberaumen ist. Es steht ihm auch frei, sich zu diesem Ende einen Vertheidiger zu wählen, oder das Gericht um die Bestellung eines Vertheidiger zu ersuchen. Die Einsicht der Voruntersuchungsacten ist sowohl dem Angeschuldigten, als auch seinem Vertheidiger unter den Bestimmungen des §. 248 zu gestatten.

II. Anträge der Staatsanwaltschaft, Versetzung in den Anklagestand.

§. 223. Nach dem Schlusse der Voruntersuchung theilt der Untersuchungsrichter die Acten dem Staatsanwalte mit, welcher sie binnen längstens acht Tagen, falls er dafür hält, daß die Sache vor ein Schwurgericht gehöre, unter gleichzeitiger Anzeige an das Bezirks-Collegialgericht dem Generalprocurator am Oberlandesgerichte einsendet, außerdem aber binnen eben dieser Frist mit seinen schriftlichen und begründeten Anträgen an den Vorsteher des Bezirks-Collegialgerichtes gelangen läßt.

§. 224. Im ersten Falle hat der Generalprocurator, wenn er nicht Ergänzungen der Voruntersuchung einzuleiten für nöthig erachtet, binnen acht Tagen nach Empfang der Voruntersuchungsacten, diese sammt seinen schriftlichen und begründeten Anträgen an das Oberlandesgericht zu übergeben. Bei diesem wird ein Mitglied der Anklagekammer als Referent bestellt und binnen der nächstfolgenden acht Tage eine Sitzung anberaumt, um über die Anträge des Generalprocurators zu erkennen.

§225. Im zweiten Falle hat der Vorsteher des Bezirks-Collegialgerichtes ein Mitglied dieses Gerichtes als Referenten zu bestellen, und binnen der nächsten acht Tage eine Sitzung anzuberaumen, um über die Anträge des Staatsanwaltes zu erkennen. Der Untersuchungsrichter kann dieser Sitzung zwar als Berichterstatter, jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nicht als Stimmführer beigezogen werden.

§. 226. Diese Sitzungen der Anklagekammer sowohl, als auch des Bezirks-Collegialgerichtes sind nicht öffentlich. In denselben erstattet zuerst der Referent aus den Acten Vortrag über die Sache, worauf bei der Anklagekammer der Generalprocurator, bei dem Bezirks-Collegial-

gerichte

(332) aber der Staatsanwalt seine Ansichten mündlich entwickelt, und erforderlichen Falles neue Anträge stellt. Die Berathschlagung und Beschlußfassung findet in Abwesenheit des Staatsanwaltes Statt. Sowohl der gefaßte Beschluß als auch die verschiedenen Meinungen sind von dem Protocollführer anzumerken.

§. 227. Findet die Anklagekammer oder das Bezirks-Collegialgericht, daß die Voruntersuchung noch einer Vervollständigung bedürfe, so haben sie dieselbe vorerst durch den Untersuchungsrichter oder durch einen anderen hiezu abgeordneten Richter zu veranlassen.

§. 228. Findet die Anklagekammer oder das Bezirks-Collegialgericht, daß sich der Thatbestand einer durch die Strafgesetze verbotenen Handlung nicht erkennen lässt, oder daß es an hinreichenden Gründen fehlt, um den Angeschuldigten für dringend verdächtig zu halten, oder daß Thatsachen, welche die Straflosigkeit des Angeschuldigten begründen, unzweifelhaft als vorhanden anzusehen sind, oder daß die Voruntersuchung ohne das erforderlich gewesene Verlangen eines Betheiligten geführt wurde, so entscheiden sie: Es sei kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung vorhanden.

§. 229. Hält die Anklagekammer die Zuständigkeit des Geschwornengerichtes, oder hält das Bezirks-Collegialgericht seine eigenen Zuständigkeit für begründet und liegen hinreichende Gründe vor, um den Angeschuldigten wegen eines bestimmten Verbrechens oder Vergehens für dringend verdächtig zu halten, so ist auf Versetzung desselben in den Anklagestand zu erkennen.

Das Verweisungserkenntniß muß a) den Vor- und Zunamen des Angeschuldigten, so weit dieselben bekannt sind; b) die wesentlichen, thatsächlichen Merkmale des Verbrechens oder Vergehens, wegen dessen die Versetzung in den Anklagestand erfolgt, mit den die Gattung und Art desselben bestimmenden Umständen enthalten; c) das Gesetz bezeichnen, nach welchem es zu bestrafen ist; und d) das Gericht benennen, an welches die Sache zur Hauptverhandlung verwiesen wird. Alles dieses bei sonstiger Nichtigkeit.

§. 230. Erachtet die Anklagekammer, daß die That nach den Bestimmungen der Einführungs-Verordnung nicht vor das Geschwornengericht, sondern zur Zuständigkeit des Bezirks-Collegialgerichtes gehöre, so hat sie auf Versetzung des Angeschuldigten in den Anklagestand zu erkennen und die Sache zur Hauptverhandlung an das zuständige Bezirks-Collegialgericht zu verweisen. Findet die Anklagekammer, daß die That nur eine Uebertretung bilde, so hat sie die Sache zur Entscheidung vor das zuständige Bezirksgericht zu verweisen. Solche Verweisungen sind für die dem Oberlandesgerichte untergeordneten Bezirks-Collegial- und Einzel-Bezirksgerichte bindend.

§. 231. Wenn das Bezirks-Collegialgericht dafür hält, daß die Sache vor das Geschwornengericht oder vor ein anderes Bezirks-Collegialgericht gehöre, hat es dieselbe im ersten Falle an das Oberlandesgericht als Anklagekammer, im zweiten Falle aber an das andere Bezirks-Collegialgericht abzugeben. Hält es dafür, daß die Sache vor ein Einzel-Bezirksgericht gehöre, so hat es dies auszusprechen und die Sache zur Entscheidung an dasselbe zu verweisen.

(333) Ist die Verweisung an ein in dem Sprengel des Bezirks-Collegialgerichtes gelegenes Bezirksgericht erfolgt, so ist sie für dieses bindend. Außer diesem Falle ist ein Streit über die Zuständigkeit nach §. 76 zu erledigen.

§. 232. Liegen dem Angeschuldigten mehrere Verbrechen, Vergehen oder Uebertretungen zur Last, und ist rücksichtlich eines oder mehrerer derselben das Geschwornengericht, rücksichtlich anderer aber das Bezirks-Collegialgericht oder ein Einzel-Bezirksrichter zuständig, so ist der Angeschuldigte rücksichtlich aller dieser strafbaren Handlungen vor das Geschwornengericht zu verweisen. Ebenso sind alle diese Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen vor das Bezirks-Collegialgericht zu verweisen, wenn rücksichtlich einzelner derselben dieses Gericht, in Betreff anderer aber ein Einzel-Bezirksrichter zuständig ist.

§. 233. Ist ein Verbrechen oder Vergehen von verschiedenen Personen in Gemeinschaft, oder in Folge einer unter ihnen vorher getroffenen Verabredung verübt worden, und muß eine dieser Personen vor das Geschwornengericht verwiesen werden, so hat dieses auch über alle Mitschuldige und Theilnehmer derselben zu erkennen, wenn gleich die den letzteren zur Last fallenden strafbaren Handlungen für sich allein die Zuständigkeit des Schwurgerichtes nicht begründet haben würden. Eben so sind alle Mitschuldigen und Theilnehmer eines vor das Bezirks-Collegialgericht gehörigen Verbrechens oder Vergehens, so wie alle einem dieser Mitschuldigen oder Theilnehmer zur Last liegenden Uebertretungen vor das Bezirks-Collegialgericht zu verweisen.

§. 234. Die in den §§. 228 bis 231 erwähnten Erkenntnisse müssen bei sonstiger Nichtigkeit von allen Gerichtsmitgliedern, welche in der Anklagekammer des Oberlandesgerichtes oder bei dem Bezirks-Collegialgerichte daran Theil genommen haben, unterschrieben werden.

§. 235. Ist ein Verweisungserkenntniß erlassen worden, so muß die Anklagekammer oder das Bezirks-Collegialgericht zugleich beschließen, ob der Angeschuldigte, falls er sich noch auf freiem Fuße befindet, zu verhaften sei, oder ob die wider ihn bereits verhängte Haft fortzudauern oder aufzuhören habe. Die in den §§. 191 und 192 gegebenen Vorschriften finden auch hier ihre volle Anwendung.

Erfolgt die Entscheidung, daß kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung vorhanden sei, so ist der Angeschuldigte, falls er in Untersuchungshaft ist, vorbehaltlich der Bestimmung der §§. 238 und 241 sofort zu entlassen, insofern er sich nicht noch aus einem anderen Grunde in Haft befindet.

§. 236. Bei Erlassung des Erkenntnisses auf Versetzung in den Anklagestand bestimmt das erkennende Gericht zugleich nach Anhörung des Staatsanwaltes, welche Zeugen und Sachverständige zur Hauptverhandlung vorgeladen werden sollen, oder rücksichtlich welcher eine Vorlesung ihrer in der Voruntersuchung abgelegten Aussagen stattzufinden habe (§§. 164, 281 und 320), unbeschadet jedoch des Rechtes des Staatsanwaltes und des Angeklagten, auch nachträglich noch andere Zeugen namhaft zu machen und deren Abhörung zu verlangen. (§. 253.)

(334) §. 237. Die in den §§. 228 bis 231, 235 und 236 erwähnten Entscheidungen sind sowohl dem Angeschuldigten als auch dem Staatsanwalte, welcher den Antrag gestellt hat, unter gleichzeitiger Zustellung einer ämtlich beglaubigten Abschrift derselben zu eröffnen. Der Angeschuldigte, gegen welchen ein Verweisungserkenntniß erflossen ist, muss bei Eröffnung desselben über die ihm dagegen zustehenden Rechtsmittel bei sonstiger Nichtigkeit belehrt werden.

III. Rechtsmittel gegen diese Entscheidungen der Bezirks-Colegialgerichte und der Anklagekammer.

§. 238. Gegen die von dem Bezirks-Collegialgerichte in den Fällen der §§. 228 bis 231 ergangenen Entscheidungen hat sowohl der Staatsanwalt als auch der Angeschuldigte das Recht der Beschwerdeführung an das Oberlandesgericht. Der Staatsanwalt muß seine Beschwerde binnen vier und zwanzig Stunden, der Angeschuldigte aber binnen drei Tagen von der Eröffnung des Erkenntnisses bei dem Bezirks-Collegialgerichte anmelden. Diese Anmeldung hat aufschiebende Wirkung. Die Entlassung des verhafteten Angeschuldigten darf daher vor Ablauf der dem Staatsanwalte eingeräumten vierundzwanzigstündigen Frist nur dann erfolgen, wenn sich letzterer des ihm zustehenden Rechtsmittels ausdrücklich begibt. Die im Falle des §. 235 beschlossene Verhaftung des Angeschuldigten wird durch die Beschwerdeführung desselben nur dann aufgeschoben, wenn das Bezirks-Collegialgericht diese Aufschiebung nach den Umständen des Falles für ganz unbedenklich erachtet.

Zur Ausführung seiner Beschwerde kann der Angeschuldigte einen Vertheidiger bestellen oder die Beigebung eines Vertheidigers verlangen, welchem die Einsicht der Voruntersuchungs-Acten unter den Bestimmungen des §. 248 zu gestatten ist.

§. 239. Sowohl der Staatsanwalt, als auch der Angeschuldigte oder dessen Vertheidiger, müssen längstens binnen zehn Tagen nach Eröffnung des von ihnen angefochtenen Erkenntnisses ihre Beschwerdeschrift bei dem Bezirks-Collegialgerichte überreichen, von welchem dieselbe sammt den Voruntersuchungsacten und dem Protocolle über die Sitzung, in welcher das Erkenntniß gefällt wurde, sofort an das Oberlandesgericht einzusenden ist.

Dieses entscheidet darüber, nach Anhörung des General-Procurators, in letzter Instanz.

§. 240. Wenn das Oberlandesgericht den Beschluß des Bezirks-Collegialgerichtes abändert und in Folge dessen die Sache zur Hauptverhandlung vor das Bezirks-Collegialgericht verweiset, so kann es zugleich aussprechen, daß die Verhandlung vor einem anderen Bezirks-Collegialgerichte desselben Oberlandesgerichtssprengels stattfinden solle.

§. 241. Gegen die von der Anklagekammer des Oberlandesgerichtes in den Fällen der §§. 228 bis 231 gefällten Erkenntnisse findet nur das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde an den Cassationshof Statt. Dieselbe ist von dem General-Procurator binnen vier und zwanzig Stunden, von dem Angeschuldigten aber binnen drei Tagen vom Tage der Eröffnung der Entscheidung an, bei dem eröffnenden Gerichte, unter Angabe der einzelnen Nichtigkeitsgründe, anzumelden

(335) und der Gegentheil von dieser Anmeldung sogleich in Kenntniß zu setzen. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die im Falle des §. 235 beschlossene Verhaftung des Angeschuldigten wird jedoch dadurch nicht aufgeschoben. In Betreff der Freilassung des verhafteten Angeschuldigten gilt auch in diesem Falle die Bestimmung des §. 238.

§. 242. Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur aus folgenden Gründen erhoben werden:

a) wenn die Verweisung an ein nicht zuständiges Gericht erfolgte;

b) wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen, das nur auf Verlangen eines Betheiligten verfolgt werden darf, die Untersuchung eingeleitet und fortgesetzt wurde, obgleich die Einleitung derselben von dem Betheiligten nicht begehrt oder das deßhalb angebrachte Begehren nachträglich wieder zurückgenommen worden war (§. 112);

c) wenn im Laufe der Voruntersuchung oder bei Erlassung des Verweisungs-Erkenntnisses gegen gesetzliche Vorschriften gefehlt wurde, auf deren Außerachtlassung die Strafe der Nichtigkeit ausdrücklich angedroht ist (§§. 58, 82, 95, 103, 120, 159, 160, 178, 225, 229, 234);

d) wenn die Anklagekammer nicht gehörig besetzt war;

e) wenn die dem Angeschuldigten zur Last gelegte That von der Anklagekammer für kein Verbrechen oder Vergehen erklärt wurde, obschon sie nach den Gesetzen ein solches ist, oder umgekehrt, wenn dieselbe mit Verletzung des Gesetzes für ein Verbrechen oder Vergehen erklärt wurde;

f) wenn die That durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetze unterzogen wurde, welches darauf keine Anwendung findet;

g) wenn das Verbrechen oder Vergehen durch Verjährung durch eine frühere rechtskräftige Entscheidung oder auf eine andere Art erloschen ist.

§. 243. Der Beschwerdeführer kann innerhalb vierzehn Tagen von dem Tage der Eröffnung des angefochtenen Erkenntnisses an eine Ausführung seiner Nichtigkeitsbeschwerde bei dem eröffnenden Gerichte überreichen. Dieselbe ist alsbald dem Gegner des Beschwerdeführers (dem Angeschuldigten oder General-Procurator) mitzutheilen, welchem das Recht zusteht, binnen acht Tagen eine Gegenausführung einzubringen. Nach Ablauf dieser Frist sind sämmtliche Acten an den Cassationshof zu senden, welcher darüber nach Anhörung des bei demselben angestellten General-Procurators in kürzester Frist in nicht öffentlicher Sitzung entscheidet.

§. 244. Findet der Cassationshof die Nichtigkeitsbeschwerde gegründet, so hat er im Falle der Unzuständigkeit (§. 242, a) die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen; in allen übrigen Fällen des §. 242 aber hat der Cassationshof das Erkenntniß der Anklagekammer aufzuheben und zugleich, wenn ein unberechtigter Kläger aufgetreten (§. 242, b) oder das Verbrechen oder Vergehen bereits erloschen ist (§. 242, g), auszusprechen, daß kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung vorhanden sei; - wenn wesentliche Förmlichkeiten des Verfahrens verletzt wurden (§. 242, e), die Nichtigkeit der einzelnen gesetzwidrigen Handlungen auszusprechen, nach Umständen die Verbesserung des Verfahrens anzuordnen und die Sache zu neuerlicher Entscheidung zu verweisen; - wenn die Anklagekammer nicht gehörig besetzt war

(336) (§. 242, d), auf nochmalige Entscheidung zu erkennen; - endlich, wenn die Aufhebung des Erkenntnisses der Anklagekammer wegen Verletzung oder unrichtiger Anwendung des Gesetzes erfolgte (§. 242, e und f), in der Sache selbst dem Gesetze gemäß zu entscheiden.

§. 245. Der Ausspruch des Cassationshofes über die Nichtigkeit der ganzen Verhandlung oder einzelner Theile derselben ist zwar sowohl für das Gericht, dessen Erkenntniß aufgehoben wurde, als auch für die in der Sache weiter erkennenden Gerichte maßgebend. An die Rechtsansicht des Cassationshofes aber ist das nach der Hauptverhandlung entscheidende Gericht in den Fällen des §. 242, e, f und g nicht gebunden. Ist das Endurtheil in Uebereinstimmung mit der von dem Cassationshofe ausgesprochenen Rechtsansicht ergangen, so kann über denselben Punct keine neuerliche Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden. Ist jedoch das Endurtheil auf eine mit dem aufgehobenen Erkenntnisse übereinstimmende Weise gefällt, und wird jenes Urtheil aus denselben Gründen, wie dieses Erkenntniß, mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, so findet sogleich das im §. 372 festgesetzte Verfahren Statt. Wurde eine Nichtigkeitsbeschwerde aus den im §. 242, unter a bis d angeführten Gründen verworfen, so können diese Nichtigkeitsgründe nicht mehr mittelst einer neuen gegen das Endurtheil gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden.

§. 246. Nichtigkeiten aus den im §. 242 unter a, c und d angeführten Gründen, wegen welcher keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben wurde, sind als durch Verzicht beseitigt anzusehen und können daher nicht mehr durch eine gegen das Endurtheil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden. Dagegen kann aus den im §. 242 unter b, e, f und g erwähnten Gründen eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Endurtheil erhoben werden, wenn sie auch gegen das Verweisungserkenntniß nicht ergriffen wurde.

Dreizehntes Hauptstück.

Von den Vorbereitungen zur Hauptverhandlung.

I. Bestellung eines Vertheidigers.

§. 247. Bei Eröffnung des Verweisungserkenntnisses (§. 229) ist der Angeschuldigte bei sonstiger Nichtigkeit zu der Erklärung aufzufordern, ob er sich einen Vertheidiger bestellen oder dessen Wahl dem Gerichte überlassen wolle. In den vor das Schwurgericht gehörigen Fällen muß dem Angeschuldigten bei sonstiger Nichtigkeit selbst dann, wenn er auf die Bestellung eines Vertheidigers verzichten zu wollen erklärt, ein solcher von Amtswegen beigegeben werden. Der Angeschuldigte ist bei der Wahl seines Vertheidigers nicht auf die an dem Gerichtsorte angestellten Advocaten beschränkt, sondern er kann jeden in dem Kronlande ansässigen, für das Richteramt beeideten oder zur Advocatur befähigten Rechtsverständigen als Vertheidiger aufstellen. Will er Jemand zum Vertheidiger nehmen, welcher diese Eigenschaften nicht besitzt, so bedarf er hiezu der Genehmigung des Gerichtes. Staatsbeamte können eine Vertheidigung nur mit Bewilligung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde annehmen. Ueberläßt der Angeschuldigte die

(337) Wahl dem Gerichte, so hat ihm dasselbe in der Regel einen Vertheidiger aus der Zahl der oben erwähnten Advocaten und Rechtsverständigen zu bestellen, doch sind nur die am Gerichtsorte ansässigen Advocaten zur Annahme eines solchen Auftrages verpflichtet. Ist die Sache rechtskräftig zur Hauptverhandlung vor das Geschwornengericht zu verweisen, so ist die Bestellung eines Vertheidigers für den Angeklagten, wenn derselbe die Wahl dem Gerichte überlassen hat, von dem Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes oder dessen Stellvertreter, und wenn diese noch nicht ernannt wären, von dem Präsidenten des Landesgerichtes vorzunehmen.

§. 248. Der Angeschuldigte kann sich mit seinem Vertheidiger ohne Beiseyn einer Gerichtsperson besprechen. Die Einsicht der Acten ist dem Vertheidiger und dem Angeschuldigten unter Aufsicht zu gestatten; auch können sie von den ihnen nothwendig scheinenden Actenstücken Abschriften nehmen. Von den Augenscheinsprotokollen, den Gutachten der Sachverständigen und von Originalurkunden, welche den Gegenstand des Verbrechens oder Vergehens bilden, sind ihnen auf Verlangen unentgeltliche Abschriften zu ertheilen.

II. Anklageschrift.

§. 249. Wenn die Versetzung in den Anklagestand wegen eines Verbrechens oder Vergehens ausgesprochen wurde, welches vor das Geschwornengericht gehört, oder mindestens mit einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, so hat der Staatsanwalt des Bezirks-Collegialgerichtes, oder wenn der Beschuldigte vor das Schwurgericht verwiesen wurde, der Staatsanwalt an dem Landesgerichte binnen acht Tagen, und nur bei großer Weitläufigkeit der Voruntersuchung binnen vierzehn Tagen, nachdem das Verweisungserkenntniß in Rechtskraft erwachsen ist, eine Anklageschrift bei dem Bezirks-Collegial- oder Landesgerichte zu überreichen. Diese Fristen können nach Befinden von dem Gerichte verlängert werden. Versäumnisse haben zwar nicht den Verlust der Anklage zur Folge, doch ist der schuldtragende Staatsanwalt zur strengen Verantwortung zu ziehen.

§. 250. Die Anklageschrift muß enthalten;

a) eine Darstellung derjenigen Thatsachen, auf welchen die Anklage beruht, mit allen erschwerenden oder mildernden Umständen;

b) die Anführung der sowohl für den Thatbestand als für die Schuld des Angeklagten vorliegenden Beweismittel;

c) die mit dem Verweisungserkenntnisse genau übereinstimmende Anklage in der Form, daß der Angeschuldigte wegen des fraglichen, nach seinen wesentlichen thatsächlichen Bestandtheilen anzugebenden Verbrechens oder Vergehens angeklagt werde, wobei sowohl das Strafgesetz, welches dadurch verletzt worden, und nach welchen auf Bestrafung angetragen wird, als auch das Gericht, vor welchem die Hauptverhandlung stattzufinden hat, genau zu bezeichnen sind;

d) die Angabe des Namens und Aufenthaltsortes jener Zeugen und Sachverständigen, welche auf Begehren der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung vorgeladen werden sollen, so wie derjenigen, bei welchen sie sich mit der Vorlesung der in der Voruntersuchung gemachten Angaben begnügen will.

(338) §. 251. Die Anklageschrift muss dem Angeklagten bei sonstiger Nichtigkeit zugestellt werden. Dieselbe ist daher in doppelter, und wenn mehrere Angeklagte sind, in so vielfacher Ausfertigung zu überreichen, daß jedem derselben ein Exemplar zugestellt werden und eines bei den Acten aufbehalten werden kann.

§. 252. Wenn das Verweisungserkenntniß wegen eines Vergehens oder Verbrechens erfolgte, das vor das Bezirks-Collegialgericht gehört, und welches das Gesetz höchstens mit einjähriger Freiheitsstrafe bedroht, so ist die Ueberreichung einer Anklageschrift nicht erforderlich. In diesen Fällen genügt es, daß dem Angeklagten das Verzeichniß der vorzuladenden Zeugen und Sachverständigen und der abzulesenden Actenstücke zugestellt werde, und daß der Staatsanwalt bei der Hauptverhandlung die Anklage mündlich kurz entwickle.

III. Mittheilung der Zeugenlisten.

§. 253. Es ist sohin die Sache des Angeklagten und seines Vertheidigers, die Zeugen und Sachverständigen, deren Vernehmung in der öffentlichen Sitzung ihnen zum Behufe der Vertheidigung nothwendig erscheint, dem Gerichte rechtzeitig anzuzeigen, damit sie zur Hauptverhandlung vorgeladen werden. Die Liste der Zeugen muß unter Angabe des Namens, Standes und Wohnortes derselben dem Staatsanwalte wenigstens drei Tage vor der Hauptverhandlung durch das Gericht mitgetheilt werden. Sollte der Staatsanwalt nachträglich noch die Vorladung von Zeugen oder Sachverständigen für nöthig erachten, welche in dem Verweisungserkenntnisse oder der Anklageschrift nicht enthalten sind, so muß auch er die Liste derselben dem Angeklagten binnen eben dieser Frist zustellen lassen. Jeder Theil ist berechtigt, sich der Abhörung von Zeugen oder Sachverständigen zu widersetzen, die ihm nicht auf die eben erwähnte Weise namhaft gemacht worden sind. Doch kann hierdurch dem im §. 283 erwähnten Rechte des Vorsitzenden kein Abbruch geschehen.

IV. Vorläufige Vernehmung des Angeklagten.

§. 254. Binnen drei Tagen, nachdem ein Erkenntniß, wodurch der Angeklagte vor das Geschwornengericht verwiesen wurde, in Rechtskraft erwachsen ist, muß der Angeklagte, falls er verhaftet ist, in das Gefängniß des Landesgerichtes, bei welchem die Schwurgerichtssitzung stattfindet, abgeführt werden. Nach seiner Ankunft in diesem Gefängnisse ist der Angeklagte längstens binnen vierundzwanzig Stunden von dem Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes oder von dessen Stellvertreter, und wenn diese noch nicht ernannt oder abwesend wären, von dem Vorsteher des Landesgerichtes zu vernehmen, ob er seinen in der Voruntersuchung abgelegten Aussagen etwas beizusetzen oder daran abzuändern finde. Bei dieser Gelegenheit ist er, falls er noch keinen Vertheidiger hätte, zur Bestellung eines Vertheidigers aufzufordern (§. 247) und ihm, wenn er von dieser Befugniß keinen Gebrauch macht, ein solcher sofort von Amtswegen zu ernennen. Ist der Angeklagte nicht verhaftet, so kann ihn der Vorsitzende des Schwurgerichtshofes zu dieser Vernehmung entweder vorladen, oder diese Vernehmung durch ein Bezirks-Collegial- oder Bezirksgericht vornehmen lassen.

(339) Sollte der Angeklagte oder dessen Vertheidiger darauf antragen, daß ein zur Vertheidigung dienender Umstand noch näher erforscht werde, so hat der Vorsitzende des Schwurgerichtshofes oder dessen Stellvertreter, in Fällen aber, die vor das Bezirks-Collegialgericht gehören, der Vorsteher dieses Gerichtes, wenn sie das Begehren begründet finden, die Erhebung ohne Zeitverlust zu veranstalten, und nachdem sie geschehen ist, dem Staatsanwalt und dem Angeklagten oder dessen Vertheidiger zum Zwecke allfälliger Einsichtnahme davon Kenntniß zu geben. Eine gleiche Vervollständigung der Voruntersuchung ist auch auf Antrag des Staatsanwaltes zulässig.

V. Vorladung zur Hauptverhandlung

§. 256. Wenn eine Hauptverhandlung vor dem Bezirks-Collegialgerichte stattzufinden hat, so wird von dem Vorsteher dieses Gerichtes, wenn aber die Hauptverhandlung vor dem Geschwornengerichte vorzunehmen ist, von dem Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes oder von dessen Stellvertreter der Tag derselben in der Art bestimmt, daß bei sonstiger Nichtigkeit dem Angeklagten im ersten Falle von der Zustellung der Vorladung an eine Frist von wenigsten drei Tagen, im letzten Falle aber von dem Tage der nach §. 254 geschehenen Vernehmung eine Frist von wenigstens acht Tagen zur Vorbereitung seiner Vertheidigung bleibe. Der Tag der Hauptverhandlung ist sowohl dem Angeklagten und dessen Vertheidiger, als auch dem Staatsanwalt und dem Beschädigten, der sich dem Strafverfahren angeschlossen hat, bekannt zu geben. Auch die Zeugen und Sachverständigen sind hierzu dergestalt vorzuladen, daß in der Regel zwischen der Zustellung der Vorladung und am Tage, an welchem die Hauptverhandlung vorgenommen wird, ein Zeitraum von drei Tagen in der Mitte liegt.

§. 257. Die Namen der zum Geschwornengericht berufenen Mitglieder des Gerichtshofes und das Verzeichniß der Haupt- und Ergänzungsgeschwornen (§. 40) sind jedem Angeklagten bei sonstiger Nichtigkeit spätestens am dritten Tage vor demjenigen, an welchem die Hauptverhandlung beginnen soll, auf Veranlassung des Staatsanwaltes durch das Gericht mitzutheilen.

VI. Vertagung der Haupt-Verhandlung.

§. 258. Weiset der Angeklagte nach, daß er wegen Krankheit oder einer sonstigen unabwendbaren Verhinderung bei der Hauptverhandlung nicht erscheinen kann, so ist diese zu vertagen. Wegen einer Verhinderung des Vertheidigers findet eine Vertagung nur dann Statt, wenn das Hinderniß dem Angeklagten oder dem Gerichte so spät bekannt wurde, daß ein anderer Vertheidiger nicht mehr aufgestellt werden konnte.

§. 259. Hat der Staatsanwalt oder der Angeklagte erhebliche Gründe zu beantragen, daß eine Sache bei der nächsten Schwurgerichtssitzung nicht vorgenommen werde, so hat der Schwurgerichtshof, oder, wenn dieser noch nicht versammelt wäre, das Landesgericht darüber zu entscheiden, ob ihrem Begehren Statt zu geben sei. Gegen diese Entscheidungen findet kein Rechtsmittel Statt.

(340) Vierzehntes Hauptstück.

Von der Hauptverhandlung vor den Bezirks-Collegialgerichten und der Urtheilsfällung durch dieselben.

I. Oeffentlichkeit der Hauptverhandlung.

§. 260. Die Hauptverhandlung vor den Bezirks-Collegialgerichten ist öffentlich bei sonstiger Nichtigkeit, doch ist nur erwachsenen und unbewaffneten Personen gestattet, als Zuhörer bei derselben zu erscheinen.

§. 261. Die Oeffentlichkeit einer Hauptverhandlung darf ausnahmsweise ausgeschlossen werden, wenn dadurch die Sittlichkeit verletzt werden könnte. Das Gericht verfügt diese Ausschließung von Amtswegen oder auf den Antrag des Staatsanwaltes oder des Angeklagten nach darüber gepflogener geheimer Verhandlung und Berathung durch ein schriftlich abzufassendes, mit Gründen versehenes Erkenntniß, gegen welches kein Rechtsmittel zulässig ist.

§. 262. Nach der öffentlichen Verlesung dieses Erkenntnisses durch den Schriftführer müssen sich alle Zuhörer entfernen. Nur die durch das Verbrechen oder Vergehen Verletzten und wirklich angestellte Richter oder Advocaten dürfen niemals ausgeschlossen werden. Auch können sowohl der Angeklagte als der Verletzte verlangen, daß der Zutritt drei Personen ihres Vertrauens gestattet werde.

§. 263. Die Anordnung einer geheimen Sitzung aus dem im §. 261 bezeichneten Grunde kann nach erfolgtem Aufrufe der Sache in jedem Momente der Verhandlung begehrt werden. Die Ausschließung der Oeffentlichkeit kann nur für einen Theil des Verfahrens oder für die ganze Verhandlung stattfinden. Die Verkündigung des Endurtheils aber muß jederzeit öffentlich geschehen.

II. Amtsverrichtungen des Vorsitzenden und des Gerichtes während der Hauptverhandlung im Allgemeinen.

§. 264. Der Vorsitzende leitet die Verhandlung, vernimmt den Angeklagten und die Zeugen und bestimmt die Reihenfolge, in welcher diejenigen, welche das Wort verlangen, zu sprechen haben. Er ist verpflichtet, alle seine Kräfte anzuwenden, um die Ermittlung der Wahrheit zu befördern. Dagegen hat er alle Anträge und Erörterungen zu beseitigen, welche die Hauptverhandlung ohne Nutzen für die Aufklärung der Sache verzögern würden.

§. 265. Dem Vorsitzenden liegt die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und des der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstandes in dem Gerichtssaale ob. Zeichen des Beifalles oder der Mißbilligung sind untersagt. Der Vorsitzende ist berechtigt, Personen, welche die Sitzung durch solche Zeichen oder auf andere Weise stören, zur Ordnung zu ermahnen und nöthigenfalls einzelne oder alle Zuhörer aus dem Sitzungssaale entfernen zu lassen. Widersetzt sich Jemand

(341) seinen Befehlen, oder werden die Störungen wiederholt, so kann der Vorsitzende die Widersetzlichen auch verhaften lassen und nach Umständen zu einer Gefängnisstrafe bis zu acht Tagen verurtheilen. Gegen ein solches Erkenntniß ist kein Rechtsmittel zulässig.

§. 266. Wenn im Laufe einer Hauptverhandlung über einzelne Puncte des Verfahrens von den Parteien entgegengesetzte Anträge gestellt werden, oder wenn der Vorsitzende des Gerichtes dem unbestrittenen Antrage einer Partei nicht Statt zu geben findet, so entscheidet über solche Zwischenfragen das Gericht sofort, ohne daß ein selbstständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel dagegen zulässig ist.

III. Beginn der Hauptverhandlung.

§. 267. Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache durch den Schriftführer.

Der Angeklagte erscheint ungefesselt, jedoch wenn er in der Untersuchungshaft ist, in Begleitung einer Wache. Die zur Beweisführung etwa erforderlichen Gegenstände, welche dem Angeklagten oder den Zeugen zur Anerkennung vorzulegen sind, müssen vor dem Beginne der Verhandlung in den Gerichtssaal gebracht werden.

§. 268. Der Vorsitzende befragt hierauf den Angeklagten um Vor- und Zunamen, Alter, Stand Gewerbe oder Beschäftigung, Religion, Geburts- und Wohnort, und ermahnt ihn zur Aufmerksamkeit auf die vorzutragende Anklage und den Gang der Verhandlung. Er erinnert zugleich den Vertheidiger des Angeklagten, nichts gegen sein Gewissen und gegen die dem Gesetze schuldige Achtung vorzubringen, und sich mit Anstand und Mäßigung auszudrücken.

§. 269. Hierauf wird bei sonstiger Nichtigkeit das Verweisungserkenntniß und die Anklageschrift von dem Schriftführer mit lauter Stimme vorgelesen. Ist in Gemäßheit des §. 252 keine Anklageschrift überreicht worden, so hat der Staatsanwalt nun seine Anklage auf die im §. 250 bezeichnete Weise mündlich vorzutragen. Sohin werden die auf Antrag des Staatsanwaltes und des Angeklagten vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen aufgerufen, und der Vorsitzende befiehlt ihnen, nachdem er sie an die Heiligkeit des von ihnen abzulegenden Eides erinnert hat, sich in das für sie bestimmte Zimmer zu begeben. Er ordnet auch nach Befinden Maßregeln an, um Verabredungen oder Besprechungen der Zeugen zu verhindern.

§. 270. Wenn Zeugen oder Sachverständige der an sie ergangenen Vorladung ungeachtet bei der Hauptverhandlung nicht erscheinen, so kann das Gericht deren alsogleiche Vorführung verfügen. Ist diese nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung des Staatsanwaltes und des Angeklagten oder seines Vertheidigers, ob die Hauptverhandlung vertagt oder fortgesetzt werden solle, und ob in diesem Falle statt der mündlichen Abhörung jener Zeugen oder Sachverständige die in der Voruntersuchung abgelegten Aussagen derselben vorzulesen seien. Der Ausgebliebene ist zu einer Geldstrafe von zehn Gulden bis fünfzig Gulden zu verurtheilen. Ist die Hauptverhandlung vertagt worden, so hat er überdieß die Kosten der durch sein Ausbleiben vereitelten Sitzung zu tragen. Auch kann, um sein Erscheinen bei der neu angeordneten Sitzung zu sichern, ein Vorführungsbefehl wider ihn erlassen werden.

(342) §. 271. Gegen die in Gemäßheit des vorstehenden Paragraphes ausgesprochenen Verurtheilungen kann der Zeuge oder Sachverständige binnen acht Tagen nach der an ihn erfolgten Zustellung des diesfälligen Erkenntnisses bei dem verurtheilenden Gerichte Einspruch erheben. Wenn er nachzuweisen vermag, daß ihm die Vorladung nicht gehörig behändigt worden, oder daß ihn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Hinderniß vom Erscheinen abgehalten habe, kann er von der wider ihn ausgesprochenen Strafe gänzlich losgezählt werden. Eine Minderung der verhängten Strafe oder des ihm auferlegten Kostenbetrages kann ausgesprochen werden, wenn er darzuthun im Stande ist, daß diese Strafe oder Kostenverurtheilung nicht im Verhältnisse zu seiner Versäumniß steht. Gegen diese Erkenntnise des Bezirks-Collegialgerichtes ist kein weiteres Rechtsmittel zulässig.

IV. Vernehmung des Angeklagten.

§. 272. Nachdem die Zeugen abgetreten sind (§. 269), vernimmt der Vorsitzende den Angeklagten über alle für die Urtheilsfällung erheblichen Thatumstände, unter Beobachtung der in den §§. 210 bis 217 enthaltenen Vorschriften. Eine Befragung des Angeklagten kann auch später im Laufe der Hauptverhandlung stattfinden, so oft es die vorgeführten Beweismittel angemessen erscheinen lassen. Widerruft der Angeklagte ein in der Voruntersuchung abgelegtes Geständniß, so ist er um die Gründe seines Widerrufes zu befragen. Der Vorsitzende kann in diesem Falle das früher abgelegte Geständniß aus den Voruntersuchungsacten vorlesen lassen.

§. 273. Es ist dem Angeklagten unbenommen, sich auch während der Hauptverhandlung mit seinem Vertheidiger zu besprechen; es ist ihm jedoch nicht gestattet, sich mit demselben über die unmittelbare Beantwortung der an ihn gestellten Fragen zu berathen.

V. Beweisverfahren.

§. 274. Nach der Vernehmung der Angeklagten sind zuerst die von dem Staatsanwalte, und dann die von dem Angeklagten zu gebrauchenden Beweismittel vorzuführen.

Die Reihenfolge derselben wird von dem Vorsitzenden unter Beachtung der vor Beginn der Verhandlung an ihn gelangten Anträge der Parteien bestimmt. Der Staatsanwalt und der Angeklagte könne im Laufe der Hauptverhandlung Beweismittel fallen lassen, jedoch nur wenn der Gegner zustimmt.

§. 275. Zeugen und Sachverständige werden einzeln aus dem Zeugenzimmer vorgerufen und in Anwesenheit des Angeklagten verhört. Sie sind bei sonstiger Nichtigkeit vor ihrer Vernehmung auf die im §. 165 angegebene Weise zur Angabe der Wahrheit zu ermahnen, und sohin zu beeidigen.

Sind sie aber bereits in der Voruntersuchung beeidigt worden, oder sind sie im Allgemeinen beeidete Sachverständige, so hat sie der Vorsitzende nur an ihren bereits abgelegten Eid zu erinnern.

Erfolgt die Beeidigung eines Zeugen bei der Hauptverhandlung, so muss er schwören, daß er auf die an ihn zu richtenden Fragen ohne Gunst, Haß oder Furcht die reine und volle

(343) Wahrheit und nichts als die Wahrheit aussagen werde. Der Vorsitzende hat bei der Abhörung der Zeugen die für den Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung ertheilten Vorschriften zu beobachten.

Zeugen, deren Aussagen von einander abweichen, kann der Vorsitzende einander gegenüberstellen.

§. 276. Zeugen und Sachverständige haben nach ihrer Vernehmung so lange in der Sitzung anwesend zu bleiben, als der Vorsitzende sie nicht entlässt oder ihr Abtreten verordnet. Die einzelnen Zeugen dürfen einander über ihre Aussagen nicht zur Rede stellen.

§. 277. Zeugen und Sachverständige, welche etwas über die Person des Angeklagten ausgesagt haben, sind am Schlusse ihres Verhöres ausdrücklich zu befragen, ob der anwesende Angeklagte derjenige sei, von welchem sie gesprochen. Der Angeklagte muß nach der Abhörung eines jeden Zeugen oder Sachverständigen befragt werden, ob er auf die eben vernommene Aussage derselben etwas zu entgegnen habe.

§. 278. Außer dem Vorsitzenden sind auch die übrigen Gerichtsmitglieder und der Staatsanwalt, nachdem sie das Wort hiezu von dem Vorsitzenden erhalten haben, befugt, Fragen an den Angeklagten, an Zeugen oder Sachverständige zu stellen. Ebenso sind der Angeklagte und sein Vertheidiger befugt, Fragen an Zeugen oder Sachverständige zu richten, jedoch nur durch den Vorsitzenden. Der Vorsitzende ist berechtigt, Fragen, die ihm unangemessen erscheinen, zurückzuweisen.

§. 279. Der Vorsitzende ist befugt, ausnahmsweise den Angeklagten während der Abhörung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten aus dem Sitzungssaale abtreten zu lassen. Er muß ihn aber, sobald er ihn nach seiner Wiedereinführung über den in seiner Abwesenheit verhandelten Gegenstand vernommen hat, bei sonstiger Nichtigkeit von Allem in Kenntniß setzen, was in seiner Abwesenheit vorgetragen wurde, insbesondere von den Aussagen, welche von anderen Personen inzwischen gemacht worden sind.

§. 280. Sowohl der Angeklagte, als der Staatsanwalt können verlangen, daß sich Zeugen nach ihrer Abhörung aus dem Gerichtssaal entfernen und später wieder hereingerufen und entweder allein oder in Gegenwart anderer Zeugen nochmals vernommen werden. Der Vorsitzende kann dieß auch von Amtswegen anordnen.

§. 281. Die nach §. 230 zur Vorlesung bestimmten Acten der Voruntersuchung hat der Vorsitzende vorlesen zu lassen. Außerdem findet die Vorlesung solcher Actenstücke auf Verlangen des Staatsanwaltes oder des Angeklagten, oder über Anordnung des Vorsitzenden nur dann Statt, wenn Zeugen oder Sachverständige, die in der Voruntersuchung vernommen wurden, in der Zwischenzeit gestorben oder unbekannten Aufenthaltes sind; wenn ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen einer Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen ihres entfernten Aufenthaltes füglich nicht bewerkstelligt werden konnte; oder wenn der Staatsanwalt

(344) und der Angeklagte darüber einverstanden sind. Weichen Zeuge oder Sachverständige in wesentlichen Puncten von ihren in der Voruntersuchung gemachten Angaben ab, so kann der Vorsitzende diese aus den Voruntersuchungsacten vorlesen lassen.

Augenscheinsprotokolle, gegen den Angeklagten, früher ergangene Straferkenntnisse und andere Urkunden, welche für die Sache von Bedeutung sind, müssen ebenfalls vorgelesen werden.

Nach jeder Vorlesung ist der Angeklagte zu befragen, was er darüber zu bemerken habe.

§. 282. Im Laufe oder am Schlusse der Hauptverhandlung läßt der Vorsitzende dem Angeklagten und, so weit es nöthig ist, den Zeugen und Sachverständigen diejenigen Gegenstände, welche auf das Verbrechen oder Vergehen Bezug haben und zur Ueberweisung dienen können, vorlegen, und fordert sie auf, sich zu erklären, ob sie dieselben anerkennen.

§. 283. Der Vorsitzende ist ermächtigt, bisher nicht abgehörte Zeugen und Sachverständige, von welchen nach dem Gange der Verhandlung Aufklärung über erhebliche und bestrittene Thatsachen zu erwarten ist, im Laufe des Verfahrens vorladen und nöthigenfalls vorführen zu lassen und zu vernehmen. Er kann auch neue Gutachten abfordern, oder andere Beweismittel herbeischaffen lassen, mit dem Gerichte einen Augenscheine vornehmen, oder hiezu ein Mitglied des Gerichtes abordnen, welches darüber Bericht zu erstatten hat. Ob eine Beeidigung der neuen Zeugen oder Sachverständigen stattfinde, darüber hat nach deren Abhörung und nach Vernehmung beider Theile der Gerichtshof zu entscheiden.

§. 284. Der Angeklagte und dessen Vertheidiger, so wie der Staatsanwalt sind berechtigt, Alles geltend zu machen, was zur Beurtheilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder Sachverständigen oder zur Widerlegung seiner Angaben dienen kann. Wenn jedoch von dem Angeklagten gegen einen Zeugen oder Sachverständigen Beschimpfungen oder offenbar ungegründete oder zur Sache nicht gehörige Beschuldigungen vorgebracht werden, so kann das Gericht wider denselben auf Antrag des Zeugen oder des Staatsanwaltes eine Gefängnißstrafe bis zu acht Tagen, oder falls er bereits verhaftet ist, eine gesetzliche Schärfung des Gefängnisses auf die Dauer von acht bis vierzehn Tagen verhängen. Macht sich der Vertheidiger einer solchen Uebertretung schuldig, so kann er vom Gerichte mit einem Verweise oder einer Geldstrafe bis zum Betrage von hundert Gulden belegt und ihm bei erschwerenden Umständen die Befugniß, als Vertheidiger in Strafsachen vor Gerichte zu erscheinen, auf die Dauer von einem bis zu sechs Monaten entzogen werden. Die Strafen sind sogleich nach der Verhandlung zu vollziehen, ohne daß dagegen ein Rechtsmittel zulässig ist, vorbehaltlich der Strafe, wenn durch diese Handlung ein eigenes Vergehen oder Verbrechen begründet seyn sollte.

VI. Vorträge der Parteien.

§. 285. Am Schlusse der Verhandlung erhält zuerst der Staatsanwalt das Wort, um die Ergebnisse der Beweisführung zusammenzufassen und seine Anträge sowohl rücksichtlich der Schuld des Angeklagten, als auch im Betreff der gegen ihn nach dem Gesetze zu erkennenden Strafe zu

(345) stellen und zu begründen. Hat sich ein Privatbetheiligter dem Verfahren angeschlossen, so erhält er zunächst nach dem Staatsanwalte das Wort zur Begründung seiner Entschädigungsansprüche. Dem Angeklagten und seinem Vertheidiger steht das Recht zu, darauf zu antworten. Finden der Staatsanwalt und der Privatbetheiligte hierauf etwas zu erwidern, so gebührt dem Angeklagten und seinem Vertheidiger jedenfalls die Schlußrede.

VII. Urtheil des Gerichtes.

§. 286. Der Vorsitzende erklärt alsdann die Verhandlung für geschlossen. Das Gericht zieht sich, wenn es dies für nöthig erachtet, in das Berathungszimmer zurück, um das Urtheil zu fällen. In diesem Falle wird der Angeklagte, wenn er verhaftet war, einstweilen aus dem Sitzungssaale wieder abgeführt.

§. 287. Das Gericht hat bei der Urtheilsfällung nur auf dasjenige Rücksicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Es hat die in dieser Verhandlung vorgeführten Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln, als auch in ihrem inneren Zusammenhange sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Ueber die Frage, ob eine Thatsache als erwiesen anzunehmen sei, entscheiden die Richter nicht nach gesetzlichen Beweisregeln, sondern nur nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Ueberzeugung.

§. 288. Wird auf keine Strafe erkannt, weil der Staatsanwalt ohne das erforderlich gewesene Verlangen eines Betheiligten aufgetreten ist, oder weil die der Anklage zum Grunde liegende That von keinem Gesetze mit Strafe bedroht, oder der Thatbestand des Verbrechens oder Vergehens nicht hergestellt, oder kein genügender Beweis vorhanden ist, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte That begangen habe, oder weil Umstände vorliegen, welche die Strafbarkeit desselben aufheben, so muß das Urtheil dahin lauten, daß der Angeklagte von der Anklage freigesprochen werde.

§. 289. Wird der Angeklagte schuldig befunden, so hat das Gericht sofort die gegen ihn zu verhängende Strafe auszusprechen. Das Strafurtheil muß enthalten:

a) welches Verbrechen oder Vergehen der Angeklagte als Urheber, Mitschuldiger oder Theilhaber verübt habe, und ob das Verbrechen oder Vergehen vollbracht oder nur versucht worden sei;

b) ob und mit welchen erschwerenden oder mildernden Umständen dies geschehen sei;

c) die auf den Angeklagten anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen;

d) die Strafe, zu welcher er verurtheilt wird, und zwar diese vier Puncte bei sonstiger Nichtigkeit;

e) außerdem ist noch die Entscheidung über etwa geltend gemachte Entschädigungsansprüche und über die Prozeßkosten (!) beizufügen.

§. 290. Ergibt sich aus der Hauptverhandlung, daß der Angeklagte einer That schuldig ist(,) worüber die Urtheilsfällung dem Geschwornengericht zusteht, so hat das Gericht seine Unzuständigkeit

(346) auszusprechen und die Sache an die Anklagekammer des Oberlandgerichtes zu verweisen.

§. 291. Ergibt sich aber aus der Hauptverhandlung, daß die dem Angeklagten zur Last fallende That ein anderes, jedoch nicht vor das Schwurgericht gehöriges Verbrechen oder Vergehen, als in dem Verweisungserkenntnisse enthalten ist, oder eine Uebertretung begründet, so hat sich das Gericht der Urtheilsfällung dennoch zu entziehen. Es kann jedoch auf ein schwereres Verbrechen oder Vergehen, als in der Anklage enthalten war, nur dann erkennen, wenn der Staatsanwalt im Laufe der Verhandlung darauf ausdrücklich seinen Antrag gestellt hat. (§. 303.) Ergibt sich dagegen aus der Verhandlung, daß die dem Angeklagten zur Last liegende That ein gleich schweres oder geringeres Verbrechen oder Vergehen, oder eine einfache Uebertretung begründet, so liegt es dem Staatsanwalt ob, im Laufe der Verhandlung den hierdurch erforderlichen eventuellen Antrag zu stellen. Hat er dieß unterlassen, so steht es während der Verhandlung dem Vorsitzenden und nach dem Schlusse derselben, jedoch vor der Urtheilsfällung dem Gerichte zu, den Staatsanwalt und den Angeklagten aufzufordern, daß sie in Beziehung auf das in der Anklage nicht enthaltene Verbrechen oder Vergehen oder die Uebertretung die geeigneten eventuellen Anträge stellen.

§. 292. Rücksichtlich der Art und Größe der Strafe ist das Gericht an die Anträge des Staatsanwaltes nur insoweit gebunden, daß es keine härtere Strafe verhängen kann, als auf welche derselbe angetragen hat.

VIII. Verkündung und Ausfertigung des Urtheils.

§. 293. Unmittelbar nach dem Beschlusse des Gerichtes ist das Urtheil in öffentlicher Sitzung und in Anwesenheit des Angeklagten zu verkündigen. Der Vorsitzende spricht das Urtheil und die wesentlichen Gründe desselben unter Verlesung der angewendeten (!)Gesetzbestimmungen (!) aus. Zugleich belehrt er den Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel. Alles dieß bei sonstiger Nichtigkeit.

§. 294. Jedes Urtheil sammt den sowohl die That- als auch die Rechtsfrage umfassenden Entscheidungsgründen ist durch ein von dem Vorsitzenden damit zu beauftragendes Mitglied des Gerichtes schriftlich, und zwar längstens binnen vierundzwanzig Stunden, abzufassen.

Die Urtheilsausfertigung muß außer den im §. 289 aufgeführten Punkten enthalten:

a) die Bezeichnung des Gerichtes und die Namen der anwesenden Mitglieder desselben, so wie des Staatsanwaltes;

b) den Namen des etwaigen Privatklägers oder des Privatbetheiligten, der sich dem Strafverfahren angeschlossen;

c) den Vor- und Zunamen, so wie den allfälligen Spitznamen des Angeklagten, dessen Alter, Stand, Gewerbe oder Beschäftigung; ferner den Namen seines Vertheidigers;

d) den Tag und den wesentlichen Inhalt des Verweisungserkenntnisses;

e) den Tag der Hauptverhandlung und des ergehenden Urtheils;

f) die Schlussanträge des Staatsanwaltes, Privatklägers oder Privatbetheiligten.

(347) Das Urtheil muß von allen Mitgliedern des Gerichts, welche an der Fällung desselben theilgenommen haben, unterzeichnet werden.

IX. Protokollführung.

§. 295. Ueber die Hauptverhandlung ist bei sonstiger Nichtigkeit ein Protokoll aufzunehmen. Dasselbe muß die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerichtes, des Staatsanwaltes, des Angeklagten und seines Vertheidigers und des Privatbetheiligten, der sich etwa dem Strafverfahren angeschlossen hat, enthalten. Dasselbe hat alle wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens zu beurkunden, insbesondere auszuführen, welche Zeugen und Sachverständige vernommen, und welche Actenstücke vorgelesen wurden; ferner alle Anträge der Parteien und die von dem Vorsitzenden oder dem Gerichte darüber ergangenen Entscheidungen zu bemerken, und schließlich anzugeben, ob das Endurtheil durch Stimmenmehrheit oder einhellig gefällt worden sei.

Der Antworten des Angeklagten und der Aussagen der Zeugen oder Sachverständigen geschieht nur dann eine Erwähnung, wenn sie Abweichungen, Veränderungen oder Zusätze bezüglich der in der Voruntersuchung gemachten Angaben enthalten, oder wenn die Zeugen oder Sachverständigen in der öffentlichen Sitzung des erste Mal vernommen werden.

§. 296. Einer Vorlesung und Genehmigung des Protokolles in der öffentlichen Sitzung bedarf es nicht; doch kann der Vorsitzende, wo es auf genaue Feststellung der wörtlichen Fassung ankommt, die Vorlesung einzelner Theile des Protokolles anordnen. Nach dem Schlusse der öffentlichen Sitzung ist das Protokoll von dem Vorsitzenden und dem Schriftführer zu unterzeichnen.

X. Vertagung und Einstellung der Hauptverhandlung.

§. 297. Die Hauptverhandlung darf, wenn sie einmal begonnen hat, nur so weit unterbrochen werden, als es der Vorsitzende zur nöthigen Erholung erforderlich findet; sie kann nach dem Ermessen des Gerichtes in dringenden Fällen auch an einem Sonntage oder Feiertage fortgesetzt werden.

§. 298. Wenn der Angeklagte die Ordnung der Verhandlung durch ein ungeziemendes Benehmen stört, und ungeachtet der Ermahnung des Vorsitzenden und der Drohung, daß er aus der Sitzung werde entfernt werden, nicht davon absteht, so kann er durch Beschluß des Gerichtes, wogegen kein Rechtsmittel zulässig ist, aus der Sitzung ganz oder auf einige Zeit entfernt, die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und ihm das Urtheil durch ein Mitglied des Gerichtes in Gegenwart des Schriftführers verkündet werden.

§. 299. Verletzt der Vertheidiger den Anstand oder die dem Gerichte schuldige Achtung, so kann er mit den im §. 284 bezeichneten Strafen belegt werden. Setzt er sein ungebührliches Benehmen fort, so kann ihm der Vorsitzende das Wort entziehen und den Angeklagten zur Wahl eines anderen Vertheidigers auffordern, nöthigenfalls auch von Amtswegen einen solchen ernennen. Ist jedoch zu besorgen, daß die Vertheidigung des Angeklagten nicht genügend

(348) stattfinden würde, so kann die Vertagung der Verhandlung auf Kosten des schuldigen Vertheidigers angeordnet werden.

§. 300. Erkrankt der Angeklagte während der Hauptverhandlung in dem Maße, daß er derselben nicht weiter beiwohnen kann, und willigt er nicht selbst ein, daß die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und seine in der Voruntersuchung abgegebene Erklärung vorgelesen werde, so ist die Verhandlung zu vertagen.

§. 301. Eine Vertagung der Hauptverhandlung kann nach Ermessen des Gerichtes auch dann angeordnet werden, wenn sich im Laufe der Verhandlung ein neuer für den Anschuldigungs- oder Entschuldigungsbeweis besonders wichtiger Umstand ergibt, und die neuen Beweismittel von dem Vorsitzenden nicht auf der Stelle beigeschafft werden können. Dasselbe findet Statt, wenn während der Hauptverhandlung wegen eines vorgeführten Beweismittels der Verdacht der Fälschung entstanden ist und neue Erhebungen als nöthig erscheinen, welche nicht sogleich vorgenommen werden können, oder wenn wegen äußeren Hindernisse eine zeitweilige Aufschiebung der Verhandlung sich als nothwendig oder zweckmäßig darstellt.

§. 302. Ist der Angeklagte bei der Hauptverhandlung durch schriftliche Beweise oder Zeugenaussagen einer anderen strafbaren That beschuldigt worden, als wegen welcher er angeklagt war, und würde das neue Verbrechen oder Vergehen nach dem Ermessen des Gerichtshofes eine bedeutende Erhöhung der Strafe des Angeklagten nach sich ziehen, so hat der Gerichtshof zwar mit der Urtheilsfällung über das den Gegenstand der Anklage bildende Verbrechen oder Vergehen vorzugehen; er kann jedoch über Antrag des Staatsanwaltes verordnen, daß der Angeklagte auch wegen des neuen Verbrechens oder Vergehens verfolgt und deßhalb die Voruntersuchung gepflogen werde. In diesem Falle ist der Vollzug der zuerkannten Strafe bis nach der Fällung des über diese neuerliche Anklage ergehenden Urtheils aufzuschieben.

Wird der Angeklagte durch das letzter Urtheil freigesprochen, so ist die Untersuchungshaft in die früher zuerkannte Strafe einzurechnen. Wird er aber in Folge der neuerlichen Anklage verurtheilt, so hat der Gerichtshof bei Ausmessung der Strafe die früher wider den Angeklagten verhängte Strafe in Anschlag zu bringen.

§. 303. Bei Verbrechen oder Vergehen, welche nur auf Verlangen eines Betheiligten untersucht und bestraft werden, kann dieser auch während der Hauptverhandlung, so lange das Urtheil nicht gefällt ist, die Einstellung des Verfahrens beantragen. Bei Verbrechen oder Vergehen, die der Staatsanwalt von Amtswegen zu verfolgen hat, findet eine Einstellung der Hauptverhandlung auf Antrag des Staatsanwaltes nur mit Zustimmung des Angeklagten Statt. Wenn jedoch der Staatsanwalt im Laufe der Hauptverhandlung die Ueberzeugung gewonnen hat, daß ein schwereres Verbrechen oder Vergehen vorliegt, als auf welches seine Anklage gerichtet war, so kann er mit Genehmigung des Gerichtes von dieser Anklage abstehen, die Einstellung des Verfahrens verlangen und weitere Anträge wegen der Untersuchung des schwereren Verbrechens oder Vergehens stellen.

(349) X. Zwischenvorfälle.

§. 304. Ergibt sich aus der Hauptverhandlung mit Wahrscheinlichkeit, daß ein Zeuge wissentlich falsch ausgesagt habe, so kann der Vorsitzende nicht nur auf Antrag des Staatsanwaltes oder des Angeschuldigten, sondern auch von Amtswegen den Zeugen sofort verhaften lassen, und die Untersuchung wegen des falschen Zeugnisses dem zuständigen Untersuchungsrichter zuweisen.

§. 305. Zur Zuständigkeit der Bezirks-Collegialgerichte gehörige Verbrechen oder Vergehen und Uebertretungen, welche während der Hauptverhandlung einer Strafsache in dem Sitzungssaale verübt werden, und wobei der Thäter auf frischer That betreten wird, können mit Unterbrechung der Hauptverhandlung oder am Schlusse derselben über Anhörung des Staatsanwaltes nach Vernehmung des Angeschuldigten und der etwa vorhandenen Zeugen von dem versammelten Gerichte sogleich abgeurtheilt werden. Rechtsmittel gegen ein solches Urtheil haben keine aufschiebende Wirkung. Ueber einen solchen Vorgang ist ein besonderes Protokoll aufzunehmen.

§. 306. Hat der Angeklagte während der Hauptverhandlung ein zur Zuständigkeit des Geschwornengerichtes gehöriges Verbrechen begangen, so finden die Bestimmungen des §. 302 ihre volle Anwendung.

Fünfzehntes Hauptstück.

Von der Hauptverhandlung vor den Geschwornengerichten.

I. Allgemeine Bestimmungen.

§. 307. Die Hauptverhandlung vor den Geschwornengerichten ist öffentlich bei sonstiger Nichtigkeit; doch finden auch hier die in den §§. 260 bis 263 festgestellten Ausnahmen ihre Anwendung.

§. 308. Der Vorsitzende des Schwurgerichtshofes hat die in den §§. 264, 265 und 283 aufgeführten Rechte und Pflichte. Es liegt ihm insbesondere ob, den Geschwornen in Beziehung auf die Ausübung ihres Amtes die erforderliche Anleitung zu geben, ihnen die Sache, über welche sie zu berathen haben, auseinander zu setzen, und sie nöthigenfalls an ihre Pflichten zu erinnern.

§. 309. Zwischenfragen über das Verfahren im Laufe der Hauptverhandlung entscheidet der Gerichtshof, ohne daß ein selbstständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel dagegen zulässig ist (§§. 266 bis 353).

II. Bildung der Geschwornenbank.

§. 310. Unmittelbar vor dem Beginne der Hauptverhandlung wird für jeden einzelnen Straffall, nachdem der Angeklagte unter Beobachtung der Vorschrift des §. 267 eingeführten, und die vorhandenen Beweisstücke in den Gerichtssaal gebracht worden sind, in nicht öffentlicher Sitzung

(350) des Schwurgerichtshofes und in Gegenwart des Staatsanwaltes, des Angeklagten und seines Vertheidigers, so wie der nach §. 41 vorgeladenen Geschwornen zur Bildung der Geschwornenbank geschritten. Dieselbe beginnt mit dem Aufrufe der sechs und dreißig Hauptgeschwornen durch den Schriftführer.

§. 311. Sind weniger als dreißig Hauptgeschworne erschienen, so sind die fehlenden aus den neun Ergänzungsgeschwornen in der Reihenfolge, wie dieselben bei der Verloosung aus der Urne gezogen wurden, zu ersetzen. Der Vorsitzende hat die hiernach zum Erscheinen Verpflichteten sogleich vorrufen zu lassen.

§. 312. Sobald die Zahl von wenigstens dreißig Geschwornen vollständig ist, richtet der Vorsitzende bei sonstiger Nichtigkeit an den Staatsanwalt, an den Angeklagten und an die Geschwornen die Frage, ob bei einem von diesen ein Grund vorhanden sei, der ihn von der Theilnahme an der vorliegenden Verhandlung ausschließe. Solche Gründe sind:

a) wenn der Geschworne zu dem Angeklagten oder dem durch das Verbrechen Geschädigten in einem solchen Verhältnisse steht, welches in Gemäßheit der §§. 79 und 80 einen Richter von der Ausübung des Richteramts ausschließen würde;

b) wenn er aus der Freisprechung oder Verurtheilung des Angeklagten einen Nutzen oder Schaden zu erwarten hat;

c) wenn er in der vorliegenden Sache als Gerichtszeuge verwendet wurde, wenn er als Anzeiger, Ankläger oder Vertheidiger aufgetreten ist, oder als Zeuge oder Sachverständiger abgehört wurde oder abgehört werden soll. Ueber die vorgebrachten Gründe der Ausschließung entscheidet der Gerichtshof; eine etwa erforderliche Ergänzung der Zahl der Geschwornen wird auf die im vorhergehenden Paragraphe bestimmte Weise bewirkt.

§. 313. Zur Bildung der Geschwornenbank müssen bei sonstiger Nichtigkeit wenigstens dreißig Geschworne, die nicht in Gemäßheit des vorstehenden Paragraphes mit Erfolg beanständet wurden, zugegen seyn. Die Namen derselben werden in eine Urne gelegt und sohin von dem Vorsitzenden des Gerichtshofes einzeln herausgezogen und verlesen. Sobald ein Name aus der Urne gezogen und verlesen ist, haben zuerst der Staatsanwalt und nach ihm der Angeklagte das Recht, den Geschwornen ohne Angaben von Gründen abzulehnen.

§. 314. Der Staatsanwalt und der Angeklagte haben das Recht, jeder eine gleiche Anzahl von Geschwornen abzulehnen. Ist die Zahl der Geschwornen ungerade, so ist der Angeklagte befugt, einen mehr als der Staatsanwalte zurückzuweisen. Privatbetheiligte, die sich dem Strafverfahren angeschlossen haben, üben dieses Recht gemeinschaftlich mit dem Staatsanwalte, Mitangeklagte gemeinschaftlich mit einander aus, ohne daß dadurch die Zahl der Ablehnungen vermehrt werden darf. Können sie sich hierüber nicht vereinigen, so entscheidet das Loos über die Reihenfolge, in welcher die gemeinschaftlich Berechtigten das Ablehnungsrecht auszuüben haben. Die von einem derselben erfolgte Ablehnung gilt auch für die anderen Betheiligten.

§. 315. Das Recht der Ablehnung hört auf, sobald zwölf nicht abgelehnte Namen von Geschwornen aus der Urne hervorgegangen oder nur noch so viele Namen, als zur Ergänzung der

(351) Zahl der Geschwornen bis auf zwölf erfordert werden, in der Urne übrig sind. Die auf solche Art gewählten zwölf Geschwornen bilden die Geschwornenbank, vor welcher die Hauptverhandlung vorzunehmen ist.

§. 316. Läßt sich voraussehen, daß eine Hauptverhandlung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen werde, so kann der Vorsitzende verfügen, daß ein oder zwei Ersatzmänner zugezogen, und daß daher statt der zwölf Geschwornen deren dreizehn oder vierzehn ausgelost werden, von welchen die ersten zwölf Hauptgeschworne, die anderen Ersatzgeschworne sind. Die Zahl der erlaubten Ablehnungen vermindert sich in diesem Falle verhältnismäßig. Die Ersatzgeschwornen müssen der ganzen Verhandlung ohne Unterbrechung beiwohnen, und treten, falls einer oder der andere der Hauptgeschwornen verhindert seyn sollte, der ganzen Verhandlung bis zum Ausspruch der Geschwornen beizuwohnen, in der Reihenfolge, in welcher ihre Namen gezogen wurden, an deren Stelle.

III. Beginn der Hauptverhandlung und Beeidigung der Geschwornen

§. 317. Nachdem die Geschwornenbank gebildet ist, und die Geschwornen ihre Sitze in der Reihenfolge, in welcher ihre Namen aus der Urne gezogen wurden, eingenommen haben, beginnt die Hauptverhandlung mit dem Aufrufe der Sache durch den Schriftführer. Der Vorsitzende stellt an den Angeklagten die im §. 268 vorgeschriebenen allgemeinen Fragen, und richtet sowohl an denselben als an dessen Vertheidiger die in demselben Paragraphe angeordneten Ermahnungen.

§. 318. Hieraus wird von dem Vorsitzendem bei sonstiger Nichtigkeit die Beeidigung der Geschwornen vorgenommen. Der Vorsitzende hält zu diesem Behufe an die Geschwornen, welche sich von ihren Sitzen erheben, folgende Anrede;

„Sie schwören und geloben vor Gott, die Beweise, welche gegen und für den Angeklagten werden vorgebracht werden, mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit zu prüfen, nichts unerwogen zu lassen, was zum Vortheile oder zum Nachtheile des Angeklagten gereichen kann, das Interesse des Angeklagten eben so, wie jenes der bürgerlichen Gesellschaft, welche ihn anklagt, fest im Auge zu behalten, vor Ihrem Anspruch über den Gegenstand der Verhandlung mit Niemand, außer mit Ihren Mitgeschwornen, Rücksprache zu nehmen, der Stimme der Zu- oder Abneigung, der Furcht oder der Schadenfreude, kein Gehör zu geben, sondern sich mit der Unparteilichkeit und Festigkeit eines redlichen und freien Mannes nur nach den für und wider den Angeklagten vorgeführten Beweismitteln und Ihrer darauf gegründeten innersten Ueberzeugung so zu entscheiden, wie Sie es vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten können.“

Sodann wird jeder Geschworne einzeln von dem Vorsitzendem aufgerufen, hebt die rechte Hand empor und antwortet mit lauter Stimme: „Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe!“

Bekenner einer Religion, welche die Verbindlichkeit des Eides an besondere Formen knüpft, oder den Eid gänzlich untersagt, werden nach der ihren Religionsgrundsätzen gemäß bestimmten Form beeidet oder durch Handschlag verpflichtet.

(352) IV. Beweisverfahren.

§. 319. Nach der Beeidigung der Geschwornen läßt der Vorsitzende bei sonstiger Nichtigkeit das Verweisungs-Erkenntniß und die Anklageschrift verlesen. Der Vorsitzende kann den Inhalt dieser Actenstücke nochmals auf eine dem Fassungsvermögen des Angeklagten angemessene Weise in Kürze vortragen. Er hat hierauf dem Angeklagten zu bedeuten, daß er nun die gegen ihn sprechenden Beweise vernehmen werde, und läßt sohin den Schriftführer die Zeugen und Sachverständigen aufrufen.

Hierbei, so wie in Betreff der vorläufigen Entfernung derselben aus dem Gerichtssaale und des Verfahrens gegen ungehorsame Zeugen und Sachverständige, sind die Vorschriften der §§. 269 bis 271 zu beobachten.

§. 320. Der Vorsitzende vernimmt hierauf den Angeklagten und leitet die Vorführung der Beweismittel, unter Beobachtung der in den §§. 272 bis 284 enthaltenen Anordnungen. Das im §. 278 erwähnte Recht der Fragestellung steht auch den Geschwornen, mit Einschluß der Ersatzgeschwornen wie den Mitgliedern des Gerichtes zu.

V. Vorträge der Parteien.

§. 321. Nach Beendigung des Beweisverfahrens werden der Staatsanwalt und der Angeklagte und dessen Vertheidiger in der in dem §. 285 bestimmten Reihenfolge gehört. Ihre Ausführungen haben sich hier auf die thatsächlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung, soweit sie dem Anspruche der Geschwornen zum Grunde zu legen sind, zu beschränken. Erörterungen der Ergebnisse der Hauptverhandlung, soweit sie der Entscheidung des Gerichtshofes unterliegen, sind einem späteren Zeitpuncte (§. 341) vorzubehalten.

VI. Vortrag des Vorsitzenden und Fragestellung an die Geschwornen.

§. 322. Der Vorsitzende erklärt alsdann die Verhandlung für geschlossen. Er faßt die wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung in einer gedrängten Darstellung zusammen, führt in möglicher Kürze die für und wider den Angeklagten sprechenden Beweise auf, ohne jedoch seine eigene Ansicht darüber kundzugeben; er macht die Geschwornen auf ihre Pflichten im Allgemeinen, und insbesondere auf die gesetzlichen Vorschriften aufmerksam, welche bei der Beurtheilung der Thatfrage etwa in Betracht kommen.

§. 323. Der Vorsitzende stellt hierauf, nach vorläufiger Berathung mit dem Gerichtshofe, die an die Geschwornen zu richtenden Fragen. Die müssen schriftlich vorgelegt werden, und sind bei sonstiger Nichtigkeit, nachdem sie von dem Vorsitzendem unterfertigt worden, zu verlesen. Sowohl der Staatsanwalt als der Angeklagte können gegen die Fragestellung Einwendungen erheben, über welche der Gerichtshof sogleich entscheidet. Wird die Fragestellung abgeändert, so müssen die Fragen nochmals verlesen werden.

§. 324. Die an die Geschwornen zu richtenden Fragen sind bei sonstiger Nichtigkeit so zu stellen, daß sie sich mit Ja oder Nein beantworten lassen. Die Hauptfrage ist darauf gerichtet:

(353) Ob der Angeklagte schuldig sei, die der Anklage zum Grunde liegende Handlung oder Unterlassung begangen zu haben. Hiebei sind bei sonstiger Nichtigkeit alle wesentlichen thatsächlichen Merkmale und Umstände, welche in dem Verweisungs-Erkenntnisse enthalten sind, in die Frage mit aufzunehmen.

§. 325. Ist behauptet worden, daß ein Zustand vorhanden gewesen, oder eine Thatsache eingetreten sei, welche die Strafbarkeit völlig aufheben würden, so hat der Vorsitzende eine dieser Behauptung entsprechende Frage zu stellen.

§. 326. Wenn sich aus der Hauptverhandlung ergeben hat, daß ein des vollendeten Verbrechens Angeklagter nur des Versuches, oder ein als Urheber oder unmittelbarer Thäter Angeklagter nur der Mitschuld oder Theilnahme schuldig seyn dürfte, so hat der Vorsitzende die geeigneten Zusatzfragen an die Geschwornen zu stellen.

§. 327. Außerdem sind über Erschwerungs- und Milderungsumstände angemessene Fragen an die Geschwornen nur dann zu stellen, wenn deren Vorhandenseyn nach dem Gesetze ausdrücklich eine Aenderung des Strafsatzes begründet; keineswegs aber dann, wenn dieselben nur auf die Ausmessung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafsatzes Einfluß haben, oder wenn es dem Richter, wegen vorhandener Milderungsumstände, nur gestattet ist, unter den geringsten gesetzlichen Strafsatz herabzugehen (§§. 48 und 49 St. G. I. Thl. und §. 346 dieses Gesetzes). In diesen Fällen unterliegen die Erschwerungs- und Milderungsumstände ausschließlich der Beurtheilung des Gerichtshofes.

§. 328. Ist schon die Anklage eventuell auf ein geringeres Verbrechen oder Vergehen gerichtet worden, oder hat sich erst aus der Hauptverhandlung ergeben, daß die That unter den Begriff eines geringeren Verbrechens, eines Vergehens oder einer einfachen Uebertretung fällt, oder daß sie in eine andere, mit gleicher oder geringerer Strafe bedrohte Art desselben Verbrechens oder Vergehens übergeht, so sind entsprechende weitere Fragen zu stellen.

§. 329. Eben dieß ist der Fall, wenn sich bei der Hauptverhandlung neue Umstände ergeben haben, durch welche das der Anklage zum Grunde liegende Verbrechen in eine mit schwereren Strafen belegte Art desselben Verbrechens übergeht.

§. 330. Wenn aber aus der Verhandlung erhellt, daß die dem Angeklagten zu Last fallende Handlung ein Verbrechen anderer Gattung begründet, welches mit gleicher oder schwererer Strafe belegt ist, als das in der Anklage bezeichnete, so ist hierüber eine Zusatzfrage nur dann zu stellen, wenn der Staatsanwalt und der Angeklagte einverstanden sind, daß über dieses andere Verbrechen sofort das Urtheil gefällt werde.

Außer diesem Falle steht es dem Staatsanwalt nur frei, von der Anklage abzustehen, unter Einem aber wegen des anderen Verbrechens die Verweisung des Beschuldigten an den zuständigen Untersuchungsrichter zu beantragen, worüber der Gerichtshof zu erkennen hat.

(354) §. 331.

Die niedergeschriebenen Fragen werden von dem Vorsitzenden den Geschwornen übergeben, worauf sich dieselben in ihr Berathungszimmer zurückziehen. Es werden ihnen das Verweisungserkenntniß, die Anklageschrift, die Beweisgegenstände, die Augenscheinsprotocolle sowie die übrigen Proceßacten, mit Ausnahme der Protocolle über die Zeugenvernehmungen, mitgegeben. Zugleich verfügt der Vorsitzende die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaale.

VII. Berathung und Schlußfassung der Geschwornen.

§. 332. Die Geschwornen wählen einen Obmann aus ihrer Mitte mittelst einfacher Stimmenmehrheit. Vor der Berathung hat der Obmann den Geschwornen folgende Instruction (!) vorzulesen:

„Das Gesetz fordert von den Geschwornen keine Rechenschaft über die Gründe ihrer Ueberzeugung; es schreibt ihnen keine bestimmten Regeln vor, nach welchen die Vollständigkeit und Hinlänglichkeit eines Beweises zu beurtheilen wären. Es fordert sie nur auf, alle für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, und sich dann selbst zu fragen, welchen Eindruck die in der Hauptverhandlung wider den Angeklagten vorgeführten Beweise und die Gründe seiner Vertheidigung auf Ihre Urtheilskraft gemacht haben.

Nach der durch diese Prüfung der Beweismittel gewonnenen innersten Ueberzeugung allein haben Sie Ihren Anspruch über die Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten zu fällen.

Sie müssen sich dabei beständig vor Augen halten, daß Ihre Berathschlagung sich nur auf die Ihnen vorgelegten Fragen, über die der Anklage zum Grunde liegenden oder damit in Verbindung stehenden Thatsachen zu beschränken hat. Nicht Sie, sondern nur die Richter sind berufen, die gesetzlichen Folgen auszusprechen, welche den Angeklagten, im Falle seiner Schuldigerklärung, treffen. Sie haben daher Ihre Erklärung, ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Folgen Ihres Ausspruches, abzugeben.“

Diese Instruktion (!), so wie die §§. 333 bis 336 dieses Gesetzes sollen in dem Berathungszimmer der Geschwornen in mehreren Exemplaren angeschlagen seyn.

§. 333. Die Geschwornen dürfen das Berathungszimmer nicht verlassen, bevor sie ihren Ausspruch gefällt haben. Niemand darf während der Dauer ihrer Berathung ohne schriftliche Bewilligung des Vorsitzenden in ihr Berathungszimmer eintreten; auch ist ihnen während dieser Zeit jeder Verkehr mit dritten Personen untersagt. Der Gerichtshof verurtheilt den Geschwornen, der diesem Gebote zuwiderhandelt, zu einer Geldstrafe von zehn bis hundert Gulden C. M., dritte Personen aber, welche diese Vorschrift übertreten, zu vierundzwanzigstündigem Arreste. Nur wenn die Geschwornen einer Aufklärung oder Belehrung über den Sinn der ihnen vorgelegten Fragen bedürfen, darf sich der Vorsitzende, auf schriftliches Ersuchen des Obmannes zu denselben verfügen; doch ist auch ihm bei sonstiger Nichtigkeit nicht gestattet, ihrer Abstimmung beizuwohnen.

(355) §. 334. Nach abgehaltener Berathung läßt der Obmann die Geschwornen über die einzelnen Fragen nach der Reihenfolge, in der sie von dem Vorsitzendem gestellt wurden, mündlich abstimmen, indem er jeden Geschwornen einzeln um seine Erklärung befragt; der Obmann gibt seine Erklärung zuletzt ab. Die Geschwornen stimmen über jede Frage mit Ja oder Nein ab; doch ist es ihnen auch gestattet, eine Frage nur theilweise zu bejahen oder zu verneinen.

Bei einer theilweise Bejahung einer Frage, ist die Beschränkung kurz beizufügen. Ihre Antwort ist dann: „Ja, aber nicht mit diesen oder jenen in der Frage enthaltenen Umständen.“

§. 335. Zur Schuldigerklärung des Angeklagten und zur Bejahung erschwerender Umstände (§§. 326, 327 und 329) ist eine Mehrheit von wenigstens zwei Drittheilen der Stimmen erforderlich. In Betreff der Strafmilderungsgründe und der die Strafbarkeit ausschließenden Umstände (§§. 325 bis 327) aber entscheidet die einfache Stimmenmehrheit; Bei Stimmengleichheit gibt die dem Angeklagten günstigere Meinung den Ausschlag.

Der Obmann zählt die Stimmen, und schreibt neben jede Frage, je nachdem sie durch die Geschwornen beantwortet ist, Ja oder Nein, mit den allfälligen Beschränkungen, unter Angabe des Stimmenverhältnisses.

In der Aufzeichnung des Ausspruches der Geschwornen, welche von dem Obmanne zu unterzeichnen ist, dürfen keine Rasuren vorkommen; Ausstreichungen, Randbemerkungen oder Einschaltungen müssen von dem Obmanne ausdrücklich genehmigt seyn.

VIII. Ausspruch der Geschwornen.

§. 336. Nach beendigter Abstimmung kehren die Geschwornen in den Sitzungssaal zurück und nehmen wieder ihre Plätze ein. Der Vorsitzende fordert sie auf, das Ergebniß ihrer Berathung mitzutheilen. Hierauf erhebt sich der Obmann der Geschwornen und spricht:

„Die Geschwornen haben nach Pflicht und Gewissen vor Gott die an sie gestellten Fragen beantwortet wie folgt:“

Sodann verliest er, und zwar bei sonstiger Nichtigkeit, in Gegenwart aller Geschwornen, die an sie gerichteten Fragen, und unmittelbar nach jeder den beigefügten Ausspruch der Geschwornen. Hierauf übergibt er den von ihm unterzeichneten Fragebogen dem Vorsitzenden, welcher denselben selbst unterzeichnet und von dem Schriftführer mitfertigen läßt.

Sobald die Geschwornen das Berathungszimmer verlassen haben, kann keiner derselben eine neue Berathung verlangen, noch von seiner früheren Meinung abgehen.

§. 337. Ist der Ausspruch der Geschwornen undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend, so hat der Gerichtshof darüber sogleich ein Erkenntniß zu fällen und den Geschwornen die Fragen und Antworten mit der Aufforderung zuzustellen, daß sie sich in ihr Berathungszimmer zurückziehen und nach neuerlicher Berathung ihren Wahrspruch verbessern. Der Vorsitzende eröffnet ihnen zugleich, daß sie zur Abänderung anderer als der beanständeten Antworten nicht berechtigt sind.

(356) §. 338. Wurde der Angeklagte für schuldig erklärt, und ist der Gerichtshof einstimmig der Ansicht, daß sich die Geschwornen bei diesem Ausspruche in der Hauptsache geirrt haben, so erkennt der Gerichtshof von Amtswegen, daß die Entscheidung bis zur nächsten Schwurgerichtssitzung auszusetzen, und die Sache vor ein anderes Geschwornengericht zu verweisen sei. Findet der Gerichtshof, daß sich die Geschwornen bei ihrem Ausspruche über eine gegen Mehrere gerichtete Anklage nur rücksichtlich Eines Angeklagten geirrt haben, so hat sich diese Verweisung auf diesen Angeklagten zu beschränken, und sie bleibt ohne Einfluß auf die übrigen Mitangeklagten. Bei der wiederholten Verhandlung darf keiner der Geschwornen, welche an der ersten theilgenommen, zugelassen werden. Stimmt der Ausspruch des zweiten Geschwornengerichtes mit jenem des ersten überein, so muß der Gerichtshof denselben seinem Urtheile zum Grunde legen.

IX. Weiteres Verfahren und Urtheil des Gerichtshofes.

§. 339. Der Vorsitzende läßt hierauf den Angeklagten in den Sitzungssaal wieder eintreten, und in dessen Gegenwart den Wahrspruch der Geschwornen, oder das in Gemäßheit des vorstehenden §. 338 gefällte Erkenntniß, durch den Schriftführer vorlesen.

§. 340. Lautet der Wahrspruch der Geschwornen auf „nicht schuldig,“ so erklärt der Vorsitzende sofort, daß der Angeklagte von der Anklage freigesprochen werde. Diese Verordnung des Vorsitzenden ist dem Angeklagten unverzüglich auszufertigen.

§. 341. Ist der Angeklagte für schuldig erklärt worden, so erhält zunächst der Staatsanwalt das Wort, um seine Anträge wegen der zu verhängenden Strafe und des Maßes derselben zu stellen. Nach ihm werden der Privatbetheiligte, der Angeklagte und sein Vertheidiger gehört, wobei die Vorschriften des §. 285 zu beobachten sind. Die Ausführungen dürfen nicht darauf abzielen, die durch den Ausspruch der Geschwornen festgestellten Thatsachen oder die Beziehung des Angeklagten zu demselben in Frage zu stellen, sondern haben sich auf die Statthaftigkeit und Größe der beantragten Strafe und die allfälligen Entschädigungsansprüche zu beschränken.

§. 342. Hierauf zieht sich der Gerichtshof, wenn er es für nöthig erachtet, in sein Berathungszimmer zurück. Der Angeklagte wird in diesem Falle, nach Ermessen des Vorsitzenden, abgeführt. Der Vorsitzende leitet die Abstimmung nach den im §. 47 enthaltenen Vorschriften.

§. 343. Ist der Gerichtshof der Ansicht, daß die That, welche der Angeklagte nach dem Ausspruche der Geschwornen begangen hat, durch kein Strafgesetz verboten ist, so erkennt er auf Lossprechung des Angeklagten.

§. 344. In anderen Fällen erkennt der Gerichtshof, nach gewissenhafter Prüfung, aller für und wider den Angeklagten vorliegenden Milderungs- und Erschwerungsumstände auf die durch das

(357) Gesetz angedrohte Strafe, wenn auch der Fall nach dem Ausspruche der Geschwornen nicht mehr zur Competenz des Schwurgerichtshofes gehören würde. An die Strafanträge des Staatsanwaltes ist er nur unter der im §. 292 enthaltenen Beschränkung gebunden.

§. 345. Wenn der Angeklagte zur Zeit der Verübung des Verbrechens das Alter von zwanzig Jahren noch nicht zurückgelegt hat, oder wenn seit der Verübung des Verbrechens ein Zeitraum von zwanzig Jahren verflossen ist, und die Bedingungen des §. 208 St. G. B. I. Thls. eintreffen, so hat der Gerichtshof anstatt der Todesstrafe oder lebenslangen Kerkerstrafe auf schweren Kerker von zehn bis zwanzig Jahren zu erkennen.

§. 346. Dem Schwurgerichtshofe wird das Recht eingeräumt, sowohl in den Fällen des §. 345 als überhaupt in allen Fällen, wo nach dem Gesetze die Strafe zwischen zehn und zwanzig Jahren, oder auf Lebenszeit auszumessen ist, dieselben wegen vorhandener Milderungsumstände zwar nicht in der Art, aber in der Dauer herabzusetzen, jedoch auch in dieser nicht unter drei Jahre. In Fällen, für welche die Strafe im Gesetze zwischen fünf und zehn Jahren bestimmt ist, darf der Gerichtshof dieselbe wegen mildernder Umstände sowohl in eine gelindere Art verändern, als auch in der Dauer, jedoch nie unter Ein Jahr herabsetzen.

§. 347. Unmittelbar nach Fällung des Straferkenntnisses ist dasselbe von dem Vorsitzenden in der öffentlichen Gerichtssitzung, und zwar, wenn der Angeklagte der Hauptverhandlung beigewohnt hat, in dessen Gegenwart zu verkündigen.

Der Vorsitzende muß zugleich die wesentlichsten Gründe der Strafzumessung, unter Vorlesung der Gesetzstellen (!), worauf das Erkenntniß gegründet ist, angeben, und den Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel belehren. Alles dieß bei sonstiger Nichtigkeit.

§. 348. Jedes Urtheil muß binnen drei Tagen sammt den den Rechtspunct betreffenden Entscheidungsgründen durch ein Mitglied des Gerichtshofes schriftlich abgefaßt und von sämmtlichen Mitgliedern des Gerichtshofes unterzeichnet werden. Die Ausfertigung des Urtheiles muß in der in den §§. 289 und 294 vorgeschriebenen Weise erfolgen, und auch die an die Geschwornen gestellten Fragen und deren Beantwortung enthalten.

§. 349. Todesurtheile müssen, nachdem sie in Rechtskraft erwachsen sind, mit allen Acten und mit einem unmittelbar nach der Verhandlung abzufassenden Gutachten des Schwurgerichtshofes durch den Staatsanwalt dem Justiz-Ministerium, durch dieses aber dem Landesfürsten vorgelegt werden, welchem allein das Begnadigungsrecht zusteht.

X. Protocollführung.

§. 350. Ueber die Führung des Protocolles bei der Hauptverhandlung vor den Geschwornengerichten gelten die in den §§. 295 und 296 ertheilten Vorschriften. Das Protocoll muß überdieß die Namen der Geschwornen, die Vorgänge bei Bildung der Geschwornenbank, die Beeidigung der Geschwornen, die an dieselben gestellten Fragen und die darauf ertheilten Antworten, enthalten.

(358) XI. Vertagung oder Einstellung der Hauptverhandlung und Zwischenfälle.

§. 351. Die in den §§. 297-306 enthaltenen Bestimmungen über die Vertagung oder Einstellung der Hauptverhandlung und über Zwischenfälle finden auch bei den Geschwornengerichten ihre Anwendung.

Sechzehntes Hauptstück.

Von den Rechtsmitteln gegen Endurtheile der Bezirks-Collegial- und Geschwornengerichte.

I. Nichtigkeitsgründe.

§. 352. Endurtheile, welche von einem Bezirks-Collegialgerichte oder von einem Geschwornengerichte gefällt sind, können nur in folgenden Fällen wegen Nichtigkeit angefochten werden:

a) wenn das Bezirks-Collegialgericht oder bei dem Geschwornengerichte der Gerichtshof, oder die Geschwornenbank nicht gehörig besetzt war, oder wenn nicht alle Richter und Geschwornen der ganzen Hauptverhandlung beigewohnt haben;

b) wenn bei einem Verbrechen oder Vergehen, das nur auf Verlangen eines Betheiligten verfolgt werden darf, die Untersuchung eingeleitet oder fortgesetzt wurde, obschon die Einleitung derselben von dem Betheiligten nicht begehrt, oder das deßhalb angebrachte Begehren nachträglich wieder zurückgenommen worden war (§§. 112 und 303), es wäre denn dieser Nichtigkeitsgrund bereits durch eine frühere Entscheidung des Cassationshofes beseitigt;

c) wenn im Laufe des dem Verweisungs-Erkenntnisse nachgefolgten Verfahrens eine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt worden ist, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt (§§. 22, 40, 82, 120, 159, 160, 178, 237, 247, 251, 256, 257, 260, 269, 275, 279, 289, 293, 295, 307, 312, 313, 318, 319, 323, 324, 333, 336, 347, 426);

d) wenn während der Hauptverhandlung über eine Bitte des Angeklagten oder über Anträge des Staatsanwaltes von dem Gerichtshofe nicht erkannt worden ist, oder wenn das hierüber gefällte Zwischenerkenntniß die Vornahme von Proceßhandlungen beschränkt oder versagt hat, welche auf die Entscheidung der Hauptsache wesentlichen Einfluß üben konnten;

e) wenn eine der in den §§. 325-330 vorgesehenen Fragen zu stellen unterlassen wurde, da doch dieselbe auf die Entscheidung der Hauptsache von wesentlichen Einflusse hätte seyn können;

f) wenn die Antwort der Geschwornen undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist;

g) wenn das Verbrechen oder Vergehen durch Verjährung, durch eine frühere rechtskräftige Entscheidung oder auf andere Art erloschen ist;

h) wenn die dem Angeklagten zur Last gelegte That von dem Gerichtshofe als keine strafbare Handlung angesehen wurde, obschon sie nach dem Strafgesetze eine solche ist,

(359)oder umgekehrt, wenn dieselbe mit Verletzung des Gesetzes für eine strafbare Handlung erklärt wurde;

i) wenn die That durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetze unterzogen worden ist, welches darauf seine Anwendung findet; jedoch nur dann, wenn das Strafgesetz, welches nach richtiger Auslegung auf die That anwendbar ist, nicht dieselbe Strafe droht, wie dasjenige, auf dessen Grund die Verurtheilung erfolgte;

k) wenn der Gerichtshof bei Ausmessung der Strafe die Gränzen des im Gesetze ausgesprochenen Strafsatzes oder des ihm zustehenden Milderungsrechtes überschritten hat.

II. Nichtigkeitsbeschwerde gegen Endurtheile der Geschwornengerichte.

§. 353. Endurtheile eines Geschwornengerichtes können nur durch eine an den Cassationshof gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Erkenntnisse des Schwurgerichtshofes über Zwischenpuncte kann nur mit der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Endurtheil verbunden werden, jedoch selbst dann, wenn diese Zwischenerkenntnisse ohne Vorbehalt der Nichtigkeitsbeschwerde befolgt worden sind.

§. 354. Sowohl der Angeklagte als der Staatsanwalt am Schwurgerichtshofe oder der Privatkläger sind zur Ergreifung dieses Rechtsmittels berechtigt. Auch der Vormund und Ehegatte des Angeklagten, so wie dessen Verwandte in auf- und absteigender Linie, können im Namen desselben die Nichtigkeitsbeschwerde ergreifen, gegen seinen Willen aber nur Vormünder oder Eltern im Falle seiner Minderjährigkeit. Stirbt der Angeklagte vor eingetretener Rechtskraft des Urtheiles, so können auch die vorerwähnte (!) Personen die Nichtigkeitsbeschwerde ergreifen oder fortsetzen. Erben des Angeklagten, welche nicht in einem der eben erwähnten Verhältnisse zu demselben standen, können die Nichtigkeitsbeschwerde nur in soweit einlegen oder fortsetzen, als durch das Urtheil auf eine Geldstrafe erkannt oder der Angeklagte zum Kostenersatze verurtheilt wurde. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist binnen drei Tagen, vom Tage der Verständigung des Endurtheiles an gerechnet, bei dem Landesgerichte mündlich oder schriftlich anzumelden und diese Anmeldung dem Gegentheile sogleich bekannt zu geben.

§. 355. Ist der Angeklagte von den Geschwornen für nicht schuldig erklärt und in Folge dessen durch Verordnung des Vorsitzenden von der Anklage freigesprochen worden (§. 340), so kann der Staatsanwalt am Schwurgerichtshofe gegen diesen Ausspruch eine Nichtigkeitsbeschwerde nur zur Wahrung des Gesetzes, somit ohne Nachtheil für den freigesprochenen Angeklagten, erheben.

§. 356. Gegen Urtheile der Schwurgerichtshöfe, welche auf unrichtiger Anwendung des Gesetzes beruhen, kann von dem Generalprocurator am Oberlandesgerichte sowohl, als von jenem an dem Cassationshofe, von Amtswegen oder über Auftrag des Justizministers, zur Wahrung des Gesetzes, eine Nichtigkeitsbeschwerde, und zwar auch dann noch erhoben werden, wenn der Angeklagte oder der Staatsanwalt am Schwurgerichtshofe in der gesetzlichen Frist von diesem Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht haben.

(360) §. 357. Während der gesetzlichen Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und, falls dieselbe erhoben worden ist, bis zum Eintreffen des Erkenntnisses des Cassationshofes bleibt die Vollstreckung des von dem Schwurgerichtshofe gefällten Urtheiles ausgesetzt. War jedoch der Angeklagte verhaftet, und ist er zwar von den Geschwornen für schuldig erklärt, durch das angefochtene Urtheil aber losgesprochen worden (§. 343), so soll seine Entlassung aus der Haft, wegen einer von dem Staatsanwalt erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde, nur dann aufgeschoben werden, wenn der letztere sogleich bei Verkündung des Urtheiles die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet hat.

§. 358. Der Beschwerdeführer ist berechtigt, binnen längstens vierzehn Tagen von Eröffnung des Urtheils an eine Ausführung seiner Beschwerdegründe bei dem Landesgerichte zu überreichen. Er muß entweder in dieser Schrift oder bei Anmeldung seiner Beschwerde die Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnen, widrigens auf seine Beschwerden von dem Cassationshofe keine Rücksicht zu nehmen ist. Hat er eine Beschwerdeschrift innerhalb der gesetzlichen Frist überreicht, so ist dieselbe seinem Gegentheile mit dem Bedeuten mitzutheilen, daß er binnen acht Tagen seine Gegenbemerkungen überreichen könne.

§. 359. Nach Ueberreichung dieser Gegenbemerkungen, oder nach Ablauf der hierzu bestimmten Frist sind alle Acten an den Gassationhof einzusenden, welcher darüber in der Regel binnen Monatsfrist zu entscheiden hat.

§. 360. Der Cassationshof hat zuerst in nicht öffentlicher Sitzung, nach Anhörung des Generalprocurators, über die Nichtigkeitsbeschwerde zu berathen. Ist dieselbe zu spät angemeldet, oder sind die Nichtigkeitsgründe nicht einzeln und bestimmt bezeichnet, oder ist der Nichtigkeitsgrund bereits durch eine frühere Entscheidung beseitigt, so ist die Nichtigkeitsbeschwerde sofort zu verwerfen. Außerdem ist ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung der Sache anzuberaumen, und die Vorladung des Angeklagten, so wie des allenfalls einschreitenden Privatklägers in der Art vorzunehmen, daß sie dieselbe wenigstens acht Tage vor dem Gerichtstage erhalten.

§. 361. Die Vorladung des Angeklagten und des allfälligen Privatklägers erfolgt immer mit dem Bedeuten, daß im Falle ihres Ausbleibens ihre Beschwerden und Ausführungen vorgetragen und sofort darüber werde erkannt werden. Befindet sich der Angeklagte auf freiem Fuße, so ist ihm gestattet, persönlich bei der Verhandlung zu erscheinen. Außer diesem Falle ist nur sein Vertheidiger vorzuladen. In Ermangelung eines solchen ist der Angeklagte zum Erscheinen (!) durch einen Vertheidiger aufzufordern, und ihm ein solcher nöthigenfalls durch den Cassationshof von Amtswegen aus den am Sitze desselben angestellten Advocaten zu bestellen. Die Einsicht der Acten ist beiden Theilen auf Verlangen bis zum achten Tage vor dem anberaumten Gerichtstage zu gestatten.

§. 362. Die Verhandlung der Sache vor dem Cassationshofe an dem angesetzten Gerichtstage ist öffentlich nach den Vorschriften der §. 260 bis 263. Zuerst trägt ein von dem Vorsteher des

(361) Cassationshofes bestimmtes Mitglied desselben als Berichterstatter eine Darstellung des bisherigen Ganges des Strafverfahrens vor, und bezeichnet die von dem Beschwerdeführer aufgestellten Nichtigkeitsgründe und die sich daraus ergebenden Streitpunkte, ohne eine Ansicht über die zu fällende Entscheidung zu äußern.

Hierauf erhält der Beschwerdeführer das Wort zur Begründung seiner Beschwerde, und sodann sein Gegner zur Erwiderung. Dem Angeklagten oder seinem Vertheidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten Aeußerung. Ist ein Theil nicht erschienen, so wird dessen Beschwerdeschrift oder Gegenausführung vorgelesen. Hierauf zieht sich das Gericht in sein Berathungszimmer zurück.

§. 363. Der Cassationshof entscheidet nach Stimmenmehrheit unter Beobachtung der im §. 47 ertheilten Vorschriften. Findet er die Nichtigkeitsbeschwerde ungegründet, so ist dieselbe zu verwerfen, und wenn sie offenbar muthwillig oder nur zu Verzögerung der Sache angebracht wurde, gegen den Angeklagten oder nach Umständen gegen dessen Vertheidiger, auf eine Geldstrafe von zehn bis hundert Gulden Conventions-Münze zu erkennen. Findet der Cassationshof die Nichtigkeitsbeschwerde begründet, so ist das angefochtene Urtheil aufzuheben, und nach Verschiedenheit der Nichtigkeitsgründe, in Gemäßheit der in den §§. 364 bis 367 enthaltenen Vorschriften zu erkennen und weiter zu verfahren.

§. 364. Wird das Urtheil des Schwurgerichtshofes deshalb aufgehoben, weil ein unberechtigter Ankläger aufgetreten ist (§. 352, b), oder weil dasselbe eine von den Geschwornen als erwiesen angenommene That für eine strafbare Handlung erklärte, obschon sie nach dem Strafgesetze keine strafbare Handlung oder als solche bereits erloschen ist (§. 352, g und h), oder weil der Schwurgerichtshof ein Strafgesetz zum Nachtheile des Angeklagten unrichtig angewendet hat (§. 352, i und k), so erkennt der Cassationshof zugleich in der Hauptsache.

§. 365. In allen übrigen Fällen der Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes (§. 352, h bis k), so wie, wenn das Urtheil wegen solcher Mängel des Verfahrens (§. 352, e und d), die erst nach dem Ausspruche der Geschwornen vorgekommen sind, aufgehoben wird, verweiset der Cassationshof die Sache an die nächste Schwurgerichtssitzung desselben oder eines anderen Landesgerichts-Bezirkes. Es ist dasselbst von dem Schwurgerichtshofe auf Grundlage des von den ersten Geschwornen abgegebenen Wahrspruches, ohne Zuziehung von neuen Geschwornen, nach vorläufiger Anhörung des Staatsanwaltes, des Angeklagten und seines Vertheidigers, unter Beobachtung der in den §§. 339 bis 348 ertheilten Vorschriften ein neues Urtheil zu fällen. Kein Mitglied des Schwurgerichtshofes, welcher das vernichtete Urtheil erlassen hat, darf bei der Fällung des neuen Urtheiles mitwirken.

§. 366. Wird dagegen das Urtheil, wegen mangelhafter Besetzung des Gerichtshofes oder der Geschwornenbank (§. 352, a), oder wegen unrichtiger Fragenstellung (!) an die Geschwornen oder mangelhafter Beantwortung derselben (§. 352, e und f), oder wegen solcher Mängel des Verfahrens (§. 352, c und d), die vor oder bei dem Ausspruche der Geschwornen vorgekommen sind, mit Einschluß dieses Wahrspruches der Geschwornen aufgehoben, so wird die

(362) Sache nach dem Ermessen des Cassationshofes entweder an das Schwurgericht eines anderen Landesgerichts-Sprengels oder in die nächste Schwurgerichtssitzung desselben Landesgerichts-Bezirkes, in welchem das frühere Urtheil erlassen wurde, zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Keiner der Geschwornen und Mitglieder des Schwurgerichtshofes, welche an der ersten Verhandlung Theil genommen haben, darf bei der neuen Hauptverhandlung mitwirken. Die neue Verhandlung findet auf Grundlage des früheren Verweisungserkenntnisses und der früheren Anklageschrift statt.

§. 367. War die Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen einzelne in dem Urtheile enthaltene Verfügungen gerichtet, und findet der Cassationshof, daß diese von dem Inhalte des ganzen Urtheiles trennbar seien, so steht ihm auch frei, das angefochtene Urtheil nur theilweise aufzuheben. Eben dieß ist der Fall, wenn dem angefochtenen Urtheile mehrere strafbare Handlungen zum Grunde liegen und die Nichtigkeitsbeschwerde sich nur auf das Verfahren oder die Beurtheilung einzelner derselben beschränkt, zugleich aber die etwa erforderliche theilweise Wiederholung des Verfahrens, oder auch ohne dieselbe ein neuerlicher Anspruch rücksichtlich dieser einzelnen strafbaren Handlungen ausführbar erscheint.

§. 368. Hat von mehreren durch dasselbe Straferkenntniß Verurtheilten nur einer oder der andere das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen und wird derselben stattgegeben, so ist das Urtheil dennoch nur in soweit, als es den Beschwerdeführer betrifft, aufzuheben.

§. 369. Das Urtheil des Cassationshofes ist, nachdem sich derselbe in den Gerichtssaal zurückbegeben hat, sammt den Entscheidungsgründen mündlich zu verkünden. Hat der Angeklagte der Verhandlung bei dem Cassationshofe nicht beigewohnt, so ist ihm ungesäumt eine amtlich (!) beglaubigte Abschrift des Urtheiles zuzustellen. Rücksichtlich der Ausfertigung des Urtheiles und der Führung des Protocolles bei den Verhandlungen des Cassationshofes sind die in den §§. 289 und 294 bis 296 enthaltenen Vorschriften zu beobachten.

§. 370. Gegen das Urtheil des Schwurgerichtshofes, vor welchen die Sache durch den Cassationshof verwiesen worden ist, kann die Nichtigkeitsbeschwerde abermals erhoben werden, und es tritt hierbei dasselbe Verfahren ein, wie bei der ersten Nichtigkeitsbeschwerde, jedoch beides unter der in den folgenden zwei Paragraphen enthaltenen Beschränkung.

§. 371. Ist ein Urtheil wegen Verletzung oder unrichtiger Anwendung eines Gesetzes aufgehoben worden (§. 352, g bis k), und hat der Schwurgerichtshof, an welchen die Sache verwiesen wurde, sein Urtheil in Uebereinstimmung mit der von dem Cassationshofe ausgesprochenen Rechtsansicht abgegeben, so kann über denselben Punkt von keiner Seite eine neuerliche Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden.

§. 372. Hat aber der Schwurgerichtshof, an welchen die Sache verwiesen wurde, auf eine mit dem aufgehobenen Urtheile übereinstimmende Weise erkannt, und wird hierauf das neue

(363) Urtheil aus denselben Gründen, wie das frühere, mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, so hat der Cassationshof über dieselbe in voller Rathsversammlung zu erkennen. Wenn hierauf das zweite Urtheil aus denselben Gründen, wie das erste, aufgehoben wird, so ist die Sache in der Regel von dem Cassationshofe selbst folglich zu entscheiden, und nur, wenn dieser noch eine Vernehmung beider Theile über die Strafausmessungsgründe für nöthig erachtet, zur nochmaligen Aburtheilung an einen anderen Schwurgerichtshof, welcher noch nicht in der Sache geurtheilt hat, zu verweisen. Dieser Schwurgerichtshof muß sodann die Rechtsansicht des Cassationshofes seiner Entscheidung zum Grunde legen.

§. 373. Die Verhandlung über Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes richtet sich nach den über die Nichtigkeitsbeschwerde überhaupt ertheilten Vorschriften, jedoch mit der Abweichung, daß sich der Angeklagte dabei nicht zu betheiligen hat. Findet der Cassationshof die zur Wahrung des Gesetzes erhobene Beschwerde gegründet, so hat er zu erkennen, daß in der fraglichen Strafsache durch das gepflogene Verfahren oder durch das erlassene Urtheil das Gesetz verletzt worden sei.

Dieser Anspruch ist ohne Wirkung auf den Angeklagten, doch steht es dem Cassationshofe frei, wenn der Angeklagte durch ein solches nichtiges Urtheil zu einer Strafe verurtheilt worden, einen Begnadigungsantrag an den Landesfürsten zu stellen.

§. 374. So oft der Cassationshof ein Urtheil eines Schwurgerichtshofes aufhebt oder ausspricht, daß durch dasselbe oder durch das Verfahren das Gesetz verletzt worden sei, verordnet er zugleich, daß das von ihm erlassene Urtheil bei dem Gerichte, welches das aufgehobene Urtheil gefällt hat, in ein eigens dazu bestimmtes Buch eingetragen werde. Diese Urtheile sammt ihren Gründen sind auch durch eine periodisch erscheinende Sammlung zu veröffentlichen.

III. Berufung gegen Endurtheile der Bezirks-Collegialgerichte.

§. 375. Gegen Endurtheile eines Bezirks-Collegialgerichtes ist nur das Rechtsmittel der Berufung an das Landesgericht zulässig. Sie kann sowohl wegen des Ausspruches über die Schuld und Strafe, als auch wegen der Entscheidung über etwaige privatrechtliche Ansprüche und über die Proceßkosten, so wie wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe ergriffen werden.

§. 376. Gegen ein freisprechendes Urtheil steht die Berufung nur dem Staatsanwalte oder dem Privatkläger zu. Gegen ein Urtheil, welches eine Strafe ausspricht, kann die Berufung von dem Angeklagten, dem Staatsanwalt oder dem Privatankläger und dem Privatbetheiligten, der sich dem Verfahren angeschlossen, jedoch von diesem nur wegen seiner privatrechtlichen Ansprüche eingelegt werden. Ueber die Berechtigung des Vormundes oder Ehegatten, der Verwandten oder Erben des Angeklagten zur Ergreifung der Berufung gelten die im §. 354 ertheilten Vorschriften, doch können die dort erwähnten Erben desselben die Berufung auch wegen der in dem Urtheile allenfalls enthaltenen Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche ergreifen.

§. 349. Die Berufung ist binnen drei Tagen nach Eröffnung des Urtheiles bei dem Bezirks-Collegialgerichte anzumelden, und von dieser Anmeldung dem Gegentheile unverzüglich Nachricht

(364) zu geben. Sie hat aufschiebende Wirkung. Die Entlassung eines freigesprochenen Angeklagten aus der Haft wird jedoch wegen einer Berufung des Staatsanwaltes nur dann aufgehoben, wenn derselbe die Berufung sogleich bei Verkündung des Urtheiles angezeigt hat. Wenn der zu einer Freiheitsstrafe Verurtheilte sich weder durch die Schuldigerklärung noch durch die Strafart, sondern nur durch das Strafmaß beschwert erachtet, so kann er die Strafe einstweilen antreten.

§. 378. Der Beschwerdeführer hat das Recht, innerhalb vierzehn Tagen von Verkündigung des Urtheiles an eine Ausführung der Gründe seiner Berufung bei dem Bezirks-Collegialgerichte, welches das Urtheil fällte, zu überreichen, und etwaige neue Thatsachen und Beweismittel anzuzeigen. Er hat entweder in dieser Schrift oder bei der Anmeldung seiner Beschwerde ausdrücklich zu erklären, durch welche Puncte er sich beschwert findet, oder ob er die Berufung gegen alle Theile des Erkenntnisses richten wolle. Nichtigkeitsgründe müssen jederzeit einzeln und bestimmt angegeben werden. Der Angeklagte kann sich hiebei eines Vertheidigers bedienen und es ist ihm auf Verlangen ein solcher zu bestellen.

§. 379. Diese Beschwerdeschrift ist dem Gegentheile mitzutheilen, und demselben zu eröffnen, daß er binnen acht Tagen eine Gegenausführung überreichen und etwaige neue Thatsachen und Beweismittel anzeigen könne. Nach Ablauf dieser Frist sind alle Acten dem Landesgerichte mitzutheilen, welches nach Anhörung des Staatsanwaltes die Berufung, wenn sie verspätet oder nicht gehörig angebracht ist, sofort verwirft, außerdem aber einen Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung ansetzt.

§. 380. Zu dem Gerichtstage werden alle bei dem Rechtsmittel Betheiligten, ferner, wenn neue Beweismittel angezeigt wurden, und das Landesgericht dieselben nicht für offenbar unerheblich erachtet, die angegebenen Zeugen oder Sachverständigen so vorgeladen, daß ihnen die Vorladungen in der Regel wenigstens acht Tage vor dem Gerichtstage eingehändigt werden.

Das Landesgericht lässt die neuen Beweise nach Umständen durch einen hierzu angeordneten Richter erheben; es kann auch von Amtwegen oder über Verlangen des Staatsanwaltes oder des Angeklagten die nochmalige Vorführung solcher Beweismittel anordnen, die bereits in der Hauptverhandlung vor dem Bezirks-Collegialgerichte gebraucht worden sind. Der Angeklagte ist nur dann persönlich vorzuladen, wenn er es ausdrücklich verlangt oder das Landesgericht es für angemessen erachtet; außerdem wird der Angeklagte aufgefordert, durch einen Vertheidiger zu erscheinen. Der Staatsanwalt, welcher bei dem Verfahren in erster Instanz mitgewirkt hat, darf an der öffentlichen Verhandlung der Sache in der Berufsinstanz (!) nicht Theil nehmen.

§. 381. Alle bei dem Rechtsmittel Betheiligten sind mit dem Bedeuten vorzuladen, daß im Falle ihres Ausbleibens ihre Beschwerden oder Ausführungen werden vorgetragen und darüber werde verhandelt und erkannt werden. Die Einsicht der Acten ist ihnen auf Verlangen bis zum achten Tage vor dem anberaumten Gerichtstage zu gestatten.

(365) §. 382. Die Verhandlung vor dem Landesgerichte ist öffentlich nach den Vorschriften der §§. 260 bis 263. Dieselbe beginnt mit dem Vortrage eines Mitgliedes des Landesgerichtes, welcher weder Gutachten noch Anträge enthalten, sondern nur das Thatsächliche des Falles, den bisherigen Verlauf der Sache, so weit es zur Beurtheilung der angebrachten Beschwerden erforderlich ist, die Berufungsschrift und die sich daraus ergebenden Streitpuncte umfassen soll. Das Erkenntniß erster Instanz sammt den Entscheidungsgründen ist bei sonstiger Nichtigkeit jederzeit, und wenn es der Vorsitzende zweckdienlich erachtet, auch die Anklageschrift vorzulesen.

§. 383. Hierauf sind die etwa vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen, und wenn der Angeklagte abwesend ist, auch dieser zu vernehmen, wobei die für die Hauptverhandlung vor den Bezirks-Collegialgerichten gegebenen Vorschriften zu beobachten sind. Sodann wird derjenige, welcher die Berufung einlegte, zur Begründung seiner Beschwerde aufgefordert, oder wenn er nicht erschienen ist, seine Berufungsschrift vorgelesen, worauf die Erwiederung (!) des Gegners oder die Verlesung der von ihm überreichten Gegenausführung folgt. Dem Angeklagten oder seinem Vertheidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten Aeußerung. Das Landesgericht zieht sich dann in sein Berathungszimmer zurück.

§. 384. Das Landesgericht entscheidet nach Stimmenmehrheit unter Beobachtung der im §. 47 ertheilten Vorschriften. Wenn das Landesgericht das Erkenntniß des Bezirks-Collegialgerichtes wegen Verletzung wesentlicher Förmlichkeiten des Verfahrens aufhebt, hat es zugleich unter Nachholung oder Verbesserung der mangelhaft befundenen Proceßhandlung in der Sache selbst das Endurtheil zu fällen. Insoweit das erstrichterliche Urtheil aus anderen Gründen angefochten wurde, entscheidet das Landesgericht unter Beobachtung der in den §§. 290 und 291 über die Befugnisse der Bezirks-Collegialgerichte aufgestellten Grundsätze.

§. 385. Ist die Berufung nur gegen einzelne Theile des Erkenntnisses gerichtet, so kann dieses in seinen übrigen Theilen nicht abgeändert werden. Wenn aber nur gegen das Maß der zuerkannten Strafe und nicht auch gegen die Bezeichnung des Verbrechens oder Vergehens Beschwerde geführt wurde, hat das Landesgericht doch, falls es dafür hält, daß die That ein geringeres als das von dem ersten Richter angenommene Verbrechen oder Vergehen sei, das erstrichterliche Erkenntniß nicht nur in Beziehung auf das Strafmaß, sondern auch in Betreff der Bezeichnung der That dem Gesetze gemäß abzuändern.

§. 386. Das Urtheil des Bezirks-Collegialgerichtes kann, wenn der Angeklagte die Berufung dagegen ergriffen hat, nie zu dessen Nachtheile abgeändert werden. Hat der Staatsanwalt die Berufung ergriffen, so kann eine Abänderung des erstrichterlichen Urtheiles nicht nur zum Nachtheile, sondern auch zum Vortheile des Angeklagten erfolgen.

§. 387. Das von dem Landesgerichte gefällte Urtheil ist sammt wesentlichen Entscheidungsgründen durch den Gerichtsvorstand mündlich zu verkündigen. Ist der Angeklagte oder ein Vertheidiger

(366) desselben nicht anwesend, so ist die Zustellung einer ämtlich beglaubigten Urtheilsabschrift an denselben zu verfügen. Das Urtheil sammt Gründen muß der Vorschrift der §§. 289 und 294 gemäß ausgefertiget werden. Ueber die Führung des Protocolles bei diesen Verhandlungen des Landgerichtes (!) gelten die in den §§. 295 und 296 ertheilten Anordnungen.

IV. Nichtigkeitsbeschwerde gegen die von den Landesgerichten als Berufungsschreiben gefällten Urtheile.

§. 388. Gegen Urtheile, welche ein Landesgericht in Folge einer an dasselbe gerichteten Berufung gegen ein Endurtheil eines Bezirks-Collegialgerichtes gefällt hat, findet kein anderes Rechtsmittel Statt, als die an den Cassationshof gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde, und selbst diese nur in zwei Fällen:

a) wenn bei dem Verfahren in zweiter Instanz wesentliche Förmlichkeiten verletzt wurden (§. 352, a, c und d §. 382);

b) wenn durch das Urtheil des Landesgerichtes ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde (§. 352, g bis k).

§. 389. Hiebei sind die für die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urtheile der Geschwornengerichte ertheilten Vorschriften zu beobachten. Eine Beschwerde zur Wahrung des Gesetzes kann aber gegen solche Urtheile der Landesgerichte nur von den bei dem Oberlandesgerichte oder dem Cassationshofe bestellten Generalprocuratoren im Falle des §. 356 ergriffen werden.

§. 390. Wird die Nichtigkeitsbeschwerde für begründet erachtet, so ist im Falle der Verletzung wesentlicher Vorschriften des Verfahrens auf nochmale (!) Verhandlung in zweiter Instanz vor einem anderen Landesgerichte zu erkennen, im Falle der Verletzung oder unrichtigen Anwendung eines Gesetzes aber hat der Cassationshof selbst sogleich in der Sache zu entscheiden.

Siebenzehntes Hauptstück.

Von der Wiederaufnahme des Verfahrens.

I. Bedingungen der Wiederaufnahme des Verfahrens.

§. 391. Ist das Verfahren in Gemäßheit des §. 111 oder im Falle des §. 303 auf Antrag des Staatsanwaltes eingestellt, oder ist in Gemäßheit des §. 228 erkannt worden, daß kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung vorhanden sei, so kann der Staatsanwalt eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen, sobald neue Beweismittel beigebracht werden, welche entweder schon vorhandene Verdachtsgründe verstärken oder neue Verdachtsgründe liefern. Hat aber im Falle des §. 112 der Privatbetheiligte sein Begehren um Einleitung der Untersuchung wider den Beschuldigten zurückgenommen, oder im Falle des §. 303 die Einstellung des Verfahrens beantragt, so findet keine Wiederaufnahme Statt.

§. 392. Ist am Schlusse der Voruntersuchung erkannt worden, daß kein Grund zu weiterer gerichtlicher Verfolgung vorhanden sei (§. 228), weil das Verfahren ohne das erforderlich gewesene

(367) Begehren des Privatbetheiligten begonnen oder fortgesetzt wurde, oder ist der Angeklagte aus eben diesem Grunde durch ein Endurtheil losgesprochen (§. 343) oder von der Anklage freigesprochen worden (§. 288), so bleibt es dem Privatbetheiligten unbenommen, die Wiederaufnahme der Untersuchung zu begehren.

§. 393. In allen anderen Fällen, in welchen ein Angeklagter nach vorausgegangener Verhandlung durch ein Endurtheil losgesprochen oder von der Anklage freigesprochen worden, kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens von dem Staatsanwalte nur dann beantragt werden, wenn die That von der Zeit des ergangenen Urtheils noch nicht durch Verjährung erloschen ist, und wenn entweder bereits durch ein gerichtliches Strafurtheil erwiesen ist, daß die Frei- oder Lossprechung durch Fälschung, falsches Zeugniß, Bestechung oder durch ein anderes Verbrechen des Angeklagten oder einer dritten Person herbeigeführt wurde, oder wenn später solche ganz neue Beweismittel vorgefunden werden, woraus sich die Verurtheilung des Angeklagten mit Grund erwarten läßt.

§. 394. Auch gegen ein Endurtheil, durch welches der Angeklagte verurtheilt wurde, kann der Staatsanwalt die Wiederaufnahme der Untersuchung beantragen, wenn durch später hervorgekommene, ganz neue Beweismittel sich ergibt, daß das Verbrechen oder Vergehen eine schwerere Eigenschaft habe, als in dem früheren Urtheile angenommen war, oder wenn durch ein gerichtliches Strafurtheil erwiesen ist, daß der Angeklagte oder eine dritte Person durch Fälschung, falsches Zeugniß, Bestechung oder durch ein anderes Verbrechen das mildere Erkenntniß veranlaßt habe, und zwar in beiden Fällen nur dann, wenn eine der nachstehenden Bedingungen eintritt:

a) daß das wirklich verübte Verbrechen mit Todes- oder lebenslänglicher Kerkerstrafe bedroht ist, während nur auf eine zeitliche Kerkerstrafe unter zehn Jahren erkannt wurde;

b) daß darauf von dem Gesetze Kerker von zehn bis zwanzig Jahren gesetzt ist, während auf eine Strafe unter drei Jahren erkannt wurde;

c) daß es mit schwerem Kerker von wenigstens einjähriger Dauer belegt ist, während der Angeklagte nur wegen eines Vergehens oder einer Uebertretung zu einer Arreststrafe verurtheilt wurde.

§. 395. Der Verurtheilt kann, selbst nach vollzogener Strafe, die Wiederaufnahme des Verfahrens verlangen, wenn er darthut, daß das wider ihn ergangene Urtheil durch Fälschung, falsches Zeugniß, Bestechung oder durch ein anderes Verbrechen veranlaßt worden sei, oder wenn er neue Beweismittel beibringt, welche für sich allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet sind, seine Freisprechung herbeizuführen, oder seine That als ein nach einer milderen Strafbestimmung zu beurtheilendes Verbrechen oder Vergehen darzustellen. Der Staatsanwalt ist verpflichtet, unter vorstehenden Bedingungen auf Jedermanns Verlangen oder selbst von Amtswegen die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Aufhebung oder Abänderung des früheren Strafurtheiles zu beantragen.

(368) §. 396. unter den Voraussetzungen des vorstehenden Paragraphes können auch nach dem Tode des Angeklagten dessen Erben oder sein Ehegatte, seine Blutsverwandten und diejenigen, welche mit ihm im ersten oder zweiten Grade verschwägert sind, die Wiederaufnahme der Untersuchung verlangen.

II. Verfahren bei der Wiederaufnahme der Untersuchung.

§. 397. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist jederzeit bei dem Bezirks-Collegialgerichte, welches das erste Erkenntniß erlassen hat, oder bei dem Landesgerichte, an dessen Sitze sich das Schwurgericht befand, zu beantragen. Die neuen Beweise, durch welche sie begründet werden soll, sind von dem Untersuchungsrichter zu erheben. Sodann ist in den Fällen der §§. 391 bis 394 nach vorläufiger Vernehmung des Angeklagten, in den Fällen der §§. 395 und 396 aber nach Anhörung des Staatsanwaltes von dem Bezirks-Collegialgerichte oder von dem Landesgerichte, und zwar von diesem in einer Versammlung von vier Richtern und einem Vorsitzenden, über die Statthaftigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zu entscheiden. Den Betheiligten, welche sich durch diese Entscheidung beschwert erachten, steht das Recht zu, binnen drei Tagen nach Eröffnung derselben bei dem Oberlandesgerichte dagegen Beschwerde zu führen.

§. 398. Wird die Wiederaufnahme der Untersuchung für zulässig erklärt, so kann das Gericht in den Fällen der §§. 395 und 396, wenn der Staatsanwalt selbst auf Aufhebung des früheren Urtheiles und Freisprechung des Verurtheilten oder auf mildere Bestrafung desselben anträgt, sogleich darauf erkennen. Außer diesem Falle tritt die Sache in Folge der Wiederaufnahme des Verfahrens in den Stand der Voruntersuchung zurück. Die frühere Voruntersuchung ist nach Maßgabe der neuen Beweise oder Umstände zu ergänzen, über die Versetzung in den Anklagestand von dem nach den allgemeinen Vorschriften des zwölften Hauptstückes dazu berechtigten Gerichte zu erkennen und sohin nach Vornahme der Hauptverhandlung ein neues Endurtheil zu sprechen. Können einzelne Zeugen oder Mitschuldige des Angeklagten bei der neuerlichen Hauptverhandlung nicht mehr vernommen werden, so sind deren Aussagen aus den Acten abzulesen. Wird nach dem Schlusse der neuen Voruntersuchung die frühere Verurtheilung des Angeklagten dadurch aufgehoben, daß nunmehr eine Einstellung des Verfahrens nach §. 111 erfolgt, oder daß nach §. 228 erkannt wird, es sei kein Grund zu weiterem gerichtlichen Verfahren wider den Angeklagten vorhanden, so hat dieser das Recht, die öffentliche Bekanntmachung der Einstellung oder der gerichtlichen Entscheidung zu verlangen.

§. 399. Das Gesuch eines Verurtheilten, welcher die ihm zuerkannte Freiheitsstrafe bereits angetreten hat, um Wiederaufnahme des Verfahrens hemmt den ferneren Vollzug dieser Strafe nicht, es wäre denn, daß das Gericht nach Anhörung des Staatsanwaltes die Hemmung des weiteren Strafvollzuges nach den Umständen des Falles für angemessen erachtet. Hat der Vollzug der Strafe noch nicht begonnen, so ist derselbe nur dann bis zur Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens aufzuschieben, wenn der Verurtheilte verhaftet ist, oder sich zur Haft stellt; doch kann das Gericht auch in diesem Falle nach den Umständen die Entlassung desselben aus der Haft gegen Sicherheitsleistung oder auch ohne dieselbe bewilligen.

(369) III. Verfolgung eines Verurtheilten wegen einer neu hervorgekommenen, vor dem Strafurtheile begangenen strafbaren Handlung.

§. 400. Wenn nach der Fällung des Endurtheiles wider den Verurtheilten Verdachtsgründe wegen einer vor dem Strafurtheile begangenen strafbaren Handlung vorkommen, wegen welcher er noch nicht untersucht wurde, so kann eine Verfolgung des Angeklagten wegen dieser neuen That nur auf ausdrücklichen Antrag des Staatsanwaltes oder Privatklägers und nur dann erfolgen, wenn eine der nachstehenden Bedingungen eintritt:

a) daß auf das neu vorkommende Verbrechen die Strafe des Todes oder lebenslangen Kerkers gesetzt, durch das vorige Urtheil aber eine zeitliche Kerkerstrafe ausgemessen ist; oder

b) daß die bereits zuerkannte Strafe sich nicht auf mehr als fünf Jahre erstreckt, das neu vorkommende Verbrechen aber nach dem Gesetze eine wenigstens zehnjährige Freiheitsstrafe nach sich zöge; oder

c) daß auf die neue That Kerker von wenigstens fünf Jahren gedroht ist, während durch das frühere Urtheil nur auf eine Strafe von höchstens Einjähriger (!) Dauer erkannt wurde; oder

d) wenn die Verurtheilung nur zu einer Arreststrafe wegen eines Vergehens oder einer Uebertretung erfolgt ist, die neue That aber ein Verbrechen bildet.

In solchen Fällen hat der Gerichtshof bei der Ausmessung der Strafe wegen der neuen That die durch das frühere Urtheil zuerkannte Strafe in Anschlag zu bringen.

Achtzehntes Hauptstück.

Von dem Anschlusse des Beschädigten an das Strafverfahren und von der Privat-Anklage.

I. Anschluß des Beschädigten an das Strafverfahren.

§. 401. Jeder durch ein Verbrechen oder Vergehen Beschädigte kann sich seiner privatrechtlichen Ansprüche wegen dem Strafverfahren anschließen und dadurch die nach §. 4 gestattete gleichzeitige Erledigung seiner Ansprüche gegen den Angeschuldigten bewirken. Er muß jedoch seine Anschließungs-Erklärung in der Regel vor dem Schlusse der Voruntersuchung abgeben. Eine später, und zwar längstens vor Schluß der Hauptverhandlung abgegebene Erklärung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn der Angeschuldigte bei der Verhandlung anwesend und damit einverstanden ist.

§. 402. Im Falle des Anschlusses hat der Beschädigte, oder falls dieser sich selbst zu vertreten nicht berechtigt wäre, dessen gesetzlicher Vertreter seine Ansprüche anzuführen und genügend darzuthun. Der Angeschuldigte ist darüber zu vernehmen und es sind die zur Erhebung des Schadens nöthigen Erforschungen zu pflegen. Die Einsicht der Untersuchungsacten ist dem Betheiligten oder dessen Anwalt, und zwar, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, schon im Laufe der Voruntersuchung gestattet. Er kann die Verfolgung seiner Ansprüche zu jeder Zeit, selbst während der Hauptverhandlung wieder aufgeben.

(370) §. 403. Zur Hauptverhandlung wird der Beschädigte, der sich dem Verfahren angeschlossen hat, in jeder Instanz vorgeladen, und zwar mit dem Beisatze, daß im Falle seines Nichterscheinens die Verhandlung dennoch vor sich gehen, und daß seine Anträge aus den Acten vorgelesen werden würden. Der Beschädigte kann, selbst wenn er zugleich als Zeuge abzuhören ist, der ganzen Verhandlung beiwohnen. Er kann sich durch einen Anwalt vertreten lassen, oder einen solchen zur Seite haben. Er kann durch den Vorsitzenden an den Angeklagten oder an Zeugen Fragen stellen oder, um andere Bemerkungen zu machen, schon während der Verhandlung das Wort erhalten. Am Schlusse der Verhandlung erhält er unmittelbar, nachdem der Staatsanwalt seinen Strafantrag gestellt und begründet hat (§§. 285 und 341), das Wort, um seine Ansprüche auszuführen und zu begründen, und diejenigen Anträge zu stellen, über die er im Haupterkenntnisse mitentschieden haben will.

II. Privat-Anklage.

§. 404. In Fällen, in welchen das Strafverfahren nur auf Verlangen eines Betheiligten gestattet ist, hat dieser sein Begehren bei dem zuständigen Staatsanwalte oder Gerichte zu stellen, welches letztere dasselbe an den Staatsanwalt abzugeben hat. Wenn der Staatsanwalt die gerichtliche Verfolgung verweigert, kann der Betheiligte als Privatankläger auftreten und die Sache selbst oder durch einen gehörig bevollmächtigten Anwalt vor Gericht verfolgen. Es steht ihm in diesem Falle zu, zur Geltendmachung seiner Anklage alle Schritte einzuleiten, zu welchen sonst der Staatsanwalt berechtigt ist. Hat er jedoch die Anklageschrift innerhalb der gesetzlichen Frist nicht überreicht, oder in Fällen des §. 252 die Anklage bei dem Beginne der Hauptverhandlung zu entwickeln unterlassen, oder ist er von der Hauptverhandlung ausgeblieben, so wird angenommen, daß er auf die Anklage verzichtet habe.

III. Entscheidung über die Entschädigungsansprüche.

§. 405. Wird der Angeschuldigte nicht verurtheilt, so ist der Privatbetheiligte mit seinen Entschädigungsansprüchen jederzeit auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Erfolgt die Verurtheilung des Angeschuldigten, so hat der Gerichtshof, und zwar bei Verhandlungen vor den Geschwornen ohne Mitwirkung derselben, zugleich über die privatrechtlichen Ansprüche des Beschädigten unter Beobachtung der nachstehenden Vorschriften zu entscheiden.

§. 406. Handelt es sich um die Zurückstellung eines dem Beschädigten gehörigen Gutes, welches unter den Habseligkeiten des Angeklagten oder eines Theilnehmers an dem Vergehen oder Verbrechen desselben oder an einem solchen Orte gefunden wird, wohin es von diesen Personen nur zur Aufbewahrung gelegt oder gegeben worden, so verordnet der Gerichtshof, daß die Zurückstellung nach eingetretener Rechtskraft des Urtheiles erfolge. Ueber ausdrückliche Zustimmung des Betheiligten kann jedoch die Ausfolgung auch sogleich geschehen.

(371) §. 406. Diese Zurückstellung der dem Beschädigten entzogenen Gegenstände kann auch im Laufe der Voruntersuchung erfolgen, wenn deren Aufbewahrung nicht zur Ueberweisung des Angeklagten oder eines Mitschuldigen oder Theilnehmers nöthig ist, und wenn der Beschuldigte und der Staatsanwalt damit einverstanden sind.

§. 407. Ist das entzogene Gut bereits in die Hände eines Dritten, der sich keiner Theilnahme schuldig gemacht hat, auf eine zur Uebertragung des Eigenthums giltige Art, oder als Pfand gerathen, oder ist das Eigenthum des entzogenen Gegenstandes unter mehreren Beschädigten streitig, oder kann der Beschädigte sein Eigenthumsrecht nicht sogleich genügend nachweisen, so ist das auf Zurückstellung des Gutes gerichtete Begehren auf den ordentlichen Zivilrechtsweg zu weisen.

§. 408. Wenn das dem Beschädigten entzogene Gut nicht mehr zurückgestellt werden kann, so wie in allen Fällen, wo es sich nicht um die Rückstellung eines entzogenen Gegenstandes, sondern um eine Schadloshaltung oder Genugthuung handelt, hat der Gerichtshof das Maß der Entschädigung nur dann im Urtheile festzusetzen, wenn sowohl die Person, welcher die Entschädigung gebührt, als auch der Betrag des Schadens aus der Verhandlung mit Zuverlässigkeit entnommen, oder letzterer erforderlichen Falles nach vorhergegangener Mäßigung durch den Schätzungseid erhoben werden kann. Außerdem ist die Verweisung auf den Zivilrechtsweg auszusprechen.

IV. Rechtsmittel dagegen.

§. 409. Dem Beschädigten steht gegen die in den §§. 406 bis 408 erwähnten Erkenntnisse, wenn dieselben von dem Schwurgerichtshofe ergangen sind, kein Rechtsmittel zu. Er hat seine Entschädigungsansprüche, so weit er sich durch das strafgerichtliche Urtheil nicht befriedigt erachtet, nur auf dem Zivilrechtswege geltend zu machen.

Gegen Urtheile der Bezirksgerichte und Bezirks-Collegialgerichte dagegen steht dem Beschädigten das Rechtsmittel der Berufung unter den im §. 376 enthaltenen Beschränkungen zu.

Wenn der Staatsanwalt gegen ein freisprechendes Urtheil eines Bezirks-Collegialgerichtes die Berufung ergreift, so ist der Beschädigte, der sich dem Strafverfahren angeschlossen hat, hievon, so wie von dem zur Hauptverhandlung vor dem Landesgerichte bestimmten Tage mit dem Beisatze in Kenntniß zu setzen, daß er sich der Berufung des Staatsanwaltes anschließen und bei dieser Verhandlung entweder persönlich oder durch einen Bevollmächtigten erscheinen könne.

§. 410. Dem Privatankläger (§. 404 stehen alle Rechtsmittel, wie dem Staatsanwalte zu. Auch er kann gegen das Urtheil eines Schwurgerichtshofes wegen der Entschädigung allein keine Nichtigkeitsbeschwerde ergreifen.

V. Wirkung des Erkenntnisses über die Entschädigung.

§. 411. Das Erkenntniß des Strafgerichtes über die Entschädigung hat gleich jedem Zivilurtheile die Wirkung, daß derjenige, welchem die Entschädigung zuerkant (!) ist, unmittelbar

(372) nach eingetretener Rechtskraft die Execution bei dem Zivilrichter ansuchen kann. Er ist aber durch dieses Erkenntniß nicht gehindert, den allfälligen Anspruch auf eine größere Entschädigung im Zivilwege geltend zu machen.

VI. Vorkehrungen zur Entdeckung unbekannter Eigenthümer.

§. 412. Wenn bei einem Angeschuldigten ein nach allem Anscheine fremdes Gut im Werthe von mehr als fünfundzwanzig Gulden gefunden wird, dessen Eigenthümer er nicht angeben kann oder will, und wenn sich binnen Monatsfrist von der Zeit der Anhaltung des Angeschuldigten Niemand mit einem Eigenthumsanspruche gemeldet hat, ist von dem Untersuchungsrichter die Beschreibung eines solchen Gutes so abzufassen, daß dasselbe zwar von dem Eigenthümer erkannt werden könne, daß jedoch einige wesentliche Unterscheidungszeichen verschwiegen werden, um die Bezeichnung derselben dem Eigenthümer als Beweis seines Rechtes vorzubehalten.

§. 413. Eine solche Beschreibung ist an denjenigen Orten, wo sich der Angeschuldigte aufgehalten hat, oder wo die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen begangen wurden, durch Edict öffentlich bekannt zu machen. In diesem Edicte ist der Eigenthümer aufzufordern, daß er sich binnen Jahresfrist melde und sein Eigenthumsrecht nachweise, widrigens das beschriebene Gut dem Angeschuldigten, bei dem es gefunden worden, zurückgestellt werden würde.

§. 414. Ist das fremde Gut von solcher Beschaffenheit, daß es sich ohne Gefahr des Verderbnisses nicht durch ein Jahr aufbewahren lässt, oder wäre die Aufbewahrung mit Kosten verbunden, so hat der Staatsanwalt die Veräußerung desselben durch öffentliche Versteigerung bei dem Zivilgerichte einzuleiten. Der Kaufschilling ist bei dem

Bezirks-Collegial- oder Landesgerichte zu erlegen. Zugleich ist eine umständliche Beschreibung jedes verkauften Stückes unter Bemerkung des Käufers und des Kaufschillings den Acten beizulegen.

§. 415. Wenn binnen der im §. 413. bestimmten Frist Niemand ein Recht auf die beschriebenen Gegenstände darthut, so sind dieselben oder der dafür gelöste Kaufschilling dem Angeschuldigten auf sein Verlangen zurückzustellen, es wäre denn die Unrechtmäßigkeit seines Besitzes erwiesen worden.

In diesem Falle sind die beschriebenen Gegenstände nach Ablauf der im §. 413. bestimmten Frist auf die in dem vorstehenden Paragraphe angeordnete Weise zu veräußern und der Kaufschilling durch drei Jahre bei dem Bezirks-Collegial- oder Landesgerichte zu verwahren. Meldet sich auch während dieser Frist kein Eigenthümer jener Gegenstände, so fällt der an deren Stelle getretene Geldbetrag dem Staate zu.

(373) Neunzehntes Hauptstück.

Von dem Verfahren wider Abwesende und Flüchtige.

I. Verfahren gegen Abwesende oder Flüchtige während der Voruntersuchung.

§. 416. Wenn der Thäter eines Verbrechens oder Vergehens nicht bekannt ist, oder nicht aufgefunden werden kann, so muß doch die Erhebung der Beschaffenheit der That mit der vorschriftsmäßigen Sorgfalt und Genauigkeit gepflogen werden, das Verfahren ist in solchen Fällen erst, wenn keine Anhaltspuncte zu weiteren Nachforschungen mehr vorhanden sind, bis zur künftigen Entdeckung oder Auffindung des Thäters einzustellen.

§. 417. Wenn ein Abwesender, von dem es jedoch nicht wahrscheinlich ist, daß er flüchtig geworden sei, eines Verbrechens oder Vergehens beschuldigt wird, und die Bedingungen zu einem Vorführungsbefehle nach §. 186. nicht vorhanden sind, so ist nur die Erforschung seines Aufenthaltes einzuleiten und erst, wenn er nach dessen Ermittlung auf die an ihn ergangene Vorladung nicht erscheint, sind die in den folgenden Paragraphen bezeichneten Maßregeln wider ihn anzuwenden.

§. 418. Ist von dem Beschuldigten den Umständen nach anzunehmen, daß er die Flucht ergriffen habe, oder wird ein Abwesender eines Verbrechens oder Vergehens unter Umständen beschuldigt, welche nach §. 186. dessen Vorführung rechtfertigen würden, so haben sich die mit der Erforschung und Verfolgung der Verbrechen und Vergehen beauftragten Behörden zur Habhaftwerdung des Beschuldigten nach Umständen der Haussuchung, der Ersuchsschreiben an andere Behörden, in deren Bezirke er anzutreffen seyn dürfte, der gerichtlichen Nacheile oder der Steckbriefe zu bedienen.

§. 419. Läßt sich hoffen, einen flüchtig gewordenen Verdächtigen durch Nacheile zu erreichen, so sind der Untersuchungsrichter, und in dringenden Fällen die Bezirksgerichte und Polizeibehörden verpflichtet, denselben durch Diener, welche mit offenen Beglaubigungsschreiben zu versehen sind, verfolgen zu lassen. Sie sind dabei nicht auf ihren Bezirk beschränkt, sondern können diese Verfolgung bis an die Gränzen des österreichischen Staates ausdehnen. Alle Gerichte und Polizeibehörden sind den Nacheilenden beizustehen verpflichtet.

§. 420. Steckbriefe dürfen gegen Flüchtige und gegen solche Abwesende, deren Aufenthaltsort unbekannt ist, nur dann erlassen werden, wenn dieselben des Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig erscheinen. Zu der Regel steht die Ausfertigung von Steckbriefen dem Bezirks-Collegialgerichte über Antrag des Untersuchungsrichters, in dringenden Fällen aber dem Letzteren allein oder auch den Bezirksrichtern und dem Staatsanwalte zu.

(374) §. 421. In jedem Steckbriefe ist das Verbrechen oder Vergehen dessen der Angeschuldigte verdächtig geworden ist, zu benennen, seine Person so genau als möglich zu beschreiben und das an alle Gerichts- und Polizeibehörden gerichtete Ersuchen um vorläufige Festnehmung und Einlieferung desselben beizufügen. Die Steckbriefe sind auf das schleunigste allen Bezirksgerichten und Polizeibehörden desselben Kronlandes und durch diese allen Gemeindevorstehern mitzutheilen. Nach Erforderniß ist deren Kundmachung auch in anderen Kronländern durch die Staatsanwälte der Landesgerichte oder nach Umständen durch die öffentlichen Blätter zu veranlassen.

§. 422. Einem abwesenden oder flüchtigen Angeschuldigten, welcher sich gegen sicheres Geleit vor dem Gerichte stellen zu wollen bereit erklärt, kann dieses Geleit von dem Justiz-Ministerium nach eingeholtem Gutachten des Generalprocurators an dem Oberlandesgerichte, in dessen Sprengel das untersuchende Gericht sich befindet, allenfalls gegen Sicherheitsleistung mit der Wirkung ertheilt werden, daß der Angeschuldigte bis zur Verkündung eines Erkenntnisses auf Versetzung in den Anklagestand von der Haft befreit bleiben soll.

§. 423. Das sichere Geleit äußert seine Wirkung nur in Beziehung auf das Verbrechen oder Vergehen, in Ansehung dessen es ertheilt ist. Es verliert seine Wirkung, wenn der Angeschuldigte auf eine an ihn ergangene Vorladung ohne genügende Rechtfertigung ausbleibt, wenn er Anstalten zur Flucht macht, wenn er sich der Fortsetzung der Untersuchung durch die Flucht oder durch Verbergen seines Aufenthaltes entzieht, oder wenn er Bedingungen nicht erfüllt, unter welchen ihm das sichere Geleit ertheilt worden ist.

II. Verfahren gegen Abwesende und Flüchtige nach dem Schlusse der Voruntersuchung.

§. 424. Wenn der Angeschuldigte noch am Schlusse der Voruntersuchung im Auslande oder unbekannten Aufenthaltes ist, so beschließt das Bezirks-Collegialgericht oder die Anklagekammer, wenn aus der Voruntersuchung genügende Gründe hervorgegangen sind, um die Versetzung des Angeschuldigten in den Anklagestand zu rechtfertigen, diese Versetzung desselben in den Anklagestand. Zugleich ist, so oft davon irgendein Erfolg zu erwarten ist, dieser Beschluß in Form eines Steckbriefes zu veröffentlichen. Im Uebrigen aber hat die Sache bis zur Betretung des Angeschuldigten auf sich zu beruhen, es wäre denn, daß die Auslieferung des im Auslande befindlichen Angeschuldigten in Gemäßheit der bestehenden Staatsverträge erwirkt werden könnte. In diesem Falle hat sich das Gericht durch den Generalprocurator am Oberlandesgerichte an die ausländische Strafgerichtsbehörde, in deren Bezirk sich der Angeklagte befindet, zu wenden. Sollten der Auslieferung Schwierigkeiten entgegengesetzt werden, so ist wegen deren Behebung an das Justizministerium zu berichten.

III. Ungehorsamsverfahren gegen Abwesende und Flüchtige.

§. 425. Nur, wenn die Anklagekammer die Verweisung des abwesenden oder flüchtigen Angeklagten, dessen Aufenthaltsort unbekannt oder im Auslande ist, vor das Geschwornengericht

(375) ausgesprochen hat, und der Generalprocurator am Oberlandesgerichte wegen der Wichtigkeit der That, oder wegen des Aufsehens, das sie erregte, ausdrücklich die Einleitung des Ungehorsamsverfahrens begehrt, hat die Anklagekammer zugleich dieses Verfahren mittels öffentlicher Vorladung einzuleiten.

§. 426. Die öffentliche Vorladung muss bei sonstiger Nichtigkeit enthalten:

a) Den Vor- und Zunamen, das Alter, den Wohnort, Stand oder Gewerbe des Angeschuldigten, soweit dies  Alles bekannt ist;

b) Die Bezeichnung des Verbrechens oder Vergehens mit den die Gattung und Art desselben bestimmenden Umständen;

c) Die Aufforderung an den Angeschuldigten, binnen einer angemessenen Frist, welche auf wenigsten drei Monate festzusetzen ist, bei dem Landesgerichte, wo das Geschwornengericht gehalten werden soll, zu erscheinen und sich wegen der ihm zur Last gelegten That zu verantworten, widrigens gegen ihn als einen Ungehorsamen nach dem Gesetze verfahren und die Verhandlung und Urtheilsfällung in seiner Abwesenheit erfolgen werde.

§. 427. Diese öffentliche Vorladung ist an dem Sitze des Schwurgerichtshofes und des Untersuchungsrichters, so wie an dem Wohnorte oder letzten Aufenthaltsorte des Angeklagten anzuschlagen und in dem Amtsblatte des Kronlandes dreimal einzuschalten. Nach Umständen kann auch deren Einschaltung in andere in- und ausländische Blätter verfügt werden. Außerdem ist diese Vorladung dem etwa bekannten Bevollmächtigten des Angeklagten, seinem Vormunde oder Ehegatten oder einem seiner nahen Verwandten besonders zu eröffnen. Diese Personen können einen Vertheidiger für den Angeklagten aufstellen und unter Anführung der Gründe, welche den Angeklagten zu erscheinen verhindern, darauf antragen, daß vorläufig mit dem weiteren Verfahren eingehalten werde, worüber das Landesgericht zu entscheiden hat.

§. 428. Ist der Angeklagte innerhalb der im §. 426. bestimmten Frist nicht erschienen, so wird in der nächsten Schwurgerichtssitzung zur Hauptverhandlung geschritten. Dem Angeklagten ist, falls nicht er selbst oder die im §. 427. erwähnten Personen einen Vertheidiger aufgestellt haben, ein solcher von Amtswegen zu bestellen. Nach der Anklageschrift sind diejenigen Actenstücke zu verlesen, welche(n) die Beobachtung der in den §§. 425. bis 427. vorgeschrieben(d!)en Förmlichkeiten darthun. Findet der Gerichtshof, daß die gesetzlichen Förmlichkeiten nicht gehörig beachtet worden sind, so hebt er das bisherige Verfahren auf, und verordnet, daß dasselbe von dem ersten gesetzwidrigen Acte an wiederholt werde.

Ist kein gegründeter Anstand gegen die Form des Verfahrens erhoben worden, so ist das Beweisfahren nach dem in fünfzehnten Hauptstücke ertheilten Vorschriften auszuführen, es erfolgt sohin nach Anhörung des Staatsanwaltes und des Vertheidigers Ausspruch der Geschwornen und die Urtheilsfällung durch den Schwurgerichtshof.

§. 429. Gegen das Urtheil steht sowohl dem Staatsanwalt als dem Vertheidiger des Angeklagten innerhalb der im §. 354. festgesetzten Fristen die Nichtigkeitsbeschwerde zu.

Wird der

(376) Angeklagte verurtheilt, so ist das Urtheil an demselben Orte und auf dieselbe Art, wie die Edictalladung öffentlich bekannt zu machen. Sobald es in Rechtkraft (!) erwachsen ist, wird es, soweit dies  in Abwesenheit des Angeklagten möglich ist, sogleich vollstreckt.

§. 430. Die in den §§. 425 bis 429 enthaltenen Vorschriften finden auch auf denjenigen Anwendung, welcher sich erst während der Untersuchung entfernt hat, insoferne ihm die Ladung zur Hauptverhandlung nicht mehr zugestellt werden konnte.

§. 431. Ist dem Angeschuldigten die Vorladung zur Hauptverhandlung noch gehörig zugestellt worden, er aber bei der Hauptverhandlung, ohne nach §. 258 eine Vertagung erwirkt zu haben, nicht erschienen, und kann er nicht sofort durch einen Vorführungsbefehl vor das Bezirks-Collegialgericht oder Schwurgericht gestellt werden, so ist die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit vorzunehmen und das Urtheil zu fällen, es wäre denn, daß das Gericht über Antrag des Staatsanwaltes oder von Amtswegen aus besonderen Gründen die Vertagung der Hauptverhandlung für nöthig erachtet, in welchem Falle jederzeit die Verhaftung des Angeklagten zu verfügen ist.

§. 432. Ist die Verhandlung im Falle des vorhergehenden Paragraphes in Abwesenheit des Angeklagten vorgenommen worden, so wird ihm das Urtheil durch den Untersuchungsrichter eröffnet, und kann dies  wegen seiner Entfernung nicht mehr geschehen, so ist dasselbe auf die im §. 429. vorgeschriebene Art öffentlich kund zu machen. Kann in Fällen des vorhergehenden Paragraphes die von dem Gerichte beschlossene Verhaftung des Angeklagten wegen dessen Entfernung nicht vollzogen werden, so steht es dem Staatsanwalt frei, die öffentliche Vorladung des Angeklagten und das weitere in den §§. 426 bis 429 vorgezeichnete Verfahren gegen denselben zu beantragen. Bei Verbrechen oder Vergehen, welche vor das Bezirks-Collegialgericht gehören, kann die im §. 426. unter c erwähnte Frist bis auf vierzehn Tage abgekürzt werden.

IV. Verfahren, wenn der Abwesende oder Flüchtige nach Fällung des Contumacial-Urtheiles sich stellt, oder betreten wird.

§. 433. Auch wenn das Urtheil nach Vorschrift der §§. 429 und 432 öffentlich bekannt gemacht wurde, ist dasselbe dem Verurtheilten, wenn er in der Folge betreten wird, oder sich freiwillig stellt, noch besonders zu verkünden und demselben bekannt zu geben, daß es ihm frei stehe binnen drei Tagen die Einleitung eines neuen ordentlichen Verfahrens anzusuchen, widrigens er die wider ihn erkannte Strafe anzutreten hätte.

§. 434. Das Ansuchen um Einleitung eines neuen ordentlichen Verfahrens ist nach §. 397. zu behandeln. Demselben ist jedoch nur dann stattzugeben, wenn der Verurtheilte nachweisen kann, daß er wegen Krankheit oder anderer unabweislicher Hindernisse bei der Hauptverhandlung nicht erscheinen konnte, oder wenn er zur Zeit seiner Entfernung noch nicht als Angeschuldigter vernommen war und zugleich wahrscheinlich ist, daß er von der gegen ihn

(377) eingeleiteten Untersuchung erst nach seiner Verurtheilung Kenntniß erhalten habe, oder wenn die Bedingungen des §. 395 vorhanden sind.

§. 435. Wird dem Ansuchen um Einleitung eines neuen Verfahrens stattgegeben, so ist in den Fällen des §. 431. unter Aufrechthaltung (!) des Verweisungserkenntnisses sogleich eine neue Hauptverhandlung anzuordnen, in allen übrigen Fällen aber ist nach der Vorschrift des §. 398. vorzugehen. Durch das neue Urtheil wird das früher erlassene außer Wirksamkeit gesetzt, doch fallen dem Angeklagten jederzeit die durch sein früheres Nichterscheinen veranlaßten Kosten zur Last.

§. 436. Durch das Nichterscheinen eines Angeklagten und das dadurch veranlaßte Ungehorsamsverfahren darf das Verfahren gegen die anwesenden Mitangeklagten nicht verzögert werden. Werden in solchen Fällen Gegenstände, die zur Ueberweisung der Angeklagten dienen können, an die Eigenthümer zurückgestellt, so kann diesen die Verpflichtung auferlegt werden, die Ueberführungsstücke auf Begehren wieder beizubringen. Zugleich ist eine genaue Beschreibung der zurückgestellten Gegenstände zu den Acten zu bringen.

Zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Verfahren vor den Bezirksgerichten und in der Gemeindepolizei vorbehaltenen Uebertretungsfällen.

I. Staatsanwaltschaft bei den Bezirksgerichten.

§. 437. Bei den vor die Bezirksgerichte gehörigen Uebertretungen, welche einer Untersuchung oder Bestrafung von Amtswegen unterliegen, werden die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft an Orten, wo sich eigene Polizeibehörden befinden, durch die vom Generalprocurator am Oberlandesgerichte zu bezeichnenden Polizei-Commissäre, an anderen Orten durch den Gemeindevorsteher oder dessen Stellvertreter ausgeübt. Sie sind dabei dem Staatsanwalte an dem Bezirks-Collegialgerichte, in dessen Bezirke sie sich befinden, untergeordnet, haben dessen Weisungen zu befolgen und demselben alle Monate einen Ausweis über die von ihnen verfolgten Uebertretungen und den Erfolg derselben vorzulegen. Dieser Staatsanwalt ist auch befugt, sich bei den vor das Bezirksgericht gehörigen Unterhandlungen selbst zu betheiligen.

II. Privatanklage.

§. 438. Bei Uebertretungen, welche nur auf Verlangen eines Betheiligten untersucht und bestraft werden, ist die Mitwirkung des Staatsanwaltes gänzlich ausgeschlossen. Dieselben können nur durch den Betheiligten als Privatankläger verfolgt werden, welchem dabei die Befugnisse des Staatsanwaltes, jedoch unter der ihm §. 404 enthaltenen Beschränkung zustehen.

(378) §. 439. Ist jemand durch eine Uebertretung beschädigt worden, so steht es ihm frei, wenn der nach §. 437 zu den Verrichtungen der Staatsanwaltschaft berufene Beamte die Verfolgung der Uebertretung verweigert, dieselbe mit allen Rechten eines Privatanklägers selbst zu verfolgen.

III. Verfahren von den Bezirksgerichten.

§. 440. Hält das Bezirksgericht dafür, daß es nicht zuständig sei, weil die Sache vor das Bezirks-Collegialgericht oder vor das Schwurgericht gehöre, so hat es dies dem Staatsanwalte am Bezirks-Collegialgerichte oder dem Privatkläger bekannt zu geben.

Verweiset aber das Bezirks-Collegialgericht oder die Anklagekammer die Sache wieder an das Bezirksgericht zurück, so kann letzteres sie nicht weiter wegen Unzuständigkeit von sich abweisen.

§. 441. Bei Uebertretungen findet eine förmliche Voruntersuchung nicht Statt. Es bedarf weder einer Anklageschrift noch einer Versetzung in den Anklagestand, sondern nur eines allgemeinen Antrages des Staatsanwaltes oder Privatanklägers auf gesetzliche Bestrafung. Dieser Antrag kann schriftlich oder mündlich angebracht werden, und vertritt die Stelle der Anklage.

§. 442. Wird dem Richter zugleich mit der Anklage der Angeklagte vorgeführt, und gesteht derselbe die ihm zur Last gelegte Uebertretung, oder erscheinen der Ankläger und der Angeklagte zugleich vor dem Richter und sind alle Beweismittel für die Anklage und Vertheidigung zur Hand, so kann der Bezirksrichter sogleich die Verhandlung vornehmen und das Urtheil fällen. Erachtet es aber der Bezirksrichter für zweckmäßig, vorläufig noch einige Erhebungen zu pflegen, so ist nach Vornahme derselben ein Tag zur Hauptverhandlung festzusetzen. Dasselbe findet Statt, wenn der Angeklagte nicht freiwillig erschienen ist oder nicht sogleich vorgeführt werden kann.

§. 443. Bei allen vorläufigen Erhebungen hat der Bezirksrichter im Allgemeinen die für die Untersuchungsrichter bei den Bezirks-Collegialgerichten ertheilten Vorschriften zu beachten, jedoch unter nachstehenden Beschränkungen:

1) Die vorläufige Festnehmung des Angeschuldigten zum Behufe der Vorführung findet nur in den im §. 186. unter a und b erwähnten Fällen Statt.

2) Die Ausfertigung von Steckbriefen ist unzulässig.

3) Die Untersuchungshaft kann nur in den Fällen des §. 191, c verhängt werden.

4) Die Durchsuchung von Papieren dritter Personen und die Beschlagnahme oder Eröffnung von Briefen ist wegen bloßer Uebertretungen nicht gestattet.

5) Gerichtszeugen sind bei keiner Untersuchungshandlung erforderlich.

6) Wenn Sachverständige zu einem Augenscheine beizuziehen sind, so genügt die Berufung eines Einzigen.

7) Die Führung eines Protocolles ist nur bei solchen Erhebungen erforderlich, welche zum Beweise bei der Hauptverhandlung gebraucht und in derselben nicht wiederholt werden sollen. In anderen Fällen genügt die kurze Aufzeichnung des wesentlichen Inhaltes der (379) von den vernommenen Personen gemachten Aussagen durch den Protocollführer oder auch durch den vernehmenden Richter selbst.

8) Die Beigebung eines Vertheidigers von Amtswegen findet niemals Statt.

§. 444. Die Beeidigung der Zeugen findet in Uebertretungsfällen nur dann Statt, wenn es sich um die Uebertretung eines läugnenden Beschuldigten handelt. Bei Uebertretungen, welche höchstens achttägigen Arrest oder eine Geldstrafe von fünfzig Gulden nach sich ziehen, steht es selbst, wenn der Beschuldigte überwiesen werden muss, dem Richter frei, sich anstatt des Eides der Zeugen mit einem Handschlag derselben zu begnügen. Beamte und beeidete Diener der öffentlichen Gewalt, welche eine Aussage über Thatsachen oder Umstände ablegen, die sie in Ausübung ihres Amtes wahrgenommen haben, sind als Zeugen in Uebertretungsfällen nur unter Erinnerung an ihren Diensteid zu vernehmen.

§. 445. Kann die Verhandlung eines Uebertretungfalles nicht nach §. 442. sogleich nach Anbringung der Anklage stattfinden, so ist der Angeklagte, falls er nicht verhaftet ist, zur Hauptverhandlung durch einen schriftlichen Befehl vorzuladen, welcher die wesentlichsten Thatsachen der ihm zur Last gelegten Uebertretung und die Aufforderung enthalten muss, zur festgesetzten Stunde zu erscheinen und die zu seiner Vertheidigung dienenden Beweismittel mitzubringen oder dem Richter so zeitlich (!) anzuzeigen, daß sie zur Hauptverhandlung noch herbeigeschafft werden können. Zugleich ist die Warnung beizufügen, daß im Falle seines Ausbleibens dennoch mit der Verhandlung und Urtheilsfällung vorgegangen werden würde.

§. 446. Die Vorladung ist in der Regel so einzurichten, daß dem Angeklagten von der Zustellung derselben nach Abrechnung der Zeit, die er benöthigt, um sich an den Ort des Gerichtes zu verfügen, bis zur Hauptverhandlung ein Zeitraum von wenigsten vierundzwanzig Stunden frei bleibt. In dringenden Fällen aber, bei unbedeutenden Uebertretungen und wenn sich der Angeklagte an dem Orte des Gerichtes befindet, kann diese Frist auch abgekürzt werden. Nur aufgrund bescheinigter erheblicher Hindernisse kann dem Antrage des Angeklagten auf Vertagung der Verhandlung stattgegeben werden.

§. 447. Die Hauptverhandlung vor dem Bezirksrichter ist öffentlich bei sonstiger Nichtigkeit, jedoch unter den in den §§. 260. bis 263. enthaltenen Beschränkungen. Der zu den Verrichtungen der Staatsanwaltschaft berufene Beamte trägt die Anklage vor. Der Angeklagte wird darüber vernommen und die Beweise werden vorgeführt. Hierauf werden der Staatsanwalt oder der Privatankläger und der Beschädigte mit ihren Anträgen und der Angeschuldigte und dessen etwaiger Vertheidiger mit ihrer Antwort gehört, und sohin das Urtheil von dem Bezirksrichter gefällt und samt den Gründen, worauf es sich stützt, verkündet. Der Bezirksrichter ist befugt, nach geschlossener Verhandlung die Fällung des Urtheiles, jedoch längstens bis auf den darauf folgenden Tag auszusetzen. Im Uebrigen haben die für die Hauptverhandlung bei den Bezirks-Collegialgerichten ertheilten Vorschriften dem Bezirksrichter als Leitfaden zu dienen. Der Ankläger stellt seinen Antrag nicht auf eine bestimmte Strafe, sondern nur überhaupt auf Anwendung des Gesetzes.

(380) §. 448. Wenn der Angeklagte der gehörig erfolgten Vorladung ungeachtet zur Hauptversammlung nicht erscheint, so ist nach Ablauf der zu einer bestimmten Stunde das Verfahren zu beginnen. Die Beweise werden aufgenommen und nach Anhörung des Anklägers und des etwa für den Angeklagten aufgetretenen Vertheidigers, der sich mit einer besonderen Vollmacht desselben auszuweisen hat, wird das Urtheil gefällt und verkündet. Eine ämtliche Abschrift des Urtheiles ist dem ausgebliebenen Angeklagten zuzustellen. Ebenso ist zu verfahren, wenn der Angeklagte zwar erscheint, aber sich über die Anklage zu erklären verweigert.

§. 449. Ueber jede solche Verhandlung ist bei sonstiger Nichtigkeit durch einen beeideten Schriftführer ein Protocoll aufzunehmen, welches den wesentlichen Inhalt der Erklärungen des Anklägers des Angeklagten und der Zeugen enthalten muß, und in welchem zugleich das Urtheil samt dessen Gründen niederzuschreiben ist. Der Richter und der Schriftführer haben dieses Protocoll zu unterzeichnen.

IV. Rechtsmittel gegen Urtheile der Bezirksgerichte.

§. 450. Gegen ein in Gemäßheit des §. 448. über Ausbleiben des Angeklagten erlassenes Urtheil kann der Angeklagte binnen acht Tagen von Zustellung desselben bei dem erkennenden Bezirksgerichte Einspruch erheben, wenn er nachweist, daß ihm die Vorladung nicht gehörig zugestellt oder daß er durch ein unabwendbares Hinderniß vom Erscheinen abgehalten worden ist. Der Bezirksrichter hat über ein solches Gesuch nach vorläufiger Vernehmung des Anklägers zu erkennen. Verwirft er dasselbe, so steht dem Angeklagten das Rechtsmittel der Beschwerdeführung an das Landesgericht binnen drei Tagen zu. Derselbe ist in diesem Falle berechtigt, mit diesem Rechtsmittel eventuell für den Fall der Verwerfung desselben die Berufung zu verbinden, rücksichtlich welcher nach den Bestimmungen des §. 451. zu verfahren ist. Findet der Bezirksrichter oder in Folge der eben erwähnten Beschwerde das Landesgericht den Einspruch gegründet, so ist eine neuerliche Verhandlung der Sache vor dem Bezirksgerichte anzuordnen, bei welcher, wenn der Angeklagte erscheint, die Sache so verhandelt wird, wie es im §. 447. vorgeschrieben ist. Erscheint der Angeklagte bei dieser zweiten Verhandlung wieder nicht, so ist der Einspruch als nicht erfolgt und das Urtheil als rechtskräftig anzusehen.

§. 451. Gegen andere Urtheile des Bezirksgerichtes findet das Rechtsmittel der Berufung an das Landesgericht statt. Derselbe kann aus Nichtigkeitsgründen nur wegen Unzuständigkeit des erkennenden Gerichtes, wegen Verletzung der in den §§. 82, 120, 159, 160, 178, 447 und 449. vorgeschriebenen Förmlichkeiten des Verfahrens, oder wegen unrichtiger Auslegung oder Anwendung des Gesetzes (§. 352, g-k) ergriffen werden. Die Berufung ist bei dem Bezirksgerichte anzumelden, und es gelten von derselben die in den §§. 375. bis 387. ertheilten Vorschriften. Doch darf der Ankläger gegen ein freisprechendes Erkenntniß des Bezirksgerichtes die Berufung nur aus Nichtigkeitsgründen ergreifen. Die Entlassung des Angeschuldigten aus der Haft wird dadurch in keinem Falle aufgeschoben. Die nochmalige Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen vor dem Landesgerichte findet nur über ausdrückliches

(381) Begehren des Staatsanwaltes, des Privatbetheiligten oder des Angeklagten Statt. Die in dem §. 378 bestimmte Frist ist in Uebertretungsfällen auf acht Tage und die in dem §. 379 anberaumte Frist auf drei Tage herabzusetzen.

§. 452. Gegen die Entscheidung des Landesgerichtes findet nur die Nichtigkeitsbeschwerde an den Cassationshof unter den in den §§. 388 bis 390 enthaltenen Bestimmungen Statt.

§. 453. Die Wiederaufnahme einer von dem Bezirksgerichte abgeführten und erledigten Untersuchung findet gegen freisprechende Erkenntnisse nur in den Fällen des §. 393 und gegen verurtheilende Erkenntnisse in den Fällen der §§. 395 und 396 unter Anwendung der in den §§. 397 bis 399 enthaltenen Anordnungen Statt.

V. Verfahren in den der Gemeinde-Polizei überlassenen Uebertretungsfällen.

§. 454. Das Verfahren in den der Gemeinde-Polizei zugewiesenen Uebertretungsfällen wird durch besondere Vorschriften geregelt.

Einundzwanzigstes Hauptstück.

Von den Kosten des Strafverfahrens.

I. Umfang der Kosten des Strafverfahrens.

§. 455. Zu den Kosten des Strafverfahrens gehören außer den Urtheilstaxen alle Auslagen, welche durch Vorladungen, durch Gebühren der Zeugen und Sachverständigen, durch Reisen der in der Voruntersuchung beschäftigten Gerichtspersonen veranlaßt werden, ferner die Kosten des Unterhaltes des Angeschuldigten während der Untersuchungshaft und die Kosten seiner Vertheidigung.

Reisekosten und Diäten der Staatsanwälte, so wie der bei der Hauptverhandlung einschreitenden Gerichtspersonen und Geschwornen, ferner die Kosten der Vorführung, Bewachung und Transportirung des Angeschuldigten, so wie der Urtheilsvollstreckung werden immer vom Staate getragen.

§. 456. Alle Verhandlungen in Strafsachen, so wie alle darauf bezüglichen Eingaben von Parteien sind stämpel- und portofrei.

§. 457. Die Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher und Anwälte oder Vertheidiger werden durch einen eigenen Tarif festgesetzt werden. Eben dies  gilt von den Auslagen bei der Transportirung von verhafteten Angeklagten und von den Gebühren der dabei zu verwendenden Wachmannschaft.

(382) §. 458. Alle im §. 455 erwähnten Gebühren von Zeugen, Sachverständigen und Dolmetschern, die Reisekosten und Diäten von Gerichtspersonen, die Zustellungs- oder Vorladungsgebühren, so wie die Unterhaltskosten sind von dem Gerichte, bei welchem die Untersuchung oder Verhandlung gepflogen wird, sogleich zu bezahlen, vorbehaltlich des Rückersatzrechtes nach den Bestimmungen der §§. 460 bis 465.

Die Kosten der Vertheidigung hat das Gericht nur dann vorzuschießen, wenn der Angeklagte nach seinen dem Gerichte bekannten Verhältnissen dieselben zu bestreiten außer Stande ist.

§. 459. Die bis nach rechtskräftig gewordenem Verweisungsurtheile aufgelaufenen Kosten des Strafverfahrens sind von dem Untersuchungsrichter zu verzeichnen und von dem Gerichtsvorsteher zu genehmigen.

Alle weiteren Kosten sind von dem Schriftführer des erkennenden Gerichtes zu verzeichnen und von dem Vorsitzenden dieses Gerichtes zu genehmigen.

II. Entscheidung über die Verpflichtung zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens.

§. 460. Freisprechende Urtheile, Erkenntnisse, daß kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung vorhanden sei, und die Verfügung der Einstellung des Strafverfahrens sind immer mit dem Ausspruche zu verbinden, daß der Angeklagte oder Angeschuldigte von dem Ersatze der Kosten des Strafverfahrens losgezählt werde. Die Kosten sind in diesen Fällen von dem Staate zu übernehmen. Ist aber bei Verbrechen, welche nur auf Verlangen eines Betheiligten untersucht oder bestraft werden, dieser selbst als Privatkläger aufgetreten, oder hat er selbst die Einstellung des Verfahrens durch Zurücknahme seines Begehrens veranlaßt, so hat dieser Betheiligte die Kosten zu tragen.

§. 461. Wird der Angeschuldigte in der Hauptsache verurtheilt, so ist er jederzeit auch zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens zu verfällen (!). Der Ersatz soll jedoch aus seinem Vermögen nur insoweit eingetrieben werden, als dadurch sein Nahrungsstand nicht gefährdet, und er an Erfüllung der Pflichten nicht gehindert wird, welche ihm zur Leistung einer Entschädigung oder zur Ernährung seiner Angehörigen obliegen.

§. 462. Von mehreren Mitschuldigen oder Theilnehmern ist jeder einzelne zur Bezahlung der Urtheilstaxe, so wie zur Tragung derjenigen Kosten zu verurtheilen, welche durch seinen Unterhalt im Gefängnisse, seine Vertheidigung, oder durch besondere, nur bei ihm eingetretene Ereignisse, oder durch sein besonderes Verschulden entstanden sind. Zur Bezahlung aller anderen Kosten des Strafverfahrens sind sämmtliche Mitschuldigen oder Theilnehmer gemeinschaftlich, und zwar, wenn das gemeinschaftliche Vergehen nicht aus bloßer Fahrlässigkeit verübt wurde, zur gesammten Hand zu verurtheilen. Dieser Gesammtverbindlichkeit ungeachtet, steht es dem Gerichte frei, die Antheile der einzelnen Mitschuldigen dem Verhältnisse des Grades ihrer Theilnahme entsprechend zu bestimmen.

(383) §. 463. Wer durch eine wissentliche falsche Anzeige ein Strafverfahren veranlaßt hat, ist zum Ersatze der dadurch verursachten Kosten zu verurtheilen.

§. 464. Ist das Begehren um Wiederaufnahme einer Untersuchung oder was immer für eine Berufung an einen höheren Richter verworfen worden, so hat der ansuchende Theil die durch sein Einschreiten verursachten Kosten zu tragen.

§. 465. Sind durch den Anschluß eines Beschädigten an das Strafverfahren wegen seiner Entschädigungsansprüche besondere Kosten entstanden, so fallen diese, wenn der Angeschuldigte nicht verurtheilt wird, dem Beschädigten zur Last. Doch bleibt es demselben vorbehalten, wenn er seiner Ansprüche wegen den Civilrechtsweg betritt, auch den Ersatz dieser Kosten zu fordern.

§. 466. Dritte Personen, auch wenn sie nach den bürgerlichen Gesetzen zum Unterhalte des Angeschuldigten verpflichtet sind, können nicht angehalten werden, die Kosten seines Unterhaltes während seiner Verhaftung oder die Kosten seiner Vertheidigung oder andere Kosten des Strafverfahrens für denselben zu bezahlen.

§. 467. Stirbt ein Angeschuldigter, bevor gegen ihn ein Urtheil ergangen und in Rechtskraft erwachsen ist, so haftet sein Nachlaß für die Kosten des Strafverfahrens nicht.

Zweiundzwanzigstes Hauptstück.

Von der Vollstreckung der Urtheile.

I. Vollstreckung los- oder freisprechender Urtheile.

§. 468. Jeder durch ein Urtheil frei- oder losgesprochene Angeklagte ist, wenn er verhaftet war, sogleich nach der Verkündigung des Urtheiles in Freiheit zu setzen, es wäre denn, daß die Ergreifung eines Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung (§§. 357, 377, 389) oder andere gesetzliche Gründe seine fernere Verwahrung nöthig machten.

II. Vollstreckung verurtheilender Erkenntnisse.

§. 469. Jedes Strafurtheil ist, sobald es in Rechtskraft erwachsen ist, ungesäumt in Vollzug zu setzen. Die Vollstreckung wird in Sachen, in welchen ein Bezirksgericht in erster Instanz erkannt hat, von dem Bezirksrichter, in allen anderen Fällen aber von dem Staatsanwalte angeordnet. Die Bezirksrichter haben am Anfange jedes Monates dem Staatsanwalte an dem Bezirks-Collegialgerichte den Ausweis über die im Laufe des vorhergehenden Monates erfolgten Urtheilsvollstreckungen vorzulegen.

1. Vollstreckung von Todesurtheilen.

§. 470. Die Vollstreckung der Todesstrafe erfolgt am Morgen des zweiten Tages nach demjenigen, an welchem dem Angeklagten eröffnet worden ist, daß die Strafe wegen nicht eingetretener

(384) Begnadigung an ihm werde vollzogen werden. Diese Eröffnung geschieht nur in dem Gerichtshause in nicht öffentlicher Sitzung von vier Richtern und einem Vorsitzenden in Gegenwart des Staatsanwaltes. Sie ist so einzurichten, daß die Vollstreckung auf keinen Sonn- oder Feiertag fällt.

Die Vollstreckung des Todesurtheiles geschieht unter der Aufsicht des Staatsanwaltes und eines Richters, welche darüber zu berichten haben. Der Körper des Hingerichteten ist nach drei Stunden abzunehmen und neben dem Richtplatze zu beerdigen, auch das Strafgerüst unverzüglich wegzuräumen. Ist die Todesstrafe an Mehreren zu vollstrecken, so ist die Veranstaltung zu treffen, daß Keiner die Hinrichtung des Anderen sehen könne.

§. 471. Ist ein zur Todesstrafe Verurtheilter in Wahn- oder Blödsinn oder in eine schwere Krankheit verfallen, oder ist die Verurtheilte schwanger, so muß die Vollstreckung der Todesstrafe aufgeschoben werden. In diesen Fällen ist dem Verurtheilten erst, wenn der Grund des Aufschubes aufgehört hat, zu verkünden, daß die Strafe an ihm werde vollzogen werden.

2. Vollstreckung von Freiheitsstrafen.

§. 472. Die Vollstreckung von Freiheitsstrafen bleibt aufgeschoben, so lange der Verurtheilte sich in Wahn- oder Blödsinn oder in einem solchen körperlichen Zustande befindet, daß die Vollziehung der Strafe mit der Einrichtung der Strafanstalt nicht verträglich, oder daß davon eine lebensgefährliche Verschlimmerung des Zustandes des Verurtheilten zu besorgen ist.

§. 473. Wenn durch sogleich eintretende oder ununterbrochene Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, welche jedoch die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen darf, der Nahrungsstand oder Unterhalt der Familie des Verurtheilten gefährdet würde, und wenn eine Entweichung desselben nicht zu besorgen ist, kann das Landesgericht und in Fällen, welche vor dem Geschwornengerichte verhandelt wurden, das Oberlandesgericht auf Ansuchen des Verurtheilten allenfalls gegen Sicherheitsleistung einen kurzen Aufschub der Strafe gewähren.

§. 474. Begnadigungsgesuche hemmen den Beginn der Strafvollstreckung nicht.

§. 475. Verurtheilte, deren Strafe nicht über sechs Monate zu dauern hat, sind in der Regel zur Vollziehung derselben bei dem Strafgerichte, welches das Urtheil in erster Instanz gefällt hat, anzuhalten.

§. 476. Ist ein Sträfling zu einer mehr als sechsmonatlichen Freiheitsstrafe verurtheilt, so gelten über den Ort, wo er während seiner Strafe anzuhalten ist, die nachstehenden Bestimmungen:

a) Personen, welche wegen Hochverrathes oder wegen der im §. 23 des Patentes vom 13. März 1849 gegen den Mißbrauch der Presse aufgeführten Handlungen verurtheilt sind, haben ihre Strafe auf einer Festung auszustehen;

b) die zu einer längeren als zehnjährigen Kerkerstrafe Verurtheilten sind in die für solche Sträflinge eigens bestimmten Straforte abzuliefern;

(385) c) alle übrigen Sträflinge sind während ihrer Strafzeit in dem allgemeinen Strafhause des Kronlandes anzuhalten, in welchem sie verurtheilt wurden.

Die Ablieferung des Verurtheilten nach dem gesetzlich bestimmten Straforte muß durch die Bezirkshauptmannschaft veranlaßt werden.

Dreiundzwanzigstes Hauptstück.

Von dem standrechtlichen Verfahren.

I. Einleitung des standrechtlichen Verfahrens.

§. 477. Das standrechtliche Verfahren kann in der Regel nur bei einem Aufruhr stattfinden. Die Erklärung, daß Aufruhr eingetreten und die Nothwendigkeit des Standrechtes vorhanden sei, steht dem Landeschef im Einverständnisse mit dem Generalprocurator am Oberlandesgerichte und mit dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes zu. Wenn jedoch Gefahr auf dem Verzuge haftet, ist auch der Kreispräsident für sich allein, und in besonders dringenden Fällen selbst der Bezirkshauptmann berechtigt, diese Erklärung zu erlassen.

§. 478. Außerdem kann das standrechtliche Verfahren auch dann angeordnet werden, wenn in einzelnen oder mehreren Bezirken Mord, Raub, Brandlegung oder öffentliche Gewaltthätigkeit durch beträchtliche Zerstörung fremden Eigenthums ungewöhnlich um sich greifen. Das Erkenntniß über die Nothwendigkeit der Anwendung des Standrechtes steht in solchen Fällen dem Justizminister im Einverständnisse mit dem Minister des Innern zu.

§. 479. Die Erklärung, daß das standrechtliche Verfahren einzutreten habe, ist im Falle des §. 477 in denjenigen Gemeinden, wo Aufruhr ist, im Falle des §. 478 aber in allen Gemeinden des Bezirkes, für welchen das standrechtliche Verfahren angeordnet wurde, bei Trommelschlag oder Trompetenschall zu verkünden, und außerdem durch Mittheilung an die Gemeindebehörden, durch Anschlag an öffentlichen Plätzen, durch öffentliche Blätter und nach Umständen durch Verkündung von der Kanzel ohne Verzug zur allgemeinen Kenntniß zu bringen.

§. 480. Die Bekanntmachung des standrechtlichen Verfahrens ist im Falle des §. 477 mit dem Befehle zu verbinden, daß sich Jedermann zu Ruhe geben, sich sogleich von den aufrührerischen Zusammenrottungen zu entfernen und den zur Stillung des Aufruhrs ergehenden Anordnungen sich zu fügen habe, widrigens der noch ferner im Aufruhr Ergriffene standrechtlich gerichtet und mit dem Tode bestraft werden würde. Diese Verkündigung des standrechtlichen Verfahrens hat die Wirkung, daß Alle, welche sich nach Kundmachung desselben der Theilnahme am Aufruhr schuldig machen, vor das Standrecht gestellt werden; außerdem hat sich das standrechtliche Verfahren in diesem Falle auf alle nach Kundmachung desselben in dem Bezirke verübten Verbrechen des Hochverraths (!) und der Störung der öffentlichen Ruhe des Staates, des Aufstandes, der öffentlichen Gewaltthätigkeit durch Widersetzlichkeit gegen obrigkeitliche Personen oder Wachen und der Verleitung der Truppen zum Ungehorsam oder zur Auflehnung, so wie auf das Vergehen des Auflaufes erstrecken, jedoch nur in so weit diese Verbrechen und Vergehen mit dem Aufruhr in Zusammenhange stehen.

(386) §. 481. Die Bekanntmachung des standrechtlichen Verfahrens im Falle des §. 478 hat die Wirkung, daß Alle, die eines nach dieser Kundmachung in dem Bezirke begangenen Verbrechens, wider welches das standrechtliche Verfahren angedroht wurde, oder der Mitschuld oder Theilnahme an einem solchen Verbrechen beschuldigt werden, vor das Standrecht gestellt werden.

§. 482. Mit der Kundmachung des standrechtlichen Verfahrens wird das Landesgericht, in dessen Sprengel die Verkündung erfolgte, für alle in seinem Bezirke verübten Verbrechen oder Vergehen, auf welche sich das standrechtliche Verfahren nach den Bestimmungen der §§. 479 und 480 zu erstrecken hat, ausschließend zuständig. Als Standgericht erkennt es in Versammlungen von vier Richtern und einem Vorsitzenden. Dasselbe kann nach dem Ermessen des Landgerichts-Präsidenten (!) im Einverständnisse mit den politischen Behörden an jedem Orte des Bezirkes, für welchen das Standrecht verkündet wurde, seinen Sitz aufschlagen.

§. 483. Sobald das standrechtliche Verfahren angeordnet ist, hat der Bezirkshauptmann mit der größten Beschleunigung Sorge zu tragen, daß von dem nächsten Militär-Commando die zur Bedeckung des Standrechtes nöthige Mannschaft abgeordnet werde, daß an dem zur Abhaltung des Standrechtes bestimmten Orte die nöthigen Amtsgeräthschaften bereit und ein Seelsorger, so wie der Scharfrichter und dessen Gehilfen gegenwärtig seien, und daß der Vollziehung der Todesstrafe, falls dieselbe verhängt werden sollte, kein Hinderniß entgegenstehe.

II. Verfahren vor dem Standgerichte.

§. 484. Dem Staatsanwalte bei dem Landesgerichte oder dem von dem Generalprocurator für das Standrecht besonders abgeordneten Mitgliede der Staatsanwaltschaft liegt es ob, die Einleitung des standrechtlichen Verfahrens gegen die Beschuldigten zu veranlassen. Es ist dabei als Regel zu beobachten, daß nur solche Personen vor das Standgericht gestellt werden, welche entweder auf der That ergriffen worden sind, oder gegen welche so dringende Verdachtsgründe vorliegen, daß sich mit Grund erwarten läßt, es werde der Beweis der Schuld gegen sie ohne Verzug hergestellt werden können.

§. 485. Das Standgericht ist ermächtigt, auch Personen, die der Militär-Gerichtsbarkeit unterstehen, standrechtlich abzuurtheilen, wenn sie von der Civilobrigkeit eingebracht worden sind; doch ist hievon dem nächsten Militär-Commando unter Anführung des Namens, des Geburtsortes und Militär-Charakters des Beschuldigten sogleich Anzeige zu machen. Das Standgericht ist auch befugt, Zeugen, welche der Militär-Gerichtsbarkeit unterstehen, unmittelbar vorzurufen, doch muß auch davon dem nächsten Militär-Commando Nachricht gegeben werden.

§. 486. Das ganze Verfahren gegen einzelne Angeschuldigte ist vom Anfang bis zu Ende vor dem versammelten Gerichte und, so viel als möglich, ohne Unterbrechung zu pflegen. Die längste

(387) Dauer desselben wird auf drei Tage festgesetzt. Es ist mündlich und öffentlich unter Beobachtung der in den §§. 260 bis 263 ertheilten Vorschriften.

§. 487. Der Angeklagte kann sich eines Vertheidigers bedienen, oder dessen Wahl dem Gerichte überlassen. In allen Fällen, welche mehr als fünfjährige Kerkerstrafe nach sich ziehen können, ist ihm ein Vertheidiger, selbst wenn er auf Bestellung eines solchen verzichten zu wollen erklärt, von Amtswegen aufzustellen.

§. 488. Der Staatsanwalt beginnt die Verhandlung mit einer Darstellung der dem Angeschuldigten zur Last liegenden Thatsachen. Der Angeklagte wird aufgefordert, sich darüber zu erklären, und wenn er die Thatsachen bestreitet, wird zur Vorführung der Beweismittel geschritten, wobei im Allgemeinen die Vorschriften der §§. 274 bis 284 zu beobachten sind.

§. 489. Das Verfahren hat sich in der Regel auf den Beweis der That zu beschränken, wegen welcher das standrechtliche Verfahren eingeleitet worden ist. Es ist daher auf andere Verbrechen und Vergehen des Ergriffenen keine Rücksicht zu nehmen. Nur wenn dem Angeschuldigten wegen eines solchen Verbrechens oder Vergehens eine schwerere Strafe bevorstände, als ihn wegen der Handlung treffen kann, wegen welcher er vor das Standgericht gestellt wurde, ist das standrechtliche Verfahren, wenn diese verschiedenen strafbaren Handlungen miteinander im Zusammenhange verübt wurden, auch auf jenes andere Verbrechen oder Vergehen auszudehnen. Außer diesem Falle ist über die dem Angeschuldigten zur Last liegenden anderen Verbrechen oder Vergehen nur im Wege des ordentlichen Strafverfahrens von dem zuständigen Strafgerichte zu entscheiden, welches bei Ausmessung der Strafe die von dem Standgerichte ausgesprochene Strafe in Anschlag zu bringen hat.

§. 490. Nach geschlossenen Beweisverfahren hat der Staatsanwalt die Ergebnisse desselben zu entwickeln und seinen Strafantrag zu stellen. Der Angeklagte und sein Vertheidiger haben darauf zu antworten, und wenn der Staatsanwalt hierauf noch etwas zu erwidern findet, gebührt dem Angeklagten und seinem Vertheidiger jederzeit das Recht der letzten Aeußerung.

§. 491. Hierauf wird von dem Gerichte das Urtheil in nicht öffentlicher Berathung unter Beobachtung der Vorschriften der §§. 47, 287 und 292 gefällt, und unmittelbar darauf dem Angeklagten in öffentlicher Sitzung verkündigt.

§. 492. Wenn die im §. 288 vorgesehenen Bedingungen eintreten, hat das Standgericht auf Freisprechung des Angeklagten zu erkennen und sofort dessen Freilassung zu verfügen. Wenn das Standgericht sich nicht für zuständig erachtet, oder wenn zwar die Herstellung des Beweises der Schuld des Angeklagten innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Tagen nicht möglich ist, wider denselben aber dringende Verdachtsgründe vorliegen, daß er das ihm zur Last gelegte Verbrechen oder Vergehen verübt habe, so erkennt das Standgericht auf Ueberweisung des Angeklagten an den ordentlichen Richter, und hat in diesem Falle

(388) zugleich zu beschließen, ob die Haft des Angeschuldigten fortzudauern habe oder aufzuheben sei.

§. 493. Wird der Angeklagte für schuldig erklärt, so erkennt das Standgericht zugleich auf die gesetzliche Strafe. Es hat wegen der Verbrechen des Hochverrathes, des Aufruhrs, des Mordes, des Raubes und der Brandlegung die Todesstrafe auszusprechen. Nur wenn bereits durch Vollziehung der Todesstrafe an Einem oder Mehreren der Schuldigsten das zur Herstellung der Ruhe nöthige abschreckende Beispiel gegeben ist, kann das Standgericht aus wichtigen Milderungsgründen gegen minder Betheiligte auf schweren Kerker von fünf bis zwanzig Jahren erkennen. Dieselbe Strafe ist gegen diejenigen auszusprechen, welche zur Zeit des verübten Verbrechens das Alter von zwanzig Jahren noch nicht zurückgelegt haben. Wegen der Uebrigen in Gemäßheit der §§. 478 und 480 vor das Standgericht gehörigen Verbrechen und Vergehen hat dasselbe die Strafe nach den allgemeinen Vorschriften der Strafgesetze auszumessen.

§. 494. Gegen die Urtheile des Standgerichtes findet kein Rechtsmittel Statt.

§. 495. Ueber die Verhandlung vor dem Standgerichte ist ein Protokoll aufzunehmen, welches den Tag der Verhandlung, die Namen der Richter, den wesentlichen Inhalt der Erklärung des Beschuldigten über die wieder ihn erhobene Anklage und der vorgeführten Beweise, endlich das Urtheil und dessen Begründung enthalten muß. Dasselbe ist von sämmtlichen Richtern und dem Schriftführer zu unterzeichnen.

§. 496. Die Todesstrafe ist in der Regel zwei Stunden nach der Verkündigung des Urtheiles zu vollziehen; nur auf ausdrückliches Bitten des Verurtheilten kann demselben noch eine dritte Stunde zu seiner Vorbereitung auf den Tod gestattet werden.

III. Aufhebung des standrechtlichen Verfahrens.

§. 497. Die Aufhebung des standrechtlichen Verfahrens steht denselben Personen und Behörden zu, welche dasselbe eingeleitet haben. Dieselbe ist, wenn der Grund, der die Einleitung des Standrechtes veranlaßte, weggefallen ist, ungesäumt auszusprechen und jederzeit durch die öffentlichen Blätter kundzumachen.

§. 498. Sobald die Aufhebung des standrechtlichen Verfahrens dem Standgerichte mitgetheilt ist(,) hört dessen Wirksamkeit auf. Alle noch anhängigen Untersuchungen, so wie diejenigen, über welche Todesurtheile ergangen, aber noch nicht vollzogen sind, müssen an die ordentlichen Gerichte abgegeben und von diesen als Voruntersuchungen behandelt werden. Es ist darüber nach den allgemeinen Vorschriften dieser Strafproceßordnung weiter zu verfahren. Alle von dem Standgerichte erlassenen Urtheile sammt den Verhandlungsacten sind binnen vierzehn Tagen nach Aufhebung des Standrechtes dem Generalprocurator am Oberlandesgerichte vorzulegen.

(389) Vierundzwanzigstes Hauptstück.

Von dem Verfahren in Preßübertretungsfällen.

§. 499. Für das Verfahren in Preßübertretungsfällen gelten alle Vorschriften dieser Strafproceßordnung, insoferne nicht in den folgenden Paragraphen etwas Abweichendes bestimmt ist.

I. Zuständigkeit.

§. 500. Die Einleitung des Verfahrens wegen der in dem Patente vom 13. März 1849 bezeichneten Vergehen, welche durch den Inhalt einer Druckschrift begangen wurden, steht, wenn dieselben durch eine periodische Druckschrift begangen wurden, jenem Bezirks-Collegialgerichte zu, in dessen Bezirke diese Druckschrift herausgegeben wurde, bei anderen Druckschriften aber jenem Bezirks-Collegialgerichte, in dessen Bezirke sie verbreitet wurden. Geschah dies  in verschiedenen Bezirken, und ist die Schrift in einem derselben gedruckt worden, so ist das Bezirks-Collegialgericht dieses Bezirkes als das allein zuständige anzusehen. Außer diesem Falle gibt die Zuvorkommung unter den verschiedenen Bezirks-Collegialgerichten den Ausschlag, in deren Bezirke die Druckschrift verbreitet wurde.

II. Beschlagnahme von Druckschriften.

§. 501. Die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bestellte Behörde hat entweder unmittelbar selbst oder auf Anweisung des Staatsanwaltes jede Druckschrift mit Beschlag zu belegen, welche a) mit Außerachtlassung der Vorschriften der §§. 4, 6, 7 und 14 bis 18 des Patentes vom 13. März 1849 ausgegeben, oder auf eine im §. 19 desselben Patentes untersagte Weise verbreitet wird, oder b) deren Inhalt eine Uebertretung begründet, die im öffentlichen Interesse verfolgt werden kann.

§. 502. In allen anderen Fällen kann der Beschlag nur von dem zuständigen Bezirks-Collegialgerichte über eine Klage und den darin enthaltenen Antrag des Staatsanwaltes oder eines Privatklägers angeordnet werden. Die Beschlagnahme findet jederzeit nur in der im §. 40 des Patentes vom 13. März 1849 gegen den Mißbrauch der Presse bezeichneten Ausdehnung Statt.

§. 503. Das Bezirks-Collegialgericht verfügt über das Gesuch um Beschlagnahme einer Druckschrift sogleich nach dessen Empfang.

§. 504. Jede nach §. 501 erfolgte Beschlagnahme ist, falls sie wegen einer Uebertretung des §. 19 des Patentes vom 13. März 1849 verfügt wurde, dem zuständigen Bezirksgerichte in allen übrigen im §. 501 bezeichneten Fällen aber dem Staatsanwalte an dem zuständigen Bezirks-Collegialgerichte anzuzeigen. Diese Anzeige, oder, wenn die Beschlagnahme nicht am

(390) Sitze des Bezirksgerichtes oder des Staatsanwaltes stattfand, die Absendung der Anzeige hat binnen 24 Stunden nach der Beschlagnahme zu erfolgen.

§. 505. Das Bezirksgericht, welchem eine Beschlagnahme wegen Uebertretung des §. 19 des Patentes vom 13. März 1849 angezeigt wird, hat von Amtswegen die Untersuchung vorzunehmen, und die Beschlagnahme entweder zu bestätigen oder aufzuheben. Der Staatsanwalt hat über eine ihm in Gemäßheit des §. 504 angezeigte und von ihm als gegründet erkannte Beschlagnahme eine Klage bei dem Bezirks-Collegialgerichte zu überreichen, und darin auf Bestätigung derselben anzutragen, worüber das Gericht sogleich bei Einleitung des Strafverfahrens entscheidet.

§. 506. Wenn über die Bestätigung oder Aufhebung einer nach §. 501 vorgenommenen Beschlagnahme nicht binnen drei Tagen, oder, falls Letztere an einem von dem Amtssitze des Bezirks-Collegial- oder Bezirksgerichtes verschiedenen Orte erfolgte, nicht binnen acht Tagen nach der Beschlagnahme von diesen Gerichten entschieden und die Entscheidung nicht innerhalb dieser Frist dem Betheiligten eröffnet wird, verliert die Beschlagnahme ohne Weiteres ihre Wirksamkeit; es wäre denn, daß die Verständigung nur wegen Abwesenheit oder Nichtauffindung desjenigen, an den sie geschehen sollte, nicht bewerkstelligt werden konnte. In diesem Falle genügt es, wenn die Verständigung im Amtslocale des Gerichtes öffentlich angeschlagen, und in das Amtsblatt des Kronlandes eingerückt wurde.

Im Falle der Erlöschung oder Aufhebung einer nach §. 501 stattgefundenen Beschlagnahme gebührt dem dadurch Beschädigten der Ersatz des erweislichen Schadens aus der Staatscasse, jedoch im Falle der ausdrücklichen Aufhebung nur dann, wenn hierbei die Beschlagnahme als weder durch den Inhalt der Druckschrift, noch durch eine Außerachtlassung der in den §§. 4 bis 20 des Patentes vom 13. März 1849 erhaltenen Vorschriften gerechtfertigt erkannt wird.

Die Erlöschung der Beschlagnahme hindert nicht die weitere Verfolgung des Straffälligen.

III. Strafverfahren wegen Preßvergehen.

§. 507. Bei dem Bezirks-Collegialgerichte findet die Einleitung des Strafverfahrens in Preßübertretungsfällen nur über eine Klage des Staatsanwaltes oder eines Privatanklägers statt. Die Staatsanwälte verfolgen die Preßübertretungen von Amtswegen, ausgenommen in den Fällen der §§. 31, 32, 33 lit. a und 34 des Patentes vom 13. März 1849, in welchen nur auf die Klage der beleidigten Privatpersonen, denen in dieser Beziehung Familien, Behörden und Körperschaften gleichzuhalten sind, eingeschritten werden darf. In Fällen der letzteren Art hat der Staatsanwalt nur auf Ansuchen der Beleidigten einzuschreiten; doch steht es diesen frei, auch ohne ein solches Ansuchen an den Staatsanwalt als Privatkläger (§. 404) aufzutreten.

§. 508. Jede Klage, welche wegen Preßvergehen bei dem Bezirks-Collegialgerichte überreicht wird, muß die genaue Anzeige der Schrift und der Stellen, worin die Uebertretung liegen soll, enthalten.

(391) §. 509. Das Gericht hat längstens binnen drei Tagen nach Ueberreichung der Klage nach Anhörung des Staatsanwaltes zu entscheiden, ob Grund zur gerichtlichen Verfolgung der angezeigten Uebertretung vorhanden sei. Im bejahenden Falle ist in der Regel die Voruntersuchung nach den Vorschriften dieser Strafproceßordnung vorzunehmen.

§. 510. Wenn die Klage nicht von dem Staatsanwalte erhoben wurde, ist dem Privatkläger am Schlusse der Voruntersuchung die Einsicht der Acten zu gestatten. Der Kläger hat sohin binnen drei Tagen nach Empfang der diesfälligen Verständigung erforderlichen Falles auf Vervollständigung der Voruntersuchung bei dem Untersuchungsrichter anzutragen, oder, wenn sie vollständig ist, binnen acht Tagen seinen Antrag bei dem Bezirks-Collegialgerichte zu überreichen oder denselben bei dem Untersuchungsrichter zu Protokoll zu geben. Dieser Antrag muß die genaue Bezeichnung der Druckschrift und der Stellen, auf welche die Anklage gegründet wird, der darin liegenden Uebertretung und der beschuldigten Personen, den Antrag auf Schuldigerklärung und die Namen der Zeugen und Sachverständigen enthalten, deren Erscheinen bei der Hauptverhandlung der Kläger für nöthig hält. Das Bezirks-Collegialgericht hat diesen Antrag sammt den Voruntersuchungsacten dem Oberlandesgerichte zu übersenden, welches darüber nach Anhörung des Generalprocurators binnen vierzehn Tagen unter Beobachtung der §§. 227 bis 236 zu entscheiden hat.

§. 511. Der Kläger kann in Preßübertretungsfällen verlangen, daß von der Voruntersuchung Umgang genommen werde. Für diesen Fall hat er die in den §§. 507 und 508 bezeichnete Klage so einzurichten, daß sie alle in dem vorstehenden §. 510 für den Antrag des Privatklägers vorgeschriebenen Erfordernisse besitzt. Ist eine Beschlagnahme vorausgegangen, so ist diese Klage innerhalb der im §. 506 bestimmten Frist bei dem Bezirks-Collegialgerichte zu überreichen. Ist eine Beschlagnahme nicht vorausgegangen, so kann sie in dieser Schrift begehrt werden. Eine solche Klage hat das Bezirks-Collegialgericht, wenn es nach Anhörung des Staatsanwaltes findet, daß dieselbe gegründet und eine Voruntersuchung nicht nothwendig ist, sogleich dem Oberlandesgerichte zu übersenden, welches darüber nach Vernehmung des Generalprocurators unter Beobachtung der Vorschriften der §§. 227 bis 236 zu erkennen hat. Hält das Bezirks-Collegialgericht oder die Anklagekammer die Voruntersuchung für unerläßlich, so ist das im §. 509 vorgeschriebene Verfahren zu beobachten.

§. 512. Ist das Verweisungserkenntniß in Rechtskraft erwachsen, so ist die Anklageschrift innerhalb der im §. 249 bestimmten Frist zu überreichen. Dieselbe muß sämmtliche Erfordernisse des §. 250, und insbesondere eine genaue Bezeichnung der Druckschrift und der Stellen, auf welche die Anklage gegründet wird, enthalten.

Wird die Anklageschrift innerhalb der im §. 249 bestimmten Frist nicht überreicht, so hat das Gericht dieselbe nicht mehr anzunehmen, sondern das Verfahren einzustellen,

(392) beide Theile hievon zu verständigen, und auf Anlangen des Beschuldigten eine etwa haftende Beschlagnahme aufzuheben, so wie eine erliegende (!) Caution zurückzustellen.

§. 513. So lange das Urtheil nicht verkündet ist, kann der Kläger in jeder Lage des Verfahrens von der Klage ablassen. Dem Angeklagten bleibt in solchen Fällen der Anspruch auf Ersatz der erweislichen Kosten und Schäden vorbehalten. Erfolgte die Ablassung durch den Staatsanwalt, so ist dieser Ersatzanspruch gegen die Staatscasse geltend zu machen.

§. 514. Befindet sich ein Privatkläger oder der Angeklagte nicht an dem Orte, wo das Bezirks-Collegial- oder Schwurgericht seinen Sitz hat, so wird ihm in der ersten Vorladung oder Verständigung die Namhaftmachung eines am Orte des Gerichtes wohnenden Gewalthabers für die Empfangnahme der weiteren gerichtlichen Zustellungen mit dem Bedeuten aufgetragen, daß sonst ein solcher vom Gerichte auf seine Kosten bestellt würde.

(393) Inhalt.

Erstes Hauptstück. Allgemeine Bestimmungen. §§. 1-7.

Zweites Hauptstück. Von den Gerichtsbehörden. §§. 8-50.

I. Bezirksgerichte. §. 9.

II. Bezirks-Collegialgerichte. §§. 10-13.

III. Landesgerichte. §§. 14-16.

IV. Geschwornengerichte. §§. 17-44.

1. Der Gerichtshof des Schwurgerichtes. §§. 21 und 22.

2. Die Geschwornen. §§. 23-44.

V. Oberlandesgerichte. §. 45.

VI. Cassationshof. §. 46.

VII. Abstimmung bei den Gerichten. §. 47.

VIII. Nebenpersonen bei den Gerichtsbehörden. § 48.

IX. Verhältniß der Sicherheits- und anderen Behörden. §§. 49 und 50.

Drittes Hauptstück. Von der Staatsanwaltschaft. §§. 51-60.

Viertes Hauptstück. Von der Zuständigkeit der Strafgerichte. §§. 61-78.

I. Einzelne Gerichtsstände. §§. 61-71.

II. Besondere Gerichtsstände. §§. 72 und 73.

III. Befugniß zur Delegirung. §§. 74 und 75.

IV. Streitigkeiten über die Zuständigkeit von Gerichten. §. 76.

V. Amtshandlungen nicht zuständiger Gerichte. §§. 77 und 78.

Fünftes Hauptstück. Von der Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen. §§. 79-86.

I. Ausschließung der Gerichtspersonen §§. 79-82.

II. Ablehnung der Gerichtspersonen. §§. 83-85.

III. Ausschließung von Staatsanwälten. §. 86.

Sechstes Hauptstück. Von der Voruntersuchung über Verbrechen und Vergehen im Allgemeinen. §§. 87-115.

I. Stellung des Untersuchungsrichters im Allgemeinen. §§. 88-93.

II. Stellung des Staatsanwaltes in der Voruntersuchung. §§. 94-96.

III. Pflichten der Bezirks-Einzelrichter in Betreff der Voruntersuchung. §§. 97 und 98.

IV. Verfahren bei Anzeigen. §§. 99 und 100.

V. Verfahren bei vorhandenen Spuren und Gegenständen eines Verbrechens. §§. 101 und 102.

VI. Protocollführung und Gerichtszeugen. §§. 103-109.

VII. Strafgewalt des Untersuchungsrichters. §. 110.

VIII. Einstellung der Voruntersuchung. §§. 111-113.

IX. Rechtsmittel in der Voruntersuchung. §§. 114 und 115.

Siebentes Hauptstück. Von dem Augenscheine und den Sachverständigen. §§. 116-143.

I. Von dem Augenscheine und der Zuziehung von Sachverständigen überhaupt. §§. 116-126.

II. Verfahren bei Tödtungen und Körperverletzungen insbesondere. §§. 127-136.

III. Sachverständige bei Urkunden. §§. 137 und 138.

IV. Verfahren bei Verfälschung oder Nachmachung öffentlicher Creditspapiere und bei Münzverfälschungen. §§. 139 und 140.

V. Verfahren bei Brandlegungen. §. 141.

VI. Verfahren bei anderen Beschädigungen des Eigenthumes. §§. 142 und 143.

Achtes Hauptstück. Von der Haussuchung und von der Beschlagnahme von Briefen und Urkunden. §§. 144-157.

I. Haussuchung. §§. 144-159.

II. Durchsuchung und Abnahme von Papieren und Urkunden überhaupt. §§. 150-153.

III. Beschlagnahme und Eröffnung von Briefen. §§. 154-157.

(394) Neuntes Hauptstück. Von der Vernehmung der Zeugen. §§. 158-181.

Zehntes Hauptstück. Von der Vorladung, Vorführung und Verhaftung des Angeschuldigten. §§. 182-209.

I. Vorladung des Angeschuldigten. §§. 183 und 184.

II. Vorführung und vorläufige Verwahrung des Angeschuldigten. §§. 185-190.

III. Untersuchungshaft des Angeschuldigten. §§. 191-193.

IV. Behandlung der Untersuchungsgefangenen. §§. 194-200.

V. Aufhebung der Haft und Sicherheitsleistung. §§. 201-209.

Elftes Hauptstück. Von der Vernehmung des Angeschuldigten. §§. 210-219.

Zwölftes Hauptstück. Von dem Schlusse der Voruntersuchung und der Versetzung in den Anklagestand. §§. 220-246.

I. Schluß der Voruntersuchung. §§. 220-222.

II. Anträge der Staatsanwaltschaft und Versetzung in den Anklagestand. §§. 223-237.

III. Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Bezirks-Collegialgerichte und der Anklagekammer. §§. 238-246.

Dreizehntes Hauptstück. Von den Vorbereitungen zur Hauptverhandlung. §§. 247-259.

I. Bestellung eines Vertheidigers. §§. 247 und 248.

II. Anklageschrift. §§. 249-252.

III. Mittheilung der Zeugenlisten. §§. (!) 253.

IV. Vorläufige Vernehmung des Angeklagten. §§. 254 und 255.

V. Vorladung zur Hauptverhandlung. §§. 256 und 257.

VI. Vertagung der Hauptverhandlung. §§. 258 und 259.

Vierzehntes Hauptstück. Von der Hauptverhandlung vor den Bezirks-Collegialgerichten und der Urtheilsfällung durch dieselben. §§. 260-306.

I. Oeffentlichkeit der Hauptverhandlung. §§. 260-263.

II. Amtsverrichtungen des Vorsitzenden und des Gerichtes während der Hauptverhandlung im Allgemeinen. §§. 264-266.

III. Beginn der Hauptverhandlung. §§. 267-271.

IV. Vernehmung des Angeklagten. §§. 272 und 273.

V. Beweisverfahren. §§. 274-284.

VI. Vorträge der Parteien. §. 285.

VII. Urtheil des Gerichtes. §§. 286-292.

VIII. Verkündigung und Ausfertigung des Urtheiles. §§. 293 und 294.

IX. Protocollführung. §§. 295 und 296.

X. Vertagung und Einstellung der Hauptverhandlung. §§. 297-303.

XI. Zwischenvorfälle. §§. 304-306.

Fünfzehntes Hauptstück. Von der Hauptverhandlung vor den Geschwornengerichten. §§. 307-351.

I. Allgemeine Bestimmungen. §§. 307-309.

II. Bildung der Geschwornenbank. §§. 310-316.

III. Beginn der Hauptverhandlung und Beeidigung der Geschwornen. §§. 317 und 318.

IV. Beweisverfahren. §§. 319 und 320.

V. Vorträge der Parteien. §. 321.

VI. Vortrag des Vorsitzenden und Fragestellung an die Geschwornen. §§. 322-331.

VII. Berathung und Schlußfassung der Geschwornen. §§. 332-335.

VIII. Ausspruch der Geschwornen. §§. 336-338.

IX. Weiteres Verfahren und Urtheil des Gerichtshofes. §§. 339-349.

X. Protocollführung. §. 350.

XI. Vertagung oder Einstellung der Hauptverhandlung und Zwischenfälle. §. 351.

Sechzehntes Hauptstück. Von den Rechtsmitteln gegen Endurtheile der Bezirks-Collegial- und Geschwornengerichte. §§. 352-390.

I. Nichtigkeitsgründe. §. 352.

II. Nichtigkeitsbeschwerde gegen Endurtheile der Geschwornengerichte. §§. 353-374.

III. Berufung gegen Endurtheile der Bezirks-Collegialgerichte. §§. 375-387.

IV. Nichtigkeitsbeschwerde gegen die von den Landesgerichten als Berufungsbehörden gefällten Urtheile. §§. 388-390.

Siebenzehntes Hauptstück. Von der Wiederaufnahme des Verfahrens. §§. 391-400.

I. Bedingungen der Wiederaufnahme des Verfahrens. §§. 391-396.

II. Verfahren bei der Wiederaufnahme der Untersuchung. §§. 397-399.

III. Verfolgung eines Verurtheilten wegen einer neu hervorgekommenen, vor dem Strafurtheile begangenen strafbaren Handlung. §. 400.

(395) Achtzehntes Hauptstück. Von dem Anschlusse des Beschädigten an das Strafverfahren und von der Privatanklage §§. 401-415.

I. Anschluß des Beschädigten an das Strafverfahren. §§. 401-403.

II. Privatanklage. §. 404.

III. Entscheidung über die Entschädigungs-Ansprüche (!). §§. 405-408.

IV. Rechtsmittel dagegen. §. 409-410.

V. Wirkung des Erkenntnisses über die Entschädigung. §. 411.

VI. Vorkehrungen zur Entdeckung unbekannter Eigenthümer. §§. 412-415.

Neunzehntes Hauptstück. Von dem Verfahren wider Abwesende und Flüchtige. §§. 416-436.

I. Verfahren gegen Abwesende und Flüchtige während der Voruntersuchung. §§. 416-423.

II. Verfahren gegen Abwesende und Flüchtige nach dem Schlusse der Voruntersuchung. §§. (!) 424.

III. Ungehorsamsverfahren gegen Abwesende und Flüchtige. §§. 425-432.

IV. Verfahren, wenn der Abwesende oder Flüchtige nach Fällung des Contumacial-Urtheiles sich stellt, oder betreten wird. §§. 433-436.

Zwanzigstes Hauptstück. Von dem Verfahren vor den Bezirksgerichten und in den der Gemeindepolizei vorbehaltenen Uebertretungsfällen. §§. 437-454.

I. Staatsanwaltschaft bei den Bezirksgerichten. §. 437.

II. Privatanklage. §§. 438-439.

III. Verfahren vor den Bezirksgerichten. §§. 440-449.

IV. Rechtsmittel gegen Urtheile der Bezirksgerichte. §§. 450-453.

V. Verfahren in den der Gemeindepolizei überlassenen Uebertretungsfällen. §. 454.

Einundzwanzigstes Hauptstück. Von den Kosten des Strafverfahrens. §§. 455-467.

I. Umfang der Kosten des Strafverfahrens. §. 455-459.

II. Entscheidung über die Verpflichtung zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens. §§. 460-467.

Zweiundzwanzigstes Hauptstück. Von der Vollstreckung der Urtheile. §§. 468-476.

I. Vollstreckung los- oder freisprechender Urtheile. (§ 468.)

II. Vollstreckung verurtheilender Erkenntnisse. §§. 469-476.

1. Vollstreckung von Todesurtheilen. §§. 470 und 471.

2. Vollstreckung von Freiheitsstrafen. §§. 472-476.

Dreiundzwanzigstes Hauptstück. Von dem standrechtlichen Verfahren. §§. 477-498.

I. Einleitung des standrechtlichen Verfahrens. §§. 477-483.

II. Verfahren vor dem Standgerichte. §§. 484-496.

III. Aufhebung des standrechtlichen Verfahrens. §§. 497-498. .

Vierundzwanzigstes Hauptstück. Von dem Verfahren in Preßübertretungsfällen. §§. 499-514.

I. Zuständigkeit. §. 500.

II. Beschlagnahme von Druckschriften. §§. 501-506.

III. Strafverfahren wegen Preßvergehen. §§. 507-514.