F B      Rechtsgeschichte

1330


GEN ZUR GESCHICHTE


NIEDERSACHSENS

lUSGEGEBEN   VOM   HISTORISCHEN   VEREIN   FÜR   NIEDERSACHSEN

Band 78

Friedrich Esajas Pufendorfs

Entwurf eines hannoverschen Landrechts

(vom Jahre 1772)

Herausgegeben von

Wilhelm Ebel

HILDESHEIM AUGUST LAX VERLAGSBUCHHANDLUNG


 



institut für Bttorreichische RechtsgescnldfiÜ

und Deutsches Recht

cler UniversHät Innsbruck

Innrain 52

Rg-M/  1150


Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens

Herausgegeben vom Historischen Verein für Niedersachsen

Band 78

Friedrich Esajas Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts (vom Jahre 1772)

Herausgegeben von Wilhelm Ebel

Hildesheim 1970 August Lax, Verlagsbuchhandlung


Friedrich Esajas Puf endors s

Entwurf eines hannoverschen Landrechts

(vom Jahre 1772)

Herausgegeben von

Wilhelm Ebel

UB INNSBRUCK

+C159887505

Hildesheim 1970

August Lax, Verlagsbuchhandlung

Rg-M/  1150


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Gedruckt mit Hilfe von Forsdiungsmitteln des Landes Niedersadisen

©   BUCHDRUCKEREI AUGUST LAX, HILDESHEIM



Entwurf

eines auf Veranlassung des weiland Herrn

Geheimten Raths von Behr verfaßten

CODICIS GEORGIANI


 


Inhaltsangabe                                                                                                                   3

Titul I.

Von Gesetzen und Gewohnheiten, Statuten, Ordnungen und Privilegien.

In diesem Titul soll bestimmet werden, was die Gerichte in Entscheidung uei Rechtssachen sich zur Richtschnur dienen lassen sollen, weichergestalt die Römi­schen oder Canonischen, oder auch andre Rechte zu befolgen seyn, wie eine Gewohnheit seyn und erwiesen werden müsse. Es wird ferner von Statuten der Städte, Gilde-Ordnungen und Privilegien, so weit es dienlich geschienen, ge­handelt.

Titul II.

Von Juden.

Dieser Titul begreifet den Handel der Juden, ob oder wie weit bey denen ver­gleiteten die Rechts-Gesetze Statt finden, sodann das Recht sie zu vergleiten, ihren besonderen Gerichts-Ort, und wie weit des Land-Rabbiners Entscheidung eintrete.

Titul III.

Von der Väterlidien-Gewalt und deren Aufhebung.

Die Sätze des Römischen Rechts von der Väterlichen Gewalt werden hier theils bestärket theils bestimmet, deren Dauer aber aus den heutigen Sitten festge­stellet, zugleich von der Einkindschaft und Legitimirung gehandelt.

Titul IV.

Von der Dinge Eintheilung.

Was für beweglich oder unbeweglich zu halten.

Titul V.

Von heiligen Sachen.

Was bey deren Gebrauch denen Evangelischen Kirchen-Rechten gemäß sey.

Titul VI.

Von Bau und Besserung der Kirchen und geistlichen Gebäude.

Ob der Patron dazu verbunden, und wenn und in wiefern die Eingepfarrten dazu verpflichtet seyn.

Titul VII.

Von Kirchen-Stühlen.

Was hievon in einigen Kirchen-Ordnungen bereits bestimmet, wird Allgemein gemacht, auch übrigens das weiter Nöthige festgesetzet.

Titul VIII.

Von Begräbnissen.

Von denen Beläutungen der Todten. Von denen bey Begräbnissen vorfallenden Gebühren. Von der Wahl eines Begräbnisses und von Durchfuhr der Leichen.


4                                                                                                                    Inhaltsangabe

Titul IX.

Von Pfarr-Herren und Pfarr-Witwen.

Wie des Pfarr-Herren Einsetzung nach dem Gandersheimischen Landtag-Ab­schied geschehen müsse. Bestimmung einiger Abgaben an den Pfarr-Herren und Küster. Erklärung der Lüneburgischen Kirchen-Ordnung wegen des Gehalts der Pfarr-Witwen.

Titul X.

Vom Gnaden-Jahr der Prediger und Superintendenten-Witwen. Ob und was hiebey denen Witwen zur Last zu schreiben sey.

Titul XI.

Vom Patronat-Recht.

Beschaffenheit desselben. Rechte des Patronen, und wie weit solche an dessen Person gebunden seyn.

Titul XII.

Von denen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen.

Welche Handlungen ihnen in denen Königlichen Deutschen Ländern zu ge­statten oder nicht zu gestatten seyn.

Titul XIII.

Von der Suspendirung vom Amt.

Wegen welcher Verbrechen sie Statt finde, und was sie würke.

Titul xrv.

Von Ladung.

Von der gerichtlichen Ladungen Einrichtung und Kundmachung.

Titul XV.

Von Prorogationen und Dilationen.

Was bey Verlängerung der gerichtlichen Termine zu beobachten sey.

Titul XVI.

Von gerichtlichen Klagen.

Von deren Einrichtung, und wie weit jemand einer angestellten Klage sich begeben könne.

Titul XVII.

Von denen Rechtsmitteln aus dem lege Diffamari, und lege Si contendat. Deren Stattnehmigkeit und Anwendung wird bestimmet.

Titul XVIII.

Vom Mandat-Proceß.


Inhaltsangabe                                                                                                                   5

Titul XIX.

Von Vereinigungen und Verträgen.

Deren heutige Verbindlichkeit, Erklärung der Land-Ordnungen. Verbindlichkeit gegen einen Dritten. Wie von einem Vertrage abzugehen. Wie er zu erfüllen. Von Vergleichen, und wenn sie Statt haben, auch ob derowegen Verletzung zu­rückzugehen stehe.

Titul XX.

Von unnützen Versprechen.

Titul XXL

Von Advocaten.

Von deren verbotenen Verträgen mit ihren Partheyen.

Titul XXII.

Vom Irrthum der Advocaten.

Wenn und in wiefern des Advocaten Vortrag verbindlich sey.

Titul XXIII.

Von Procuratoren.

Titul XXIV.

Von ehrlosen Personen.

Welche Personen dafür zu halten seyn.

Titul XXV.

Von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Ob sie ein jeder Richter ertheilen könne. Deren Grund. Welchergestalt sie un­mündigen Soldaten, Kirchen, Geistlichen Stiftungen und Städten, auch Partheyen gegen ihres Sach- oder Anwalds Versehen angedeye. Wenn sie gegen gericht­liche Erkenntnisse Statt finde. Welchergestalt es immittelst bey der bisherigen Lage der Sache zu lassen. Wann wegen eines Betrugs der Vertrag ganz nichtig sey. Von der Art zu verfahren.

Titul XXVI.

Von Compromiß- und Schieds-Richtern.

Wiefern es bey solchem Ausspruch zu lassen. Unterschied eines Ausspruchs und Bestimmung. Ob ein Compromiß auf die Gerichte Statt finde. Ob es in Ehe-Sachen zuläßig sey. Befugniß eines Sdiieds-Richters.

Titul XXVII.

Vom Herbergiren.

Das Römische Recht wird völlig beybehalten und erkläret.


6                                                                                                                     Inhaltsangabe

Titul XXVin.

Von Gerichts-Oertern.

Wo ein jeder nadi Beschaffenheit der Sachen Recht zu geben und zu nehmen habe. Die dabey vorfallenden mannichfaltigen Zweifel werden erörtert.

Titul XXIX.

Von der Perhorrescenz eines Richters.

Wie und in welcher Maße dieselbe zu verstatten.

Titul XXX.

Von Policey-Sachen. Deren Bestimmung.

Titul XXXI.

Von Lehn-Sachen und Lehn-Gerichten. Erörterung derselben.

Titul XXXII.

Von der Holz-Gräfenschaft. Beschaffenheit dieser Gerichtsbarkeit.

Titul XXXIII.

Von Besprechung des Eigenthums.

Hier fällt zwar aus denen Römischen Rechten nichts zu erörtern vor. Es hat aber nach der angenommenen Ordnung der Pandekten nirgends füglicher als hier bestimmt werden können, was für Rechte bey Anfall des Lehns zwischen dem Lehnfolger und dem Land-Erben wegen Erstattung des Werths und andrer Besserung, wie auch der Auskünfte des Sterb-Jahres eintreten. Welches, so viel thunlich, in Gewißheit gesetzet wird.

Titul XXXIV.

Von besondern Verbindlichkeiten der Brüder oder Vettern gegen die Land-Erben.

Wie es insonderheit wegen bezahlter elterlicher Schulden oder der bezahlten Ablegung von Lehn zu halten.

Titul XXXV.

Von neu angekauften Lehnen und dabey vorfallenden Gedingen.

Titul XXXVI.

Von der Lehns-Inkorporirung und Lehns-Pertinenzen.

Wie und woher solche zu beurtheilen seyn.


Inhaltsangabe                                                                                                                   7

Titul XXXVII.

Von After-Belehnungen.

In wiefern solche nach Eröffnung oder Anfall des Haupt-Lehns bestehen.

Titul XXXVIII.

Von Lehns-Investituren.

Ob dadurch insonderheit ein dingliches Recht erlanget werde.

Titul XXXIX.

Von Lehns-Veräußerungen.

Titul XL.

Von Félonie.

Ob der Vasall wegen begangener Félonie seines Lehns vor erfolgtem Erkennt­niß für beraubt zu halten, und welche Nachsicht dabey eintreten müsse.

Titul XLI.

Titul XLII.

Von allerhand Arten der Lehne

Von Sonnen-Lehnen, von Kaphans-Lehnen, von aufgetragenen, und von Weib­lichen Lehnen.

Titul XLm.

Von verschiedenen Arten der Bemeyerung.

Von der Bemeyerung für den Meyer auf dessen Lebenszeit, oder auf gewisse Jahre.

Titul XLIV.

Von der nutzbaren Vormundschaft bey Meyer-Gütern.

Worin des einfreyenden Stiefvaters Rechte und Pflichten bestehn, auch wie lange sie zu erstrecken.

Titul XLV.

Vom Weinkauf.

In welchem Fall derselbe eintrete, wie hoch er zu bestimmen, und ob wegen dessen versäumter Entrichtung der Meyer seines Rechts verlustig werde.

Titul XLVI.

Von Abmeyening.

Wie vieler Jahre Nachstand dazu erfordert werden. Wie sie bey dem Nachstand nicht weiter Statt finde. Ob die geschehene Abmeyening auch denen Kindern, der Ehefrau und denen Verwandten schade. Wem unter mehrern Gutsherrn die Abmeyerung zustehe.


8                                                                                                                     Inhaltsangabe

Titul XL VII.

Von Zehenten.

Die Zehenten sind Frucht-Zinsen. Deren Einfahrung, Umfang des Zehent-Rechts, Rott-Zehnten, Sack-Zehnten, Streu-Zehnten.

Titul XLVIII.

Von Dienstbarkeit der Güter.

Wer eine Dienstbarkeit behauptet, muß solche gegen den Eigenthümer be­weisen, wenn er gleich im Besitz des Rechts ist. Wenn eine Dorfschaft als gleich­sam Eigenthümerin anzusehen sey. Dienstbarkeit der Hud Weide, wie weit sie sich erstrecke. Ob oder wiefern sie das Recht und den Gebrauch des Eigen­thümers ausschließe, oder beenge. Von Holz- und Torf-Gerechtigkeit. Ob der nutzbarliche Eigenthums-Herr dem Gut eine Dienstbarkeit auflegen könne. Von Ausmachung eines unentbehrlichen Weges. Von Verlust dienstbarlicher Rechte durch den Nicht-Gebrauch und von Verjährung der Freyheit.

Titul XLIX.

Von Anwendung der dienstbarlichen Rechte.

Wie fern diese Anwendung Statt finde. Welche Verjährung dabey eintrete. Ob und wie willkührliche Dinge durch den Nichtgebrauch verloren gehen.

Titul L.

Von Klage wegen zugefügten Seihadens.

Die Römischen Rechte werden denen natürlichen gemäß näher bestimmt. Von Vergeltung wegen Schmerzen und mehrern dabey vorfallenden Fragen.

Titul LI.

Von Theilung der Erbschaften und gemeinen Güter.

Ob und wann dergleichen Theilungen wegen angegebener Verletzung Tück­gängig gemacht werden können. Vom Vorzuge desjenigen, welcher den größten Theil an der Sache hat. Ob bey Theilungs-Klagen eine Verjährung Platz finde.

Titul LII.

Von der Mehrheit der Stimmen in gemeinschaftlichen Rechten.

Wenn die Mehrheit der Stimmen in gemeinschaftlichen Dingen einen Ausschlag geben könne.

Titul Lin.

Vom Spiel.

Welche Spiele für erlaubt zu halten. Ob Spiel-Gewinnste eingeklaget oder zu­rückgefordert werden können. Vom Spiel der Dienstboten.

Titul LIV.

Vom Darlehn.

Von der Einrede der nicht geschehenen Zahlung. Von Schulden der Haus-Söhne,


Inhaltsangabe                                                                                                                   9

und dem Macedonianischen Rathschluß. Von unzulässigen Neben-Gedingen. Von einer bloßen Zusage, Geld herzuleihen. Wie die Erstattung bey verändertem Münzfuß geschehe. Von dem Versprechen, in jedesmal gangbarer Münze zu erstatten.

Titul LV.

Von eidlichen Verpflichtungen.

Der Eid bestätiget keine an sich nichtige und unkräftige Handlungen. Wovon Exempel berühret werden. Welche Worte zu einer eidlichen Verpflichtung er­forderlich seyn.

Titul LVI.

Von gerichtlichen Eiden.

Wie die gerichtlichen Eide abzustatten. Erklärung der Bremischen Hofgerichts-Ordnung wegen der Eides-Delation. Ob ehrlose Personen einen Eid zuschieben können. In welchen Sachen die Eides-Zuschiebung Statt finde, oder nicht. Ob den Königlichen Beamten in Amts-Sachen ein Eid zugeschoben werden könne. Vom Eide der Erben, der Pfleger ganzer Gemeinen oder vieler Interessenten. Von der Eideszusdiiebung nach verflossenem Beweis-Termin. Vom Eide für Bosheit. Von der Eides-Abstattung durch Gevollmächtigte. Vom Eide der Juden. Ob ein vom Richter auferlegter, und von der Parthey zwar angenommener, aber Absterbens halber nicht geleisteter Eid für geleistet anzunehmen sey. Von überflüssigen, aber in der Rechtskraft berühmten Eiden. Vom juramento in litem. Wenn die Größe der Schuld durch des Gläubigers Eid zu erhärten stehe.

Titul LVII.

Von Handlungs-Vorgesetzten, oder in Rechten sogenannten Institoren.

Titul LVin.

Von der Niederlage zu treuer Hand.

Ob desfalls in Concursen ein Vorzugs-Recht Statt habe.

Titul LIX.

Von Auftrag und Vollmacht.

Ob der Gewaltgeber hafte, wenn der Gevollmächtigte die Schranken der Voll­macht überschritten. Bey mehrern Gewaltgebem haftet ein jeder ohne Theilung für das Ganze. Wie weit ein Gevollmächtigter oder Vorgesetzter aus dem von ihm getroffenen Handel von dem Dritten zu belangen stehe. Wann die Er­lassung am Kaufgelde dem Gevollmächtigten und nicht dem Gewaltgeber zu gute komme. Von Blanketen. Wann der zum Handel Gevollmächtigte auch das Kaufgeld heben könne. Von denen von Bürgen bezahlten Zinsen. Von ver­mutheter Vollmacht.

Titul LX.

Von Gesellschaft.

Wie weit ein Gesellschafter für eine Schuld der ganzen Gesellschaft hafte. Wie fern es erlaubt sey, aus der Gesellschaft zu treten. Von Fortdaurung der Ge­sellschaft zwischen den Erben.


10                                                                                                                   Inhaltsangabe

Titul LXI.

Vom Kauf und Verkauf.

Vom Kauf und Verkauf, welche in Schriften geschehen sollen. Vom Verkauf zu einer gewissen Masse, wie der Mangel zu ersetzen. Wie bey einem Verkauf in Bausch und Bogen. Von der beym Kauf-Preis anzunehmenden Münz-Sorte. In wie fern bey nicht erfolgtem Kaufgelde der Verkäufer an die verkaufte Sache sich halten könne. Von dem beym Verkauf vorfallenden Lehn-Gelde. Vom Näher-Kauf. Von öffentlichen Feil-Bietungen. Von der Gewährleistung und der zu dem Ende nöthigen Verkündigung. Von der Pferde-Wandelung. Von einer Verletzung über die Hälfte.

Titul LXII.

Von Übertragung einer Schuld oder Forderung.

Weichergestalt solche bündig geschehe. Von Übertragung persönlicher Vorzugs-Rechte. Wenn die übertragene Schuld zu gewähren sey.

Titul LXIII.

Von Miethe und Verding.

Ob und wenn der Mieths-Mann den Vermiether wegen dessen eigner Bedürfniß weichen müsse. Wenn er wegen Verkaufs weiche. Von stillschweigender Er­neuerung der Miethe oder Heuer. Von anzunehmender Münzsorte. Vom Näher-Recht der Pächter öffentlicher Güter. Von der Verpachtung zu einer gewissen Masse. Von der Verletzung über die Hälfte. Von den Unglücksfällen und Ver­lust. Vom überlassenen Vieh-Stapel. Vom Schaden der Vieh-Seuche. Von denen Krieges-Schäden und Lasten. Von öffentlichen neuen Steuern. Von Reparationen. Von Zurücknehmung der Pacht wegen Pacht-Nachstandes. Ob der Pächter ohne richterliche Hülfe zu vertreiben. Ob er in Krieges-Zeiten das Gut verlassen könne. Von Gesinde. Vom Verding einer Arbeit.

Titul LXIV.

Von Pfand- und Wiederkaufs-Rechten.

Von den Hypotheken vor Notarien und Zeugen, wie auch von denen vor 3 Zeugen errichteten. Wie die gerichtlichen Hypotheken zu bestellen. Von still­schweigenden gesetzlichen Hypotheken. Von gerichtlichen anerkannten Hypo­theken. Von dem Unterpfand des Gläubigers, welches durch gerichtliche Hülfe und Einweisung entstehet. Vom Anfang einer Hypothek. Von Erbgeldern, vor-behaltenem Eigenthum oder Hypothek, und Familien-Fideicommissen. Von Kosten der letzten Krankheit, Trauerkosten, Dienerlohn, Lasten des Guts. Von mancherley Arten stillschweigender gesetzlicher Hypotheken und deren Bestim­mung. Von Lehns-Hypotheken, deren Kraft, Würkung und Dauer. Von den Zinsen eines mit Pfand-Recht versehenen Capitals. Von veränderter Ordnung der Pfand-Gläubiger. Vom Genuß des Pfandes. Von gleichwichtigen Pfand-Gläubigern. Von des Pfandes Wiedereinlösung. Vom Wieder-Kaufs-Contract. Vom Verkauf des Unterpfandes. Von der generalen und specialen Hypothek.

Titul LXV.

Von Zinsen.

Von Zinsen des Verzugs, und wie hoch sie zu bestimmen. Wenn Zinsen zu Sechs aufs Hundert zugestanden. Ob rückständige Zinsen in einen Hauptstui verwandelt werden können. Von Zinsen, welche sich über den Hauptstui er-


Inhaltsangabe                                                                                                                 11

strecken. Zinsen laufen nach der Bekümmerung fort. Wenn Kaufleute Zinsen fordern mögen. In welcher Münze die Zinsen zu entrichten. Von bezahlten ge­ringern Zinsen oder Renten. Welche Verjährung bey jährlichen Renten Statt finde.

Titul LXVI.

Vom Beweis

Von dessen Antretung. Von einem nachgelassenen unnöthigen Beweise. Von Erweiterung des Beweises. Vom gleichgültigen Beweise. Vom Beweis-Termin.

Titul LXVII.

Vom Beweis durch Zeugen.

Ob nach eröffneten Kundschaften ein neues Zeugen-Verhör Statt finde. Von Notariat-Zeugen-Verhören. Von jüdischen Zeugen. Ob Eltern und Kinder, Mann und Frau, auch Verwandte für einander zeugen können. Ob berüchtigte oder wegen bruchfälliger Sachen bestrafte, auch ehrlose Personen zum Zeugniß zu lassen. Von Bedienten und gewesenen Unterhändlern. Vom Beweis zum immerwährenden Gedächtniß.

Titul LXVIII.

Vom Beweis durch briefliche Urkunden.

Vom Beweis der Unrichtigkeit eines Protocolls. Von Vollziehung der Notariat-Instrumente. Von den Niederschriften eines Richters. Von beglaubigten Ab­schriften der Notarien. Von Amts- und Lagerbüchern. Von Schreibensuner­fahrenen oder welche denen gleich zu halten. Von Urkunden, welche sich auf andre beziehen. Von Bruch-Registern. Wie die Wahrheit einer Urkunde durch Zeugen oder Vergleichung der Buchstaben zu erweisen. Von Archiv-Nachrichten. Von Handels-Büchern.

Titul LXIX.

Von Edirung brieflicher Urkunden.

Von Edirung der Amts- und Gerichts-Bücher. Wann der Beklagte zur Edirung verbunden. Von Edirung der Testamente und frommer Stiftungen, auch anderer hieher gehörigen Fragen.

Titul LXX.

Von der Unwissenheit des Rechts, und dessen, was vorgefallen ist.

Wann die Lehre der gemeinen Rechte von der Unwissenheit oder Irrthum des Rechts eintrete. Von Bauersleuten. Von der Unwissenheit des durch die öffent­lichen Blätter angezeigten.

Titul LXXI.

Von Ehe-Verlöbniß.

Ausdehnung und Erläuterung der Ehe-Verlöbniß-Ordnung. Auf welchen Ort in Ansehung der Zeugen zu sehen sey. Wohin die Flecken gehören. Von der Gegenwart des Predigers. Was wegen der Zeugen zu beobachten. Von Zuzie­hung der Obrigkeit. Von nachzusuchender Einwilligung der Eltern und des


12                                                                                                                   Inhaltsangabe

Chefs. Ob bey nicht ordnungsmäßigen Verlöbnissen eine Klage wegen Beschimp­fung Statt finde. Ob Verlobte von einem Ehe-Versprechen für sich zurück gehen können. Ob wider ein Ehe-Versprechen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eintrete. Was sonst zu beobachten, wenn ein Theil zurücktreten will, und wie weit ein Zwang Platz habe. Von zurückzugebenden Geschenken.

Titul LXXIL

Von der Ehe.

Von priesterlicher Trauung und deren Würkung. Von der Heyrath mit dem Vor­mund oder dessen Kinde. Von Ehen, welche wider die göttlichen oder Kirchen-Gesetze vollzogen werden. Von Anfechtung der Ehe wegen Untüchtigkeit. Ob das Alter eine Ehe hindre. Von vorhin verhehlten Umständen. Von ange­gebener Gewalt. Vom Vergleich wider die Ehe. Von der zweyten Ehe. Ob eine Ehe wegen übler Begegnung zu trennen. Von der Scheidung vom Tisch und Bette. Aus welchen Ursachen eine Ehe gänzlich zu trennen. Von Verzeihung des Ehe­bruchs.

Titul LXXIII.

Von Mitgiften und Gegen-Vermachung.

Recht der Aussteuer. Was ohne ausdrückliches Versprechen für Brautschatz zu halten. Wenn die Frau bey des Mannes schlechten Umständen die Mit­gift an sich nehmen könne. Ob der Vater seine Tochter zum zweyten Mal und der Bruder seine Schwester auszustatten schuldig. Von der Aus­stattung aus dem Lehn. Wenn in Concursen die Einbringung durch des Mannes Quitung erwiesen werde. Was bey der Zurückforderung aus dem Lehn zu erweisen. Wie fern ein versprochener Brautschatz aus einem Concurs zu fordern. Die Mitgift bleibet der Tochter Kindern ohne Rückfall an den Vater. Von Ehestiftungen. Von Gegen-Vermächtnissen. Vom Leibgeding. Vor­zugs-Recht des Brautschatzes und ob es auch Juden-Weibern zu Statten komme. Ob der Brautschatz dem Fisko vorgehe. Ob das mit dem Brautschatz angekaufte für Brautschatz zu halten. Pfand-Recht des Gegen-Vermächtnisses. Von der Morgengabe. Vom Paraphernal-Gut. Wann durch Ehestiftungen die statuarische Erbfolge ausgeschlossen werde.

Titul LXXIV.

Von Mitgift an liegenden Gründen.

Von deren Veräußerung. Von Mitgift eines Mann-Lehns.

Titul LXXV.

Von der Unterhaltung anderer.

Welche Personen vorzüglich dazu verbunden. Von der Unterhaltung aus dem Lehn. Was unter der Unterhaltung begriffen. Von deren Dauer und Verfall.

Titul LXXVI.

Von Vormundschaften.

Von Vormundschaft der nächsten Blutsverwandten der Mutter und der Stamm-Vettern. Von Curatel-Dauer der testamentirlichen Vormundschaft, über Vor­mundschaften finden keine Verträge Statt. Von der mütterlichen Vormundschaft nähere Bestimmung. Ob ein Mann seiner Ehefrauen, ein Schwieger-Vater seiner


Inhaltsangabe                                                                                                                 13

Schwieger-Tochter Vormund seyn könne. Von Vormundschaften der Soldaten, des Stiefvaters, der Räthe, der Geistlichen. Von denen, welche an die Unmündi­gen einen Anspruch haben. Von ehrlosen Personen. Ob die für mündig erklärten Vormünder seyn können. Welche Zahl Kinder von der Vormundschafts-Last befreye. Für welche Obrigkeit die Bevormundung gehöre. Von Bestellung eines Neben-Vormundes. Ob ein der Obrigkeit nicht Unterworfener zum Vormund anzunehmen. Von der Vormundes Macht und Gewalt. Von Besorgung der Be­vormundung. Von der Rechnungs-Ablegung und Verwaltung. Von der Ver­fertigung eines Inventarii. Von Unterrichtung der Vormünder. Von der Jugend Erziehung. Von Ausleihung der Capitalien. Ob quitirte Rechnungen anzufechten. Was nach geendigter Vormundschaft dem mündig gewordenen selbst obliege. Von Veräußerung der unbeweglichen Güter. Ob dem Vormund eine Vergeltung gebühre. Wie der Vormund wegen seines Vorschusses gesichert sey. Recht der Pflegebefohlnen an des Vormunds Gütern. Von der Mündig-Erklärung.

Titul LXXVIL

Von Testamenten und letzten Willen überhaupt.

Nach welchen Rechten selbige zu beurtheilen. Wann alle Feyerlichkeiten zu ver­muthen seyn. Von einem in einem Umschlage verschlossenen letzten Willen. Von gerichtlich niedergelegten Testamenten und wie und wo die Niederlage ge­schehen könne. Von deren Zurücknehmung. Von dem Fall, da das Testament nicht würklich vorhanden ist. Von Tauben und Stummen. Von Schreibens-Uner-fahrnen. Von Kranken und Schwachen. Von denen mit einer hitzigen Krankheit befallenen. Von Verordnungen zu einem gottseligen Gebrauch. Von denen zum Tode verdammten. Von Testamenten nach Lübischem Recht. Ob über Erbgut zu testiren. Von Stamm-Gütern. Von Familien-Fideicommissen. Ob ein Vater über das Lehn testiren könne. Von verschiedenen zu Erhaltung eines Testaments an­gehängten, oder anzunehmenden Clausein. Von Widerrufung eines Testaments vor 7 Zeugen. Von verflossenen 10 Jahren nach Errichtung des Testaments. Von Testamenten der Soldaten und der Eltern und Kinder. Vom Testament bey Pestzeiten. Vom Codicill.

Titul LXXVIII.

Von widerseitigen und rücksiditslichen Testamenten.

Ob sie unter Eheleuten unwiderruflich, und wie sie zu widerrufen. Von der Verbind- oder Unverbindlichkeit des überlebenden Ehegatten. Erörterung ver­schiedener dabey vorfallenden Fragen.

Titul LXXIX.

Von den Pflichten der Eltern, Kinder und Brüder in Ansehung der Erbeinsetzung.

Ob ein Testament nichtig oder nur pflichtwidrig sey, wenn ein Vater die nicht unter seiner Gewalt stehenden Kinder oder eine Mutter ihre Kinder, imgleichen ein Kind seine Eltern vorbeygehe. Von der Enterbung, da gar keine, oder doch keine in den Gesetzen gebilligte Ursachen ausgedrücket worden. Ob andre als die in den Gesetzen namentlich ausgedrückten Ursachen der Enterbung Statt finden. Ob eine Enterbung auch bey angenommenen Kindern zulässig sey. Ob auch Halb-Brüder von mütterlicher Seite ihres Bruders Testament als pflicht­widrig anfechten können, und andere hiebey vorfallende Fragen. Von der Ent­erbung aus guter Absicht. Von einer erfolgten Aussöhnung. Besondere Rechts­fragen. Wie der Eltern und Brüder Pflichttheil zu rechnen. Verschiedene Fragen


14                                                                                                                   Inhaltsangabe

wegen Berechnung des Pflichttheils. Mehrere aus Land- und Stadt-Rechten vor­fallenden Fragen, auch Erklärung der gemeinen Rechte. Von pflichtlichen Schen­kungen. Von der Cautela Socini.

Titul LXXX.

Von Erbeinsetzung und Substitution und Auftrag einer Zurückgabe der Erbschaft.

Von den Worten der Erbeinsetzung. Von Vorbehalt der Anzeige des Erben. Vom Stillschweigen der Erbeinsetzung. Von böslich erpreßter oder abgelockter Erbeinsetzung. Von den gemeinen und pupillarischen Substitutionen. Von uni­versal Fideicommissen. Von der Rückgabe dessen, das bey des Erben Absterben übrig bleiben werde. Was die Kinder bey einem universal-Fideicommiß ab­ziehen können. Mehrere Fragen vom Abzug des trebellianischen Viertels.

Titul LXXXI.

Von Annehmung und Erwerbung der Erbschaft, auch Erbtheilung.

Ob die unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder beweisen müssen, daß sie sich der väterlichen Erbschaft enthalten. Von dem Vorfall, da der Erbe aus Un­wissenheit oder sonst die Erbschaft nicht angetreten. Ob der Besitz ohne Er­greifung auf den Erben gehe. Von der Rechts-Wohlthat des Inventarii und Be­raubung der damit verknüpften Vortheile. Von schuldiger Einwerfung in die Erbschaft, und was dahin zu rechnen. Wie weit Kindes-Kinder dazu verbunden. Wie weit die Einwerfung bey einem vorhandenen Testament Statt finde. Von Einwerfung der Kinder gegen die Frauen nach Stadt-Recht. Von Einsetzung der Erben in eines lang abwesenden Güter.

Titul LXXXII.

Von Eröffnung der Testamente.

Welchergestalt bey denen äusser-gerichtlich vollzogenen Testamenten ein Unter­schied zu machen sey.

Titui LXXXIII.

Von dem Testaments-Vollstrecker.

Wie er anzusehen, und worin dessen Schuldigkeit und Gewalt bestehe. Ob ein Gericht durch Annehmung eines niedergelegten Testaments die Vollstreckung übernommen habe.

Titul LXXXIV.

Von Vermächtnissen und besonderen Zurückgaben.

Unterschied der Vermächtnisse und besondere Zurückgaben. Von Vermächtnis­sen zu gottseligem Gebrauch. Von einem von dem Erben geschehenen münd­lichen Auftrag. Vom Vermächtniß einer fremden Sache. Von Vermachung eines gemeinen Gutes. Von einem auf Gutfinden des Erben gestellten Vermächtniß. Von aufgegebener Vertheilung eines Vermächtnisses oder Erwählung zu dem­selben. Von Vermächtnissen eigener Schuld. Von Aufhebung eines Vermächt­nisses. Von Zuwachs-Recht. Von der Bedingung nicht zu heyrathen. Von Auf­hebung der Fideicommisse.


Inhaltsangabe                                                                                                                 15

Titul LXXXV.

Von denen gesetzlichen Erbschaften.

Von der Erbfolge solcher Kinder, deren Eltern sich antrauen zu lassen schuldig gewesen. Von denen in verbotenem Grade aus der Ehe erzeugten Kindern. Von denen im Ehebruch erzeugten, deren Eltern sich aber nachhero ge-heyrathet. Von Erbfolge der Mantel-Kinder in Lehn-Güter. Von der Erbfolge derer aus fürstlicher Gewalt für rechtmäßig erklärten Kinder. Von denen aus einer Ehe zur linken Hand erzeugten Kindern. Von der Erbfolge unehlicher Kinder. Von der Erbfolge derer Großeltern nebst denen leiblichen Geschwistern. Von Erbfolge derer Brüder-Kinder zugleich mit denen Eltern. Von der Erb­folge derer durch Einkindschaft zusammengebrachten Kinder. Von der Erbfolge zweyerley Halb-Gesdiwistern. Von der weitern Halb-Geburt. Von der Erb­folge derer Seiten-Verwandten im Lehn. Ob die Erbfolge der Stamm-Vettern im zehnten Grad aufhöre. Von der Erbfolge bey getheilten Lehnen. Von der Erbfolge unbemittelter Eheleute. Von Beerbung der Eheleute nach Stadt-Rechten.

Titul LXXXVI.

Von der Erbfolge in Meyer-Gütern.

Wie die desfalls zu verhoffende Ehestiftung einzurichten und zu verstehen. Ob dazu der Geschwister Einwilligung nöthig sey. Von der Erbfolge der Kinder, Söhne und Töchter. Von der Erbfolge derer Nachkommen. Von der Erbfolge unehelicher und ausgestatteter Kinder.

Titul LXXXVII.

Von Folgen aus Geding.

Ein einseitiges Versprechen der Erbfolge ist nicht bündig. Wie weit eine wider­seitige Verschreibung bestehe. Von Eheleuten. Andere dabey vorfallende Fragen. Von dem Vertrage über die Erbschaft eines Dritten noch lebenden. Von der Adelichen Töchter oder Schwestern Entsagung der Erbschaft. Von Einkind-schaften und dabey vorfallenden Fragen. Von der Sammt-Belehnung. Von Lehns­und andern Anwartschaften.

Titul LXXXVHI.

Von Frohn-Diensten.

Titul LXXXDC.

Vom Bau aus Eifersucht.

Titul XC.

Von Schenkungen unter Lebendigen und auf den Todesfall.

Von gerichtlicher Einhändigung der Schenkungen unter den Lebendigen und denen dabey vorfallenden Zweifeln. Von der Schenkung aller Güter. Vom Zu­rückfall des Geschenkten wegen nachher geborner ehelicher Kinder. Von pflicht­widrigen Schenkungen. Wie weit eine Annehmung der Schenkung erforderlich sey. Von Schenkungen unter gewissen zu erfüllenden Bedingungen. Von der Verzinsung. Von Schenkung auf den Todesfall.


16                                                                                                                   Inhaltsangabe

Titul XCI.

Von Mühlen.

Von Anlegung neuer und Wiederherstellung eingegangener Mühlen. Von Bann-und Zwang-Mühlen. Von Roß-Mühlen und Erörterung der alten Mühlen.

Titul XCII.

Von Krug-Gerechtigkeit.

Von wem die Ertheilung der Krug-Gerechtigkeit abhänge. Von Zwangs-Krügen, und was unter Zwang begriffen.

Titul XCIII.

Von der Jagd.

Von Herrschaftlichen und andern Wildbahnen und Forsten, und welche Zeit darin zu Verjährung der Jagd erforderlich. Von der einem jeden freyen Land­sassen sonst zustehenden Nieder-Jagd. Von Vervielfältigung der Jagd. Von Verfolgung angeschossenen Wildes Vorbehalt.

Titul XCIV.

Vom Besitz.

Ob der Besitz auf die Erben von selbst übergehe. Von der Besitznehmung in eines anderen Namen ohne ausdrückliche Vollmacht. Ob der Lehns-Herr das Lehn zugleich mit dem Lehn-Mann besitze. Von Besitznehmung eines erledigten Lehns. Vom Constituto possessorio. Wenn die Handhabung bey dem Besitz Statt finde, und wenn darüber hinauszugehen. Von der Entsetzung aus dem Besitz. Von der Selbst-Hülfe. Von der Bemächtigung einer unterpfändlich verschriebe­nen Sache. Von der Einweisung in Besitz einer Erbschaft aus einem mit keinem sichtbaren Mangel behafteten Testament. Vom Interdicto quorum bonorum.

Titul XCV.

Vom Recht der Zurückhaltung fremder Dinge. Wenn und wie weit dasselbe Statt finde.

Titul XCVI.

Von Verjährung.

Welche Verjährung bey Guts-Dienstbarkeiten erforderlich sey. Von Verjährung der Dinge. Von freyem Gebrauch. Vorziehung der Kaiserlichen Rechte vor denen Canonischen. Von Verjährung persönlicher Anforderungen. Von der undenk­lichen Verjährung und deren Beweis.

Titul XCVII.

Von Urtheil und Recht.

Von Gleichheit der Stimmen. Welchergestalt die Mehrheit der Stimmen zu be­urtheilen. Welche Stimme für entscheidend anzusehen. Von Abfassung der Urtheile und Erkenntnisse. Von Abfassung peinlicher Urtheile bey den patri-monial-Gerichten. Von Rechtskraft der Urtheile in Ehe-Sachen. Von Würkung einer Rechtskraft gegen einen Dritten. Von Verjährung einer auf Vollstreckung


Inhaltsangabe                                                                                                                 17

eines Erkenntnisses gerichteten Klage. Wie weit Verwandschaft einen Besitzer von seiner Stimme ausschließe.

Titul XCVIII.

Von Arresten.

Deren Stattnehmigkeit und Würkung.

Titul XCIX.

Von exekutivischen Klagen. Wann selbige eintreten.

Titul C.

Vom Geständniß.

Titul CI.

Von Indulten, Regulativen und Nachlassen der Gläubiger.

Wie bey gerichtlichen Regulativen und Indulten zu verfahren. Wie weit die Mehrheit der Gläubiger entscheide. Verschiedene bey dem Induit. Welche Schul­den unter einem Induit nicht begriffen. Ob der Induit auch dem Bürgen zu gute komme. Was durch den Induit nicht rückgängig werde. Von neuen Schulden. Von Nachlassung eines Theils der Schuld.

Titul CII.

Von Berufung der Gläubiger.

Wie es damit zu halten, wenn die Güter in verschiedenen Gebieten belegen. Ob der Concurs alle andre Klagen an sich ziehe. Wenn der Concurs entstehet. Bestätigung und Erläuterung der Verordnung vom 2./13. Jan. 1750. Wie fern die nicht geschehene Anmeldung schade. Amt des Pflegers. Von den Concurs-Kosten. Wie bey Concursen zu verfahren. Welche Rechte von dem Richter zum Grunde zu legen. Von Zuerkennung Zinsen und Kosten. Vom persönlich privile-girten Gläubiger. Wie es wegen stadtpflichtiger Güter zu halten. Von Losschlag und Subhastirung der Güter. Vom Zinslauf wärenden Concurses. Ob gegen eine verspätete Anmeldung zum Nachtheil der bereits befriedigten Gläubiger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Platz nehme. Weichergestalt gegen eine Erstigkeits-Urthel Rechtsmittel einzuwenden seyn. Was nach der Erstigkeits-Urthel vom Gerichte zu besorgen und wie den Gläubigern zu dem ihrigen zu verhelfen. Vom Überschuß des Concurses. Was eine zur Sicherheit der Erben oder eines Käufers ausgebrachte Berufung würke.

Titul CHI.

Von Absonderung der Erbschaftlichen und der Erben Güter. In wiefern es derselben nicht bedürfe.

Titul CIV.

Von Veräußerungen eines unvermögenden Schuldners.

Von denen bey bevorstehendem Concurs geschehenen Veräußerungen. Von Zu­rückstoßung angefallener Erbschaften.


18                                                                                                                   Inhaltsangabe

Titul CV.

Von Teich-Sachen.

Titul CVI.

Von den öffentlichen Straßen.

Titul CVII.

Von Pfändungen.

Wenn und in welcher Maße sie Statt finden, und deren Würkung.

Titul CVin.

Von Veräußerungen streitiger Güter.

Titul CIX.

Von Bürgschaften.

Von den Bürgschaften derer von Adel nach der Lüneburgschen Policey-Ordnung. Von Bürgschaften der Geistlichen und Militairpersonen. Von Verbürgungen des weiblichen Geschlechts, insonderheit derer Ehefrauen für ihre Ehemänner. Von des Bürgen Erben. Von den Rechts-Wohlthaten der Bürgen, und deren Ent­sagung. Von der Bürgen Entschädigung. Von Verbürgungen zu gesammter Hand.

Titul CX.

Von Zahlung, Gegen-Rechnung und Befreyung.

Von der Kraft einer Quitung. Von vermutheter Zahlung. Wie das aus der Con-curs-Masse Bezahlte anzurechnen. Wann und wiefern ein Gläubiger schuldig, Sachen Statt baaren Geldes anzunehmen. Von der Gegen-Rechnung einer erst nachhero klar gewordenen Schuld. Verschiedene bey Gegen-Rechnungen vor­fallende Fragen.

Titul CXI.

Von Injurien-Klagen.

Titul CXII.

Von denen wider ergangene Erkenntnisse stattnehmigen Rechts-Mitteln.

Von der Appellation in peinlichen Sachen. Ob ein Denunciant und ein Ankläger appellieren könne. Vom General-Krieges-Gericht. Von Polizey-Strafen. Von an­dern Geld-Strafen. Von der Appellations-Summe. Von Halsstarrigungehor­samen. Wo die Appellation einzulegen. Von Nachsuchung der Acten. Von Ein­führung der Appellation bey dem Ober-Appellations-Gericht. Welcher Richter gegen das begangene Versäumniß in den vorigen Stand setze. Von der Verwer­fung der Appellationen und wie bey denen Partheyen dabey zu helfen. Von der Verbesserung durch Rescripta. Vom possessorio summariissimo und momen­taneo. Von Aliment-Sachen, exekutivischen Schuld-Klagen, Teich-Sachen und wo schleunige Hülfe erforderlich. Von Entsagung der Appellation. Von Pacht-Sachen. Ob wegen der Kosten appelliret werden könne. Wenn der Unterrichter fort­fahren könne. Von der Appellation in Lehns-Sachen. Wie weit die Appellation eine beiden Teilen gemeine Rechts-Wohlthat sey. Wie nach erkannten Processen


Inhaltsangabe                                                                                                                 19

künftig bey allen höhern Gerichten zu verfahren sey. Von dem Fall, da die eine Parthey an dieses, die andre an ein anders höheres Gericht appelliret, oder der eine appelliret, und der andere leuteriret oder suppliciret. Ob der Ober-Richter bey einer Appellation über ein Bey-Urtheil in der Hauptsache erkennen möge. Von der Leuterung und Supplication. Von denen remediis restitutionis in integrum und querelae nullitatis.

Titul CXIII.

Vom Mäkler-Lohn.

Titul CXIV.

Von Gelübden und Antragungen.

Titul CXV.

Vom Diebstahl.

Wie die mancherley Arten von Diebstähle zu bestrafen, wobey die peinliche Hals-Gerichts-Ordnung sowohl als die Landes-Ordnungen theils erläutert, theils anders bestimmt werden.

Titul CXVI.

Vom Raub.

Titul CXVII.

Vom Brand.

Titul CXVIII.

Von Fälschern.

Titul CXIX.

Von denen, welche sich in einem Testament, Erbfolge-Gedingen oder Schenkungen etwas zuschreiben.

Titul CXX.

Von Münz-Fälschern.

Titul CXXI.

Von Gottes-Lästerungen.

Titul CXXII.

Von denen Vergehen wider die Eltern.

Titul CXXIII.

Von fleischlichen Verbrechen.

Titul CXXIV.

Von Mord und Todtschlag.


20                                                                                                                   Inhaltsangabe

Titul CXXV.

Vom Meineid.

Titul CXXVI.

Von Veruntreuung anvertrauter öffentlicher Gelder.

Titul CXXVII.

Weichergestalt bey denen innerhalb denen geschlossenen Unter-Gerich­ten oder freyen Adelichen Sitzen und Kloster-Bezirken begangenen pein­lichen Verbrechen zu verfahren.

Titul CXXVIII.

Von Wort-Andeutungen.

Titul CXXIX.

Von Rechts-Regeln.


Entwurf

eines auf Veranlassung des weiland Herrn Geheimten Raths von Behr

verfaßten CODICIS GEORGIANI

Wir Georg der Dritte, von Gottes Gnaden, König in Großbritannien, Frankreich und Jrrland, Beschützer des Glaubens, des heiligen Römi­schen Reichs Erz-Schatz-Meister und Churfürst. Fügen zu wissen, dem­nach Wir seit Antritt der Regierung Unserer Teutschen Länder mehr­malen vernommen, in welcher großen Ungewißheit die in denen dorti­gen Gerichten zu beobachtende Rechte schweben, wie es eines Theils bezweifelt werde, wie weit das beschriebene Kaiserliche Recht sowol als das Canonische in denen Gerichten gelte, oder auch eines dem andern nachstehe, weniger nicht, welche Meinung derer Rechtes Gelahrten in denen so vielen streitigen Rechtsfragen anzunehmen sey, bey denen Lehn-Rechten ebenfalls mannigfache Zweifel obwalten, daneben vieles zumal von neuern Rechtsgelehrten als denen Gewohnheiten gemäß, und als ein vermeintes Deutsches Recht ausgegeben wurde, welches doch nicht geringen Theils auf sehr ungewissen Gründen beruhe, vieles jedennoch auch, was würklich in den Gewohnheiten seinen Grund habe, gleichwol in manchen Dingen Zweifel unterworfen sey, endlich auch insonderheit die Bestrafung der peinlichen Verbrechen, wie überhaupt bey der hierin nicht durdigehends deutlich genug verfolgten peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Kaisers Carl des fünften, auch einigen nachhero veränderten äusserlichen Umständen eine nähere Bestimmung erfordern, so haben Wir uns gnädigst entschlossen, ein gewisses Gesetz-Buch, so weit Wir es vor der Hand nöthig gefunden haben, zusammen tragen zu lassen, wobey wir die Absicht geheget haben, nicht sowol die in Unsern Landen eingeführte Rechte aufzuheben, als welche Wir vielmehr durchaus beybehalten, sondern nur zu Unserer sämmtlichen Teutschen Unterthanen Besten das Ungewisse und zwar solcher Gestalt näher zu bestimmen, wie es sowol die Sache selbst, als auch insonderheit die ge­meine Wolfahrt Unserer Teutschen Länder es Uns zu erfordern geschie­nen hat. Wobey wir jedoch dasjenige, was die etwanigen Rechte Unserer


22                                                                                                                                  Tit. 1

Landsassen betrifft, soweit es nicht etwan durch gerichtliche Erkenntnisse bereits entschieden worden, gänzlich unverletzt erhalten haben. Wir gebieten und befehlen demnach allen hohen und niedern Gerichten Unserer Teutschen Lande dieses Unser Gesetz-Buch, wie überhaupt hin­künftig, also auch da es nur zur Auslegung der bisherigen Gesetze ge­reichet, und in bürgerlichen Sachen für kein neu Gesetz anzusehen ist, in denen bereits rechtshängigen Sachen sich zur Richtschnur dienen zu lassen. Gegeben . . .

Titul I.   Von Gesetzen und Gewohnheiten, Statuten, Ordnungen und Privilegien.

§ 1. Es ist Uns des mehrern unterthänigst vorgetragen, wie große Unge­wißheit in denen gemeinen beschriebenen Rechten herrsche. Ob Wir nun schon eben daher Uns gnädigst bewogen gefunden, die Uns bekannt gemachte Zweifel durch dieses Unser Gesetz-Buch, und zwar solcher­gestalt, wie Wir es zugleich dem gemeinen Besten nützlich erachtet, zu entscheiden, so dürfte es doch in der Folge auch an neuen Schwürig-keiten bey dem Gebrauch und der Erklärung der Rechte nicht fehlen. Wir wollen demnach, daß Unsere höhern Gerichte, insonderheit Unser Ober-Appellations-Gericht, solche vorkommende Fälle, worin streitige Rechts-Fragen vorgekommen, und die Gründe der jedesmaligen Ent­scheidung in einem besondern Buche fleißig und genau aufzeichnen lassen, und nach Ablauf eines jeden Jahres an Uns einsenden, damit Wir sodann bestimmen können, ob in allen andern künftigen Fällen ein gleiches anzunehmen und zu einer allgemeinen beständigen Richtschnur zu setzen sey.

§ 2. Da auf das Römische Recht in Unsern Herzogthümern Braunschweig und Lüneburg mit Abschaffung des Sächsischen Rechts, welches ohnehin dem Vernehmen nach eigentlich nur in Gewohnheiten bestanden, durch die Gerichts-Ordnung vorlängst eingeführet ist, und in Ansehung der Herzogthümer Bremen und Verden durch die Wißmarsche Tribunal-Ordnung am Ende des Prooemii ein gleiches geschehen ist, so soll überhaupt dessen Aufnahme in erwehnten Unsern Ländern nicht be­zweifelt werden, und muß derjenige, welcher auf eine widerseitige Ge­wohnheit sich gegründet, solches beweisen.

§ 3. Als auch bereits in der jüngsten Lauenburgischen Hof-Gerichts-Ordnung in Ansehung der Sächsischen Rechte versehen ist, daß, so weit sie in Observanz gediehen, und, wie das Sachsen-Recht von Alters her in selbigem Fürstenthum recipiret, und durch bisherigen Gerichts-Brauch in Observanz kommen, vor denen gemeinen Rechten den Vor-


Tit. 1                                                                                                                                 23

zug haben, und alsdann erst, wo dieses aufhöret, gedachte gemeine Rechte eintreten sollen, mithin, wenn der Sachsen-Spiegel nicht etwan zu einer Erklärung einiger unstreitig üblichen Rechte dienet, von dem­jenigen, welcher sich darin begründet, dessen Recipirung und Observanz erwiesen werden muß, dem zu Folge auch durch die Landes-Resolution de 1702 nur das allda übliche Sachsen-Recht bestätiget worden, und durch die nach ausgebrachtem Privilegio de non appellando denen Ständen a. 1748 ertheilte Resolution das Sachsen-Recht nur, in so weit es bestätiget sey, versichert worden, überdem auch das Lauenburgische Hof-Gericht schon a. 1703 bey einer Anfrage an weil. Herrn Herzog Georg Wilhelm Christmildesten Andenkens berichtet, daß die Sachsen-Rechte nach der Hof-Gerichts-Ordnung nicht pure, sondern nur, in so weit und wie sie eine beständige Observanz hergebracht, recipiret seyn, und vorgedachter Herzog darin demselben beygepflichtet, so haben Wir dienlich gefunden, zu Hebung alles etwanigen Zweifels diese Erklärung nochmals abzugeben.

Anmerkung: Es ist zwar diese Bestimmung meiner eigenen Überzeugung und der Meinung der Lauenburgischen Landschaft gemäß, ja diese hat sogar um eine solche authentische Erklärung nachgesuchet. Ich muß jedoch bemerken, daß darüber ein Gutachten des Ober-Appellations-Gerichts erfordert, und solches noch nicht erstattet worden ist, per majora dieses Collegii auch einmal anders erkannt worden.

§ 4. Das Canonische Recht ist in demjenigen beyzubehalten, was darin seinen Ursprung findet, in so weit es nicht denen jetzigen Verfassungen oder Kirchen-Sätzen zuwider ist.

§ 5. Da in Ansehung der Lehen dem Longobardischen Rechte bisher in Unsern Gerichten nachgegangen worden, so lassen Wir es dabey, jedoch nur in so weit die Verfassung der Lehne in Unsern deutschen Landen ein anders nicht bestimmet und erfordert.

§ 6. Es sollen auch die beschriebenen gemeinen Rechte blos um des­willen keinen Abfall leiden, daß etwan die heutige Verfassung mit der Römischen oder auch sonst der ehemaligen altern nicht völlig überein­stimmet, oder auch nicht alle Gründe weiter zutreffen, welche zu einem oder andern Gesetze in ältern Zeiten die Veranlassung gegeben haben. Wir erklären vielmehr, was darunter etwa bisher geschehen, so fern es nicht auf beybehaltene ältere Gewohnheiten sich gründet, oder von Uns oder Unsern Vorfahren am Regiment würklich gebilliget worden, für irrig und unkräftig.

§ 7. Es soll demnach das sogenannte deutsche Recht, in so fern es nicht auf ungezweifeltes Herkommen in Unsern Landen sich gründet, oder durch Gesetze bestätiget ist, zumal es ohnehin, wenigstens nicht durch-


24                                                                                                 Tit. 1

gehends, in völliger Gewißheit beruhet, nicht anders als zu Erläuterung und Erklärung solcher Dinge, Statuten und Gewohnheiten zu Hülfe genommen werden, welche in denen alten deutschen Gewohnheiten und Rechten ihren Grund und Ursprung finden, und in solchem Fall muß es allerdings denen Römischen Rechten vorgehen.

§ 8. Wenn es darauf ankommt, ob in Unsern deutschen Landen etwas aus denen vormals darin üblich gewesenen Sächsischen Rechten an einem oder andern Orte beybehalten worden, so ist dazu hinlänglich solches durch einen einzigen Vorfall aus neuern Zeiten darzuthun, wo­bey denn auch zu erweisen nicht nöthig ist, daß darüber im Gerichte ge­stritten, und die Sache durch Urthel und Recht solchergestalt entschieden sey, wenn nur der Vorfall so beschaffen gewesen, daß dafür gehalten worden, daß es denen Rechten und Gewohnheiten des Orts gemäß sey und so und nicht anders geschehen müssen.

§ 9. Da auch Unsre deutschen Länder aus mehrern Fürstenthümern und Grafschaften bestehen, welche unter sich in keiner Verbindung begriffen sind, so kann von dem Herkommen des einen Landes auf das andre nicht geschlossen werden.

§  10. Vielweniger soll dieses von andern Ländern, wenn es auch die mehresten Provinzen Deutschlands wären, geschehen. § 11. Noch weniger kann das bloße Zeugniß derer Rechtslehrer dazu für hinreichend angenommen werden, es mag eine allgemeine oder beson­dere Gewohnheit betreffen.

§ 12. Auch eines Richters Zeugniß über eine Gewohnheit kann nicht anders von Beweiskraft seyn, als wenn darin die vorgekommenen be­sonderen Fälle namentlich und umständlich aus denen gerichtlichen Acten aufgeführet sind.

§ 13. Da die Gewohnheiten ein unbeschriebenes Recht sind, welches in dem bisherigen Gebrauch sich gründet, so muß, wenn es nicht bereits einmal gerichtlich auf geschehenen Widerspruch dafür erkannt worden, erwiesen werden, daß es an dem Ort oder in der Gegend insgemein so und nicht anders bisher für Recht gehalten worden, wobey jedoch auch der Grund dieses Urthels nachzuforschen ist.

§ 14. Insonderheit aber muß zugleich der Gebrauch selbst bewiesen werden, wofern solcher nicht durch eine richterliche Entscheidung be­reits vorhin außer Zweifel gesetzet wäre. Hiebey müssen die ehemali­gen Vorfälle, in welchen es so gehalten worden, mit allen sachdienlichen Umständen, insonderheit aber auch zugleich mit eingezeuget werden, daß dabey geglaubet sey, gestalten es so und nicht anders geschehen müsse.


Tit. 1                                                                                                                                   25

§ 15. Was die Anzahl der Vorfälle und die Zeit betrifft, wornadi das Alter einer Gewohnheit zu beurtheilen, so wollen Wir zwar darunter wegen derer, insonderheit bey lokal-Gewohnheiten, damit verknüpften Sdiwürigkeiten nichts gewisses bestimmen. Es müssen aber die zum Beweis erwählte Zeugen von solchem Alter und Erfahrung, auch des Orts oder der Gegend so kundig seyn, daß man bey ihnen eine Wissen­schaft der vorgekommenen Fälle vermuthen kann, und ist es sodann genug, daß sie außer dem eingezeugten etwa einzigen Vorfalle mehr und das Gegentheil nicht angeben können.

§ 16. Wir billigen solchemnach allerdings, was die Rechtslehrer er­fordern, daß es in den vorgekommenen Fällen allemal gleich und nicht anders gehalten worden.

§ 17. Dasjenige, worüber als über eine gemeinschädliche Sache Wir oder Unsre Vorfahren an der Regierung ein Mißvergnügen bezeiget haben, kann durch keine Gewohnheit recht werden.

§ 18. Eben wenig kann daher ein Straf-Gesetz dadurch ausser Kraft gerathen, daß es etwa bishero aus Nachsicht der Richter nicht befolget worden, oder auch die Mißhandlungen zu keiner Rüge gekommen, und dahero unbestraft geblieben.

§ 19. Es kann auch dasjenige, was an sich unvernünftig, übel und unrecht ist, oder denen Unordnungen, Betrügereyen, falschen Eidschwüren, und dergleichen Thor und Thür eröffnet, durch keine Gewohnheit gültig werden, da die einem Landesherrn obliegende Beförderung der Ehre Gottes und der Wohlfahrt seiner Unterthanen solches zu billigen nie verstattet.

§ 20. Es kann auch eine Gewohnheit von einer Stadt, Flecken oder Amt auf das andre nicht gezogen werden.

§ 21. Aus Vergleichen kann überall keine gültige Gewohnheit darge­leget werden, es wäre denn, daß dabey ein Rechts-Satz als ungezweifelt zum Grunde geleget, und nur das Quantum behandelt worden.

§ 22. Wie die Meinungen derer Rechts-Lehrer keine Richtschnur ab­geben, also mögen auch die in den Gerichten bisher angenommene Er­klärungen der Gesetze dazu nicht dienen, wenn sie auch in den sämmt­lichen Gerichten Unsrer deutschen Länder wären befolget worden.

§ 23. Überall können Wir in Rechts-Streitigkeiten, wenn sie auch nicht blos die Erklärung der Gesetze betreffen, derer Gerichte gehegte Mei­nungen, ob sie schon etwa bisher durchgehends Überhand genommen, für kein Recht gelten lassen. Was sich aber auf wohlgeprüfte Gewohn­heiten gründet, dabey muß es ferner bleiben.


26                                                                                                 Tit. 1

§ 24. Was aber bloße Observanzien betrifft, welche in einem nicht allge­meinen, sondern besondern Herkommen, es sey in Collégien oder Fa­milien bestehet, so können solche kein unbeschriebenes Recht aus­machen, noch insonderheit andre, welche daran keinen Theil genommen, noch zu nehmen schuldig sind, wider ihren Willen verbinden.

§ 25. Neue Gesetze mögen nicht auf vorhergehende Fälle angewendet werden. Wird aber ein älteres Gesetz dadurch nur erkläret, so findet es bey noch nicht gänzlich entschiedenen Fällen seine Zuneigung.

§ 26. Ob wohl solche Stadt-Gesetze und Statuten, welche in alten Ge­wohnheiten beruhen, wenn sie von dem Magistrat selbst beschrieben worden, keiner besondern Landesherrlichen Bestätigung bedürfen, so kann doch ohne dieselbe kein neues Stadt-Gesetze errichtet werden.

§ 27. Auch können Wir keinem Capitul, Kloster oder Collegio zuge­stehen, ohne Unsre Landesherrliche Genehmigung Statuten zu errichten, und dadurch ihre Nachfolger und andre zu verbinden.

§ 28. Die Artikul-Briefe der Zünfte und Gilden bleiben, wenn sie gleich Landesherrlich bestätiget worden, in ihrer innerlichen Einrichtung alle­mal der Gewalt des Landesherrn unterworfen, und können von dem­selben befundenen Umständen nach verändert, gemindert und ver­mehret werden. Es können auch die Zünfte und Gilden daraus kein Recht sich anmaßen, Unsre Regierung in Ansehung eines zuzulassenden Frey-Meisters, oder andrer zu deren Nachtheil gereichenden Abände­rung vorzuschreiben, wenn ihnen nicht bei Bestätigung der Gilde-Briefe von der Landesherrschaft versprochen worden, solche zu ihrem Nach­theil auf keine Weise zu verändern.

§ 29. Die Willkühre und Statuten Unsrer Land-Städte finden nicht allein bey den wirklichen Bürgern, sondern auch bey allen übrigen Einwoh­nern der Stadt ihre Anwendung, wenn sie nicht von der Botmäßigkeit der Stadt-Obrigkeit ausgenommen sind.

§ 30. In Dingen, welche eine persönliche Eigenschaft betreffen, finden jederzeit, auch außerhalb dem Orte des Aufenthalts, diejenigen Rechte Anwendung, welchen die Person unterworfen ist.

§ 31. Kommt es aber auf die Eigenschaften unbeweglicher Güter oder auf deren Veräußerung an, so sind die Gesetze zum Grunde zu nehmen, wo die Güter belegen sind.

§ 32. In Verträgen ist auf die Rechte des Orts zu sehen, wo der Vertrag geschlossen ist, so fern es jedoch nicht auf persönliche Eigenschaften ankommt.


Tit. 1                                                                                                  27

§ 33. Unsre Gerichte sind keineswegs befugt, auswärtige ihnen unbillig erscheinende Rechte, wenn sie schon gegen Unsre Unterthanen ausge­übet worden, gegen die fremde aus solchem auswärtigen Gebiete zu retorquiren. Wenn aber in auswärtigen Gebieten etwas blos zum Nach­theil derer daselbst nicht wohnenden Fremden angenommen und auch gegen Unsre Unterthanen ausgeübet wäre, haben die Gerichte davon an Uns und Unsre Landes-Regierung zu berichten.

§ 34. Am wenigsten aber können wir gestatten, daß besondere Statuten, welche mit Bewilligung Unser oder Unsrer in Gott ruhenden Vorfahren errichtet sind, in unsern Landen gegen einen solchen Ort retorquiret werden.

§ 35. Niemanden als allein Uns selbst kann zustehen, von Gesetzen zu dispensiren, so fern nicht etwa solches ein und andern Unsern Obrig­keiten und Gerichten von Uns oder Unsern Vorfahren an der Regierung über besondre nicht wichtige, auch zuweilen keinen Aufschub leidende Fälle verstattet worden.

§ 36. Was Privilegien anbetrifft, so bestimmen Wir gnädigst, daß nur dergleichen dafür anzunehmen sey, was von beschriebenen Gesetzen eine Ausnahme machet, folglich nichts darunter zu ziehen stehe, was von bloßen Gewohnheiten, oder allenfalls deutschen Sitten, abweichet.

§ 37. Wenn Wir als Landesherr Privilegien ertheilen, oder auch Unsre in Gott ruhende Vorfahren dergleichen ertheilet haben, so sind dieselben nach ihrer wahren Meinung und gehegten Absicht der Sache gemäß zu erklären. Sie können mithin so wenig nach einiger Rechtslehrer Meinung im weitesten, als wenig auch im engesten Verstande genommen werden. Es verstehet sich jedoch hiebey, wie bey allen Unsern Verordnungen, daß niemandem ein bereits würklich gehabtes Recht entzogen werde.

§ 38. Da auch die Gnaden-Bezeigungen eines Landesherrn dahin zu nehmen sind, daß sie Verdienste um den Herrn und das gemeine Wesen zum Grunde haben, so werden Wir und Unsre Nachfolger auch solche nach Gefallen nicht zurücknehmen.

§ 39. Es können aber Privilegien auch durch Verjährung erworben wer­den, wobey es in Ansehung der Zeit darauf ankommt, ob unser oder Unsrer Caminer, oder andrer Unsrer Unterthanen Nachtheil darunter abschwebet.

§ 40. Da auch an der andern Seite die Privilegien durch einen Nicht-Ge­brauch verloren gehen, so billigen Wir hier die Meinung derjenigen Rechtslehrer, welche dazu einen Zeit-Verlauf von zehn Jahren annehmen, wenn nämlich der oder diejenigen, deren Rechte dadurch eingeschränket


28                                                                                                                      Tit. 1 und 2

gewesen, eine Freyheit ihres Rechts binnen solcher Zeit genossen haben. § 41. Wenn die von denen gottseligen Vorfahren verliehene Privilegien von denen Nachfolgern an der Regierung ohne vorgängige Untersuchung bestätiget worden, so hat es, da eine bloße Bestätigung nichts neues geben soll, nach der Natur der Sache selbst keine andre Meinung gehabt, noch haben können, als daß nur die noch würklich im Gebrauch behaltene aufs neue versichert, nicht aber zugleich die durch den Nicht-Gebrauch bereits erloschene wieder hergestellt werden. Ist aber die Bestätigung nach vorhergegangener Untersuchung geschehen, so ist es anzusehen, als ob das verlorne Recht aufs neue wieder ertheilet worden.

§ 42. Gleichwie aber auch Privilegien von dem regierenden Landesherrn Kraft dessen Landesfürstlichen Macht und Gewalt ertheilet werden, also wollen Wir Uns auch als Nachfolger an der Regierung solche zu halten für verbunden erkennen, wenn Wir schon von dem Geber nicht ab­stammen, noch dessen Erben geworden sind.

§ 43. Keine Erklärung der Gesetze kann bestehen, welche mit der Billig­keit streitet.

§ 44. Es ist aber nur das für billig anzusehen, was gemeinnützig ist, und die Beurtheilung der Billigkeit muß von keinem bloßen Mitleiden regieret werden, wenn nicht solche Schwachheiten vorfallen, welche auch einem jeden andern ohne einige desselben Schuld begegnen können.

Titul II.   Von Juden.

§ 1. Es ist zwar in dem Reichs-Abschiede von 1551 zu mehrerer Ver­hütung alles Betrugs und verbotenen Wuchers versehen, daß die von Christen auf Juden ausgestellte Verschreibungen nicht anders gültig seyn sollen, als wenn sie von der Obrigkeit, worunter der Christ wohnet, errichtet worden. Da aber durch Unsre Landesherrliche Vergeleitung denen in unsern Schutz genommenen Juden, außer was durch besondre Landes-Gesetze, oder durch den Schutz-Brief eingeschränket ist, freyer Handel und Wandel in Unsern Deutschen Landen, gleich andern Unter­thanen, verstattet wird, dahero auch, wie Wir vernehmen, Unsre Ge­richte sothanem Reichs-Gesetz nicht weiter nachgehen, so soll dasselbe auch künftig in Ansehung Unsrer Schutz-Juden nicht weiter in Betracht gezogen werden.

§ 2. Wenn auch bey Unsern Gerichten darüber gezweifelt ist, ob, wenn Juden ihre an Christen habende Forderungen einem Christen übertragen, denen Reichs-Abschieden annodi nachzugehen, mithin auf den Verlust der Forderung zu erkennen sey, so kann dieses zwar bey denen von Uns


Tit. 2                                                                                                  29

vergeleiteten Juden in Unsern Deutschen Landen nicht Statt finden, noch auch, wenn an demselben Orte, wo die Übertragung geschehen, der Jude von der Landesherrschaft den Schutz genossen, weil im letztern Falle jederzeit denen Rechten des Orts des Contracts zu folgen ist. Sonst aber müssen Unsre Gerichte sowohl bey unvergleiteten, als auch bey aus­wärts vergleiteten Juden nach dem Buchstaben der Reichs-Gesetze er­kennen.

§ 3. Geschiehet hingegen die Übertragung mit Einwilligung des Schuld­ners durch eine Delegation, so mögen die vorangezogene Reichs-Gesetze überall keine Anwendung finden.

§ 4. Gleichwie nun auch unser Ober-Appellations-Gericht wider die In­haber der Adelichen geschlossenen Gerichte des Fürstenthums Göttingen erkannt, daß sie auch einst durch undenkliche Verjährung das Recht, Juden in ihren Gerichten zu vergleiten, erwerben mögen, also mögen Wir auch sonst, da die Schutz-Ertheilung den freyen Handel und Wandel nach sich ziehet, keinem Adlichen Gerichte noch Städten in unsern Lan­den, Juden aufzunehmen, verstatten.

§ 5. Da auch die vergleitete Juden in Unserm besonderm Schutz stehen, und dahero die Schutz-Briefe derer in denen Städten sich niederlassenden dahin gelassen zu werden pflegen, daß die Juden in persönlichen Sachen blos bey Unsern Ämtern in erster Instanz Recht geben und nehmen sollen, so ist dieses zwar nicht dahin zu deuten, daß sie als Kläger einen Unsrer Unterthanen von seinem Gerichts-Orte weg an die Ämter ziehen mögen. Wenn sie jedoch in persönlichen Sachen verklaget, oder wegen bruchfälliger Verbrechen angesprochen werden wollten, so gehören beyde Fälle vor Unsre Ämter, und kann der Stadt-Magistrat weder aus dem Grunde der häuslichen Wohnung noch aus dem Grunde des fori delicti commissi selbige an sich ziehen. Als wie Wir insonderheit von dem letztern Falle vernehmen, daß auch Unser Ober-Appellations-Ge­richt also erkannt hat.

§ 6. Ob auch schon so viel in Unsern Calenbergischen, als auch nachher in Unsern Lüneburgsdien und Hoyaischen Landen die Juden mit einem besondern Land-Rabbiner begnadiget worden, und denn in Ansehung des Lüneburgischen und Hoyaischen Zweifel entstanden, ob der Land-Rab­biner auch andre bürgerliche Sachen, welche nicht die Haltung des Mosaischen Gesetzes betreffen, entscheiden möge, so billigen Wir die Auslegung Unsers Ober-Appellations-Gerichts, daß der letzte Begnadi­gungs-Brief aus dem ersten zu erklären sey, mithin eine Entscheidung nicht anders, als in Sachen aus dem Mosaischen Gesetz eintrete.


30                                                                                                                                 Tit. 3

TituI III.    Von der väterlichen Gewalt und deren Aufhebung.

§ 1. Da Uns hinterbracht worden, daß unter denen neuern Rechtsgelehr­ten viel Zweifel darüber entstanden, ob die väterliche Gewalt in der­jenigen Gestalt, welche sie in denen neuern Römischen Rechten hat, an­nodi würklich gelte; Wir aber um so weniger einigen Grund absehen, diese Rechte zu verändern, als auf das Ansehen des Haus-Vaters ein großer Theil der Wohlfahrt des Staats sich gründet, dieser Meinung ohnehin bey Unsern Gerichten bisher nachgegangen ist, so lassen Wir es auch dabey schlechterdings bewenden.

§ 2. Ob nun aber wohl verschiedene Rechtslehrer aus vermeinten Deut­schen Rechten auch einer Mutter nach des Vaters Tode gleiche Gewalt zuschreiben wollen, so mögen Wir doch solche Meinung um so weniger billigen, als dieselbe nicht allein bislang in unsern Gerichten nicht ange­nommen worden, sondern auch dadurch sowohl die allgemeinen Kaiser­lichen, als auch die Reichs- und Landes-Gesetze in größte Verwirrung gerathen würden.

§ 3. Nachdemmalen auch Unsere Gerichte dahin erkennen, daß nach Deutschen Sitten eine Tochter durch eine gesetzmäßige Heyrath, ein Sohn aber, wenn er mit des Vaters Willen seinen eigenen Haushalt an­gestellet, dadurch von väterlicher Gewalt befreyet werde, so wollen Wir solches allerdings hiedurch bestätigen.

§ 4. Was die gemeinen Kaiserlichen Rechte in Ansehung der Würden verordnet haben, welche von väterlicher Gewalt befreyen, wollen Wir Unsern würklichen Räthen, und solchen Bedienten, die mit ihnen in gleichem Rang stehen, zueignen.

§ 5. Es stehet einem jeden frey, sein Kind auch selbst von seiner Gewalt frey zu sprechen, und kann dieses vor einer jeden Obrigkeit geschehen.

§ 6. Wenn die Kinder aus väterlicher Gewalt treten, höret zwar des Vaters Nießbrauch von dem Gut der Kinder auf. Als jedoch die gemeinen Kaiserlichen Rechte dem Vater verstatten, das halbe Gut des freyge­lassenen Kindes zum Nießbrauch Zeitlebens unter sich zu behalten, die Rechtslehrer aber dieses bey derjenigen Aufhebung der väterlichen Ge­walt, welche durch Heyrath und eigenen Haushalt entstehet, bestreiten wollen, gleichwohl auch diese Freylassung ohne den Willen des Vaters nicht geschehen kann, und dem Vater freystehen würde, ein solches Kind vorher ausdrücklich frey zu lassen, und alsdann solche Halbscheid unter sich zu behalten, so halten Wir es billig zu seyn, das durch die neuern Gesetze ohnehin schon so sehr verringerte Recht des Vaters in diesem Stücke zu bestätigen.


Tit. 3                                                                                                  31

§ 7. Es gehen aber der Kinder eigene Bedürfnisse dem väterlichen Nieß-brauche überall vor.

§ 8. Die Kinder haben blos wegen desjenigen, was ihnen von ihrer Mutter, oder den mütterlichen Verwandten angefallen, ein stillschweigen­des Unterpfand in des Vaters Gütern.

§ 9. Da auch die Rechte dem Vater an der Kinder Gütern eine weit größere Gewalt, als einem Vormunde, gelassen haben, so billigen Wir die Meinung derjenigen, welche ihm verstatten, ihm Nothfall, oder wenn es auch zu Abwendung des Schadens der Kinder oder auch zu Ablegung einiger derselben gereichet, deren unbewegliche Güter auch ohne der Obrigkeit Erkenntniß zu veräußern.

§ 10. Der Vater ist nicht schuldig, seinen Kindern ein eidliches Verzeich-niß ihres Guts heraus zu geben.

§ 11. Auch ein durch Einkindschaft angenommener Vater hat den Nieß­brauch von allen Gütern dieser Kinder, so lange sie sich nicht besonders niedergelassen haben.

§ 12. Es muß aber die Einkindschaft, wenn es auf die Veräußerung des Vermögens vaterloser Kinder ankommt, vor der Kinder ordentlicher Obrigkeit mit genügsamer Untersuchung gestiftet werden.

§ 13. Wenn der Mann beständig sich bey der Frau aufgehalten, kann auch der Mutter zum Nachtheil des Kindes nicht zugeglaubet werden, daß das Kind im Ehebruch erzeuget sey.

§ 14. Wenn ein Kind im Ehebruch erzeuget, die Eltern aber nachhero sich geheyrathet haben und heyrathen mögen, so wird, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht einst nach denen Canonischen Rechten erkannt hat, das vorher erzielte Kind durch die nachfolgende Ehe rechtmäßig, und das Kind kommt unter des Vaters Gewalt, wenn auch schon Kinder erster Ehe vorhanden sind.

§ 15. Wir tragen jedoch Bedenken, diese gänzliche Abweichung von denen gemeinen Kaiserlichen Rechten, welche auch zugleich auf dem irri­gen Grundsatz eines Sacraments beruhet, weiter als in dem Fall Statt finden zu lassen, wenn die Mutter eine ledige Person gewesen, als wozu Wir um so mehr bewogen werden, weil eines Theils dieses nach denen Göttlichen und Kaiserlichen Rechten für einen Ehebruch nicht gehalten worden, andern Theils auch der von dem Pabst entschiedene Vorfall nur darin bestanden.

§ 16. Wir mögen auch zwar gestatten, daß uneheliche Kinder, um den Flecken ihrer Geburt auszulöschen, ohne Zuziehung ihres Vaters bey Uns oder einem Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen für ächt erkläret zu wer-


32                                                                                     Tit. 3, 4 und 5

den, nachsuchen mögen. Sie sollen aber dadurch, obgleich einige Rechts-Lehrer ein anders bey Landesherrlichen Legitimationen behaupten wollen, die Rechte ehelicher Kinder nicht erhalten, und so wenig dem Vater als dessen Familie und rechtmäßigen Erben aufgedrungen werden, doch sollen ihnen, wenn es bey des Vaters Lebzeiten geschehen, wenn es keine im Ehebruch oder Blutschande erzeugte Kinder sind, die in denen Römischen Rechten beschriebene Rechte der natürlichen Kinder ange-deyen.

Titul IV.   Von der Dinge Eintheilung.

§ 1. Da nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten die Dinge in körper­liche und unkörperliche, und erstere wiederum in bewegliche und unbe­wegliche eingetheilet werden, so vernehmen Wir, daß unter denen Rechtslehrern darüber Zweifel obwalte, ob die von einem Schuldner ge­schehene Verschreibung aller desselben beweg- und unbeweglichen Güter auch desselben aussenstehende Schulden und andre Ansprüche begreife, da diese denen gemeinen Rechten nach eine dritte Art der Güter ausmachen. Wie aber dieser aus ältern Zeiten beybehaltene Aus­druck darin seinen Grund hat, daß ehedem bey denen deutschen und denen Völkern deutscher Abkunft keine andre Eintheilung des Ver­mögens, als in bewegliche und unbewegliche, gewesen, wie auch noch jetzo selbst in Deutschland vieler Orten üblich geblieben, und die Absicht beider Theile auf die Verschreibung des ganzen Vermögens gegangen ist, so können auch daher ausstehende Schulden und andre Ansprüche nicht ausgeschlossen werden.

§ 2. Wenn es nach besonderen Statuten oder Gebräuchen Unsrer Lande in der Erbfolge darauf ankommt, ob, oder in wie fern ausstehende An­sprüche zu denen beweglichen oder unbeweglichen Gütern zu rechnen seyn, so ist zwar vor allen Dingen auf die Gewohnheit des Orts und die Erklärung von dessen Statuten zu sehen. Ist aber daraus die Sache nicht zu entscheiden, so billigen Wir die Meinung, daß alle ausstehende Schul­den, was nicht unablösliche Renten oder ewige Abgiften sind, da sie gekündiget und an einen andern Ort geleget werden können, für beweg­lich zu halten seyn.

Titul V.   Von heiligen Sachen.

§ 1. Obgleich die zum öffentlichen Gottesdienst gewidmete Sachen, wenn sie schon nicht, wie in der Römisch-Catholischen Kirche, geweihet werden, dennoch auch bey denen Evangelischen, also angesehen werden, daß sie allein zum Gottesdienst bestimmt seyn, mithin zu keinem andern


Tit. 5 und 6                                                                                          33

weltlichen Gebrauch angewendet werden mögen, so kann doch diese Eigenschaft solcher Sachen nicht länger dauren, als die Bestimmung selbst dauret, welche von dem Entschluß jeder Kirche und deren Vorgesetzten abhänget. Wenn mithin es der Kirche nützlich angesehen wird, sich ent­behrlicher heiligen G es ässe zu entschlagen, muß solches allerdings be­stehen, und kann dagegen nicht eingewandt werden, daß heilige Sachen Göttlichen Rechts seyn, massen auch eine etwanige Einweihung nur die Absicht hat, es so lange zum Göttlichen Gebrauch zu bestimmen, als es von der Kirche und deren Vorgesetzten und Obern nöthig gefunden wird.

Titul VI.   Von Bau und Besserung der Kirchen und geistlichen Gebäude.

§ 1. Wenn die Kirche in genügsamen Stande ist, ohne Angreifung des Stiftungs-Capitals aus eignem Vorrathe das Kirchen-Gebäude zu bauen und zu unterhalten, so müssen diese Bau- und Besserungs-Kosten, sie mögen groß oder geringe seyn, aus derselben Mitteln gestanden werden. Als gleichwohl an vielen Orten hergebracht ist, die Eingepfarrten gewisse Hand- und Spann-Dienste dazu leisten, so hat es auch dabey sein Be­wenden.

§ 2. Sofern aber die Kirche dazu nicht im Stande ist, müssen die sämmt­lichen Eingepfarrten, ohne Ausnahme, diese Last tragen.

§ 3. Was die übrigen geistlichen Gebäude anlanget, so vernehmen Wir, daß es in Ansehung Unsrer Calenbergisdien Länder von Unserm dortigen Consistono längst vor Ergehung der neuen Verordnung von 1733 für eine in diesem Fürstenthum und Ländern beständig hergebrachte Ge­wohnheit gehalten, und selbst der Kirchen-Ordnung gemäß angesehen worden, daß zwar die Kirchen, wenn sie so viel Mittel haben, sich selbst in wesentlichem Stande erhalten, und die Eingepfarrte dabey nichts, als die Hand- und Spann-Dienste abstatten, die Pfarr-, Wittwen-, Schul- und Küster-Häuser aber von der Gemeine jedes Orts gebauet und repariret werden müssen. Welches auch die Constitution vom Jahr 1733 als einen in Ansehung dortiger Fürstenthümer und Länder schon ausgemachten Satz beybehalten hat. Wenn demnach nicht ein oder andre Eingepfarrte oder Gemeinen eine Befreyung davon bey solchen Pfarr- und andern geistlichen Gebäuden rechtlicher Art nach erworben, sondern es blos auf die Vertheilung unter ihnen ankommt, so ist auch der angezogenen Ver­ordnung von 1733 der Contributionsfuß schlechterdings, und auch zwischen mehrern Gemeinen, der etwanigen widrigen Observanzen un­gehindert, zum Grunde zu legen. Als wie Wir in diesem Falle die Aus­legung Unsers Ober-Appellations-Gerichts billigen.

3   Ebel


34                                                                                         Tit. 6 und 7

§ 4. Wir tragen jedoch Bedenken, diese Auslegung in dem Falle gelten zu lassen, wenn zwischen mehrern Gemeinen vorhin durch besondere Ver­träge oder rechtskräftige Erkenntnisse ein gewisses Verhältniß festge­setzet worden, als welche Meinung es auch, so viel mehrern Gemeinen betrifft, bey Abfassung der Verordnung von 1747 nicht gehabt hat.

§ 5. In Ansehung Unsrer übrigen Deutschen Lande aber fällt die Bau- und Besserung der Pfarr- und andrer geistlichen Gebäude nur alsdenn, wenn die Kirche des Vermögens nicht ist, denen Eingepfarrten zur Last, wie auch in der Lüneburgschen Kirchen-Ordnung ausdrücklich versehen ist.

§ 6. Wir nehmen sonst auch den Satz der Canonisten an, daß, wer zur Besserung der Kirche und geistlichen Gebäude verpflichtet ist, auf gleiche Weise zum neuen Bau, oder auch zur nöthigen Vergrößerung der alten Gebäude verbunden sey.

§ 7. Wofern es aber nicht besonders hergebracht, so kann bey einer Pfarr-Kirche und denen dazu gehörigen geistlichen Gebäuden dem Pa­tron die Bau- und Besserung nicht aufgebürdet werden. Ist die Patronat-Kirche aber keine Pfarr-Kirche, so hänget zwar die Erhaltung der Kirche selbst von dem Gutfinden des Patrons ab, die dabey stehende Prediger und Kirchen-Diener aber mögen gleichwohl gegen ihn, wie wegen des übrigen Gehalts, also auch auf eine bequeme Wohnung dringen.

Titul VII.   Von Kirchen-Stühlen.

§ 1. Was in Ansehung der Kirchen-Stühle in Unsrer Lüneburgischen Kir­chen-Ordnung versehen ist, wollen Wir hiemit, zumal es mit andern evangelischen Kirchen-Ordnungen übereinstimmet, in Unsern Deutschen Landen allgemein machen.

§ 2. Es soll demnach niemand ermächtiget seyn, einen Kirchen-Stuhl ohne Vorwissen und ausdrückliche Beliebung der Kirchen-Herren und Juraten, auch, wenn die Sache wichtig, Unsers geistlichen Kirchen-Raths, einzunehmen, zu erbauen, zu verändern, zu verhandeln, zu vertauschen, zu vermiethen. Geschähe deren eines, soll solcher Stand der Kirche stracks eröffnet seyn, und andren gegen gebührliche Erstattung wieder eingethan werden. Welches auch bey Erb-Stühlen Statt finden soll.

§ 3. Ob gleich Erb-Stühle auch auf die Erben vererbet werden, so fället doch sonst nach des Besitzers Tode kein Stuhl, wenn er auch gekaufet worden, auf die Erben, doch soll dem nächsten Verwandten, und da dieser nicht wollte, dem nächstfolgenden erlaubt seyn, den Stuhl inner­halb vier Wochen wieder an sich zu kaufen, und zu bringen. Nach Ver­lauf solcher vier Wochen aber mögen die Juraten denselben einem


Tit. 7 und 8                                                                                       35

andern außerhalb solcher Freundschaft wohl verkaufen oder vermiethen, und es soll hiebey keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Platz haben.

§ 4. Gleichwie aber auch in Unsrer Lüneburgschen Kirchen-Ordnung aus­drücklich enthalten ist, daß kein Stuhl jemanden erblich, sondern nur auf Lebenslang verkaufet werden möge, also mögen auch überhaupt in Unsern Deutschen Landen ohne Genehmigung Unsrer geistlichen Rath-Stube keine Kirchen-Stühle erblich verkaufet, noch auch in Städten ge­wissen Häusern beygeleget werden. Doch wird hiedurch eine vierzig­jährige Verjährung nicht ausgeschlossen.

§ 5. Einem Ehegatten soll des Verstorbenen Platz zwar bis zu ander­weiter Verheyrathung vor andern gegönnet werden, jedoch daß im­mittelst der Kirche desfalls Miethe entrichtet werde, und nach ander-weiter Verheyrathung der neue Ehegatte solchen binnen 14 Tagen nach gehaltener Hochzeit bey Verlust desselben an sich kaufe und baar bezahle.

§ 6. Bürger in den Städten und Flecken behalten zwar, wenn sie anders wohin ziehen, das Eigenthum ihres Standes Zeitlebens. Doch soll, so lange sie sich an dem Orte nicht aufhalten, denen Juraten erlaubt seyn, selbigen deren nächsten Verwandten auf ihr gebührliches Anhalten, oder, da diese dessen nicht bedürftig, jemand anders zu vermiethen, da denn inzwischen die Miethgelder der Kirche zufallen.

§ 7. Jn gleicher Maße soll es auch mit denen Erb-Stühlen gehalten wer­den, so lange der eigentliche Erbe und Besitzer außerhalb desselben Orts wohnt.

§ 8. Diejenigen aber, welche die Bürgerschaft nicht gewonnen, wie auch die an Orten, wo kein Bürger-Recht gehalten wird, seßhafte, verlieren das Eigenthum, sobald sie sich an einen andern Ort niedergelassen, doch soll in Ansehung der nächsten Verwandten auch hier dasjenige ange­nommen werden, was bey des Besitzers Absterben oben § 3. verordnet ist.

Titul VIII.   Von Begräbnissen.

§ 1. Wo die Beläutung der Todten hergebracht ist, können die nächsten Angehörige solche auch alsdenn mit Recht verlangen, wenn ein Einge-pfarrter auswärts gestorben und begraben ist, so lange er nicht an einem andern Orte sich häuslich niedergelassen hat, ungeachtet es die Kirche selbst in diesem Fall zu fordern nicht berechtigt ist. Es stehet gleichwohl Unsern geistlichen Rathstuben frey, das Beläuten überall


36                                                                                                  Tit. 8

oder befundenen Umständen nach bey einzelnen Gemeinen entweder aufzuheben oder einzuschränken.

§ 2. Wenn jemand, ohne sich anderswo niedergelassen zu haben, außer­halb seiner Pfarr-Gemeinde stirbt, kann denenjenigen, welche die Leiche besorgen, nicht verwehret werden, dieselbe von da wegzubringen und in des Verstorbenen Pfarr-Gemeine zur Erde bestatten zu lassen. Es kann auch, wenn solches geschiehet, an dem Orte des Absterbens für Prediger, Kirchen und Schule nichts gefordert werden. Geschiehet hin­gegen die Bestattung an dem Orte des Absterbens, so sind die herge­brachten Ausgaben und nicht zugleich an dem Orte, wo er eingepfarret gewesen, zu entrichten. Wie Wir denn auch vernommen haben, daß Unser Ober-Appellations-Gericht solchergestalt erkannt hat.

§ 3. Eine Leiche ohne Leichen-Paß durch ein Gebiet zu führen, kann nicht verstattet werden, sondern es ist desfalls derjenigen Obrigkeit, welche die peinlichen Gerichte hat, oder in geschlossenen Gerichten dem Ge­richtsherrn gebührend anzuzeigen. Dieses ist jedoch auf die außerhalb den Städten befindliche Kirchhöfe, wenn dahin aus der Stadt Leichen zu bringen, nicht zu deuten.

§ 4. Es mögen aber bey Durchfuhr der Leichen keine Gebühren für Pre­diger oder Kirche und Schule begehret werden.

§ 5. Ist jemand an zwey Orten eingepfarret gewesen, so soll diejenige Pfarr-Kirche wegen der Leichen-Gebühren den Vorzug haben, wo er ge­storben ist, wenn er zugleich daselbst begraben wird. Wird hingegen die Leiche in der andern Pfarr-Kirche beygesetzet, so sind die Gebühren unter beyden Kirchen zu theilen.

§ 6. Hat auch jemand ein Erb-Begräbniß seiner Vorfahren, so kann kein Pfarrherr die Beysetzung in demselben verwehren, so wenig, als wenn jemand ein Begräbniß an einem andern Ort sich erwählet hätte, doch mag in solchen Fällen die Kirche und den Kirchen-Dienern, wo er ge­storben, an den Gebühren nichts entzogen werden, sondern es haben allenfalls die Erben wegen der an dem andern Orte etwa vorfallenden Bemühung sich mit solcher andern Kirche besonders abzufinden.

§ 7. Da Wir auch berichtet worden, daß an einigen Orten Unsrer Lande bey Beerdigung der Leichen sogar denen Schülern, wenn diese auch nicht einst mit zur Leiche folgen, ein gewisses gegeben werden müsse, so soll dieses, wenn sie nicht folgen, gänzlich abgestellet seyn.

§ 8. Wir wollen nun auch zwar, da es zum Unterhalt der Kirchen- und Sdml-Diener gereichet, gern geschehen lassen, daß auch von ungetauf-


Tit. 8 und 9                                                                                       37

ten, auch todt, jedoch vollständig zur Welt gekommenen Kindern die gewöhnlichen Leichen-Gebühren gefordert werden. Doch können Wir solches von unvollständigen Kindern nicht gestatten.

TituI IX.   Von Pfarr-Herren und Pfarr-Wittwen.

§ 1. Was wegen der Pfarr-Herren und Pfarr-Wittwen in Unsern Kirchen-Ordnungen oder andern Unsern Landes-Gesetzen versehen ist, dabey soll es, wenigstens vor der Hand, schlechterdings sein Verbleiben haben.

§ 2. Nachdem auch in dem Gandersheimsdien Landtags-Abschiede Art. 1. verordnet ist, daß die Einsetz- und Einweisung des Predigers zwar in der Kirche von dem Superintendenten in Gegenwart des Gerichts-Herrn, außerhalb der Kirche in die Pfarr-Güter aber von dem Gerichts-Herrn in Gegenwart des Superintendenten geschehe, und dann bezweifelt werden wollen, ob dieses auch in Ansehung des Gerichts-Herrn eines Filial-Dorfs zu beobachten sey, Unser Ober-Appellations-Gericht aber auch dieses dem Sinne des gedachten Landtags-Abschiedes gemäß gehalten hat, so wollen Wir solche Erklärung hiedurch gnädigst bestätigen.

§ 3. Als an vielen Orten hergebracht, in Unsrer Lüneburgschen Kirchen-Ordnung C. 12 § 12. auch bestätiget ist, daß die Eingepfarrte auf dem Lande ihrem Pfarr-Herrn jährlich einen Schinken, dem Küster aber eine Schweine-Schulter reichen müssen·, die Pfunde-Zahl aber nicht durch­gehende in völliger Gewißheit beruhet, so wollen Wir solche, wie auch von einigen Unsrer Gerichte angenommen ist, auf achtzehen Pfund setzen.

§ 4. Jn Ansehung der Pfarr-Wittwen ist Uns hinterbracht worden, daß insonderheit über den Verstand der Lüneburgischen Kirchen-Ordnung verschiedener Zweifel entstanden. Wir erklären Uns nun zuvörderst in Gnaden dahin, daß durch den Ausdruck: arme Wittwen, diejenigen, welche für sich etwas im Vermögen haben, keinesweges ausgeschlossen werden.

§ 5. Wann ferner die Frage verschiedentlich entstanden, ob in dem Fall, da einer Wittwe eine Wohnung oder Acker, Wiesen und Garten oder auch Mästung und das nöthige Holz nicht verschaffet werden könnte, die Gemeine solches derselben auf andre Weise vergüten müsse, und dann dieses allerdings mit dem Sinn der Lüneburgschen Kirchen-Ordnung übereinstimmet, solchem auch bislang in vorgekommenen Fällen nachge­gangen ist, so wollen Wir, daß solches auch künftig geschehe.

§ 6. Kann gleichwohl durch Anweisung oder sonst der Wittwe das benöthigte verschaffet werden, so muß dieselbe allerdings damit zu-


38                                                                                                               Tit. 9, 10 und 11

frieden seyn, und kann von denen Eingepfarrten eine ihr etwan be­quemere andre Erstattung nicht fordern.

Titul X.   Vom Gnaden-Jahr der Prediger-und Superintendenten-Wittwen.

§ 1. Wir haben Uns unterthänigst vortragen lassen, welchergestalt wegen des denen Prediger- und Superintendenten-Wittwen gehörigen halben oder ganzen Gnaden-Jahrs Irrungen vorgefallen, was daran einer Wittwe zu kürzen sey, und daß solches von Unserm Ober-Appel­lations-Gerichte denen Rechten nach entschieden werden müssen.

§ 2. Wie Wir nun solches Erkenntniß denen Rechten völlig gemäß halten, als setzen Wir hiemit, daß weder die zur Wahl eines neuen Pre­digers, noch die zu dessen Ordinirung und Einführung, auch Herschaf­fung desselben Familie und Sachen, noch auch die zur Ausbesserung des Pfarrhauses etwa nöthige Kosten zum Nachtheil der Wittwe davon ge­nommen werden sollen.

§ 3. Dagegen aber hat die Wittwe mit denen das Amt inzwischen ver­sehenden benachbarten Predigern der Billigkeit nach sich abzufinden.

Titul XI.   Vom Patronat-Recht.

§ 1. Wir sind von dem Patronat-Recht unterthänigst berichtet worden, daß in Unsern Landen die Canonischen Gesetze beybehalten sind, und Wir gleich Unsern in Gott ruhenden Vorfahren dabey diejenigen Rechte ausüben, welche vormals die Bischöfe gegen die Patronen gehabt haben. Dieses wollen Wir Uns also ausdrücklich vorbehalten, können auch nicht zugeben, daß Patronen, die nicht ein anders hergebracht haben, sich desfalls ein mehrers anmaßen.

§ 2. Kein Patron kann sich einiges Recht über die Auskünfte einer er­ledigten Kirchen-Diener-Stelle anmaßen, sondern hierüber können Wir mittelst Unsers Bischöflichen und Landesherrlichen Rechts allein ver­ordnen.

§ 3. Als auch Unser Ober-Appellations-Gericht zu Recht erkannt hat, daß das Patronat-Recht an und für sich die Bestellung der Schulmeister, wenn diese aus denen Kirchen-Gütern nichts zu genießen haben, oder von denen Patronen die Schulen nicht gestiftet worden, nicht unter sich begreife, so soll dieses überhaupt von Unsern Gerichten angenommen werden.

§ 4. Hingegen können Wir nicht zugeben, daß ein Hof-Pfalz-Graf ehr­werden kann, für die Erhaltung der Stiftung, oder des sogenannten


Tit. 11 und 12                                                                                       39

Brautschatzes der Kirche möglichst zu sorgen, so sehen Wir nicht wohl ab, wie er zu solchem Ende von denen Kirchen-Visitationen, wenn er schon keine Gerichte hat, auszuschließen sey, und ihm nicht sowohl der Tag der Visitation anzuzeigen, als auch die Kirchen-Rechnungen vorher mitzutheilen seyn, um bei der Visitation seine Erinnerungen desfalls vortragen zu können. Es kann auch dabey keine Untersuchung ein­treten, ob die Stiftung von dem Patron herrühre, oder nicht. Und gleich­wie Unser Ober-Appellations-Gericht auch den Gandersheimschen Land­tags-Abschied in solcher Maße erkläret hat, so wollen Wir dieses durch­aus befolget wissen.

§ 5. Da unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten wird, ob der Pfand-Inhaber und die immitirten Gläubiger oder der Herr des Guts das Patronat-Recht auszuüben habe, so treten Wir denen bey, welche als-denn den Eigenthümer ausschließen, wofern er an sich nicht gegen den Pfand-Inhaber ausdrücklich dieses Recht vorbehalten hätte.

§ 6. Jn allen übrigen soll, was das Patronat-Recht betrifft, denen Canoni­schen Rechten nachgegangen werden.

Titul XII.   Von denen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen.

§ 1. Da Wir selbst die Regalien über Unsre Deutsche Lande von des Kaisers Majestät und dem Reich zu Lehn tragen, so kann die von Uns übernommene Landes-Väterliche Vorsorge nicht zugeben, daß von denen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen etwas ausgeübet werde, was Unsern Regalien, oder auch denen Landes-Gerichten oder einem oder andern Unsern Unterthanen zu einigem Nachtheil gereichen kann. Wie denn auch dergleichen dem Willen und der Meinung des Kaisers Maje­stät gemäß nicht geachtet werden mag.

§ 2. Wir mögen dahero nicht gestatten, daß die Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen in Unsern deutschen Landen sich anmaßen, Unmündige für groß­jährig zu erklären, über die Veräußerung der Unmündigen unbeweg­lichen Güter zu erkennen, Vormünder ein- und abzusetzen, Einkind-schaften und Vergleiche zu bestätigen, Unmündige, oder andre, wieder in vorigen Stand zu setzen, als welches alles theils allein Uns als Lan­desherrn selbst, theils denen Gerichten Unsrer Lande zustehet.

§ 3. Ob Wir auch wohl geschehen lassen, daß gedachte Hof-Pfalz-Grafen uneheliche Kinder zur Auslösung des Fleckens ihrer Geburt legitimiren, Wir auch, wenn ihnen solche Gewalt ausdrücklich ertheilet ist, zugeben, daß, wenn die Eltern keine ehelichen Kinder haben, sie auf derselben Ansuchen selbige fähig zu der Eltern Erbschaft, jedoch außer-


40                                                                                                Tit. 12

halb Lehn- und Stamm-Gütern, wie auch denen Erbgütern Unsrer Städte Lüneburg und Uelzen, erklären mögen, so wollen Wir doch nicht, daß solche weiter auf der Groß-Eltern und Seiten-Verwandten Erbfolge gezogen werde, wenn selbige nicht ausdrücklich ihre Einwilligung darin gegeben haben. Ist aber diese Genehmigung vorhanden, so können sie um so viel eher für gesetzliche Erben gehalten werden, da solchen Ver­wandten auch, über das ihrige zu testiren, frey stehet.

§ 4. Hingegen können Wir nicht zugeben, daß ein Hof-Pfalz-Graf ehr­losen Personen, welche eines begangenen Verbrechens von den Gerich­ten schuldig erkannt sind, die verlorene Ehre wieder herstelle, und sich dadurch über die Gerichte des Landes erhebe.

§ 5. Wir lassen nun zwar die von ihnen creirten öffentliche Notarien das von ihnen verlangte Amt, jedoch, wenn sie in Unsern Landen seß­haft sind, anders nicht, als nach vorgängig von Unserm Ober-Appella­tions-Gericht erhaltener Matrikul, frey ausüben.

§ 6. Da auch bey denen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen nicht sicher ange­nommen werden kann, daß sowohl sie selbst, als die von ihnen zu Hülfe und Rath gezogene Männer von so geprüfter Wissenschaft seyn, daß sie andrer Personen Stärke in Wissenschaften beurtheilen mögen, noch weniger ihr und der zugezogenen dazu nicht beeidigten Personen Urtheil einen völligen Glauben haben kann, so erlaubet die Uns obliegende Aufsicht über die hohen Schulen sowohl als über das ganze gemeine Wesen nicht, daß die von ihnen creirte graduirte Personen zum Genuß einiger sonst damit verknüpften Vorrechte in Unsern Landen gelassen werden.

§ 7. Da auch die Hof-Pfalz-Grafen nicht dahin beeidiget sind, daß ihrem Zeugniß über dasjenige, was vor ihnen von andern geschehen ist, ein völliger Glaube beyzumessen stehet, so können die bey ihnen nieder­gelegte, oder durch Aufdrückung ihres Siegels beglaubigte Testamente dadurch nicht rechtsgültig werden, wenn auch schon einem Hof-Pfalz-Grafen dieses namentlich beygeleget wäre.

§ 8. Vielweniger kann eine über fünfhundert Ducaten sich belaufende Schenkung unter den Lebendigen durch die Übergabe an einen Hof-Pfalz-Grafen die nöthige Rechtsgültigkeit erlangen.

§ 9. Hingegen können Wir wohl gestatten, daß ein Vater sein Kind vor einem Hof-Pfalz-Grafen seiner Gewalt erlasse, auch, in sofern der Obrig­keit Erkenntniß dabey nicht nöthig, Annehmungen an Kindes Statt vor ihm geschehen, wenn nur zugleich zu Führung des Protokolls ein be­eidigter öffentlicher Schreiber mit zugezogen wird.


Tit. 13 und 14                                                                                                                 41

Titul ΧΠΙ.   Von der Suspendirung vom Amt.

§ 1. Wegen solcher Verbrechen, welche die Ausübung eines öffentlichen Amts betreffen, findet eine Suspendirung von solchem Amte auch wäh­rend der Untersuchung, und vor deren Endigung Statt.

§ 2. Wird aber diese Person nachhero des beygemessenen Verbrechens unschuldig befunden, so muß ihr alles, was sie indessen von solchem Amte entbehren müssen, erstattet werden.

§ 3. Bey andern Verbrechen aber, welche das öffentliche Amt nicht an­gehen, kann keine Suspendirung von solchem Amt vor erwiesener Sache geschehen.

Titul XIV.   Von Ladungen.

§ 1. Bey einer jeden Ladung in bürgerlichen Sachen muß die Ursache derselben angezeiget werden, und zwar um so mehr, damit der Vorge­ladene sich gefaßt machen könne, auf die gegen ihn vorgebrachte Klage zu antworten, und wenn solches nicht geschehen, kann der Vorgeladene wegen seines Aussenbleibens nicht bestrafet werden.

§ 2. Um so mehr aber muß dieses beobachtet werden, wenn zu Verkün­digung der Ladung ein andrer Richter zu hülfreicher Handbietung er­suchet wird, da dieser vorher zu überlegen wohl befugt ist, ob die Sache für den ersuchenden Richter oder für ihn selbst gehöre, und er im letztern Falle hülfreiche Hand zu bieten, nicht verbunden ist.

§ 3. Von allen Ladungen ist die Kundmachung, wenn es darauf an­kommt, durch Gerichts-Boten oder Notarien, welche letztere in diesem Fall nicht nöthig haben, Zeugen dabey zu gebrauchen, zu bescheinigen, und kann eine bloße Abgebung auf die Post dazu nicht hinreichend seyn.

§ 4. Wenn der Richter, welcher um hülfliche Hand ersuchet ist, dem Be­gehren keine Folge leistet, so darf deswegen derjenige, welcher ihn ersuchet, mit Gewalt nicht zufahren, wenn er auch den Vorgeladenen in seinem eigenen Gerichts-Gebiet antreffen sollte, sondern er muß wegen verweigerter Stellung bey des ersuchten Richters Ober-Richter sich be­schweren, und Befehle an denselben auswürken.

§ 5. Wenn es eine solche Ladung ist, die blos zu des Vorgeladenen Nachricht geschiehet, mithin dem Vorgeladenen frey lässet, ob er er­scheinen wolle, oder nicht, so sehen Wir nicht ab, warum zu deren Ein­händigung auch in einem andern Gebiete ein öffentlicher Notarius nicht gebrauchet werden möge. In andern Ladungen aber, wenn der Vorge-


42                                                                                      Tit. 14 und 15

ladene erscheinen, und seine Nothdurft verhandeln soll, halten Wir solches außer dem Gerichts-Zwang des vorladenden Richters für unstatt­haft und nichtig, und ohne alle Rechts-Würkung.

Titul XV.   Von Prorogationen und Dilationen.

§ 1. Obgleich in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung sowohl als dem Interims-Justiz-Reglement heilsam versehen ist, daß auch die erste Befristung der Prorogation nicht anders als wegen angezeigter und bescheinigter rechtmäßiger und erheblicher Ursachen ertheilet werden solle, so vernehmen Wir jedoch, daß dieses vielfältig nicht beobachtet, sondern gemeiniglich dafür gehalten werde, daß es bey der nachge­suchten ersten Frist darauf nicht ankomme. Wann aber dieses zu großem Aufenthalt der Sachen gereichet, und die Schranken der Fatalium da­durch wider die Gesetze von dem Richter selbst erweitert werden, so wollen Wir, daß solches hinführo nicht geschehe, sondern jedesmal eine erhebliche Behinderung nicht allein gezogen, sondern auch, wenn solche an der Parthey oder deren Sachwald lieget, bescheiniget oder wenig­stens eidlich zugleich versichert werde. Wie denn auch dem Gegentheil allemal die Kosten des verzögerten Processes zu erstatten, und diese sofort an den Richter ohne weiteres Nachsuchen zu bestimmen sind.

§ 2. Wann Wir auch vernehmen daß die Procuratores vielfältig, ohne daß es ihnen von der Parthey aufgegeben worden, blos um ihren Fleiß und Sorgfalt bezeigen zu wollen, um Verlängerung der Fatalien und andre Termine bitten, und denn vielmehr in solchen Fällen zu schließen ist, daß die Parthey die Sache nicht fortsetzen wollen, so soll solches durchaus weiter nicht gestattet, sondern das Gesuch abgeschlagen wer­den.

§ 3. Da auch Unsre Ober-Appellations-Ordnung in Ehe- und andern sum­marischen Sachen das Fatale der Einführung und Rechtfertigung einer Appelllation auf vier Wochen beschränket, so müssen auch die etwan zu ertheilende Befristungen jedesmal nur auf vier Wochen, und zwar vom Tage der abgelaufenen Frist an zu rechnen, nicht aber von einer Diät zur andern ertheilet werden.

§ 4. Überhaupt wollen Wir auch, daß hinführo die Fristen nicht, wie bey Unserer Calenbergischen Justiz-Canzley dem Vernehmen nach ge­schiehet, von Zeit der Verwilligung, sondern von Zeit der abgelaufenen vorigen Frist gerechnet werden.


Tit. 16 und 17                                                                                                                 43

Titul XVI.   Von gerichtlichen Klagen.

§ 1. Ob zwar bey denen Klag-Libellen nach denen angenommenen Mei­nungen der practischen Rechtslehrer erfordert werden will, daß, um den Richter zu einer den Rechten gemäßen verbesserten Einrichtung zu be­wegen, die sogenannte clausula salvatoria angefüget werden müsse, so haben Wir jedoch gnädigst erwogen, daß ein Richter ohnedem dazu ver­bunden sey, mithin der Gebrauch solcher Clausel ganz und gar unnöthig, am wenigsten die Unterlassung zu einem Nachtheil gereichen könne. Es soll demnach auf deren Gebrauch gar nicht gesehen werden, sondern der Richter soll nichts destoweniger schuldig seyn, der Intention des Klägers gemäß das unrecht eingerichtete Gesuch zu verbessern.

§ 2. Da die Rechts-Lehrer verschiedener Meinung sind, ob das Possesso-rium retinendae possessionis mit dem Petitorio verbunden werden könne, so billigen Wir bey Gerechtigkeiten die Meinung derer jenigen, welche solches zulassen.

§ 3. Ob Wir auch schon wünschten, daß dasjenige, was in dem Interims-Justiz-Reglement wegen des der Klage beyzufügenden Beweises ver­sehen ist, genauer beobachtet werden möchte, so vernehmen Wir jedoch, daß solches um deswillen nicht eben geschehe, weil ein Kläger nicht immer voraussehen könne, was der Beklagte an seiner Klage ihm ver­neinen und bezweifeln werde. Wir müssen demnach die Befolgung Unsern Gerichten und dem Gewissen derer Advocaten überlassen. § 4. Obwohl sonst einem jeden freystehen muß, gegen Erstattung der dem Gegner verursachten Unkosten seiner Klage sich zu begeben, so soll er doch dadurch von der gegen ihn eingeführten Widerklage sich nicht befreyen können, sondern diese soll nichts destoweniger ihren Fortgang behalten.

Titul XVII.   Von denen Rechts-Mitteln aus dem Lege Diffamali und Lege Si contendat.

§ 1. Wir haben vernommen, daß ein gewisses Römisches Gesetz, welches den Namen Lex Diffamari führet, durch eine irrige Auslegung vielfältig dahin angenommen werde, als ob ein jeder, welcher etwan eines An­spruchs gegen jemand sich verlauten lassen, zu dessen Ausführung auf­gefordert werden könne, und bey deren Entstehung davon gänzlich aus­geschlossen, und ihm ein ewiges Stillschweigen auferleget werde. Als aber bereits die Reichs-Gesetze dieses vermeinte Rechts-Mittel nur auf Friedbrüchige und Schmäh-Sachen eingeschränket haben, so wollen auch Wir solches dahin eingeschränket wissen, und am wenigsten gestatten,


44                                                                                                            Tit. 17, 18 und 19

daß, wenn jemand zu Erhaltung seines Redits eine ordentliche Klage einführen kann, er dieses Rechts-Mittels sich bediene, und dadurch seinen Gegener zum Kläger mache.

§ 2. Es bleibet jedoch niemandem benommen, durch das Rechts-Mittel aus dem Lege Si contendat seine durch die Zeit hinfällig werdende Ein­reden geltend zu erhalten. Und wenn in solcher Aufforderung der Kläger mit seiner Klage und Replik nicht hervortritt, so ist, ohne erst den Beweis der Einreden abzuwarten, ihm wegen der Klage ein ewiges Stillschweigen aufzulegen.

Titul XVIII.   Vom Mandal-Prozeß.

§ 1. Was wegen der Befehle ohne Vorbehalt, Mandatorum sine clausula, in der H. Römischen Reichs Cammer-Gerichts-Ordnung vorgeschrieben worden, dabey lassen Wir es allerdings bewenden.

§ 2. Es sollen auch Befehle mit Vorbehalt der Nothdurft, mandata cum clausula nicht anders als in klar anscheinenden Sachen erlassen werden.

§ 3. Wenn wegen unterlassener Verantwortung ein zuerst mit Vorbe­halt der Nothdurft ergangener Befehl in einen Befehl ohne weitern Vor­behalt verwandelt wird, so kann auch dieses blos für einen Befehl, und nicht für ein gerichtliches Erkenntniß angesehen werden, noch daher eine Rechtskraft erlangen. Und es muß also, wenn der Anschein eines Ungehorsams abgelehnet wird, die völlige Nothdurft noch immer frey bleiben.

Titul XIX.   Von Vereinigungen und Verträgen.

§ 1. Obgleich nach denen Kaiserlichen Rechten nicht alle und jede Ver­einigungen eine Verbindlichkeit würken, so haben Wir doch gnädigst gern vernommen, daß Unsre deutschen Gerichte hiebey mit jener Rechte Beyseitsetzung das natürliche Recht zum Grunde legen, und über alle Verträge halten, welche dem gemeinen Nutzen des menschlichen Ge­schlechts und des Staats, wie auch denen Pflichten gegen Gott, gegen sich und andre nicht zuwider sind, noch eine unerlaubte und schändliche Ursache zum Grunde haben. Welches also auch inskünftige zu befolgen ist.

§ 2. Ob zwar die Lüneburgische Polizey-Ordnung C. 11. die Einschrei­bung der Contracte in die Amts-, Stadt- und Gerichts-Bücher unter Bür­gern und Bauern ohne Unterscheid erfordert, so vernehmen Wir doch, daß unter Bürgern in Städten weiter nichts darüber gehalten werde, als insofern es durch die neuere Verordnung wegen der Stadtpflichtigen


Tit. 19                                                                                                45

Güter die Anzeige der Obrigkeit, die das Catastrum führet, geschehen muß. Weil es nun auch jetzo in Städten an Advokaten und öffentlichen Notarien nicht ermangelt, mithin dadurch bey Bürgern die Absicht der Policey-Ordnung, den Beweis zu verkürzen, erreichet wird, so halten Wir bedenklich, in denen Städten Unsrer Herzogthümer Lüneburg und Grubenhagen, auch Grafschaften Hoya und Diepholz an eine Erneuerung gedachter Policey-Ordnung zu gedenken.

§ 3. Was hingegen das platte Land, wozu Wir auch die Flecken rechnen, in gedachten Unsern Ländern, betrifft, so bleibet zwar in Ansehung deren die angezogene Policey-Ordnung allerdings bey völligen Kräften. Es ist aber dieselbe nur von solchen Contracten zu verstehen, welche nicht sogleich zur Erfüllung gebracht werden sollen, oder doch eines fortdaurenden Beweises bedürfen.

§ 4. Ob aber auch schon in erwähnter Policey-Ordnung die Anmeldung der Contracte an die Gerichte bey Poen der Annullation, oder Vernich-tigung des Vertrages, vorgeschrieben worden, so ist doch hierab keines-weges zu schließen, daß der Vertrag an und für sich und schlechterdings nichtig seyn solle, sondern es hänget vielmehr, wenn die Richtigkeit desselben sonst nicht in Zweifel gezogen wird, von der ordentlichen Obrigkeit des Beklagten ab, in wie weit derselbe denen Rechten und der Billigkeit nach bestehen könne. Wenn demnach eine Auslobung von Brautschatz geschehen, so kann die Auslobung, als welche allemal ge­schehen müssen, nicht schlechterdings für nichtig gehalten werden, son­dern die Obrigkeit ermisset nur, ob nach denen dem auslobenden Theile sonst obliegenden Pflichten gegen Uns, das Land, die Seinen und andre, auch gegen sich selbst, so viel ausgelobet werden können, oder auch, ob derjenige, dem es ausgelobet ist, gar zu sehr dadurch verletzet worden.

§ 5. Ist aber der Vertrag schon in Erfüllung gebracht, und das ausge­lobte bezahlet und angenommen, so kann alsdenn solcher Vertrag, wenn keine merkliche Verletzung zu zeigen stehet, blos aus dem Grunde der bey der Obrigkeit nicht geschehenen Anzeige nicht angefochten werden. Wenn demnach die abgelegte Tochter oder Schwester das ausgelobte Geld bereits erhalten, kann sie blos um unterlassener sothaner Anzeige willen die Auslobung nicht anfechten.

§ 6. Wenn auch nach getroffener Vereinigung der eine Theil zwar bereit wäre, solche bey dem Amte oder Gerichte beschreiben zu lassen, der andre aber dessen sich weigern, und zurücktreten wollte, so stehet solches diesem so schlechterdings nicht frey, sondern der Beamte oder Gerichts-Herr hat denselben auf Ersuchen vorzufordern, über die Rieh-


46                                                                                                Tit. 19

tigkeit der Sache zu vernehmen, und wenn sonst nichts bey dem Handel vorfällt, selbigen nichts destoweniger, allenfalls mit gehöriger Abände­rung in das Amts- oder Gerichts-Buch einzutragen. Es muß jedoch solches wenigstens vor Ablauf vier Wochen nach geschlossener Ver­einigung geschehen, maßen nachher, wenn die Sache angebrachtermaßen nicht eingestanden wird, kein Beweis durch Zeugen oder außergericht­liche Urkunden zuzulassen ist.

§ 7. Jn Unserm Herzogthum Calenberg dienet denen aus der Bauer­schaft weiland Herrn Herzog Friedrich Ulrichs Verordnung vom 4ten April 1620 zur Richtschnur.

§ 8. Es ist gleichwohl auch hier anzunehmen, daß nur solche Verträge gemeinet seyn, welche nicht sogleich zur Erfüllung gebracht werden, oder gebracht werden können, oder doch eines fortdaurenden Beweises bedürfen, daß nicht weniger auch hier, wenn die Abrede nicht bezweifelt wird, der Vertrag nicht schlechterdings zu vernichtigen, sondern nur nach Recht und Billigkeit einzurichten, auch vor Ablauf von vier Wochen der eine auch wider des andern Willen um die Bestätigung nachsuchen möge, und ihm solche befundenen Umständen nach nicht zu versagen, hingegen nach solcher Zeit kein Zeugen- noch andrer brief­licher Beweis zugelassen sey.

§ 9. Ob nun aber schon die Worte dieser Verordnung blos auf Unsere Beamte gerichtet sind, so ist sie doch billich nach dem eigentlichen Sinn derselben auch von denen Gerichten der Klöster und derer von Adel zu erklären.

§ 10. Als ferner bey vorfallenden Bedenklichkeiten denen Beamten auf­gegeben worden, an den regierenden Landesherrn oder dessen Räthe zu berichten, und Bescheides darauf zu gewärtigen, so vernehmen Wir je­doch, daß dieses sich nicht füglich thun lasse, und dahero auch nicht be­obachtet werde. Wir wollen mithin auch künftig Unsere Ämter und Ge­richte damit verschonen, und denen dazu verordneten Personen die Er­mäßigung auf Eid und Gewissen überlassen, zumal sie am besten von allen der Sache Umständen unterrichtet sind.

§ 11. Wir mögen auch nicht gestatten, daß, wenn die Beamte, oder Adliche Gerichts-Einhaber die Bestätigung eines von ihnen für unbillig gehaltenen Vertrages versagen, darüber weitere Klagen zuzulassen seyn. Wenn jedoch jemandem ein würklich habendes Recht genommen werden sollte, welches derselbe ohne Absicht auf den erst zu bestätigen­den Vergleich hat, so stehet ihm frey, gegen die verweigerte Bestätigung sich an Unsre höhere Gerichte zu wenden.


Tit. 19                                                                                                47

§ 12. Jn Ansehung derer für einen Dritten geschehenen Versprechen ver­nehmen Wir, daß nach denen Kaiserlichen Rechten niemand für einen Dritten sich etwas könne versprechen lassen, noch Klage daraus er­heben, wenn er nicht auf den Fall der Nicht-Erfüllung eine Strafe sich ausbedungen oder auch sonst selbst dabey interessirt wäre, daß auch der Dritte selbst nicht klagen könne, woran jedoch die neuern Rechte Aus­nahmen aus der natürlichen Billigkeit angenommen haben, die Rechts­lehrer gleichwohl sehr unterschiedener Meinung sind, ob bei dem Römi­schen Recht genau zu bleiben sey oder nicht.

§ 13. Um nun hierunter eine Gewißheit zu setzen, so bestimmen Wir, daß zwar in Ansehung desjenigen selbst, welcher sich für einen Dritten etwas versprechen lassen, es bey dem Römischen Recht sein Bewenden behalte; sonst aber nicht allein durch ausdrückliche Bevollmächtigte und Verwalter, sondern auch durch diejenigen, die jemandes Person ent­weder überall, oder gewisser Maßen vorstellen, und deren Handlungen von demselben aus gebührender Folgeleistung als eigne genehmiget werden müssen, dieser Dritte aus dem Versprechen sogleich ein Recht erlange, gegen den Versprecher zu klagen.

§ 14. Wenn demnach Eltern ihren Kindern oder Enkeln etwas ver­sprechen lassen, erhalten diese daraus ein Recht, wenn sie schon nicht unter solcher Eltern Gewalt stehen.

§ 15. Da auch die Frau nach göttlichen Rechten unter der Herrschaft ihres Mannes stehet, so gewinnet sie ein Recht, wenn der Mann ihr etwas versprechen lässet.

§ 16. Wenn gleichwohl auch sonst die abwesende dritte Person das ihr geschehene Versprechen angenommen, so ist alsdenn es so anzusehen, als ob sie von Anfang zu dessen Einnehmung Vollmacht ertheilet habe.

§ 17. Wir halten es auch der Billigkeit gemäß, daß derjenige, welcher einem abwesenden Dritten etwas versprochen hat, vor der Annahme nicht anders zurückziehen könne, als wenn dieser Abwesende das Ver­sprechen und dessen Zurücknehmung zu gleicher Zeit erfähret.

§ 18. Hat auch jemand sein Recht einem andern unter der Bedingung, es einem Dritten wieder zu überlassen, übertragen, und er beharret bey dieser Willens-Meinung, so kann der Dritte aus dem Willen des ersten klagen.

§ 19. Wenn die Frage entstehet, ob oder in wiefern es erlaubt sey, von einem Vertrage einseitig zurückzugehen, so ist darunter billig ein Un­terscheid zu machen: Bey einem Kauf und Verkauf, Heuern und Ver­heuern, leidet das Band der menschlichen Gesellschaft nicht wohl ein


48                                                                                                Tit. 19

einseitiges Zurücktreten, wenn auch schon der andre sein Wort ver­sprochnermaßen nicht hielte, sondern es muß auf die Erfüllung und die Erstattung des erlittenen Schadens und vermißten Vortheils geklaget werden. Wie solches auch die gemeinen beschriebenen Rechte an­nehmen. Bey allen übrigen Verträgen aber ist der Billigkeit nach dahin zu sehen, ob die Sache noch in einem von beiden Seiten ganz unerfüll­tem Stande sey, mithin einer ohne des andern Nachtheil zurückgehen könne, oder ob der eine Theil zwar das Seinige bereits erfüllet, der andre aber dazu sich gehörig noch nicht angeschicket. Ist alles noch gänzlich unerfüllet, und entstehet niemanden einiger Nachtheil daraus, so würde es wegen der vielen Vorfälle des menschlichen Lebens gegen den gemeinen Nutzen streiten, die Aufrufung des Vertrages zu ver­wahren. Wenn hingegen der eine Theil den Vertrag seiner Seite schon erfüllet, oder sich doch dazu bereits angeschicket, und es zu erfüllen, be­reit ist, so stehet dem andern nicht so schlechterdings zurückzutreten frey, sondern dieser ist, wenn jener es verlanget, und nicht das Ge­gebene zurückfordert, das Versprochene schlechterdings zu leisten schuldig.

§ 20. Wenn aber der eine Theil ohne sein Verschulden durch Krankheit oder sonst an der Erfüllung verhindert worden, kann er zwar wegen derer daraus für den andern Theil entsprungenen nachtheiligen Folgen nicht einstehen, er muß gleichwohl das Empfangene wieder herauszu­geben.

§ 21. Wir halten aber auch nicht weniger darin die Entscheidung der Römischen Rechte, welche dieselbe bey einem Vergleiche annehmen, dem Recht der Natur gemäß, und wollen, daß solche außerhalb Kauf und Verkauf, und Heuern und Verheuern auch bey andern Verträgen zu befolgen sey, daß, wenn ein Theil dem Vertrage entgegen handelt, oder zu handeln suchet, der andre an den Vertrag weiter nicht gebunden sey.

§ 22. Wer etwas zu thun versprochen hat, kann damit keinesweges ab­kommen, daß er allen Nachtheil in Verlust und Gewinnst ersetzen will, sondern er muß, wenn es verlanget wird, dem versprochenen pünktlich nachkommen.

§ 23. Vergleiche bestehen auch über Sachen, wobey nur ein Streit zu fürchten gewesen, ja auch klare und rechtskräftig ausgemachte Sachen, wenn die Vollstreckung der richterlichen Hülfe Schwürigkeit finden könnte.

§ 24. Da es in Rechten zweifelhaft gehalten wird, ob ein Vergleich über das in einem Testament verordnete ohne vorgängige Einsicht des Testa­ments bestehen könne, so ist zwar in solchem Falle allerdings nöthig,


Tit. 19 und 20                                                                                    49

daß derjenige, welcher sich vergleichet, von dem Inhalt und seinem Rechte Wissenschaft habe, da andergestalt keine überlegte Einwilligung zu gedenken stehet, vielmehr zu großen Hintergehungen Anlaß gegeben würde. Die bloße unterbliebene eigne Einsicht des Testaments kann aber den Vergleich nicht vernichtigen.

§ 25. Ob Wir schon Vergleiche, wodurch eine würkliche Ehe aufgehoben würde, nicht billigen, so genehmigen Wir doch allerdings Vergleiche, wodurch von Verlöbnissen zurückgegangen wird. Ob nun auch wohl einige Rechts-Lehrer dafür halten wollen, daß ein Vergleich aufgehoben werden könne, wenn ein Theil über drey Vierthel verletzet worden, so erklären Wir doch diese ohnehin durch kein Gesetz bestätigte Meinung um so mehr für ungegründet, als bey unentschiedenen Sachen eine Ver­letzung nicht einst ausfündig gemachet werden kann.

Titul XX.   Von unnützen Versprechen.

§ 1. Ob es wohl in denen Rechten für ein unnütz Geschäfte gehalten wird, wenn jemand verspricht, daß ein andrer etwas geben oder thun solle, und nur alsdenn eine Verbindlichkeit entstehet, wenn das Ver­sprechen dahin gerichtet worden, zu bewürken, oder zu machen, zu be­schaffen, daß ein andrer etwas geben solle, so vernehmen Wir doch, daß unter denen Rechts-Lehrern bezweifelt werde, worin die eigentliche Verbindlichkeit im letztern Fall bestehe, und ob es genug sey, wenn der Versprecher es nur an seiner Bemühung habe nicht fehlen lassen, oder ob er schlechterdings hafte. Wir nehmen aber in dem erwehnten Falle das letztere an.

§ 2. Wir mögen hiebey die Meinung derjenigen Rechtslehrer nicht an­nehmen, welche heutiges Tages ein jedes solches Versprechen still­schweigend auch auf eine versprochene Bewürkung verstanden wissen wollen.

§ 3. Dagegen kann aber auch das Versprechen von Besorgen, Betreiben und dergleichen jenem genannten Versprechen nicht gleich gesetzet werden.

§ 4. Hat jemand die Gabe von einem Dritten zu bewürken, und zu be­schaffen übernommen, so kann es nicht darauf ankommen, wie einige neue Rechtslehrer dafür halten wollen, ob dadurch in Ansehung des Versprechens eine Schenkung und Freygebigkeit oder nicht, vorhanden sey, und es soll der Versprecher auch alsdenn mit einer gnugsam ange­wandten Bemühung sich zu schützen nicht vermögen, es wäre denn, daß die Summe über Eintausend Species-Thaler sich betrüge, und es dahero in sofern einer gerichtlichen Insinuation bedürfte.

4   Ebel


50                                                                                 Tit. 20, 21 und 22

§ 5. Hiebey verstehet es sich auch von selbst, daß, wenn der dritte, dessen Bezahlung oder Leistung versprochen worden, in einer wahren und würklichen Verbindlichkeit bereits sonst begriffen ist, des Ver­sprechers Bestätigung als eine Bürgschaft anzusehen sey.

Titul XXI.   Von Advocaten.

§ 1. Was wegen der Advocaten insonderheit in Unsrer Ober-Appella-tions-Gerichts-Ordnung heilsamlich versehen ist, dabey hat es aller­dings sein Verbleiben.

§ 2. Ob nun zwar auch daselbst P. I tit. 2 § 12 gesetzet ist, daß die Advo­caten der in denen Rechten verbotenen pactorum mit ihren dienten bey Vermeidung der in solchen dawider verordneten Strafen sich gänzlich enthalten sollen, so vernehmen Wir jedoch, daß unter denen Rechtsleh­rern sehr gezweifelt werde, welche pacta eigentlich für verboten in denen Rechten zu halten, und ob insonderheit ein versprochenes, oder auch bereits bezahltes palmarium dahin zu ziehen sey. Wir wollen nun dieses zuvörderst dahin gnädigst bestimmen, daß alle Gelübde und Verspre­chungen, welche dem Advocaten vor würklich geendigtem Rechtsstreit geschehen, sie seyn eidlich oder ohne Eid aufgerichtet, sie betreffen quotam litis oder ein palmarium, durchaus ungültig und nichtig seyn sollen, und daraus nicht allein keine Klage zu verstatten, sondern auch der Parthey zu erlauben, das etwa währenden Processes bereits Be­zahlte wieder zu fordern.

§ 3. Was aber nach völlig geendigtem Recht-Streit eine Parthey ihrem Sachwald über den verdienten Lohn zu Vergeltung desselben Bemü­hungen verspricht, es mag geschehen, unter welchem Namen es will, ist bündig und gültig, gleich andern wieder vergeltlichen Schenkungen, so weit es nämlich bey ermangelnder gerichtlicher Insinuation die Summe von fünfhundert Dukaten nicht übersteiget.

Titul XXII.   Vom Irrtum der Advocaten.

§ 1. Es ist Uns unterthänigst hinterbracht worden, daß auch darüber unter denen Rechtslehrern nicht einerley Meinung obwalte, wie weit eines Advokaten irrige Angabe von den Umständen der Sache der Parthey selbst schade, und von ihr annodi zu widerrufen, oder zu ver­bessern stehe.

§ 2. Wenn die Parthey einem Advocaten aufträgt, entweder in Schriften der Sachen Nothdurft vorzutragen, oder zu gleichem Ende in ihrem Namen im Gerichte einen Termin abzuwarten, so ist der Advocat in


Tit. 22 und 23                                                                                    51

sofern als der Parthey Gevollmächtigter anzusehen, und die Parthey kann zwar vor einem ergangenen rechtskräftigen Erkenntniß dasjenige, worin der Advocat wegen der Umstände der Sache geirret, verbessern, jedoch nicht anders, als wenn ein wahrer Irrthum erwiesen wird.

§ 3. Wenn hingegen die Parthey selbst mit Zuziehung eines Advocaten einen Termin abwartet, stehet ein gleicher verbindlicher Auftrag nicht anzunehmen, und da es sich zutragen kann, daß die Parthey das irrige in des Advocaten Vortrage nicht sofort beachtet, sondern erst aus dem nachher mitgetheilten Protocoll wahrnimmt, so billigen Wir in diesem Fall die Meinung der Rechtslehrer, daß der Irrthum innerhalb drey Tagen und zwar nach ausgelösetem Protocoll schlechterdings wider­rufen werden könne, nach solcher Zeit aber dieses nicht anders, als mittelst Erweisung des Gegentheils geschehen möge.

Titul XXIII.   Von Prokuratoren.

§ 1. Nach demmalen die in Unsern Gerichts-Ordnungen vorgeschriebene Mandata procuratoria, deren die Partheyen sich bedienen sollen, nach Anleitung des Reichs-Abschiedes vom Jahre 1654 ohne Benennung eines gewissen Punkts auf hievorige, jetzige und künftige Sachen eingerichtet sind, mithin dadurch der einmal angenommene Procurator gegen die­selbe Person auch in allen andern bey demselben Gerichte entstehenden verbunden seyn, oder nicht, für legitimiert angesehen werden soll, die-Rechts-Händeln, sie mögen eine Folge des ersten, und mit demselben ses auch in Ansehung der nöthigen Verkündigung ergangener neuer Processe und Ladung, zu Verhütung großer Beschwerlichkeiten, Auf­schubs und Kosten gereichet, als kann denen Partheyen, wie bisher wohl geschehen wollen, nicht frey stehen, darin eine Änderung und Ein­schränkung vorzunehmen, sondern der einmal angenommene Procurator ist nach ausgestellter Vollmacht gegen dieselbe Person auch zu allen übrigen Sachen active und passive legitimirt.

§ 2. Es ist jedoch, wenn ein besonders Akten-Bund formiret wird, dem­selben jederzeit eine beglaubte Abschrift vorgedachter Vollmacht bey­zufügen.

§ 3. Denen Prokuratoren bleibet indeß das in den Ordnungen ihnen für jede Sache zugebilligte Salarium. Doch kann dafür bey Incident-Punk-ten, oder auch, wenn die Sache sich nachhero in mehrere Zweige ver­breitet, nicht besonders gefordert werden.

§ 4. Als gleichwohl sonst wegen des Gehalts der Prokuratoren dem Ver­nehmen nach hauptsächlich in dem Fall Zweifel obwaltet, wenn die

4*


52                                                                                                Tit. 23

Sache einige Zeit geruhet hat, so bestimmen Wir gnädigst, daß wenn die Parthey die Sache ganz unangeregt, und ohne von dem Procuratore einige Mühe nach Sollicitirung zu verlangen, liegen lässet, und dem Procuratori von der Gegen-Parthey durch Einhändigung gerichtlicher Bescheide auch keine Mühe verursachet wird, nach Ablauf des ange­fangenen Jahres, inmittelst bis die Sache wieder in Gang kommt, kein Salarium gereichet werden, noch desfalls etwas in Rechnung gebracht werden soll.

§ 5. Die denen Procuratoren zu Folge des in den Ordnungen vorge­schriebenen Formulars in den Vollmachten zu bestellende Hypothek tritt auch ein, wenn schon die Vollmacht nicht würklich vollzogen wor­den, und sie ist nicht allein von dem baaren Vorschuß, sondern auch von der Gebühr der Prokuratoren zu verstehen, nimmt daher auch von der Zeit ihren Anfang, da denen Prokuratoren die Sache von der Parthey, oder deren Sachwald, aufgetragen ist.

§ 6. Wir wollen dabey femer die Meinung dererjenigen gelten lassen, welche dieser Hypothek die Kraft einer öffentlichen und gerichtlichen beylegen.

§ 7. Sind mehrere Litis-Consorten, als z. B. Erben, oder Gesellschafter vorhanden, oder es würde auch der Procurator ihrer mehrern gemein­schaftlich zugeordnet, so ist der Procurator nicht schuldig, einen jeden für seinen Antheil besonders zu belangen, sondern er hat die Wahl, auf seine ganze Forderung sich an einen unter ihnen besonders zu halten, welcher desfalls nachher an seinem Mit-Erben oder Gesellschafter sich wieder erholen kann.

§ 8. Wird eine Sache von jemandem in Vollmacht eines andern geführet, so muß das Procuratorium nicht von dem Gevollmächtigten, sondern der Haupt-Parthey selbst vollzogen werden. Wenn aber der Gevollmächtigte aus einem von ihm getroffenen Geschäfte selbst klagen kann, so ist ein von ihm ausgestelltes Procuratorium hinlänglich.

§ 9. Wenn auch ein Ehemann wegen seiner Ehefrau in Ansehung solcher Güter, die nicht zum Brautschatz gehören, Klage führet, ist, um mehrerer Beständigkeit willen, die Vollmacht zugleich von der Ehefrau zu unter­schreiben.

§ 10. Wenn es nicht auf die Beschützung und Erhaltung der Concurs-Masse noch auf die Liquidirung einer Schuld, sondern blos auf den Vor­zug eines Gläubigers vor dem andern ankommt, muß nicht der Pfleger der Güter, sondern der bestrittene Gläubiger selbst einen Anwald be­stellen.


Tit. 23 und 24                                                                                       53

§ 11. Da Wir auch vernehmen, daß die am Orte des Gerichts gegen­wärtigen bisher ohne Procuratoren zugelassen worden, so lassen Wir solches ferner geschehen. Es kann aber dieses bey mehrern Erben und Litisconsorten keine Statt finden.

Titul XXIV.   Von ehrlosen Personen.

§ 1. Da in diesem Stück denen gemeinen Vorurtheilen theils durch die Reichs-, theils auch besondre Landes-Gesetze Einhalt geschehen ist, so hat es dabey allerdings sein Bewenden. Wir wollen aber auch, daß überall niemand für ehrlos zu halten sey, und die Folgen davon empfin­den solle, als welcher durch die Kaiserlichen Rechte dafür erkläret wird, in sofern Wir nicht auch hierunter nach jetziger Gestalt der Sachen eine Abänderung zu machen geruhen mögten.

§ 2. Es kann demnach die bloße Anschuldigung eines öffentlichen Ver­brechens, so lange der Beschuldigte nicht durch Urthel und Recht des­selben schuldig erkannt worden, niemand ehrlos machen.

§ 3. Was hingegen die Bruchfälligen Verbrechen anlanget, welche auf denen Land-Gerichten bestrafet werden, wohin auch die Send-Brüche gehören, so sollen dieselben keine Ehrlosigkeit nach sich ziehen, zumal hieraus für das ganze gemeine Wesen die übelsten Folgen entstehen würden.

§ 4. Diebstahl und Untreue, wenn sie auch noch so geringe sind, machen hingegen ehrlos.

§ 5. Ob nun auch schon nach Unsrer Ehe-Verlöbniß-Constitution keine andre Verlöbnisse von Rechtskraft sind, als welche in der darin be­schriebenen Maße für Zeugen vollzogen sind, Wir es auch in diesem Stück allerdings dabey bewenden lassen, so haben Wir jedoch erwogen, daß es gegen alle Redlichkeit und Rechtschaffenheit laufe, und auf keine Weise mit der Gesinnung eines ehrlichen Mannes bestehen könne,i wenn eine großjährige Mannsperson, bey welcher völlige Überlegung angenommen werden muß, sich mit einer Frauensperson auch ohne Zeugen verlobet, und nachher dieselbe verlässet, und wohl gar mit einer andern sich verlobet. Wenn demnach eine solche Mannsperson keine Eltern im Leben hat, auf welche die Schmach mit fallen könnte, so soll sie gleichwohl für ehrlos gehalten werden.

§ 6. Da es auch mit denen heutigen Schauspielen eine ganz andre Be-wandniß wie mit denen Römischen hat, so muß niemand dadurch, daß er auf einer öffentlichen Schaubühne erscheinet, ehrlos werden.


54                                                                                                                               Tit. 25

Titul XXV.   Von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

§ 1. Da in Ansehung der richterlichen Gewalt, wie Uns hinterbracht worden, die Römischen und Deutschen Verfassungen merklich unter­schieden sind, dahero auch besonders in Unsern Deutschen Landen durchgehends hergebracht ist, daß einem jeden Richter in denen für ihn gehörigen Fällen die Macht zustehe, aus billigen und rechtlichen Ur­sachen wieder in den verlornen vorigen Stand zu setzen, so soll es auch dabey ferner sein Bewenden behalten.

§ 2. Da auch die gemeinen Rechte eine Wiederherstellung in den vorigen Stand gegen die Strenge der Gesetze nur aus solchen Ursachen zulassen, welche auf natürliche Mängel und unvermeidliche Einschränkungen und Behindernisse sich gründen, mithin so beschaffen sind, daß sie einem jeden Menschen ohne seine Schuld begegnen können, so muß dieses Hülfsmittel einem jeden in Unsern Landen, von welcher Religion er auch sey, angedeyen.

§ 3. Als bezweifelt wird, ob eine unmündige Person auch gegen ein un­bedingtes Ehe-Versprechen wieder in den vorigen Stand gesetzet wer­den möge, so treten Wir denenjenigen bey, welche solches aus guten und erheblichen Ursachen, und auch alsdenn, wenn die Verlobung mit Genehmigung der Eltern oder Vormünder und Verwandten geschehen, zulassen.

§ 4. Wer für einen Unmündigen sich verbürget hat, kann nicht gleich dem Unmündigen blos aus dem Grunde, daß dieser verletzet worden, wenn dabey kein Betrug erscheinet, wieder in den vorigen Stand ge­setzet werden.

§ 5. Da aber in Unsern Deutschen Landen die Jahre der Minderjährig­keit nicht durchgehends gleich bestimmt sind, und besonders die Städte Lüneburg und Uelzen darin besondere Rechte haben, so wollen Wir, daß in allen Verträgen und Handlungen, welche die Zeit der Minderjährig­keit nach den Gesetzen des Orts, wo der Minderjährige wohnet, und nicht, wo der Handel geschiehet, gerechnet werden solle.

§ 6. Einem Soldaten kann, wenn er nicht zu Felde lieget, oder auszu­ziehen und ins Feld aufzubrechen im Begriff ist, eine Wiederherstellung in den vorigen Stand nicht angedeyen.

§ 7. Da Wir vernehmen, daß in Ansehung der Kirchen und gottseeligen Stiftungen die Canonischen Rechte in Unsern Deutschen Landen bisher beobachtet, und auch diesen gleich denen Unmündigen die Wiederher­stellung in den vorigen Stand verstattet worden, so soll es auch ins künftige dabey verbleiben.


Tit. 25                                                                                                55

§ 8. Wie jedoch selbst die Canonischen Rechte ganz klar und deutlich besagen, daß die zur Wiederherstellung vergönnte vierjährige Zeit bey denenselben von der Zeit an laufe, da der Kirche ein Nachtheil zuge­füget worden, so mögen Wir auch bey Unsern evangelischen Kirchen und Stiftungen die Meinung derjenigen, welche solche Zeit auch nach Abgang des bisherigen Vorstehers eintreten lassen wollen, um so weni­ger billigen, als dadurch eine dem gemeinen Wesen schädliche gar zu große Ungewißheit entstehen würde, überdem auch die in Unsern Lan­den angeordnete Verfassung eine Verlängerung solcher Zeit nicht nöthig machet.

§ 9. Da auch in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung nach der Meinung vieler Rechtsgelehrten die Universitates überhaupt zu der Wohlthat der Wiederherstellung gelassen werden, so hat es zwar hie-bey allerdings sein Verbleiben. Doch soll auch hier die vierjährige Zeit schlechterdings von dem Tage angerechnet werden, da die Universitas den Nachtheil erlitten.

§ 10. Ob schon einige Rechtslehrer dafür halten wollen, daß ein Unmün­diger, wenn er nicht durch Vormünder, sondern durch einen von ihm gewählten Gevollmächtigten Schaden erlitten, sich an den letztern zu­vörderst halten, und erst alsdenn, wenn er an diesem sich zu erholen nicht vermag, gegen den Contrahenten die Wiederherstellung in den vorigen Stand begehren möchte, so können Wir jedoch solcher Meinung nicht beypflichten.

§ 11. Wenn auch in gerichtlichen Sachen jemanden durch Schuld seines Sachwalds oder Anwalds ein Nachtheil entstehet, ist er nicht schuldig, an dieselben sich zuvörderst zu halten, sondern unsre Gerichte haben ihn bey würklich erscheinendem Nachtheil sogleich wieder in vorigen Stand zu setzen. Wie Wir denn solches um so billiger halten, als die Advocaten von Unserm Ober-Appellations-Gerichte oder denen Regie­rungen die Erlaubniß zu advociren erhalten, die Procuratores aber von denen Gerichten selbst bestellet werden, überdem aber auch ein wahrer Schade, ohne in der Hauptsache den Gegentheil zuzuziehen, nicht wohl auszufinden ist.

§ 12. Wider rechtskräftige Erkenntnisse findet eine Wiederherstellung in den vorigen Stand nicht anders Statt, als wegen Minderjährigkeit, oder wenn es eine öffentliche Sache ist, oder auch, wenn der Nachsucher solche neue Urkunden zu handen bekommen, welche sein Gegner heim­lich an die Seite gebracht hat.

§ 13. Da dem Richter oblieget, eine jede Sache nach dem Zwecke des Anrufenden in Erwägung zu ziehen, und dann zu Erreichung  eines


56                                                                                      Tit. 25 und 26

Zweckes ein jeder auch die dazu dienliche Mittel ihm angedeyen zu lassen wünschet, also muß der Richter, wenn die Sache darnach beschaf­fen ist, und es erfordert, auch ohne besonders und ausdrückliches An­flehen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ertheilen. Wie Wir denn solches denen sämmtlichen Gerichten in Unsern deutschen Landen vorschreiben.

§ 14. Obgleich die Kaiserlichen Rechte bey nachgesuchter, aber noch nicht erlangter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand alles in der jetzigen Lage erhalten wissen wollen, und das Canonische Recht nur alsdenn eine Ausnahme gemacht, wenn dem bittenden Theile widrige Vermuthungen entgegen stehen, und demnächst alles wieder herge­stellet werden kann, auch Sicherheit desfalls beschaffet wird, so ist jedoch den in Unsren Ober-Appellations-Gerichts-Erkenntnissen erlaub­ten Rechtsmitteln der Restitution im letztern Falle, ohne auf widrige Vermuthungen zu sehen, überall kein Aufenthalt gestattet. Welches Wir also auf alle nachzusuchende Wiedereinsetzung angewandt wissen wollen.

§ 15. Als bey derjenigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welche die Rechte wegen Arglist ertheilen, von denen Rechtslehrern die Frage aufgeworfen wird, ob die sogenannten contractus bonae fidei nur durch eine solche Arglist, welche den Contract veranlasset, oder auch alsdenn für nichtig anzusehen, wenn dergleichen auf andre Weise dabey vorfällt, die Meinungen aber sonderlich der neuern hiebey unterschie­den seyn sollen, so treten Wir denenjenigen bey, welche einen Unter­schied annehmen und dafür halten, daß der Contract nur im ersten Falle nichtig sey, sonst aber der Verletzte blos auf Ersetzung seines Schadens und übrigen Abgangs klagen könne.

§ 16. Da Wir übrigens auch vernehmen, daß zwar die ältern Rechts­lehrer bey der Wiederherstellung in den vorigen Stand zwey besondre und auf einander folgende gerichtliche Ausführungen, judicium rescin-dens und rescissorium erfordert haben, hievon jedoch die bewährtesten neuem Rechtslehrer abgehen, und beydes zugleich entschieden wissen wollen, so müssen Wir diesen letztern um so mehr beypflichten, als dadurch überflüssige gerichtliche Weitläufigkeit vermieden wird.

Titul XXVI.   Von Compromiß- und Schieds-Richtera.

§ 1. Nach demmalen Uns in Ansehung der Compromiß- und Schieds-Richter unterthänigst vorgetragen worden, wie große Zweifel unter denen Rechtslehrern obwalten, ob der von denenselben abgegebene Aus-


Tit. 26                                                                                                57

spruch, zumal nach heutigen Gewohnheiten, wenn es auch von beyden Theilen nicht ausdrücklich so verabredet worden, schlechterdings be­stehe, oder ob dagegen entweder eine Berufung auf den ordentlichen Richter, oder auf eine anderweite nach der Billigkeit einzurichtende Er­mäßigung, reductio ad arbitrium boni viri, eintrete, und Wir denn erwogen, daß eben in dieser Absicht zu einem Compromiß geschritten wird, damit die Sache nicht mit großer Weitläufigkeit durch den ordent­lichen Weg Rechtens entschieden werde, so wollen Wir zwar, wenn die Verpflichtung nach denen beschriebenen Rechten bey einer gewissen Strafe geschehen, gegen deren Entrichtung eine Beziehung auf den ordentlichen Richter annodi Statt finden lassen. Sonst aber muß es bey dem abgegebenen Ausspruch, wenn er schon binnen zehn Tagen von beiden Theilen nicht genehmiget worden, wie solches auch dem Reichs-Abschiede vom Jahr 1594 § 66. gemäß ist, wenn keine enormissima laesio, nämlich Verletzung über drey Viertel, vorhanden, und aus dem ergangenen Handel klar und offenbar zu machen stehet, als in welchem Falle Wir eine nähere gerichtliche Entscheidung zulassen, schlechter­dings verbleiben, und ist derselbe von dem ordentlichen Richter auf ge­schehenes Anrufen zu vollstrecken.

§ 2. Es ist auch zu einem solchen schiedsrichterlichen Ausspruch nicht unumgänglich nöthig, daß die Partheyen gegen einander in der Form Rechtens gehandelt haben, sondern es ist genug, wenn die Beschaffen­heit der ganzen Sache dem Schiedsrichter mit beyder Theile Übereinstim­mung vorgeleget, und was darin einer Entscheidung bedarf, angezeiget wird.

§ 3. Ob aber auch schon nur das für einen schiedsrichterlichen Ausspruch zu halten ist, wenn eine Entscheidung aus denen Rechten geschiehet, und davon nicht ohne allen Grund eine blos auf willkührliche Sätze zu gründende Bestimmung unterschieden wird, so soll doch auch bey der­selben nach der Absicht beyder Theile dasjenige eintreten, was wir von schiedsrichterlichen Aussprüchen festgesetzet haben, wenn nicht etwa klar erscheinet, daß dabey offenbare Irrthümer angenommen worden, gestalten denn auch hier die sogenannte reductio ad arbitrium boni viri nicht anders eintreten soll.

§ 4. Unsre bestellten Gerichte mögen, da es zu Verkürzung der Sachen gereichet, allerdings auch Compromiße übernehmen, und findet auch sodann in Ansehung der gegen dergleichen Erkenntnisse zu gestatten­den Rechts-Mittel dasjenige, was Wir oben verordnet haben, Platz. Es soll auch Unserm Ober-Appellations-Gerichte ferner nicht untersaget seyn, Compromiße zu übernehmen. Gleichwie jedoch Kaiser und Stände


58                                                                                      Tit. 26 und 27

des Reichs bey dem Kaiserlichen Cammer-Gerichte aus guten erheblichen Ursachen die Compromiße einzuschränken gesuchet haben, also haben Wir auch zu Unserm Ober-Appellations-Gerichte das gnädigste Ver­trauen, daß es zum Nachtheil derer daselbst bereits anhängigen und ferner in bestimmter Ordnung anhängig werdenden Sachen nicht leicht ohne sehr wichtige Ursachen einem Compromiß sich unterziehen werden.

§ 5. Da es sich von selbst verstehet, daß zu einem Compromiß blos solche Dinge gestellet werden können, welche von dem Willkühr der streiten­den Theile abhangen, so findet dahero auch in Ehe-Sachen kein Com­promiß Statt.

§ 6. Da Wir auch die Wiederherstellung in den vorigen Stand einem jeden Richter gestatten, so wollen Wir auch zulassen, daß die Frage, ob jemand in vorigen Stand wieder zu setzen sey, in ein Compromiß ge­bracht werden könne. Wenn auch ein von dem Schieds-Richter ange­setzter Beweis-Termin wäre versäumet worden, kann der Schieds-Rich­ter dagegen in den vorigen Stand stellen.

§ 7. Ob gleich die Rechts-Lehrer einem Schieds-Richter nicht gestatten wollen, seinen Ausspruch, wenn es dessen bedarf, auszulegen und zu erklären, so scheinet Uns doch solche Erklärung und Auslegung, als welche von keinem andern zu erlangen stehet, der Sache selbst gemäß zu seyn.

Titul XXVII.   Von Herbergirern.

§ 1. Wir vernehmen, daß darüber Zweifel aufgestoßen, ob dasjenige, was die Kaiserlichen Rechte von Herbergirern verordnen, annodi heutiges Tages seine Anwendung finde. Wenn nun die Rechte hauptsächlich mit um deswillen mit denen Herbergirern strenger verfahren, weil Fremde in die Nothwendigkeit gesetztet sind, sich und das Ihrige denenselben anzuvertrauen, überdem aber auch solchen Reisenden und Fremden andergestalt nicht ohne große Weitläufigkeit zu dem Ihrigen verholfen werden würde, so Wollen Wir, daß Unsre Gerichte ferner wie auch bisher bereits geschehen, solchen gemeinen Rechten nachgehen.

§ 2. Wie nun der Wirth und Herbergirer für alles, was mit seinem guten Willen in sein Haus gebracht ist, einstehen muß, also mögen Wir auch denen Rechts-Lehrern nicht beypflichten, welche bey Kostbarkeiten, wenn sie in Behältnisse eingeschlossen sind, und nicht in die Augen fallen, eine besondere Angabe erfordern.

§ 3. Es kann auch der Wirth dadurch nicht befreiet werden, daß er etwa dem Gast den Schlüssel des Zimmers, oder des Schranks, übergeben,


Tit. 27 und 28                                                                                       59

oder daß der Gast selbst über Schuldigkeit noch mehrere Vorsichten gebrauchet.

§ 4. Ob nun schon für ein nicht zu verhütendes Unglück oder Gewalt, mithin auch für einen von außen geschehenen gewaltsamen Einbruch, der Wirth nicht einsteht, so können doch alle im Hause selbst vorge­fallene Entwendungen nach billiger Meinung der Rechts-Lehrer dahin nicht gezogen werden.

Titul XXVIII.   Von Gerichts-Örtern.

§ 1. Es ist in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2. tit. 1 § 7. versehen, daß auch die Wittwen derer Mitglieder Unsers Ober-Appel­lations-Gerichts, so lange sie zu Zelle ihre Wohnung behalten, in per­sönlichen Sachen allein vor dem Ober-Appellations-Gericht zu stehen haben sollen. Wie nun dieses bishero auch bey den Kindern, nicht allein, wenn sie bey der Wittwe unverändert im Hause und Kost ge­blieben, sondern auch sonst, wenn nach der Eltern Tode ihr Zustand nicht verändert worden, Anwendung bekommen hat, so wollen Wir es auch bey solcher Erklärung ferner lassen.

§ 2. Da auch bishero die von dem Ober-Appellations-Gericht bestellten Geridits-Procuratores wie auch deren Wittwen und Kinder auf gleiche Weise allein unter dem Ober-Appellations-Gerichte gestanden, so ge­nehmigen Wir gnädigst, daß solches ferner beybehalten werde.

§ 3. Andre Gerichts-Procuratores, deren Wittwen und Kinder stehen, wenn sie bey einem der höhern Gerichte dazu angenommen sind, unter denen höhern Gerichten in erster Instanz, die bey den Nieder-Gerichten angenommene aber vor diesen, wo sie bestellet worden, wenn sie zu­gleich unter demselben Gerichts-Zwange wohnen.

§ 4. Die Advocati hingegen können sich dem Gerichts-Zwang der ordent­lichen Obrigkeit nicht entziehen.

§ 5. Da auch bisher der Kirchen- und Schuldienern Wittwen mit ihren bey sich habenden Kindern in bürgerlichen persönlichen Sachen unter Unsern Consistoriis geblieben sind, so hat es auch hiebey bis dahin, daß die Kinder ihren Stand verändern, sein Verbleiben.

§ 6. Wenn jemand Unsrer Bedienten oder ein andrer Schriftsasse etwa in einer Unsrer Städte das Bürger-Recht gewonnen, ist er dadurch des Stadt-Magistrats Gerichtsbarkeit in persönlichen Sachen weiter nicht, als was dem Bürger-Recht anhängig ist, unterworfen. Jn allem übrigen behält er seinen Gerichts-Ort bey Unsern höhern Gerichten, und können


60                                                                                                                                Tit. 28

insonderheit Unsre Bediente ohne Unsre und des jedesmaligen Landes­herrn Erlaubniß darin keine Änderung treffen.

§ 7. Jm Gegentheil soll auch keiner, welcher mit dem Stadt-Magistrat als Bürger in Verbindung stehet, einen ihm von Uns ertheilten bloßen Charakter, wenn er nicht würklich in Unsern Dienst genommen worden, und von Uns Besoldung genießet, dazu gebrauchen, um sich des Stadt-Magistrats Gerichtsbarkeit zu entziehen.

§ 8. Wenn aber jemand zugleich in Unsern und zugleich in eines Stadt-Magistrats Diensten ist, stehet es bey dem Kläger, wo er ihn in persön­lichen Sachen belangen will, und findet hier überall die Prävention Statt.

§ 9. Gebrodete Diener haben in persönlichen Klagen einerley Gerichts-Ort mit ihrem Herrn. Welches jedoch nach der bereits von weyl. Unsers Großherrn Vaters Majestät gegebenen Erklärung auf die außer­halb Hauses wohnende und nur in Wochengeld stehende Porteurs nicht zu deuten ist. Auch sind darunter die Gesellen derjenigen Handwerks­leute, welche Wir als zu Unsrer Hof-Staat gehörig mit einem jähr­lichen Gehalt würklich in Unsern Dienst genommen, nicht zu rechnen.

§ 10. Jn bruchfälligen Dingen aber kann dem gebrödeten Gesinde die Schriftsässigkeit ihrer Herren nicht zu Statten kommen, sondern sie müssen, wenn der Herr darum begrüsset wird, vor den Vor- und Land-Gerichten sich stellen, welches auch bey derer von Adel Dienstboten und Gesinde Statt findet.

§ 11. Da unter denen Rechtslehrern gezweifelt wird, ob oder wie weit bey dem Gerichts-Orte der Wohnung auch dingliche Klagen, zumal nach deutschen Rechten und Gewohnheiten eingeführet werden können, so treten Wir zwar in Ansehung beweglicher Sachen denenjenigen bey, welche solches zulassen, in Ansehung der unbeweglichen aber mögen Wir es nicht anders gestatten, als wenn der Beklagte seine Wohnung in demselben Lande und Gebiete hat, wo das Gut belegen ist. Doch wer­den Wir Uns über Erbschafts-Klagen nachhero weiter erklären.

§ 12. Derjenige, welcher einen Adelichen Rittersitz in Unsern Landen hat, ist anzusehen, als ob er auch daselbst wohne, wenn er schon seine hauptsächliche Wohnung anderswo hätte. Er kann dahero nicht allein in persönlichen bürgerlichen Sachen, sondern auch in dinglichen, wenn sie bewegliches Gut betreffen, bey demjenigen höhern Gerichte, worunter der Ritter-Sitz belegen ist, belanget werden.

§ 13. Alle Unsre Vasallen, und deren über Alt-Väterliche Lehne mitbe­lehnte Agnaten müssen, wenn das Lehn in Unsern Landen belegen ist, auch in persönlichen bürgerlichen Sachen, wie solches nicht allein in


Tit. 28                                                                                                61

Sachsen, sondern auch besonders in Unserm Herzogthum Lüneburg auch außer Zweifel beruhet, bey demjenigen Unsrer Landesherrlichen Ge­richte, worunter das Lehn belegen ist, wenn sie selbst schon außer Landes wohnen, Recht nehmen und geben.

§ 14. Jn Ansehung derer auf den Besitz gerichteten Klagen erklären Wir Uns für die Meinung derjenigen Rechtslehrer, welche selbige von dem Gerichts-Orte der Wohnung ausschließen, und schlechterdings an das Gericht, worunter die Sache belegen, verweisen.

§ 15. Was hierauf die Erbschafts-Klagen betrifft, so höret die Einwei­sung in den Besitz derselben gleichergestalt für die Obrigkeit des Orts der Lage, oder, wo sie unter mehrern belegen, für den gemeinen Ober-Richter.

§ 16. Der Gerichts-Ort der Lage des Sterbhauses kann überall in Erb­schaften nicht anders als in Ansehung der darin befindlichen Sachen ein­treten.

§ 17. Ob auch wohl denen ausstehenden Schulden und Anforderungen keine gewisse Lage zuzuschreiben stehet, so soll doch auch, in Ansehung deren, sie mögen blos persönlich, oder mit einem dinglichen Rechte ver­bunden seyn, der Gerichts-Ort der Lage des Sterbhauses Statt haben.

§ 18. Sonst aber müssen auch überall die Erbschafts-Klagen, wenn es auf einen Erbschafts-Anspruch, und nicht blos auf Theilungen ankommt, da, wo die Erbschaft belegen, oder, wenn sie zerstreuet, bey dem höhern gemeinen Richter eingeführet werden. Theilungen hingegen, als bey welchen zugleich persönliche Leistungen vorfallen, können gegen den Miterben auch an dem Ort der Wohnung desselben nachgesuchet wer­den. Wenn aber mehrere Miterben vorhanden, tritt gleichfalls der ge­meine Richter ein.

§ 19. Hätte gleichwohl ein vermeinter Erbe die Erbschaft bereits an sich genommen und ganz, oder zum Theil, aus dem vorigen Stande ver­rücket, insonderheit das Sterbhaus bereits ausgeleeret, und die Brief­schaften an sich und an einen andern Ort genommen, so ist als denn die Erbschafts-Klage gegen denselben an dem Gerichts-Orte seiner Wohnung anzunehmen.

§ 20. Wenn jemand an einem Orte einen Handel getroffen, oder daselbst durch Verträge sich verbindlich gemachet, oder Zahlung gelobet hat, und zwar allda sich nicht auf eine Zeitlang aufhält, gleichwohl aber Güter daselbst hat, so finden Wir, da derjenige, welcher sich mit ihm in den Handel eingelassen, auf diese Sicherheit hauptsächlich gesehen, nicht weniger für billig, auch denen Rechten gemäß, daß derselbe sodann,


62                                                                                                                                Tit. 28

wenn er schon nicht gegenwärtig ist, an diesem Ort belanget werden

könne. Es verstehet sich jedoch auch hier, daß Unsre Schriftsassen nicht

unter ein Untergericht gezogen werden.

§ 21. Es können aber fremder oder in einem andern Gebiete Unsrer

Lande wohnenden Unterthanen blos durchgehende Sachen an diesem

Orte  der Verbindlichkeit nicht bekümmert werden,  weil  ein solcher

Gläubiger sich selbst beyzumessen hat, daß er gleich Anfangs auf seine

Sicherheit nicht gesehen hat.

§ 22. Dagegen kann dieser Gerichts-Ort dadurch allein nicht begründet

werden,  daß  der Fremde etwa daselbst nachhero  sich blos betreten

lasset, wenn er nicht zur Zeit des Handels sich würklich daselbst auf

einige Zeit aufgehalten.

§ 23. Wenn aber der Handel mit einem durchgehenden Fremden nicht

auf Glauben geschehen ist, muß er an solchem Orte, wenn er daselbst

noch anzutreffen, Recht nehmen.

§ 24. Wo auch jemand Rechnung abzulegen übernommen hat, muß er solches thun, wenn er sonst schon diesem Gerichts-Ort nicht unterworfen ist.

§ 25. Ob zwar überhaupt aus denen Rechten angenommen werden will, daß ein Kläger in Ansehung der Widerklage vor denselben Gerichts-Ort sich einlassen müsse, woselbst er seine Klage eingeführet hat, so findet doch dieses zuvörderst nicht Statt, wenn die Sache so beschaffen ist, daß dieser Richter über dergleichen zu erkennen und zu urtheilen, nicht befugt wäre.

§ 26. Wie demnach bey Unsern weltlichen Gerichten keine für die Geistlichen gehörige Sache mittelst Widerklage eingeführet werden kann, also kann im Gegentheil auch bey Unsern geistlichen Gerichten keine für die weltlichen Gerichte gehörige Sache durch Widerklage an­hängig werden. Doch billigen Wir hiebey die Meinung der Rechtslehrer, daß gegen die den geistlichen Gerichten unterworfene Person in persön­lichen, ihr Amt nicht angehenden Sachen die Widerklage bey den welt­lichen Gerichten anzunehmen sey.

§ 27. Es kann dahero auch vor einem Lehn-Gerichte keine Widerklage über eine sonst dahin nicht gehörige Sache erörtert werden.

§ 28. Da auch die Widerklagen keinem dritten zum Nachtheil gereichen müssen, so können Wir nicht gestatten, daß eine für die Lehn-Gerichte gehörige Sache durch eine Widerklage demselben entzogen werde.

§ 29. Gleichwie Wir auch nicht gestatten mögen, daß jemand Unsrer Unterthanen über seine in Unsern Landen belegene Güter in einem aus-


Tit. 28                                                                                                                                  63

wärtigen fremden Gebiete sich einlasse, oder durch Widerklage einzu­lassen genöthiget werde, also wollen Wir auch im Gegentheil, daß gleichfalls in Unsern Landen keine Klagen oder Widerklagen über aus­wärtige Güter angenommen, sondern vielmehr an gehörigen Ort ver­wiesen werden. Wie Wir denn solchergestalt diese unter denen Rechts­lehrern streitige Frage zugleich dem wahren Sinn des Kaiserlichen Rechts gemäß bestimmen.

§ 30. Es ist Uns ferner vorgetragen, als ob es sowohl denen Römischen Rechten, als auch denen Rechten der Herzogthümer Bremen und Verden von Unsern Cammer-Anwalden gemäß gehalten werden wollen, daß die von Unsrer Rent-Cammer gegen andre, ob schon unter denen Unter-Ge­richten gesessene, einzuführende Klagen sogleich bey denen höhern Gerichten in erster Jnstanz eingeführet werden könnten. Wie aber Unser Ober-Appellations-Gericht schon mehrmalen anders und dahin erkannt hat, daß auch der Anwald Unsrer Rent-Cammer wie überhaupt, also auch in den Herzogthümern Bremen und Verden die in Anspruch genommene bey denen Unter-Gerichten, worunter sie in erster Instanz gehören, zu­vörderst belangen müsse, also soll auch dieses inskünftige denen An-walden Unsrer Rent-Cammer zur Richtschnur dienen.

§ 31. Als auch dem Vernehmen nach gezweifelt werden will, ob die Unserm Cellischen und Calenbergischen Hofgerichten beygelegte Ge­richtsbarkeit auch auf Lehns-Sachen sich erstrecke, oder ob diese schlechterdings denen Justiz-Canzleyen zu überlassen seyn, und dann eines Theils nicht abzusehen ist, warum die Lehns-Sachen, wenn sie für kein judicium Parium Curiae gezogen werden, nicht sowohl von denen Hofgerichten, als denen Justiz-Canzleyen als ordentlichen Richtern ent­schieden werden mögen, andern Theils auch besonders von Unserm Zellischen Hofgerichte dieses von Altersher geschehen ist, so wollen Wir, daß desfalls hinführo kein Zweifel weiter gereget werde.

§ 32. Da auch außerhalb denen Herzogthümern Bremen und Verden von Unsern Gerichten angenommen ist, daß das Petitorium bey dem Gerichte anzustellen sey, wo das Possessorium seine Endschaft erreichet, so wollen Wir zwar es dabey ferner lassen. Doch soll es in Ansehung des Ober-Richters nicht anders Statt finden, als wenn die über den Besitz ergangene Acta bey ihm bleiben. Sonst aber muß das Petitorium bey demjenigen Gerichte eingeführet werden, an welches die vorigen Acta zurückgesandt sind, oder zurückgesandt werden sollen.

§ 33. Wir erinnern Uns, daß in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ord-nung P. 2 tit. 1. § 8 versehen ist, daß diejenigen Sachen, so propter continentiam causae vor einem oder andern von Unsern Canzleyen,


64                                                                                                                   Tit. 28 und 29

oder Hofgerichten allein nicht cognosciret, entschieden und exequiret werden können, als wenn z. E. jemand verschiedene, theils in Unsern Calenbergischen, Grubenhagischen oder Hoyaischen und Diepholzischen, theils in Unsern Zellischen Fürstenthum und Landen gesessene Personen zugleich und una eodemque actione personali belangen wollte, oder auch, wenn in actionibus realibus die in Anspruch zu nehmende Güter zum Theil in einem, zum Theil in andern besagter Unsrer Fürstenthümer und Landen belegen, und dergleichen Sachen, welche nicht anders, als bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte tanquam judicio communi ein­geführet und ausgemachet werden können. Wir vernehmen gleichwohl, daß hiebey Zweifel vorgefallen sind, eines Theils, wenn die Klagen gegen mehrere Erben denen Rechten nach von selbst getheilet sind, andern Theils, wenn in dinglichen Klagen der Beklagte in einem Unsrer Herzogthümer oder Grafschaften wohnhaft niedergesessen sey. Nachdem aber Unser Ober-Appellations-Gericht dessen ungeachtet die Ordnung bereits auf die Stattnehmigkeit dieses Gerichts-Orts erkläret hat, und Wir dieses denen Rechten um so gemäßer finden, als Wir auch dingliche Klagen schlechterdings in foro rei sitae angebracht wissen wollen, so soll auch hinkünftig es also gehalten werden. Es mag also die Klage gegen mehrere Erben ipso jure getheilet seyn, oder in actionibus reali­bus bey mehrern in verschiedenen Unsrer Lande und Herrschaften be-legenen Gütern der Besitzer in einem derselben seine Wohnung haben, so soll gleichwohl das forum continentiae causae bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte Statt finden.

Titul XXIX.   Von der Perhorrescenz eines Richters.

§ 1. Da dem Vernehmen nach unter denen Rechtslehrern gestritten wird, ob es zu Ablehnung eines Richters genug sey, durch einen bloßen Eid zu erhärten, daß man nicht glaube, Recht von ihm zu bekommen, oder ob zugleich Ursachen dieses Argwohns angeführet, und ziemlicher Maßen, solchergestalt, wie bey einem Erfüllungs-Eide erfordert wird, beglau­biget werden müssen, und es dann eines Theils oft vieles Bedenken haben kann, die Ursachen anzuführen, eine Bescheinigung aber mit Weitläufigkeiten verknüpfet ist, und den Rechtsstreit in der Hauptsache sehr aufhält, so lassen Wir Uns in Gnaden gefallen, daß der bloße Eid hinlänglich sey.

§ 2. Es findet aber solche Ablehnung eines Richters nur gegen einzelne Personen, und nicht gegen ganze Collegia Statt.

§ 3. Da in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung in Ansehung der Ober-Appellations-Räthe,  weichermaßen selbige  zu suspectiren seyn,


Tit. 29 und 30                                                                                       65

eine besondre Art und Weise vorgeschrieben worden, so hat es dabey schlechterdings sein Bewenden, und findet gegen dieselben der Eid der Perhorrescenz keine Statt. Es soll auch bei Unsern Justiz-Canzleyen und Hofgerichten in Ansehung der abzulehnenden Räthe eben so gehalten werden.

Titul XXX.   Von Policey-Sachen.

§ 1. Da die Policey-Sachen nicht allein von denen Regierungen Unsrer Länder, sondern auch unter deren Aufsicht von eines jeden Orts Obrig­keit besorget werden, und desfalls, wie weit die Policey-Gewalt sich erstrecke, auch die Zuflucht zu den Gerichten ausschließe, oft großer Zweifel entstehet, so finden Wir nöthig, darunter eine nähere Be­stimmung zu geben.

§ 2. Gleichwie nun die Policey die Erhalt- und Beförderung des gemeinen Wohlstandes und guter Ordnung zum Vorwurf haben, also können Policey-Sachen, wenn kein andrer Betracht dabey vorkommt, zu gericht­lichen Sachen nicht gemacht werden.

§ 3. Wie aber niemand mit Recht und Billigkeit angemuthet werden kann, sein erworbenes und bereits habendes Recht zum Besten des ge­meinen Wesens mit seinem Schaden und Nachtheil aufzuopfern, ohne wenigstens dafür eine hinreichende Vergeltung zu erhalten, und so wenig Wir als Unsre in Gott ruhende Vorfahren jemals dergleichen Gedanken geheget haben, also ist in solchem Falle der Weg Rechtens nicht zu verschließen. Jedoch sind inmittelst, wenn das gemeine Beste es erfordert, die ergangenen Verordnungen vorerst ohne Aufenthalt zur Würklichkeit zu bringen.

§ 4. Es ist jedoch kein erworbenes Recht zu nennen, was bisher aus einer nicht eingeschränkten Freyheit einem jeden verstattet und nachgesehen worden.

§ 5. Privat-Personen gegen einander sind zu gerichtlicher Ausführung eines aus Policey-Verordnungen ihnen zustehenden Rechts jederzeit zu­zulassen.

§ 6. Was insonderheit die Zünfte und Gilden anlanget, so behalten Wir Uns und Unsern Regierungen allerdings bevor, ihre Innungs-Briefe nach befundenen Umständen zu verändern, zu vermindern, zu vermehren, und dawider zu dispensiren, und ist solches eine bloße Policey-Sache, wenn ihnen nicht, daß solches zu keiner Zeit geschehen solle, Versicherung von dem gnädigsten Landesherrn ertheilet ist, als in welchem Fall sie, wenn

5   Ebel


66                                                                                      Tit. 30 und 31

nicht etwa ein durch die Erfahrung hervorgetretener Mißbrauch abge­stellet wird, zum Wege Rechtens zu lassen sind.

§ 7. Ob zwar auch die Unsern Regierungen nachgesetzte Obrigkeiten bey Beobachtung der Policey-Gesetze zugleich alles dem Wohlstande eines Orts nachtheiliges mit Recht abzuwenden, auch durch angedrohete Strafen zu verwehren suchen mögen, so stehet Ihnen doch ein gleiches in denen an sich nicht schädlichen Dingen und blos zu Verschaffung besserer Gemächlichkeit und Bequemlichkeit wider Willen, und wenn nicht eine Vereinbarung sämmtlicher Einwohner vorhergegangen, nicht zu. Ist indeß eine solche Vereinbarung einmal erfolget, so kann die Obrigkeit auch durch Befehle und Strafen darüber halten.

Titul XXXI.   Von Lehn-Sachen und Lehn-Gerichten.

§ 1. Wir erkennen nur das für Lehn-Sachen, so für die Lehn-Gerichte gehören, welche die Verbindung des Herrn mit dem Lehn-Mann, oder die Verbindung der Lehnleute unter sich betreffen.

§ 2. Wenn es demnach auf die Verwürkung eines Lehns ankommt, ist es eine Lehn-Sache und gehöret für das Lehn-Gericht. § 3. Nicht weniger ist dahin zu ziehen, wenn mehrere Vasallen über die Folge im Lehn streiten.

§ 4. Dagegen kann kein dritter Besitzer eines Lehns für das Lehn-Gericht gezogen werden, wenn schon die Klage auf eine von dem Vasallen selbst geschehene Verwürkung des Lehns sich gründen oder selbige voraus­setzen sollte.

§ 5. Vielweniger können Forderungen, welche aus Verschreibungen und Verträgen entstehen, wenn sie schon das Lehn betreffen, oder auch wohl gar mit Lehnsherrlichem Consens bekräftiget, oder auch blos von Vasal­len unter sich errichtet wären, an das Lehn-Gericht gehen.

§ 6. Die Lehn-Gerichte sind, wenn sie die Sache zur Entscheidung an­nehmen wollen, mit gleichbürtigen Vasallen desselben Lehn-Hofes, welche der Lehn-Rechte und Gewohnheiten kundig sind, zu besetzen, es mag der Streit zwischen dem Herrn und dem Vasallen, oder auch nur unter den Vasallen allein seyn. Und da das Sachsen-Recht hierunter sechs Beysitzer erfordert, so ist dieses billig beyzubehalten, so lange nicht durch Gewohnheit eine geringere Zahl eingeführet ist. Wo auch kein beständiges Lehn-Gericht vorhanden, kann der Vasall von Ernen­nung der Beysitzer nicht ausgeschlossen werden.

§ 7. Sind jedoch angeordnete beständige Lehn-Gerichte vorhanden, so kommt es auf die alte Art der Lehn-Gerichte nicht an.


Tit. 31 und 32                                                                                                                       67

§ 8. Wir gestatten auch in denen feudis extra curtem denen auswärtigen

Lehn-Gerichten ein richterliches Erkenntniß. Wobey Wir, wie es nach-

hero wegen der Appellationen zu halten, Uns bereits an einem andern

Orte erkläret haben.

§  9. Kommt die Sache bei Ermangelung eines Lehn-Gerichts an die

ordentlichen Gerichte, so sind davon Unsre Hofgerichte keinesweges

auszuschließen.

§  10. Die Lehn-Gerichte können unmittelbar und ohne Ersuchung der

ordentlichen Gerichte niemand vorladen, noch einiges Erkenntniß gegen

denselben vollstrecken.

Titul XXXII.   Von der Holz-Gräfenschaft.

§ 1. Da Wir vernehmen, daß wegen derer in Unsern deutschen Landen vieler Orten beybehaltenen Holz-Gerichte und Holz-Gräfenschaften mancherley Jrrungen sowohl mit dem ordentlichen Gerichts-Herrn, als auch denen Holzungs-Genossen vorfallen, und bisher zu gerichtlichen Weiterungen Anlaß gegeben, so finden Wir gnädigst gut, auch hierunter ein und anders hiedurch fest zu setzen.

§ 2. Zuvörderst erstrecket sich die Gewalt des Holz-Gräfen über alles in der Holzungs-Mark begriffene, auch Wiesen und Ländereyen, nur allein die Höfe und Kohlgärten ausgenommen, und was in diesen an Bäumen vorhanden ist.

§ 3. Für das Holz-Gericht gehöret alles, was den Gebrauch und die Er­haltung der Holzung betrifft.

§ 4. Dieses ist jedoch dahin zu verstehen, in so weit es die Gemeinschaft und Verbindung der Jnteressenten unter sich angehet. § 5. Würde hingegen einer Dorfschaft von der andern ein gewisses Recht in der Holzungs-Mark gänzlich bestritten, mithin in sofern die Gemein­schaft und Genossenschaft selbst in Zweifel gezogen, so gehöret die Sache nicht für das Holz-Gericht, sondern für die ordentlichen Gerichte.

§ 6. Der Holz-Gräfe ist befugt, durch seine Holz-Geschwornen oder Vögte in der Holzungs-Mark, so weit seine Gewalt sich erstrecket, wegen solcher Dinge, die der Holzungs-Mark und der Gemeinschaft zum Schaden geschehen, sowohl die Interessenten, als Fremde auf frischer That pfänden zu lassen. Es wird auch derjenige bruchfällig, welcher sich der Pfändung widersetzet. Werden aber die Pfänder nicht gutwillig ge­löst, so muß über die Pfändung beym Holz-Gerichte erkannt werden. § 7. Es kann aber auch der Holz-Gräfe über das, was in der Holzung zum gemeinen Schaden geschiehet, es sey von wem es wolle, durch seine


68                                                                                      Tit. 32 und 33

beeidigte Holz-Bediente Wrogen oder Rügen und Anzeigen, welche auf deren Eid geschehen, einbringen lassen, welche demnächst bey dem Holz-Gerichte untersuchet, und alsdann die gebührende Strafen ange­setzet werden.

§ 8. Es können jedoch ohne Ersuchung des ordentlichen Richters keine Personen für das Holz-Gericht gezogen werden, als welche zur Mann-Zahl daselbst erscheinen. Auch kann die Beytreibung der daselbst er­kannten Brüche von dem Holz-Gräfen selbst und dessen Dienern un­mittelbar nicht geschehen, sondern es müssen desfalls die ordentlichen Gerichte sowohl gegen die Holzgenossen selbst als Fremde angegangen werden. Da jedoch Unsre Bremische Ritterschaft befugt ist, auch in ge­ringen liquiden Schuld-Sachen über ihre Gutsleute die Exekution zu ver­hängen, so mögen sie von denenselben auch dergleichen Brüche bey­treiben.

§ 9. Alle Anweisung des harten - oder Bau- und Nutzholzes gehöret für den Holz-Gräfen.

§ 10. Es kann gleichwohl der Holz-Gräfe die Anweisung nach dem Zu­stande der Holzung denen würklichen Jnteressenten, worunter jedoch bloße Häuslinge nicht begriffen sind, nicht versagen, wenn sie es zu ihrer und der ihrigen Nothdurft gebrauchen, wohl aber, wenn sie bauen wollten, um Fremde und Häuslinge aufzunehmen.

§ 11. Bey den Windbraken ist dahin zu sehen, ob darunter Bau- oder Nutz-Holz befindlich sey. Dieses ist billig zum gemeinen Besten abzu­sondern, und von dem Holz-Gräfen in Verwahrung zu nehmen. Das übrige aber gehet zu der gemeinen Theilung, es wäre dann, daß bereits sonst festgestellt wäre, was und wie viel denen Jnteressenten an Brenn­holz aus der Holzung gebühre, als worauf jederzeit vorzüglich zu achten ist.

Titul XXXIII.   Von Besprechung des Eigenthums.

§ 1. Es ist Uns nicht angezeiget, daß bey der Besprechung des Eigen­thums aus den gemeinen Rechten besondere zu entscheidende Streitig­keiten der Rechtslehrer obwalten, wohl aber daß die Lehn-Rechte hierin verschiedener Erklärungen bedürfen. Welche Wir also hiedurch be­stimmen wollen.

§ 2. Wir vernehmen zuvörderst, wie von aller Zeit her nicht einerley Meinung darüber geheget worden, ob alsdann, wenn ein Vasall ohne männliche Leibes-Erben mit Tode abgehet, die auf dem Lehn stehende Gebäude denen Land-Erben von dem Lehn-Herrn oder dem Lehn-Folger zu vergüten seyn, und daß selbst in den Longobardischen Lehn-Rechten darunter keine gnügsam deutliche Versehung anzutreffen sey.


Tit. 33                                                                                                                                 69

Nachdem nun wenigstens in neuern Zeiten die Gerichte Unsrer Lande angenommen haben, daß der Werth sothaner Gebäude, in sofern sie dem Lehn nützlich, denen Land-Erben zu erstatten sey, so lassen Wir es auch ferner dabey bewenden.

§ 3. Wie jedoch ein auf den Grund und Boden eines Lehns gesetztes Gebäude an und für sich Lehn ist, und die Land-Erben nur die ange­wandte Baukosten, wenn sie anders den dermaligen Werth des Gebäu­des nicht übersteigen, verlangen mögen, so kann wegen der aus dem Lehn selbst an Holz oder Steinen hergenommenen oder herzunehmenden Bau-Materialien weiter nichts als das Arbeitslohn und die baaren Kosten gefordert werden, als wie man Uns auch berichtet, daß Unser Ober-Appellations-Gericht bereits verschiedentlich erkannt hat.

§ 4. Wie aber die eigentlich verwandten Kosten nicht selten schwer aus­fündig zu machen sind, und denn zwar die Preise der Materialien und des Arbeits-Lohns seit verschiedenen Jahren merklich gestiegen sind, hingegen aber auch an der andern Seite in Erwägung kommt, daß ein Gebäude durch die Länge der Zeit immer verlieret, so lassen Wir es dabey, daß, wie bisher geschehen, also auch ferner der zeitige Werth sowohl der Materialien als des Arbeits-Lohns durch die Werdirung Kunstverständiger herausgebracht werde, und darnach die Vergütung geschehe.

§ 5. Wann die Gebäude in Ansehung des mit dem Lehn verbunden ge­wesenen Erbes größer und geräumiger gemacht sind, als das Lehn sol­ches erfordert, ist dieses allerdings dem Lehnfolger zu gute, und zwar um so mehr in Betracht zu ziehen, als dieser dadurch mit einer kostbaren Unterhaltungslast beschweret wird. Wir lassen demnach in solchem Fall die Worte des Longobardischen Lehn-Rechts schlechterdings eintreten, daß es bey dem Lehnfolger stehe, ob er dergleichen Gebäude den Land-Erben wegnehmen lassen, oder dafür, was sie auf den Abbruch werth seyn, entrichten wolle.

§ 6. Ein gleiches muß auch sodann eintreten, wenn die Gebäude über­haupt unmäßig groß und kostbar aufgeführet sind, daß sie einem künf­tigen Lehnfolger zur Last fallen.

§ 7. Haben mehrere Brüder einem unter ihnen das Lehn solchergestalt überlassen, daß die Gebäude in keinen Anschlag gekommen, sondern er solche unentgeldlich besitzen sollen, können zwar, wenn dieser Bruder ohne männliche Erben abgehet, dessen Land-Erben von denen nachfol­genden Brüdern den völligen Werth davon nicht verlangen, wohl aber denjenigen Theil, welcher ihrem Vater davon gebühret hätte.


70                                                                                                Tit. 33

§ 8. Wir bestätigen auch die von Unserm Ober-Appellations-Gericht an­genommene Meinung, daß die Land-Erben desjenigen, welcher mit einem Ritter-Sitz beliehen gewesen, nur wegen der von dem letztern Vasallen oder dessen Vorfahren neu aufgeführten Gebäude, oder geschehenen Erweiterung der alten Erstattung fordern können.

§ 9. Wenn dem Lehn-Folger die Auskünfte des Lehns berechnet werden, ist er dagegen auch denen Land-Erben den Werth der Gebäude zu ver­zinsen schuldig.

§ 10. Wir billigen auch in Ansehung der Lehns-Verbesserungen über­haupt die von denen Rechts-Lehrern angenommene Meinung, daß die wahren Lehns-Verbesserungen denen Land-Erben von dem Lehn-Folger solchergestalt zu bezahlen sind, daß, wenn die Kosten der Anlage den würklich Werth der Verbesserungen nicht übersteigen, solche Lasten ihnen zu erstatten, sonst aber bey dem dermaligen Werth der Besserung zu bestehen sey.

§ 11. Als Wir jedoch in Unserm Herzogthum Lüneburg auf Ansuchen Unsrer getreuen Stände zu mehrerer Aufnahme dieses bisher nicht gnug angebaueten Landes unterm 29ten May 1767 wegen derer in der Folge anzulegenden Verbesserungen eine besondere Verordnung ergehen lassen, so wollen Wir solche für gedachtes Herzogthum nochmals hie-durch bestätigen, wiederholen auch selbige dahin, daß in Unserm Her­zogthum Lüneburg bey denen seit solcher Verordnung vorgenommenen beständig fortdauernden, und nicht blos übergehenden Verbesserungen solcher Lehnstücke, die einen gewissen Ertrag abwerfen, sie mögen zu Lehn rühren, von wem sie wollen, nicht sowohl auf den Aufwand der Kosten, als vielmehr die durch des Besitzers Kosten, Fleiß und Mühe bewürkte Erhöhung der Auskünfte des verbesserten Grundstücks ge­sehen werden solle, und zwar solchergestalt, daß bey dem Anfall des Lehns der alsdenn sich ergebende höhere Ertrag dieses Stückes, insofern er den vorigen übersteiget, nach dem Fuß von Sechs aufs Hundert zu einem Capital, als 60 Thaler zu 1000 Thaler angeschlagen, und denen Land-Erben vor Einräumung des Lehn-Guts erstattet werde, ein solches von dem Lehn-Folger bezahltes Capital auch als eine Lehn-Schuld anzu­sehen sey, welche, sofern sie alsdenn noch vorhanden, auch von denen weitern Lehn-Folgern der abgehenden Vasallen Land-Erben hinwieder­um in demselben Quanto erstattet werden müsse, jedoch mit den ge­doppelten Anhange, daß erstlich dieses nicht weiter als auf solche Ver­besserungen zu erstrecken, welche in den letztern 60 Jahren von Zeit des letzten Vasallen Absterbens hinauf zu rechnen geschehen, und ferner, daß bey Anlegung solcher Besserung vorher durch eine gehörigen


Tit. 33                                                                                                71

Orts zu erbittende Commission, wozu bey unstreitigen, oder auch nur zweifelhaften Lehnstücken, letztern Falls jedoch ohne des Besitzers Nachtheil, die nächste Lehnfolger, oder an deren Statt der Senior Familiae und sowohl der Anwald Unsrer Lehn-Cammer, als auch die etwanige andre Lehns-Herren, wiewohl nur monitorie mit vorzuladen, der bisherige Ertrag eines solchen Stücks ausfündig gemachet werde, sonst aber in beyden Fällen es bey den gemeinen Rechten bleibe, daß blos die erweisliche Kosten selbst, sofern sie den dadurch erhöheten Werth des Stücks nicht übersteigen, zu erstatten seyn.

§ 12. Da Wir auch in eben dieser Unsrer Verordnung versehen haben, daß, wenn blos dasjenige wieder in guten Stand gesetzet werde, was durch des Besitzers eigne oder dessen Vorfahren Schuld verschlimmert worden, zum Exempel, wenn ein Holz durch Besamung oder Zupflan-zung wieder in guten Stand gesetzet werde, als wovon jederzeit zu ver­muthen, daß es durch der Vorfahren Schuld verwüstet worden, dessen Erstattung dem Lehn-Folger nicht angemuthet werden möge, dieses aber bey Verbesserungen überhaupt der Natur der Sache gemäß ist, als ist solches auch außerhalb Unserm Herzogthum Lüneburg jedesmal zu be­obachten.

§ 13. Wir vernehmen nun ferner, daß die Rechts-Lehrer auch in An­sehung der Früchte des Sterb-Jahrs in der Erklärung des Longobardi-schen Lehn-Rechts nicht einerley Meinung sind, da zwar viele, wenn der Vasall nach dem lten März verstorben, die demselben noch nicht zu Handen gekommene Früchte bis zu Ende des August-Monats, oder doch wenigstens bis zu dessen Anfang, denen Land-Erben zubilligen, andre hingegen das Sterb-Jahr bis zu Ende des Christ-Monats erstrecken, wiederum andere annehmen, daß solche noch nicht abgemähete oder ab­genommene, noch dem Vasallen zu Handen gekommene Früchte, zu welcher Jahreszeit der Todesfall sich zutrage, dem Herrn oder Lehn­folger gehören, oder doch unter dem Lehnfolger und den Landerben nach dem Verhältniß der Zeit zu theilen seyn.

Wir nehmen nun hiebey an, daß das Longobardische Sterb-Jahr vom lten Tage des Herbst-Monats anfange, und billigen die Meinung, daß solches mit dem letzten Tage des Erndte-Monats sich endige, und daß, wie auch Unsre Gerichte bisher darnach erkannt haben, wenn der Vasall nach dem lten März mit Tode abgehet, alle Früchte des Lehns bis zum letzten Tage des Erndte-Monats denen Land-Erben zu lassen seyn. Was aber in der Zwischenzeit vom lten des Herbst-Monats bis zum lten März bey Ableben des Vasallen noch würklich auf dem Lande, Stamm oder Baum ungetrennt gestanden, gehöret dem Herrn oder Lehn-Folger.


72                                                                                                                                Tit. 33

§ 14. Was die sogenannten Fructus civiles betrifft, so sind solche aller­dings von denen natürlichen Früchten zu unterscheiden, und gebühret davon denen Land-Erben nicht mehr, als so viel der Meyer-Zins- oder Erben-Zins-Mann von seiner schuldigen Abgift dem Vasallen bis auf den Tag dessen Absterbens schuldig gewesen, wenn schon die Abgift selbst erst später betaget würde. Wenn solchemnach der Zins auf Michaelis fällig wird, und der Vasalle wäre etwa den lten März gestorben, wird der Zins unter dem Land-Herrn und dem Lehn-Folger gleich getheilet. Natural-Ab giften aber sind zu Gelde anzuschlagen.

§ 15. Da auch über die Frage, zu welcher Gattung Früchte die Zehenten zu rechnen, Unsre Gerichte nicht einerley Meinung hegen, so hat es zwar wohl keinen Zweifel, daß die sogenannten Sack-Zehenten als Meyer-Abgiften anzusehen sind. Wir setzen aber auch die Natural-Zehenten unter die Fructus civiles als eine Abgift vom Lande, und ist hier zur Berechnung die Zeit von einer Erndte bis zur andern anzurech­nen. Weil gleichwohl die Erndte nicht aller Orten zu gleicher Zeit ein­trifft, so finden Wir dienlich, auch hier etwas gewisses zu bestimmen, und setzen also, daß die Berechnung vom letzten Tage des Erndte-Monats bis wieder dahin zu ziehen sey.

§ 16. Das Pacht-Geld vom Lande gehöret demjenigen, welchem der Genuß der Erndte zustehet, wie auch bey Wiesen und Legden eintritt. Sind aber unter der Pacht zweischerige Wiesen begriffen, ist das dafür aufkommende Pacht-Geld unter dem Lehn-Folger und den Land-Erben gleich zu theilen, und eben dieses ist bey denen Gärten zu beobachten. Von solchen Wiesen aber, welche nur einmal und zwar erst im Herbst-Monat geschoren werden, gehöret das Pachtgeld dem Lehnfolger.

§ 17. Von Mühlen und andern Gebäuden, welche einen beständigen Nutzen geben, gehöret das Pachtgeld unter die Fructus civiles.

§ 18. Mit den Fischereyen und Jagden hingegen ist es wie mit den Na-tural-Früchten zu halten.

§ 19. Was das Holzungs-Recht und den Torf-Stich wie auch den Plaggen-und Haide-Hieb betrifft, so kann der nach den lten März im Genuß bleibende Erbe solches zwar zu eigenen Behuf und Nothdurft genießen, keinesweges aber davon durch einen Verkauf an andre sich einen Vor­theil zueignen.

§ 20. Hat der Vasall zu Gottes Ehre, und des gemeinen Wesens Besten eine Schule oder geistliches Gebäude erbauet oder wieder hergestellet, so ist solches für eine Verbesserung des Lehns nicht zu halten, noch des-falls Erstattung zu fordern.


Tit. 34 und 35                                                                                                                 73

Titul XXXIV.   Von besondern Verbindlichkeiten der Brüder oder Vettern gegen die Land-Erben.

§ 1. Was der vormalige Besitzer eines Lehns oder dessen Vorfahren, an würklichen Lehn-Schulden abgetragen, davon verstehet es sich von selbst, daß denen Land-Erben aus dem Lehn Vergütung wiederfahren müsse, und, ehe solches geschehen, sie daraus zu weichen, nicht schuldig seyn.

§ 2. Da es sich aber oft zuträgt, daß unter mehrern Brüdern einer das Lehn angenommen, und solche väterliche oder großväterliche und ältere Schulden bezahlet, deren Vergütung nicht so schlechterdings aus dem Lehn zu erwarten gewesen, so ist es anzusehen, als ob er eine denen gesammten Brüdern und deren Stämmen gemeinschaftlich obliegende Schuld bezahlet habe. So weit er demnach für diese gemeine Schuld zu seinem Theil nach Anzahl der Brüder selbst gehaftet, können die Land-Erben das Bezahlte von denen Lehn-Folgern nicht wieder fordern, son­dern nur denjenigen Theil, welcher denen Brüdern und nunmehrigen Lehn-Folgern selbst obgelegen haben würde. Würde auch nachher vor dem Anfall des Lehns die Zahl der Brüder oder Stämme durch eines oder andern Abgang vermindert, so sind solche Schulden denen übrigen gemein geblieben, und sie mögen bezahlet seyn, zu welcher Zeit sie wollen, so geschiehet die Vergütung allmal nur für denjenigen Antheil, welchen der Nachfolger unmittelbar vor dem Anfall an dem Lehn gehabt. Wenn also von dreyen Brüdern einer inmittelst verstorben, so ist denen Land-Erben des Besitzers nur die Halbscheid zu ersetzen.

§ 3. Wenn der Besitzer dem einen oder andern Bruder einen Theil des Lehns herausgegeben, und das Lehn fällt darauf demselben Bruder an­heim, so kann dieser des Lehns sich nicht anders als gegen gänzliche Wiedererstattung seines vorhin erhaltenen Theils sich anmaßen, und muß folglich auch das etwa zu solchem Ende aufgenommene aus dem Lehn abtragen.

Titul XXXV.   Von neu angekauften Lehnen, und dabey vorfallenden Gedingen.

§ 1. Obgleich bey neu angekauften Lehnen die Folge in denselben keiner Bestimmung von Uns bedarf, so vernehmen Wir jedoch, daß, wegen des zu solchem Ankauf verwandten Geldes, verschiedene und nicht ge­ringe Zweifel obwalten, welche Wir demnach zu erledigen, gnädigst gut gefunden haben.


74                                                                                                                                Tit. 35

§ 2. Wenn zuvörderst ein Vater zu Ankaufung eines Lehns sein eignes Allodial-Vermögen verwendet hat, so stehet ihm zwar frey, durch eine Verordnung unter seinen Kindern festzusetzen, wie viel desfalls die Söhne denen Töchtern zu vergüten haben. Es gebrauchet auch zu solchem Ende überall keiner Zierlichkeit. Ist aber solches nicht geschehen, so kann es weder der Absicht des Vaters, noch auch, da die Söhne an dem Lehn kein wahres Eigenthum erlangen, der Sache selbst gemäß gehalten werden, daß dieses zum Lehn verwandte Geld denen Töchtern zu ihrem Erb theil erstattet werde. Da jedoch ein Vater durch seine Bestimmung seiner Töchter Pflichttheil nicht verkürzen kann, so müssen auch, in sofern solches geschehen, die Söhne denen Töchtern das abgehende ergänzen.

§ 3. Was aber entweder an Kaufgeld unbezahlt geblieben, oder dazu vom Vater anderswo aufgenommen, und nicht wieder bezahlet worden, bleibet billig denen Söhnen allein zur Last.

§ 4. Wenn jemand zu Mit-Genuß seiner Brüder, oder Vettern, oder auch sonst andrer, ein Lehn angekaufet hat, und derselbe ohne männliche Leibes-Lehn-Erben verstürbe, so kommt es zuvörderst auf die bey der Aufnahme in das Lehn, oder auch nachher unter ihnen geschlossene Bedingungen an, was und wie viel denen Land-Erben zu erstatten sey. Was solchergestalt denen Land-Erben zu gute ausgemachet worden, ist denenselben vor Einräumung des Lehns zu erstatten. Wiewohl sich von selbst verstehet, daß bey dem Erledigungs-Fall dieses den Lehnherrn, wenn dieser dazu seine Einwilligung nicht gegeben, keinesweges bindet. Es ist auch alsdann der Lehnfolger zum Nachtheil der Land-Erben das Lehn in die Hände des Herrn zu geben, und der Folge Verzicht zu thun nicht befugt, sondern die Land-Erben mögen nichts destoweniger bis zum würklichen Erledigungs-Fall, oder, wenn der Herr das Gedinge genehmiget, bis zum Abtrag des ihnen gebührenden bey dem Besitz des Lehns sich erhalten.

§ 5. Als auch hiebey unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten wird, wie ein solches versichertes Geld anzusehen sey, so treten Wir denen-jenigen bey, welche es zum Allodial-Nachlaß des verstorbenen Lehn-Mannes zählen. Es haftet also vor dessen Schulden, und dessen Töchter oder Schwestern können sich desselben nicht anders als in der Eigen­schaft von des letztverstorbenen Erben sich anmaßen.

§ 6. Wäre auch in denen Verträgen oder Lehn-Briefen nur das Wort „Töchter" gebrauchet, so kann es doch damit keine andre Meinung gehabt haben, als daß des letzten Besitzers Land-Erben darunter ver­standen worden.


Tit. 35                                                                                                                                 75

§ 7. Ist auch eine solche Bedingung im Lehn-Briefe auf alle Fälle ver­sichert, so ist es billig, daß in geschwisterlichen Theilungen auch denen Schwestern von denen Brüdern davon, als vom Erbe, ihr Theil zu gute gerechnet werde.

§ 8. Ist aber die Versicherung besonders auf den Lehns-Anfall an den Herrn nicht mit gerichtet, so mögen die Schwestern von ihren Brüdern desfalls eine Theilnehmung nicht verlangen.

§ 9. Sind hingegen unter denen zu gesammter Hand belehnten keine Verträge über das Kaufgeld gemacht, so ist es anzusehen, als ob ihrer mehrere ein Lehn in Gemeinschaft gekaufet, und der Besitzer das Geld zu gemeinschaftlichem Besten, jedoch ohne Zinsen, vorgeschossen hätte, und kommt es also auf die Zahl der Stämme oder Linien an, welche zunächst vor des Verstorbenen Ableben in Gemeinschaft geblieben sind. Folgen also zwey oder drey Stämme oder Linien zugleich, so sind denen Land-Erben zwey Drittel oder drey Viertel des Kaufgeldes zu vergüten. Wenn aber die folgenden Stämme oder Linien in gewisser Ordnung und nicht zugleich eintreten, so ist hiernach die Gemeinschaft zu rechnen und der Nachfolger nur diesen Theil der nähern Gemeinschaft zu ersetzen schuldig. Folget also aus mehrern Linien vorerst nur eine, so erstattet sie denen Land-Erben das halbe Kaufgeld. Welches also vergütete dem­nächst denen Land-Erben dieser Linie gegen die folgende wiederum in gleicher Maße, nämlich, wenn nur eine folget, zur Halbscheid zu Statten kommt, und gegen die Nachfolger aus dem Lehn zu genießen ist. Jedoch verstehet es sich, daß alles dieses den Herrn bey Eröffnung des Lehns nicht verbinde.

§ 10. Bey obigem allen finden Wir es jedoch der Sache gemäß, daß bey dergleichen Abfindungen die Land-Erben zwar an dem Lehn sich halten, und aus dessen Auskünften ihre Befriedigung zu erlangen, suchen mögen, der Lehns-Folger auch schuldig sey, auf alle Weise die Lehne bey sich und seinen Nachkommen zu erhalten, am wenigsten aber solche zu deren Nachtheil fahren lassen könne, sondern er den daraus denen Land-Erben etwa entstehenden Schaden aus seinem übrigen Vermögen ersetze. Es kann gleichwohl dem Lehns-Folger sonst auch nicht ange-muthet werden, durch baare Bezahlung des versprochenen aus seinem übrigen Vermögen das Lehn schlechterdings an sich zu lösen, und was auch desfalls ausgelobet und versprochen worden, muß, solange wie nicht ein anders klar und offenbar erscheinet, blos dahin verstanden werden. Maßen denn auch das bloße Versprechen, eine Summe bey dem Anfall zu bezahlen, wenn es auch unter generaler Verpfändung aller Güter geschehen, dahin nicht, sondern vielmehr nur darauf zu deuten


76                                                                                                            Tit. 35, 36 und 37

ist, daß die Land-Erben vor aller Entsagung und Verlassung des Lehns und dem dadurch entstehenden Schaden gesichert seyn. Doch verstehet es sich zugleich von selbst, daß alles dieses Unsern Lehnsherrlichen Rechten durchaus zu keinem Nachtheil gereichen müsse.

Titul XXXVI.   Von der Lehns-Inkorporirung und Lehns-Pertinenzen.

§ 1. Was in denen Lehns-Verzeichnissen und Lehns-Acten als eine Zu-behörde des Lehns von dem Vasallen angegeben, oder auch solcherge­stalt in dem Lehnbriefe aufgeführet worden, ist für ein Lehns-Pertinenz zu halten.

§ 2. Ein bloßer Zukauf aber kann solche Stücke, die an sich ohne das Lehn ferner bestehen können, zu keiner Zubehörde des Lehns machen. Sind es aber Gerechtigkeiten, welche um deswillen erworben sind, daß sie von dem Lehn ausgeübet und genützet werden sollen, so ist es als Lehn und als eine Lehns-Besserung anzusehen, wesfalls die angewandte Kosten denen Land-Erben zu erstatten sind, wenn auch schon das Stück von dem Vasallen nachhero mit als Lehn angegeben worden.

§ 3. Es kann auch bey trennbaren Stücken auf eine bloße Bestimmung des Vasallen nicht ankommen, wenn der Vasall sich desfalls gegen den Herrn oder die Mit-Belehnte nicht erkläret hat, und auch in diesem Fall muß denen Land-Erben Vergütung geschehen.

Titul XXXVII.   Von After-Belehnungen.

§ 1. Es ist Uns unterthänigst berichtet worden, was in Ansehung der After-Lehne von dem gemeinen Haufen der Rechts-Gelehrten für Mei­nung geneget werde, gestalten nämlich mit Ausgang der Familie des belehnenden ersten Vasallen auch das Afterlehn dem Ober-Lehnsherrn anheim falle, wofern es nicht ein solches Afterlehn wäre, welches zu verafterlehnen gewöhnlich gewesen. So schwer und oft unmöglich nach Beschaffenheit der Sache dieser Beweis ist, so haben Wir dabey zugleich gnädigst erwogen, daß die Lehn-Rechte eine After-Belehnung nie für eine Veräußerung des Lehns angesehen haben, vielmehr verstatten, wenn nichts betriegliches zum Nachtheil des Lehnsherrn darunter vor­gegangen ist. Ob Wir nun wohl auch noch nicht zu vergönnen gemeinet sind, daß jemand seinem Lehns-Herrn, oder seinen mit ihm in gesammter Hand stehenden Lehns-Vettern, zum Verfang sein Lehn oder einen Theil desselben zu After-Lehn hingebe, so kann jedoch eine After-Belehnung auch bey dem Eröffnungs-Fall von dem Lehns-Herrn oder denen Lehns-folgern nicht angefochten noch das After-Lehn eingezogen werden, wenn


Tit. 37 und 38                                                                                                                  77

solches in denen Lehen-Verzeichnissen, welche ohnehin auch denen Vettern nicht verborgen bleiben können, angezeiget und von dem Lehns-Herrn nicht widersprochen, vielmehr darauf die Haupt-Belehnung nichts desto weniger erfolget ist.

§ 2. Wenn aber auch die ausdrückliche Anzeige in denen Lehns-Ver-zeichnissen unterblieben wäre, so muß gleichwohl eine dreißigjährige Verjährung dem After-Lehn-Mann zu Statten kommen, und muß ihm hiebey die Zeit mit zu gute gerechnet werden, da es vorhin an andre bereits verafterlehnet gewesen. Es können aber der Herr und die Vettern, wenn der Vasall darunter böslicher und betrüglicher Weise zu Werk gegangen, an denselben oder dessen Land-Erben und die sonst zu erstattende Lehns-Besserungen und Schulden sich halten.

§ 3. Wenn das Haupt-Lehn dem Herrn anheimfällt, würde zwar der After-Belehnte binnen gehöriger Zeit bey dem Ober-Lehnsherrn die Erneue­rung des Lehns suchen müssen. Nachdemmalen jedennoch sowohl Wir als andre benachbarte Reichs-Fürsten es so zu halten pflegen, daß sie die von ihnen anhangende eröffnete Lehne andern hinwiederum verleihen, und diese dadurch After-Lehnsherren werden, so ist denen After-Belehn-ten billig so lange nachzusehen, bis sie von dem neuen Haupt-Vasallen zur Muthung und Empfangung des After-Lehns vorgeladen werden.

Titul XXXVIII.   Von Lehns-Investituren.

§ 1. Ob wohl, wie Wir vernehmen, die Lehns-Investitur an sich denen altern Rechten nach eine gerichtliche Übergabe ist, mithin in Ansehung des Rechts der Vasallen gegen Unsre jetzo gewöhnliche Investituren da­her ein Zweifel entstehen könnte, daß Unsre Lehn-Cammer kein besetz­tes Lehn-Gericht ist, so ist es jedoch auch in Unsern deutschen Landen durch die Gewohnheit längst festgesetzet, daß die Investitur auch durch bloße Lehnbriefe geschehe, und Wir lassen es dabey nicht bezweifeln, daß, sofern nicht eines dritten Recht im Wege stehet, dadurch ein Recht an der Sache selbst erlanget werde.

§ 2. Wenn inzwischen der Belehnte den Besitz des Lehns nicht sofort erhalten soll, kann demselben auch durch die Investitur noch kein nutz­bares Eigenthum, sondern nur ein dingliches Recht dahin übertragen werden, daß ihm der Anfall auf alle Weise gesichert, und er alsdenn befugt sey, in den Besitz sich zu setzen.

§ 3. Eine bloße Anwartschaft oder Geding ohne Investitur giebet aber an dem Lehn kein dingliches Recht, sondern würket nur einen Anspruch


78                                                                                                                  Tit. 38 und 39

gegen den Lehn-Herrn. Am wenigsten kann solches eine generale unbe­stimmte Anwartschaft auf das nächste zuerst zu eröffnende Lehn erthei­len, wenn auch gleich dem beanwarteten die Wahl gelassen, und ihm den Besitz davon zu ergreifen, erlaubet, oder auch wohl gar schon zum Vor­aus er damit dem Namen nach belehnet wäre, maßen die Investitur über eine annodi ungewisse Sache dafür nicht geachtet werden kann. § 4. Welchergestalt bey denen Belehnungen zu verfahren sey, ist in Unsern Landes-Ordnungen bereits bekannt gemacht, wobey Wir es gnädigst bewenden lassen.

§ 5. Was die Gesammt-Belehnungen anlanget, so werden Wir Uns dar­über in dem Titul von der Folge aus Geding näher erklären. § 6. Von denen After-Belehnungen vernehmen Wir zwar, daß die meisten Rechts-Lehrer auch diejenigen, welche nicht zur Gefährde gegen den Lehns-Herrn vorgenommen worden, nur so lange bestehen lassen wollen, als das Haupt-Lehn in des Verafterlehnenden oder dessen Nach­kommen Händen ist, ohne sogar einst eine Verjährung eintreten zu lassen. Da aber dieses zugleich denenjenigen, welche mit gutem Glauben dergleichen After-Lehne besitzen, und wohl gar schon lange Zeit beses­sen haben, zum größten Nachtheil gereichen würde, so treten Wir viel­mehr denen bey, welche der Meinung sind, daß das ältere Lehn-Recht in diesem Stück nicht abgeschaffet worden, mithin, wenn keine Gefährde dabey vorgegangen, nicht allein die Verjährung der langen Zeit den After-Lehnmann gegen den Ober-Lehns-Herrn und die Agnaten schützen müsse, sondern auch sonst eine After-Belehnschaft, wenn sie nur mit gutem Glauben und aus keiner Gefährde geschehen, zu Recht bestehe.

Titul XXXIX.   Von Lehns-Veräußerungen.

§ 1. Wir vernehmen, daß es zweifelhaft sey, wie es zu halten, wenn ein Lehn an einen derer würklichen Lehns-Vettern veräußert worden, ein andrer Lehns-Vetter aber hienächst dem Verkäufer im Lehn folget. Ob nun wohl die Lehn-Rechte dermalen fast durchgehends dahin erkläret werden wollen, daß der Lehnfolger bey dem an ihn geschehenen Anfall, auch sogar, wenn er diese Veräußerung gewußt, und dazu geschwiegen, das veräußerte Lehn zu jeder Zeit alsdann besprechen und an sich ziehen könne, so müssen Wir doch solches sowohl der Billigkeit, als dem wahren Verstande der Lehn-Rechte gänzlich zuwider halten. Wir setzen demnach und bestimmen, daß wenn ein Lehn-Mann an einen seiner Lehns-Vetter sein Lehn oder ein Theil desselben veräußert, blos darauf zu sehen sey, wer zur Zeit solcher Veräußerung der nächste Lehns-Vetter gewesen, und daß auch dieser nähere Lehnfolger, wenn er entweder


Tit. 39 und 40                                                                                                              79

darin gewilliget, oder nach davon eingezogener Erfahrung ein ganzes Jahr geschwiegen, bey einem demnächstigen Anfall ganz und gar nicht gehöret werden solle. Wenn aber dieser nähere Lehn-Vetter den Handel nicht erfahren, noch seine Einwilligung darin gegeben hätte, so kann alsdenn, da der Käufer den nähern Grad der Lehns-Vetterschaft gewußt hat, oder doch wissen können und müssen, diesen gegen vorgedachten nähern Lehns-Vetter oder dessen Nachkommen, wenn sie der Anfall trifft, keine Verjährung eintreten. Hingegen ist derselbe Käufer und Lehns-Vetter gegen alle diejenigen, welche zur Zeit des Verkaufs nicht näher gewesen, auch deren Nachkommen, welche demnächst der Anfall treffen kann, völlig gesichert.

§ 2. Wenn der Käufer dem Verkäufer der nächste Lehns-Vetter ist, so bestehet der Verkauf schlechterdings, ohne auf den künftigen Anfall zu sehen. Wenn er aber zu der Zeit zwar der nächste ist, aber einen gleich nahen neben sich hat, welcher entweder den Verkauf genehmiget, oder nach erhaltener dessen Wissenschaft ein Jahr schweiget, so kann alsdann auch der gleich nahe Lehns-Vetter und dessen Nachkommen durch einen vermeinten künftigen Anfall das Lehn sich nicht anmaßen. Stünde aber auch dem gleich nahen Vetter oder dessen Nachkommen eine solche Genehmigung oder wissentliches Stillschweigen nicht entgegen, so kann gleichwohl dieser gleich nahe Vetter, wenn er oder dessen Nachkommen den Anfall erleben, und sie auch sodann die einzigen Lehnfolger seyn sollten, nicht mehr als denjenigen Theil davon besprechen, wozu sie sich bey der Veräußerung als gleichnahe ziehen können, und in sofern stehet ihnen alsdenn auch eine Verjährung nicht entgegen.

§ 3. Wird hingegen ein Lehn an einen Fremden, der kein Lehns-Vetter ist, wenn er auch schon Folge am Lehn hat, veräußert, so kann ihn zwar das bloße Stillschweigen der Agnaten nicht in gleicher Maße schützen. Ihm muß gleichwohl, wenn er von Anfang in gutem Glauben sich befun­den, eine 30jährige Verjährung um so mehr zu Statten kommen, als er sonst die Eviktions-Klage gegen seinen Verkäufer ohne seine Schuld verlieren würde.

§ 4. Eine gleiche Verjährung muß in diesem Fall auch gegen den Lehns-Herrn eintreten.

Titul XL.   Von Félonie.

§ 1. Was eine Félonie bewürke, davon ist zwar in denen Lehn-Rechten bereits genügsame Versehung geschehen. Wir vernehmen jedoch, daß unter denen Rechts-Lehrern darüber sehr großer Zweifel obwalte, ob


80                                                                                      Tit. 40 und 42

eine darüber erfolgende Urthel blos bestimme, ob das Lehn bereits vor­hin verwürkt gewesen, und der bisherige Vasall schon von der Zeiten an dessen für beraubt zu halten, oder ob er desselben erst durch die erfol­gende Urthel beraubt werde. Wir pflichten hierunter gnädigst der letztern Meinung bey, daß die Beraubung des Lehns erst durch das richterliche Erkenntniß geschehe. Wiewohl dieses sich dabey von selbst verstehet, daß in solchem Fall die seit angestellter Klage erhobene Nutzungen zu erstatten seyn.

§ 2. Kein Lehns-Fehler, welcher eine Strafe oder wohl gar die Entziehung des Lehns mit sich führen soll, kann eintreten, wenn nicht ein böslicher Vorsatz erscheinet, den Lehns-Herrn zu benachtheiligen, am wenigsten, wenn es zweifelhaft gewesen ist, ob das Gut mit der Lehnbarkeit be­haftet sey.

§ 3. Wenn der etwanige begangene Lehns-Fehler, welcher von dem Va­sallen begangen worden, gegen ihn selbst nicht gerüget ist, so soll er gegen den Nachkommen und Erben durchaus nicht, am wenigsten an die Agnaten oder Seiten-Verwandten, gerüget werden, da dergleichen in den gemeinen Rechten gegen den Erben nicht verstattet wird.

§ 4. Auch kann nun zwar durch eine durch Bosheit verknüpfte Félonie denen Agnaten kein Nachtheil entstehen. Sie mögen gleichwohl ihr Recht nicht eher geltend machen, als bis der Anfall an sie geschehen ist.

Titul XLII.   Von allerhand Arten der Lehne.

§ 1. Wir sind berichtet worden, daß über die Natur der Sonnen-Lehne, deren es auch in unsern deutschen Landen einige geben soll, unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten werde. Ob nun gleich bey denenselben die Lehns-Empfängniß, es sey, aus welchem Grunde es wolle, aufgehöret hat, so können Wir doch denenjenigen Rechts-Lehrern nicht beypflichten, welche sie gänzlich für Erbgüter ansehen wollen, sondern Wir billigen vielmehr die Meinung derer jenigen, welche dafür halten, daß nichts destoweniger dieselbe Erbfolge sowohl in Ansehung der Kinder, als der Vettern, wie bey Lehn-Gütern eintrete.

§ 2. Als auch bey den sogenannten Kaphans- oder Heuel-Lehnen darüber gestritten wird, ob zugleich die weiblichen Nachkommen darin folgen, so setzen Wir hiedurch, daß, wofern nicht etwa ein besonders hergebracht ist, die männlichen allein dazu gelassen werden sollen.

§ 3. Aufgetragene Lehne sind in allen Stücken nach denselben Lehn­rechten wie die sogenannten Gegebenen zu beurtheilen.


Tit. 42 und 43                                                                                       81

§ 4. Da unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten wird, ob durch die Belehnung einer weiblichen Person das Lehn unter derselben Nachkom­men ein Weiber-Lehn werde, die Langobardischen Lehn-Rechte auch dar­unter nicht genug bestimmend sind, so billigen Wir die Meinung, daß dadurch kein Weiber-Lehn entstehe, wenn nicht zugleich auch denen weiblichen Nachkommen die Folge würklich versprochen worden.

§ 5. Es verstehet sich zwar darab von selbst, daß des letztverstorbenen Söhne, auch sämmtliche Lehns-Vettern aus derselben Linie denen Töch­tern vorgehen. Da aber gezweifelt werden will, ob die Töchter auch die Vettern aus andern Linien ausschließen, so setzen Wir, daß auch in die­sem Fall die Töchter denen Vettern in altväterlichen Lehnen weichen.

§ 6. Es ist Uns hiebey ferner vorgetragen, wie die Lehn-Rechte selbst zweifelhaft und nicht entscheidend darüber gefasset seyn, ob einer oder der andern Tochter männliche Nachkommen eines solchen Lehns vor denen weiblichen sich anmaßen können. Da solche männliche Nachkom­men kein besser Recht als die Tochter selbst, von welcher sie abstammen, haben mögen, so können Wir nicht zugeben, daß die Söhne der einen Tochter die andre Tochter oder deren Töchter ausschließen. Unter sich aber in derselben Linie gehen die Söhne billig ihren Schwestern vor, da­mit in sofern die eigentliche Natur des Lehns beybehalten bleibe.

§ 7. Wir mögen auch denenjenigen Rechts-Lehrern nicht bey treten, welche die Belehnung für Söhne und Töchter bey diesen auf den ersten Grad einschränken und der Töchter Kinder ausschließen wollen.

§ 8. Ob zwar die einmal zurückgesetzte Tochter dadurch nicht beständig ausgeschlossen bleibet, so tritt jedoch bey erlöschendem Mannes-Stamm des letztverstorbenen Tochter oder Schwester ein, und geschiehet übri­gens die Vererbung nach der Nähe der Linien und Grade.

§ 9. Ist jemand für sich und seine Erben beiderley Geschlechts belehnet, so können die Töchter und deren Nachkommen mit denen Söhnen und deren Nachkommen zugleich nicht eintreten, sondern müssen denenselben nachstehen.

Titul XLIII.   Von verschiedenen Arten der Bemeyerungen.

§ 1. Ob schon das Meyer-Recht nach Unsrer Länder Gesetzen und Ge­wohnheiten sich auch auf die Erben erstrecket, so ist Uns doch vorge­tragen, daß Zweifel vorgefallen seyn, ob dieses auch Statt finde, wenn der Meyer nur für sich und auf seine Lebenszeit bemeyert worden. Wir billigen aber hierunter die von Unsern Gerichten angenommene Meinung, daß das Meyer-Recht nichts desto weniger auch auf die Erben fortgehe.

6   Ebel


82                                                                                                                  Tit. 43 und 44

§ 2. Ob auch wohl mehrern Zweifeln unterworfen seyn könnte, ob ein beständiges unwiderrufliches Meyer-Recht vorhanden sey, wenn in dem Meyer-Briefe die Bemeyerung nur auf gewisse Jahre ertheilet worden, so genehmigen Wir doch auch hier die Meinung Unsrer Gerichte, daß eine beständige Vermeyerung zu verstehen sey, da es dabey von dem Gutsherrn die Absicht nur gehabt hat, einen mehrmals wiederholten Weinkauf zu besserer Bekräftigung seines Gutsherrn-Rechts zu haben.

Titul XLIV.   Von der nutzbaren Vormundschaft bey Meyer-Gütern.

§ 1. Obgleich bey Absterben eines Meyers und Wieder-Verheyrathung dessen Frau Behuf der Kinder An- und Zusprüche und Auseinander­setzung der Erben denen Unmündigen besondre Vormünder von der Obrigkeit zu setzen sind, so stehen doch nachher die Kinder unter der nutzbaren Vormundschaft ihres dem Hofe vorstehenden Stiefvaters und sie müssen in Ansehung des Hofes alle dessen Handlungen genehmigen.

§ 2. Wiewohl nun die Jahre, welche diese nutzbare Vormundschaft dauern soll, in denen Ehestiftungen ausgedrücket zu werden pflegen, so müssen doch selbige nicht weiter, als auf die Zeit, da der Anherr den Hof anzutreten im Stande ist, erstrecket werden. Wozu Wir denn das mün­dige Alter, nämlich das zurückgelegte fünfundzwanzigste Jahr bestimmen.

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§ 3. Sind aber mehrere Kinder vorhanden, so ist der Hof auf unbestimmte Jahre, und bis dahin einzuthun, daß der Gutsherr einen der Kinder zum Meyer annehmen werde, als welches Wir zugleich der Erhaltung des Hofes, woran zugleich dem gemeinen Wesen so viel gelegen ist, am ge-mäßesten finden.

§ 4. Der nutzbare Vormund hat zwar den völligen Genießbrauch des ihm eingethanen Guts, wie der würkliche Meyer, er muß aber die Kinder davon unterhalten, von denen darauf haftenden Schulden nicht allein die Zinsen, sondern auch, was auf terminliche Zahlung gesetzet ist, in den be­stimmten Terminen abtragen, und die Gerechtigkeiten des Hofes besorgen.

§ 5. Es muß dahero der nutzbare Vormund auch die Ablegung der Kinder erster Ehe in Ansehung der Aussteuer, und so weit sie an baarem Gelde auf Termine gesetzet ist, übernehmen, ohne es in Abrechnung zu bringen.

§ 6. Dagegen stattet er auch in Ansehung der etwanigen Mobilien und ausstehenden Forderungen keine Rechnung ab.

§ 7. Gegen sein in den Hof Eingebrachtes, worüber jedoch kein beschwer­licher Beweis zu erfordern ist, hat er allemal eine Leibzucht, wie sie ihm verschrieben wird, zu genießen, und seine Kinder müssen als andre Kin­der vom Hofe ausgestattet werden.


Tit. 44, 45 und 46                                                                                                                  83

§ 8. Es muß ihm auch erlaubet seyn, auf seine Leibzucht wieder zu heyrathen, welche sodann nach seinem Tode auch dessen Wittwe ge­nießet. Und auch die darauf erzeugte Kinder müssen vom Hofe gleich den übrigen ausgestattet werden. Von denen während seiner Regierung erzeugten verstehet sich dieses von selbst.

§ 9. Da es bezweifelt wird, ob dasjenige, was der nutzbare Vormund auf dem Hofe erworben und erübriget hat, es mag in ausstehenden Forde­rungen oder sonst bestehen, dem folgenden Besitzer des Hofes, oder seinen natürlichen Erben zufalle, so erklären Wir Uns gnädigst dahin, finden es auch zu Erhaltung der Höfe unumgänglich nöthig, daß alles dem neuen Besitzer des Hofes verbleibe, und die Erben blos mit der sonst gewöhnlichen oder ausgelobten Abfindung zufrieden seyn müssen.

§ 10. Als sonst auch dem Vernehmen nach die Frage vorgefallen, ob nach geendigten Regierungs-Jahren bey eintretender Leibzucht dem Leibzüch­ter frey stehe, statt der Leibzucht sein Eingebrachtes heraus zu nehmen, so haben Wir gnädigst erwogen, daß solches mit der Verfassung der Meyer-Güter nicht bestehen könne, und dahero auch vor angetretener Leibzucht, vielweniger also nachhero dem bisherigen Vormunde eine solche Wahl nicht gestattet werden möge, welches Wir also auch aus­drücklich hiedurch gnädigst verordnen.

Titul XLV.   Vom Weinkauf.

§ 1. Obwohl in Unsern Bremischen Landen bey Meyer-Gütern neben der Auffahrt auch der Willkommen-Schatz, wenn der Gutsherr verändert wird, dem Vernehmen nach gebräuchlich ist, so mag doch solches, daß der Weinkauf auch bey Veränderung des Gutsherrn zu entrichten sey, in Unsern übrigen Landen nicht angenommen werden, wofern es nicht besonders hergebracht worden, als wie auch Unsre Gerichte bisher er­kannt haben.

§ 2. Die Größe des Weinkaufs ist nach der besondern, oder, wenn diese nicht erscheinen sollte, nach der allgemeinen Observanz zu bestimmen.

§ 3. Es kann aber kein Meyer-Mann wegen etwa nicht entrichteten Wein­kaufs seines Meyer-Rechts verlustig erkläret werden.

Titul XLVI.   Von Abmeyerang.

§ 1. Da es in Unsern Calenbergischen Landen hergebracht, und durch ge­richtliche Erkenntnisse bestätiget ist, daß wegen nicht entrichteten Meyer-Zinses und darunter begangener Saumseligkeit nur alsdann erst die Abmeyerung Statt finde, wenn binnen drey Jahren der Zins nicht

6*


84                                                                                      Tit. 46 und 47

abgetragen ist, so lassen Wir es in Ansehung Unsrer Calenbergischen Lande dabey bewenden, und soll nach Maaßgabe vorgedachter Erkennt­nisse es auch bey den Closter-Meyem eben so gehalten werden.

§ 2. In Ansehung Unsrer übrigen deutschen Lande aber soll dazu eine zweyjährige Saumseligkeit genug seyn.

§ 3. Hat der Gutsherr, es sey ehe er zur Abmeyerung geschritten, oder auch nachher währenden Rechtsstreits die rückständige Meyer-Gift ange­nommen, oder sie wäre ihm, ehe er die Abmeyerung ergriffen, ange­boten, hätte aber nicht angenommen werden wollen, so findet die Ab­meyerung weiter keine Statt.

§ 4. Hätte aber auch der Gutsherr nur einen Theil des Rückstands ange­nommen, ohne dabey vorzubedingen, daß er es nicht auf den rückständi­gen Meyer-Zins, sondern auf die nachher verfallende Früchte des Guts anrechnen wolle, so kann gleichfalls die Abmeyerung nicht eintreten. Und dieses tritt auch nach bereits entstandener Klage ein.

§ 5. Hat aber der Gutsmann blos unterlassen, die Erneuerung des Meyer-Contracts zu suchen, und den Weinkauf zu bezahlen, so kann dieser-halben keine Abmeyerung geschehen.

§ 6. Ist einmal die Abmeyerung gültiger Weise und rechtskräftig ge­schehen, so schadet sie auch des Gutsmanns Kindern, dessen Ehefrau und Verwandten, sowohl in Ansehung der Folge, als auch was der Frau etwa an dem Hofe verschrieben worden.

§ 7. Unter mehrern Gutsherren stehet demjenigen die Abmeyerung zu, welcher die Gutsherrschaft über die Hof-Stätte hat.

Titul XLVII.   Vom Zehenten.

§ 1. Nachdemmalen in Ansehung derer Zehenten in denen mehresten Unsrer deutschen Landen, sowohl im Lüneburgischen als im Calenbergi­schen, Grubenhägischen und Hoyaischen, wie auch im Brem- und Verdi-schen, besondre Verordnungen vorhanden sind, so lassen Wir es in An­sehung eines jeden Landes vorerst dabey bewenden.

§ 2. Wir erklären Uns jedoch überhaupt dahin, daß die Zehenten als Frucht-Zinse angesehen werden sollen und, was die Canonischen Rechte in Ansehung der Pfarr-Zehenten verordnet, ganz außer Augen zu setzen sey.

§ 3. Ob also schon, wie Uns berichtet worden, viele Rechts-Lehrer aus denen Canonischen Rechten, ja sogar aus einer solchen Sammlung, welche nie mit denen übrigen gleiches Ansehen erlanget, behaupten wol-


Tit. 47                                                                                                85

len, daß die Zehent-Pfliditige dem Zehent-Herrn den Zehenten in seine Scheure, auch sogar in einer großen Entfernung, einzufahren schuldig seyn, diese Meinung auch noch daher einigen Anschein gewinnen könnte, daß Wir selbst die Zehenten für Frucht-Zinse annehmen, der­gleichen die Pflichtigen dem Herrn entgegen tragen und liefern, so ist jedoch bereits in Unsrer Calenbergischen und Bremischen Zehent-Ord-nung mit genügsamem Rechts-Grunde das Gegentheil ausdrücklich ver­sehen, und Unsre Lüneburgische Zehent-Ordnung giebet ein Gleiches nicht undeutlich zu erkennen, welche Wir also auch zu mehrerer Deut­lichkeit hiedurch allenfalls dahin erklären wollen.

§ 4. Da Wir jedoch vernehmen, daß dergleichen Einfuhr an vielen Orten hergebracht seyn soll, so hat es bey dergleichen besondern Herbringen allerdings sein Bewenden, und soll in diesem Fall ein Herkommen von zehn Jahren genug seyn, wenn weder ein Zwang noch Bitte dabey für­gewaltet und erwiesen werden kann. Es kann auch aus denen dabey gegebenen Pröven allein nicht folgen, daß es Bittweise geschehen, da die Pröven bey allen Diensten üblich sind.

§ 5. Wie auch sämmtliche Unsere Zehent-Ordnungen alle aufzehentbarem Lande gewachsene Frucht verzehentet wissen wollen, die Calenbergische Zehent-Ordnung auch noch insbesondere der Rüben gedenket, also hat es dabey überhaupt sein Bewenden.

§ 6. Wenn Äcker brak liegen, und nicht bestellet werden, kann von dem darauf wachsenden Grase binnen der gewöhnlichen Brak-Zeit kein Zehente gefordert werden, wohl aber, wenn sie über die gewöhnliche Zeit brak gelassen werden sollten.

§ 7. Gleicher Gestalt muß der Zehente entrichtet werden, oder desfalls Vergütung geschehen, wenn zehentbares Land zur Vieh-Weide unbe­stellt gelassen worden.

§ 8. Sollte auch auf einem zehentbaren Grund und Boden gebauet, und dadurch dem Zehent-Herrn ein Theil des sonst habenden Zehent-Ge-nusses vom Lande entzogen werden, so ist ihm allerdings desfalls Ver­gütung zu leisten.

§ 9. Da in Unsern deutschen Landen seit einiger Zeit der Kartoffeln-Bau aufgekommen, und theils Orten die Zehentpflichtigen auf die Gedanken gerathen, solche als Küchen-Gewächse vom Zehenten gänzlich auszu­schließen, dieses gleichwohl gar sehr und um so mehr zum Nachtheil des Zehent-Herrn gereichen würde, als solche Kartoffeln zugleich an Statt Getraides gebrauchet werden, so sind die Zehentpflichtige in zehent-barem Lande, wenn es auch den Namen von Garten haben mögte, nicht


86                                                                                                                                Tit. 47

mehr zehentfrey zu bestellen befugt, als sie vorhin mit Küchen-Gewächse bestellet haben.

§ 10. Ob der Zehente Garben- oder Hocken-Weise zu ziehen sey, desfalls lassen Wir es bey dem Herbringen eines jeden Orts bewenden.

§ 11. Wenn der Zehente Garben-Weise gezogen wird, so hat der Zehent-Herr, ohne an die Eckgarben, wie einiger Orten verlanget werden will, sich zu binden, die freye Wahl, welche er will, zu nehmen.

§ 12. Wenn der Zehente in Hocken oder Stiegen gezogen wird, stehet nach Unsrer Calenbergisdien Zehent-Ordnung § 36 dem Zehent-Sammler frey, mit dem Zehent-Wagen mitten über das Land, wo es ihm am be­quemsten fällt, zu fahren, um die den Wagen am nächsten berührende Stiegen oder Haufen zum Zehenten hinzunehmen, und kann ihm nicht angemuthet werden, an dem Ende des Stückes, wo der Mäher angefan­gen, oder auch, wo der Düngel-Wagen auf das Land gegangen, mit der Zehentziehung den Anfang zu machen. Ob nun wohl in Unsern übrigen Fürstenthümern und Grafschaften desfalls nichts bestimmet worden, so ist es jedoch der Sache selbst gemäß, daß die Bestimmung der Zehent-Hocken denen Zehentpflichtigen, in deren Gewalt es ohnehin gemeinig­lich stehet, gleiche Garben und Hocken zu stellen, nicht überlassen, noch der Zehentherr nach der zehentpflichtigen gemachten Einrichtung, eine gewisse Hocke anzunehmen, verbunden seyn könne. Wir halten es dem­nach für billig, und setzen hiemit, daß, wenn das zu verzehente Feld durchgehends von gleicher Güte und Ertrage ist, dem Zehentherrn zwar schlechterdings die Wahl der Zehenten-Hocke, wenn er sie auch schon auf einem Felde an einer Stelle aufnehmen will, zu lassen sey. Wenn aber die Frucht auf einem Felde nicht durchgehends gleich gut ist, und zum Theil mehr in das Futter fällt, so soll zwar dem Zehentherrn frey stehen, vom Ende des Stücks an zu rechnen, in der Reihe der Hocken, welche er unter denen zehen ersten will, zur Zehent-Hocke zu nehmen, er muß jedoch in derselben Linie darauf die sodann folgende Zehente nehmen, um bey dem Umkehren des Wagens wenn eine neue Linie an­fängt, eben so verfahren.

§ 13. Gleichwie von Unsern Durchlauchtigsten Vorfahren, besonders an der Regierung des Herzogthums Lüneburg bereits anerkannt worden, daß der Rott-Zehnte dem wahren Grundherrn, mithin nicht allein Uns als Landes-Herrn, sondern auch denen von Adel, wenn sie Grund-Herren sind, zukomme, und diesem in der Natur der Sache gegründeten Satze Unser Ober-Appellations-Gericht auch außerhalb dem Herzogthum Lüne­burg bisher nachgegangen ist, so soll es auch dabey überall sein unver­änderliches Bewenden behalten. Wann jedoch in Unserer Brem- und


Tit. 47 und 48                                                                                                                  87

Verdischen Zehent-Ordnung ein anderes und zwar dahin versehen ist, daß von derjenigen Länderey, welche aus gemeiner Hude und Weide aufgebrochen worden, der Rott-Zehnte demjenigen zukommen und ge­bühren solle, welcher wegen der übrigen Zehnt-Flur Zehnt-Herr sey, so gehet Unsre gnädigste Meinung keinesweges dahin, darunter eine Ab­änderung zu machen. Vielmehr erklären Wir uns gnädigst dahin, nach­dem Wir berichtet worden, daß für den Gebrauch der gemeinen Hud und Weide der sogenannte Schmal- oder Blut-Zehnte entrichtet werde, mit­hin darab geschlossen werden muß, daß dieser Zehnt-Herr von der ge­meinen Hud und Weide Grundherr sey, in solchem Fall den Rott-Zehnten an den Schmal-Zehenten gnädigst gerne verabfolgen lassen.

§ 14. Als Wir auch vernommen, daß in Unsern deutschen Fürstenthumen und Landen vielfältiger Streit darüber geführet wird, ob dieser oder jener Zehnte, wenn viele Jahre hindurch statt desselben eine gleichför­mige Abgift an Früchten geliefert worden, für einen Zug- oder Sack-Zehenten zu halten sey, so soll nach der Meinung Unsers Ober-Appella­tions-Gerichts bey eintretender 30jährigen oder gegen Unsre Cammer, pia corpora und Städte 40jährigen gleichförmigen Ablieferung derselbe allerdings für einen unveränderlichen Sack-Zehenten gehalten werden, wofern nicht der Zehent-Herr beweiset, daß solcher Zehente seiner ur­sprünglichen Beschaffenheit nach ein würklicher Zug-Zehnte sey, folglich denen Zehentpflichtigen nur auf gewisse Jahre verheuret gewesen.

§ 15. Es kann auch denen Sack-Zehentpflichtigen zu Begründung ihrer Absicht keinesweges entgegen stehen, wenn sie etwa alle 7 Jahre einen Weinkauf erlegen müssen, und bey Ablieferung des Zehenten gespeiset werden.

§ 16. Da Wir auch vernehmen, daß in Unserer Grafschaft Hoya sich eine besondere Art Zehnten vorfindet, welche den Namen Streu-Zehnten führen, und darin von dem ordentlichen Zehenten abweichen, daß, wenn unter dem Streu-Zehenten Winter- und Sommer-Frucht begriffen ist, nur einmal im Anfang der Erndte dem Zehent-Herrn Anmeldung geschehen müsse, Sommer-Früchte hingegen, es wäre dann, daß dasselbe gleich bey dem Winter-Korn gebräuchlich, in Garben gebunden und in Hocken gesetzet werden könne, als welchenfalls sie davon den Zehenten ziehen zu lassen verbunden dem Zehent-Herrn zur Auszehntung nicht ange­meldet werden dürfen, sondern die Zehentpflichtigen, sothanes ihr Som­mer-Korn vorbenannten Fall ausgenommen, ohne die sonst gewöhnliche Ansagung gethan zu haben, einzufahren, und den davon gebührenden Zehenten liegen zu lassen, berechtiget sey, so hat es dabey allerdings sein Bewenden.


88                                                                                                                               Tit. 48

Titul XLVIII.   Von Dienstbarkeiten der Gütei.

§ 1. Welchergestalt die Dienstbarkeiten der Güter durch Verjährung erworben worden, darüber haben Wir Uns in dem Titul von Verjährung erkläret.

§ 2. Da Wir vernehmen, daß es unter denen Rechts-Lehrern sehr be­zweifelt wird, ob derjenige, welcher an eines andern Gute eine Dienst­barkeit behaupten will, auch in dem Fall den Beweis seines Rechtes führen müsse, wenn er bisher im Gebrauch desselben gewesen und dann Unser Ober-Appellations-Gericht von jeher der Meinung gewesen, daß in diesem Falle der Besitz oder Gebrauch von der übernehmung eines solchen Beweises nicht befreye, so soll diesem auch ferner, und in allen Unsern Gerichten, nachgegangen werden.

§ 3. Wenn schon die Dorfschaften nicht für wahre und völlige Eigen­thümer ihrer Feldmarken und Achten zu halten sind, so haben sie jedoch ein Recht, andre Gemeinen oder Personen von dem Gebrauch derselben so lange auszuschließen, bis diese eine davon habende Dienstbarkeit erwiesen haben.

§ 4. Diejenige Dorfschaft, welche in einer streitigen Gegend den Plaggen­hieb bisher allein ausgeübet, und in Hölzern die Mästung allein genos­sen, auch bey Ausweisung neuer Wiesen und Ländereyen um ihre Ein­willigung allein befraget worden, ist gegen andre Dorfschaften gleichsam als Eigenthümerin anzusehen, und schließet sie daher in der Hud und Weide und andern Dienstbarkeiten so lange aus, bis selbige ihr Recht gehörig erweisen.

§ 5. Wem das Hud- und Weide-Recht als eine Dienstbarkeit zustehet, darf nicht mehr Vieh auf die Weide bringen, als wie er von dem auf dem Seinigen gewachsenen den Winter hindurch ausfüttern kann. Er darf also kein fremd Vieh hinein bringen.

§ 6. Es kann auch keiner, der nur das Recht einer Dienstbarkeit in An­sehung der Hud und Weide, oder andrer Bedürfniß hat, den Eigenthums­und Grund-Herrn von dem übrigen Gebrauch derselben Sache wenn ihm der Gebrauch seines dienstbarlichen Rechts völlig frey und ungekränket bleibet, ausschließen.

§ 7. Solchemnach ist der Grundherr allemal befugt, aus gemeinen Dorfs-Weiden, wenn die Interessenten an allen ihren Gerechtigkeiten auf keine Weise gekränket werden, Land zum Ausbruch anzuweisen, oder auch selbst davon den Genuß sich zuzueignen.

§ 8. Diejenigen, welche eine Holzungs-Gerechtigkeit haben, und gleich­wohl nicht Holz-Herren sind, mögen ein mehrers, als zu ihrer und zu


Tit. 48                                                                                                89

ihres Guts Nothdurft und Behuf nicht verlangen. Sie mögen auch davon an Fremde nichts verkaufen. Was jedoch besonders hergebracht ist, muß ferner befolget werden.

§ 9. Auf gleiche Weise ist es auch mit dem Recht des Torf-Stichs in denen Torf-Möhren zu halten, wenn das Recht nur in einer Dienstbarkeit beruhet.

§ 10. Obgleich ein solcher, der kein wahres, sondern nur ein nutzbares Eigenthum an dem Gute hat, durch sein Versprechen zum Nachtheil des Ober-Eigenthums-Herm niemand eine Dienstbarkeit an dem Gut ver­schaffen kann, sondern solche aufhöret, sobald das Gut dem Herrn an­heim fällt, so kann doch dieses in dem Fall, da die Erwerbung sich auf einen langen untadelhaften Gebrauch gründet, keine Zueignung finden, sondern dieser ist auch gegen den Ober-Eigenthums-Herm von voller Rechts-Würkung.

§ 11. Da es sich zuträgt, und insonderheit durch Vereinzelung mehrerer vorhin zusammen besessener Ländereyen veranlasset wird, daß bey ein oder andern Stück sodann kein zu dessen Benutzung nöthiger Weg vor­handen bleibet, so erfordert freylich selbst der dem gemeinen Wesen so nützliche Ackerbau, daß gegen genügsame Vergeltung andre über ihr Land einen solchen Weg verstatten. Es muß jedoch so viel möglich dahin gesehen werden, daß durch die geschehene Vereinzelung in diesem Fall andre nicht beschweret werden.

§ 12. Wir haben vernehmen müssen, daß aus den neuern Kaiserlichen Rechten darunter Zweifel obwalte, ob auch die Dienstbarkeit der Land-Güter durch einen bloßen Nicht-Gebrauch von zehen Jahren verloren gehe, wenn schon deren Gebrauch nicht verwehret, noch an Seiten des dienstbaren Guts die Freyheit verjähret worden. Wir nehmen aber zumal nach der Verfassung Unsrer deutschen Länder die Meinung an, welche auch dem natürlichen Recht am gemäßesten zu seyn scheinet, und selbst bey städtischen Gütern von aller Zeit her in den Rechten gegolten hat, daß durch den bloßen Nicht-Gebrauch die Dienstbarkeiten auch der Land-Güter nicht verloren gehen, wenn nicht deren Ausübung verwehret wor­den, und darauf die in den Rechten bestimmte zehen oder zwanzigjährige Zeit verflossen, mithin dadurch oder sonst das dienstbare Gut die Frey­heit verjähret hat.

§ 13. Die Verjährung der Freyheit als eines Rechts bedarf zwar keines besonderen Grundes zu ihrem Anfange, es muß gleichwohl der Besitzer des dienstbaren Guts von Anfang nicht anders geglaubet haben, als daß er befuget sey, den Gebrauch der Dienstbarkeit zu verwehren, oder sonst einer Freyheit sich anzumaßen. Wenn ihm also gleich im Anfang das


90                                                                                      Tit. 48 und 49

Recht des herrschenden Guts bekannt ist, kann die Freyheit nicht ver­jähret werden.

§ 14. Wir wollen auch, daß bey der Verjährung der Freiheit die Zeiten des Verkäufers und Käufers zusammen gesetzet werden, und daß die Überzeugung des Verkäufers dem Käufer zu Statten komme, wenn er gleichfalls von Anfang völlige Überzeugung gehabt, ob er schon nach­her etwas widriges erfahren hätte.

§ 15. Es kann jedoch der Käufer auch für seine Person die Verjährung der Freyheit anfangen, wenn es mit völliger Überzeugung geschiehet.

§ 16. Bey einem Erben aber tritt auch hier dasjenige ein, was Wir in dem Titul von Verjährung überhaupt desfalls festgesetzet haben, daß der Anfang seines Erblassers durchaus unverändert fortgehe.

Titul XLIX.   Von Anwendung der dienstbarlichen Rechte.

§ 1. Es ist Uns unterthänigst angezeiget, daß die neuern Rechts-Lehrer dasjenige, was die Kaiserlichen Rechte von Dienstbarkeiten gesetzet haben, darauf anwenden, wenn jemand wider die allgemeine Regel ein Recht sich zuschreiben will. Wir müssen auch dieses in sofern durchaus billigen, als es darauf ankommt, wer den Beweis führen soll, und ob der Beweis auch demjenigen aufzulegen sey, welcher sich im würklichen Ge­brauch des besondern Rechts befindet.

§ 2. Was die Erwerbung solcher besondern Rechte anlanget, so muß in Ansehung derer jenigen, welche gegen privat-Personen verjähret werden, die gewöhnliche Verjährung von zehen oder zwanzig Jahren allerdings Statt finden, wenn, wie bey Dienstbarkeiten, der Gebrauch weder mit dem Fehler der Gewalt, noch einer verstohlnen Heimlichkeit, noch einer Bitte behaftet ist, wie Wir denn auch vernehmen, daß Unser Ober-Appel­lations-Gericht dahin erkannt hat.

§ 3. In sofern es jedoch auf die Einschränkung Unsrer eignen Gerecht­same ankommt, so kann darin die vorhin gedachte Verjährung so schlechterdings nicht eintreten, und Wir haben Uns in dem Titul von Verjährung desfalls umständlich erkläret.

§ 4. Was auch insbesondre die Bann- und Zwangs-Gerechtigkeiten an­langet, so ist desfalls in Unserm Lüneburgschen Landtags-Abschiede vom Jahr 1686 versehen, daß solcher auch bey Unsern Ämtern von Alters hergebracht seyn müsse, durch den Gandersheimischen Landtags-Abschied aber eine Zeit von 30 Jahren bestimmet. Wir erweitern diese letzte Zeit als ein Alter auf alle Unsre deutsche Lande. Gestalten sich denn auch von selbst verstehet, daß bey denen von Adel ein gleiches anzunehmen sey.


Tit. 49 und 50                                                                                       91

§ 5. Was die sogenannten willkührlichen Dinge, res merae facultatis, an­langet, welche ein Theil eines andern Rechts und Befugniß, als des Eigenthums, des Bürger- oder Einwohner- oder Gilden-, Gemeinheits­oder Genossen-Rechts und dergleichen sind, so kann deren Ausübung durch den bloßen Nicht-Gebrauch niemand verlustig werden, wenn ihm nicht solches widersprochen und verboten worden, und er darauf binnen rechts verjährter Zeit sich dabey beruhiget, über die Zeit der Verjährung aber haben Wir Uns im Titul von Verjährung gnädigst näher erkläret.

Titul L.   Von Klage wegen zugefügtem Schaden.

§ 1. Es ist zwar, wie Wir vernehmen, wegen zugefügten Schadens in denen Kaiserlichen Rechten eine Klage verstattet, welche nicht allein auf die wahre Schadens-Ersetzung, sondern auch zur Strafe noch auf ein übriges gerichtet ist. Wie Wir keinesweges gemeinet sind, aus diesen Rechten etwas an sich gemeinnütziges abzuschaffen, also bleibet auch noch einem jeden frey, solcher Klage sich zu bedienen.

§ 2. Gleichwie aber in vorgedachter Klage, wenn sie nach des Beleidigers Tode, und ehe derselbe sich darauf eingelassen, angestellet wird, die Erben zwar nicht haften, gleichwohl nicht weniger an dem ist, daß schon das Recht der Natur zu der bloßen Schadens-Ersetzung, wenn dabey auch nur die geringste Schuld obwaltet, den beleidigenden Theil verbindet, und da dieses keine Strafe ist, auch dessen Erben dazu verbunden sind, so soll eine auf bloße Schadens-Ersetzung gerichtete Klage auch gegen die Erben Statt finden.

§ 3. Was aber für eine unrechtmäßige Schaden-Zufügung zu halten, und welche Personen dazu für verbunden zu achten, darin muß es allerdings bey denen Römischen Rechten verbleiben.

§ 4. Es folget jedoch von selbst, daß diese auf bloße Schadens-Erstattung gerichtete Klage in Ansehung der Verjährung gleich andern civil-Klagen fortdauere.

§ 5. Ob nun wohl die Römischen Rechte bey empfangenen Wunden für die Schmerzen keine Vergeltung eintreten lassen, dieselben auch für einen Schaden nicht anzusehen seyn mögten, so vernehmen Wir jedoch ganz gern, daß in Unsern Gerichten auch dafür dem Beleidigten eine Genugthuung zuerkannt wird.

§ 6. Da auch niemand sich selber Recht schaffen noch Rache ausüben darf, so kann es von Ersetzung Schadens und Kosten nicht befreyen, wenn etwa der Beleidigte zum Streit zuerst Anlaß gegeben und damit ange­fangen hätte.


92                                                                                                                   Tit. 50 und 51

§ 7. Wenn nun auch schon die Obrigkeit die That von Amtswegen unter­suchet und bestrafet, so wird gleichwohl dadurch der Weg zur Erlangung einer privat Genugthuung nicht verschlossen.

§ 8. Wenn die Beleidigung von mehrern zugleich geschiehet, haftet ein j eder wegen der Genugthuung auf das Ganze, und findet eine Theilung nicht Statt.

Titul II.    Von Theilung der Erbschaften und gemeiner Güter.

§ 1. Wir nehmen bey Theilung der Erbschaften aus denen gemeinen be­schriebenen Kaiserlichen Rechten zum Grundsatz an, daß selbige auf­richtig und ohne Betrug geschehe. Wir setzen dabey ferner zum voraus, daß die Schätzung der Erbschafts-Stüdce durch dazu sämmtlich erwählte Wardirer geschehen, und dabey nichts verborgen geblieben sey, oder auch, daß die unter den Erben angenommene Schätzung auf andern hin­länglichen Gründen, z. E. auf den Werth des Einkaufs, oder bey unbe­weglichen Gütern auf den von verschiedenen Jahren zusammengerech­neten und darnach getheilten Ertrage eines Guts beruhe. In allen solchen Fällen wollen Wir nicht gestatten, daß eine Erbschafts-Theilung, wenn sie schon außergerichtlich geschehen, unter dem Vorwand einer Ver­letzung rückgängig gemacht werden solle.

§ 2. Wir erklären dieses ferner gnädigst dahin, daß bey solcher Beob­achtung auch keine Klage wegen Verletzung über die Hälfte eintreten könne, allermaßen hier diejenigen Billigkeits-Gründe ihre Zueignung nicht finden, welche dieses Rechts-Mittel in denen spätem Römischen Gesetzen veranläßet haben. Und am wenigsten kann dieses Platz er­greifen, wenn die Theilung gerichtlich geschehen ist.

§ 3. Es kann dahero auch, wenn eine gültige Schätzung vorhergegangen, eine Theilung durch das Loos nicht angefochten werden.

§ 4. Wird keine Untersuchung vorher zur Hand genommen, und die Erben bieten unter sich, wie Wir solches alsdenn anrathen, und einer von ihnen nimmt es für den höchsten Bot an, so muß auch alsdenn keine Klage wegen Verletzung Statt finden, wenn sie auch schon über die Hälfte angegeben würde.

§ 5. Beruhet hingegen sonst der angenommene Werth auf gar keinem Grunde, wie gleichwohl bey gerichtlichen Theilungen ganz und gar nicht anzunehmen stehet, oder es waltete dabey ein Betrug oder Irrtum ob, alsdenn wollen Wir verstatten, daß wegen Ungleichheit der Theilung auch unter der Hälfte Klage erhoben werden könne, jedoch nicht, daß die ganze Theilung aufzuheben, sondern nur, daß das Ungleiche verbessert und gleich gemacht werde.


Tit. 51 und 52                                                                                       93

§ 6. Wir finden auch den angenommenen Satz der Rechts-Lehrer nicht unbillig, daß bey Theilung gemeinschaftlicher Sachen, wenn die Inter­essenten des Werths halber eins sind, derjenige, welcher an der Sache den größten Theil hat, gegen Herausgebung des Überschusses selbige vorzüglich annehmen könne.

§ 7. Kann aber kein Theil dem andern herausgeben, so ist zur öffent­lichen Vergantung zu schreiten.

§ 8. Was die Verjährung der Theilungs-Klagen anlanget, so kann als-denn nach Verlauf von 30 Jahren auf die Theilung der Substanz weiter nicht geklaget werden, wenn derjenige, der das Gut unter sich hat, solches die Zeit hindurch als sein allein eigen und nicht gemein be­sessen hat, maßen in solchem Fall billich zu vermuthen ist, daß die übrigen von dem ehemals gemeinen Gute abgefunden worden.

§ 9. Kommt es aber auf die Herausgabe der bisherigen Nutzungen an, so kommt dem Einhaber, wenn das Gut gemein geblieben, nur in sofern die Verjährung zu Statten, als etwa die Nutzungen über die Verjährungs-Zeit von 30 Jahren zurückgefordert werden. Was hingegen binnen denen letzten 30 Jahren an gemeinschaftlichen Auskünften erhoben worden, kann für verjährt nicht gehalten werden.

Titul LU.   Von der Mehrheit der Stimmen in gemeinschaftlichen Sachen.

§ 1. Da Wir vernehmen, daß auch darüber verschiedentlich Streit und Irrungen entstanden, wie weit in Angelegenheiten einer Stadt, Fleckens oder andrer Gemeinen und Collegiorum, weniger nicht in gemeinschaft­lichen Dingen der Lehns- und Stamm-Vettern eine Mehrheit der Meinun­gen oder Stimmen auch die übrigen verbinde, so haben Wir auch dar­über Uns zu erklären gnädigst gut gefunden.

§ 2. Wir setzen nun überall hiebey voraus, daß das gemeine Beste der Gemeine oder Gesellschaft einen Schluß erfordre. Sobald demnach keine solche dringende Ursache vorhanden ist, kann keine Mehrheit der Stim­men einen verbindlichen Schluß machen, sondern es macht eines jeden Widerspruch das Vorhaben der übrigen unkräftig.

§ 3. Wenn aber das gemeine Beste der Gemeine oder Gesellschaft einen Schluß nothwendig erfordert, alsdann muß billig die Mehrheit der Stimmen den Ausschlag geben.

§ 4. Wenn es auf die Ausführung eines Processes ankommt, müssen dazu zwey Drittel einstimmen, als so viel die Rechte auch zu Bestellung eines Syndici der Gemeine erfordern. Ein Vergleich kann aber durch die bloße Mehrheit der Stimmen bündig getroffen werden, so wie zu Fort-


94                                                                                                                    Tit. 52 und 53

Setzung eines bereits angefangenen Processes die bloße Mehrheit hin­länglich ist.

§ 5. Ist die Ausführung einer Sache einmal rechtmäßig beschlossen, und es kommt sodann auf die Aufbringung der Kosten an, so muß dieses blos nach Mehrheit der Stimmen eingerichtet werden.

§ 6. Wenn denen Rechten eines oder andern aus der Gemeine oder Ge­sellschaft zu nahe getreten wird, kann keine Mehrheit der Stimmen Platz finden.

§ 7. Soll ein Schluß in einer Gemeine oder Gesellschaft gemacht werden, so müssen alle Mitglieder dazu berufen seyn. Bleibet aber hierauf ein oder andres Mitglied aus, so kann gleichwohl durch die Mehrheit der Stimmen, welche sodann nach der Anzahl der erschienenen und gegen­wärtigen gerechnet wird, ein verbindlicher Schluß gemachet werden, wenn nur in wichtigen Dingen zwey Drittel der Interessenten würklich zugegen gewesen.

§ 8. Wenn einige der gegenwärtigen ihre Meinung nicht äußern wollen, so wird die Mehrheit nach der Zahl der übrigen gegenwärtigen gerechnet.

§ 9. Wie jedoch durch die Mehrheit der Stimmen auch keinem Inter­essenten ein wahrer Nachtheil oder Beschwerung zugefüget werden muß, so kann ein jeder, wenn es auf dessen Interesse ankommt, dem Schluß widersprechen, und ist alsdenn eine Vereinigung nach den Regeln der Billigkeit zu treffen, und allenfalls von der Obrigkeit das Nöthige zu verfügen.

Titul LUI.   Vom Spiel.

§ 1. Spiele, die an Unsern Höfen von Uns wissentlich verstattet werden, oder mit welchen es ihrer Einrichtung nach gleiche Beschaffenheit hat, sind zwar überhaupt für unerlaubt nicht zu halten. Es sind auch die­jenigen Spiele, deren Ausschlag blos vom Verstande und nicht zugleich vom Glück abhänget, für unrechtmäßig nicht zu halten, bloße Glücks-Spiele aber können Wir überall nicht zugeben, sondern wiederholen vielmehr desfalls die von weil. Unsers Herrn Groß-Vaters Majestät ge­gebene Verordnung.

§ 2. Was demnach in Glücks-Spielen verloren worden, kann so wenig, wenn es bezahlet ist, zurückgefordert, als wenig wegen des unbezahlten eine Klage erhoben werden, wenn auch darüber als über ein Anlehn eine Verschreibung ausgestellet wäre. Worin Wir solchemnach von denen neuern Römischen Rechten in etwas abgehen.


Tit. 53 und 54                                                                                                                       95

§ 3. Weil aber auch an und für sich selbst nicht unerlaubte Dinge durch Zeit und Umstände unrecht werden können, insonderheit wenn dadurch die andern schuldige Pflichten zurückgesetzet werden, so wollen Wir bey denen an sich verstatteten Spielen eine freiwillige Bezahlung zulassen, auch kann das würklich bezahlte nicht zurückgefordert werden. Wir fin­den aber bedenklich, zu dessen Einforderung gerichtliche Klagen zu ver­statten.

§ 4. Dienst-Boten mögen auch der sonst erlaubten Spiele und zwar auch ohne Geld sich nicht bedienen, weil diese dadurch nur verdorben und dahin gebracht werden, den Dienst ihrer Herrschaft zurückzusetzen. Es kann also die Herrschaft solche Bediente ohne vorherige Aufkündigung gehen lassen, ist auch nicht schuldig, ihnen außer dem verdienten Sold an Mondirung etwas zu lassen.

Titul LIV.   Vom Darlehn.

§ 1. Ob wol die gemeinen beschriebenen Rechte gegen eine Handschrift dem Schuldner verstatten, binnen zwey Jahren nicht allein die Einrede des nicht gezahlten Geldes aufzustellen, sondern auch den Gläubigern binnen solcher Zeit zum Beweise der Zahlung verbinden, so ist doch nicht allein diese Zeit, insofern daraus auf klare Hand und Siegel geklaget wird, bereits von Weyland Unsers Herrn Elter Vaters Maj. durch das Interims-Justiz-Reglement auf drey Monate eingeschränket, sondern auch binnen solcher Zeit dem Schuldner selbst der Beweis seines Vor­gebens auferleget. Welches Wir also nicht allein bestätigen, sondern auch auf Unsre sämmtliche Deutsche Lande erweitern.

§ 2. Gleichwie jedoch von vielen Rechts-Lehrern dafür gehalten wird, daß die gemeinen Rechte solche Einrede auch nach verflossenen zweyen Jahren zulassen, wenn der Schuldner selbst den Beweis der nicht ge­schehenen Zahlung übernehmen will, also bleibet auch in Unsern Deut­schen Landen dem Schuldner, wie auch in dem angezogenen Justiz-Regle­ment bereits versehen, wenn er die Zahlung zuvor geleistet, ungeachtet die drey Monate bereits abgelaufen, frey zu erweisen, daß er das Geld verschriebener Maßen nicht erhalten. Und er kann auch alsdann zu sol­chem Ende der Eideszusdiiebung sich bedienen. Wie ihm denn auch die­ser Beweis dadurch nicht entzogen werden kann, wenn er etwa der Ein­rede des nicht gezahlten Geldes in der Handschrift sich begeben, ja wol gar die Verschreibung mit einem Eide bekräftiget hätte, weil sodann solches als in Hoffnung künftiger Zahlung zum voraus geschehen ange­sehen werden muß.


96                                                                                                                                Tit. 54

§ 3. Hätte jedoch der Schuldner nach ausgestellter Verschreibung die­selbe vor erhobener Klage als richtig anerkannt, so kann er seinem Gläubiger darüber keinen Eid zuschieben.

§ 4. Was in Ansehung der Haus-Söhne durch den Macedonianischen Raths-Schluß verordnet worden, bestätigen Wir nicht allein, sondern wollen auch solches in Ansehung der von dem Vater unterhabenden Mütterlichen oder andrer dergleichen Güter, wovon der Vater den Ge­nießbrauch hat, da auch hiebey gleicher Grund der Rechte eintritt, Statt finden lassen. Es soll auch dergleichen von beyden Seiten schändliche Handlung durch keinen Eid weder bey des Vaters Lebzeiten, noch nach-hero, gültig werden.

§ 5. Als auch um richtiger Zins-Zahlung willen die Gläubiger wol in die Verschreibung setzen lassen, daß der Schuldner bey nicht erfolgender richtig und genauer Zins-Zahlung in eine Geldes-Strafe verfallen seyn solle, so vermag doch dieses, wenn dadurch über fünf auf hundert Zin­sen genommen werden, von keiner Gültigkeit zu seyn. § 6. Ob schon die bloße Zusage, Geld herzuleihen, aus denen Kaiserlichen Rechten in so fern für verbindlich nicht gehalten wird, daß daraus auf die Erfüllung geklaget werden könne, so sind Wir doch belehret, daß von jeher in Deutschland und besonders auch in Unsern dortigen Gerichten auch bloße Abreden und Verträge für völlig verbindlich angesehen worden. Wir verstatten demnach, auch aus einer solchen bloßen Zusage zu klagen, doch nur in so fern, daß dem Kläger der dadurch erwachsene Nachtheil vergütet werde.

§ 7. Welchergestalt bey verändertem Münzfuß ein Darlehn zu verstatten, ist nicht allein von Unsern Durchlauchtigsten Vorfahren, sondern auch von Uns durch eine am 27sten April 1764 erlassene Verordnung in mehrern bestimmet. Es hat also dabey sein Bewenden, daß die Wieder­Bezahlung ausgeliehener Gelder jedesmal nach dem innerlichen Werth und Gehalt geschehen solle, ohne darauf zu sehen, was das Agio zur Zeit des Anlehns betragen habe.

§ 8. Es muß jedoch solches alsdenn dem Gläubiger zum Nachtheil nicht gereichen, wenn der Schuldner zu einer solchen Zeit bezahlen sollen, da der Gläubiger durch Umsatz mehr gerechtes Geld nach dem alsdenn coursirenden Agio hätte haben können, als er durch die Würdigung nach dem innerlichen Werth erhält, sondern es ist in solchem Fall gegen den säumigen Schuldner das Agio von der Verfall-Zeit anzunehmen. § 9. Wird eine Verschreibung in Unsern Landen ohne Benennung der Münz-Sorten ausgestellet, und der Schuldner könnte ein anders nicht erweisen, so ist, nachdem der vormalige Münz-Verfall in Unsern Landen


Tit. 54 und 55                                                                                      97

seit verschiedenen Jahren bereits gehoben, bey geringern Summen Cas-sen-Geld, bey größern aber von hundert und mehr Reichs-Thalern, zwar auch Cassen-Geld, jedoch in Gold-Gulden oder Pistolen nach abgewür­digtem Werth, zu verstehen. Ist aber die Verschreibung an einen Kauf­und Handelsmann ausgestellet, so sind, weil dermalen der Handel dar­auf gerichtet ist, bis wenigstens ein anders eingeführet, Pistolen auf 5 Thaler für voll anzunehmen.

§ 10. Welchergestalt der innerliche Werth derer bey dem letztern Münz-Verfall ausgeprägten, nun aber aus allem Handel verschwundenen Münz-Sorten zu rechnen sey, ist in der Anfüge Unsrer Verordnung vom 27sten April 1764 bestimmet. Welches Wir in diesem Unserm Gesetzbuche wörtlich zu wiederholen um so unnöthiger halten, als Wir nicht glauben mögen, daß darüber künftig noch viele Zwistigkeit obwalten werde. § 11. Die Verschreibung über ein Darlehn kann dahin nicht gestellet werden, so viel, als man empfangen, in jedesmal gangbarer, vielweniger in besserer Münze zu erstatten, sondern der Gläubiger bekommt das­jenige, was er hergeliehen, nach dem wahren Werth der Zeit des Emp­fangs wieder.

§ 12. Wenn schon die Verschreibung zugleich auf einem jeden treuen Briefes-Inhaber gerichtet ist, so muß jedoch nichts desto weniger ein dritter Inhaber, welcher daraus klaget, sein an der Verschreibung haben­des Recht erweisen.

Titul LV.   Von eidlichen Verpflichtungen.

§ 1. Es ist Uns unterthänigst vorgetragen, daß in Unsern Deutschen Ge­richten bisher die Meinung derjenigen Ausleger angenommen worden, welche Kaiser Friedrichs des ersten Verordnung nach denen Canonischen Rechten dahin erklären, daß eidliche Bekräftigungen solcher Personen, welche bereits die Jahre der Pubertät erreichet, auch einen sonst an sich nichtigen und ungültigen Handel gültig und verbindlich machen, daß aber diese Erklärung von aller Zeit her von vielen andern großen Rechts-lehrern gemißbilliget, und dafür gehalten worden, daß der Kaiser dem Eide derjenigen, welche die Jahre der Pubertät erreichet, nur dahin Kraft beilegen wollen, damit dieselben nicht wider eine an sich zu Recht bestehende Handlung in vorigen Stand gesetzet werde. Ob nun zwar allerdings eines jeden Gewissen zu überlassen ist, wie er die Nicht-Er­füllung seines Eides vor dem Allerhöchsten zu verantworten gedenke, so haben Wir jedoch zugleich erwogen, wie vielfältig diese zu Entheili-gung des göttlichen Namens gereiche und wie gemein schädlich es sey, daß durch einen überdem gemeiniglich nicht genug überlegten Eid die

7   Ebel


98                                                                                      Tit. 55 und 56

heilsamen Absichten der Gesetze hintertrieben und zernichtet werden sollen, Uns aber hauptsächlich auf das gemeine Beste zu sehen, obliege. Wir treten solchemnach denenjenigen bey, welche unter dem Kaiser­lichen Gesetze keine an sich nichtige und unkräftige Handlungen begrei­fen, sondern es auf diejenigen einschränken, welche zwar an sich zu Recht bestehen, wowider aber eine Wiederherstellung in den vorigen Stand Platz findet.

§ 2. Es kann demnach eine ohne der Obrigkeit Erlaubniß geschehene Veräußerung unmündiger Personen unbeweglicher Güter durch den Eid des Unmündigen nicht gültig werden.

§ 3. Eben wenig kann eine über Eintausend harte Thaler sich belaufende, aber den Akten nicht insinuirte Schenkung durch den Eid über solche Summe für zu Recht beständig angesehen werden.

§ 4. Von denen Bürgschaften der Ehefrauen für ihre Männer haben Wir an einem andern Orte Vorsehung gethan. Wobey Wir es schlechterdings lassen, und soll auch hier der Eid von ganz und gar keiner Würkung seyn.

§ 5. Zu einer gültigen außergerichtlichen eidlichen Verpflichtung sind alle Worte hinlänglich, welche das allerhöchste Wesen als einen Zeugen der Wahrheit oder Rächer der Unwahrheit bezeichnen, als „bey dem Worte der ewigen Wahrheit". Da auch viele Rechtslehrer dafür halten, daß solchen Falls schon die Worte „an Eides Statt" zureichen, so soll diese Meinung in Unsern Gerichten befolget werden.

§ 6. Es ist auch ein außergerichtlicher Eid von gleicher Würkung, er mag körperlich abgelegt seyn oder nicht.

Titul LVI.   Von Gerichtlichen Eiden.

§ 1. Die in Parthey-Sachen im Gerichte abzulegende Eide müssen durch­aus nach der in Unsren Gerichts-Ordnungen vorgeschriebenen Form ab­geleget werden. Welches auch bey denen Sachen der Evangelisch-Refor-mirten, wenn sie von ihren Synoden an die weltliche Gerichte kommen, zu beobachten ist.

§ 2. Bey den Eiden ist die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte einge­führte Forami, so viel thunlich, auch bey Unsern andern Gerichten zu befolgen.

§ 3. Wir vernehmen nun zuförderst, was die zum Beweis dienende Eides-Zuschiebung anlanget, daß von Unsern Bremischen Gerichten dafür ge­halten werden wollen, daß sowohl die Bremische Hof-Gerichts-Ordnung als die Wißmarsche Tribunals-Ordnung selbige nur alsdenn zulassen,


Tit. 56                                                                                                99

wenn derjenige, welcher sich derselben bedienet, seine Intention schon vorhin wahrscheinlich gemachet habe. Nachdem aber, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht in verschiedenen Fällen dafür gehalten hat, solche Ordnungen nur dahin gehen, daß dasjenige, worüber der Eid zu­geschoben worden, an sich glaublich und vermuthlich, zum wenigsten da­gegen nicht starke Vermuthungen gegenseitig fürgebracht worden, und es keinesweges nöthig sey, eine Wahrscheinlichkeit darzulegen, sondern es allemal genug bleibe, wenn nur keine Unwahrscheinlichkeit vorhan­den sey, also wollen Wir, daß solche Erklärung hinkünftig befolget werde.

§ 4. Ob wol gezweifelt werden will, ob eine ehrlose Person einen Eid zu­schieben könne, so billigen Wir doch die Meinung derer jenigen, die solches denen Rechten nicht ungemäß halten, wenn nur die Ehrlosigkeit nicht aus Meineid entstanden ist.

§ 5. Auch über öffentliche Verbrechen und solche Sachen, worunter je-mands Ehre und guter Name leidet, kann, in sofern auf eine Geldsumme bürgerlich geklaget wird, die Eides-Zuschiebung zur Hand genommen werden. Der Beklagte wird jedoch, wenn er sich des Eides weigert, nicht ehrlos.

§ 6. In Sachen, welche keinen Vergleich annehmen, folglich auch, wenn eine gültige Ehe getrennet werden sollte, findet die Eides-Zuschiebung keine Statt.

§ 7. Ob Wir nun auch wol bey dem Beweis einer nicht geschehenen Zah­lung gegen klare Schuld-Verschreibungen auch die Eides-Leistung zuge­lassen haben, solche auch überall gegen den Inhalt einer solchen Ver­schreibung gestatten, weil der Geldesbedürftige Schuldner genöthiget ist, die von dem Gläubiger vorgeschriebene Bedingungen sich gefallen zu lassen, so kann doch gegen den Inhalt andrer klaren Urkunden, welche nicht in Hoffnung einer Zahlung zum voraus ausgestellet worden, ein gleiches nicht eintreten, sondern es ist alsdenn so gut, als ob der andre sein Gewissen mit Beweis vertreten habe.

§ 8. Unsern Beamten kann in denen Unsre Ämter angehenden Streitig­keiten allerdings ein Eid zugeschoben werden.

§ 9. Wird jemanden ein Eid über eine fremde Sache zugeschoben, so ist zwar wegen der Erben in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung Versehung geschehen, daß der Eid dahin zu richten; gestalt sie dasjenige, worauf es ankommt, für unwahr glauben, und es also dafür halten, auch nicht anders wissen. Damit jedoch hiebey alle Gewissens-Marter ver­mieden werde, so muß dem Erben, wenn er selbst in solchem Fall sein eigner Richter zu seyn Bedenken träget, frey stehen, alles, was ihm ent-


100                                                                                                                              Tit. 56

weder von dem Verstorbenen selbst, oder aus dessen Briefschaften, be­kannt ist, oder er von andern Leuten erfahren, anzugeben und darauf zu schwören, daß er des Verstorbenen Briefschaften sorgfältig nachgesehen, aber so wenig daraus als sonst ein mehrers von der Sache, als er ange­geben, in Erfahrung gebracht. Welchemnächst es von dem Richter selbst abhänget, die Glaubwürdigkeit der Sache zu ermessen, und weiter in der Sache zu erkennen, was den Rechten gemäß ist.

§ 10. Noch weniger aber ist einem Pfleger fremder Güter ein mehrers anzumuthen. Er kann aber auch dahero nicht verlangen, daß der Eid bis zur Großjährigkeit seiner Pflegebefohlnen ausgesetzet und von diesen selbst geleistet werde.

§ 11. Wenn ganzen Gemeinen oder vielen Interessenten ein Eid zuge­schoben oder auferleget wird, hat es zwar dabey sein Bewenden, daß zwey oder drey Senioren in ihre und zugleich der Sach-Verwandten Seele den Eid abschwören. Als aber dabey Zweifel vorgefallen, von wem die Wahl der Senioren abhänge, so genehmigen Wir die Meinung Unsers Ober-Appellations-Gerichts, daß selbige denenjenigen, welche den Eid ablegen sollen, zustehe.

§ 12. Wenn jemanden ein Beweis-Termin gesetzet worden, und derselbe binnen solcher Frist den Beweis zwar angetreten, aber wider sein Ver­muthen nicht geführet, muß ihm allerdings frey stehen, auch noch in der­selben Instanz seinem Gegner den Eid zuzuschieben und dadurch seinen Beweis zu führen.

§ 13. Bey dem Eide für Bosheit haben Wir erwogen, daß, wenn beide Theile von der Sache gleich gute Wissenschaft haben, der eine noth­wendig falsch schwöre. Um dieses zu verhüten, wollen Wir also die Er­forderung des Eides für Bosheit dahin einschränken, wenn ein Theil von der Sache bessere Wissenschaft als der andere haben kann. § 14. Stehet es füglich in die Wege zu richten, daß der Eid in Person ab­geleget werde, so ist dazu auch Krankheit und entfernter Abwesenheit halber kein Gevollmächtigter zuzulassen.

§ 15. Als auch bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte die Frage vorge­fallen, ob ein Jude angehalten werden möge, an dem großen Versöh­nungs-Tage, Jörn Kippur genannt, einen Eid abzulegen, dabey aber be­funden worden, daß solches dieses Volks gottesdienstlichen Verfas­sungen ganz zuwider laufe, so lassen Wir es auch dabey bewenden. § 16. Es ist zwar in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2. tit. 8 S. 3 § 12 bereits versehen, daß, wenn der Verstorbene einmal den deferirten Eid acceptiret, und er wäre nicht in mora gewesen, oder es bey ihm nicht gestanden, solchen abzustatten, sodann der also deferirte


Tit. 56                                                                                              101

Eid für geleistet zu halten sey. Wir vernehmen gleichwohl, daß gezwei­felt werde, ob dieses auch alsdenn eintrete, wenn der Verstorbene zwar den von seinem Gegner ihm zugeschobenen Eid angenommen, jedoch zuvor über dessen Stattnehmigkeit den richterlichen Ausspruch erwarten wollen. Wenn Wir inmittelst erwegen, daß dieses für keinen unrecht­mäßigen Verzug zu halten, so wollen Wir, daß wenn der Verstorbene sonst die Sache nicht unbilliger Weise in die Länge gezogen und dadurch den zu ergehenden richterlichen Ausspruch aufgehalten, daß auch in diesem Fall der Eid für geleistet anzusehen sey.

§ 17. Gleichwie auch ferner die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung, wenn derjenige, welchem der Eid deferiret worden, ehe er solchen acceptiret, verstorben, dessen Erben, wenn der Deferent ihnen nicht solchen aufs neue auftrüge, dazu nicht zu verstatten, also haben auch überhaupt in solchem Falle, wenn nicht etwan zu einem nothwendigen Eide zu schreiten, die Gerichte abzuwarten, ob der Deferent aufs neue denen Erben den Eid deferiren wolle.

§ 18. Zum Erfüllungs-Eide ist ein Jude gegen einen Christen nicht an­ders zu lassen, als wenn er mehr denn halben Beweis beygebracht hat. § 19. Da es mit denenjenigen Eiden, welche, wenn kein ander Auskom­men, von dem Richter einer der Parthey auferleget werden, eine ganz andre Beschaffenheit als mit denen von der Parthey deferirten hat, so kann bey erstem so schlechterdings nicht eintreten, daß, wenn der Ver­storbene den Eid angenommen und nicht in mora gewesen, oder es bey ihm nicht gestanden, den Eid abzustatten, derselbe für abgestattet zu halten sey, sondern der Richter muß die Umstände der Sache in neue Erwegung ziehen und entweder die Erben oder den Gegentheil den nöthigen Eid leisten lassen.

§ 20. Findet sicb^ daß vom vorigen Richter ein Eid zwar rechtskräftig auf­erleget worden, derselbige jedennoch ganz überflüssig und unerheblich sey, so muß derselbe, um alle unnütze Anrufung des göttlichen Namens zu verhüten, der Rechts-Kraft ungeachet bey Seite gesetzet werden. § 21. Wäre jemanden rechtskräftig auferlegt, das juramentum in litem auf eine gewisse Summe zu leisten, und es fände das Gericht nachhero mittelst neuer Beweisthümer in der Sache ein anders Auskommen, so ist es an keine Rechtskraft gebunden, sondern kann den Beklagten auch in eine größere Summe und ohne Eid vertheilen.

§ 22. Da aber dieser Eid eine Wohlthat für denjenigen ist, welcher dazu gelassen wird, so stehet es bey ihm, ob er lieber von seinem Gegentheil eine eidliche Offenbarung verlange, und kann dieser selbige von sich nicht ablehnen noch ersterem das juramentum in litem aufdringen.


102                                                                                                                 Tit. 56 und 57

§ 23. Wenn ein Gläubiger zwar überhaupt, daß der andre in seiner Schuld sey, nicht aber die Größe derselben erwiesen, so kann er diese durch seinen bloßen Eid nicht anders darthun, als wenn sein Gegentheil gefährlich mit ihm gehandelt.

Titul LVII.   Von Handlungs-Vorgesetzten, oder in Rechten so genannten Institoren.

§ 1. Wer für einen Handlungs-Vorgesetzten oder Institoren zu halten sey, ist in denen gemeinen Rechten deutlich genug versehen. Und kommt es hiebey nicht auf den ihm etwa beygelegten Namen an, sondern ob er über seine treibende Handlung oder Gewerbe ein besondres Buch halte oder besondre Rechnung führe.

§ 2. Daß, und in wie fern derjenige, welcher den Institoren der Handlung vorgesetzet, aus dessen Verpflichtungen selbst und wegen seines eignen übrigen Vermögens hafte, davon ist in denen beschriebenen Kaiserlichen Rechten, als welche überall hiebey einzig zum Grunde zu legen sind, gnugsame Verordnung, wie Uns berichtet worden, bereits anzutreffen, so daß es hierunter einer dermaligen nähern Bestimmung nicht bedürfen kann.

§ 3. Als jedoch in Ansehung der Verbindlichkeit des Handlungs-Vorge­setzten unter denen Rechts-Lehrern nicht gleiche Meinungen geheget werden sollen, so treten Wir denenjenigen bey, welche denselben nicht allein, so weit seine unter sich habende Handlung und Casse zureichet, sondern ohne diese Rücksicht schlechterdings auch aus seinem eignen Vermögen Zahlungs-Pflichtig erklären.

§ 4. Es kann auch, so lange der Vorstehende oder die Haupt-Handlung nicht aus eignen übrigen Vermögen oder Casse um Zahlung ange­sprochen wird, sondern von dem Institoren selbst die Rede ist, nicht darauf gesehen werden, unter was für Bedingungen dieser der Hand­lung vorgesetzet worden, oder auch, ob sogar ein Verbot bekannt ge­macht sey, sich mit ihm nicht einzulassen. Doch kann bey einem solchen geschehenen öffentlichen Verbot die Haupthandlung ohne Widerspruch der nachherigen Contrahenten die bloß in Commission gegebene und nicht creditirte Waaren, sofern sie noch vorhanden sind, zuvor heraus­nehmen. Was aber würklich in die Handlung gesetzet worden, muß nichts destoweniger allemal haften.

§ 5. Es tritt ferner Verbindlichkeit des Institoren nicht allein alsdenn ein, wenn er in seinem eignen Namen, sondern auch, wenn er als ein Vorge­setzter oder Namens der Haupthandlung geschlossen hat, zumalen es für einen Gläubiger sehr hart seyn würde, wenn er sich auf einen mit großer


Tit. 57, 58 und 59                                                                                                          103

Weitläufigkeit erst auszumachenden, dem Institoren aber jederzeit be­kannten Zustand der Handlung einlassen sollte, und dieser solchen Falls von dem Vorwurf eines Betrugs sich nicht befreyen mag, überdem auch derselbe nach abgelegter Rechnung an der Haupthandlung sich erholen kann.

§ 6. Was von einem Institoren auch im Gericht gehandelt, und gegen ihn erkannt worden, muß auch gegen die Haupthandlung oder denjenigen, welcher ihn der Handlung vorgesetzet, schlechterdings und ohne alle Einrede für rechtsverbindlich und gültig angenommen werden.

§ 7. Wenn nun auch schon der Gläubiger zugleich von der Haupt-Hand­lung Versicherung zu erhalten und deren Beyfall zu erlangen gesuchet hätte, so kann doch dieses dessen Anspruch an den Institoren und dieses letztern Verbindlichkeit im geringsten nicht verändern.

Titul LVIII.   Von der Niederlage zu treuer Hand.

§ 1. Ob wol die Rechts-Lehrer gemeiniglich dafür halten, daß derjenige, welcher bey jemanden etwas zu treuer Hand niedergeleget, wenn solches nicht mehr vorhanden, bey entstehendem Concurs denen gemeinen schlechten Schulden vorgehe und damit in die vierte Reihe der Gläubiger zu setzen sey, nach demmalen jedennoch die ohnehin nicht deutlich gnug darunter sich erklärende Kaiserliche Rechte bloß von einer solchen Niederlage reden, wobey man sich auf Öffentlichen Glauben verlassen, so mögen Wir andern privat Niederlagen überall kein Vorzugs-Recht vor einigen andern Schulden beylegen.

Titul LIX.   Von Auftrag und Vollmacht.

§ 1. Ob schon der Gevollmächtigte, welcher wider die ihm gegebene Vor­schrift handelt, dem Gewaltgeber haftet, so kann doch dadurch das von ihm mit einem dritten vorgenommene Geschäft, wenn sonst die ertheilte Vollmacht an sich nicht in Abrede genommen wird, nicht anders rück­gängig werden, als wenn dem dritten die Vorschrift bekannt gemacht worden, nicht aber, wenn sie unbekannt bleiben sollen oder doch durch Schuld des Gewaltgebers unbekannt geblieben.

§ 2. Wir billigen auch die Meinung derer jenigen Rechts-Lehrer, welche bey mehrern Gewaltgebern dafür halten, daß ein jeder von ihnen dem dritten für das ganze hafte, und mit der Rechts wohlthat einer Theilung die Zahlung nicht aufhalten könne.

§ 3. Hat ein Gevollmäditigter oder Vorgesetzter nicht in seinem eignen Namen, sondern im Namen seines Gewaltgebers  oder in Ansehung


104                                                                                                                              Tit. 59

seines Amts einen Handel geschlossen und sich dabey zugleich für seine eigne Person nicht verbindlich gemacht, so kann er zwar belanget wer­den, aber nur dahin, daß er sorgen müsse, daß die Zahlung aus des Herrn oder Gewaltgebers Gütern geschehe.

§ 4. Hat jemand aus Auftrag eines andern für denselben eine Sache, jedoch in seinem Namen, gekaufet, und der Verkäufer erlasset nachher einen Theil des Kaufgeldes, so ist auf die Absicht des Verkäufers zu sehen, wem das Erlassene zu gute kommen solle. Weiß der Verkäufer von dem Haupt-Käufer nichts, oder er hat die Absicht, demjenigen, mit welchem er den Handel getroffen, es sey zur Vergeltung oder sonst, etwas zu schenken, nicht aber schlechterdings und ohne alle Rücksicht auf denselben das Kaufgeld herunter zu setzen, so kann letztrer auch dieses von dem Haupt-Käufer und Auftrager, gleich als ob er solches für ihn würklich bezahlet hätte, wieder fordern.

§ 5. Gleiche Rücksicht ist auch zu nehmen, wenn der Gläubiger den Bür­gen ohne Zahlung auf die Schuld ganz oder zum Theil quitiret hat, und dabey nicht die Absicht geheget, schlechthin auch in Ansehung des Haupt-Schuldners es für bezahlt anzunehmen, sondern vielmehr nur dem Bürgen, es sey zur Vergeltung oder sonst, etwas zu schenken. Als in welchem Fall der Bürge, auch ohne Zahlung geleistet zu haben, das Ge­schenkte von dem Haupt-Schuldner fordern kann.

§ 6. Hätte jemand ein Blanket ausgestellet, und derjenige, dem es an­vertrauet wird, mißbrauchte dasselbe, so kann die Unvorsichtigkeit des Ausstellers einem Dritten, wenn dieser um die Sache nicht gewußt, nicht nachtheilig seyn.

§ 7. Ob gleich verschiedene Rechts-Lehrer dafür halten wollen, daß der­jenige, welchem der Auftrag geschehen, etwas zu verkaufen, eben da-du/ch auch den Auftrag erhalten habe, das Kaufgeld zu erheben, so können Wir jedoch dieses so schlechterdings nicht annehmen, sondern lassen es nur alsdenn gelten, wenn es bewegliche Sachen betrifft, welche demjenigen, der den Antrag zum Verkauf erhalten, gänzlich anvertrauet worden, so daß er auch solche dem Käufer zu übergeben berechtiget seyn solle. Bey unbeweglichen Gütern aber kann ein gleiches auf keine Weise Statt finden.

§ δ. Hat der Bürge für den Haupt-Schuldner auch Zinsen bezahlet, so sind zwischen diesen beiden Personen die bezahlten Zinsen als ein Haupt-Stuhl anzusehen und müssen dahero gleichfalls mit Zinsen erstattet wer­den.

§ 9. Bey den nächsten Angehörigen wird zwar von denen Rechts-Gelehr­ten, wie Wir vernehmen, in denen für den andern übernommenen in-


Tit. 59 und 60                                                                                                                     105

Sonderheit gerichtlichen Geschäften ein Auftrag vermuthet. Diese Ver­muthung kann aber in solchen Dingen, die zu des geglaubten Auftragers Nachtheil gereichen, von keiner Würkung seyn.

Titul LX.   Von Gesellschaft.

§ 1. Wir vernehmen, daß unter denen Rechtslehrern nicht gleiche Mei­nung geheget werde, ob in Ansehung derer von einer Gesellschaft ge­machten Schulden ein Mit-Geselle ganz oder nur zu seinem Antheil hafte. Um nun dieses in Gewißheit zu setzen, so halten Wir es zuvör­derst für nicht zu bezweifelnd, daß, wenn eine noch ungetheilte Societäts-Maße vorhanden und einer aus der Gesellschaft solche oder sonst ein gemeinschaftliches Capital allein unter sich hat, dieser davon ohne alle Widerrede die Zahlung ganz leisten müsse, und keine Theilung vorher Statt finde.

§ 2. Ist gleichwol ein solches gemeinschaftliches Capital nicht vorhanden, oder auch dasselbe nicht zureichend, so haftet gleichwol ein jedes Mit­glied der Gesellschaft, in so weit es an derselben Antheil hat, oder wenn dieses nicht wohl ausfündig zu machen, nach Kopf-Zahl. § 3. Wie Wir jedoch zugleich vernehmen, daß es unter Kaufleuten hierin nach durchgängigem Gebrauch der Handlungs-Oerter anders, und so ge­halten werde, daß, was ein Kompanjon im Namen der übrigen oder für die Maßkopey-Gesellschaft handelt, kaufet, aufnimmt und berechnet, auch die Mit-Gesellschafter verbinde, und diese für das ganze schlechter­dings haften, so wollen Wir, daß auch in Unsern teutschen Landen solchem nachgegangen werde.

§ 4. Ob gleich, so viel die Gesellschafter unter sich betrifft, einem jeden, wenn es nicht zu Hintergehung und Verkürzung des andern geschiehet noch auch der Gesellschaft zum Schaden und Nachtheil gereichet, aus der Gesellschaft auch wider des letztern Willen zu treten, frey stehet, so muß jedoch ein Dritter dadurch in keinen Nachtheil gesetzet werden. Wenn demnach die Veränderung nicht öffentlich bekannt gemacht worden ist, so muß dasjenige, was der abgetretene Gesellschafter für und im Namen der bisherigen Gesellschaft mit einem Dritten gehandelt und geschlossen, die übrigen eben so verbinden, als ob die Gesellschaft noch fortdaure.

§ 5. Ist die Gesellschaft nur auf eine gewisse Zeit eingegangen, so ist zwar desfalls, ob und wie fern ein Gesellschafter denen übrigen Gesell­schaftern zum Nachtheil zurück treten könne, in denen gemeinen Rechten hinlängliche Versehung bereits geschehen. Er kann sich gleichwohl auch nach geendigten Jahren gegen einen Dritten, welcher mit der Gesell­schaft vor und auch nachhero Gewerbe gehabt, in gesellschaftlichen


106                                                                                                                  Tit. 60 und 61

Sachen aus dem Grunde der geendigten Gesellschaft nicht schützen, wenn er nicht ebenfalls seine Austretung aus der Gesellschaft öffentlich be­kannt gemacht hat.

§ 6. Ob es gleich denen Rechten gemäß ist, daß auch nach dem Tode eines Gesellschafters die Gesellschaft fortdauert, wenn solches unter allen Theilen so beliebet worden, so können Wir doch nicht dafür halten, daß eben diese Fortdaurung eintreten könne, wenn ein Testirer seinen Erben auferleget hat, in der Gesellschaft zu bleiben, da es allemal auf den Willen der übrigen ankommt, ob sie die Erben darin behalten und die Gesellschaft mit ihnen fortsetzen wollen, die Natur der Sache aber auch an der andern Seite mit sich bringet, daß nicht weniger die Erben, wenn die Gesellschaft auf keine gewisse Zeit errichtet und es zu keiner Benachtheiligung der übrigen gereichet, sich heraus ziehen können. Ist jedoch die Gesellschaft auf eine gewisse Zeit errichtet, so sind ohnehin die Erben solche Zeit auszuhalten schuldig und zum Nachtheil der übrigen herauszugehen nicht befugt.

Titul LXI.   Vom Kauf und Verkauf.

§ 1. Ob gleich sonst ein Kauf und Verkauf zu seiner Vollkommenheit gelanget, sobald nur Käufer und Verkäufer über die Sache und den Preis eins geworden, so stehet es jedoch bey denen Contrahenten, den völligen Schluß bis zur schriftlichen Fassung auszusetzen. Wenn nun dieses ent­weder vor der Vereinigung so beliebet oder bey derselben als eine Be­dingung angehänget worden, so wird der Handel nicht eher vollständig, als bis alles schriftlich verfasset und von denen Contrahenten durch ihre Unterschrift vollzogen worden.

§ 2. Es muß auch, wenn sonst beider Theile Übereinstimmung in den Handel dargethan ist, derjenige, welcher vorgiebet, daß schriftlich ge­schlossen werden solle, diese seine Angabe erweisen. § 3. Ist etwas zu einer gewissen Maße verkauft, so soll zwar insgemein dafür gehalten werden, daß es darauf ankomme, ob dadurch der Werth der Sache bestimmet oder die Sache selbst nur bezeichnet werden sollen. Wir mögen aber diesen ersonnenen Unterschied nicht billigen, sondern setzen, daß, wenn etwas zu einem gewissen Maaß verkauft worden, der Mangel an der Maaße dem Käufer durchaus vergütet und an dem Kauf­gelde abgesetzet werde, es wäre denn, daß erschiene, daß die Contrahen­ten auf die Maaße überall nicht gesehen.

§ 4. Wäre auch etwa über ein Gut der Handel in Bausch und Bogen getroffen, so muß durch Verständige ermessen werden, wie viel nach Proportion abzusetzen, und verstehet es sich, daß dabey zum Grunde zu


Tit. 61                                                                                                                                107

legen, daß das Gut in der beschriebenen Consistenz so viel gelten sollen, als das abgeredete Kaufgeld beträgt.

§ 5. Als bey dem letztern Münz-Verfall verschiedentlich dahin geschlos­sen worden, daß die Kauf-Summe oder ein Theil derselben zu einer ge­wissen Zeit oder nach einer gewissen geschehenen Lose in der sodann gangbaren Münze bezahlet werden solle, dieses aber dahin gedeutet werden wollen, daß nicht auf die Zeit des Handels und auf welche Münze eigentlich damals geschlossen worden, sondern schlechterdings auf die Zeit der Zahlung zu sehen, wenn schon alsdenn die gangbare Münze geringer oder besser ist, dieser Vorfall auch bey einem wiewol nicht zu verhoffenden künftigen Münz-Verfall wieder entstehen kann, mithin hierunter etwas zu versehen Uns allerdings nöthig scheinet, gleichwol es der Natur der Sache und der Absicht beider Theile völlig zuwider läuft, auf die Zeit der Zahlung zu sehen, da alsdenn eine Zusammenstimmung auf einen gewissen Preis, welcher doch bey Kauf und Verkauf unum­gänglich nöthig ist, nicht vorhanden seyn, auch einer oder der andre nothwendig verletzet werden würde, als setzen Wir hiemit, daß bey solchen Abreden durchaus auf die Zeit des getroffenen Handels und die Beschaffenheit desjenigen Geldes, in welchem beide Theile geschlossen, und nicht auf die Zeit der Zahlung gesehen werden solle. Wir lassen es jedoch sonst in diesem Stück in Ansehung des zu bestimmenden Werths durchaus bey Unsrer am 27sten April 1764 ergangenen Verordnung.

§ 6. Ob nun auch schon in denen gemeinen Rechten versehen ist, daß, wenn der Verkäufer bey Übergabe der Sache an den Käufer wegen des Kaufgeldes Credit gegeben und gewisse Zahlungs-Termine angenommen, das Eigenthum an den Käufer für übertragen zu halten sey, so ist Uns doch vorgetragen worden, daß nach vieler Rechts-Lehrer Meinung dieses nicht Statt finden solle, wenn der Käufer gewußt, daß er keine Zahlung leisten könne, und er also den Verkäufer betrogen hätte. Wann gleichwol die Unvorsichtigkeit des Verkäufers andern zum Nachtheil nicht gerei­chen kann, vielmehr der Verkäufer seine eigne Schuld billig träget, so wollen Wir, daß auch in solchem Fall das Eigenthum allerdings für über­tragen zu halten sey.

§ 7. Wenn der Verkäufer das Kaufgeld entweder ganz oder zu einem Theile bey dem Käufer bis zu einer gewissen Zeit oder auf fernere Lose stehen lässet, und hingegen bis zur völligen Zahlung sich das Eigenthum an der Sache vorbehält, so ist dieses bloß als eine an der verkauften Sache vorbehaltene Hypothek anzusehen.

§ 8. Wenn der Verkäufer das Eigenthum behalten, so kann er bey nicht erfolgender Zahlung nicht allein die Sache zu seiner Befriedigung, jedoch


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nicht anders als mittelst richterlicher Hülfe wieder an sich nehmen, auch anderweit, so gut er kann, jedoch öffentlich und gerichtlich verkaufen, sondern er kann auch, wenn das Gut nicht wieder so hoch auszubringen stehet, den Mangel des Kaufgeldes gegen den Käufer besonders ein­klagen.

§ 9. Wenn bey Schließung des Handels beliebet worden, daß, falls die Zahlung nicht auf einen gewissen Tag geschehe, der Kauf für nicht getroffen angesehen werden solle, und der Verkäufer bedienet sich seines Rechts, wie in den Gesetzen verordnet ist, so verlieret der Käufer zwar, was er zum Zeichen des völlig geschlossenen Kaufs auf die Hand gegeben. Hat er aber zugleich einen Theil des Kauf-Geldes zum voraus und nicht zum Zeichen des völlig geschlossenen Kaufs bezahlet, ist ihm dieser von dem Käufer zu ersetzen.

§ 10. Ist an einigen Orten zum Beweis des zu Stande gebrachten Handels ein Wein-Pfennig üblich, so stehet solchen der Käufer. § 11. Als darüber sehr gestritten wird, ob das sogenannte Lehn-Geld, welches auch theils in unsern Landen bey einem Verkauf mittelst des Zehenten oder zwanzigsten Pfennings entrichtet wird, von dem Käufer oder Verkäufer zu erlegen sey, so wollen Wir solches dahin entscheiden, daß, wofern nicht ein anders beliebet worden, es dem Verkäufer zur Last falle.

§ 12. Es findet jedoch dieses Lehn-Geld, wofern nicht einiger Orten ein anders hergebracht ist, alsdenn nicht Statt, wenn mehrere Erben einem derer Mit-Erben das Gut überlassen und davon abgefunden werden, es mag auch die Abfindung mit des Mit-Erben eignem oder erbschaftlichem Gelde geschehen und mit dem Namen einer Übertragung oder Kaufs ver­sehen seyn oder nicht. Und dieses soll auch angenommen werden, wenn mehrere erbschaftliche Güter einem derer Erben allein überlassen werden.

§ 13. Wir sind berichtet, daß es bey den Rechts-Lehrern großen Zweifeln unterworfen sey, ob bey Verkauf eines Lehns gleich denen Stamm-Vettern auch ein Sohn Einsprache thun und des Näher-Kaufs sich be­dienen möge. Gleichwie aber Unser Ober-Appellations-Gericht bei einem solchen Vorfall die Meinung derer jenigen angenommen hat, welche die Söhne ausschließen, so wollen Wir diesen Satz auf gleiche Maaße dahin entscheiden.

§ 14. Wo aber sonst der Näher-Kauf aus dem Recht des Geschlechts in Unsern deutschen Landen hergebracht ist, mögen desselben auch die Kinder sich anmaaßen, wenn sie auch sonst ihres Vaters oder Mutter Erben werden.


Tit. 61                                                                                              109

§ 15. Es findet aber der Näher-Kauf von Geschlechtswegen nur in denen Gegenden und Orten und in der Maaße Statt, wo und wie er hergebracht ist.

§ 16. Bey dem Geschlechts-Näher-Kauf nehmen Wir an, daß das Gut von des Verkäufers Groß-Vater oder weitern Vorfahren herrühre.

§ 17. Der nähere Verwandte gehet hiebey den weiter entfernten vor, doch folgen diese, wenn der nähere sich des Beyspruchs nicht bedienen will, und es ist nicht nöthig, gegen einen Fremden den eigentlichen Grad der Verwandtschaft zu erweisen.

§ 18. Bestehet das verkaufte Gut aus ererbten und sonst erworbenen Stücken, so muß der Beysprechende das ganze Gut, wie es verkauft wor­den, an sich nehmen. Dem Käufer stehet jedoch frey, die erworbenen Stücke, wenn sie getrennet werden können, zu behalten, deren Werth alsdenn an dem ganzen Kauf-Preise der Billigkeit nach abzusetzen ist.

§ 19. Ob gleich das Beyspruchs-Recht alsdenn nicht Platz hat, wenn der Beysprechende dem Verkäufer die abgeredeten Bedingungen nicht leisten kann, so kann doch solches auf den Fall nicht gedeutet werden, wenn jemand angeben wollte, er habe das Gut dem Käufer aus besonderer Zu­neigung so geringe verkaufet.

§ 20. Stehet es erweislich zu machen, daß der Beyspruch einem Fremden zu Gute geschehe, gestalten denn auch der Beysprecher desfalls auf Er­fordern eidlich sich zu reinigen schuldig ist, so kann der Beyspruch nicht zugelassen werden.

§ 21. Es stehet dem Käufer und Verkäufer nicht frey, zu Behinderung des Näher-Kaufs, am wenigsten, wenn der Retrahent sich bereits zum Bey­spruch erkläret, von dem Kauf zurüde zu gehen.

§ 22. Als auch zwar in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung ver­sehen ist, daß diejenige, welche den Beyspruch auszuüben gemeinet, bey öffentlichen Vergantungen mit erscheinen und mit ihrem Anspruch ge­höret werden sollen, wenn sie sofort nach geendigter Aufbietung zu dem geschehenen höchsten Lot sich erbieten, so ist Uns doch unterthänigst hinterbracht, daß, weil in Ansehung Unsrer Herzogthümer Calenberg und Grubenhagen, auch Ober-Grafschaft Hoya, durch eine besondre Landes-Ordnung vom 3ten Januar 1699 versehen ist, daß sie bey der Aufbietung überbieten sollen, und daß dahero auch bey Unserm Ober-Appellations-Gericht gehalten werde, daß diese besondere Verordnung in Ansehung gedachter Länder durch die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung nicht aufgehoben sey. Wie nun diese Auslegung ihren guten Grund hat, also wollen Wir auch selbige ausdrücklich hierdurch bestätigen.


110                                                                                              Tit. 61

§ 23. Ob auch wol verschiedene Rechts-Lehrer dafür halten, daß, wenn der Käufer das ihm von dem Beysprecher angebotene Kauf-Geld nicht annehmen wolle, dieser solches binnen der Zeit des Beyspruchs versie­geln und gerichtlich niederlegen müsse, und, wenn solches gehörig nicht geschehen, die Beyspruchs-Klage nicht Statt finde, so mögen Wir doch solches bey erfolgtem Widerspruch nicht nöthig halten. Jedoch verstehet sich von selbst, daß auch alsdenn die Auskünfte der Sache nicht zu be­rechnen sind.

§ 24. Da die Wind-Mühlen mit Recht unter die unbeweglichen Güter ge­rechnet werden, so sind sie auch des Beyspruchs fähig. § 25. Als Wir vernommen, daß bey öffentlichen Feilbietungen unbeweg­licher Güter vieler Orten nicht abgewartet werde, wie lange die Käufer bieten wolle, sondern die Zeit entweder durch den Glockenschlag oder das Brennen einer Wachs-Kerze eingeschränket werde, hieraus aber viel Unordnungen und Zwistigkeiten entstanden und selbst der Verkäufer durch diese Beengerung benachtheiliget werden kann, so soll inskünftige die Feilbietung nicht eher geendiget werden, als bis alle gegenwärtige befraget worden, ob einer von ihnen höher gehen wolle. § 26. Bey gerichtlichen Verkaufungen hänget die Ermäßigung, ob der Zuschlag für den gethanen Bot geschehen solle, von derjenigen Obrigkeit ab, welche den Verkauf verfüget, und nicht von derjenigen, bey welcher die Vergantung verrichtet.

§ 27. Wird ein unbewegliches Gut öffentlich vor Gericht nach geschehe­nem gewöhnlichen Anschlage verkaufet, so müssen in dem angesetzten Termin alle und jede, welche daran ein dingliches Recht zu haben ver­meinen, wenn sie solches erfahren können, sich melden, oder sie haben zu gewärtigen, daß das Gut von dem Richter von allem künftigen An­spruch frey erkannt wird, wenn schon der Anschlag nicht zugleich auf eine Vorladung der Gläubiger wäre gefasset worden. An den Kauf­schilling selbst aber kann der Gläubiger nichts destoweniger sich halten. § 28. Der höchste Licitant haftet alsdann nicht mehr, wenn nachher ein andrer mehrbietender angenommen worden, es aber darauf mit diesem wieder zurückgegangen ist.

§ 29. Ebenso so wenig haftet derselbe weiter, wenn von der vorigen Form der Subhastation abgegangen, nachher aber wieder zu derselben zurückgetreten wird. Z. E. wenn Anfangs zwey Häuser zugleich für ein Kaufgeld, nachhero jedes besonders, und zuletzt wieder beyde zugleich ausgeboten worden.

§ 30. Ob auch wol ein jeder Verkäufer dem Käufer die verkaufte Sache, wenn letzterer nicht etwa die Beschaffenheit der Umstände selbst gewußt,


Tit. 61                                                                                              111

gewähren muß, so erfordern jedoch die Rechte, daß dem Verkäufer von dem entstandenen Rechtsstreit zeitig gnug Nachricht gegeben werde. Sind demnach der Zeugen Kundschaften bereits eröffnet, daß kein weite­rer Zeugen-Beweis Statt findet, so ist die Verkündigung des Streits für verspätet zu halten.

§ 31. Es kann jedoch der Verkäufer nicht gezwungen werden, wider seinen Willen sich der Sache anzunehmen, ob schon auch sodann der Ausgang der Sache ihn mit trifft.

§ 32. Wäre jedoch der Anspruch so klar, daß das verkaufte Gut auf keine Weise gerettet werden können, so soll der Verkäufer, wenn ihm schon von dem Rechts-Streit nichts kund geworden, gleichwol dem Käufer haften.

§ 33. Wenn der Käufer dem Verkäufer gehörige Anmeldung gethan, oder auch die Sache klar wäre, und ein widriges Urtheil erfolget, so ist ersterer nicht schuldig, dagegen zu appelliren oder andern Rechtsmittel zur Hand zu nehmen.

§ 34. Würde ein Gut aus dem Grunde des Näher-Rechts besprochen, und der Beyspruch wäre in denen Rechten des Orts gegründet, so ist der Ver­käufer die Gewähr zu leisten nicht schuldig.

§ 35. Wenn dem Verkäufer kein Betrug noch Schuld beyzumessen, so ist er nicht schuldig, wegen der Gewährleistung, die Sache mag ausfallen, wie sie wolle, dem Käufer die verwandte Kosten zu erstatten, es wäre denn, daß er dazu gegen den Käufer sich ausdrücklich verbindlich ge­machet hätte.

§ 36. Wegen der Pferde-Wandelungen ist von Unsern in Gott ruhenden Vorfahren, sowol von weiland Churfürsten Ernst August, als von des Herzogs Georg Wilhelms Gnaden Versehung geschehen. Wie Wir aber die letztere das Herzogthum Lüneburg angehende Verordnung vom 3Qsten December 1697 in allen Stücken der Sache gemäßer halten, so wollen Wir selbige hiedurch auf Unsre sämmtliche deutsche Lande aus­dehnen. Wir verordnen demnach hiemit, daß die Wandelung nur wegen der vier Haupt-Mängel, Rotzig, Kollerisch, Herzschlägig und Mondblind, Statt finden solle, bey einem gestohlenen Pferde aber die in den gemei­nen Rechten auf sechs Monate bestimmte Zeit der Wandelung auf drey Monate eingeschränket seyn.

§ 37. Als jedoch auch hiebey vorgefallen ist, wie es darauf ankomme, ob das zu wandelnde Pferd bereits bey dem Verkauf den Fehler gehabt, und denn dafür gehalten ist, daß der Käufer, welcher den Wandel verlanget, dieses beweisen müsse, solches aber bey einer dermaßen eingeschränkten


112                                                                                               Tit. 61

Zeit allerdings als höchst vermuthlich anzunehmen ist, so soll inskünftige der Käufer mit solchem Beweise nicht beschweret werden, dem Verkäu­fer jedoch allerdings frey bleiben, das Gegentheil darzuthun.

§ 38. Was die neuern Römischen Rechte in Ansehung einer Verletzung über die Hälfte des wahren Werths bey Kauf und Verkauf verordnen, dabey wollen Wir es zwar lassen, ob es schon nicht an Rechts-Lehrern fehlen soll, welche darin keine wahre Billigkeit anzutreffen glauben. Wann jedoch das Gesetz selbst namentlich nur dem Verkäufer diese Rechtswolthat ertheilet, und dahero unter denen Rechts-Lehrern gestrit­ten wird, ob auch dem Käufer ein gleiches Recht beyzulegen, Wir aber erwogen, daß es nicht allein zu Verhütung beschwerlicher Weiterungen rathsamer sey, solches eher einzuschränken als zu erweitern, sondern auch nicht gleicher Grund der Billigkeit in beiden Personen anzutreffen, da zumal bey unbeweglichen Gütern der Verkäufer insgemein genöthiget wird, zu andrer Bedürfniß sich der Sache abzuthun, der Käufer hingegen sein Geld sicher zu benutzen oder sonst seine Bequemlichkeit darab zu haben suchet, und hiebey ein gewisser Maaßstab nach denen Absichten desselben nicht füglich anzunehmen stehet, als erklären Wir Uns gnädigst dahin, daß nach dem wörtlichen Inhalt des Gesetzes nur der Verkäufer und nicht der Käufer damit zu hören sey.

§ 39. Bey öffentlichen Versteigerungen aber findet eine solche Klage über Verletzung auch in Ansehung des Verkäufers nicht anders Statt, als wenn die Versteigerung zu Befriedigung andringender Gläubiger vorge­nommen wird.

§ 40. Hätte nun auch der Verkäufer auf die Einrede einer Verletzung über die Hälfte würklich Verzicht gethan, so ist er, wenn nicht etwan seine Gläubiger darunter leiden, mit diesem Anzüge weiter nicht zu hören, da ohnehin die Erfahrung auch ergiebet, wie schwer auch bey Land-Gütern der wahre und eigentliche Werth zu bestimmen sey.

§ 41. Der wahre Werth eines Land-Guts ist nach dem Ertrage desselben bey Erb-Gütern zu drey, bey Mann-Lehnen aber, wenn von dem Lehns­herrn auf den Anfall nichts versichert ist, zu fünf aufs hundert zu be­stimmen. Wenn aber bey Häusern in Städten die bisherige Miethe zum Grunde geleget wird, so ist bey Pflichtigen Häusern das Capital zu Sechs, bey denen freyen aber zu Fünf aufs Hundert zu setzen. Doch ist auch überall jedesmal auf die Umstände der Zeit mit zu sehen.

§ 42. Wird das Kaufgeld bey dem Käufer bekümmert, und er genießet gleichwol das Gut, so kann er sich alsdenn von der ihm obliegenden Ver­zinsung anders nicht als durch eine gerichtliche Niederlage befreyen.


Tit. 62 und 63                                                                                                               113

Titul LXII.   Von Übertragung einer Schuld oder Forderung.

§ 1. Da es sich oft zuträgt, daß jemand zu Ablegung einer altern Schuld Geld herleihet, und die Sicherheit darin bestehen soll, daß er durch eine ihm von dem ältern Gläubiger zu ertheilende Cession in dessen Recht trete, die Besorgung davon aber gemeiniglich dem Schuldner selbst überlassen wird, so ist genug, daß solche Absicht von Anfang geheget worden, wenn schon nachher die Cession nach bereits geschehener Be­zahlung solcher Schuld ausgefertiget worden.

§ 2. Da die persönlichen Vorzugs-Rechte dem Gläubiger nicht gänzlich zu Statten kommen würden, wenn er nicht auch solche einem andern über­tragen könnte, so soll auch solche Übertragung ihre völlige Würkung haben.

§ 3. Ob gleich sonst die Güte eines cedirten Capitals nicht gewähret wird, so ist doch ein anders zu sagen, wenn diese Übertragung zur Zahlung dienen soll.

§ 4. Wir sind auch berichtet worden, wie sehr die Meinungen derer Rechts-Lehrer über das von dem Kaiser Anastasius wegen Erhandlung fremder Ansprüche gegebene Gesetz unterschieden sind. Wir wollen nun zuförderst, daß dieses Gesetz nur alsdenn seine Anwendung finde, wenn der Beklagte durch solche Übertragung wegen seiner etwanigen Einreden und Gegen-Forderungen und deren Ausführung mehr be­schweret wird.

§ 5. Wir treten auch denenjenigen Rechts-Lehrern bey, welche bey An­wendung dieses Gesetzes das auf die Forderung zu wenig Bezahlte dem Schuldner selbst lassen.

§ 6. Es stehet nun auch zwar dem Schuldner frey, von einem solchen Kläger über das mit dem Haupt-Gläubiger bedungene einen Eid zu for­dern. Wenn gleichwol von diesem bey der Übertragung das Kauf-Geld angezeiget worden, ist dieses so lange anzunehmen, bis der Beklagte ein anders erweiset. Ist aber eine solche Anzeige nicht vorhanden, so muß der Kläger erweisen, wie hoch er mit dem Haupt-Gläubiger eins geworden.

Titul LXIII.   Von Miethe und Verding.

§ 1. So lange die Hauer-Jahre dauern und die Hauer richtig bezahlet wird, ist der Heuers-Mann dem Verheurer zu weichen nicht schuldig, es wäre denn, daß dieser durch einen nicht vorausgesehenen Fall zu seiner eignen Wohnung das vermiethete Haus unumgänglich selbst bedürfte, welches gleichwol auf Landgüter keinesweges zu erweitern ist, es wäre

8   Ebel


114                                                                                              Tit. 63

denn, daß einer Wittwe ein Sitz anzuweisen oder mehrere Brüder in das

Gut sich theilten und für sich mehrere Sitze anlegen wollten.

§ 2. Ob auch schon dem Verheurer selbst, wenn er das Gut verkaufet,

nicht frey stehet, die Hauer aufzukündigen, vielmehr derselbe für den

Genuß der vollen Hauer-Jahre haftet, so muß jedoch der Hauers-Mann

einen neuen Eigenthümer, wenn er an dem Gut kein dingliches Recht hat,

weichen.

§ 2. Als die Rechts-Lehrer darüber nicht einig sind, wie weit die Miethe eines Wohnhauses für stillschweigend erneuert zu halten sey, wenn der Mieths-Mann nach geendigter Miethzeit länger in der Wohnung bleibet, so nehmen Wir hierunter die Meinung an, daß, wofern nicht eine ge­wisse Miethzeit durch einen schriftlichen Contract festgesetzet worden, der Mieths-Mann nur für diejenige Zeit hafte, in welcher er die Wohnung noch behalten, wenn aber schriftlich auf gewisse Jahre contrahiret wor­den, alsdann die Miethe noch auf ein Jahr erneuert sey.

§ 4. Da die Heuer dem Genuß des Guts gemäß von beyden Theilen be­stimmet wird, so ist wegen der Münzsorten allemal auf diejenige zu sehen, welche die Contrahenten bey Schließung des Contracts zum Grunde geleget, wenn schon die Abrede auf die zu jedesmaliger Zah-lungs- und Verfall-Zeit gangbare Münze geschehen ist.

§ 5. Da die Römischen Rechte denen Pächtern öffentlicher Güter nach geendigten Pacht-Jahren ein Näher-Recht zu der Pacht zuschreiben, wenn sie dasselbe Pacht-Geld, was ein ander bietet, geben wollen, so wollen Wir dieses zwar bey Unsern Cammer-Gütern bestätigen. Es kann aber auf die Güter Unsrer Closter-Cammer keine Anwendung finden.

§ 6. Was die Kaiserlichen Rechte in Ansehung der zu einer gewissen Maaße nach Morgen oder Hufen-Zahl geschehenen Auslobung dem Käu­fer zu gute verordnen, solches muß auch nach aller Billigkeit in gleichem Fall einem Pächter zu Statten kommen.

§ 7. Ob schon viele Rechts-Lehrer die in denen neuern Kaiserlichen Rech­ten dem Verkäufer verliehene Wohlthat in Ansehung einer Verletzung über die Hälfte auch auf einen Pacht-Contract anwenden, ja sogar bey­den Theilen zueigen wollen, so müssen Wir jedoch solche Ausdehnung, welche auch nur große Weiterungen veranlasset, gänzlich verwerfen.

§ 8. Ist von beyden Theilen Abrede genommen, wie es bey Unglücks­fällen wegen Erlassung des Pacht-Geldes zu halten, so ist solche schlech­terdings zum Grunde zu legen.

§ 9. Wenn hiebey der Pächter die Unglücks-Fälle übernommen, so wollen zwar, wie Wir berichtet sind, viele Rechts-Lehrer einen Unterschied


Tit. 63                                                                                              115

unter gewöhnlichen und ungewöhnlichen, oder auch höchst ungewöhn­lichsten und ganz vorher nicht geglaubten Fällen machen. Da beyde Theile in ganz widriger Absicht auf ein so viel geringers Pachtgeld schließen und auf alle Weise die größten Unglücksfälle erwarten müssen, so halten Wir es sehr unbillig, daß sodann ein in der eigentlichen Abrede gar nicht gegründeter Satz angenommen werde, sondern wollen, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht in solchem Fall erkannt hat, daß des Pächters daher entlehnte Einrede durchaus verworfen werde.

§ 10. Von dem Fall aber, da unter denen Contrahenten nichts desfalls bestimmt worden, vernehmen Wir, daß es unter denen Rechts-Lehrern ungemein zweifelhaft sey, wie bey Mißwachs und Unglücks-Fällen dem Pächter der Nachlaß zu ertheilen sey. Da die gemeinen, sowol Kaiser­lichen als Canonischen Rechte dem Pächter einen Nachlaß zustehen, wenn er einen großen oder unerträglichen Schaden gehabt hat, so finden Wir diejenige Meinung denen Rechten am gemäßesten, nach welcher darauf zu sehen ist, ob mit Einrechnung des Ertrages der übrigen Jahre der Pächter nicht die Halbscheid der Früchte erhalten habe, oder noch dem­nächst erhalten könne. Es kann auch dahero bey noch fortdauernden Pacht-Jahren der Pächter vor dem Schluß der Pacht keinen Nachlaß vom Pacht-Gelde fordern, ob ihm gleich allerdings erlaubt seyn muß, den Mangel seiner Erhebung und Einnahme zum voraus mit dem Verpächter klar zu machen, mithin künftige Weitläufigkeiten zu verhüten.

§ 11. Da ferner hierunter bey denen Rechts-Lehrern Zweifel obwaltet, ob auch in Ansehung derer bereits eingeerndteten und nicht mehr auf dem Halm stehenden Früchte bey deren nachherigen Verlust dem Pächter Nachlaß angedeihen müsse, so finden Wir die Meinung, welche auch Unsre Rent-Cammer in dem Unsre Deutschen Länder betroffenen Kriege getroffen hat, der Billigkeit gemäß, daß auch sodann dem Pächter nach gleichem Grundsatz Nachlaß wiederfahre. Wir setzen jedoch hiebey zum voraus, daß dem Pächter keine Schuld beyzumessen stehe, daß er nicht sogleich die eingeerndteten Früchte verkaufet habe, sondern selbige auf größeren Gewinnst liegen lassen. Und es kann also höchstens nur der Schaden des letzten Pacht-Jahres angenommen werden, wenn anders auch dieser mit denen übrigen reichen Jahren nicht bereits vergütet worden.

§ 12. Da dem Vernehmen nach in Unsern Deutschen Landen es vielfältig so gehalten wird, daß der Vieh-Stapel eines Land-Guts dem Pächter für den ausgefundenen Werth überlassen, nachhero jedoch bey abzutreten­der Pacht in dem alsdenn befindlichen Zustande erstattet wird, unter denen Rechts-Lehrern aber Zweifel obwalten soll, ob dadurch dem Päch-


116                                                                                              Tit. 63

ter das Eigenthum übertragen werde, so treten Wir denenjenigen bey, welche dafür halten, daß das Eigenthum übertragen sey. § 13. Es ist Uns auch vorgetragen, daß desfalls nicht wenig Zweifel sich eräuget, wie der durch die Vieh-Seuche entstandene Schade einem oder dem andern zuzutheilen sey. Wenn Wir erwägen, daß die von dem Päch­ter geschehene Ubemehmung des Viehes zu beyder Theile gemeinschaft­lichem Besten abzwecket, so müssen Wir nach aller Billigkeit festsetzen, daß der Verlust des Viehes unter dem Verpächter und Pächter gleich, jedoch nur in Ansehung der bey dem Antritt der Pacht überkommenen Stück-Zahl, zu theilen sey. Wenn aber der Pächter noch überher wegen vermißter Pacht-Nutzung einen Absatz verlanget, so muß es damit, wie vorhin wegen der Unglücksfälle bestimmt ist, gehalten werden.

§ 14. Als auch neulicher Zeiten in Unsern Landen verschiedentlich die Frage vorgefallen, wie es mit denen Krieges-Schäden und Kosten zu halten sey, so lassen Wir es zuförderst in Ansehung Unsrer Cammer-Güter bey denen von Unsrer Rent-Cammer unter dem 26sten May und 8ten Septbr. 1758 festgestellten Maaßregeln, und wollen selbige auch bey denen Gütern Unsrer Kloster-Cammer angewendet wissen.

§ 15. Diesemnächst setzen Wir wegen der Einquartierung, daß zwar der Miethsmann oder Pächter dasjenige, was dem Soldaten oder Officier ordnungsmäßig zu reichen ist, seinem Verheurer anrechnen kann, nicht aber, was etwa überher gefordert und entrichtet wird, als welches dem Pächter schlechterdings zur Last bleibet. Wie dahin auch Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat.

§ 16. Wegen der vom Feinde ausgeschriebenen oder geforderten Liefe­rungen ordnen Wir, daß diese dem Eigenthümer des Guts zur Last fallen.

§ 17. Was etwa dem Pächter außer den Früchten des letzten Jahres ge­raubet wird, fällt ihm selbst zur Last. Wie Wir jedoch vorhin die Uber-nehmung der Inventarien-Stücke als zu beider Theile Besten gereichend angesehen, so wollen Wir in diesem Betracht auch bey feindlichen oder andern Beraubungen festsetzen, daß der Schade, jedoch nur in An­sehung der bey der Pacht überkommenen Stück-Zahl, getheilet werde. Wie denn auch Unser Cammer-Ausschreib en vom 26sten May 1758 zu erklären ist, daß dem Pächter nur das überher zugezogene nicht zu ver­güten sey.

§ 18. Als auch die Frage vorfallen kann, wie es in Ansehung der öffent­lichen etwa neu angelegten Steuern zu halten sey, so ist hierunter darauf zu sehen, ob die Steuer auf das Gut oder die Person gesetzet worden.


Tit. 63                                                                                              117

Erstem Fall betrifft es billig den Eigenthümer, letztern Fall aber, wenn es eine allgemeine persönliche Steuer ist, welche alle Unterthanen drücket, den Pächter.

§ 19. Bestünde jedoch die auferlegte öffentliche Abgift in Fruchtlieferun­gen, als wie solche im Jahre 1757 von denen Pächtern gefordert worden, so finden Wir bedenklich dasjenige anzunehmen, was Wir wegen andern nicht vorher gesehenen Abgangs an denen Früchten verordnet haben. Wir erachten vielmehr Unsrer Rent-Cammer geäußerte Meinung überall billig, und wollen solche auf das allgemeine anwenden, daß dem Pächter, wenn er von demselben Jahre keinen solchen Genuß gehabt, wovon er das volle Pachtgeld stehen können, auf solche Ausgabe bis dahin von dem Verpächter Erstattung wiederfahre. Weil jedoch diese Nachrechnung viele Weitläufigkeit erfordert, und Wir auch solche in gerichtlichen Hän­deln abzuschneiden wünschen müssen, so soll es von dem Pächter ab­hangen, ob er lieber mit der Hälfte dieses Absatzes sich begnügen oder durch seine Haushalts-Register zeigen wolle, wie viel er in dem Jahre weniger, als das Pachtgeld beträgt, genossen habe.

§ 20. Ein Mieths-Mann oder Pächter besorget zwar die nöthige Unter­haltung der Gebäude und bekommt wegen derer Kosten Erstattung, muß aber, wenn wenigstens der Eigenthümer nicht abwesend ist, bey Haupt-Reparationen vorher Anfrage thun und den Anschlag einsenden, widri­genfalls kann er solches in Rechnung nicht bringen. Nützliche Verbesse­rungen aber kann er ohne Anfrage und Genehmigung überall nicht machen.

§ 21. Wenn der Heuer-Mann mit der Heuer in Nachstand bleibet, so ist ein Unterschied unter öffentlichen und andern Gütern zu machen. Bey­den öffentlichen als bey Unsern Cammer-Gütern ist der Nachstand von einem Jahre hinlänglich, die Pacht zurück zu nehmen. Bey andern Ver­pachtungen aber findet solches nur alsdenn Statt, wenn der Pächter von zwey Jahren hinter einander kein Pachtgeld abgeführet. Es kann auch sodann bis dahin, daß der Eigenthümer das Gut wieder an sich nimmt, der Pacht-Rüdcstand nachgefordert werden.

§ 22. Es darf gleichwol der Verpächter den Pächter, wenn dieser nicht in Güte weichen will, mit Gewalt nicht vertreiben, sondern er muß richter­liche Hilfe suchen und kann nicht sein eigener Richter seyn.

§ 23. Da nach der jetzigen Krieges-Zucht der gesitteten Völker ein Pächter, auch andrer Heuersmann, für seine Person nichts zu besorgen, hat, so mögen Wir es auch nicht für erlaubet halten, daß derselbe bey annäherndem Feinde sich entferne, und eben dadurch zugleich den Ver­pächter in einem durch solche Abwesenheit entstehenden unvermeid-


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liehen großen Schaden bringe. Viel weniger kann er dahero die Pacht vor der Zeit aufsagen.

§ 24. Wegen der Dienstboten bleibt es bey der von Unsers Herrn Groß­vaters Maj. am 17./28. Martii 1732 erlassenen Verordnung.

§ 25. Wann nun in derselben unter andern § 22 versehen ist, daß, wenn ein Herr sein Gesinde vor gänzlichem Ablauf der Dienstzeit ohne erheb­liche Ursache abschaffe, er selbigem den vollen Lohn wegen der rück­ständigen Zeit zu geben schuldig seyn solle, daselbst aber vom Kost­gelde nichts erwähnet ist, Unser Ober-Appellations-Gericht gleichwol solches bis dahero auch von diesem Kostgelde erkläret hat, so lassen Wir es zwar bey solcher angenommenen Erklärung. Da es jedoch inson­derheit denen Dienst-Mägden in Städten nicht schwer fallen kann, ihr Brodt durch ihrer Hände Arbeit zu verdienen, so muß in solchem Fall darauf mit gesehen werden, und ist sodann das Kostgeld über vier Wo­chen nicht zu erstrecken. Auch höret sowol Lohn als Kostgeld auf, so­bald der Dienstbote Gelegenheit bekömmt, anderswo wieder in Dienst zu treten.

§ 26. AIs es auch der Billigkeit gemäß ist, daß denen Dienstboten, wenn sie heyrathen, zu aller Zeit erlaubt sey aus ihres Herren Dienst zu treten, überdem, wie Uns hinterbracht worden, dieses zugleich in dem Herkommen beruhet, so lassen Wir es hiebey bewenden, verordnen auch ein Gleiches, wenn der Dienstbote auf andre Weise sein Glück machen könnte. Doch gebühret in allen solchen Fällen ihm an Lohn nicht mehr, als er würklich verdient hat.

§ 27. Da unter denen Rechts-Lehrern gezweifelt wird, ob ein Dienstbote seinen vollen Lohn fordern könne, wenn er Krankheit halber verhindert werde seinen Dienst zu leisten und fortzusetzen, und denn dieses in denen Städte-Gesetzen Nieder-Deutschlands, wenn nicht der Dienstbote das Übel außer Dienst muthwillich sich zugezogen, wie Wir vernehmen, fast durchgehende verordnet ist, mithin in einer gewissen alten Gewohn­heit beruhet, Wir auch solches billig halten, so sollen Unsre Gerichte in vorkommenden Fällen darnach erkennen.

§ 28. Wir erklären dieses zugleich dahin, daß, wenn der Herr den kran­ken Diener bis zur Endigung der Dienstzeit nicht im Hause behalten will, er zugleich bis dahin für dessen freye Beköstigung und Aufenthalt sorgen müsse.

§ 29. Als auch weiter bey denen Rechts-Lehrern gefraget wird, ob oder in wiefern der Herr während der Dienstzeit die Arzt-Kosten trage, so wollen Wir, daß dieses dem Herrn, welcher ohnehin mit Beschwerlichkeit den Dienst so lange entbehren muß, nicht anzumuthen sey, sondern


Tit. 63 und 64                                                                                     119

wenn der Diener die Kosten mit seinem Lohn oder sonst aus seinem Vermögen nicht bestreiten kann, diejenigen zutreten, welchen die Ver­sorgung der Armen des Orts oblieget.

§ 30. Obigem gemäß ist der kranke Bediente auch nicht schuldig, jemand an seinem Platz zu stellen.

§ 31. Wenn der Dienstherr mit Tode abgegangen, so halten Wir es un­billig zu seyn, das Gesinde sogleich zu verstoßen, und ihren Lohn nur bis auf des Herrn Absterben zu rechnen. Da in Unsrer Dienstboten-Ord­nung gewisse Zeiten zur Aufkündigung des Diensts bestimmt sind, als Ostern, Johannis, Michaelis und Weyhnachten, mithin ein Dienstbote außer solcher Zeit nicht leicht wieder ankommen wird, so achten Wir es der Billigkeit gemäß, daß ihm nicht allein von dem Viertel-Jahr, darin der Herr gestorben, sondern auch von dem nächstfolgenden, Lohn und Kostgeld, jedoch letzteres nur, wenn er nicht sonst seine Kost verdienen kann, gereichet werde.

§ 32. Fände jedoch der Dienstbote Gelegenheit, eher wieder in Dienst zu kommen, so höret von solcher Zeit an, da er in neuen Dienst tritt, das vorige Lohn- und Kostgeld auf.

§ 33. Stirbet aber der Dienstbote, so können dessen Erben den Lohn nicht weiter als bis an desselben Tod fordern. Von dem etwa zu viel bereits gehobenen geben sie gleichwol nichts wieder heraus.

§ 34. Hat jemand eine Arbeit in Verding genommen, selbige aber nicht nach der vorgeschriebenen Form zu Stande gebracht, so muß es von dem Herrn abhängen, ob er die Arbeit behalten will, und ist sodann durch Werks-Verständige zu beurtheilen, wie viel weniger es werth sey.

Titul LXrv*.   Von Pfand- und Wiederkaufs-Rechten.

§ 1. Nachdemmalen die öffentlichen Hypotheken denen Privat-Hypothe-ken um deßwillen vorgezogen werden, weil sie nicht unbekannt ge­blieben, mithin andre Gläubiger ihre Maßregeln darnach nehmen, und ihren besorglichen Schaden abwenden können, diese Absicht aber durch die vor Notarien und Zeugen errichtete Hypotheken nicht gnugsam er­reichet wird, und dahero, weil selbige insgemein in Geheim auch als­dann erst, wenn der Schuldner keinen Credit mehr finden kann, bestellet werden, Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. bereits durch eine Verordnung vom 15./26. December 1741 in denen Herzogtümern Bremen und Verden diese denen privat Hypotheken gleich gesetzet haben, also wollen Wir solches hiedurch auf Unsere sämmtliche deutsche Lande erstrecken, daß alle nach der Publication dieses Unsers Gesetz-Buchs vor Notarien und


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Zeugen errichtete Hypotheken denen privat Hypotheken gleich seyn und vor denselben keinen Vorzug haben, die vorher bestellten aber nur noch auf ein Jahr vor selbigen den Vorzug behalten, jedoch denen ge­richtlichen keinesweges gleich gesetzet werden sollen, da ein solcher Vorzug ohnehin in denen beschriebenen Rechten keinen hinlänglichen Grund findet.

§ 2. Die bereits eingeklagten, vor Notarien und Zeugen errichteten Hypotheken bleiben zwar in ihrem vorigen Werth, jedoch daß sie gleich­falls allen gerichtlichen nachstehen. Und ein gleiches verstehet sich auch von denenjenigen Verschreibungen, welche binnen einem Jahre nach Bekanntmachung dieses Gesetzbuchs eingeklaget werden.

§ 3. Ob Wir nun aber wol denen bereits eingeklagten oder ferner binnen Jahres-Frist einzuklagenden Notariat-Hypotheken den Vorgang vor privat Pfand-Verschreibungen annodi lassen, so müssen sie jedoch so beschaffen seyn, daß bey der Vollziehung denen Zeugen zugleich die Schuld, und daß dafür eine General- oder Special-Hypothek bestellet sey, eröffnet worden, und dieses aus dem Instrument oder Protokoll des Notarii erhelle.

§ 4. Wie aber auch in einem Lande nichts für öffentlich oder auch gleich­sam öffentlich gehalten werden kann, wovon nicht vermuthet werden mag, daß es in demselben Lande und Orte bekannt werden können, also sollen Hypotheken vor Notarien und Zeugen, welche außerhalb des Fürstenthums, Grafschaft, Landes und Orts, wo der Schuldner wohnet, oder, wenn es unbewegliche Güter betrifft, wo diese gelegen sind, aus­gestelltworden, keinesweges für gleichsam öffentlich angesehen werden.

§ 5. Was die sonst blos vor 3 Zeugen bestellte Hypotheken anlanget, so können Wir denselben noch weniger Gunst ertheilen, sondern sie sollen auch in der vorbemeldten Jahreszeit, und weiter nicht, blos denen Privat-Hypotheken vorgehen. Es soll jedoch auch alsdann die bloße Unterschrift dreyer Zeugen, wenn sie sich schon als dazu requirirte Zeugen unter­schrieben, keine gleichsam öffentliche Hypothek zuwege bringen, wenn nicht sowohl in der Verschreibung selbst enthalten, daß mittelst Zuzie­hung dreyer Zeugen eine gleichsam öffentliche Hypothek bestellet wer­den solle, als auch diese Zeugen, oder wenn deren einer verstorben, wenigstens zwey derselben eydlich erhärten, daß bey der Unterschrift sämmtliche drey Zeugen zugleich zugegen gewesen, daß ihnen eröffnet worden, daß in der Verschreibung eine Hypothek für den zugleich zu eröffnenden Anspruch gesetzet worden, und daß diese dadurch für gleichsam öffentlich angesehen werden solle, und daß solches alles an demselben Tage, worauf die Obligation datiret ist, geschehen sey.


Tit. 64                                                                                               121

§ 6. Wenn gleichwol bey solchen vor Notarien und Zeugen oder auch drey Zeugen ausgestellten Hypotheken an Seiten des Gläubigers eine Gefährde erscheinet, daß er nämlich zum Nachtheil andrer ihm bewußten ältern Gläubiger dergleichen bewürket, so soll es gleichwol nimmer für eine öffentliche oder gleichsam öffentliche Hypothek angesehen werden.

§ 7. Was aber auch die gerichtlichen Hypotheken betrifft, so ist Uns vor­getragen, daß ehedem alle Veränderungen der Güter, wenn sie als öffentlich geschehen angesehen werden sollen, bey derjenigen Obrigkeit, welche davon die Schätzung eingenommen, geschehen müssen. Ob wir nun zwar schon, weil es dem Vernehmen nach so hergebracht und unver­fänglich ist, bey Testamenten und Schenkungen eine jede Obrigkeit zu­lassen, so mögen Wir doch solches bey gerichtlichen Hypotheken so schlechterdings nicht gestatten. Wir ordnen und wollen demnach, daß alle öffentlichen und gerichtlichen Hypotheken vor demjenigen Gericht, worunter die verpfändeten Güter belegen seyn, bestellet werden sollen.

§ 8. Hätte auch der Schuldner keine liegende Gründe, und stellte eine Verschreibung unter allgemeiner Verpfändung seiner Güter aus, so muß selbige, wenn sie für öffentlich gehalten werden soll, vor der Obrig­keit, welcher die Person des Schuldners unterworfen ist, ausgestellet werden.

§ 9. Wären aber des Schuldners unbewegliche Güter unter verschiedenen Gebieten belegen, und es sollten alle Güter zum Verband gesetzet wer­den, so soll die öffentliche Verpfändung vor demjenigen höhern Ge­richte, worunter die sämmtlichen unbeweglichen Stücke belegen, ge­schehen.

§ 10. Sind gleichwol des Schuldners Güter in verschiedenen, theils aus­wärtigen Landes-herrlichen Gebieten belegen, so ist es zu einer öffent­lichen Hypothek in Ansehung der in Unsern Landen belegenen Stücke allerdings genug, wenn dieselbe in den hiesigen Gerichten gehörigen Orts bestellet wird.

§ 11. Als Wir auch solche öffentliche Hypotheken Unsern Unterthanen sehr heilsam halten, mithin Unsre gnädigste Absicht ist, solche auf alle Weise zu befördern, Uns gleichwohl zugleich vorgetragen ist, daß über die Art und Weise, wie selbige gültig zu errichten, nicht wenige Zweifel vorfallen, so setzen Wir, daß es genug sey, wenn durch den Schuldner die Eintragung in das Ingrossations-Buch, als welches eine jede Obrig­keit halten muß, bewürket, und von dem Actuario, daß es an solchem Tage würklich geschehen, unter der Obligation bezeuget, und solcherge­stalt dieselbe dem Gläubiger eingehändiget worden. Alle übrigen For­malitäten, welche auch der so nöthigen Beförderung in Credit-Sachen


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höchst nachtheilig sind, fallen also weg. Es kann jedoch die Ingrossirung auch von dem Gläubiger selbst und allein besorget werden, wenn es ihm in der Obligation oder sonst von dem Schuldner erlaubet worden.

Wobey Wir dann in Ansehung derer etwa noch nicht in die Gerichts-Bücher eingetragenen gerichtlichen Hypotheken denen Gläubigern zu solchem Ende ein Jahr nach Bekanntmachung dieses Unsers Gesetzbuchs Zeit lassen, nach dessen Verlauf sie als bloße privat Hypotheken ange­sehen werden sollen.

§ 12. Wenn auch die Obrigkeit dabey des Ausdrucks von Confirmation oder Bestätigung sich bedienet, so kann dieses, wie es wol vermeinet werden wollen, das Wesen einer öffentlichen Hypothek nicht abändern.

§ 13. Es ist Uns auch in Ansehung derer wegen der Stadtpflichtigen Güter ergangenen Verordnungen vorgetragen, daß dafür gehalten werden wolle, als ob die dabey erforderte Anzeige und Eintragung in das Catastrum keine öffentliche Hypothek würken solle. Wovon, wie Uns berichtet worden, der Zweifel auch darin mit bestanden, daß die das Catastrum führende Obrigkeit verschiedentlich über solche Stücke keine Gerichtsbarkeit habe. Wie aber gleichwol allemal hiebey eine öffent­liche, zu jedermanns Nachricht dienende Anzeige geschiehet, und dahero nicht abzusehen ist, warum nicht schon um deswillen solches für eine öffentliche Hypothek angesehen werden solle, so wollen Wir solche Landes-Ordnungen dahin erklären, daß sie, wenn die Anzeige auch nur von dem Gläubiger mit des Schuldners gutem Willen geschiehet, für öffentliche Hypotheken, welche allen Privat-Pfand-Verschreibungen vor­gehen, gehalten werden sollen.

§ 14. Bergtheile können nirgend anders als vor dem Berg-Gericht ver­pfändet werden.

§ 15. Wir sind auch berichtet, daß die Rechts-Lehrer darin nicht einerley Meinung sind, ob die stillschweigenden gesetzlichen Hypotheken denen öffentlichen gleich zu setzen seyn. Wir treten aber denenjenigen bey, welche solches verneinen und ihnen keine größere Kraft als denen Privat-Hypotheken zuschreiben.

§ 16. Wir können auch die Meinung derjenigen nicht billigen, welche eine privat Hypothek, nachdem erst bey erhobener Klage die Obligation ins Gericht gebracht und von dem Schuldner für seine Hand und Siegel anerkannt worden, dadurch für eine öffentliche und gerichtliche halten wollen.

§ 17. Ein in den würklichen Besitz seines Schuldners Güter von dem Rich­ter gesetzter Gläubiger erhält, wenn auch sonst mit der Forderung kein


Tit. 64                                                                                                                               123

dingliches Recht verknüpfet wäre, durch die geschehene Immission, anders aber nicht, ein gerichtliches Pfand-Recht, welches dem öffentlichen gleich gehet. Gestalten denn die bloße Erklärung des Gläubigers, daß er den Schuldner für einen eingewiesenen Gläubiger halten wolle, in dieser Absicht nicht hinreichend ist.

§ 18. Sind auch zu Vollstreckung richterlicher Aussprüche bewegliche Sachen bereits würklich ausgepfändet, so entstehet dadurch an solchen Sachen ein gerichtliches Pfand-Recht. Wenn jedoch, wie zuweilen ge­schiehet, auch der Schuldner selbst, es sey zur Gnugthuung oder Hem­mung der Execution, dem Gerichte Pfande einliefert, so entstehet darob ein gleichmäßiges gerichtliches Pfand-Recht.

§ 19. Obgleich sonst bey Darlehen die Hypothek erst von Zeit der ge­schehenen Zahlung, und nicht von der Zeit der zum voraus verschriebe­nen Hypothek anhebet, so ist doch ein anders zu sagen, wenn entweder der Schuldner das Darlehn anzunehmen, oder der Gläubiger es herzu­geben verpflichtet gewesen, und solchen Falls eine Hypothek zum vor­aus bestellet worden.

§ 20. Wenn ein Mit-Erbe seinen Theil der Erbschaft seinem Mit-Erben gegen ein gewisses bedungenes Geld abtritt, das Geld aber dem Mit-Erben auf Zinsen lässet, so hat es zwar, wenn dafür an der Erbschaft eine Hypothek vorbehalten worden, bey denen Rechtslehrern keinen Zweifel, daß dergleichen Erb-Geld an derselben Erbschaft allen des Mit-Erben Schulden vorgehe, ob schon der Mit-Erbe, wenn er creditiret, ein Mit-Eigenthum nicht behalten hat. Es soll aber auch, wenn das Geld entweder ganz oder zum Theil im Gute stehengeblieben, nach der Ab­sicht beider Theile jederzeit so angesehen werden, als ob der abtretende Mit-Erbe eine solche Hypothek sich vorbehalten habe. Nur muß jedoch, wenn dem einen Erben der Besitz allein überlassen wird, der übrigen Erben Forderung gehörigen Orts gerichtlich angezeiget werden, damit nicht unschuldige künftige Gläubiger dadurch in Schaden und Nachtheil gebracht werden, maßen andergestalt nicht einst eine privat Hypothek anzunehmen ist.

§ 21. Ein gleiches ist anzunehmen, wenn ein Verkäufer wegen des Kauf­geldes sich das Eigenthum oder eine Hypothek an der verkauften Sache vorbehält.

§ 22. Da auch die außerhalb der Familie verholen gehaltene Familien-Fideicommisse veranlassen, daß viele dem Besitzer eines Guts mit völli­ger Zuversicht Geld anvertrauen, und nachhero dabey in Schaden kom­men, so müssen Wir aus gleichem Grunde wie bey den Erb-Geldern auch hier festsetzten, daß solche Familien-Fideicomisse, wenn sie nicht öffent-


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lieh und gerichtlich angezeiget sind, weder ein Mit-Eigenthum, noch einst eine Hypothek, wenn sie schon verschrieben, geben sollen.

§ 23. Nachdemmalen Wir auch die Meinung der Billigkeit gemäß finden, ob sie schon aus denen gemeinen Rechten bezweifelt wird, daß die auf des Schuldners letzte Krankheit verwandte Kosten gleich denen Begräb-niß-Kosten sogleich voran abgenommen werden, wie dann, wann hier­unter keine völlige Sicherung eintreten sollte, dem Schuldner auf dem Tod-Bette alle Hülfe versaget werden könnte, so sollen Unsre Gerichte dieses befolgen.

§ 24. Da Wir auch vernehmen, daß es mit der heutigen Art zu trauren eine ganz andere Beschaffenheit als mit der Römischen habe, so treten Wir denenjenigen Rechtslehrern bey, welche auch die Trauer-Kosten der Eheleute und Kinder, jedoch nur der ersten tiefen Trauer, unter die Kosten der Leichen-Begängniß rechnen, und denen übrigen Gläubigern vorsetzen.

§ 25. Da in Unsern deutschen Gerichten hergebracht ist, daß Diener-Lohn, worunter auch das demselben versprochene Kostgeld gehöret, unter die ersten und vorzüglichste Schulden gesetzet wird, so soll es dabey sein Bewenden haben.

§ 26. Es soll auch keinen Unterschied geben, ob der Diener im Hause des Schuldners, oder außer demselben etwa für einen gewissen jährlichen Gehalt gedienet, ob er nur von einem oder von mehrern Jahren den Lohn zu fordern habe, ob er bey Absterben des Schuldners oder bey ent­standenem Concurs in dessen Diensten noch gestanden oder nicht. Auch soll er dieses Vorzugs-Recht nicht verlieren, wenn ihm schon der Herr den Lohn verzinset, ja wol gar eine Verschreib ung darauf gegeben hätte. Denen Erben des Liedlöhners kann jedoch weder ein Vorzugs-Recht noch einst eine stillschweigende Hypothek angedeyen.

§ 27. Die auf den Gütern haftende Onera haben zwar ein stillschweigen­des Unterpfands-Recht an dem Gute von der Zeit, da sie fällig, ein Vor­zugs-Recht aber nur die von zwey Jahren rüdeständige, es wäre denn, daß darüber bereits geklaget worden. Den allenfalls darob entstehenden Verlust haben die säumigen Cassen-Vorsteher zu tragen. § 28. Das dem Brautschatz beygelegte vorzügliche Recht gehet zwar auf die leiblichen Kinder fort, nicht aber auf Eltern, Geschwister oder andre Erben.

§ 29. Das stillschweigende Unterpfand, welches die Gesetze in des Miethsmanns eingebrachten Sachen geben, findet nur bey denen soge­nannten Stadt-Gütern oder Wohnhäusern Platz; und wenn der erste Miethsmann einen After-Miethsmann gesetzet, so haften dessen einge-


Tit. 64                                                                                                                                125

brachte Sachen zugleich dem ersten Vermiether, jedoch nur so hoch es an den zweyten wieder vermiethet worden.

§ 30. Als auch einst die Frage vorgefallen, ob dem Cron- und Chur-Prinzen in den Gütern seines bestellten Verwalters ein gleiches still­schweigendes Unterpfands-Recht vom Tage der übernommenen Verwal­tung, wie dem regierenden Herrn zustehe, oder solches sich erst mit dem Antritt der Regierung anhebe, gleichwol der L. 6 § 1 ff. de jure fisci alle dem Fisco zustehende Vor-Rechte auch des Caesars oder bestimmten Thron-Folgers und der regierenden Kaiserin Casse beyleget, so haben Unsre Gerichte dieses in künftigen Fällen zu beobachten.

§ 31. Gerichtlich bestellter Pfleger Vermögen haftet zwar, so fern die unbeweglichen Grundstücke unter demselben Gerichte belegen sind, denen Unmündigen auch zu einem öffentlichen und gerichtlichen Unter­pfande. Es soll auch eben dieses bey denen von der Obrigkeit verordne­ten Pflegern derer Personen, welche in denen Rechten den Unmündigen gleich gehalten werden, Statt haben, folglich auch bey denen obrigkeit­lich bestellten Vorstehern und Verwaltern der Städte-Güter und milden Stiftungen eintreten. Ist jedoch keine Bestellung oder Bestätigung von der Obrigkeit geschehen, so bleibet es, damit nicht diejenigen, welche ihr Geld gegen öffentliche Sicherheit herleihen, unwissend dadurch ver­kürzet werden, bey dem in denen gemeinen Rechten verliehenen still­schweigenden Pfand-Recht der Unmündigen, welches zu Verhütung alles Zweifels Wir ausdrücklich auch allen übrigen zueignen, welche denen Unmündigen gleich gesetzet werden. Auch haftet dieses stillschweigende Pfand-Recht auf den Gütern dererjenigen, welche die Stelle eines Pflegers vertreten haben. Wir stimmen übrigens hiebey denenjenigen Rechts-Ge­lehrten bey, welche derer vorgedachten Personen Pfand-Recht auch auf deren Erben übergehen lassen.

§ 32. Wann hingegen verschiedene Rechts-Lehrer denen milden Stiftun­gen nach dem Beyspiel des Fiscus auch in denen Gütern ihrer Schuldner überhaupt ein stillschweigendes Unterpfands-Recht beyzulegen, Unser Oberappellations-Gericht aber dieses schon verworfen hat, so wollen Wir demselben hierunter beytreten.

§ 33. Ob auch schon die milden Stiftungen in Ansehung des ihnen ver­machten, gleich andern Legatarien, in den Gütern des Erblassers eine stillschweigende Hypothek haben, so können Wir ihnen jedoch, wie die Rechts-Lehrer von der allgemeinen Gewohnheit Deutschlands ohne Be­weis bezeugen wollen, ein Vorzugs-Recht nicht beylegen, ob Wir schon wünschen, daß die jetzige Zeiten denen vorigen gleich auf fromme Stif­tungen denken mögen.


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§ 34. Es ist Uns ferner vorgetragen, daß auch darin nicht einerley Mei­nung geheget werde, ob das Vorzugs-Recht, welches die Gesetze dem­jenigen, welcher zu Wiederherstellung eines Gebäudes in Städten Geld hergeliehen, auch alsdann eintrete, wenn an Statt des alten ein ganz neues Gebäude aufgeführet worden. Wann gleichwol der Grund dieses Verzugs-Rechts in dem für das gemeine Wesen daraus entspringenden Nutzen bestehet, so soll es allerdings auch in diesem Falle Platz ergrei­fen.

§ 35. Da auch mit Recht dafür gehalten wird, daß eben dieses Verzugs-Recht auch demjenigen angedeihen müsse, welcher zum Bau zwar nicht baares Geld, jedoch Materialien hergegeben, Unser Oberappellations-Gericht daher dieses auch denen Arbeits-Leuten wegen ihres dabey ver­dienten Lohns zugeeignet hat, so wollen Wir auch solches hiedurch be­stätigen.

§ 36. Nachdemmalen denen Gerichts-Procuratoribus nicht allein in denen durch Unsre Ordnungen vorgeschriebenen Vollmachten wegen ihrer Schadloshaltung, worunter sowol ihre baare Auslagen, als ihre übrige Gebühr zu verstehen, eine Hypothek zu verschreiben ist, sondern ihnen auch sonst wegen ihres Vorschusses billig vorzüglich zu helfen ist, da sie zu Beförderung der gerichtlichen Sachen dazu genöthiget werden, und selbst die Verfassung Unsrer Gerichte darunter leiden würde, so sollen sie zwar in Ansehung ihrer Bemühungen nur eine privat-Hypothek von dem Tage, da sie die Sachen übernommen, behalten, wegen ihrer baaren Auslagen jedoch ein vorzügliches Recht vor allen und jeden Gläubigern haben.

§ 37. Der rückständige Meyer-Zins hat billig die Rechte von einem Erben-Zins.

§ 38. Als wegen Unsrer Regiments-Cassen Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. unterm 21sten August 1732 und 3. Aug./l. Sept. 1733 verordnet haben, daß nämlich dieselben in den Gütern dererjenigen, welchen sie anvertrauet gewesen, wie auch in Ansehung des gethanen Vorschusses in den Gütern den Mondirungs-Lieferanten den Vorzug des debiti primi-pilaris genießen sollen, so wollen Wir solches hiedurch bestätigen. § 39. Die denen Vermächtnissen beygelegte gesetzliche Hypothek in den Gütern des Testirers stehet allen desselben Schulden nach. § 40. Wem das Lehn mit des Lehnsherrn und der Lehns-Vettern Einwilli­gung verschrieben ist, dem haftet die Substanz des Lehns, und er gehet dahero sowol am Lehn selbst, als dessen Auskünften allen andern Gläu­bigern vor. Es können gleichwol die übrigen Gläubiger an die etwa da­bey befindliche Erb-Stücke besonders sich halten.


Tit. 64                                                                                                                             127

§ 41. Da es gleichwol Schwürigkeiten finden kann, den ganzen Umfang des Lehns sofort auszumachen, so soll jedennoch eine solche vom Lehns­herrn verwilligte Hypothek, welche aus dem Lehns-Archiv einem jeden bekannt werden können, für öffentlich angesehen werden.

§ 42. Wie auch bey Nachsuchung und Ertheilung der Lehnsherrlichen Einwilligung die Absicht dahin gehet, daß der Gläubiger durch das Lehn gesichert werde, also ist zwar der Schuldner verbunden, das Lehn, so viel möglich, hinwiederum zu befreyen, der Gläubiger aber kann sich schlechterdings an das Lehn halten, und hat nicht nöthig, das übrige Ver­mögen seines Schuldners vorher anzugreifen.

§ 43. Ist auch die Lehnsherrliche Einwilligung nur auf gewisse Jahre ertheilet, es hätte aber der Gläubiger noch vor Ablauf dieser Zeit ge­klaget, so haftet alsdenn das Lehn ferner bis zur Zahlung, ohne daß es einer Erneuerung jener Einwilligung bedarf.

§ 44. Da die gemeinen beschriebenen Rechte auch ein Unterpfand an einer fremden Sache, wenn der Eigenthümer in die Verpfändung gewilli­get, schlechterdings für gültig erklären, so müssen Wir auch die dem Credit-Wesen ohnehin so schädliche Meinung derjenigen neuern Rechts­lehrer verwerfen, welche dafür halten wollen, als ob bey erfolgter Ein­willigung der Lehns-Vettern, ja wol gar des Lehnsherrn, der Gläubiger zuvor aus dem Erbe seine Befriedigung zu suchen habe, und alsdenn erst, wenn dieses nicht hinreichend, das Lehn angreifen und zugleich an den Lehnfolger sich halten möge. Wir lassen es vielmehr bey den ge­meinen Rechten, daß eine solche Hypothek schlechterdings bestehe, und der Gläubiger durchaus an das Lehn, jedoch was die Substanz anlanget, alsdann wenn zugleich Lehnsherrlicher Consens vorhanden, sich halten möge. Es bleibet jedoch denen Lehns-Vettern unbenommen, wenn es eine allodial-Schuld ist, wegen der Wiedererstattung an dem Erbe sich zu erholen.

§ 45. Als auch gezweifelt werden wollen, ob ein Lehns-Vetter aus seiner bloßen Unterschrift auf den Fall, daß ihm das Lehn angefallen, hafte, so wollen Wir, daß dieses allerdings für eine Einwilligung gehalten werde, auch die Erben desfalls haften.

§ 46. Wenn ein Lehns-Vetter zu Ergänzung oder Verbesserung des Lehns überhaupt eine Summe Geldes aufzunehmen gewilliget hat, so ist der Gläubiger, der hierauf sein Geld zu solchem Ende auf Verlangen des Schuldners und Vasallen hergegeben, den Beweis, daß es dazu ange­wandt worden, zu führen nicht schuldig, sondern die Lehn-Folger haften schlechterdings.


128                                                                                                                              Tit. 64

§ 47. Hätten auch die Vettern zu einem gewissen Behuf eine Summe Geldes aufzunehmen ihre Einwilligung ertheilet, das Geld wäre aber schon, auch lange vorher, aufgenommen gewesen, so müssen sie als Lehnfolger doch haften.

§ 48. Hat der Vater als Agnat in das Auflehn gewilliget, das Lehn fiele aber darauf nicht ihm, sondern dem Sohn an, so muß der Sohn als seines Vaters Erbe doch die Erstattung aus dem Lehn zugeben.

§ 49. Juden-Hypotheken, welche in ihren Schulen und Synagogen mit­telst eines sogenannten Stahrs errichtet werden, sind für öffentliche nicht zu halten.

§ 50. Ob wol nach denen gemeinen Rechten die Zinsen ein gleiches Recht mit dem Hauptstuhl genießen, mithin Zinsen aus einer ältern Pfand-Ver­schreibung auch dem Hauptstuhl aus einer Jüngern vorgehen, so ist jedoch in Unsern Herzogthümern Calenberg und Grubenhagen und der Ober-Grafschaft Hoya von weil. Unsers Herrn Elter-Vaters Gnaden ver­ordnet worden, daß in Concursen alle Zinsen denen Hauptstühlen, so­wohl jüngerer Pfand-Verschreibungen als schlechter Handschriften, nach­gehen, und alsdann erst, wenn alle Haupt-Stühle abgetragen, in gleicher Ordnung eintreten. Wir wollen es nun zwar vor der Hand bey solcher Verordnung lassen, selbige jedoch auf bloße Privat-Verschreibungen ein­schränken, hingegen alle öffentlichen und gesetzlichen Hypotheken da­von ausschließen.

§ 51. Da jedoch die vorgehende Gläubiger durch die lange Nachsicht der Zinsen an dem größern Verfall des Schuldners und der Verkürzung der folgenden Schuld sind, so wollen Wir, wie auch Unsers in Gott ruhenden Großherrn Vaters Maj. in denen Herzogthümern Bremen und Verden bereits verordnet, bey entstehendem Concurs nur 3 Jahre nachständiger Zinsen neben dem Hauptstuhl stehen lassen. Der übrige Nachstand aber soll unter die chirographische Schulden gesetzet werden. Gestalten denn auch, wenn etwa Unmündige darunter leiden sollten, diese desfalls sich bloß und allein an ihren Vormund zu halten haben.

§ 52. Wenn schon von dem Haupt-Stuhl keine Zinsen versprochen sind, so haftet dennoch das Pfand auch für die Zinsen des Verzugs.

§ 53. Wenn bey einem durch eine Urthel mehrern vorgesetzten Gläubiger nicht die nächstfolgenden, weil diese vielleicht glauben, daß sie ohnehin ihre Bezahlung erlangen werden, sondern ein nach ihnen folgender appelliret und ein obsiegliches Erkenntniß dahin erhält, daß der erste an dem Orte nicht bestehen bleibe, so kann es keinesweges dahin ange­sehen werden, daß dieser obsiegende Theil zugleich denen übrigen ihm


Tit. 64                                                                                                                             129

vorgesetzten Gläubigern vorgehe, wenn er nicht auch gegen diese ein Vorzugs-Recht ausgemachet hat.

§ 54. Wenn ein unbewegliches Gut einem Gläubiger solchergestalt zu Pfand Recht eingethan wird, daß er davon die Nutzungen an Statt der Zinsen genießen solle, und der Gläubiger hätte durch Verpachtungen würklich ein mehrers als rechtmäßige Zinsen genossen, so muß er solchen Überschuß billig auf den Haupt-Stuhl abrechnen.

§ 55. Genießet aber ein Gläubiger ein Frucht tragendes Gut selber, so ist ihm, wenn er es gleich zwischendurch verpachtet hätte, keine Nachrech­nung zu machen, weil auch alsdann, wenn der Ertrag in einen gemäßig­ten Pacht-Anschlag gebracht werden kann, dennoch dem Gläubiger wegen der Unglücksfälle, welche sich leider seit verschiedenen Jahren bey Land-Gütern auch in Unsern Deutschen Landen gehäufet, und noch immer sich zu häufen fortfahren, keine Vergütung gleich einem Pächter angedeihet, auch nicht wol abzusehen ist, wie zur Zeit des Versatzes, als worauf es allein ankommt, bey dem Anschlage auf solche nicht erwartete und entfernte Fälle mit gesehen werden könne. Wir nehmen also bey dem Streit der Rechtslehrer diese Meinung um so lieber an, als die Er­fahrung in Unsern Gerichten ergeben hat, mit wie vielen oft kaum zu entwickelnden Schwürigkeiten und Beschwerden dergleichen Liquida­tions-Sachen verknüpfet sind, überdem dem Glauber, als gegen die Ab­sicht des ganzen Geschäfts laufend, nicht angemuthet werden mögen, auf Rechnungen sich zu schicken, dem Schuldner hingegen allemal frey ge­standen, das Gut wieder einzulösen. Nur nehmen Wir hier den einzigen Fall aus, wenn von Seiten des Schuldners gezeiget werden könnte, daß er oder seine Vorfahren zur Zeit des Versatzes würklich über die Hälfte verletzet worden, und der Anschlag so geschehen, daß der Gläubiger ordentlicher Weise 5 fürs hundert genießen sollen.

§ 56. Wir wollen übrigens auch, daß dieses allemal eintreten solle, wenn schon die Abrede, das Pfand gegen die Zinsen zu genießen, nicht aus­drücklich geschehen, der Schuldner jedoch gleich bey der Aufnahme des Hauptstuhls dem Gläubiger das Gut zum Genuße übergeben, ohne weitere Abrede dabey zu nehmen, weil nicht anders zu vermuthen, als daß die Absicht dahin gegangen, am wenigsten aber geglaubet werden kann, daß der Gläubiger mit einer Berechnung sich habe beschweren wollen.

§ 57. Ein Pfands-Inhaber übet alle Rechte des Eigenthümers aus, und ist also nicht allein befuget, sondern auch schuldig, die Gerechtsame des des Guts zu bewahren. Wie also dem Eigenthümer zu Statten kommt, was selbiger durch Klagen ausgeführet, also fällt hingegen auch, was gegen  denselben  erkannt worden,   dem  Eigenthümer  zur  Last,   und

9   Ebel


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kann von diesem nach eingelöstem Gute demnächst keinesweges ange­fochten werden.

§ 58. Wer den Besitz eines Pfandes zu Abwohnung seiner Schuld erlanget hat, rechnet das Genossene zuerst auf die Zinsen und demnächst auf den Haupt-Stuhl ab. Er ist auch, wenn er mehrere Forderungen von ver­schiedener Beschaffenheit hat, nicht schuldig, wie es dem Schuldner am erträglichsten, den Absatz zu stellen, sondern kann hierunter alles nach seiner eignen Bequemlichkeit und besten Gefälligkeit einrichten.

§ 59. Träten bey einem Pfande ihrer mehrere Pfand-Gläubiger zugleich nach dem Verhältniß eines jeglichen Schuld ein, und es wäre vorhin dem einen mehr oder weniger als dem andern bezahlet, so ist das Verhältniß nicht nach denen Resten der Schuld, sondern wie jeder Haupt-Stuhl von Anfang gewesen, zu bestimmen.

§ 60. Ein Pfands-Inhaber ist auch bey entstandenem Concurs bey seinem Unterpfande so lange zu schützen, bis ein oder ander Gläubiger ein bessers Recht gegen ihn ausgemacht. Doch muß er alsdann nach der Calenbergischen Landes-Ordnung, in sofern Wir solche beybehalten, seit erhobener Klage den Genuß des Pfandes, welchen Wir auf jährliche 5 pro Cent vom Haupt-Stuhl bestimmen, ohne andre Berechnungen auf den Haupt-Stuhl absetzen, und, wenn er solchen erhalten, das Pfand vor­erst denen folgenden Gläubigern ausantworten.

§ 61. Wir nehmen nun ferner die Meinung derjenigen Rechtslehrer an, welche gegen die Wiedereinlösung des versetzten Guts keine Verjäh­rung zulassen, sondern selbige dem Schuldner und dessen Erben zu jeder Zeit gestatten.

§ 62. Ob auch schon zwischen dem Schuldner und Gläubiger festgesetzet werden kann, daß, wenn das Pfand in gewisser Zeit nicht eingelöset werde, es dem Gläubiger für den sodann zu bestimmenden gerechten Werth gelassen werden solle, so kann doch hingegen eine solche Abrede, daß, wenn es in gewisser Zeit nicht eingelöset werde, es dem Gläubiger eigenthümlich bleibe, oder auch, daß es nimmer gelöset werden solle, für zu Recht beständig nicht angenommen werden.

§ 63. Bey einem Wiederkauf auch unablöslicher Renten stehet zwar dem Gläubiger oder sogenannten Käufer die Loskündigung nicht frey, dem Schuldner und Verkäufer aber zu jeder Zeit, und kann auch hier keine Verjährung eintreten. Ist jedoch dazu eine gewisse Ordnung von Jahren beliebet worden, so ist dieselbe zu beobachten.

§ 64. Böte der Schuldner zu der gesetzten Zeit dem Gläubiger das Wie-derkaufs-Geld an, und dieser weigerte sich, es anzunehmen, so kann er


Tit. 64                                                                                               131

sich dadurch von seiner Schuldigkeit nicht entledigen, wenn schon der Schuldner das Geld nicht öffentlich niedergeleget.

§ 65. Ein mit Lehnsherrlicher Einwilligung getroffener Wiederkauf oder erlangtes Pfand-Recht soll, so lange der Vasall selbst die Investitur des Lehns behält, bey der Abtretung an einen Dritten einer Erneuerung der Lehnherrlichen Einwilligung nicht bedürfen.

§ 66. Hätte jemand ein Gut in öffentlicher Feilbietung gekauft, das Kauf­geld aber ganz oder zum Theil nicht bezahlet, so bleibet das Gut, wenn auch schon die Adjudication geschehen, für den Rückstand des Kauf­geldes denen Schuldnern des Verkäufers haften, und diese gehen in so fern an dem Gute allen und jeden des Käufers eignen Schulden vor, können auch auf die Separation von des Käufers übrigen Vermögen dringen.

§ 67. Was aber sonst den Verkauf eines Unterpfandes anlanget, so lassen Wir es schlechterdings bey demjenigen, was desfalls in den gemeinen Kaiserlichen Rechten, wegen der Lehngüter aber in Unsrer Ober-Appel-lations-Gerichts-Ordnung versehen ist.

§ 68. Da Wir jedoch vernehmen, daß es bezweifelt worden, ob derjenige, welcher entweder eine General- oder Special-Hypothek, oder auch ein Zurückhaltungs-Recht hat, dem Verkauf einer Sache, woran er ein solches Recht zu haben vermeinet, widersprechen könne, wenn das Kauf-Geld zu seiner Sicherheit bleibet, aber etwa wegen eintretender mehrer Gläubiger ihm auf seine Schuld nicht ausgezahlet werden kann, Wir aber in dem Fall den Schuldner bey dergleichen zu stellenden Sicherheit allerdings dazu berechtiget halten, also haben Unsre Gerichte in ihren Erkenntnissen dieses zu befolgen.

§ 69. Ein mit einem generellen Pfand-Recht versehener Gläubiger kann, wenn er schon zuerst eine Sache verfolget, gleich wol nachher davon wieder abgehen, und sich an eine andre ihm bequemer gefundene halten. Worunter ihm auch kein Vorwurf gemachet werden kann, als ob er aus der zuerst verfolgten Sache bey gehöriger Bemühung seine Forderung erhalten können.

§ 70. Wer mit einer generalen Hypothek ohne Special-Hypothek ver­sehen ist, kann sich allemal an der einem andern verschriebenen oder eingethanen Special-Hypothek ohne Einrede erholen.

§ 71. Ist ihm aber zugleich eine Special-Hypothek verschrieben, so kann er an eine jüngere Special-Hypothek sich nicht anders halten, als wenn er wegen seiner eignen Special-Hypothek nicht gesichert ist und daraus seine Bezahlung nicht sogleich erhalten kann. Alsdann aber muß der


132                                                                                                                              Tit. 64

jüngere hypothecarische Gläubiger weichen. Der Schuldner selbst aber kann dieses sich zu gute gar nicht anziehen.

§ 72. Da auch unter denen Rechts-Lehrern viel Zweifel obwaltet, ob auch ein andrer Besitzer einer special-Hypothek von einem Gläubiger, welcher aus derselben seine Bezahlung verlanget, begehren könne, daß dieser zuförderst das übrige Vermögen des Schuldners angreife, so wollen Wir zwar diesen Streit zum Vortheil des dritten Besitzers entscheiden, jedoch den Fall davon ausnehmen, wenn der Kläger mit einer öffentlichen Pfand-Verschreibung versehen ist, als in welchem Fall sich der Besitzer beyzumessen hat, daß er nicht gehörige Erkundigung eingezogen.

Zu dem Titul Von Pfand- und Wiederkaufs-Rediten. Anmerkungen zum § 1.

Sollte es bey Ihro Königl. Maj. Bedenken finden, ohne die Landschaften darüber zu hören, die vor Notarien und Zeugen oder auch wol nur vor 3 Zeugen errich­tete Hypotheken gleich abzuschaffen, so würde ich doch wenigstens anheim geben müssen, folgende Einschränkung zu machen und den § 1 dahin zu fassen:

§ 1. Obschon nach dem Römischen Recht in Unsern Gerichten dafür gehalten worden, daß sogar eine vor 3 Zeugen bestellte Hypothek für gleichsam öffent­lich zu halten und denen gerichtlich bestellten gleich zu setzen sey, so ist Uns doch vorgetragen, daß dieses von gründlichen Rechtslehrern bezweifelt werde. Da es nun auch dem Credit-Wesen, dessen Aufnahme in Unsern Landen Uns äußerst am Herzen liegt, höchstschädlich seyn würde, wenn derjenige, welcher alle nur mögliche Vorsicht zur Hand genommen, und dessen Verschreibung, wo nicht in die öffentlichen Gerichts-Bücher eingetragen worden, wesfalls Wir jedoch fürs künftige auch nähere Versehung treffen werden, dennoch auch durch den gerichtlichen Glauben von allem Verdacht einer dabey gebrauchten Arglist gänzlich entfernet ist und weit eher zu öffentlicher Wissenschaft gelangen kann, einer solchen blos vor 3 Zeugen vollzogenen gleich gehen oder gar nachstehen sollte, so setzen Wir hiemit, daß alle nur vor 3 Zeugen bestellte Hypotheken denen gerichtlichen hinfüro, wenn diese gleich jünger sind, weichen und bloß denen privat-Hypotheken vorgehen sollen.

§ 2. Es soll ferner die bloße Unterschrift dreyer Zeugen, wenn sie sich schon als dazu requirirte Zeugen unterschrieben, keine gleichsam öffentliche Hypothek zu­wege bringen, wenn nicht sowol in der Verschreibung selbst enthalten, daß mittelst Zuziehung dreyer Zeugen eine gleichsam öffentliche Hypothek bestellet werden solle, als auch diese Zeugen, oder wenn deren einer verstorben, wenig­stens zwey derselben eidlich erhärten, daß bey der Unterschrift sämmtliche drey Zeugen zugleich zugegen gewesen, daß ihnen eröffnet worden, daß in der Ver­schreibung eine Hypothek für den zugleich zu eröffnenden Anspruch gesetzet worden, und daß diese dadurch für gleichsam öffentlich angesehen werden solle, und daß solches alles an demselben Tage, worauf die Obligation datiret ist, ge­schehen sey.

§ 3. Wie aber auch in einem Lande nichts für öffentlich, oder auch gleichsam öffentlich, gehalten werden kann, wovon nicht vermuthet werden mag, daß es in demselben Lande und Orte bekannt werden können, also sollen Hypotheken


Tit. 64 und 65                                                                                                                 133

vor 3 Zeugen, welche außerhalb des Fürstenthums, Grafschaft, Landes und Orts, wo der Schuldner wohnet, oder, wenn es unbewegliche Güter betrifft, wo diese gelegen sind, ausgestellet worden, kednesweges für gleichsam öffentlich ange­sehen werden.

§ 4. Wir setzen aber auch die vor Notarien und Zeugen vollzogene Hypotheken denen gerichtlichen billig nach, da auch diese nicht so wie die gerichtlichen zur öffentlichen Wissenschaft kommen können. Und ob Wir gleich sie denen privat Hypotheken vorsetzen, so erfordern Wir doch auch hier, daß denen Zeugen die Schuld, und daß dafür eine general- oder special-Hypothek bestellet sey, eröffnet worden, und dieses aus dem Instrument oder Protocoll des Notarien erhelle. Wobey jedoch in Ansehung des Orts der Vollziehung eben dasjenige eintreten muß, was Wir unmittelbar vorher bey denen vor 3 Zeugen bestellten Hypotheken verordnet haben.

Titul LXV.   Von Zinsen.

§ 1. Ob schon die gemeinen Kaiserlichen Rechte bey einem Darlehn keine Zinsen des Verzugs zubilligen, so ist doch schon durch die Reichs-Gesetze ein anders darunter, und zwar dahin versehen, daß nach geschehener An­mahnung und Wiederforderung der Schuldner für das Interesse fünf aufs hundert bezahlen müsse, und dieses hat auch Unsre Lüneburgische Poli-cey-Ordnung C. 39 um der Vermuthung halber angenommen, daß der Gläubiger sein Geld von solcher Zeit an anlegen und zugelassener Weise zum wenigsten von Hundert Fünf wol haben möge. Nun wollen wir zwar in solchem Fall einem Gläubiger frey lassen, wenn er beybringen kann, daß er durch den eignen Gebrauch des Capitals so viel habe genießen können, sein Interesse so hoch zu liqudidiren, wie Wir denn solches auch bey Kaufleuten gänzlich dabey lassen. Nachdemmahlen gleichwol in Unsern Deutschen Landen schon seit sehr vielen und geraumen Jahren die Capitalien gemeiniglich nur zu vier auf hundert unterbracht werden, mithin die Zeit-Umstände sich verändert haben, so wollen Wir, daß Unsre Gerichte künftig nur vier auf hundert bey dergleichen Verzugs-Zinsen zuerkennen, so lange nicht die Capitalien auf einen höhern Ver­zinsungs-Fuß kommen.

§ 2. Ob auch schon in Unserm Herzogthum Bremen Zinsen zu sechs auf hundert zugelassen sind, so kann doch dergleichen bey denen nicht ver­sprochenen, sondern bloßen Verzugs-Zinsen nicht eintreten, sondern diese sind gleichfalls zu vier auf hundert herunter zu setzen.

§ 3. Eben dieses soll aber auch bey allen andern Zinsen des Verzuges, außerhalb denen Darlehnen, eintreten.

§ 4. Ob Wir auch wol, wenn der Haupt-Stuhl auf eine Viertel- oder Halb­jährige Loose stehet, nicht mehr denn Fünf auf Hundert zu nehmen ver­stattet, so wollen Wir doch Sechs zu nehmen erlauben, wenn eine monat-


134                                                                                                                               Tit. 65

lidie Loose abgeredet ist, oder das Geld nur auf ein oder zwey Monate aufgenommen worden.

§ 5. Da die Rechte in Ansehung des dadurch so sehr bedrückten Schuld­ners nicht gestatten, daß Zinsen wieder verzinset werden, so mögen Wir es auch nicht billigen, daß rückständige Zinsen zu einem Capital geschla­gen in eine Haupt-Obligation gebracht, und als ein Haupt-Stuhl verzinset werden. Es soll also dergleichen Verschreibung in Ansehung der Ver­zinsung als nichtig angesehen werden. Was jedoch bishero an Zinsen genossen ist, soll auf den gesetzten Haupt-Stuhl nicht angerechnet noch derselbe dadurch verringert werden.

§ 6. Als auch darüber viel Streit unter denen Rechts-Lehrern obwaltet, ob oder in wie fern alsdenn, wenn die Zinsen dem Haupt-Stuhl gleich kom­men, das Römische Recht zu befolgen sey, und darüber auch in Unsern Gerichten nicht durchgehends gleiche Meinung geheget worden, so fin­den Wir Uns bewogen, desfalls nähere Bestimmung zu treffen. Wir setzen demnach zuförderst, daß bereits einzeln abgeführte Zinsen, wenn schon die ganze Summe dem Haupt-Stuhl gleich kommt, den fernem Zinslauf nicht hemmen, noch weniger, daß, wenn die bezahlten Zinsen doppelt so viel als den Haupt-Stuhl ausmachen, dieser dadurch für er­stattet angesehen werden soll.

§ 7. Ist die Schuld von Anfang nicht liquid, sondern wird erst durch ein Richterliches Erkenntnis in bestimmte Gewißheit gesetzet, oder ihr wür­den Gegen-Forderungen entgegen gestellet, daß darüber zuvörderst erkannt werden muß, so können die Zinsen über die Größe des Haupt-Stuhls nicht erstrecket werden.

§ 8. Hatte der Gläubiger zu Erlangung des Haupt-Stuhls es an seiner Bemühung nicht fehlen lassen, so daß folglich ihm der große Nachstand nicht beyzumessen, so laufen die Zinsen auch über die Größe des Haupt-Stuhls.

§ 9. Hätte auch jemand zu Ankaufung eines Hauses oder Guts oder auch zu Wieder-Aufbauung eines Hauses oder zu nutzbaren Verbesserungen Geld hergeliehen, so daß der Schuldner selbiges genutzet hat, findet bey den Zinsen keine Einschränkung Statt.

§ 10. Eine bekümmerte Schuld fällt dadurch aus dem Zinsgange nicht, sondern dem Schuldner lieget ob, zu Verhütung des Zins-Laufs das Geld, wie die Rechte verordnen, an einem öffentlichen Orte versiegelt nieder­zulegen.

§ 11. Kaufleute sind befugt, ein Jahr nach geschlossener und übergebener Rechnung Zinsen zu Fünf auf Hundert zu fordern. Ist man aber wegen der Verzinsung eins worden, so hat es dabey sein Bewenden.


Tit. 65 und 66                                                                                      135

§ 12. Rechtskräftig ausgeklagte Forderungen müssen von Zeit der Rechtskraft mit Fünf auf Hundert verzinset werden.

§ 13. Die Zinsen müssen, wofern nicht ein anders beliebet worden, in gleicher Münze mit dem Haupt-Stuhl entrichtet werden. Wo aber ein anders bey öffentlichen Cassen hergebracht ist, hat es sein Verbleiben.

§ 14. Hat ein Gläubiger drey Jahre hindurch geringere Zinsen, als ihm versprochen worden, angenommen, so muß er auch forthin damit um so mehr zufrieden seyn, als ihm frey stehet, den Haupt-Stuhl aufzukündigen.

§ 15. Bey unablöslichen jährlichen Renten aber, und wenn der Haupt-Stuhl nicht gekündiget werden kann, müssen solchenfalls dreyßig oder gegen Kirche und Städte, wie auch Unsre Rent-Cammer, vierzig Jahre verflossen, mithin eine völlige Verjährung seyn.

§ 16. Wenn aber die angenommenen Münz-Sortenvon ungleichem Gehalt, und in den folgenden Jahren schlechter als in denen ersten gewesen, ist sodann der Münz-Fuß der erstem und nicht der folgenden Jahre aufs künftige beyzubehalten, wofern nicht eine geringere Münze in vorhin gesetzter Zeit angenommen worden.

§ 17. Im übrigen aber treten Wir der Meinung derjenigen bey, welche zu Erlöschung jährlicher Renten keine andre als eine unvordenkliche Ver­jährung zulassen.

Titul LXVI.   Vom Beweis.

§ 1. Denen Partheyen lieget ob, den nöthigen Beweis von selbst beyzu­bringen, und sollen, wenn solches nicht geschehen, Unsre Gerichte nicht erst auf Beweis erkennen, sondern, jedoch mit Beyfügung der Ursache des nicht geführten Beweises, sofort endlich in der Sache erkennen.

§ 2. Wenn aber unter den Partheyen darüber gestritten wird, wer den Beweis zu führen habe, und was zu erweisen sey, wie auch, in welcher Ordnung es zu thun, so ist alsdann solches durch den richterlichen Spruch zu bestimmen.

§ 3. Der Ober-Richter ist an einen von dem Unter-Richter nachgelassenen ganz unnöthigen, überflüssigen und unerheblichen Beweis keinesweges gebunden, sondern er ist vielmehr, wenn die Haupt-Sache zu dessen Er­kenntniß erwachsen ist, schuldig, zu Verkürzung der Sache selbigen von Amtswegen zu verwerfen, wenn schon desfalls nicht zugleich an ihn wäre appelliret worden.

§ 4. Ein Anfangs auferlegter Beweis kann, wenn nachhero mehrere und nähere Umstände hervorgetreten, gar wol erweitert, verändert und näher


136                                                                                                                 Tit. 66 und 67

bestimmet werden, wenn schon vorhin gegen die erste Zulassung kein Rechts-Mittel eingewandt worden.

§ 5. Ein erforderter Beweis kann auch durch etwas gleichgültiges geführet werden. Wofür dasjenige zu halten ist, welches gleiche Rechts-Würkung nach sich ziehet. Sind aber bey der Auflegung des Beweises dem Richter die vermeinten gleichgültigen Dinge schon bekannt gewesen, aber nicht für gleichgültig gehalten, noch darüber der Beweis mit zugelassen wor­den, so ist nachher auf die vermeinte Gleichgültigkeit weiter nicht zu achten.

§ 6. Bey den Beweis-Terminen ist nicht nach der gemeiniglich in den Ge­richten angenommenen Strenge zu verfahren, daß wegen einiger dabey vorfallenden Versäumniß der Beweis sogleich für verschlossen erkläret werde, da ohnehin dieses nur die Würkung mit sich führen kann, daß der Beweis-Führer in derselben Instanz damit nicht zu hören, hingegen in der Appellations-Instanz ihm ohnehin aller neuer Beweis bevorbleibet. Es sind also vor einem End-Urtheil die Partheyen noch zu jeder Zeit da­mit zu hören, jedoch daß zuvor ein Theil dem andern die Kosten des ver­zögerten Processes erstatte.

Titul LXVII.   Vom Beweis durch Zeugen.

§ 1. Ob zwar die Rechts-Lehrer Deutschlands darüber nicht einerley Meinung sind, ob nach einmal eröffneten Zeugen-Kundschaften annodi neue Zeugen in der Appellations-Instanz über dieselben oder auch gerade entgegengesetzte Artikel zugelassen seyn, so ist jedoch in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung ausdrücklich versehen, daß solches, wenn die Zeugen in voriger Instanz ordentlich abgehöret worden, nadi der Regel nidit zu verstatten sey, und wir haben dahero gnädigst gern vernommen, daß diesen Worten von Unserm Ober-Appellations-Geridite genau nachgelassen werde.

§ 2. Da jedoch auch eben diese Ordnung Ausnahmen zulässet, worunter insonderheit zu verstehen ist, wenn jemanden die Wiederherstellung in den vorigen Stand angedeihen muß, also billigen Wir auch, daß Unser Ober-Appellations-Gericht darin eine Ausnahme gemacht hat, wenn die neuen Artikel auf neue, vorhin noch nicht besonders vorgekommene Begebenheiten und Umstände geriditet werden.

§ 3. Es kann audi die in Unsrer Ober-Appellations-Geridits-Ordnung ge­setzte Regel bey denen von Notarien aufgenommenen Kundsdiaften keine Zueignung finden.

§ 4. Wir billigen vielmehr zugleidi audi die Meinung derer jenigen, weldie denen Notarien nidit verstatten, Zeugen ordentlidi zu beeidigen.


Tit. 67                                                                                              137

Es soll gleichwol, wenn Gefahr am Verzüge vorhanden, eine an Eides-Statt oder so, wie sie es demnächst eidlich bekräftigen wollen, ge­schehene Aufnahme zur Bescheinigung angenommen werden.

§ 5. Juden-Zeugen können zwar nach denen Kaiserlichen Rechten gegen einen rechtgläubigen Christen, wenn auch der Streit zwischen zwey rechtgläubigen obwaltete, nicht gebrauchet werden. Sollte jedoch die Wahrheit anders nicht an den Tag zu bringen stehen, oder es würden Christen- und Juden-Zeugen zu gleich vorgeschlagen, und letztere soll­ten nur derer erstem Aussage unterstützen, so sind sie billig zuzulassen.

§ 6. Gleichwie Wir denenjenigen beytreten, welche überhaupt in Ehe-Sachen die Eltern als Zeugen für ihre Kinder annehmen, also mögen Wir hingegen in solchen Sachen, welche das Vermögen angehen, selbige für einander nicht zulassen. Und dieses findet auch bey Schwieger-Eltern und Schwieger-Kindern Statt.

§ 7. Ist hingegen der Streit unter den Kindern selbst, so müssen die Eltern, da zu glauben ist, daß sie zu jedem Kinde gleiche Liebe haben, als ganz untadelhafte Zeugen gelten.

§ 8. Mann und Frau können für einander in Sachen, die das Vermögen betreffen, nicht zeugen.

§ 9. Sonst kann in dergleichen bürgerlichen Sachen nur eine solche Ver­wandschaft den Glauben des Zeugen vermindern, welche ihm ohne Testament die nächste Erbfolge in des Beweisführers Güter giebet.

§ 10. Die Bezüchtigung eines öffentlichen Verbrechens kann den Zeugen, so lange er dessen nicht schuldig vertheilet worden, nicht verwerflich machen. Wir können auch keinesweges die Lehre des Canonischen Rechts billigen, daß es erlaubt seyn solle, um den Zeugen zurückzu­stoßen, den Beweis eines von demselben ausgeübten öffentlichen Ver­brechens zu führen, da hiedurch nur eine gänzliche Verwirrung der ge­richtlichen Händel entstehen, der Beschuldigte nicht gehöret, und zu­gleich oft etwas für den bürgerlichen Richter gezogen würde, was dem peinlichen Richter zu untersuchen zukommt.

§ 11. Am wenigsten aber können bloße bruchfällige Sachen und deren Bestrafungen einen Zeugen untüchtig machen.

§ 12. Ehrlose Personen mögen nicht anders als zu Vertheidigung eines peinlichen Angeklagten Zeugniß abstatten.

§ 13. Bediente, die in des Zeugenführers Kost und Lohn stehen, können aus solchem Grunde allein vom Zeugniß für ihren Herrn nicht ausge­schlossen werden. Sie sind aber nicht zu nöthigen, wider ihn zu zeugen.


138                                                                                                                 Tit. 67 und 68

§ 14. Es können also in Hude- und Weide-Sachen auch die in der Ge­meine Lohn noch würklich stehende Hirten gültiges Zeugniß ablegen, wenn sie sonst für ihre Person bey der Sache nicht interessirt sind.

§ 15. Ein gewesener Unterhändler kann alsdenn nicht Zeuge seyn, wenn er selbst deswegen in Anspruch genommen werden kann.

§ 16. Wegen des Zeugen-Verhörs zum immerwährenden Gedächtniß wol­len Wir dasjenige, was in Unsern Gerichts-Ordnungen davon enthalten, annodi dahin erklären, daß dem Kläger solches auch alsdann zu ver­statten sey, wenn die Frage, von wem und worüber der Beweis zu führen, annodi unentschieden ist und der Kläger zu dem Beweise sidi nidit sdiuldig eraditet.

Titul LXVin.   Vom Beweis durch briefliche Urkunden.

§ 1. Wer ein öffentlidies, es sey vor Gericht oder Notarien und Zeugen verfertigtes Protocoll oder Instrument als irrig gefasset anfechten will, muß solches wenigstens mit drey Zeugen darthun, als wie Wir darin dem Canonisdien Redite und denen darauf sidi gründenden Redits-Lehrern beytreten. Es kann aber dem Protokollisten, als einer bereits beeidigten Person, über die Unrichtigkeit kein Eid zugeschoben werden, wol aber dem Gegentheil, welcher bey der Niederschrift zugegen gewesen.

§ 2. Ob zwar der Glaube eines jeden öffentlichen Instruments von dem Eide desjenigen, der es niedergeschrieben, abhänget, so wollen Wir je­doch in Unsern deutschen Landen die Verfügung Unsers Ober-Appella­tions-Gerichts auch ferner befolget wissen, daß die Instrumente der No­tarien zugleich von denen beiden zu der Handlung gebrauchten Zeugen unterschrieben werden. Dessen es jedodi bey dem bloßen Protokoll nidit bedarf.

§ 3. Die Niedersdirift eines auf die Verwaltung der Gereditigkeit über­haupt in Eid und Pflidit genommenen Riditers ist ebenso gültig, als wenn er ausdrücklich auf die Führung des Protocolls beeidiget wäre. Es ist demnadi audi der Niedersdirift eines auf die Justiz beeidigten Raths völliger Glaube beyzumessen.

§ 4. Als Wir vernommen, daß die Notarien vielfältig sidi zugleidi zur Besitz-Ergreifung gebraudien lassen und darüber Urkunden zu verferti­gen, dieses aber ein Mißbraudi ihres Amts ist, so soll soldies hinfüro gänzlidi abgestellet seyn, und die Urkunde keinen Glauben haben.

§ 5. Die von Notarien beglaubigte Absdiriften erweisen nur, wenn sie von öffentlidien Urkunden genommen sind.


Tit. 68                                                                                              139

§ 6. In Ansehung der Amts-Lager- und Sal-Bücher ist Uns vorgetragen, daß solche aus denen alten Weisthümern zusammen getragen seyn, wel­che ehedem bey gehegtem Gericht von denen beeidigten Schoppen oder Findungs-Leuten eingebracht worden. Wir finden es demnach für billig, daß diese Bücher in demselben Amte und Gerichte unter denen Gerichts-Unterthanen so lange gelten, bis das Gegentheil erwiesen werde.

§ 7. Bey denen Schreibens-Unerfahrnen, auch solchen Personen, welche Krankheits und Schwachheits halber das Geschriebene nicht nachzusehen im Stande sind, ist es nicht genug, daß ihnen von jemand der Inhalt vor­gelesen worden und sie es darauf entweder mit geführter Hand unter­schrieben oder durch einen andern ihren Namen unterschreiben lassen, sondern es muß entweder die Vorlesung, Genehmigung und Vollziehung vor Gerichte oder aber außerhalb Gerichts von einem Notario in Gegen­wart zweyer Zeugen geschehen seyn.

§ 8. Wenn eine Urkunde sich auf eine andere beziehet, die letztere aber nicht beygebracht wird, so ist gleich wol solche Urkunde, wenn sie den Inhalt der andern deutlich enthält, für gültig zum Beweise anzunehmen, und kann in solchem Fall der von den Rechts-Lehrern beliebte Satz, daß ein Referend ohne des Relatum nichts erweise, gar nicht Statt finden.

§ 9. Die von Unsern Beamten oder andrer Gerichts-Herrn beeidigten Be­dienten geführte Bruch-Register beweisen alsdenn völlig, wenn daraus zugleich die würkliche Erhebung der Brüche beglaubiget wird, da nicht allein dieser Glauben erwecket, sondern auch überher auf keine Weise zu vermuthen stehet, daß sie solche Uns oder dem Gerichts-Herrn aus eignem Vermögen erstattet haben sollten.

§ 10. Wenn von einer privat-Urkunde die Hand und Unterschrift nicht anerkannt werden will, so sind in Unserer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung zu deren Beweis zwey Mittel vorgeschrieben, wovon das erste der Beweis durch Zeugen ist. Hievon ist durch Unsre Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung Versehung geschehen. Welche Wir nur dahin erläu­tern wollen, daß, wenn die Zeugen bey der Unterschrift nicht selbst gegenwärtig gewesen, sie es von dem Aussteller des Briefes erfahren haben müssen, und dahin die Beweis-Artikel einzurichten seyn.

§ 11. Als auch Zweifel vorgekommen, ob bey diesem Beweise ein Gegen-Beweis zuzulassen, so billigen Wir die Meinung Unsers Ober-Appella­tions-Gerichts, daß derselbe Statt finde.

§ 12. Wenn es aber auf das zweyte Mittel der Vergleichung der Buch­staben ankommt, so vernehmen Wir, daß bey diesem höchst gefährlichen Mittel in denen Kaiserlichen Rechten zugleich verordnet sey, daß inson-


140                                                                                                                              Tit. 68

derheit derjenige, welcher die von einem andern durch seine Unterschrift vollzogene Urkunde geschrieben, namhaft zu machen, und darüber zu befragen sey. Es ist also auch dieses bey der anzustellenden Ver­gleichung nicht außer Acht zu lassen, und der Beweisführer vor allen Dingen auch denselben zu benennen, oder daß ihm solcher unbekannt, eidlich zu erhärten schuldig.

§ 13. Da inzwischen auch, wie Wir zugleich berichtet worden sind, bey Vergleichung der Buchstaben die dazu genommene Schreibmeister zwar die Züge der ihnen vorgelegten Buchstaben der Ähnlichkeit nach gegen einander vergleichen, hingegen auf die Dreistigkeit des Zuges und der ganzen Schrift nicht achten, so wollen Wir, daß dieses denen jedesmal zu nehmenden Schreib-Erfahrnen zugleich, um in ihrem Urtheil sich darnach zu richten, bey der Beeidigung aufgegeben werde.

§ 14. Sind nun auch die Schreib-Erfahrnen ungleicher Meinung, so kommt es immer auf die von ihnen untergelegten Gründe an, und es muß als-denn von Unsern Gerichten abhängen, ob oder wie weit sie darunter eine Wahrheit anzutreffen glauben mögen, zumal Wir nicht absehen mögen, warum Unsre Räthe nicht auch darüber ein Urtheil fällen könn­ten.

§ 15. Von denen aus einem öffentlichen Archiv genommenen Aufsätzen ist zu glauben, daß sie würklich und gleichlautend ausgefertiget sind.

§ 16. Nicht weniger ist zu glauben, daß die darin verwahrte Abschriften mit der verloren gegangenen Haupt-Urkunde übereinstimmen.

§ 17. Es ist aber für ein öffentliches Archiv zu halten, was unter öffent­licher Bedienten, oder doch beeidigter Personen Aufsicht von aller Zeit her, besonders jedoch in derjenigen Zeit, worin die Urkunde einschlaget, gestanden. Welches bey Fürstlichen Reichs-Gräflichen Archiven, nicht weniger bey denen Registraturen Unsrer Ämter, und der Landschaften, wie auch derer mit einem beeidigten Stadtschreiber versehenen Städte als gewiß anzunehmen ist. Und bey denen Registraturen Unserer höhern Collegiorum verstehet sich dieses von selbst.

§ 18. Ein gleiches wollen Wir auch bey denen Thum-Capituln und Colle-giat-Stiften Unsrer Deutschen Lande beobachtet wissen, nicht weniger bey der Registratur Unsrer Kloster Cammer.

§ 19. Es kann aber der Inhalt einer im Archiv vorgefundenen Schrift nicht anders für eine Wahrheit gehalten werden, als in so fern die Nie­derschrift ein Zeugniß eines beeidigten Mannes und dabey solche Dinge betrifft, die er mit Gewißheit einzeugen können, und worin er auch sonst keine widrige Vermuthung einer Partheylichkeit gegen sich hat.


Tit. 68 und 69                                                                                     141

stehet es sich von selbst, daß neben dem Haupt-Buche auf Verlangen auch jedesmal die sogenannte Kladde, woraus das Haupt-Buch formiret ist, zum Vorschein gebracht werden müsse.

§ 20. In Ansehung der Handels-Bücher ist von weiland Unsers Herrn Elter-Vaters König Georg des lsten Majestät unterm 21sten Mart. 1720 besondre Verordnung ergangen, und denenselben nur unter Kaufleuten ein halber Beweis gelassen. Hiebey hat es also sein Bewenden. Auch ver-

Titul LXIX.    Von Edirung brieflicher Urkunden.

§ 1. Unsre Ämter mögen Klägers oder Beklagten Stelle vertreten, so können sie sich gegen die Amts-Unterthanen nicht entlegen, die Amts­und Gerichts-Bücher auf Verlangen zu ediren.

§ 2. Wenn des Klägers Anspruch aus einem angeblich mit dem Beklagten gehabten Geschäfte entstehet, ist der Beklagte jederzeit schuldig, die davon unter sich habende Urkunden und Nachrichten eidlich zu ediren. Ist auch der Beklagte des Geschäfts an sich und überhaupt geständig, so kann dem Kläger desfalls kein Eid für Gefährde, wol aber sonst aufer­leget werden. Und hievon sind auch Unsre Beamte nicht zu befreyen.

§ 3. Bey gemeinschaftlichen Urkunden berichtet es ohnehin außer Zwei­fel, daß solche auch ein Beklagter dem Kläger ediren müsse.

§ 4. Testamente, welche nicht bloß unter Kindern ohne alle Feyerlich-keit gemachet werden, sind als öffentliche Urkunden anzusehen, und kann deren Edition niemandem, der ein Interesse dabey angiebet, von dem Beklagten, noch auch von dem Gerichte, wo sie verwahrlich aufbe­halten werden, der ihn betreffende Auszug versaget werden.

§ 5. Auch kann die Einsicht frommer Stiftungen niemandem, der dabey interessiret zu seyn glaubet, verweigert werden, so lange nicht der An­spruch zur offenbaren Gefährde gereichet.

§ 6. Was die Klagen um Eigenthum betrifft, so kann kein Kläger von dem Beklagten über den Grund seines Besitzes die Edition einiger Ur­kunden fordern.

§ 7. Bey Dienstbarkeiten der Güter hingegen, wenn der Kläger, welcher solche verlanget, im Besitz ist, lassen Wir es nach, auf die Edition derer zum Beweis der Dienstbarkeit gereichenden Urkunden gegen den Be­klagten zu dringen.

§ 8. Wie die Lehns-Folger gegen die Land-Erben auf die Edirung derer zum Lehn gehörigen Urkunden klagen können, also mögen auch die


142                                                                                                           Tit. 69, 70 und 71

Land-Erben, wenn die Lehnfolger durch die Besitz-Ergreifung alle Brief­schaften in ihre Hände bekommen, gegen diese auf eidliche Edirung der Briefschaften dringen.

Obs. T. IV. O. XXXVI

B. u. H. Erört: T. IV. Erört: XLVIII.

Titul LXX.   Von der Unwissenheit des Rechts und dessen, was vorgefallen ist.

§ 1. Wenn die Unwissenheit des Rechts oder dergleichen Irrthum klare und von Rechts-Lehrern gar nicht bezweifelte Sätze betrifft, so muß das­jenige eintreten, was die Römischen Rechte desfalls verordnen. So bald es aber auch nur einigermaßen zweifelhafte Sätze angehet, fällt die Zu­eignung solcher Rechte um so mehr weg, als immer wenigstens einige Ungewißheit vorhanden gewesen, ob derjenige, der aus Unwissenheit des Rechts gehandelt, dadurch in Schaden gekommen sey oder nicht. § 2. Nachdemmalen auch die in Unsern Deutschen Landen befindliche Bauern, worunter Wir jedoch den Hausmanns-Stand im Bremischen kei-nesweges begreifen, billig eine Entschuldigung und Nachsicht verdienen, wenn sie durch Unwissenheit der Rechte sich in Schaden bringen, dahero nicht allein die Rechts-Lehrer ihnen solche Unwissenheit zu gute kommen lassen wollen, sondern auch Unsre Landes-Ordnungen zum Theil für sie als Unmündige sorgen, dieselben auch ihre meiste Zeit mit Diensten und Ackerbau zubringen müssen, so wollen Wir die Meinung der Rechts-Lehrer genehmigen, daß denen einfältigen Bauern in Unsern deutschen Landen, wenn sie Schaden leiden sollten, jedoch in der Maße, wie vorhin versehen, die Unwissenheit des Rechts zu Statten komme. Wobey sich jedoch von selbst verstehet, daß gegen die ihnen bekannt gemachten Verordnungen sie dergleichen Unwissenheit nicht schützen können.

§ 3. Da die öffentlichen Intelligenz-Blätter in Unsern Landen dazu dienen, daß alles darin angezeigte öffentlich im ganzen Lande bekannt werde, so kann die vorgegebene Unwissenheit des darin angezeigten niemanden zur Entschuldigung dienen.

Titul LXX.   Von Ehe-Verlobungen.

§ 1. Nach demmahlen bereits Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. unterm 5./16. Jan.: 1733 eine Verordnung ergehen lassen, wie es wegen der Ehe-Verlobungen zu halten sey, so wollen Wir solche nicht allein hiedurch bestätigen sondern auch auf unsre Herzogthümer Bremen, Verden und Sachsen Lauenburg sammt dem Lande Hadeln ausgedehnet wissen, je­doch zugleich in einigen Stücken erläutern.


Tit. 71                                                                                                                             143

§ 2. Als nun in derselben zwey ehrliche Manns-Personen zu Zeugen, auf dem Lande aber bey gemeinen Leuten auch die jedesmahlige Gegenwart des dasigen Predigers erfordert, so lassen Wir es zwar dabey überhaupt. Es ist aber hiebey auf den Ort des Aufenthalts, nicht des Bräutigams, sondern der Braut zu sehen.

§ 3. Unter dem Lande werden die Fleckens nicht mit begriffen.

§ 4. Wenn auch dabey Zweifel vorgefallen, ob der Prediger, wenn er selbst zu kommen behindert wird, an seine Statt den Küster absenden möge, so billigen Wir die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte ange­nommene Meinung, daß solches zulässig sey.

§ 5. Es sollen jedoch überall in dem Fall, wenn der Prediger nicht füglich zugegen seyn könnte, die Verlobte schuldig seyn, gleich den ersten Sonntag nach der Verlobung ihre getroffene Entschließung dem Prediger des Orts anzuzeigen und sich darüber ein Zeugniß zu erbitten.

§ 6. Gleichwie aber die Absicht der Verordnung ist, daß durch die Zeugen alles in völlige und ungezweifelte Gewißheit gesetzet werde, also ist es nicht genug, daß einige Personen etwas gesehen oder gehöret, woraus eine Verlobung zu muthmaßen stünde, als wohin auch die Beringung der Braut zu rechnen, sondern es muß denen Zeugen von denen Verlobten mit klaren und deutlichen Worten eröffnet werden, daß sie sich einander die Ehe versprechen. Widrigenfalls es für keine Verlobung zu halten ist.

§ 7. Können solchemnach die Zeugen von der Verlobung mit Gewißheit nichts aussagen, so soll weder ein Erfüllungs-Eid noch die Eideszuschie-bung Statt haben.

§ 8. Als auch nach vorgedachter Verordnung die Zuziehung der Obrigkeit genug ist, so ist es für eine bündige Verlobung zu halten, wenn beyde Theile die unter einander errichtete Ehestiftung zur Bestätigung an die Obrigkeit bringen, und ist es in so fern gleich viel, ob sie an des Bräuti­gams oder der Braut Obrigkeit gebracht worden.

§ 9. Unter Eltern, deren Einwilligung nachzusuchen, begreifen Wir auch die bey der Einkindschaft angenommene.

§ 10. Es soll auch in Ansehung der Eltern und Vormünder nöthigen Bey­stimmung unter der ersten oder zweyten Heyrath des Kindes kein Unter­schied gemacht werden.

§ 11. Unter-Officire und Gemeine können nach denen bereits von Unsern Herrn Elter-Vaters Maj. desfalls ergangenen Verordnungen ohne Con­sens des Chefs vom Regimente sich in keine Eheberedung bey Strafe der Nichtigkeit einlassen.


144                                                                                                                              Tit. 71

§ 12. Hat ein Kind, ohne vorher seiner Eltern Bewilligung nachgesuchet zu haben, sich bereits verlobet, so ist dieses allein genug, daß die Eltern ihre Einstimmung versagen. Welches jedoch auf Vormünder nicht zu erweitern ist.

§ 13. Da die Versagung der Elterlichen oder auch Vormundschaftlichen Einwilligung, wenn sie aus Eigensinn und ungegründeten Ursachen ge­schiehet, ein Mißbrauch der Väterlichen Gewalt oder der Eltern natür­lichen Herrschaft und Ansehens, bey Vormündern aber ihres Amts ist, so verordnen Wir wolbedächtlich, daß bey Unsern Consistoriis auf die Erfüllung des Eltern oder Vormundschaftlichen Beyfalls das Kind zu klagen selbst, und nicht der vermeinte Bräutigam befugt seyn solle.

§ 14. Sind die Eltern unter sich uneins, so muß des leiblichen Vaters Meinung dem Gutfinden der Mutter jederzeit vorgehen, und ist sodan allein hinlänglich. Und so ist es auch bey Groß-Eltern zu halten. Der leiblichen Mutter und der Groß Eltern Dafürhalten gehet auch denen Ge­danken eines angenommenen Vaters und der Vormünder vor.

§ 15. Ob gleich die mehrerwähnte Verordnung erfordert, daß der Eltern und der Vormünder Einwilligung vor der Verlobung erhalten werden müsse, so wird doch die Verlobung auch durch deren nachherige Geneh­migung gültig.

§ 16. Es mögen aber Kinder weder von ihren Eltern, auch nicht einst vom Vater noch von einem Dritten zu einer Ehe-Beredung gezwungen werden. Jedoch ist es für keinen Zwang zu halten, wenn das Kind aus Ehrfurcht sich dem Willen des Vaters unterwirft.

§ 17. Wäre die Verlobung nicht der Verordnung gemäß geschehen, und ein Theil träte zurück, so kann der andre desfalls wegen Beschimpfung gar nicht klagen, da er es sich selbst beyzumessen, daß er des Landes Gesetz nicht befolget, ohnedem auch die Absicht einer Beschimpfung dabey nicht wol vorhanden seyn kann.

§ 18. Ohne Unsrer geistlichen Gerichte Einwilligung können die Verlobte auch mit beyderseitigem guten Willen von dem Ehe-Versprechen nicht abgehen. Unsre Gerichte müssen jedoch in diesem Fall, da beyde eins, wenn kein Beyschlaf hinzugekommen, keine Schwürigkeiten machen.

§ 19. Wir pflichten auch denen Rechtslehrern bey, welche wider ein bloßes Ehe-Versprechen, wenn kein Beyschlaf erfolget, und das Gelöb-niß eidlich geschehen, die Unmündigen bey eintretendem Widerwillen auf deren Ansuchen wieder in den vorigen Stand setzen. § 20. überhaupt aber haben Unsre geistlichen Gerichte die angeführten Ursachen, warum ein Theil zurück zu gehen verlanget, sorgfältig zu er-


Tit. 71 und 72                                                                                                                145

wägen. Finden sie solche alsdann so beschaffen, daß der eine Theil nach der Verlobung mit Grunde Rechts einen Widerwillen gegen den andern gefasset, so muß er weiter nicht gebunden seyn.

§ 21. Wir sind auch belehret worden, daß nach denen Kaiserlichen Rech­ten nun einem bloßen Ehe-Versprechen auf die Vollziehung der Ehe nicht einst geklaget werden können, und daß auch die Canonischen Rechte nur bey einem eidlichen Versprechen den Zwang mit dem Kirche-Banne oder andern geistlichen Strafen vorschreiben, sonst aber es bey gütlichen Ermahnungen gelassen wissen wollen, damit nicht andergestalt unglückliche und Gott mißfällige Ehen entstehen mögen. Wie nun auch bey Unsern geistlichen Gerichten also verfahren wird, daß, wenn zum Beyschlaf nicht geschritten worden, zwar Ermahnungen und gelinde Zwangs-Mittel gebrauchet werden, weiter aber, und insonderheit auf eine wider Willen vorzunehmende Priesterliche Trauung der Zwang nicht erstrecket wird, so wollen Wir, daß auch dieses ferner so beob­achtet werde.

§ 22. Wenn die Ehe durch den Tod des einen Theils nicht vollzogen wer­den kann, so werden die Geschenke von beyden Seiten zurückgegeben, ohne auf den Unterschied des Römischen Rechts zu sehen, ob der Bräuti­gam die verstorbene Braut geküsset habe oder nicht. § 23. Wenn ein Theil wegen Minderjährigkeit wider das Ehe-Verspre­chen in vorigen Stand gesetzet wird, werden die Geschenke von beyden Seiten zurück gegeben.

§ 24. Wenn eine Person, ohne daß eine rechtmäßige Ursache ihrer Wi­derspenstigkeit erwiesen worden, zu Vollziehung der Ehe nicht gebracht weren kann, soll nicht allein der andre Theil das ihm geschenkte behalten, sondern auch der Widerspenstige alles ihm geschenkte doppelt erstatten.

§ 25. Sonst aber muß derjenige, welcher dazu Ursache gegeben, daß der andre zurück treten mögen, das Empfangene heraus geben, der andre aber behält das Geschenkte.

§ 26. Ist es aber nicht wol auszumachen, an wem die Schuld lieget, so geben sie sich das Geschenkte beyderseits einander heraus. § 27. Es sollen auch solche Geschenke an Unsre Consistoria nicht ver­fallen seyn.

Titul LXXH.   Von der Ehe.

§ 1. Ob wol Unsre Kirchen-Ordnungen über die Nothwendigkeit der Priesterlichen Trauung sich nicht deutlich herausgelassen, vielmehr Unsre Calenbergische Kirchen-Ordnung in Ehe-Sachen die gemeinen Kaiser-

10   Ebel


146                                                                                                                               Tit. 72

liehen Rechte zum Grunde leget, mithin die Trauung zur Vollziehung der Ehe und deren Gesetzmäßigkeit unnöthig, und beider Theile Einwilli­gung hinlänglich scheinen mögte, so ist jedoch, wie in denen meisten übrigen Evangelischen Ländern, also auch in Unsern Deutschen Landen die Priesterliche Trauung dahin beybehalten, daß keine andre als eine solchergestalt vollzogene Ehe für gesetzmäßig geachtet wird. Und dabey wollen Wir es auch durchaus lassen, mithin sollen keinen andern Christ­lichen Eheleuten, noch deren Kindern, die rechtmäßigen Eheleuten und Kindern durch die bürgerlichen Gesetze beygelegte Rechte zu Statten kommen.

§ 2. Wäre gleichwol jemand eine von ihm geschwächte Person sich an­trauen zu lassen durch Urthel und Recht schuldig vertheilet, die würk-liche Trauung aber durch dessen Schuld nicht erfolget, so soll alsdenn es so angesehen werden, als wenn die Trauung würklich vor sich gegangen.

§ 3. Ob gleich einem abgesetzten Prediger Priesterliche Handlung vorzu­nehmen nicht erlaubt ist, so ist doch, wenn etwa die Trauung von ihm geschehen, dadurch die Ehe nicht ungültig.

§ 4. Die bloße Trauung macht keine Ehe in Ansehung eines dritten be­ständig.

§ 5. Wenn demnach Eltern oder Vormünder auf die Vernichtigung einer ohne ihre Einwilligung vollzogenen Ehe dringen, und Unser geistliches Gericht zu solcher Vernichtigung schreitet, so ist die Ehe als von An­fang nichtig anzusehen und führet keine gesetzmäßige Folgen mit sich. Bedienen sich aber die Eltern oder Vormünder dieses Rechts nicht, so bleibet alsdenn die Ehe beständig. Die Eheleute selbst aber können sie als nichtig nicht anfechten.

§ 6. Es müssen jedoch die Eltern oder Vormünder, sobald sie es erfahren und dazu gelangen können, zur Nichtigkeits-Klage schreiten, sonst sie damit nachhero weiter nicht gehöret werden sollen.

§ 7. Es kann auch kein Vormund nach bereits geendigter Vormundschaft annodi auf Vernichtigung der Ehe klagen.

§ 8. Hätte jemand sich vorher mit einer Person öffentlich verlobet, und sie wäre schwanger von ihm geworden, er hätte aber hierauf mit einer andern Person sich trauen lassen, so soll die Ehe auf Anrufen der erstem für nichtig erkläret, und er vielmehr diese sich antrauen zu lassen angehalten werden.

§ 9. Wenn bey Unter-Officiers und Gemeinen der Chef des Regiments auf die Vernichtigung nicht dringet, so bleibet die Ehe bestehen.


Tit. 72                                                                                                                              147

§ 10. Als auch in den gemeinen Kaiserlichen Rechten versehen ist, daß ein Vormund das in seiner Pflege stehende Kind weder selbst heyrathen noch seinem Sohne zur Ehe geben könne, welches auch Unsre Calenber­gische Kirchen-Ordnung beybehalten und dahin erweitert hat, daß er auch seine Tochter dem Pflegling nicht geben könne, und denn zwar nach heutiger Verfassung die Furcht der abzulegenden Vormundschafts-Rechnungen, worin ehedem der Grund des Verbots bestanden, großen Theils wegfällt, gleichwol die Folge daraus entstehen würde, daß der Unmündige den treuen Rath des Vormundes in einer auf seine ganze Lebenszeit ihm so wichtigen Sache entbehret, welchen auch zugleich Unsre Landes-Gesetze durchaus erfordern, so wollen Wir hiedurch Unsre Calenbergische Kirchen-Ordnung in diesem Stück allgemein machen und auf Unsre sämmtliche deutsche Lande erweitern, jedoch solchergestalt, daß die Einwilligung eines Neben-Vormundes, oder auch Ehren-Vor­mundes allen Mangel ersetze, Unsre geistlichen Gerichte auch selbst allenfalls, wenn wegen der Rechnungen des Mündlings Vermögen nicht gefährdet wird, durch ihren Beytritt das Fehlende ergänzen mögen.

§ 11. Wenn Personen wider die Göttlichen oder Unsre Kirchen-Gesetze eigenwillig sich geehelichet haben, so sollen dieselben zwar dem Befin­den nach ernstlich gestrafet werden. Es sollen auch diejenigen Ehen, welche in der H. Schrift bey Lebens-Strafe verboten sind, nämlich zwi­schen sowol leiblichen als Stief- und Schwieger-Eltern und Kindern, auch leiblichen oder Stief-Geschwistern, durchaus nicht geduldet, sondern getrennet werden. Als jedoch übrigens die Rechte geneigter sind, etwas von Anfang nicht zuzulassen, als das Geschehene wieder aufzuheben, und, wie Uns vorgetragen ist, sowol die Jüdischen Ausleger, als auch sehr viele und große Evangelische Gottes-Gelehrten und Rechtslehrer dergleichen durch den Beyschlaf bereits vollzogene Ehen zu Verhütung größern Ärgernisses und trauriger Folgen zu dulden anrathen, so wollen Wir, daß in etwa vorkommenden Fällen diesem nachgegangen werde. Die aus solchen Ehen erzeugten Kinder sollen jedoch nur in so fern zur Erbfolge gelassen werden, als die Ehe in dem Göttlichen Gesetz nicht ausdrücklich verboten worden. Auch sollen die übrigen bürgerlichen Folgen nicht anders eintreten.

§ 12. Wenn eines der Eheleute als von Anfang zum Ehestande von Natur untüchtig angegeben, mithin die Aufhebung der Ehe verlanget wird, so kann auch sogar beiden auf ihr bloßes Anführen und Geständniß so schlechterdings nicht getrauet werden, weil sonst Gelegenheit gegeben würde, daß Personen, bey welchen die eheliche Liebe sich verloren, durch eine erdichtete Angabe von einander getrennet würden. Es muß

10*


148                                                                                                                              Tit. 72

vielmehr auch in solchem Falle der Beweis dem Richter dargeleget wer­den.

§ 13. Ist jedoch ein klarer und ungezweifelter Beweis vorhanden, so ist auch in dem Fall, wenn der eine Theil es leugnet, die Abwartung der sonst in den Rechten vorgeschriebenen dreyjährigen Zeit nicht nöthig.

§ 14. Wenn aber von der Untüchtigkeit zwar keine völlige Gewißheit, doch eine große Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, und die Eheleute selbst darin übereinkommen, so ist genug, daß sie beide ihren Anzug eidlich bestärken, ohne daß es zugleich des in denen Päbstlichen Rechten erforderten Eides der nächsten Verwandten bedürfe, und ist auch als-denn die dreyjährige Zeit der Beywohnung nicht abzuwarten. Sonst aber können sie zum Eide nicht eher als nach Ablauf der drey Jahre gelassen werden. Wiewol auch sodann die nächsten Verwandten dabey nicht nöthig sind.

§ 15. Wäre der eine Theil der Untüchtigkeit nicht geständig, es hätte aber der andre sofort in den ersten zwey Monaten nach der Heyrath dar­über geklaget, und es ergäben sich auch davon nur wahrscheinliche An­zeigen, so ist derselbe, ohne den Ablauf der drey Jahre abzuwarten, zum Erfüllungs-Eide allein zu lassen.

§ 16. Hat derselbe aber mit seiner Beschwerde eine längere Zeit Anstand genommen, oder die Ärzte wären verschiedener Meinung, so findet der Eid, ehe die drey Jahre verflossen, keine Statt.

§ 17. Die drey Jahre selbst sind so zu rechnen, daß sie eine solche ganze Zeit würklich zusammen gewohnet haben.

§ 18. Wollen gleichwol auch bey einer würklichen Untüchtigkeit des einen oder des andern die Eheleute zusammen bleiben, ist ihnen solches nicht zu verwehren.

§ 19. Eine erst während der Ehe ohne des Ehegatten Schuld entstandene Untüchtigkeit kann die Ehe nicht aufheben.

§ 20. Wegen Alters soll niemanden zu heyrathen versaget werden, wenn schon einer oder beyde keine Kinder mehr erzeugen könnten.

§ 21. Äußern sich nach vollzogener Ehe bey einem oder andern der Ehe­leute solche von dem einen Theil verhelte Umstände, welche einer recht-schaffenden Person einen Abscheu gegen den andern geben müssen, so ist es anzusehen, als ob es an der Einwilligung zur Ehe gefehlet habe, mithin ist die Ehe nichtig.

§ 22. Ob nun auch schon keine Ehe als beständig angenommen werden kann, wenn der eine Theil zu deren Eingehung mit Gewalt genöthiget


Tit. 72                                                                                                                              149

worden, so kann doch dieser Vorwand alsdenn nicht weiter Statt finden, wenn die vorhin gebrauchte Gewalt aufgehöret und die Frau, da sie darüber ohne Verhinderung klagen können, gleichwol bey dem Mann geblieben ist.

§ 23. Als auch bey denen Evangelischen aus dem Canonischen Rechte beybehalten worden, daß, sobald eine würkliche Ehe in völliger Gewiß­heit beruhet, dieselbe durch keinen auch vor Gericht geschlossenen Ver­gleich getrennet werden könne, so wollen Wir solches ausdrücklich genehmigen.

§ 24. Wir lassen es nun zwar auch bey demjenigen, was die Rechte denen Wittwen wegen des Trauer-Jahrs vorgeschrieben, jedoch nach Mäßigung der Canonischen Rechte.

§ 25. Wir sind nun ferner unterthänigst berichtet, daß es unter denen Rechts-Lehrern von langer Zeit her viel Zweifel gegeben, ob die von dem neuern Römischen Rechte eingeführte Strafen einer zweyten Ehe durch das Canonische Recht aufgehoben worden oder nicht, und wie deshalb in denen Gerichten zu erkennen sey. Ob nun zwar, wenigstens in denen neuern Zeiten, Unsre Gerichte dem Römischen Recht darin gefolget, so dünket Uns jedoch zugleich einige Härte und Unbilligkeit darunter ob­zuwalten, und nicht allein durch diese Einschränkung bey einer zweyten Ehe vielfältig der Kinder eignes Glück gestöhret oder behindert, sondern auch die Liebe zwischen Eltern und Kindern nicht wenig verringert zu werden, deren Erhaltung jedoch selbst dem gemeinen Wesen nützlich ist. Wir haben auch dabey alle Fälle und dabey dieses erwogen, daß dem Vater oder Mutter frey gestanden, wenn sie auf solchen Fall für die Kinder sorgen wollen, ihrem Vermächtniß in der Ehestiftung oder im Testament den Verlust des Haupt-Stuhls bey erfolgender anderweiter Ehe auf den Fall, wenn Kinder vorhanden, anzufügen, und dadurch dem Ehegatten anzudeuten, hingegen es für erlaubt gehalten werde, daß ein Ehegatte gleichwol diese Strafe dem Ehegatten nachlassen könne, daß es ferner denen Eltern traurig und empfindlich seyn müsse, von der Erb­schaft leiblicher Kinder durch leibliche Kinder bloß um einer zweyten Heyrath willen ausgeschlossen zu werden, und daß es mit den Rechten fast nicht zusammenhängend sey, daß Eltern sonst über ihr eignes Ver­mögen, wenn sie nur den Pflicht-Theil der Kinder nicht bekürz en, unter Lebendigen und Todten in Ansehung fremder frey und ungehindert disponiren können, dieses aber bloß in Ansehung einer zweiten Ehe und eines zweiten Ehegatten in Betracht der Kinder nicht Statt haben solle, und dem Ehegatten nicht mehr als der geringste Theil eines Kindes zu­gewandt werden könne. Aus allen diesen von Uns wol und reiflich über-


150                                                                                                                               Tit. 72

legten Gründen wollen Wir also denenjenigen Rechts-Lehrern beytreten, welche alle Strafen der zweiten Ehe, ausgenommen wenn selbige von einer Mutter ohne von Unserm Consistono erhalten Erlaubniß im Trauer-Jahr vollzogen wird, nicht weiter gelten lassen. Jedoch sind Wir auch keinesweges gemeinet, einer zur anderweiten Ehe schreitenden Mutter die Vormundschaft über ihre Kinder zu lassen.

§ 26. Wegen übler Begegnung kann, so lange keine Lebens-Gefahr damit verknüpfet, eine Ehe nicht getrennet werden.

§ 27. Wäre schon eine Scheidung von Tisch und Bette auf gewisse Zeit geschehen, es verlangte aber noch vor Ablauf der Zeit der eine Ehegatte den andern wieder zu sich, so soll gegen bloße Versicherung eines guten Begegnens der andre wieder zu ihm zu kommen schuldig seyn.

§ 28. Wenn eine Scheidung von Tisch und Bette aus wichtigen Ursachen geschiehet, und der eine Ehegatte daran Schuld ist, auch keine Aussöh­nung erfolget, so soll der schuldige Theil dasjenige verlieren, was er sonst aus dem Nachlaß des unschuldigen zu erwarten gehabt.

§ 29. Als ferner Unsre Kirchen-Ordnungen die Meinung des Canonischen Rechts angenommen, daß der Mann auch durch den Beyschlaf mit einer ledigen Person gegen seine Frau die Ehe breche, so soll hiernach in allen Unsern deutschen Landen erkannt werden.

§ 30. Eine Trennung der Ehe findet Statt, wenn auch nur starke Ver­muthungen des Ehebruchs vorhanden sind.

§ 31. Da die Ehe von Gott zu einer solchen Gesellschaft eingesetzet wor­den, in welcher Mann und Weib ein Fleisch seyn sollen, so pflichten Wir denenjenigen bey, welche alle diesem Zweck zuwider laufende üble Handlungen für einen Ehebruch halten.

§ 32. Es findet demnach nicht allein bey böslicher Verlassung, als wie die H. Schrift auch ausdrücklich verstattet, sondern auch alsdenn eine gänz­liche Ehescheidung Statt, wenn Eheleute einander nach dem Leben ge­stellet, oder eines dem andern halsstarriger Weise die eheliche Pflicht versaget, oder sich durch Zuziehung einer üblen Krankheit dazu un­tüchtig gemacht, oder auch zum Festungs-Bau oder Zuchthause auf mehrere Jahre vertheilet, oder des Landes auf ewig verwiesen würde.

§ 33. In allen solchen Fällen, wenn wegen des einen Theils Schuld die Ehe getrennet wird, findet gegen den Schuldigen dasselbe Statt, als bey dem eigentlich sogenannten Ehebruch. Der Unschuldige soll auch über-dem sein Erbtheil sogleich haben, welches ihm etwa die Gesetze des Orts nach des Schuldigen Tode geben.


Tit. 72                                                                                                                              151

§ 34. Dem unschuldigen Theile stehet nach der Scheidung schlechterdings

frey, sich anderweit wieder zu verheyrathen.

§ 35. Dem schuldigen aber ist die Wiederverheirathung ohne besondere

Erlaubniß Unsrer geistlichen Gerichte nicht zu verstatten. Denen beiden

Ehebrechern selbst kann jedoch bey des erstem Ehegatten Leben sich zu

heyrathen durchaus nicht zugestanden werden.

§ 36. Es bleibet jedoch kein Ehebruch, wenn vorher ein Theil dem andern

die eheliche Pflicht hartnäckig versaget, mithin zu dem Vergehen Anlaß

gegeben hätte.

§ 37. Die bloße Verzeihung und Vorbitte des Unschuldigen für den

Schuldigen  verbindet  denselben nicht,  wider Willen in der Ehe  zu

bleiben, wenn er nicht den Schuldigen zugleich aufs neue zum Ehegatten

angenommen.

Zum Titul Von der Ehe.

Wir sind nun ferner unterthänigst berichtet, daß es unter denen Rechts-Lehrern von langer Zeit her viel Zweifel gegeben, ob die von dem neuern Römischen Rechte eingeführte Strafen einer zweyten Ehe durch das Canonische Recht auf­gehoben worden oder nicht, und wie deshalb in denen Gerichten zu erkennen sey. Ob nun zwar, wenigstens in denen neuern Zeiten Unsre Gerichte dem Rö­mischen Recht darin gefolget, so dünket Uns jedoch zugleich einige Härte und Unbilligkeit darunter obzuwalten, und nicht allein durch diese Einschränkung bey einer zweyten Ehe vielfältig der Kinder eignes Glück gestöhret, oder be­hindert, sondern auch die Liebe zwischen Eltern und Kindern nicht wenig ver­ringert zu werden, deren Erhaltung jedoch selbst dem gemeinen Wesen nützlich ist. Wir haben auch dabey alle Fälle und dabey dieses erwogen, daß dem Vater oder Mutter frey gestanden, wenn sie auf solchen Fall für die Kinder sorgen wollen, ihrem Vermäditniß in der Ehestiftung oder im Testament den Verlust des Haupt-Stuhls bey erfolgender anderweiter Ehe auf den Fall, wenn Kinder vorhanden, anzufügen und dadurch dem Ehegatten anzudeuten, hingegen es für erlaubt gehalten werde, daß ein Ehegatte gleichwol diese Strafe dem Ehegatten nachlassen könne, daß es ferner denen Eltern traurig und empfindlich seyn müsse, von der Erbschaft leiblicher Kinder durch leibliche Kinder bloß um einer zweyten Heyrath willen ausgeschlossen zu werden, und daß es mit den Rechten fast nicht zusammenhängend sey, daß Eltern sonst über ihr eignes Vermögen, wenn sie nur den Pflicht-Theil der Kinder nicht bekürzen, unter Lebendigen und Todten in Ansehung fremder frey und ungehindert disponieren können, dieses aber bloß dn Ansehung einer zweyten Ehe und eines zweyten Ehegatten in Be­tracht der Kinder nicht Statt haben solle, und dem Ehegatten nicht mehr als der geringste Theil eines Kindes zugewandt werden könne. Aus allen diesen von Uns wol und reichlich überlegten Gründen wollen Wir also denenjenigen Rechts-Lehrern beytreten, welche alle Strafen der zweyten Ehe, ausgenommen, wenn selbige von einer Mutter ohne von Unserm Consistono erhaltene Erlaubniß im Trauer-Jahr vollzogen wird, nicht weiter gelten lassen. Jedoch sind Wir auch keinesweges gemeinet, einer zur anderweiten Ehe schreitenden Mutter die Vor­mundschaft über ihre Kinder zu lassen.


152                                                                                                                             Tit. 73

Titul LXXIII.   Von Mitgiften und Gegen-Vennadrang.

§ 1. Wir haben Uns gnädigst belehren lassen, daß bey der Mitgift und denen damit verknüpften vorzüglichen Rechten zuförderst die Frage Zweifel gefunden hat, ob unter dem Namen Mitgift und dos auch die von der Frau dem Manne zugebrachte, in beweglichen, theils zu deren künf­tigen Standesmäßigen Kleidung und Schmuck, theils zur Bestreitung des Haushalts gereichenden Stücken bestehende Aussteuer begriffen werde. Nachdemmalen nun dieselbe dem Manne, wie der in baarem Gelde be­zahlte Brautschatz, zur Erleichterung der Bürden des Ehestandes gerich­tet, und dann dahero Unser Ober-Appellations-Gericht in vorgekomme­nen Fällen also erkannt hat, daß die Aussteuer als eine dos anzusehen, und mit derselben gleiche Rechte habe, so billigen Wir hiedurch diese Meinung, und wollen solche von allen Unsern Gerichten befolget wissen.

§ 2. Ob nun wol solchemnach der Mann von diesen beweglichen Stücken wie von andern beweglichen Mitgift-Sachen währender Ehe Eigen­thümer ist, dagegen aber, wenn er es veräußerte, nach geendigter Ehe den Werth erstatten muß, so verstehet es sich jedoch von selbst, wie Unser Ober-Appellations-Gericht auch nach denen gemeinen beschriebe­nen Gesetzen erkannt hat, daß nach geendigter Ehe, oder bey einem über des Mannes Güter entstandenen Concurs die Ehefrau das von ihr selbst und im Haushalt Verbrauchte nicht wieder fordern könne, und das Vor­handene, so wie es durch den Gebrauch geblieben, annehmen müsse.

§ 3. Als sich auch vielfältig zuträgt, daß keine Ehestiftungen errichtet werden, gleichwol die Frau dem Manne beym Eintritt in die Ehe selbst oder durch ihre Eltern oder Vormünder ihr ganzes Vermögen oder einen Theil desselben übergeben hat, Wir aber belehret worden, daß darunter Zweifel vorfallen, ob außer einer ausdrücklichen Bestimmung deren Be­weis oft sehr schwer fällt, solches als eine Mitgift oder dos in der völli­gen rechtlichen Würkung anzusehen sey, gleichwol eine solche Über­gebung nicht anders als zu Tragung der Ehestandsbürden geschehen, da­hero auch Unser Ober-Appellations-Gericht dergleichen also erkannt hat, so wollen Wir auch dieses als denen gemeinen Rechten völlig gemäß erklären.

§ 4. Wäre auch eine Person gleich beym Antritt ihrer Heyrath des Ver­mögens nicht gewesen, ihrem Ehemann an baarem Gelde etwas zuzu­bringen, und ihr fiele nachher etwas zu, so sie erweislich ihrem Manne übergeben, so ist zu glauben, daß sie ihm noch während der Ehe einen Brautschatz geben wollen. Und da die gemeinen Rechte während der Ehe eine Vermehrung des Brautschatzes gestatten, so wollen Wir auch dieses,


Tit. 73                                                                                               153

wenn schon die würkliche Bestimmung nicht erweislich, in diesem Fall, da es dem Mann übergeben worden, für einen wahren Brautschatz ge­halten wissen.

§ 5. Da die Mitgift zu Erleichterung der Ehestands-Bürgen, mithin auch zum Unterhalt der Ehefrau und ihrer Kinder gereichen soll, dahero auch nach den gemeinen Rechten, wenn der Mann in bedrängte Umstände geräth, die Frau ihre Mitgift selbst zu sich nehmen kann, dabey aber Zweifel vorgefallen, ob ihr solches auch in dem Falle zu verstatten, wenn ihr Ehemann von Uns durch einen würklichen Dienst oder Pension ziemlich versorget ist, Unser Ober-Appellations-Gericht aber dafür ge­halten hat, daß aus solchem Grunde die denen Ehe-Frauens wieder heim­gefallene Gewalt über das Ihrige nicht zu entziehen sey, also lassen Wir es auch in dergleichen Fällen dabey bewenden.

§ 6. Wenn ein Vater seine Tochter einmal ausgestattet, diese Mitgift aber verloren gegangen, kann er nicht angehalten werden, sie bey einer nachherigen zweiten Heyrath aufs neue auszustatten.

§ 7. Ein Bruder ist nicht schuldig, auch seine leibliche Schwester aus dem Seinigen auszustatten, ob schon einige Rechtslehrer solches nach den ge­meinen Rechten dafür halten wollen.

§ 8. Bey der Ausstellung aus dem Lehn, welche denen gemeinen Rechten nach denen Brüdern, auch Lehns-Vettern, bey Ermangelung andrer Güter oblieget, will zwar von einigen dafür gehalten werden, daß hiebey nur zu sehen, ob die Tochter von ihrem Vater nichts habe. Wie aber das Lehn überall dafür nur bey einem unumgänglichen Nothfall haftet, so billigen Wir die von Unsern Gerichten angenommene Meinung, welche zugleich zu Erhaltung der Güter gereichet, daß, wenn eine Tochter auch aus dem Mütterlichen oder sonst ein hinreichendes Vermögen hat, sie aus den Gütern eine Mitgift nicht begehren könne.

§ 9. Als Uns auch berichtet worden, daß bey Unsern Gerichten Zweifel vorgefallen, ob oder in wie weit die würkliche Einbringung der Mitgift durch des Mannes Quitung oder andres Bekenntniß, wenn es mit dem­selben zum Concurs gekommen, gegen dessen Gläubiger erwiesen werde, so bestätigen Wir die Meinung derer jenigen, welche zwar nicht schlechterdings ein jedes Bekenntniß, jedoch alsdenn annehmen, wenn die Mitgift in der Ehestiftung oder sonst erweislich vor der Ehe ver­sprochen worden, oder auch die Frau bey ihrer Verheyrathung erweis­lich so viel im Vermögen gehabt.

§ 10. Wird auch in der Ehestiftung selbst der Brautschatz als bereits aus­gezahlet aufgeführet,  und  der  Mann hätte  darüber nicht besonders


154                                                                                                                              Tit. 73

quitiret, so soll gleichwol das Bekenntniß in der Ehestiftung gegen den Mann selbst nach 10 Jahren, oder gegen einen dero Zeit unmündig ge­wesenen nach 12 Jahren so überwiegend gelten, daß ihm nachhero das Gegentheil annoch zu erweisen nicht gestattet werde, dagegen solches dessen Gläubigern frey bleibet.

§ 11. Bey Lehn-Gütern verwerfen Wir die von verschiedenen Rechts-Ge­lehrten angenommene Meinung, daß aus der bloßen Einbringung zu dem Manne die Verwendung des Brautschatzes in das Lehn zu vermuthen sey, und wollen vielmehr, daß, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht da­für hält, ein Brautschatz aus der Substanz des Lehns und gegen aus­wärtige Lehn-Folger nicht anders wieder gefordert werden könne, als wenn die würkliche Verwendung in das Lehn erwiesen ist.

§ 12. Hat ein bereits verschuldeter Mann seiner Tochter und Schwieger-Sohn einen gewissen Brautschatz ausgelobet, so sind sie zwar damit, wenn es mit dem Vater und Schwieger-Vater zum Concurs kommt, als Pfand-Gläubiger nach der Zeit-Ordnung gehörig zu setzen, und stehen denen nachhero gemachten spätem Schulden keinesweges nach. Bey Er­hebung des Geldes aber hat die Frau denen ältern chirographischen Gläubigern dahin Sicherheit zu stellen, daß sie von demjenigen, was von solchem Brautschatz nach geendigter Ehe ihr selbst oder ihren Erben zu Handen und Genuß kommen werde, solche ältere Gläubiger befriedi­gen wolle, als wie Unser Oberappellations-Gericht bey einem vorge­kommenen Falle auch erkannt hat.

§ 13. Die Mitgift, welche ein Vater seiner Tochter mitgegeben, Braut­schatz oder Aussteuer fällt nach ihrem Tode, wenn Kinder aus der Ehe vorhanden, an den Vater auf keine Weise zurück, sondern verbleibt denen Kindern und Erben, als wie Unser Oberappellations-Gericht auch angenommen hat.

§ 14. Ehestiftungen erhalten nicht eher, noch anders ihre Kraft, als von der Zeit, und wenn die Ehe würklich durch Priesterliche Einsegnung voll­zogen worden.

§ 15. Als auch bey Ehestiftungen die gemeinen beschriebenen Kaiser­lichen Rechte zwar genehmigen, daß der Mann nach der Frauen Tode die Mitgift behalten möge, im übrigen aber demselben aus einer Ehestiftung keinen Anfall noch Erb-Recht gestatten wollen, eine Ehe-Frau hingegen außer der ihr verschriebenen Gegen-Vermächtniß daraus eben wenig etwas gewinnen soll, dagegen Uns aber berichtet worden, daß in Unsern wie auch den benachbarten Ländern ganz ein anders hergebracht sey, und Ehestiftungen, wenn sie zumal nicht denen Kindern zur Last fallen


Tìt. 73                                                                                                                              155

und beyde Theile sich einander nach ihrem Tode ihr jetziges und künf­tiges Vermögen ganz oder zum Theil verschreiben, pünktlich zu halten seyn, so wollen Wir auch diesen Gebrauch hiedurch ausdrücklich be­stätigen.

§ 16. Es ist uns ferner vorgetragen, daß unter denen Rechtslehrern Zwei­fel vorgefallen sind, ob die sogenannten vermischten Ehestiftungen, pacta dotalia mixta, welche auf eine Beerbung oder Anfall nach dem Tode gefasset sind, als ein unwiderrufliches Geding unter den Leben­digen oder nur ein Geschenk um Todes willen bestehe, mithin nicht allein wie ein Codicill 5 Zeugen erfordern, sondern auch jedesmal ein­seitig aufgehoben werden können. Gleichwie aber dem Vernehmen nach Unsre Gerichte darüber bereits durchgängig die Meinung angenommen haben, daß, wenn sonst ein anders aus der Ehestiftung nicht erscheinet, dergleichen nach allem Herkommen für ein Geding unter den Lebendigen anzunehmen sey, also lassen Wir es auch schlechterdings dabey bewen­den.

§ 17. Ob auch schon ferner die neuern Kaiserlichen Rechte verordnen, daß zwar nicht in demjenigen, was die Frau aus der Ehestiftung gewinne, jedennoch aber in demjenigen, was zu des Mannes Vortheil gereichen solle, wenn es über 500 Gulden Louisdor sich belaufe, eine gerichtliche Einhändigung der Ehestiftung nöthig sey; nachdemmalen Wir jedoch berichtet worden, daß Unsre Gerichte darüber nicht halten, maßen nach deutschen Gebräuchen solche Ehestiftungen auch als Erbschafts-Gedinge bestehen, als wollen Wir zu Verhütung aller etwanigen künftigen Zweifel dieses auch ausdrücklich hiedurch festsetzen.

§ 18. Der Gegensatz der Ehe-Mitgift ist das sogenannte Gegen-Vermächt-niß oder Widerlage, donatio propter nuptias. Uns ist vorgetragen wor­den, daß in dem Fall, wenn die Ehestiftungen solches nicht deutlich er­klären, dergleichen von vielen Rechtslehrern nur für eine Versicherung des eingebrachten Brautschatzes und eine diesem dadurch mitgetheilte Hypothek angesehen werden will. Diese Meinung müssen Wir ganz ver­werfen, da es zumal bey denen der Mitgift ertheilten so stattlichen Vor­zügen einer solchen weit schwächern Sicherheit nicht bedürfen mögen. Wir haben Uns ferner belehren lassen, daß die eigentliche Absicht dabey auf eine bündigst versicherte Unterhaltung der Frau und ihrer Kinder nach denen Römischen Rechten gegangen, und die Frau nach des Mannes Tode nur alsdenn, wenn es ihr nicht besonders verschrieben worden, das Gegen-Vermächtniß nicht erhalten, wenn bey des Mannes Ableben keine Kinder von ihr vorhanden gewesen, bey vorhandenen Kindern aber sie auch in Ansehung des Eigenthums nicht völlig Meisterin davon gewesen.


156                                                                                                                              Tit. 73

Gleich wie indessen nicht allein überhaupt die Versorgung der Wittwen dem gemeinen Wesen nützlich ist, sondern Wir auch berichtet worden, daß die in Deutschland hergebrachte Widerlage und Gegen-Vermächtniß ohne Unterschied von jeher dahin abgezielet, jedoch denen Wittwen nur einen Nießbrauch mitgetheilet hat, dieses auch bereits in Unsrer Lüne­burgischen Policey-Ordnung C. 24 angenommen und die Gegen-Ver­machung als ein dotalitium oder Leib-Geding angesehen worden, so wie es auch von altern Rechtslehrern dafür genommen ist, als wollen Wir hiemit für alle Unsre deutsche Lande diese zweifelhafte Rechts-Sache denen gemeinen Rechten gemäß dahin erklären, da, wenn desfalls in denen Ehestiftungen nicht besondere Versehung geschehen ist, die Frau zwar zeitlebens, und wenn sie auch schon sich wieder verheirathet, den Genuß von der Widerlage, sie mag Kinder haben oder nicht, behalten solle, sie auch, wenn sie nicht wieder heyrathet und Kinder vorhanden, Kindes-Theil eigenthümlich habe, im übrigen aber das Eigenthum ihren Kindern verbleibe oder an der Kinder Erben zurück falle.

§ 19. Es ist Uns hiebey ferner vorgekommen, daß die Kaiserlichen ge­meinen Rechte bey dem an baarem Gelde gegebenen Brautschatz und dem Gegen-Vermächtniß eine völlige Gleichheit erfordern, wovon, ob dieses noch jetzo beyzubehalten, Zweifel entstehet. Wie in einem Vor­fall, da der Ehemann keine Kinder hinterlassen, von Unserm Oberappel-lations-Gericht einstmalen dagegen erkannt ist, also wollen Wir zwar in solchem Falle es auch künftig so beobachtet haben, werden jedoch in Ansehung des dinglichen Rechts Uns demnächst näher erklären. Sind aber von dem Manne Kinder, es sey aus erster oder letzterer Ehe, vor­handen, so lassen Wir es um so mehr bey denen beschriebenen Kaiser­lichen Rechten, als auch hierin Unsre Lüneburgische Policey-Ordnung C. 24 diese zum Grunde geleget wissen will.

§ 20. Als auch nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten eine Ehefrau, welche ihrem Ehemanne einen Brautschatz zugebracht, dagegen eine Gegen-Vermachung, wenn ihr gleich keine verschrieben worden, zu for­dern berechtiget ist, dieses auch durch Unsre Lüneburgische Policey-Ordnung als ein noch übliches Recht denen Ehe-Frauens aufs neue ver­sichert worden, also wollen Wir, daß solchem in Unsern sämmtlichen Landen, wo keine besondre Gewohnheiten vorhanden, nachgegangen werde.

§ 21. Ob nun wol nach verschiedener Rechtslehrer Meinung einer Wittwe, wenn der Haupt-Stuhl ihres Brautschatzes nicht zurück fällt, sondern in denen Gütern bleibet, gedoppelte Zinsen des Brautschatzes und gedoppelte Zinsen der Gegen-Vermachung zum Leibgeding gebüh-


Tit. 73                                                                                                                                157

ren sollen, dieses aber dem Gebrauch Unsrer deutschen Lande nicht ge­mäß, denen gemeinen Rechten aber in Ansehung der Gegen-Ver-machungs-Zinsen, wenn kein Capital auf den unbeerbten Fall ausgelobet worden, ganz zuwider ist, dahero auch bereits in Unsrer Lüneburgischen Policey-Ordnung die Duplirung der Gegen-Vermachung gemißbilliget, und auch alsdenn, wenn der Brautschatz auf die Todes-Fälle in Mangel der Kinder nicht zurück fällt, sondern in den Gütern bleibet, nach Ge­legenheit das dotalitium nur in etwas zu erhöhen verstattet worden, der gleichen auch zu Unsrer Landsassen Güter offenbaren Beschwerde ge­reichen würde, so soll es hierin durchaus auf eine Vergleichung mit dem Ehemann selbst, oder dessen Erben ankommen, auch wenn die Wittwe an dem Hauptstuhl der Gegen-Vermachung keinen Theil hat, ihr hievon nicht mehr als einfache Zinsen zu fünf aufs Hundert zugestanden und eine Erhöhung nur in Ansehung des in den Gütern bleibenden Capitals zugelassen werden.

§ 22. Obgleich dasjenige, was nur zum Witthum verschrieben, mit der Wittwe anderweiten Verheyratung aufhöret, so bleibet ihr jedoch ihr dotalitium Leib-Geding Zeitlebens und fällt mit der anderweiten Ver-heyrathung nicht weg.

§ 23. Wenn der Frau nur Zinsen oder jährliche Renten in Gelde zur Wi-derlage gehören, so können ihr solche durch ein aus Unsrer Calenbergi-schen Wittwen-Casse versichertes Wittwen-Gehalt, wenn der Mann aus dem Seinigen dafür gesorget, entrichtet werden, die versprochenen Na­tural Leistungen aber gebühren ihr nichts desto weniger.

§ 24. Wie die Zweifel der Rechts-Gelehrten in Ansehung der Frauen-Mit­gift, ob sie nämlich auch denen Gläubigern, welche eine ausdrücklich ver­schriebene ältere Hypothek haben, oder bloß denen ältern gesetzlichen und stillschweigenden vorzuziehen sey, im Herzogthum Lüneburg durch dessen Policey-Ordnung C. 24 § 2 bereits entschieden sind, diese Meinung auch dermalen durchgehends in Unsern Gerichten gilt, als soll dieselbe auch in allen Unsern Landen befolget werden.

§ 25. Es kann jedoch das denen rechtgläubigen Christlichen Ehefrauen verliehene Vorzugs Recht keiner Jüdischen Ehe-Frau zu Statten kommen, wie dahin auch mehrmalen bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte er­kannt ist.

§ 26. Ob auch wol wir sonst in denen Sachen, welche Unsre Rent-Cam­mer und eignen Rechte angehen, nichts gegen Unsre Unterthanen zu ent­scheiden gemeinet seyn, so tragen Wir jedoch kein Bedenken, Unsers Ober-Appellations-Gerichts Erklärung der Rechte zu bestätigen, daß die gesetzliche Hypothek Unsrer Rent-Cammer und Fisci in den Gütern ihrer


158                                                                                                                              Tit. 73

Verwalter nach dem Zeit-Alter dem dinglichen und vorzüglichen Recht der Mitgift nicht nachstehe, sondern vielmehr nach dem Alter vorgehe.

§ 27. Was der Mann mit denen erhaltenen Brautschatz-Geldern ange­schaffet, soll dadurch für keine Mitgift und res dotalis angesehen wer­den, ob schon viele Rechts-Lehrer ein anders behaupten. Wir billigen jedoch zugleich diejenige Auslegung der Gesetze, nach welcher eine Ehe-Frau an solchen von ihrem Brautschatz durch den Mann angeschafften Gütern Unsrer Rent-Cammer vorgehet.

§ 28. Ob Wir auch schon vorher genehmiget haben, daß eine Widerlage höher als der Brautschatz bestimmt werden möge, so ist jedoch keines-weges Unsre Meinung, daß auch die in den gemeinen Rechten mit der Gegen-Vermachung verknüpfte Hypothek sich dahin erstrecken solle. Die Policey-Ordnung Unsers Herzogthums Lüneburg hat C. 24 § 2 über­all wegen der Gegen-Vermachung die Frau allen Pfand-Gläubigern nach­gesetzet. Wir wollen zwar dieses nicht auf alle Unsre deutsche Lande er­weitern, mögen aber auch zum Nachtheil der Gläubiger die verstattete höhere Gegen-Vermachung dahin nicht eintreten lassen, daß sie auch, so viel die Erhöhung über den Brautschatz betrifft, ein gleiches dingliches Recht habe. Es soll also in so ferne die Frau in allen Unsern deutschen Ländern, wie die höchste Billigkeit es erfordert, allen und jeden des Mannes Schulden, Hypothekarischen und Persönlichen, nachstehen, je­doch denen Straf-Gefällen und andern Schenkungen vorgehen.

§ 29. Ist eine Morgengabe versprochen, so soll sie der Frau, wenn sie gleich schon vorher einen andern Mann gehabt, geleistet werden, gestal­ten auch Unser Ober-Appellations-Gericht also erkannt hat. Es gebühret ihr auch sodann desfalls ein dingliches Recht an ihres Mannes Gütern.

§ 30. Was die Frau außerhalb ihrer Mitgift hat, darin finden die Rechte des Brautschatzes auf keine Weise Statt. Der Mann ist also nicht befugt, außer demjenigen, was die Kaiserlichen Rechte ihm verstatten, den Ge­nießbrauch davon zu seinem eignen Nutzen sich anzumaßen, ob schon einige Rechts-Lehrer dieses denen deutschen Rechten gemäß halten wol­len. Als wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht dahin erkannt hat.

§ 31. Es wird aber auch hiedurch denen gemeinen Rechten gemäß be­stimmet, daß die der Frau wegen ihrer paraphemorum verliehene still­schweigende Hypothek bey Capitalien nicht eher ihren Anfang nimmt, als von der Zeit, da der Mann die Capitalien würklidi erhoben und der Frau nicht berechnet hat.

§ 32. Haben Eheleute keine Ehestiftung errichtet, so gelten unter ihnen in Ansehung der Erbfolge die Rechte des Orts, welchem sie bey voll-


Tit. 73, 74 und 75                                                                                                          159

zogener Heyrath unterwürfig gewesen, wenn sie schon nachher an einem andern Ort sich niedergelassen haben.

§ 33. Wenn die Statuta der Städte in Unsern Landen unter bedingten und unbedingten Ehen einen Unterschied machen, mithin verordnen, daß Mann und Frau nur alsdenn sich beerben, wenn keine Ehestiftung vor­handen, so kann bey vorhandener Ehestiftung, es mag darin viel oder wenig oder auch nichts beschieden sein, die sonstige Erbfolge aus dem Statuto nicht eintreten.

Titul LXXIV.   Von Mitgiften an liegenden Gründen.

§ 1. Da auch die Kaiserlichen Rechte dem Mann die Veräußerung eines von seiner Ehefrau zur Mitgift erhaltenen unbeweglichen Guts nicht einst mit deren Einwilligung gestatten, die Canonischen hingegen solche bey hinzugetretenem Eide der Frauen für gültig halten, so haben Wir gnädigst erwogen, daß es hiemit eben die Beschaffenheit als mit denen Verbürgungen der Ehe-Frauens für ihre Männer habe, und soll also auch hier demjenigen, was Wir wegen der Bürgschaften festgesetzet, nachge­gangen werden.

§ 2. Wenn eine Frau ihrem Ehemann zur Mitgift ein Mann-Lehn für einen gewissen Werth zubringet, und der Mann hierauf damit allein beliehen wird, ist nach geendigter Ehe der Frau oder deren Erben nicht der nach­herige Werth des Lehns, sondern nur, wie hoch es dem Manne zur Mit­gift angerechnet worden, zu erstatten.

Titul LXXV.   Von der Unterhaltung Andrer.

§ 1. Eltern und Kinder sind sich einander in ihrer Nothdurft zu unter­halten schuldig, doch ist auch bey unehelichen Kindern der Vater näher denn die Mutter.

§ 2. Wenn der angegebene Vater nicht leugnen kann, um die ungefehr-liche Zeit der Erzeugung mit der Mutter zu thun gehabt zu haben, muß er die Unterhaltung schlechterdings übernehmen, wenn gleich die Mutter sich mit mehrern um solche Zeit abgegeben haben sollte, maßen durch solchen Anzug die Kinder ihres Unterhalts nicht beraubet werden können.

§ 3. Bey dem Unvermögen des Vaters und der Mutter mögen die Groß-Eltern ihre Hülfe nicht entziehen, wenn auch schon das Kind außer der Ehe erzeuget wäre. Doch ist jedesmahl der Großvater von väterlicher Seite der nächste. Die übrigen Groß-Eltern aber treten zu gleichen Theilen ein.


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§ 4. Nicht allein leibliche Brüder und Schwestern, sondern auch Stief-Ge-schwister sind, wenn keine leibliche Geschwister vorhanden, mithin sie bey der Erbfolge die nächsten seyn würden, sich einander zu unterhalten schuldig.

§ 5. Da die Blödsinnigen und Wahnwitzigen über ihr Vermögen, wenn sie dergleichen besitzen, nicht testiren können, sondern solches denen nächsten Verwandten bleiben würde, so ist an der andern Seite auch billig, daß, wenn sie kein Vermögen haben, die nächsten Verwandten deren Unterhaltung über sich nehmen.

§ 6. Stirbt ein Vasall ohne Söhne, jedoch mit Hinterlassung einer oder mehrerer Töchter, und das Lehn fiele uns oder denen Lehns-Vettern an­heim, so sollen die Töchter, wenn sie sonst ihren Unterhalt zu haben nicht vermögen, solchen sowol als einen anständigen Brautschatz aus dem Lehn bekommen.

§ 7. Wären eines Vasallen Güter um väterlicher oder großväterlicher Schulden willen in der Gläubiger Hände gerathen, so halten Wir billig, wie auch in der Calenbergischen Canzley-Ordnung bereits versehen ist, daß in solchem Fall, nicht aber, wenn er durch eigne Schuld herunter gekommen, er aus den Auskünften des Lehns unterhalten werde. Doch ist hierin von Unsern Gerichten Mäßigung zu gebrauchen und nicht über die Nothdurft hinaus zu gehen.

§ 8. Gleichergestalt sind auch in diesem Fall des Vasallen Töchter aus dem Lehn zu unterhalten und auszustatten.

§ 9. Findel-Kinder muß diejenige Obrigkeit unterhalten, welche an dem Orte den Schutz hat und das Schutz-Geld genießet.

§ 10. Wer zur Unterhaltung verbunden ist, derselbe ist auch, wenn die Beerdigung aus des Verstorbenen eignen Mitteln nicht erfolgen kann, zu den Begräbniß-Kosten verbunden.

§ 11. Zur Unterhaltung gehöret auch, was zu Unterweisung in denen zur künftigen Versorgung nöthigen Künsten und Wissenschaften erforder­lich ist.

§ 12. Die Unterhaltung ist auf keine gewisse Jahre einzuschränken, son­dern sie gehet so lange fort, als der zu unterhaltende deren bedarf.

§ 13. Ist die Unterhaltung auf ein Gewisses an Gelde bestimmt, welches entweder das Jahr hindurch in Terminen oder jährlich überhaupt ge­reichet werden soll, so ist bey gesetzten Terminen jeder Termin so lange zum voraus zu bezahlen. Ist aber die Bestimmung überhaupt auf ein Jahr geschehen, so finden Wir dabey der Sache gemäß, daß die Leistung auf


Tit. 75 und 76                                                                                      161

halbe Jahre getheilet und jedesmal ein halbes Jahr voraus bezahlet

werde.

§ 14. Gleichwie aber das voraus Bezahlte nicht wieder zurückgefordert

werden kann, also gehöret auch das von dem Termin noch nicht bezahlte

zu des inmittelst Verstorbenen Nachlaß, ist jedoch vorzüglich zu dessen

Beerdigung anzuwenden.

Titul LXXVI.   Von Vormundschaften.

§ 1. Als Uns berichtet worden, daß es in Unsern deutschen Landen her­gebracht sey, daß eine leibliche Mutter auch in Lehn- und Stamm-Gütern die Vormundschaft verlangen könne, so wollen Wir es zwar hiebey auch künftig lassen. Nachdem Wir jedoch erwogen haben, daß der eigentliche Grund der Mütterlichen Tutel in der Beerbung bestehet, ohnehin auch Mütter allein Gütern vorzustehen nicht im Stande sind, so wollen Wir, wie es auch in andern Ländern Deutschlands also gehalten wird, daß ent­weder der nächste Agnat oder Stamm-Vetter oder sonst ein andrer Vor­mund ihr zugeordnet werde.

§ 2. In Lehn- und Stamm-Gütern, worüber denen Stamm-Vettern zum Nachtheil durch einen letzten Willen nichts verordnet werden kann, müssen daher auch billig die Stamm Vettern die Last der Vormundschaft bis zu des Mündlings vollbürtigen Jahren behalten.

§ 3. Sonst aber soll es bey denen Kaiserlichen Rechten bleiben, daß die nächsten Verwandten dieses Amt nicht länger, als bis der Pflegebe-fohlne aus der Kindheit in die Pubertät getreten, zu behalten schuldig.

§ 4. Nach erreichten Jahren der Pubertät kann der Minderjährige sich selbst, außer bey Lehn und Stamm-Gütern, einen Pfleger wählen, und um dessen Bestätigung bitten. Es ist aber auch der bisherige Vormund außer Lehn- und Stamm-Gütern die Curatel beyzubehalten nicht schuldig. Doch muß sowol der Minderjährige gleich beym Eintritt in die Pubertät sich einen Curatorem ausbitten, als auch der bisherige Vormund solches zwey Monate vor Eintretung sothanen Alters seinen gefaßten Entschluß dem Gerichte anzeigen. Ist solches nicht geschehen, so dauert die Vor­mundschaft bis zum großjährigen Alter fort.

§ 5. Auch die von einem Vater durch ein Testament angeordnete Vor­mundschaft währet nur bis zu den Jahren der Pubertät.

§ 6. Da die nächsten Verwandten zur Vormundschaft zugleich ein Recht haben, so kann ihnen solches auch durch bloße Verträge des Vaters mit einem dritten nicht entzogen, noch überall dadurch die öffentliche Ver­fassung verändert werden.

11   Ebel


162                                                                                                                              Tit. 76

§ 7. Wir vernehmen endlich, daß es auch bezweifelt werde, ob eine Mutter, welche nach den neuern Rechten selbst Vormünderin seyn kann, wenn sie binnen der in den Rechten vorgeschriebenen Zeit keinen Vor­mund für ihre Kinder erbeten, ihres Erbfolge-Rechts an der Pupillen Nachlaß alsdenn verlustig sey. Wie es aber durchaus zu höchst schäd­lichen Folgen gereichet, wenn eben dadurch der Waisen Zustand der Obrigkeit verborgen bleibet, inmaßen sodann auch die Abnahme der Rechnungen unterbleibet, also wollen Wir es darin durchaus bey denen Kaiserlichen Rechten bewenden lassen. Und ein Gleiches soll auch noch ferner bey denen nächsten Verwandten gelten, wenn sie bey des Vaters oder nachher der Mutter Absterben an demselben Ort und Stelle sich gefunden.

§ 8. Wir sind hiebey berichtet, daß unter denen Rechts-Lehrern viel Streit obwalte, ob eine leibliche Mutter in der Vormundschaft auch dem väterlichen oder mütterlichen Großvater vorgehe. Da das Justinianisdie Gesetz die Mutter und Großmutter hauptsächlich um der vorzüglichen Beerbung der Kinder vorzüglich zur Vormundschaft zulässet, so müssen Wir denenjenigen beytreten, welche die leibliche Mutter dem Großvater vorziehen. Dagegen Wir eine Großmutter dem Großvater allemal nach­setzen, und ihr auch keine Mit-Vormundschaft zugestehen mögen.

§ 9. Wenn nun auch ferner darüber Zweifel obwalten soll, ob eine Mutter, oder auch Großmutter, mit Anerbiethung ihrer selbst zur Vor­mundschaft warten könne, oder sich sofort nach des Vaters Tode dazu erklären müsse, so haben Wir gnädigst erwogen, daß ihre Schuldigkeit ist, denen Pupillen bey Verlust deren Erbschaft, wenn sie vor erreichter Pubertät sterben, sobald sie können, Vormünder in Vorschlag zu bringen, mithin es eine natürliche Folge wird, das Beste der Kinder es auch nicht anders leidet, als daß die Mutter oder Großmutter sogleich, wie sie nur können, nach dem Ableben des Verstorbenen zur Vormundschaft sich angeben müssen. Maßen denn widrigenfalls die Gerichte befugt seyn sollen, sofort von Amtswegen einen andern Vormund zu bestellen. Sollte jedoch das Gericht nach Beschaffenheit der Sache glauben, daß die Vor­mundschaft der Mutter oder Großmutter denen Kindern vorzüglich nütz­lich seyn könne, so hat dasselbe ihnen zu solchem Ende eine kurze Zeit zu setzen, und können sie nach deren Verlauf, wenn darauf ein andrer Vormund gesetzet worden, dazu weiter nicht zugelassen werden.

§ 10. Als gezweifelt werden will, ob gegen die Versehung der Kaiser­lichen Rechte ein Ehemann heutiges Tages seiner unmündigen Ehefrau Vormund seyn könne, Wir aber nicht finden, warum an Orten und Enden, wo die Eheleute nicht in ungezweyetem Gute leben, für die Unmündigen


Tit. 76                                                                                                                              163

jetzo weniger gesorget werden solle, da andergestalt dem Manne nur Gelegenheit, mit seiner Frauen Gütern übel zu schalten, gegeben wird, als soll hierin, wenn auf die gemeinen Rechte zu sehen, denen Kaiser­lichen Rechten nachgegangen werden.

§ 11. Aus gleichem Grunde muß es ferner dabey verbleiben, daß auch der Schwiegervater seiner Schwieger-Tochter Vormund, so lange die Ehe dauert, nicht seyn dürfe.

§ 12. Wir mögen auch nicht wol absehen, warum die im würklichen Dienst stehende Soldaten wider die Vorschrift der gemeinen Rechte zu Vormundschaften gelassen werden sollten, da ohnehin eines Theils sie die Rechte nicht verstehen, andern Theils sie nur dadurch von der Aus­übung ihres Diensts abgehalten werden.

§ 13. Wenn nun schon auch ferner die Rechts-Lehrer nicht gleiche Mei­nung hegen, ob ein Stiefvater zum Vormund angenommen werden könne, so pflichten Wir jedoch denenjenigen bey, welche dessen Zulassung denen Rechten gemäß halten.

§ 14. Wie in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung denen Räthen untersaget ist, andre Vormundschaften, als von ihren nächsten Verwand­ten zu übernehmen, also muß aus gleichem Grunde denen Räthen bey Unsern andern Justiz-Collegiis dieses auch nicht gestattet werden, da nicht allein Unser Dienst darunter leidet, sondern auch andre nach­theilige Folgen daraus entstehen können.

§ 15. Auch die Prediger in Unsern Deutschen Landen sollen nicht anders als bey ihren nächsten Verwandten zur Vormundschaft zugelassen wer­den.

§ 16. Wer an den Mündling auch nur vermeinet etwas zu fordern zu haben, muß solches vor Ubernehmung der Vormundschaft bey Verlust seiner Forderung anzeigen. Auch soll derjenige, an welchen der Münd­ling einen Anspruch hat, solches, und ob er des Anspruchs geständig sey oder nicht, vor Antretung der Vormundschaft dem Gerichte anzeigen. Unterlässet er solches, so ist der Anspruch für gestanden anzunehmen. Ist es aber auch eine an sich nicht zu bezweifelnde Schuld, so kann er gleichwol solchenfalls während der Vormundschaft nichts darauf bezah­len noch abrechnen.

§ 17. Was die ehrlosen Personen anlanget, so bestimmen Wir hiedurch, daß sie zwar nicht zu Vormündern anzunehmen seyn, jedoch, wenn sie dergleichen während der Vormundschaft sich zugezogen, deren auch nicht sofort zu entsetzen seyn, wenn sie nicht durch eine begangene Un­treue ehrlos geworden sind.

11·


164                                                                                                                              Tit. 76

§ 18. Wie in Ansehung der Entschuldigung von Vormundschaften die gemeinen Rechte bestimmt genug sind, also wollen Wir desfalls nur dahin eine nähere Erklärung geben, daß nur eine Zahl von 5 Kindern von übernehmung einer Vormundschaft befreyen könne.

§ 19. Wenn etwa der im Testament verordnete Vormund sich der Vor­mundschaft noch nicht unterziehen kann, muß inzwischen und bis dahin von der Obrigkeit ein andrer Vormund bestellet werden.

§ 20. Da derjenige, welcher vor völlig erreichten vogtbaren Jahren durch Landes-Fürstliche Gewalt der Vormundschaft enthoben und für mündig erkläret worden, dadurch nicht befugt wird, seine unbeweglichen Güter ohne Erkenntniß der Obrigkeit zu veräußern oder zu beschweren, so soll er auch zum Vormund nicht angenommen werden.

§ 21. Diejenige Obrigkeit bevormundet den Unmündigen, deren Gerichts-Zwang derselbe unterworfen ist, und der solchergestalt angeordnete Vor­mund stehet auch denen außer solchem Gebiet belegenen Gütern vor.

§ 22. Es können jedoch Eltern in ihrem letzten Willen auch eine andre Obrigkeit, welcher ihr Kind nicht unterworfen, um Bestellung eines oder mehrerer Vormünder ersuchen. Welchen Falls diese Obrigkeit in An­sehung der Vormundschaft eine gleiche Gewalt wie die ordentliche Obrigkeit bekömmt.

§ 23. Stehet aber die Vormundschaft durch den von der persönlichen Obrigkeit des Unmündigen angeordneten Vormund in Ansehung derer entfernt belegenen Güter nicht wol zu bestreiten, oder auch dieser Vor­mund verbäte es wegen solcher Entfernung, alsdenn ist die Obrigkeit, unter welcher die Güter belegen, zu ersuchen, in Ansehung dieser Güter einen Pfleger und Mit-Vormund zu bestellen.

§ 24. Auch derjenige, der des Unmündigen Obrigkeit nicht unterworfen ist, kann, wenn er will, von derselben sich zum Vormund bestellen lassen und unterwirft sich dadurch derselben in Ansehung der Vormund­schaft, doch darf er unmittelbar nicht vorgeladen werden.

§ 25. Es ist Uns unterthänigst vorgetragen, daß es eine unter denen Rechts-Lehrern streitige Frage sey, ob so, wie ehedem nach denen Römi­schen Rechten, also auch noch heutiges Tages ein Tutor bey Schließung eines Handels oder Vornehmung eines Geschäfts selbst gegenwärtig seyn und durch seinen Willen darüber sogleich die Bestätigung ertheilen müsse, oder ob auch eine nachherige Genehmigung das Vorgegangene bekräftige, auch, ob sogar bey denen Curatoren der Minderjährigen das­selbe eintrete. Nun kann es zwar nicht so angesehen werden, als wenn jemand das in seinem Namen Geschehene nachher genehmiget, mithin


Tit. 76                                                                                                                             165

dadurch der Handel als von Anfang gültig zu halten sey. Es ist jedoch gleichwol als ein neuer Handel anzusehen, welcher nunmehro von Zeit der Genehmigung an seine Gültigkeit erreichet und den Pupillen ver­bindet. Bey Minorennen aber kommt es nur darauf an, ob sie gegen eine an sich denen Rechten nach gültige Sache wieder in vorigen Stand zu setzen seyn. Und da diese Rechtswolthat auch bey des Curatoren Einwilli­gung ihnen, wenn sie verletzet worden, nimmer zu versagen stehet, so muß es in deren Absicht gleichgültig bleiben, ob des Curatoren Einwilli­gung gleich Anfangs vorhanden gewesen oder erst nachher erfolget sey. § 26. Wir haben zwar vernommen, daß viele neue Rechtslehrer dem Vor­munde, es mögen die Pflegebefohlne die Jahre der Pubertät überschritten haben oder nicht, freye Macht verstatten, ohne Zuziehung derselben alles für sich selbst zu thun. Wie aber dieses außer denen bis auf das siebente Jahr sich erstreckenden, noch nicht gnug sprachfähigen Kinder jähren denen gemeinen Rechten ganz zuwider ist, überdem auch es aufs künftige von großem Nutzen seyn kann, wenn die Unmündigen von den Umstän­den der Sache zugleich unterrichtet werden, also sollen die Pflegebefohl-nen allemal zu der Sache zugezogen werden, und ohne deren Wissen und Einstimmung von dem Vormunde nichts geschehen, als welches auch diesem selbst künftig zu größerer Beruhigung gereichen kann. § 27. Ob wol einem Vormunde bey ermangelndem andern Beweise denen gemeinen Rechten nach frey stehet, des Pflegebefohlnen Wiedersacher einen Eyd zuzuschieben, so können Wir doch die daher genommene Folge, daß er auch in anzustellenden oder zu gewartenden Rechts-Hän­deln von dem ordentlichen Richter abgehen und in ein Compromiß, es sey auf Privat-Personen oder auch einen andern Richter, wenn es auch schon der Oberrichter wäre, gerichtet, sich einlassen möge, nicht billigen, sondern Wir erklären dergleichen außerhalb der Vormünder Gewalt, mithin für null und nichtig, immaßen Wir hiebey erwogen haben, daß, da eines Theils die Obrigkeit die Ober-Vormundschaft führet, dergleichen Abweichung von der öffentlichen Verfassung also nicht von dem Gut­finden eines Vormundes abhängen kann, zumahl er auch glauben muß, bey dem ordentlichen Gericht Recht und Gerechtigkeit zu erhalten, andern Theils aber auch, wenn er schon auf das höhere Gericht compro-mittiret, seine Pflegebefohlnen alle sonst habende Rechts-Mittel, und daß sie die Sache besser und mit mehrern und neuen Gründen vorstellen können, verlieren, und nach der Natur eines Compromisses sich schlech­terdings mit dem abgegebenen Erkenntniß würden begnügen müssen. Was inzwischen desfalls bishero vorgegangen, darunter ist allerdings denen Pflegebefohlnen das Rechts-Mittel der nachzusuchenden Wieder­herstellung in den vorigen Stand zu verstatten.


166                                                                                                                              Tit. 76

§ 28. Ob zwar die neuesten Kaiserlichen Rechte einem Schuldner außer Renten und jährlichen Pensionen nicht verstatten, ohne gerichtliches Erkenntniß eine Schuld an den Vormund abzutragen, so finden Wir je­doch, daß dieses, wenn die Schuld auf klaren Siegeln und Briefen beruhet, der jetzigen Beschaffenheit des Credit-Wesens sehr nachtheilig seyn, und viele vergebliche Kosten nach sich ziehen würde, auch um so weniger weiter nöthig seyn kann, als außer der sonst von dem Vormund erfor­derten Sicherheit auch durch die jährlich abzulegende Rechnungen für die Unmündigen hinlänglich gesorget wird. Wir lassen demnach zu, daß eine auf klaren Siegeln und Briefen beruhende Schuld ohne richterlichen Be­scheid dem Vormund ausgezahlet werden möge, jedoch daß dabey keine andre, als gleichfalls auf klare Scheine und Quitungen gegründete Ab­rechnung Statt finde, und zugleich die letzte Zins-Quitung des Verstor­benen mit ausgeliefert und von dem Vormund seiner Rechnung beyge­füget werden. Ist sodann dabey nichts zu erinnern, so bleibt der Schuld­ner, andergestalt aber nicht, befreyet.

§ 29. Damit nun für die Bevormundung der Unmündigen desto sichrer gesorget werde, so haben Wir Unsern Consistoriis aufgegeben, die sämmtliche Prediger im Lande durch allgemeine Ausschreibens dahin anzuweisen, gleich nach dem Sterbfall und wenigstens 8 Tage nach der Begräbniß das Absterben sowol, als auch, ob er unmündige Kinder, und wie viele, hinterlassen, der Obrigkeit, worunter sie gesessen, mithin bey Schriftsässigen denen Canzley- und Hof-Gerichten zugleich anzu­zeigen, damit dieselbe deren Bevormundung unausgesetzt beschaffen mögen. Wobey zugleich der Obrigkeit zu vermelden ist, ob die Unmün­digen annodi mit einer leiblichen Mutter oder Groß-Vater oder Groß-Mutter versehen seyn.

§ 30. Ob gleich in denen Reichs-Gesetzen heilsamlichst verordnet worden, daß die Obrigkeiten von denen Vormündern alle Jahre Rechnung ein­nehmen sollen, so vernehmen Wir doch ungern, daß darüber der Gebühr nach nicht gehalten werde, mithin daraus zu Zeiten gar große Beschwer­lichkeiten, Schaden und Weiterungen entstehen. Wir finden Uns demnach genöthiget, Unsern sämmtlichen Gerichten, wie auch denen Städte- und Patrimonial-Geriditen solches ernstlich einzuschärfen, mit dem Bedeuten, daß sie selbst allenfalls für allen denen Pflegebefohlnen daraus ent­springenden Schaden schlechterdings einstehen sollen. Wie denn auch der Vormund, welcher dawider handelt, und nicht wenigstens 2 Monat nach jedesmal abgelaufenem Jahre seine Rechnung einsendet, wenig­stens in 10 Rtl. Strafe für ein jegliches Jahr verfallen seyn soll. § 31. Ob nun wol auch schon in dem Vormundschafts-Eyde enthalten ist, daß der Vormund sofort ein richtiges Inventarium des Nachlasses ver-


Tit. 76                                                                                                                                167

fertigen solle, als welches auch ohnehin der Grund der nachher abzu­legenden Rechnung ist, so halten Wir jedoch dienlich und wollen, daß die Obrigkeit vor Ableistung des Eides dieses, und was es mit dem In­ventario für eine Beschaffenheit habe, und wie solches zu verfertigen sey, deutlich erkläre, und diese Erklärung, wie sie geschehen, zu Protocoll fasse, das Protocoll aber zugleich dem Vormund zu dessen Nachricht ab­schriftlich mittheile.

§ 32. Da auch die gemeinen Rechte bey unterlassener Verfertigung eines Inventarii den Minderjährigen nachhero zum Juramento in litem zu­lassen, so bestätigen Wir nicht allein solches, sondern wollen auch in diesem Fall keine richterliche Ermäßigung Statt finden lassen.

§ 33. Es soll aber auch überdem der Vormund, wenn er nicht wenigstens binnen 4 Wochen nach seiner Bestätigung zu Verfertigung eines Inven­tarii geschritten, in eine Geldstrafe von 50 Rtl. genommen werden. Wel­ches ebenfalls dem Vormunde bey der Beeidigung von dem Gerichte an­zudeuten ist.

§ 34. Ist nun auch gleich ein Vormund vom Vater von der Rechnungs-Ablage befreyet, und der Vater hätte, um etwa seine Vermögens-Um-stände unbekannt zu erhalten, die Beschreibung eines Inventarii in seinem Testament wol gar verboten, so muß der Vormund gleichwol nicht allein beeidiget werden, ehe er der Vormundschaft sich unterziehen kann, sondern er muß auch nichts destoweniger ein getreues Verzeichniß, als wie er dessen vor Abnahme des Eides zu verständigen ist, von dem gesammten Vermögens-Zustand verfertigen, und darnach Rechnung ab­legen, jedoch solchergestalt, daß es mit ihm nicht nach der Strenge des Rechts zu nehmen, sondern bloß darauf zu sehen, ob ihm ein Betrug, oder eine demselben gleich kommene große Nachlässigkeit zur Last falle.

§ 35. überhaupt sind auch die Vormünder vor der Eides-Abnahme von ihren künftigen Vormundschafts-Pflichten zu unterrichten, insonderheit zu belehren, daß sie in der künftig abzulegenden Rechnung nach der Ordnung des Inventarii zeigen müssen, was von denen angezeichneten Sachen annodi vorhanden, oder was etwa davon zu Gelde gemacht oder sonst nutzbar verwandt worden, daß sie die etwanige Zinsen oder andre Einkünfte zu der rechten Verfall-Zeit sofort einmahnen und damit nicht über acht Tage warten, sondern nach deren Verlauf sofort den Haupt-Stuhl kündigen, und wenn nach geschehener Einmahnung die Zinsen oder Renten alsdann binnen 8 Tagen noch nicht einlangen, dieserhalb zur gerichtlidien Klage schreiten. Ferner sind sie anzuweisen, jede Aus­gabe, wenn sie über einen Thaler sich erstrecket, mit Quitungen zu be­legen, auch wenn sie des Jahrs einen Überschuß haben, weldien sie nadi


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geschehener Kundmachung in denen öffentlichen Intelligenz-Blättern sicher zinsbar unterzubringen nicht wissen, solchen vorerst bey dem Gerichte niederzulegen. Wesfalls davon keine Depositen-Gebühren ge­nommen werden sollen.

§ 36. Da auch nach der einer Mutter in Unsern Gerichts-Ordnungen vor­geschriebenen Eides-Formel dieselbe zugleich des Senatus-Consulti Vellejani, auch aller und jeder anderer Begnadigung und Wohlthat der Rechte sich verzeihen soll, so ist auch dieses vorher derselben gebührend zu erklären, und ihr zu eröffnen, wie die Verzeihung des SCti Vellejani um deßwillen von ihr erfordert werde, damit, wenn sie etwan ganz oder auch zugleich auf ihren eignen Credit für ihre Kinder contrahire, mithin sich zugleich selbst bürglich einlasse, sie mit solcher Rechtswolthat gegen die Zahlung sich nicht schützen könne, und daß übrigens sie auch nie auf eine dem weiblichen Geschlechte sonst gewissermaßen zu statten kommende Unwissenheit der Rechte sich berufen wollen. § 37. Einem Vormunde muß nebst Erhaltung der Pfleglinge Vermögens nichts mehr am Herzen liegen, als die ihm anvertraute Jugend in Gottes­furcht, Tugenden und nöthigen Wissenschaften zu bilden. Töchter müssen nun zu solchem Ende, wenn sie nicht bey der Mutter oder Großmutter bleiben oder bey nahen Verwandtinnen unterzubringen, an andern bequeme Orte zur Erziehung hingethan werden. Was aber die Söhne betrifft, so müssen zwar die Vormünder dafür sorgen, daß sie auch schon in den ersten Jahren der Kindheit den Unterricht, dessen sie fähig sind, erhalten. Mit 6 Jahren sind aber gemeiner Leute Kinder in Städten in die öffentlichen Schulen zu schicken, und auf dem Lande in die Dorfschulen, und die Vormünder haben sich wohl darnach zu erkundigen und darauf zu sehen, daß dieses genau beobachtet werde. Wie sie denn auch bey den Töchtern darauf genaue Acht nehmen müssen, wenn sie schon der Mutter oder Verwandtinnen gelassen worden. Was aber andere Söhne, auch derer von Adel, auf dem Lande oder in Städten anlanget, so halten Wir Uns verbunden, aus Landesväterlicher Sorgfalt deren Uns noch be­sonders anzunehmen, wie dem gemeinen Wesen an deren, und zwar zu­gleich frühzeitigen Formirung zum allerhöchsten gelegen ist, also mögen zwar die Vormünder, wenn das Vermögen es zulässet, dem Sohn als-denn einen eignen Lehr-Meister zugeben. Sind aber die Vermögens-Um-stände nicht so beschaffen, so sind sie in die Städte zu geben, damit sie in den öffentlichen Schulen Unterricht erlangen. Hat nun hierauf ein Sohn das 14te Jahr erreichet, so soll er, wenn er keine Brüder hat, daß man einen gemeinschaftlichen Lehrmeister beybehalte, nicht mehr bey dem Privat-Lehrmeister gelassen, sondern in die öffentlichen Schulen gesandt werden, da wir es der Einsicht der Vormünder nur gar zu selten


Tit. 76                                                                                                                             169

zutrauen können, die Fähigkeit des Privat-Lehrmeisters zu beurtheilen. Dodi wollen Wir in dem Fall, wenn die Vormünder verständige Leute darunter zu Rathe ziehen, dieselben darin nicht einschränken. Es sollen auch die Vormünder nicht allein, wenn die Söhne denen öffentlichen Schulen nicht anvertrauet werden, alljährlich durch einen öffentlichen gelehrten Schullehrer oder den Prediger des Orts oder einen andern tüchtigen Mann ihres Pflegebefohlnen Anwachs in Wissenschaften prüfen lassen, sondern auch, wenn sie denen öffentlichen Schulen überlassen sind, alle Jahre ein Zeugniß und Gutachten von denen öffentlichen Leh­rern verlangen, ob die Untergebenen in Wissenschaften etwas ver­sprechen oder nicht, da denn letztern Falls die Vormünder das gemeine Wesen mit ihm als einem künftigen schlechten Gelehrten nicht zu be­schweren, sondern ihn nach Beschaffenheit seiner Neigung und Fähigkeit, ohne jedoch außer der Gerichte Zustimmung ihn zu etwas gewisses zu nöthigen, in ein anders Feld zu setzen haben. Ist auch der Pflegebefohlne auf Universitäten, so haben gleichfalls die Vormünder wegen seines Ver­haltens und Fleißes sich sorgfältig zu erkundigen und, so viel möglich, Abänderung darunter zu treffen, weniger nicht, daß sie darunter alle Sorgfalt angewandt, bey Ablegung ihrer Rechnung glaubhaft darzuthun. § 38. Hat ein Vormund seiner Mündlinge Gelder an solche Personen aus­geliehen, welche durchgehends Credit gehabt haben, so ist ihm desfalls kein Vorwurf zu machen, immaßen denn auch um des gemeinen Besten willen die Pflichten der Vormünder nicht zu erschweren sind. Es ist auch denen Gerichten nicht anzumuthen, daß sie bey Ausleihung der Capitalien, sofern denselben nicht aus ihren Acten und Ingrossations-Büdiern der Vermögens-Zustand des Schuldners bekannt ist, einen sie sonst zugleich mit treffenden Rath oder gar Einwilligung ertheilen.

§ 39. Wenn die Vormundschaftliche Rechnungen von der Obrigkeit abge­nommen worden, und der Vormund darüber quitiret ist, können die Un­mündigen darüber nicht weiter als binnen denen in den Rechten vorge­schriebenen 4 Jahren nach erlangter Großjährigkeit dawider in vorigen Stand gesetzet zu werden suchen, um zu zeigen, daß sie durch solche Quitirung verkürzet seyn.

§ 40. Nach geendigter Vormundschaft und übergebener Rechnung muß der neue Curator oder der Großjährige selbst alles dasjenige, was bisher dem abgegangenen Vormund abgelegen, besorgen.

§ 41. Fänden sich auch in des abgegangenen Vormundes Rechnungen Restanten, so muß der Großjährige oder der neue Curator solche ein­treiben, und kann der vormalige Vormund desfalls weiter nicht be­sprochen werden, als wenn durch die von ihm unterlassene Beytreibung


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ein wahrer Schade für die Pflegebefohlnen sich zu Tage leget, daß näm­lich der Nachstand ganz oder zum Theil verloren gehet.

§ 42. Bey Veräußerung derer Unmündigen unbeweglichen Güter wird zwar aus denen gemeinen Rechten sehr bezweifelt, ob dieselbe auch wegen eines offenbar erscheinenden Nutzens des Unmündigen Statt finde, und ob die Obrigkeit auch in diesem Fall die Erlaubniß dazu er­theilen könne. Wie aber bereits von Unsers in Gott ruhenden Herrn Großvaters Majestät festgestellet ist, daß der offenbare Nutze der Un­mündigen dazu hinreichend sey, also wollen Wir solches hiedurch noch­mals bestätigen.

§ 43. Ob schon die gemeinen Rechte die Vormundschaft als ein solches Amt ansehen, wofür keine Vergütung verlanget werden könne, so finden Wir es jedoch außer der nächsten Verwandten Vormundschaft, weil solche sich in der zu erwartenden Erbschaft gründet und zugleich zu ihrem eignen Besten gereichet, für billig, daß dem Vormunde für seine Mühe eine Ergetzlichkeit gereichet werde, und der gemeine Nutze er­fordert diese Aufmunterung. Wie Wir nun auch berichtet worden, daß in solchen Fällen es in Unsern Gerichten also gehalten werde, also wol­len Wir solches hiedurch bestätigen.

§ 44. Ob auch schon ferner die gemeinen Rechte dem Vormund wegen seines gethanen Vorschusses in des Unmündigen Gütern kein Unter­pfands-Recht beylegen, so kann er jedoch diesen Vorschuß nicht allein von dem unter sich habenden Vermögen des Unmündigen vor dessen Ablieferung abziehen, sondern auch, wenn er aus Irrthum zu viel abge­liefert, so viel zur Zurückbehaltung zurückfordern, und er ist dadurch vor allen andern Gläubigern seiner Schadloshaltung versichert.

§ 45. Da aber auch ein Vormund in Unsern Landen bey ausdrücklicher Verpfändung seiner Güter gerichtlich bestellet wird, so sollen dahero auch die Unmündigen, wenn auch schon von der Obrigkeit die Beob­achtung dessen unterlassen worden, dennoch in des Vormunds Gütern eine öffentliche und gerichtliche Hypothek haben.

§ 46. Wir wollen übrigens auch nicht, daß bloß auf des Vaters oder der Mutter Zeugniß ein Kind für mündig erkläret werde, da Eltern die Fehler ihrer Kinder theils nicht erfahren, theils geringer halten und übersehen, mithin dadurch der Unmündigen wahres Beste nicht befördert wird.

Zum Titul von Vormundschaften. Veränderter § 42.

Ob auch wol nach denen Gemeinen Rechten die Obrigkeit in eine Veräußerung derer Unmündigen unbeweglichen Güter nur alsdenn willigen kann, wenn sich findet, daß eine dringende Noth solches erfordern, nicht aber, wenn bloß ein


Tit. 76 und 77                                                                                                                171

scheinbarer Nutze dadurch gewonnen werden soll, so ist doch bey Bergtheilen und Häusern schon vorhin in Unsern Landen solches auch um der Verträglich­keit willen zugelassen. Welches wir demnach bestätigen, jedoch auf Äcker und andre liegende Gründe nicht gezogen wissen wollen.

Titul LXXVII.   Von Testamenten und letzten Willen überhaupt.

§ 1. In Ansehung der letzten Willens-Verordnungen, sowol der Testa­mente, als Codicillen, lassen Wir es in Ansehung sowol der äußerlichen als innerlichen Zierlichkeiten bey demjenigen, was desfalls in denen gemeinen Kaiserlichen Rechten versehen ist, schlechterdings bewen­den.

§ 2. Wir billigen jedoch hiebey die Meinung der Rechts-Lehrer, daß es überhaupt bey der Frage, ob ein Testament in seinen Zierlichkeiten bestehe, auf die Rechte desjenigen Orts ankomme, wo das Testament errichtet worden.

§ 3. Bey einem von der gehörigen Anzahl Zeugen würklich besiegelten und unterschriebenen Testament ist so lange zu glauben, daß alles in der von den Rechten bestimmten Feyerlichkeit geschehen sey, bis durch die eidliche Vernehmung der Zeugen das Gegentheil und ein Mangel darge­leget wird.

§ 4. Wenn jemand seinen in einem Umschlage verschlossenen letzten Willen zwar nicht eigenhändig geschrieben, jedoch entweder unterschrie­ben oder doch auf dem verschlossenen äußerlichen Umschlage in Gegen­wart der erforderlichen Zeugen bezeuget, daß darin sein letzter Wille enthalten sey, anbey zugleich auf eben diesem Umschlage es von den Zeugen besiegeln und bekräftigen lässet, so ist es für einen nach äußer­lichen Zierlichkeiten gültigen letzten Willen zu halten.

§ 5. Nachdemmalen bey denen gerichtlich niedergelegten, insonderheit auch in Unsern Landen sehr gebräuchlichen Testamenten mehrmalen ver­schiedene Zweifel vorgefallen sind, als haben Wir gut gefunden, hier­unter einige nähere Bestimmungen zu machen.

§ 6. Wir setzen nun zuförderst, daß, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht verschiedentlich bisher, als denen gemeinen Rechten gemäß, erkannt hat, daß diejenigen, welche ihren letzten Willen gerichtlich stiften wollen, solches vor einer jeden Obrigkeit, welche sie dazu er­wählen, verrichten mögen, ob sie schon unter derselben Gerichtszwang nicht gesessen sind.

§ 7. Es ist auch bey dieser Errichtung genug, wenn entweder die Über­gabe eines schriftlich gefaßten Testaments in die Hände einer auf das Protocoll  beeidigten  Gerichts-Person  geschiehet,   oder  auch  ein  von


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Mund ausgeflossenes Testament durch deren Niederschrift beglaubiget wird, es mag im oder außer dem Gericht geschehen seyn. Wie Wir denn auch ein von zwey beeidigter Gerichts-Schöppen ohne Protocoll aufge­nommenes und an das Gericht überbrachtes Testament, gleich solches in dem Zellischen und mehrern Stadt-Rechten versehen ist, genehm gehal­ten wissen wollen.

§ 8. Wenn demnach ein Edelmann, welcher mit den Gerichten versehen ist, vor seinem eignen beeidigten Gerichts-Verwalter ein Testament schrift- oder mündlich abgiebet, ist solches, gleichwie auch Unsre Gerichte bisher dahin erkannt haben, zu Recht beständig. Und ein gleiches tritt ein, wenn ein Beamter von dem ihm vertraueten Gericht einer andern dabey bestellten und beeidigten gerichtlichen Person sein Testament übergiebet.

§ 9. Als Wir auch nicht finden, daß durch Annehmung eines letzten Wil­lens, wobey es bloß auf die ungezweifelte Beglaubigung desselben an­kommt, eine Gewalt in einem fremden Gebiet oder Gerichts-Bezirk aus­geübet werde, Unser Ober-Appellations-Gericht auch verschiedentlich dahin erkannt hat, so wollen Wir auch diese Meinung in Unsern Gerich­ten befolget wissen, daß alle Testamente und letzte Willens, wenn sie auch schon in einem fremden, und von Auswärtigen in Unserm Gebiete angenommen worden, für zu Recht beständig gehalten werden sollen. § 10. Es ist zur Beständigkeit eines gerichtlichen Testaments durchaus genug, daß der Testirer, wenn derselbe nur Schreibens nicht unerfahren ist, bey der Übergabe auch eines verschlossenen Testaments zu Protocoll bezeuget, daß darin sein letzter Wille enthalten sey, und soll alsdenn über die Richtigkeit der Niederschrift überall kein Rechtsstreit, noch der ohne Testament eintretenden Erben eidliche Entkennung des Testirers Hand zugelassen werden.

§ 11. Wir haben Uns hiebey berichten lassen, daß in denen Gerichten darunter große Zweifel obwalten, ob ein Testament durch einen Gevoll-mächtigten gültiger Weise gerichtlich übergeben werden könne. Nach­dem Wir diese Frage reiflich erwogen, so setzen Wir hiemit, daß der­gleichen Übergabe nicht anders bestehen solle, als wenn die Gevollmäch-tigte oder Überbringer zum Dienst des Testirers und zur Treue gegen denselben beeidigte Personen sind.

§ 12. Wann ein gerichtlich übergebenes Testament von dem Testirer nachher aus dem Gericht zurückgenommen wird, verlieret es dadurch allein seine Gültigkeit nicht, wenn der Testirer es nicht erbrochen hat, noch sonst erscheinet, daß er es durch die Zurücknehmung aufheben wollen.


Tit. 77                                                                                              173

§ 13. Ein außergerichtlich vor Notarien und Zeugen angeordnetes Testa­ment bleibet, wenn es schon bey dem Ableben des Testirers nicht vor­handen ist, gültig, wenn dessen Zierlichkeit und Inhalt sonst erwiesen werden kann und alle Vermuthung aus dem Wege geräumet worden, daß der Testirer es selbst vernichtigen wollen, als wie solchergestalt auch Unser Ober-Appellations-Gericht einst erkannt hat.

§ 14. Diejenigen, welche taub und stumm von Natur sind, mögen zwar nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten überall keine letzte Willens-Verordnung noch andre Schenkung vornehmen. Da jedoch dergleichen Personen Verstand und Vernunft nicht abzusprechen stehet und dieselben durch ungezweifelte äußerliche Zeichen ihre Meinung mit Gewißheit zu erkennen geben mögen, dahero auch bereits unter Unsers Herrn Groß­vaters Maj. Regierung nach gnugsam untersuchter Sache ein solches Testament bestätiget worden, so behalten Wir uns und Unsern Nach­folgern an der Regierung dergleichen ferner bevor.

§ 15. Wenn ein Schreibens-Unerfahrner seinen letzten Willen schriftlich errichten will, ist es nicht genug, daß solcher im Gericht übergeben oder vor acht Zeugen vollzogen werde, sondern Wir nehmen hiebey die Mei­nung dererjenigen Rechts-Lehrer an, welche zugleich erfordern, daß zu Verhütung alles Betrugs die ganze Niederschrift dem Testirer im Gericht oder außergerichtlich von einem beeidigten öffentlichen Schreiber, in Gegenwart des Testirers und sieben Zeugen, falls aber ein solcher öffent­licher Schreiber nicht wol zu haben, durch einen achten Zeugen unter Beobachtung sämmtlicher Zeugen verlesen, und von dem Testirer als seine letzte Willens-Meinung bekräftiget werde. Welchen Falls die Zeu­gen, daß solches geschehen, sämmtlich bey ihrer Unterschrift bezeugen müssen.

§ 16. Eine gleiche Vorlesung, wie bey einem Blinden und des Schreibens unerfahrenen muß auch alsdann geschehen, wenn der Testirer ein von ihm selbst nicht niedergeschriebenes Testament oder andern letzten Willen Krankheits und Schwachheit halber selbst nachzulesen nicht im Stande ist.

§ 17. Wer mit einer hitzigen Krankheit befallen ist, worin er den Ge­brauch seiner Vernunft nicht frey behält, kann nicht anders eine letzte Willens-Verordnung machen, als wenn desselben Arzt eidlich bezeuget, daß er zu solcher Zeit vollkommen bey Verstand und Vernunft gewesen. Welches Zeugniß jedoch nicht angenommen werden kann, wenn er dem Arzt selber etwas vermachet oder geschenket hätte.

§ 18. Nachdem Wir Uns auch berichten lassen, daß die Rechtslehrer dar­unter nicht einerley Meinung hegen, ob ein zum gottseligen Gebrauch


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errichtetes Testament, so weit es diese Absicht betrifft, nachdem sonst in diesem Stücke durchgehends angenommen Canonischen Rechte auch ohne alle Zeugen aus einer bloßen unbezweifelten Niederschrift des Testirers bestehe, Unser Ober-Appellations-Gericht aber bereits verschiedentlich dahin erkannt hat, daß die Zahl der Zeugen nur auf zwey oder drey ein­geschränket, im übrigen aber sowol die Ersuchung der Zeugen zu einem letzten Willen, als die übrigen Feyerlichkeiten der Kaiserlichen Rechte beybehalten worden, so wollen Wir solche Erklärung hiemit bestätigen.

§ 19. Ob denen zum Tode Verdammten, und zwar zugleich von dem Tage der ersten Verdammung, die Freiheit zu testiren annodi zustehe, soll, wie Wir vernehmen, von denen Rechtslehrern selbst aus denen gemeinen Kaiserlichen Rechten zweifelhaft gehalten werden, Wir pflichten gleich­wol in denen Fällen, wo es auf keine in Unsern Schatz zugleich verfallene Güter ankommt, derjenigen Meinung bey, daß solche Personen einen letzten Willen anzuordnen nicht vermögen, sondern ihr etwaniger Nach­laß nach Ordnung der Gesetze denen durch sie verordneten Erben bleibe.

§ 20. Da auch in einem Theil Unsrer Lauenburgischen Lande, besonders in Unser Stadt Mollen, das Lübecksche Stadt-Recht durch Gewohnheit hergebracht worden, nach demselben aber keine Testamente noch Schen­kungen auf den Todesfall gelten sollen, als wenn zuvor vom gewon­nenen Gute denen nächsten Erben vier Schilling acht Pfennig gegeben worden, hiebey aber die Frage vorgefallen, wie weit in diesem solchen­falls verstatteten Widerspruch die Erben nach Graden der Verwandt­schaft begriffen und ob sie über die im Lübischen Stadt-Recht L. 2 Tit. 2 § 1 benannte Personen, worin alle Erben und Erbnehmen beschlossen seyn sollen, auf alle sonst nach denen gemeinen Rechten ohne Testament eintretende Personen zu erstrecken seyn, diese Frage auch unter denen Auslegern des Lübeckschen Rechts selbst sehr zweifelhaft gehalten wird, Unser Ober-Appellations-Gericht aber in einem davon aus der Stadt Mollen vorgekommenen Fall erkannt hat, daß ein solches ganz beson­ders Widerspruchs-Recht der nächsten Erben nicht über die im Lübeck­schen Stadt-Recht selbst dafür erklärten Erben, womit alle Erben und Erbnehmen in solchem Betracht geschlossen seyn sollen, auszudehnen sey, als wollen Wir auch diese Auslegung künftig befolget wissen.

§ 21. über die in einigen Unsrer Lüneburgischen Städte, besonders Lüne­burg und Uelzen, befindliche Erb-Güter findet, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat, zum Nachtheil der sonst eintretenden nächsten Erben keine letzte Willens-Verordnung Statt.

§ 22. über Stamm-Güter, welche zwar außer dem Herzogthum Bremen in Unser deutschen Landen kaum noch zu finden seyn werden, hat auch zum


Tit. 77                                                                                                                             175

Nachtheil der nächsten Erben und Stamm-Vettern eine testamentarische Verordnung nicht Statt.

§ 23. Was aber Familien-Fideicommisse betrifft, so hat es zwar dabey sein Bewenden, daß, wenn dieselben in eines ehemaligen Testirers Ver­ordnung sich gründen, selbige schlechterdings zu befolgen sey, und der Besitzer dagegen denen mit dazu berufenen, auch seinen eignen Kindern zum Nachtheil durch einen letzten Willen nichts widriges verordnen könne. Wenn jedoch fideicommissa familiae durch Verträge unter mehrern Brüdern oder Vettern errichtet sind, so erachten Wir, daß es bloß darauf ankomme, ob des ehemaligen Mit-Paciscenten Nachkommen ein Nachtheil dadurch entstehe, und daß, wenn nur annodi eine Linie der ehemaligen Paciscenten übrig ist, der Besitzer aus dieser Linie darüber ungehindert testiren möge.

§ 24. Unter seinen Söhnen kann ein Vater auch über Altväterliche Lehn­güter testiren. Wie solchergestalt auch bey Unserm Ober-Appellations-Gericht erkannt ist.

§ 25. Nachdem Uns auch vorgetragen worden, wie verschiedene Rechts­lehrer dafür halten, daß ein zu Recht nicht beständiges Testament als eine Schenkung unter den Lebendigen bestehe, wenn der Testirer ge­wollt, daß es auf solchen Fall also gelten solle, dergleichen Anhang aber schon einst von Unserm Ober-Appelations-Gericht als widersprechend verworfen worden, so soll darnach auch künftig erkannt werden. § 26. Vielweniger kann aber dergleichen Anhang ein Testament unwider­ruflich machen.

§ 27. Wir wollen nun zwar auch gern geschehen lassen, daß die soge­nannte Clausula codicillaris beybehalten werde, nach welcher ein Testi­rer wünschet, daß, wofern sein Testament nicht als ein zierliches Testa­ment bestehe, es jedoch als ein Codicill, oder andre Verordnung wie ein letzter Wille erhalten werden möge. Es kann jedoch dergleichen von gar keiner Kraft seyn, wenn Kinder vorbeygegangen sind oder auch in An­sehung ihrer oder andrer Personen die Erbeinsetzung nicht bestehet. Und überhaupt kann die Würkung nur diese seyn, daß wegen Mangels der äußerlichen Feyerlichkeiten oder wenn es an einer Erbeinsetzung er­mangelt, ein Codicill angenommen werde.

§ 28. Wie es auch im Grunde zu Abschaffung aller Feyerlichkeiten der Testamente gereichen würde, wenn bey jedem Testament eine still­schweigende Clausula codicillaris anzunehmen wäre, also können Wir die Meinung derer dahin abzielenden Rechts-Gelehrten nicht billigen. § 29. Als ferner unter den Rechtslehrern über die Würkung der soge­nannten clausulae derogatoriae sehr gestritten wird, da nämlich ein


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Testirer verordnet, daß kein dem erstem zuwider laufendes späteres Testament gelten solle, auch wol gar solches eidlich bekräftiget, und dann bereits große Rechtsgelehrte angemerket, daß dergleichen gemei­niglich nicht von dem Testirer selbst, sondern von des eingesetzten Erben Veranlassung herrühre, mithin dieselbe als zugleich denen gemeinen Rechten zuwider abzuschaffen gewünschet, so erklären Wir selbige nicht anders von einiger Würkung, als wenn ein Testirer besorgen müssen, daß er durch Andringen und Zusetzung andrer Personen zu Errichtung eines andern letzten Willens werde genöthiget werden und, daß solches nachher geschehen, glaubliche Anzeigen vorhanden sind.

§ 30. Wir billigen ferner die Meinung derer jenigen, welche dafür halten, daß ein vor sieben Zeugen errichtetes Testament auch vor sieben Zeugen widerrufen werden könne. Welches Wir jedoch bey gerichtlichen Testa­menten nur alsdenn annehmen, wenn die Widerrufung und Zurückforde­rung des Testaments zu der Zeit bey demselben Gerichte, bey welchem es niedergelegt, nicht geschehen mögen.

§ 31. Wann auch nach Errichtung eines Testaments bereits zehen Jahre verflossen, und in solcher Zwischen-Zeit ein Testirer selbiges auch nur vor dreyen Zeugen oder vor Gericht aufgerufen hätte, so soll dasselbe aufgehoben seyn, und können Wir die Meinung dererjenigen nicht billi­gen, welche annodi nach solcher Verrufung einen Ablauf von zehen Jahren erfordern, so wie Wir auch denenjenigen Unsern Beifall ver­sagen, welche ohne Absicht auf dergleichen Zeit-Verlauf die bloße Willens-Änderung für hinreichend halten. Wenn inzwischen ein Testirer ein gerichtliches Testament nicht allein widerrufet, sondern zugleich aus dem Gerichte herausnimmt und erbricht, so kommt es auf einen Zeit-Verlauf nicht an.

§ 32. Da bey denen Testamenten der Soldaten die Rechtslehrer nicht einerley Meinung hegen, wann und in wiefern ihnen die in denen Römi­schen Rechten und Kaiser Maximilians Notarien-Ordnung zugestandene Erlassung von Feyerlichkeiten und andre Begnadigungen angedeyen, so erklären Wir uns hierüber dahin, daß sie deren, sobald sie den Heerzug antreten, wenn sie schon vom Feinde noch entfernet, theilhaft seyn.

§ 33. Bey dem von allen Feyerlichkeiten befreyten Testament der Eltern unter ihren Kindern ist zuförderst die zweifelhafte Frage zu entscheiden, ob die Enkel oder Nachkommen weitern Grades alsdenn darunter begrif­fen seyn, wenn deren näher anrührender Vater oder Mutter noch im Leben seyn. Da aber Unser Ober-Appellations-Gericht mit genügsamer Prüfung der Gesetze erkannt hat, daß, wenn die Kinder durch Hinauf-tretung in ihrer Vor-Eltern Platz den Testirer nicht unmittelbar berühren,


Tit. 77                                                                                                                               177

solche Rechts-Verordnung nicht eintrete, so wollen Wir auch solches hiedurch bestätigen.

§ 34. Hiebey billigen Wir auch Unsers Ober-Appellations-Gerichts Mei­nung, daß es nicht durchaus nöthig sey, daß Eltern in diesem Testament die Namen ihrer Kinder mit vollen Buchstaben ausdrücken, sondern es für gnug zu halten, wenn die Kinder durch ungezweifelte Bezeichnungen angezeiget seyn.

§ 35. Nachdemmalen auch in neuern Rechten allen Testirern nachgelassen worden, derer Erben Namen durch einen andern schreiben zu lassen, wenn nur die Testirer das Testament selbst unterschrieben, dahero auch Unser Ober-Appellations-Gericht auf die Gültigkeit eines solchen elter­lichen Testaments erkannt hat, als wollen Wir, daß solches zur Erklärung der gemeinen Rechte dienen solle.

§ 36. Es hat ferner Unser Ober-Appellations-Gericht, wie Uns hinter­bracht worden, für einen Irrthum erkläret, daß in einem solchen Testa­ment das Jahr und der Tag nicht mit Zahlen, sondern mit Buchstaben ausgedrücket werden müsse. Hiebey ist von Unserm Ober-Appellations-Gericht noch weiter dafür gehalten worden, daß es nicht einst nöthig sey, Jahr und Tag auszudrücken, am wenigsten solches mit eigner Hand der Eltern geschehen müsse. Welche Erklärung der Rechte Wir demnach genehmigen.

§ 37. Es kann hingegen dergleichen Testament unter Kindern nicht be­stehen, wenn eines derselben übergangen oder enterbet wird, wenn auch schon zu der Enterbung rechtmäßige Ursachen vorhanden wären. Wol aber wird dadurch ein vorher unter Kindern errichtetes feierliches Testa­ment aufgehoben.

§ 38. Als gleichwol bey diesem Testament unter Kindern annodi die sehr bestrittene Rechts-Frage vorfällt, ob oder in wiefern außer den Kindern zugleich andre entweder zu Erben eingesetzet oder mit Vermächtnissen versehen werden können, so erklären Wir hiedurch die Meinung denen Rechten gemäß, daß alle andre Personen ohne Ausnahme, welche nicht des Testirers leibliche Kinder seyn, auch selbst des Testirers Ehefrau, weder darin zu Erben eingesetzet werden können, noch ihnen ein Ver-mächtniß mitzutheilen stehe, noch auch dieselben durch ein Fideicommiß etwas erlangen können, als wenn entweder bey der Erbeinsetzung sieben, oder sonst fünf Zeugen dazu genommen worden, solchergestalt, wie die Rechte es sonst erfordern.

§ 39. Ob Wir schon von der Güte des Allerhöchsten hoffen und wünschen, daß er Unsre Lande mit Pest gnädigst verschonen werde, so wollen Wir

12   Ebel


178                                                                                                                              Tit. 77

doch auf den Fall, daß Gott dieses über Unsre Lande verhängen sollte, Uns dahin erklären, daß die in den gemeinen Rechten versehene Nach­lassung der sonst verordneten Feyerlichkeiten, daß nämlich nur fünf Zeugen, auch nicht zu gleicher Zeit, erfordert werden, nicht dahin zu ver­stehen, daß derTestirer bereits selbst von der Pest verfallen, oder dessen Haus davon angesteckt sey, sondern es für genug zu halten, daß die Pest in demselben Ort wüthe. Doch wollen Wir auch diese Ausnahme der Rechte weiter und auf andre ansteckende Krankheiten nicht ausdehnen.

§ 40. Bey einem sogenannten Codicill oder Zuschrift an den Erben sind zwar bey einem vorhergehenden und gültig gebliebenen Testament keine Zeugen nöthig. Außerhalb diesem Falle aber, da fünf Zeugen er­fordert werden, will, wie Uns berichtet ist, von einigen Rechtslehrem gezweifelt werden, ob zu solchen Zeugen Weiber genommen werden mögen. Wir pflichten gleichwol der Meinung bey, daß auch weibliche Zeugen dazu genommen werden mögen.

§ 41. Als aber auch darüber die Meinungen derer Rechts-Lehrer getheilet seyn sollen, was ein vor dem Testament errichtetes Codicill nachhero für Achtung behalte, so vernehmen Wir, daß zwar die Fortdaurung wenig Zweifel finde, wenn aus dem nachherigen Testament selbst durch hin­längliche Anzeigen erscheinet, daß der Testirer zugleich bey seiner vor­hergehenden Codicillarischen Verordnung beharret habe. Wir pflichten gleichwol auch denenjenigen bey, welche es denen Gesetzen gemäß halten, daß ein Testirer diesen fortdauernden Willen auch außerhalb Testaments geäußert habe, und dieses zu Recht erwiesen werde.

Zugabe zu dem Titul: Von Testamenten und letzten Willen.

§ 1. Da Wir vernehmen, daß einige practische Rechtslehrer des Dafürhaltens sind, daß eine letzte Willens-Verordnung oder Schenkung von Todeswegen unwiderruflich werde, wenn der Zusatz geschehen, daß im Fall das Testament oder die Schenkung von Todeswegen in der Maße nicht bestehen könne, es als eine unwiderrufliche Schenkung unter denen Lebendigen gelten solle, dieses aber ganz widersprechend ist, am wenigsten aber bey Widerrufung einer solchen Verordnung oder Schenkung angenommen werden kann, als erklären Wir auch solchen Beysatz für zu Recht durchaus nicht würkend.

Zugabe von Testamenten, post § 13.

§ 13. Eine gleiche Vorlesung, wie bey einem Blinden und des Schreibens Uner­fahrenen muß auch alsdenn geschehen, wenn der Testirer ein von ihm selbst nicht niedergeschriebenes Testament oder andern letzten Willen Krankheits und Schwachheit halber selbst nachzulesen nicht im Stande ist.


Tit. 78                                                                                                                            179

Titul LXXVIII.   Von widerseitigen und rücksichtlichen Testamenten.

§ 1. Wir nennen ein widerseitiges Testament, testamentum reciprocum, wenn zwey Personen, insonderheit Eheleute, in einem Testament sich einander widerseits zu Erben einsetzen, wenn sie schon sonst noch darin besondre Vermächtnisse verordnen.

§ 2. Ob nun gleich viele Rechtslehrer dieses unter Eheleuten als ein Geding und unwiderruflich ansehen wollen, so mögen Wir doch, wenn sonst dergleichen Meinung nicht erscheinet, oder gar eine eidliche Be­kräftigung hinzugekommen, dieses nicht annehmen. Doch muß eine Widerrufung und anderweite Testirung nicht heimlich noch ohne Wissen des andern Theils geschehen, maßen sonst die widerseitige Verordnung des andern hintergangenen Theils für null und nichtig zu halten ist.

§ 3. Am wenigsten aber ist einer von diesen Theilen gegen diejenigen so schlechterdings gebunden, welchem er von dem Seinigen nur etwas ver­macht hat, es wäre denn, daß es des andern Theils Verwandte beträfe, wovon Wir aber nachhero weiter verordnen werden.

§ 4. Wenn einer dieser Testirenden stirbet und ihm mithin des andern Nachlaß zufällt, so ist dieser überlebende an seine eigne vormalige Ver­ordnung, so weit sie in keiner Verbindung mit des Verstorbenen letzten Willen stehet, keinesweges weiter gebunden, sondern er kann nach Ge­fallen davon abgehen.

§ 5. Da gleichwol Eheleute in solchen Testamenten gemeiniglich auch da­für zu sorgen pflegen, wie es nach des längstlebenden Tode mit den beiderseitigen Verwandten gehalten werden solle, so hat es zwar, wenn desfalls genaue Bestimmung geschehen, dabey sein Bewenden. Auch ist der längst lebende zwar gegen des Verstorbenen Verwandten, in An­sehung seiner eignen Verwandten nicht gebunden.

§ 6. Weil aber oft die Vorsehung dahin geschiehet, daß nach des längst lebenden Absterben der Nachlaß an beiderseitige Verwandten fallen solle, so gehöret in solchem Fall, wenn jedoch der überlebende wegen seiner eignen Verwandten seinen Willen nicht geändert, denen Ver­wandten von jeder Seite der gemeine Nachlaß halb, und es können bei­der Eheleute Güter von einander nicht abgesondert werden.

§ 7. Wenn auch, wie vorgekommen ist, Eheleute einander zu Erben ein­setzen und völlige Gewalt auch zu veräußern geben, doch mit dem Be­ding, daß, was der längst lebende nachlasse, nach dessen Tode unter ihrer beiden Erben gleich geteilet werden solle, so ist dieses nach den Kaiserlichen Rechten nicht zu beurtheilen, sondern, gleichwie beide Ehe­leute ihr Vermögen dadurch zusammen in eines gesetzet haben und es

12·


180                                                                                                                 Tit. 78 und 79

für ein einziges Vermögen zu halten ist, also bleibet auch der längst lebende mit des verstorbenen Verwandten in der Gemeinschaft des ge-sammten Guts, so daß denenselben schlechterdings die Halbscheid des­jenigen zufällt, was der längstlebende würklich nachlässet. § 8. Daher billigen Wir auch die Meinung derer jenigen, welche dafür halten, daß des erst Verstorbenen Erben nicht weniger zur Halbscheid desjenigen, was der überlebende auch nach jenes Tode durch Erbschaften, Anfälle, Vermächtnisse, Schenkungen oder auch durch eignen Fleiß er­worben hat.

§ 9. Wir halten übrigens nicht nöthig, unter widerseitigen und rücksicht­lichen Testamenten einen Unterschied zu machen. Es ist auch bey diesen genug, wenn die von einem Theile vorgenommene Veränderung seines letzten Willens nicht heimlich, und ohne Wissen des andern Theils ge­schehen ist. Denn da solchenfalls dem andern frey stehet, sein Testament gleichfalls zu verändern, so kann, wenn solches nicht geschehen, dessen Verordnung für gleichfalls verändert und aufgehoben nicht gehalten werden.

§ 10. Wenn nun auch schon durch ein widerseitiges oder rücksichtliches Testament von ein oder andern die daraus gefaßte Vortheile nicht würklich zu erlangen gewesen wären, so kann doch daher das gegen­seitige Testament für hinfallend oder nichtig nicht gehalten werden, wo­fern nicht an des einen Seite ein offenbarer Betrug sich zu Tage leget, und solches aus dem Testament selbst erscheinet. Wofür jedoch zumal unter Eheleuten die etwanige Vorbildung eines größern Vermögens nicht zu halten ist.

Titul LXXIX.   Von den Pflichten der Eltern, Kinder und Brüder in Ansehung der Erbeinsetzung.

§ 1. Es ist Uns hinterbracht worden, wie sehr die Ausleger der Rechte zweifeln, ob die Novella U.C. 1 eine Veränderung der alten Rechte auch dahin habe vornehmen wollen, daß sowol ein Vater sein unter väter­licher Gewalt nicht stehendes Kind, als auch eine Mutter ihre Kinder schlechterdings zu Erben einsetzen müssen, oder widrigenfalls zu ge­wärtigen haben, daß ihr Testament für nichtig erkläret werde, mithin gänzlich übern Haufen falle. Wir sind berichtet, daß Unsere Justiz-Canzley zu Hannover sowol als Unser Ober-Appellations-Gericht er­kannt hat, daß in diesem Stück durch die gedachte Novelle keine Verän­derung der ältern Rechte geschehen sey; dieses genehmigen Wir also, und geben Unsere Erklärung dahin, daß, wenn ein Vater die nicht unter seiner Gewalt stehende Kinder in seinem Testament vorbey gehet, des-


Tit. 79                                                                                              181

gleichen wenn eine Mutter ihre Kinder übergehet, das Testament nicht durchaus von Anfang nichtig sey, sondern im ersten Falle gegen des Vaters Testament die Kinder die bonorum possessionem Praetoriam zu suchen, bey der Mutter aber, als bey welcher die Vorbeygehung für eine Enterbung in Rechten angesehen wird, die querelam inofficiosi anzu­stellen haben.

§ 2. Gleichergestalt wird auch eines Kindes Testament nicht nichtig, wenn es seine Eltern übergehet, sondern es muß als pflichtwidrig angefochten werden.

§ 3. Es soll auch ein Testament dadurch keinesweges nichtig seyn daß bey der Enterbung entweder gar keine, oder doch keine in den Gesetzen gebilligte Ursache ausgedrücket worden, sondern der Enterbte muß über Pflichtwidrigkeit klagen, und soll alsdann dem Erben freystehen, eine rechtmäßige Ursache der Enterbung oder übergehung gleichwol zu er­weisen.

§ 4. Obgleich in denen neuern Rechten gewisse Ursachen vorgeschrieben sind, welche, und keine andre, der Enterbung Platz geben sollen, so wird doch unter denen Rechts-Lehrern sehr gezweifelt, ob nicht auch gleich wichtige Ursachen eintreten mögen. Da Unsre Absicht ist, die Rechte, so viel möglich, in Gewißheit zu setzen und das Willkührliche in Anwen­dung der Gesetze zu verbannen, so mögen Wir nicht anders als denen-jenigen beytreten, welche keine andre Ursachen zulassen.

§ 5. Da jedoch in Zweifel gezogen werden will, ob das Vorgehen gegen einen derer leiblichen Eltern auch dem andern ein Recht zu enterben gebe, so wollen Wir solches allerdings Stattnehmig gehalten wissen.

§ 6. Diese Enterbung findet jedoch nur bey leiblichen Eltern und Kindern, nicht aber bey denen durch Einkindschaft gestifteten Statt.

§ 7. Als gezweifelt wird, ob die Klage wegen Pflicht-Widrigkeit, wenn Brüdern eine schändliche oder unehrliche Person vorgezogen wird, nur denen vollbürtigen Brüdern und Halbbrüdern von Vaters Seite nebst der Vollbürtigen Kindern, oder auch nach dem Sinn der neuern Rechte denen Halbbrüdern von Mütterlicher Seite zu verstatten sey, so wollen Wir die Meinung derer jenigen befolget wissen, welche auch heutiges Tages diese letztern ausschließen.

§ 8. Es ist aber der eingesetzte Erbe auch gegen den übergangenen oder enterbten Bruder eine rechtmäßige Ursache zu erweisen schuldig.

§ 9. Wir billigen hiebey Unsers Ober-Appellations-Gerichts Meinung, daß geschwächte und liederliche Weibspersonen unter diejenigen zu zählen, welche denen Brüdern ohne rechtliche Ursache nicht vorzuziehen.


182                                                                                                                              Tit. 79

§ 10. Wollen Eltern ihre Kinder aus guter Absicht und diesen selbst zum Besten enterben oder Vorbeygehen, so stehet ihnen zwar solches frey, und soll ihrer Verordnung nachgegangen werden. Als aber hiebey dar­über gestritten wird, ob in diesem Fall die Eltern auch die Ursache ihrer Vorbeygehung oder Enterbung und ihre hegende Absicht im Testament namentlich auszudrücken haben, oder ob dazu Muthmaßungen hin­reichend seyn, so wollen Wir, daß beides namentlich ausgedrücket werde, als wie auch von Unserm Ober-Appellations-Gericht solcherge­stalt erkannt ist.

§ 11. Ist eine Aussöhnung vor Errichtung des letzten Willens bereits erfolget, so findet aus der vorhergegangenen Ursache keine Vorbey­gehung noch Enterbung weiter Statt. Eine nachher erfolgte Aussöhnung aber entkräftet selbige nicht.

§ 12. Wenn zwey oder mehr Kinder enterbet oder für enterbt anzu­sehen, und die übrigen eingesetzet sind, von denen enterbten aber nur einige und nicht alle, die Klage wegen Pflichtwidrigkeit anstellen und gegen die Erben gewinnen, die übrigen aber entweder mit denen Erben sich verglichen oder sonst der Klage sich begeben haben, wird, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht in einem sich zugetragenen Vorfall erkannt hat, die Erbschaft ohne Mitrechnung der Enterbten unter denen eingesetzten übrigen Kindern und denen obsiegenden gleich getheilet, und kommt derer Ausfallenden Theil denen eingesetzten nicht zu gute.

§ 13. Wir halten es auch dem Sinne der Gesetze gemäß, daß, da bey Auf­hebung der Eltern und Kinder pflichtwidrigen Testamente die Vermächt­nisse und Fideicommissa bestehen bleiben, dieses auch eintrete, wenn eines Bruders Testament als pflichtwidrig aufgehoben wird.

§ 14. Wenn ein Testament als pflichtwidrig aufgehoben worden, so kommt dasjenige, was der obsiegende Theil erstritten, andern, welche sonst ohne Testament mit succediret haben würden, keinesweges mit zugute. Wenn also Eltern in solchem Fall gewinnen, können daher leib­liche Brüder und Schwestern, ob sie schon ohne Testament zugleich mit zur Erbfolge gelassen seyn würden, keinen Theil nehmen.

§ 15. Wenn Eltern ihren Kindern den Pflichttheil auch nur mit den Wor­ten verlassen: Mein Sohn oder Tochter sollen ihr Pflichttheil haben, so kann ihr Testament so wenig wie nichtig als wie pflichtwidrig angefoch­ten werden, weil das Pflichttheil ein Erbtheil ist, welches ihnen als Erben gegeben wird.

§ 16. Nachdemmalen die neuern Römischen Rechte das Pflichttheil der Kinder über den ehemaligen vierten Theil ihres kindlichen Antheils nach


Tit. 79                                                                                              183

Beschaffenheit der Zahl der Kinder erhöhet, und, wenn der Kinder nur vier seyn, es auf den dritten Theil, bey einer größern Anzahl aber auf die Halbschied des sonst zu hoffenden kindlichen Antheils gesetzet, und denn auch in Unsern Gerichten die Meinung angenommen worden, daß auch das Pflichttheil der Eltern gleichergestalt in dem dritten Theile oder auch nach gefundener Anzahl der Intestat-Erben der Halbschied das sonst ohne Testament zu gewartende Antheils bestehen müsse, so wollen Wir auch dieses als denen Rechten gemäß bestätigen.

§ 17. Wie aber aus solchen Begriffen von selbst folget, daß, wenn neben einem Vater oder Mutter leibliche Geschwister vorhanden seyn, welche ohne Testament zugleich mit den Eltern zur Erbfolge gelassen werden, des Vaters oder Mutter Pflichttheil nimmermehr als den dritten Theil desjenigen, was sie ohne Testament haben würden, nicht aber der ganzen Erbschaft betragen kann, dahin auch Unser Ober-Appellations-Gericht verschiedentlich bereits erkannt hat, so sollen Unsre Gerichte in allen Fällen diesem nachgehen.

§ 18. Ob Wir aber schon die von denen Rechtslehrern in Ansehung der Erhöhung der Eltern Pflichttheil angenommene Meinung gebilliget haben, so lassen Wir doch das Pflichttheil der Brüder, welche ihnen nämlich beym Vorzug schändlicher und unehrlicher Personen gebühret, bey dem vierten Theile des ihnen ohne Testament zugefallenen Erbtheils, wie überhaupt das Pflichttheil in denen ältern Rechten bestimmt ge­wesen, bestehen.

§ 19. Wir sind auch belehret, daß es unter den Rechtslehrern streitig sey, ob bey Bestimmung des Pflichttheils der Kinder die von der Erbschaft ausgeschlossenen mit unter die Kinder-Zahl zu rechnen, und darnach das Pflichttheil entweder auf ein Drittel oder auf die Halbschied des ohne Testament zu erwartenden Antheils zu setzen sey. Wir treten aber hier­unter denen Rechtslehrern bey, welche diese Ausgeschlossenen mit rechnen.

§ 20. Ein gleiches wollen Wir daher auch angenommen wissen, wenn eine Tochter gegen einen empfangenen Brautschatz auf die väterliche Erbschaft Verzicht gethan hat, daß sie nämlich bey Ausfündigmachung des Pflichttheils unter der Zahl der Kinder bleibe.

§ 21. Wenn aber, wie im Amte Hagen Unsers Herzogthums Bremen, die Söhne die Eltern alleine beerben und die Töchter mit einer bloßen Aus­stattung nach Rath der Freunde zufrieden seyn müssen, sind die Töchter bey Berechnung des Pflichttheils nicht mit zu zählen.

§ 22. Wenn bey der zweiten Heyrat des Vaters oder der Mutter die Kin­der erster Ehe, wie in verschiedenen Stadt-Rechten Unsrer Lande ver-


184                                                                                                                              Tit. 79

sehen, durch Theilung des gesammten Guts abgesondert worden, sind sie demnächst nach des Vaters oder der Mutter Ableben, wenn diese gleich aus der zweiten Ehe keine Kinder hinterlassen, einen Pflichttheil oder dessen Ergänzung aus dem Nachlaß zu fordern nicht befugt.

§ 23. Wenn Eheleute sich durch Ehestiftung einander zu Erben einsetzen oder das Ihrige nach ihrem Tode verschreiben, haben sie in Ansehung ihrer künftigen Kinder und deren Erbeinsetzung ein gleiches, als in Testamenten, zu beobachten oder zu gewärtigen, daß dagegen einerley Klagen eintreten.

§ 24. Wenn aber Eheleute mit Beystimmung ihrer Eltern in der Ehestif­tung sich alles Ihrige verschreiben, gebühret den Eltern kein Pflichttheil.

§ 25. Wenn nach Stadt-Recht bey Ermangelung der Kinder Mann und Weib sich beerben, sind die Eltern gleichfalls einen Pflichttheil zu fordern nicht berechtiget.

§ 26. Wenn das Kind auch nur in dem geringsten Theil oder Sache zum Erben eingesetzet, durch Vermächtnisse aber sonst seinen Pflichttheil erhalten, so soll alle Klage und Beschwerde wegfallen, als wie Wir diese sonst streitige Frage entscheiden.

§ 27. Wir bestätigen hiebey die Meinung derjenigen, welche die in den neuern Römischen Rechten zu Ergänzung des Pflichttheils aus dem L. 30. C. de inoff. test, verordnete Klage nicht gleich der querela inofficiosi mit fünf Jahren beschränken, sondern sie dreißig Jahre und zugleich auf die Erben dauern lassen, als wie dieses auch von Unserm Ober-Appellations-Gerichte längst angenommen ist.

§ 28. Es ist Uns ferner hinterbracht worden, wie sehr unter denen Rechts­lehrern bis jetzo gestritten worden, ob pflichtwidrige Schenkungen ganz oder nur, in so weit es die Ergänzung des Pflichttheils erfordert, aufzu­heben seyn. Wir haben nun gnädigst gut gefunden, Uns hierüber dahin zu erklären, daß, da die Kinder nach den neuern Rechten, wenn sie nur etwas als Erben erhalten, nicht über Pflichtwidrigkeit klagen können, sondern nur die Ergänzung ihres Pflichttheils fordern mögen, dieses auch bey pflichtwidrigen Schenkungen Statt finde, wenn denen Kindern nicht ihr Erbrecht ganz entzogen worden, mithin im ersten Fall die Schenkung nicht ganz, sondern nur so weit die Ausfüllung des Pflichttheils es er­fordert, zu entkräften sey. Dagegen, wenn denen Kindern nicht einst ein Erb-Recht gelassen würde, die ganze Schenkung als pflichtwidrig aufzu­heben.

§ 29. Da es auch von einigen dafür gehalten werden will, als ob in dem Fall, da Vater oder Mutter das ihrem Kinde beschiedene Erbtheil mit der


Tit. 79 und 80                                                                                                                185

Last des Zurückfalls belegen, und dabey den Abzug des Pflichttheils und der Trebellianicae verbieten, wenn sie solcher gestalt dem Kinde mehr als seinen Pflichttheil, jedoch nur nießbräuchlich lassen, es also anzu­sehen sey, als ob die Eltern stillschweigend die sogenannte Cautelam Socini beygefüget und die Last des Rückfalls dem Kinde vergüten wollen, mithin, wenn das Kind einmal, ohne sich dagegen zu verwahren, der Erbschaft sich angenommen, der freye Pflichttheil demnächst nicht verlanget werden könne, sondern der Eltern Wille zu befolgen sey, gleichwol aber die Rechte den Pflichttheil auf keine Weise beschweret wissen wollen, auch zu Ergänzung des Pflichttheils dem Kinde dreißig Jahre Frist verstatten, als mögen Wir solcher von Unserm Ober-Appel­lations-Gerichte auch bereits nicht gebilligten Meinung nicht beytreten.

Titul LXXX.   Von Erbeinsetzung und Substitution und Auftrag einer Zurückgabe der Erbschaft.

§ 1. Wie es bey der Erbeinsetzung nicht so sehr auf die Worte von Erben, als auf die Meinung und den Begriff des Testirers ankommt, also ist es allerdings für eine Erb-Einsetzung zu halten, wenn der Testirer sagt, daß er jemanden alle sein Vermögen vermache.

§ 2. Hat ein Testirer bey Errichtung des Testaments sich vorbehalten, seinen Erben durch einen besondern Zettel zu benennen, so bestehet das Testament, wenn dergleichen Zettel unter dessen Hand und Unterschrift sich findet. Werden aber mehrere solche Zettel vorgefunden, so muß das jüngere Datum entscheiden, und es muß also solchen Falls ein Datum sich dabey gesetzet befinden.

§ 3. Wir wollen es auch für eine stillschweigende Erb-Einsetzung sowol bey Kindern als auch fremden Personen gehalten wissen, wenn ein Testirer verordnet, daß, wenn sein Kind oder ein benannter Dritter ver­storben sey, dieser oder jener sein Erbe seyn solle, da es eben daraus klar erscheinet, daß er an eine Erbeinsetzung gedacht, und nur seine Gedanken nicht gnug auseinander gewickelt niedergeschrieben hat, da­neben auch keine andre Absicht von solcher Niederschrift angenommen werden kann.

§ 4. Wir sind hiebey berichtet worden, daß auch Zweifel vorgefallen, ob ein Testirer, ohne eine gewisse Person zu benennen oder auch bereits Absicht auf dieselbe zu haben, bey Errichtung seines Testaments den­jenigen so schrift- als mündlich zum Erben einsetzen könne, mit welchem er ein benahmtes Geschäft vornehmen werde, da nun durch die nach­herige Vornehmung dieses Geschäfts der Wille des Testirers so wol, als die Person des Erben in Gewißheit gesetzet worden, mithin auch Unser


186                                                                                                                              Tit. 80

Ober-Appellations-Gericht auf die Gültigkeit einer solchen Erbeinsetzung erkannt hat, so wollen Wir solches hiedurch gnädigst bestätigen.

§ 5. Wenn eine Erbeinsetzung mit Gewalt oder Zunöthigungen oder sonst böslicher und gefährlicher Weise erpreßt oder abgelocket worden, soll dieselbe nicht für nichtig gehalten werden, damit nicht die Folge ent­stehe, daß auch der ganze übrige Inhalt des Testaments hinweg falle, sondern sie soll für nichtgeschrieben angesehen werden, so daß das einem solchen Erben verlassene ihm als unwürdig weggenommen werde, jedoch in der Erbschaft bleibe, und entweder denen übrigen beschriebenen Erben zufalle oder, wenn keine neben ihm beschrieben, die rechtmäßigen Intestat-Erben die Erbschaft sich zueignen und den übrigen Inhalt eines solchen Testaments erfüllen.

§ 6. Es ist jedoch für keine bösliche noch gefährliche Verleitung zu halten, wenn der Testirer bloß durch Liebkosung eingenommen worden, und dabey keine bösliche Verläumdungen des nächsten oder schon vor­her benannten Erben vorgegangen sind.

§ 7. Als Wir vernehmen, daß unter denen Rechtslehrern sehr bestritten wird, ob derjenige, welcher auf den Fall zum folgenden zweiten Erben eingesetzet worden, wenn der eingesetzte erste Erbe die Erbschaft nicht antreten wollen, auch alsdenn für nachgesetzten Erben zu halten sey, wenn jener erste die Erbschaft nicht antreten kann, so wollen Wir hie­durch die Meinung derer jenigen billigen, welche solches als nicht nur dem Willen des Testirers, sondern auch denen Gesetzen gemäß bejahen.

§ 8. Es ist Uns ferner vorgetragen, wasmaßen unter den Rechtslehrern darüber viele Zweifel obwalten, ob, wenn ein Vater seinem unmündigen Kinde, wenn es binnen der Zeit, da es selbst noch nicht testiren kann, sterben sollte, einen Erben substituiret, diese Substitution aber unkräftig wäre oder ohne Wirkung bliebe, eine solche substitutio pupillaris als­denn auf eine gemeine Substitution und dahin gewonnen werden könne, daß der substituirte, weil das Kind seines Vaters Erbe nicht seyn können oder wollen, in Ansehung des väterlichen Nachlasses als zweiter Erbe in dessen Platz trete. Als Wir dann belehret worden, daß solches sowohl denen Canonischen Rechten gemäß sey, als auch bisher in denen Gerich­ten dem nachgegangen worden, so wollen Wir die bejahende Meinung ausdrücklich hiedurch bestätigen.

§ 9. Da auch ein Sohn, wenn er mit des Vaters Willen seinen eignen be­sondern Haushalt angestellet, von väterlicher Gewalt befreyet worden, mithin bey des Sohns nadiherigem Absterben auch dessen Kinder nicht in die Gewalt des Großvaters zurückgefallen sind, so ist auch ein solcher


Tit. 80                                                                                                                               187

Großvater nicht befugt, diesen seinen Enkeln auf die Zeit, daß die Ge­setze ihnen die Einrichtung eines letzten Willens nicht verstatten, in seinem und der Kinder eignen Nachlaß einen Erben nachzusetzen.

§ 10. Ob wol die Rechte die Lock-Einsetzungen gänzlich verwerfen, so sind doch dahin die heutiges Tages gebräuchliche Testamenta reciproca nicht zu ziehen, da insonderheit Mann und Frau in einem Testament sich gegen einander zu Erben einsetzen, worüber Wir jedoch besondre Ver­ordnung in diesem Unserm Gesetzbuche ergehen lassen werden.

§ 11. Ein Testirer kann seinen Erben auch mit der Abgabe seiner eignen Güter und Nachlasses beschweren, wenn er ihm genügsame Vergütung dafür wiederfahren lässet.

§ 12. Es kann jedoch der immittelst gehabte Genuß der Erbschaft, in so weit er bloß auf des Testirers Verordnung sich gründet, dazu mit ange­rechnet werden.

§ 13. Ob nun aber schon sonst der Genuß des Trebellianischen Vierthels, da solches denen Gesetzen zu danken ist, für eine Vergeltung des Testi­rers nicht angesehen ist, so haben Wir Uns jedoch in der Folge erkläret, daß Wir einem Testirer verstatten, den Abzug dieses vierten Theils zu verbieten. Wenn demnach schon dessen Genuß nicht so schlechterdings dafür angerechnet werden kann, so finden Wir doch billig, und nehmen es als eine Folge der neuern Rechte, daß ein Testirer diesen Genuß aus­drücklich mit zur Vergnügung setzen könne, doch daß hiebey kein still­schweigender Wille untergeleget werde.

§ 14. Dagegen kann der Pflichttheil unter diese Vergnügung nicht gezogen werden.

§ 15. Weil aber auch in denen gemeinen Kaiserlichen Rechten von dem Falle Vorkehrung geschehen ist, da jemand seinen Erben mit der Rückgabe dessen beschweret, was von des Testirers Vermögen bey des Erben Ab­sterben annodi übrig geblieben seyn werde, und dann zwar die neuern Kaiserlichen Rechte verordnet haben, daß er sothane Erbschaft durch Schenkungen oder andere Veräußerungen bis auf ein zu lassendes Viertel verringern könne, dabey aber unter denen Rechtslehrern nidit wenig bezweifelt wird, ob soldies audi in dem Falle zu gestatten, wenn die Veräußerung in der Absidit gesdiehen, des Rücknehmers Recht zu verkürzen, gleichwol die Absicht der neuern Rechte dahin gegangen, darüber, ob es zur Verkürzung gereichen sollen oder nicht, allen Streit zu verhüten, und dem Erben über drey Viertel eine freye Gewalt zu er­theilen, so treten Wir auch denen bey, weldie desfalls keine Unter-sudiung der gehegten Absidit erfordern. Dagegen er über dasjenige, was


188                                                                                                                              Tit. 80

er demnächst würklich unter seinem Vermögen annodi nachlässet, von Todes wegen keine Verordnung stellen kann.

§ 16. Wiewol Wir nun auch sehr dahin gestellet seyn lassen, ob die Canonischen Rechte das gemeine Kaiserliche Recht mit Grunde dahin erklären mögen, daß Kinder, welche von ihren Eltern mit der Rückgabe ihres Erbtheils beschweret seyn, davon nicht allein den Pflichttheil, son­dern auch das sogenannte Trebellianische Viertel abziehen mögen, als jedoch auch von Unserm Ober-Appellations-Gericht darauf erkannt wor­den, und überdem, wie Wir nachhero weiter bestimmt haben, denen Eltern frey stehet, den Abzug des letztern Viertels zu verbieten, so lassen Wir Uns hierin die Beybehaltung des Canonischen Rechts in Gnaden ferner gefallen.

§ 17. Es ist auch hiebey kein Unterschied zu machen, ob die Zurückgabe zu einer gewissen oder ungewissen Zeit geschehen solle.

§ 18. Es soll auch denen von ihren Kindern solchergestalt beschwerten Eltern der Billigkeit nach ein gleiches Recht angedeyhen.

§ 19. Da auch einige Rechtslehrer hiebey dafür halten wollen, daß Kinder oder Eltern, was sie aus der Erbschaft über den Pflichttheil genossen haben, sich auf diesen Pflichttheil anrechnen lassen müssen, so erklären Wir diese Meinung für irrig.

§ 20. Wenn ferner gezweifelt wird, ob, wenn Kinder gegen einander mit der Rückseite ihres Erbtheils beschweret sind, mithin das eine von dem andern hinwiederum eben soviel zu hoffenhat, der Abzug des Pflichttheils nichts destoweniger Statt finde, so setzen Wir gnädigst, daß dieser Fall den Abzug so wenig des Pflichttheils als des Trebellianischen Viertels hindern möge.

§ 21. Wir vernehmen nun zwar auch, daß es unter denen Rechtslehrern sehr streitig sey, ob ein Testirer auch den Abzug des Trebellianischen Viertels seinem Erben verbieten könne. Hierunter treten Wir aber denenjenigen bey, welche die Gesetze auch auf dessen Zulässigkeit er­klären.

§ 22. Als auch darüber bey den Auslegern Zweifel obwaltet, ob bey milden Stiftungen, welche entweder zu frommen und gottseligen Ge­brauch oder zum gemeinen Besten sowol des ganzen Landes, als Städte und Gemeinen gereichen sollen, der Abzug des Trebellianischen Viertels eintrete, so wollen Wir, sowol um der Gemeinnützigkeit willen, als auch, weil es dem Willen des Testirers für gemäß zu achten, den er­wähnten Abzug in diesem Falle nicht statt finden lassen.


Tit. 80 und 81                                                                                                                189

§ 23. Wenn auch bey einem Rückfall die Erhaltung der Familie zum Augenmerk gesetzet worden, so ist aus der dabey gehegten Absicht anzu­nehmen, daß der Abzug des Trebellianischen Viertels verboten seyn solle.

Titul LXXXI.   Von Annehmung und Erwerbung der Erbschaft, auch Einwerfung in die Erbschaft.

§ 1. Die unter väterlicher Gewalt stehende Kinder werden zwar bey des Vaters Absterben als nothwendige und ihre eigne Erben, sui heredes, angesehen. Da ihnen aber auch in spätem Zeiten die Rechts-Wolthat ver­liehen ist, daß sie ihres Vaters Erbschaft sich enthalten können, um da­durch von der Obliegenheit, dessen Schulden zu bezahlen, befreyet zu werden, so ist Uns vorgetragen, daß es in solchem Fall zweifelhaft sey, ob die Kinder beweisen sollen, daß sie sich der väterlichen Erbschaft enthalten haben, oder ob vielmehr der Gläubiger, daß sie sich darin gemenget, zu erweisen haben. Gleichwie aber solche Kinder an sich auch wider ihren Willen Erben sind und nach denen Rechten Erben bleiben, sich aber nur ihrer Obliegenheiten dadurch entschritten mögen, daß sie ihres Vaters Erbschaft sich enthalten, als setzen Wir hiemit, daß denen Kindern jedesmal der Beweis obliege, daß sie der väterlichen Erbschaft sich enthalten haben.

§ 2. Wenn ein Erbe gewußt hätte, daß ihm eine Erbschaft angefallen und binnen dem in den Rechten verstatten Überlegungs-Jahre verstorben wäre, die Erbschaft aber in der Zeit nicht angetreten hätte, so erlanget gleichwol dessen Erbe annodi das Recht, sich binnen solchem Jahre zu deren Antretung zu erklären.

§ 3. Hätte gleich wol der Verstorbene von dem Anfall auch keine Wis­senschaft erhalten, oder wäre die Erbschaft anzutreten behindert worden, und darauf vor Ablauf des überlegungs-Jahrs verstorben, so billigen Wir die Meinung derjenigen Rechts-Lehrer, welche denen Erben überall aus einer jeden billig gefundenen Ursache die Wiederherstellung in den vorigen Stand gestatten, und sie dadurch zu Antretung der Erbschaft zu lassen.

§ 4. Wenn aber auch überall ein Erbe bey seinem Leben aus Unwissen­heit oder sonst behindert worden, die Erbschaft anzutreten, so sollen dessen Erben dagegen in vorigen Stand gesetzet und zur Erbschaft ge­lassen werden, als wie Wir auch darunter denen solches bejahenden Redits-Lehrern beytreten.

§ 5. Ob wol von einigen neuern Rechts-Lehrern behauptet werden will, als ob nach deutschen Rechten ein gesetzlicher Erbe den Besitz der Erb-


190                                                                                                                              Tit. 81

schaft von selbst erlange, so lassen Wir es doch hierunter bey denen gemeinen beschriebenen Rechten.

§ 6. Nachdemmalen die neuern Rechte einem Erben die Rechtswolthat mitgetheilet haben, daß er mittelst Errichtung eines Inventarii die Erb­schaft mit völliger Sicherheit antreten könne, diese Rechte gleichwol zur Sicherheit gegen die Legatarios und Fideicommissarios deren Mitzu­ziehung erfordern, solches aber gemeiniglich nicht beobachtet, sondern alles in eines öffentlichen Schreibers Hände gestellet wird, so wollen Wir hierunter die beschriebenen gemeinen Rechte künftig dahin befolget wissen, daß, wenn anders der Erbe sicher seyn will, zugleich die Lega­tarien und Fideicommissarien zu Errichtung des Inventarii zugeladen werden, jedoch, wenn sie außer Landes sich befinden, durch einen Nota-rium mit Zeugen oder auch Gerichts-Person allein zur Inventarisierung geschritten werden könne.

§ 7. Ein Erbe, der sich dieser Rechtswolthat des Inventarii nicht bedienet, kann gegen die Schuldner des Erblassers sowol als gegen die Legatarien und Fideicomissarien mit dem Erbieten zu einem eidlichen Verzeichniß der Erbschaft keinesweges abkommen, sondern er ist auch über den Betrag der Erbschaft zu bezahlen schuldig, und denen Legatarien oder Fideicommissarien unter dem Namen der quartae Falcidiae oder Trebel-lianae den vierten Theil der Erbschaft abzuziehen nicht befugt. Welches auch bey Kindern in Ansehung ihres Pflichttheils Statt findet. § 8. Wenn ein Kind schon der Eltern Erbschaft sich nebst denen übrigen bereits mit angenommen, hierauf aber mit dem von denen Eltern bey ihrem Leben empfangenen zufrieden seyn wollte, so kann es von seinen Geschwistern zu einer Theilung und Einwerfung in die Erbschaft nicht gezwungen werden, es wäre denn, daß andergestalt die übrigen Kinder ihren Pflichttheil nicht frey behielten.

§ 9. Als bey denen Einwerfungen der Kinder die Rechts-Lehrer streitig sind, ob auch dasjenige, was die Eltern einem Kinde schlechtweg ge­schenket, einzubringen sey, so setzen Wir hiedurch, daß solches nur als­dann geschehen solle, wenn andre von denen Kindern eine Mitgift oder Schenkung von Ehe wegen erhalten haben, welche sie bey der Theilung einbringen. Ist gleichwol das Kind unter des Vaters Gewalt geblieben, so gehöret das von ihm Geschenkte in dessen Nachlaß. § 10. Die Kosten des Brautmahls werden billig dem Kinde bey der Thei­lung nicht angerechnet, da es zu der Eltern Ehre geschehen, und das Kind dadurch nicht reicher geworden ist.

§ 11. Es soll auch nur das eingebracht werden, was anzusehen ist, als ob es auf den künftigen Erbtheil gegeben ist. Was dannenhero Eltern einem


Tit. 81                                                                                              191

Kinde zum Studiren und Reisen oder auch Erlernung einer Profession, Erhaltung einer Akademischen Würde und dergleichen gegeben, soll, wenn die Eltern es schon angeschrieben, nicht gerechnet werden. Wür­den aber und Stellen, die das Kind wieder verkaufen kann, werden ihm, was sie gekostet, angerechnet. Hätten sie aber dem Vater nichts ge­kostet, so kann dafür auch nichts angerechnet werden.

§ 12. Wenn Kindes-Kinder an Statt ihres verstorbenen Vaters oder Mutter eintreten, müssen sie in die Groß-Elterliche Erbschaft dasjenige einwerfen, was ihr Vater oder Mutter selbst, wenn sie noch im Leben, hätten einwerfen müssen, sie mögen deren Erben seyn oder nicht.

§ 13. Was aber Kindes-Kinder selbst von Groß-Eltern empfangen haben,

wird, wenn sie Erben werden, zwar in die gemeine Erbschaft eingebracht,

jedoch daß dem ganzen Stamme nicht zur Last gerechnet werde, was

einige aus demselben etwa empfangen, aber mit Begebung der Erbschaft

sich nicht anrechnen lassen wollen.

§ 14. Ist ein Testament vorhanden, so wird nur gegen diejenigen Erben

aus der absteigenden Linie eingebracht, welche auch ohne Testament

Erbfolger gewesen seyn würden.

§ 15. Wenn die Frau nach Stadt-Recht Kindes Theil empfängt, müssen

die Kinder auch gegen sie das vom Vater Empfangene einbringen. Als

wie solchergestalt auch Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat.

§ 16. Wäre einer lange abwesend gewesen, und es wäre nach den Um­ständen der Sache zu vermuthen, daß er mit Tode abgegangen, wenn er schon das siebenzigste Jahr seines Alters noch nicht erreichet, so mögen die nächsten Erben die vormalige Obrigkeit des Abwesenden angehen und um die Einsetzung in des Abwesenden Güter nachsuchen. Womit ihnen denn auch die Obrigkeit nach Beschaffenheit der Sache nicht ent­stehen wird, wenn sie vorher Sicherheit geleistet, daß bey etwaniger Wiederzurückkunft des Abwesenden sie ihm seine Güter sammt denen daraus gehobenen Nutzungen wieder ausantworten wollen.

§ 17. Welche nun solchergestalt als nächste Erben eingesetzet worden, behalten bey nicht erfolgter Wiederkehr des Abwesenden die Güter, so wie sie darin gesetzet sind, es wäre denn, daß nachher die eigentliche Zeit des Todes erwiesen würde, <und daraus erschiene, daß eine andre Erbfolge eintreten müsse.

Zugabe zum Titul: Von Erwerbung der Erbschaft

§ 1. Wenn ein Erbe gewußt hätte, daß ihm eine Erbschaft angefallen, und, ohne solche anzutreten, binnen dem in den Rechten verstatteten Uberlegungs-Jahre verstorben wäre, die Erbschaft aber in der Zeit nicht angetreten hätte, so er-


192                                                                                                                 Tit. 81 und 82

langet gleichwol dessen Erbe annodi das Redit, sidi binnen soldiem Jahre zu deren Antretung zu erklären.

§ 2. Hätte gleidvwol der Verstorbene von dem Anfall keine Wissensdiaft er­halten, oder wäre die Erbsdiaft anzutreten behindert worden, und darauf vor Ablauf des Uberlegungs-Jahrs verstorben, so billigen Wir die Meinung der­jenigen Redits-Lehrer, weldie denen Erben überall aus einer jeden billig ge­fundenen Ursadie die Wiederherstellung in den vorigen Stand gestatten und sie dadurdi zu Antretung der Erbsdiaft zulassen.

Titul LXXXII.   Von Eröffnung der Testamente.

§ 1. Wie es mit Eröffnung der gerichtlichen Testamente gehalten werden soll, darüber ist von weiland Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. unterm 22sten May 1750 bereits Versehung geschehen, daß die Gerichte dafür auch unangerufen sorgen sollen.

§ 2. Was aber die von Notarien und Zeugen vollzogene letzte Willens anlanget, so pflichten Wir der Meinung dererjenigen Rechts-Gelehrten bey, welche einen Notarien auch in diesem Stück nicht für einen bloßen Zeugen, sondern, wie er es ist, für eine in Ansehung der Niederschrift völlig beglaubte öffentliche Person ansehen. Wenn demnach ein solches Testament äußerlich nicht verschlossen wäre, so kommt es auf keine Eröffnung an, sondern es können die Intestat-Erben nur allein verlangen, daß das Testament ihnen zur Einsicht vorgezeiget werde. Welches mithin bestehen muß, wenn sie in des Notarien Zeugniß etwas falsches zu zeigen nicht vermögen.

§ 3. Sind jedoch dergleichen offene Testamente nicht vor einem Notarien, sondern bloß vor Zeugen vollzogen, so halten Wir es allerdings nöthig und denen Rechten gemäß, daß sie ins Gericht, und zwar derjenigen Obrigkeit, unter welcher der Verstorbene gesessen gewesen, geliefert werden, damit die Zeugen auf die in denen Rechten beschriebene Art zu Anerkennung ihrer Unterschrift und Siegels vorgeladen werden. Doch ist auch ein solches Testament, falls dergleichen unterblieben, für aufge­hoben nicht zu halten.

§ 4. Was jedoch die verschlossenen außergerichtlichen Testamente be­trifft, so können Wir davon nicht abgehen, daß sie nach denen gemeinen Rechten bey der Obrigkeit des Verstorbenen eingebracht werden, und dasjenige, was wegen deren Eröffnung nöthig versehen, beobachtet werde. Wir werden dazu um so mehr bewogen, als in solchen Testamen­ten, wenn sie von dem Testirer allein verschlossen sind, vielfältige nach­her geschriebene Zettels oder Codicille eingelegt seyn können, der Wille des Testirers also auf mehr als eine Art unbefolgt bleiben kann. Sollte jedoch der Notarius mit seinen Instruments- oder denen Testa-


Tit. 82 und 83                                                                                     193

ments-Zeugen auch den Umschlag unter dem angezeigten Tage des Testa­ments besiegelt haben, so halten Wir die gerichtliche Eröffnung nicht nöthig. Wie denn auch die innerlichen Siegel der Zeugen Anerkennung nicht bedürfen, wenn sie in des Notarien Gegenwart aufgedruckt sind.

Titul LXXXIII.   Von dem Testaments-Vollstrecker

§ 1. Da von Testaments-Vollstreckern in den gemeinen beschriebenen Rechten keine eigentliche Versehung geschehen ist, so haben Wir nöthig gefunden, auch hievon etwas zu versehen.

§ 2. Ein Testaments-Vollstrecker ist als ein Pfleger der Erbschaft anzu­sehen, ist aber, wenn nicht nachhero besondrer Verdacht wider ihn ent­stehet, Sicherheit zu leisten, oder auch sich in Eid nehmen zu lassen, nicht schuldig.

§ 3. Wer demnach ein solches Amt übernommen, muß für die Aufbe­wahrung des Nachlasses möglichst sorgen, auch vor allen Dingen ein Inventarium errichten. Er ist auch befugt, ohne des Erben Verhinderung alles in Besitz zu nehmen.

§ 4. Wann auch die Rechts-Lehrer ihm die Auslegung zweifelhafter Testaments-Stellen beylegen, und es so angesehen wissen wollen, als ob die Erklärung von dem Testirer selbst geschehen, so wollen Wir dieses hiemit billigen. Wenn hingegen sonst Uneinigkeiten unter denen Erben entstehen, so gehöret deren Entscheidung vor den ordentlichen Richter. § 5. Der Vollstrecker ist befugt, ohne Zuziehung der Erben die Erbschaft­liche Sachen, so viel die Ausrichtung des letzten Willens erfordert, zu verkaufen, und der Käufer wird dadurch in völlige Sicherheit gesetzet. § 6. Er soll nicht weniger befugt seyn, sowol die Erbschaftlichen Schulden zu bezahlen, als auch die ausstehenden Gelder einzufordern, gerichtlich einzuklagen und zu erheben. Wie er denn auch, bis das Testament völlig zur Erfüllung gebracht worden und sein Amt aufhöret, die vorfindenden Erbschafts-Processe fortführet.

§ 7. Wir treten auch denen Rechts-Lehrern bey, welche ihm gestatten, über zweifelhafte Sachen sich Namens der Erben zu vergleichen. § 8. Die Vermächtnisse müssen von dem Vollstrecker, und können nicht von den Erben eingefordert werden.

§ 9. Wie ein Vormund vom Vater von aller Rechnungs-Ablegung befreyet werden kann, so wollen Wir es auch einem jeden Testirer in Ansehung der Testaments-Vollstrecker erlauben.

§ 10. Wenn ein Gericht bey Niederlegung eines Testaments zugleich er­suchet wird, über den Inhalt desselben zu halten, und das Gericht es an-

13   Ebel


194                                                                                                                 Tit. 83 und 84

nimmt, so ist es daher kein Vollstrecker des Testaments geworden, son­dern es ist nur schuldig, die Eröffnung desselben, und daß es allen darin benannten Personen zur Wissenschaft komme, zu befördern.

Titul LXXXIV.   Von Vermächtnissen und besondern Zurückgaben.

§ 1. Was die Kaiserlichen Rechte in Ansehung der Vermächtnisse und deren Feyerlichkeiten verordnet haben, dabey lassen Wir es schlechter­dings bewenden.

§ 2. Ob gleich die neuern Römischen Rechte die Vermächtnisse und die besondern Zurückgaben, fideicommissa particularia, in ihren Würkungen gleich gesetzet haben, so bleiben sie doch allemal der Sache selbst nach unterschieden, und sind letztere unter dem Namen der Vermächtnisse nicht begriffen. Als wie solchergestalt auch Unser Ober-Appellations-Gericht in einem vorgekommenen Falle erkannt hat.

§ 3. Wie Wir bey denen Testamenten die Meinung bereits verworfen haben, als ob es bey dem zum Gottseligen und milden Gebrauch be­stimmten auf die bloße Schrift oder mündliche Bezeugung ohne alle Zeugen ankomme, also erklären Wir solches auch bey dergleichen Ver­mächtnissen dahin, daß sie ohne drey Zeugen nicht bestehen.

§ 4. Da dem Vernehmen nach bey einem von dem Testirer geschehenen mündlichen Auftrage von einigen Rechts-Lehrern zugleich des Erben Genehmigung und Zusage erfordert wird, so erklären Wir dieses denen Rechten zuwider und wollen, daß es bloß auf den Willen des Testirers ankomme.

§ 5. Es kann auch über solche Willens-Äußerung nicht allein der Erbe selbst, sondern auch nach dessen Tode dessen nachgelassener Erbe, wie-wol letzterer nur, daß er es von seinem Erblasser nicht erfahren, zum Eide genöthiget, allerdings aber auch durch Zeugen darüber der Beweis geführet werden.

§ 6. Hiebey ist Uns vorgetragen, daß, da in denen Rechten versehen worden, daß, wenn jemand eine fremde Sache vermachet hat, die er sein eigen zu seyn geglaubet, solches nicht anders bestehe, als wenn er es einer ihn zunächst angehenden Person, als seiner Ehefrau, oder sonst jemand seiner Verwandten vermachet hätte, welcher er es auch vermacht haben würde, wenn er gewußt hätte, daß es eine fremde Sache wäre. Wir treten dahero auch der Meinung bey, daß, wenn ein Testirer in einer von ihm gemachten Erbtheilung unter seinen Erben einem seiner nächsten Ver­wandten zum Erbtheil ein ihm nicht gehöriges Gut oder Anforderung zugetheilet, wovon er geglaubet, daß es ihm gehöret habe, diesem Erben


Tit. 84                                                                                                                             195

von denen übrigen desfalls die Gewähr geleistet werden müßte. Wenn aber die Redits-Lehrer dieses auch auf ein Vermächtniß zu mildem Ge­brauch erweitern wollen, so stimmen Wir der von Unserm Ober-Appel­lations-Gericht angenommenen Meinung bey, daß solche Erweiterung nicht Statt finde.

§ 7. Vermachet jemand ein Gut, so er mit einem andern in Gemeinschaft hat, so ist dadurch nur des Testirers daran habender Antheil zu ver­stehen.

§ 8. Wenn ein Vermächtniß nicht in den bloßen Willen, sondern auf das Gutfinden oder Ermessen des Erben gestellet ist, kann dieser zwar der Entrichtung desselben ohne erhebliche Ursachen nicht entgehen, sondern es muß ein vernünftiges Ermessen eintreten. Es ist aber auch genug, wenn es würklich geleistet wird, ob schon bey der Erfüllung der Erbe nicht die ausdrückliche Erklärung hinzugefüget, daß er dadurch dem Wil­len des Testirers ein Genügen leiste. Als welches, so lange nicht das Gegentheil klar erscheinet, allemal zu vermuthen ist.

§ 9. Wäre jemand etwas vermacht, oder verlassen, um es entweder unter mehrere Benannte nach seiner Willkühr und Gefallen zu vertheilen, oder auch unter mehreren einen zu erwählen, und dem Austheiler wäre nicht die Freyheit gelassen, bis an seinen Tod damit zu warten, so bleibet die von ihm einmal getroffene Wahl oder vorgenommene Aus­theilung schlechterdings bestehen, und kann nicht widerrufen noch ge­ändert werden. Kann aber der Austheiler damit bis an seinen Tod warten, so ist alles, was er vorher darunter vorgenommen, für eine bloße Bestimmung zu halten, welche immer widerrufen werden kann.

§ 10. Da auch unter den Rechtslehrern Zweifel obwalten, ob in ein Ver­mächtniß dasjenige gerechnet werden könne, was der Testirer aus an­dern Ursachen bereits vorher schuldig gewesen ist, so stimmen Wir zwar in so weit denenjenigen bey, welche diese Anrechnung nicht gestatten wollen, wenn die vorhergehende Schuld keine bloße Freygiebigkeit zum Grunde hat. Rühret aber die Verbindlichkeit aus einer bloßen Freygebig­keit her, so soll es nicht anders angesehen werden, als daß der Testirer seine vorhin geäußerte Freygebigkeit durch das Vermächtniß nur be­stätigen wolle.

§ 11. Ob gleich einige auch zu Aufhebung eines Vermächtnisses oder Auftrags an den Erben fünf Zeugen nöthig halten, so treten Wir doch denen bey, welche auf den bloßen Willen des Testirers sehen, wenn der­selbe entweder aus Worten oder Handlungen wahrscheinlich an den Tag tritt.

13·


196                                                                                                                              Tit. 84

§ 12. Da unter denen Rechts-Lehrern gezweifelt wird, ob das Zuwachs-Recht auch alsdenn eintrete, wenn mehrere bey Austheilung eines Ver­mächtnisses zwar durch Worte verbunden sind, der Testirer aber an der Sache einem jeden gewisse Theile beschieden, so pflichten Wir denen-jenigen bey, welche solches ausschließen, es wäre denn daß von der Absicht des Testirers ein anders erschiene.

§ 13. Was die Rechte von einem Vermächtnisse auf den Fall, wenn eine Person nicht heyrathen werde, verordnet, und wie sehr verschiedentlich die Rechts-Lehrer über den Verstand sowol, als deren noch fortdauernde Anwendung urtheilen, ist Uns unterthänigst vorgetragen worden. Da dermalen die meisten Rechts-Lehrer dahin eins sind, daß, wenn einer noch nicht verheyrathet gewesenen Person dadurch eine Heyrath ver­saget seyn solle, dergleichen Bedingung, als gegen die Natürlichen Gesetze, so anzusehen, als ob sie nicht beygefüget sey, so wollen Wir diese Er­klärung allerdings bestätigen. Wenn sie aber ferner alsdenn eine Aus­nahme machen wollen, wenn es zum Vortheil einer milden Stiftung gereiche, so können Wir dem nicht beypflichten.

§ 14. Ob nun aber auch schon ferner viele Rechts-Lehrer bey einer Wittwe und Wittwer die Bedingung schlechterdings eintreten lassen wollen, so müssen Wir doch die Meinung derjenigen billigen, welche um deswillen davon abgehen, weil der Haß gegen eine zweyte Heyrath, so fern es wenigstens nicht auf die bessere Versorgung eigner Kinder an­kommt, unvernünftig sey und aus irrigen Meinungen herrühre. Wiewol nun auch einige dieser letzten Rechts-Lehrer nicht allein bey Kindern, sondern auch, wenn auf Verwandte gesehen worden, sothane Bedingung gleichwol Statt finden lassen wollen, so mögen Wir doch auch dieser Meinung so schlechterdings nicht beytreten. Wir erklären Uns demnach dahin, daß diese Bedingung zwar als nicht hinzugefüget angesehen wer­den solle, es mögen Kinder, oder nicht, vorhanden seyn. Sind jedoch Kinder des Testirers vorhanden, so ist es als ein Fideicommiss anzu­sehen, wovon der Ehegatte sowol das Eigenthum als den Genuß bey erfolgender anderweiter Heyrath verlieret. Welches jedoch auf weitere Verwandte nicht zu deuten ist, ob schon sonst einem jeden frey stehet, ein solches Vermächtniß mit einer Rückgabe auf den Fall einer ander­weiten Heyrath zu beschweren.

§ 15. Ein Familien-Fideicommiss kann mit Übereinstimmung aller dazu gehörigen aufgehoben werden, und können dasjenige, was die Eltern darunter thun, so wenig die bereits lebenden als die nachher gebornen Kinder widersprechen.


Tit. 85                                                                                                                            197

TituI LXXXV.   Von denen Gesetzlichen Erbschaften.

§ 1. Ob gleich nach denen in Unsern Deutschen Landen beybehaltenen Kirchen-Rechten eine Ehe nicht anders als durch Priesterliche Einsegnung für vollzogen gehalten werden kann, mithin nur bloß die aus einer solchen Ehe geborne Kinder für Erbfolge-mäßig gehalten werden mögten, so kann es jedoch dem Kinde an seiner Rechtmäßigkeit und gebührenden Erbfolge zu keinem Nachtheil gereichen, wenn desselben Vater die Mutter sich antrauen zu lassen schuldig gewesen, aber entweder Vater oder Mutter, ehe solches vollstrecket worden, verstorben oder sich ent­fernet, als wie auch solchergestalt Unsre Gerichte in dergleichen Fällen erkannt haben.

§ 2. Ob Wir auch gleich keinesweges Ehen billigen, welche entweder gegen die ausdrücklichen Göttlichen Gesetze oder in einem darin zwar nicht namentlich verbotenen, doch gleichen Grade unternommen sind, Wir vielmehr durchaus entschlossen bleiben, auch in der Gleichheit des Grades gegen Unsre Kirchen-Ordnungen nicht zu dispensiren, so ist Uns doch vorgetragen, wie es zumal für ein aus solcher vollzogenen Ehe erzeugtes Kind hart seyn würde, wenn in denen Fällen, da die Ehe nicht durch ausdrückliche Göttliche Gesetze verboten ist, mithin von Uns erlaubet werden können, ein solches Kind als unrechtmäßig von der Erb­folge ausgeschlossen würde, dahero auch Unser Ober-Appellations-Ge­richt bereits einmal dahin erkannt hat, also wollen Wir auch diese Meinung in dergleichen künftigen Vorfällen befolget wissen.

§ 3. Wäre gleichwol die Ehe auch gegen die ausdrücklichen Göttlichen Gesetze, die Eltern hätten aber das Hinderniß nicht gewußt, sondern sich für rechtmäßige Eheleute gehalten, so soll das Kind in gleicher Maße erben.

§ 4. Es ist Uns ferner hinterbracht, daß bezweifelt wird, ob ein Kind, welches ein Ehemann mit einer ledigen Person, welche aber nachhero zu heyrathen ihm verstattet wird, erzeuget, durch die erfolgte Heyrath der Erbfolge in der Eltern Gütern fähig sey. Als gleichwol Unser Ober-Appellations-Gericht für die Fähigkeit des Kindes nach denen Canoni­schen Rechten erkannt hat, so wollen Wir diese Meinung bestätigen.

§ 5. In Ansehung der Lehn-Güter ist zwar in Unserm Herzogthum Calen-berg auch durch besondre Verordnungen vorlängst versehen, daß Man­tel-Kinder, oder solche, welche durch eine nach ihrer Geburt vollzogene Ehe denen Römischen Rechten nach für rechtmäßig angenommen werden, in Adelichen Lehn-Gütern keine Erbfolge haben. Als jedoch dieser Satz in Unsern übrigen Deutschen Landen nach denen gemeinen Longobardi-


198                                                                                                                              Tit. 85

sehen Lehn-Rechten bezweifelt werden wollen, Unser Ober-Appellations-Gericht gleichwol auch dieses als denen gemeinen Lehnrechten gemäß befunden hat, so wollen Wir auch solches auf Unsre übrigen Lande bestätigen.

§ 6. Was jedoch keine Adeliche Lehne, sondern Bürger- oder Bauern-Lehne, Erben-Zins- oder Meyer-Güter sind, darin lassen Wir es bey den gemeinen Rechten, daß diese Kinder zur Erbfolge zu lassen. § 7. Ob auch wol nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten ein Fürst und Landes-Herr, wenn rechtmäßige Kinder vorhanden, keine außer der Ehe erzeugte Kinder jenen zum Nachtheil für rechtmäßig und der Erb­folge fähig erklären kann, so sind Wir doch berichtet, daß diese Landes­herrliche Gewalt von verschiedenen Rechts-Lehrern weiter ausgedehnet werden will. Wenn Wir hiebey erwegen, wie sehr die Erhaltung des Ehestandes und der damit in den Rechten verknüpften Vortheile selbst zum Besten des Staates gereichet und wie sehr folglich für eheliche Kin­der vorzüglich zu sorgen ist, so finden Wir Uns durchaus bewogen, die Kaiserlichen Rechte dahin beyzubehalten, daß keine von Uns oder Unsern Nachfolgern auf Ansuchen eines Vaters geschehene Legitimation dahin verstanden werden solle, vielweniger ein Kaiserlicher Hof solche Befug-niß mitzutheilen sich anmaßen möge.

§ 8. Wäre jemand eine Person zur linken Hand angetrauet worden, so lassen Wir alsdenn dasjenige gelten, was die Römischen Rechte von der Erbfolge der sogenannten natürlichen Kinder verordnet haben. § 9. Wann aber im übrigen schon die Reichs-Gesetze allen Beyschlaf außer der Ehe für leichtfertig und für ein öffentliches Laster erklären, dahero auch Unser Ober-Appellations-Gericht und andere Gerichte in denen vorgekommenen Fällen dafür gehalten und erkannt haben, daß allen solchen unehelichen Kindern die Rechte derer natürlichen Kinder aus denen Römischen Gesetzen nicht zu Statten kommen können, so wollen Wir diese Meinung durchaus bestätigen. Hingegen lassen Wir es in Ansehung der Mutter und der mütterlichen Verwandten Erbfolge und deren Stattnehmigkeit bey den gemeinen Römischen Rechten bewenden. § 10. Wenn Wir ferner berichtet worden, daß unter denen Rechts-Gelehr­ten nicht wenig bezweifelt werde, ob, wie Vater und Mutter, als auch Groß-Eltern und weitere Ahnen zu des verstorbenen Enkels oder Ur­enkels Erbschaft zugleich mit dessen leiblichen Geschwistern zu lassen, so erklären Wir Uns hiedurch für die Meinung derjenigen, welche deren Zulassung denen Gesetzen für gemäß halten.

§11. Wir treten auch ferner der Meinung derjenigen Rechts-Gelehrten bey, welche des Verstorbenen Bruder-Kinder auch alsdenn in ihres ver-


Tit. 85                                                                                              199

storbenen Vaters Platz treten und zugleich mit den Eltern erben lassen, wenn schon kein Bruder des Verstorbenen vorhanden ist. § 12. Gleichwie auch die durch Einkindschaft zusammen gebrachte Kinder ihre Eltern beerben, so halten Wir es auch für billig und treten denen-jenigen bey, welche auch hinwiederum die Eltern zu solcher Kinder Erb­schaft zulassen.

§ 13. Dagegen erklären Wir Uns in Ansehung solcher zusammengebrach­ten Geschwister dahin, daß sie sich nicht anders folgen, als so weit sie durch die gemeinen Rechte ihrer Blutsverwandschaft nach berufen wer­den.

§ 14. Wenn Halb-Geschwister zugleich von Vater und Mutter vorhanden sind, so sollen sie in des Verstorbenen ganzen Nachlaß gleich folgen, und Wir verwerfen also die Meinung derjenigen Rechtslehrer, welche nach den gemeinen Rechten des Verstorbenen väterliche Güter denen Ge­schwistern von einem Vater, und die mütterliche denen von der Mutter zueignen.

§ 15. Ob wol nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten es keinen Zwei­fel hat, daß die Halb-Geburt nicht weiter als bey Bruder- oder Schwester-Kindern in Betracht komme, so ist Uns doch vorgetragen, daß der Unter­schied der Vollen und Halb-Geburt nach denen Lübischen, zum Theil auch in Unserm Herzogthum Lauenburg angenommenen Rechten weiter ausgedehnet werden wollen. Nachdem aber auch bereits die Reichs-Cam-mer hierunter ein anders, daß nämlich eine mehrere Erweiterung unstatt­haft sey, erkannt hat, Wir auch sonst Uns davon überzeugen lassen, so wollen Wir, daß hierin auch bey dem Lübischen Rechte in Unsern Landen die gemeinen Rechte beybehalten werden.

§ 16. In denen von Uns abhangenden Lehnen können die Seiten-Ver­wandte nicht anders folgen, als wenn sie in der gesammten Hand stehen. Es kommt aber sodann auf die Ordnung im Lehnbriefe nicht an, sondern wer nach der Linie und der Staspel der Verwandschaft der nächste ist. § 17. Wer auch seit dreyßig Jahren nicht mehr in gesammte Hand ge­standen, hat sein Recht am Lehn gänzlich verloren, wenn er auch schon ohne seine Schuld wäre übergangen worden.

§ 18. Ob auch schon, wie Wir berichtet worden, viele Rechtslehrer die gemeinen Rechte dahin erklären, daß bey Seiten-Verwandten die Be­erbung der Stamm-Vettern mit der zehenten, der Blutsverwandten aber mit der sechsten Staspel Bürgerlicher Berechnung aufhören, so billigen Wir doch diejenige Meinung, welcher auch Unser Ober-Appellations-Gericht beygepflichtet hat, daß diese Einschränkung nicht Statt habe, sondern die Erbfolge auch in weitern Staspeln eintrete.


200                                                                                              Tit. 85

§ 19. Haben Brüder in mehrere Lehn-Güter sich getheilet, so bleibt ein jedes Lehn bey dem oder denenjenigen, welche es in der Theilung be­kommen haben, und deren Nachkommen vorzüglich, und werden andre nach der Verwandschaft gleich nahe oder auch nähere so lange davon ausgeschlossen.

§ 20. Als die Rechte einem unbemittelten Ehegatten von des wolhaben­den Nachlaß den vierten Theil zueignen, hiebey aber ein und andre Zweifel vorfallen, so haben Wir nöthig gefunden, auch dieserhalb nähere Bestimmung zu geben. Wir billigen zuförderst die Meinung, daß dieser vierte Theil für eine Erbschaft im eigentlichen Verstande nicht anzu­sehen, noch bey demselben ein Zuwachs-Recht Statt finde, jedoch, wenn der Ehegatte sich solchen bey seinem Leben selbst nicht zugeeignet, des­selben Erben es nach seinem Tode nicht fordern können.

§ 21. Wir treten ferner derjenigen Erklärung bey, daß die Rechte des Mannes und der Frau darunter gleich seyn und darin durch die neuesten Rechte nichts verändert worden.

§ 22. Wenn ferner gemeiniglich, wiewol nicht mit genügsamer Überein­stimmung, der Mangel der Mittel darnach gerechnet werden will, was dem überlebenden Ehegatten bey Einwerfung seines übrigen Vermögens an dem vierten Theil von des Verstorbenen Nachlaß fehle, so mögen Wir solches so durchgehends denen Gesetzen gemäß nicht halten; Wir sind belehret worden, daß durch diese neue Rechts-Wolthat hauptsäch­lich diejenigen Ehe-Frauen haben versorget werden sollen, welche keinen Brautschatz gehabt noch ihren Männern zubringen mögen, mithin auch keine Gegen-Vermachung erwarten können. Hat demnach eine Frau Ihrem Manne einen Brautschatz zugebracht, so muß sie zufrieden seyn, wenn sie eine gleich große Gegen-Vermachung zurück erhält, und ist weiter etwas zu fordern nicht befugt.

§ 23. Der Mann ist aber auch in diesem Falle, wenn die Frau ihm einen Brautschatz zugebracht, Statt seines vierten Theils damit sich zu begnü­gen schuldig, wenn schon der Brautschatz den vierten Theil von der Frauen ganzem Vermögen auch nach Einwerfung des Seinigen nicht aus­macht. Als welches Wir um deswillen billig finden und den Rechten gemäß halten, damit unter Mann und Frau eine Gleichheit beobachtet werde.

§ 24. Sonst aber lassen Wir es bey der angenommenen Meinung bewen­den, daß derjenige für unbemittelt zu halten, welcher nicht so viel im Vermögen hat, als der vierte Theil von des Verstorbenen Nachlaß be­trägt, und das folglich, was hieran mit Einwerfung des eignen Vermögens fehlet, zu ergänzen sey.


Tit. 85 und 86                                                                                     201

§ 25. Wenn nach Stadt-Recht Mann und Frau sich in Ermangelung der Kinder beerben, schließen sie die Eltern gänzlich aus. § 26. Es findet aber ein solches Stadt-Recht nur alsdenn Statt, wenn von beiden Seiten auch aus andern Ehen keine Kinder vorhanden sind. § 27. Bey der gesetzlichen Erbfolge treten diejenigen Gesetze ein, wel­chen der Verstorbene für seine Person unterworfen gewesen. § 28. Wenn also nach Stadt- oder Land-Recht Mann und Frau sich be­erben, so erben sie auch solche Güter, die an Orten belegen sind, wo die Gesetze eine andere Erbfolge bestimmen.

§ 29. Bey Mann und Frau ist gleichwol in der Beerbung auf die Gesetze desjenigen Orts oder Landes zu sehen, wo bey der Verheyratung der Mann gewohnet, wenn schon die Eheleute nachher an einen andern Ort sich niederlassen, und ihre Wohnung verändert haben. § 30. Trüge es sich zu, daß Unsre Bediente wegen des Besitzers ihrer Häuser genöthiget worden, das Bürger-Recht an einem Ort zu gewinnen, so bleiben sie gleichwol für ihre Personen bloß denen gemeinen be­schriebenen Rechten unterworfen, und werden sie also auch in dem Hause nach diesen und nicht den Stadt-Rechten beerbet. § 31. In Ansehung der Stamm-Güter Unsers Herzogthums Bremen aber bleibt es bey dem Ritter-Recht, wenn schon der Besitzer zugleich in Unsern Diensten stünde.

Titul LXXXVI.   Von der Erbfolge in Meyer Gütern.

§ 1. In so fern wegen der Erbfolge in Meyer-Gütern in Gerichtlichen, mit Einwilligung des Gutsherrn verfaßten Ehestiftungen Versehung ge­schehen ist, ist denen selben schlechterdings nachzugehen.

§ 2. Es sind jedoch die Ehestiftungen jedesmal dahin einzurichten, daß zwar Mann oder Frau sich den Hof und das künftige Erbfolge-Recht in denselben, wenn keine Kinder aus der Ehe erfolgen, auf den Fall erfol­gender und überbleibender Kinder aber ein mehrers nicht, als nach dem Tode desjenigen, von welchem der Hof herrühret, die Regierung bis da­hin, daß der Hof mit dem An-Erben wieder besetzet werde, verschreiben. § 3. Es verstehet sich auch dabey von selbst, daß derjenige von den Eltern, von welchem der Hof nicht herrühret, gleichwol bey solcher Ver­schreibung auf den Hof wieder heyrathen könne, und mit seinem künf­tigen Ehegatten einer Leibzucht sich zu erfreuen habe, weniger nicht dessen Kinder gleich denen eingebornen aus dem Hofe auszustatten seyn. § 4. Wenn aber hiebey der Zweifel vorfällt, ob eine solche unter Ehe­gatten zu treffende Ehestiftung auch ohne Einwilligung der Geschwister


202                                                                                              Tit. 86

vom Bräutigam oder Braut errichtet werden könne, so haben Wir in gnädigstem Betracht gezogen, daß aus mehrern Kindern nur eines zum Meyer-Recht angenommen werden könne, die übrigen aber sich vom Erbe abfinden lassen müssen und schuldig sind, dem neuen Meyer den Hof allein zu überlassen, auch wegen des Meyer Guts mit ihm in keiner Gemeinschaft bleiben, daß aber auch, zugleich die Bedürfniß des neuen Meyers es nothwendig erfordert, sowol zu Führung der Wirthschaft, als auch zugleich zu Abfindung seiner Geschwister eine Frau in den Hof zu nehmen, um allenfalls mit deren Eingebrachten einen Theil der Abfin­dungen oder auch sonst auf dem Hofe haftenden Schulden zu bezahlen, und hierunter überdem zugleich das gemeine Beste eintritt. Es soll also solchemnach bey den Ehestiftungen in Ansehung der verschriebenen Erb­folge auf die Einwilligung der Geschwister gar nicht ankommen, diesen aber gleichwol ihre gebührende Abfindung allemal verabfolget, sie auch, wenn aus der Ehestiftung keine Erbfolge einträte, ihres Erb-Rechts nicht beraubet werden.

§ 5. In Ansehung der Kinder vernehmen Wir, daß zwar eine Erbfolge an sich nicht bestritten werde, wol aber, wem unter mehrern Kindern der Hof vorzüglich gebühre und von dem Gutsherrn zu verlassen sey, daß in dem mehresten Theile Unsrer Fürstenthümer und Länder darunter nichts gewisses festgesetzet sey, im Fürstenthum Lüneburg und der Grafschaft Hoya zwar solches durch Einführung eines Rechts der Erstgeburt näher bestimmet werden wollen, aber auch hiebey, da nicht aller Widerspruch des Gutsherrn ausgeschlossen werden mögen, wie auch wegen andrer Zweifel viele Weitläufigkeiten und Processe nicht verhütet werden mögen, welche Wir doch künftig so viel möglich zu verhüten aus Landes­väterlicher Fürsorge Uns äußerst angelegen seyn lassen, und Wir finden dahero nöthig, eine solche Bestimmung zu geben, wodurch alle künftige Weiterungen möglichst aus dem Wege geräumet werden.

§ 6. Zuförderst setzen Wir nun, daß, wenn Söhne vorhanden sind, solche denen Töchtern vorgehen, daß aber aus mehrern Söhnen auch im Für­stenthum Lüneburg und der Grafschaft Hoya mit gänzlicher Hintan­setzung des Rechts der Erstgeburt die Wahl dem Gutsherrn bleibe, da diesem an einem guten Wirth hauptsächlich gelegen ist, und dadurch in diesem Fall aller Zweifel gehoben wird. Gestalten denn auch solcherge­stalt mit Gutsherrlicher Genehmigung Vater oder Mutter mit Beziehung der Leibzucht einem derer Söhne, welchen sie dazu erwählen, den Hof übergeben können, wenn ihm nur sonst der Hof mit angefallen ist.

§ 7. Es soll jedoch auch einem Vater oder Mutter, wenn der Hof von ihnen herrühret, dafern sie sich auf die Leibzucht setzen wollten, unver-


Tit. 86                                                                                              203

wehret seyn, mit Gutsherrlicher Einwilligung auch einer Tochter zur Be-freyung den Hof abzutreten, und müssen alsdenn die Brüder mit einer Abfindung sich begnügen.

§ 8. Abgefundene Brüder und deren Nachkommen, oder in deren Ent­stehung Schwestern und deren Nachkommen, haben gleichwol alsdenn noch die Erbfolge in den Hof, wenn der Besitzer weder Leibes-Erben noch eine Frau hinterläßet, welcher der Hof verschrieben ist. Unter gleich nahen Brüdern und deren Kindern kann auch hier der Gutsherr wählen, muß jedoch bey den Kindern die Söhne vorziehen. In deren Ermange­lung aber treten zuerst der Brüder Töchter, und sodann des Verstorbenen Schwestern und deren Nachkommen ein, unter welchen jedoch wiederum die Söhne nach der Wahl des Gutsherrn denen weiblichen Erben vorzu­ziehen sind.

§ 9. Es kann aber niemand ein Erbfolge-Recht an dem Hofe verlangen, welcher nicht von einem Besitzer des Hofes abstammet, mithin kann die davon nicht abstammende aufsteigende Linie wie auch dergleichen Seiten-Linie in den Hof nicht folgen.

§ 10. Ist ein Hof durch Heyrath an die Frau und hierauf an deren aus zweyter Ehe erzeugte Kinder gefallen, diese aber oder deren Nach­kommen ausgestorben, oder es wären auch aus der zweyten Ehe keine Kinder erfolget, so folget zwar von selbst, daß der Frauen und deren Kinder Seiten verwandte darin keine Erbfolge haben. Da jedoch ge­zweifelt wird, ob alsdenn die vorhin zurückgestandene Erben und Ge­schwister des Manns, von welchen der Hof an die Frau gekommen ist, wieder eintreten, oder ob der Hof dem Gutsherrn zu freyer Besetzung anheim falle, so halten Wir billig, daß solche Geschwister und deren Erben, als nicht auf beständig zurückgesetzt, wieder zur Erbfolge ein­treten, jedoch daß auch hier die männlichen Erben vorgezogen werden.

§ 11. Wenn bey Erledigung oder der nöthigen Besetzung eines Hofes von den männlichen Erben keiner zu den Jahren gelanget ist, daß er den Hof befreyen kann, so stehet es schlechterdings bey dem Gutsherrn, jemand von der weiblichen Seite zu nehmen.

§ 12. Uneheliche Kinder, es sey vom Vater oder Mutter, haben keine Erb­folge. Mantel-Kinder sind jedoch denen rechtmäßigen gleich zu setzen.

§ 13. Ausgestattete Kinder können in dem nachhero weiter erworbenen Vermögen undNadilaß ihrer Eltern zu keiner Erbfolge zugelassen werden.


204                                                                                                                             Tit. 87

Titul LXXXVII.    Von Folgen aus Geding.

§ 1. Ob wol nach denen gemeinen beschriebenen Rechten keine Erbfolge aus einem Gedinge Statt findet, so ist Uns doch vorgetragen, daß es da­mit in Deutschland von Alters her anders gehalten worden, Wir haben also gnädigst gut gefunden, Uns auch darüber näher zu erklären, und die unter denen Rechtslehrern obwaltende Zweifel zu entscheiden. § 2. Zuförderst mögen Wir nun ein einseitiges Versprechen der Erbfolge, welches auch allenfalls ohnehin nur als eine Schenkung von Todeswegen anzusehen seyn würde, für bündig nicht ansehen, noch einigen Anspruch daraus gestatten.

§ 3. Wenn aber zwey Personen sich von beiden Seiten ihren Nachlaß ver­schreiben, so soll, wenn sie keine Kinder haben, noch dadurch etwas Pflichtwidriges begangen worden, das Versprechen gültig und verbind­lich, auch unwiderruflich seyn. Gehet es jedoch an der einen Seite zurück, so wird es auch von der andern Seite hinfällig.

§ 4. Ob auch schon nach den gemeinen Rechten Mann und Frau währen­der Ehe sich mit Bestände nichts schenken können, so soll doch dieses auf einen solchen Erbfolge-Vertrag nicht gezogen werden. § 5. Wer kein Testament machen kann, vermag auch keinen Erbfolge-Vertrag zu errichten, und wer aus einem Testament nichts nehmen kann, darf es auch durch ein solches Geding nicht erlangen. § 6. Was in solchen Verträgen zum Besten des zuerst sterbenden näch­sten Verwandten oder andrer bedungen worden, muß der überlebende halten, dieser ist aber nicht verbunden, zu erfüllen, was er für seine eigne Verwandte bedungen hat. Es stehet inzwischen auch einem jeden von ihnen frey, in Ansehung desjenigen, was er seinen eignen Erben beschieden, bey seinem Leben andre Verordnung zu treffen.

§ 7. über eines Dritten noch lebenden Erbschaft kann nicht anders ein Vertrag gemachet werden, als wenn er selbst darin, entweder gleich Anfangs oder nachher, williget. Andergestalt ist ein solcher Vertrag nach den gemeinen Rechten für schändlich zu halten, als wie Unser Ober-Appellations-Gericht solchergestalt auch erkannt hat. § 8. Dieses tritt auch bey Lehngütern, und selbst in dem Fall ein, wenn der Sohn bey seines Vaters Lebzeiten über die Lehnfolge sich verglichen, als wie auch dieses Unser Ober-Appellations-Gericht mit Recht ange­nommen hat.

§ 9. Als es bey Adelichen Familien hergebracht ist, daß die Töchter bey ihrer Verheyrathung gegen Empfang eines Brautschatzes der väterlichen oder auch wol beider Eltern Erbschaft entsagen, und denn der Grund


Tit. 87                                                                                              205

dieses Gebrauchs darin gesetzet wird, daß die Töchter ehedem, wenn Söhne vorhanden, in den Gütern nicht mit geerbet, so soll dieser Ver­zicht auf die künftige Erbschaft der Eltern, da er zugleich zu Erhaltung des Stammes gereichet, gelten, wenn er schon nicht, wie viele Rechts­lehrer erfordern, eidlich geschehen. Vielmehr aber ist derselbe ohne Eid für gültig zu halten, wenn die Eltern bereits verstorben wären, wenn nur in solchem Fall die Tochter bevormundet gewesen.

§ 10. Es soll auch in Ansehung der väterlichen liegenden Güter nicht dar­auf ankommen, ob die Tochter ihren vollen Pflichttheil erhalten habe oder nicht. Von den Capitalien aber und dem Mütterlichen muß ihr solcher gelassen werden.

§ 11. Dasjenige nun, worauf sie solchergestalt Verzicht thut, fällt ihren gesammten Brüdern, und zwar allein zu.

§ 12. Es wird gleichwol eine solche Tochter durch diesen Verzicht von nachherigen Anfällen ihrer Brüder und Schwestern nicht ausgeschlossen. § 13. Hätte sie jedoch bey der Eltern Leben auch auf der Geschwister An­fälle Verzicht thun müssen, so bleibet dasjenige, was diese abgehende Geschwister von ihren Eltern ererbet, denen Brüdern allein, weiter aber der Verzicht, wenn die Geschwister darin nicht selbst gewilliget haben, als ein Vertrag über eines noch lebenden Erbschaft nicht bestehen. Es verstehet sich auch, daß in Ansehung der Brüder es nur auf deren An­theil an den väterlichen Gütern und liegenden Gründen zu verstehen sey.

§ 14. Als in einigen Unsern Deutschen Ländern, insonderheit, wo die Eheleute in Gemeinschaft der Güter leben, die Einkindschaften häufig vorfallen, dabey aber oft gar viele Zweifel entstehen, so haben Wir in­sonderheit nach denen Erkenntnissen Unsers Ober-Appellations-Gerichts hierunter nähere Entscheidung abzugeben, gnädigst gut gefunden.

§ 15. Wenn demnach ein Ehegatte, er mag selbst Kinder haben oder nicht, des andern Ehegatten Kinder für die seinigen annimmt, so behalten die vorhandenen Kinder ihre durch die Einkindschaft erlangte Rechte, es mögen aus der neuen Ehe Kinder erfolgen oder nicht.

§ 16. Diese durch die Einkindschaft zusammengebrachte Kinder sind in der Erbfolge der Eltern denen natürlichen gleich und deren Erben, wenn auch schon in der schon errichteten Einkindschaft davon ausdrücklich nichts versehen, sondern sie nur als Kinder angenommen sind. Sie brin­gen auch, wie die natürlichen Kinder, bey der Theilung das von den Eltern empfangene in die Erbschaft ein.

§ 17. Wir billigen dagegen auch die Meinung derjenigen Rechtslehrer, welche die angenommenen Eltern ebenfalls gleich denen natürlichen zur


206                                                                                                                              Tit. 87

Erbfolge der Kinder berufen. Doch bleibet denen Kindern schlechterdings die Freyheit zu testiren, bevor, und ist es genug, wenn sie denen Eltern nur den Pflichttheil lassen.

§ 18. Im Gegentheil können diese zusammen gebrachte Kinder aus dem bloßen Grunde der Einkindschaft nach deren Endigung einander nicht beerben, ob gleich solches hin und wieder dafür gehalten werden will. § 19. Es mag jedoch die Einkindschaft gar wol dahin gestiftet werden, daß die zusammen gebrachten Kinder als leibliche Geschwister sich be­erben, wenn sie etwa ohne Testament versterben sollten. Doch ist dazu der Eltern Wille allein nicht hinlänglich, sondern es müssen, wenn die Kinder noch in den Jahren sind, daß sie selbst keinen letzten Willen machen können, der unmündigen Kinder nächste Verwandte außerhalb den natürlichen Eltern zugleich darein willigen. Auch verstehet sich solches von dem leiblichen Vater allein, welcher die Kinder unter seiner Ge­walt hat, daß er unter solchen Bedingungen dieses feststellen könne. Und so dauert dieses Erbrecht nicht über die Jahre der Pubertät, da ein Kind selbst nicht testiren kann. Wenn aber die Kinder außer solchen Jahren sind, müssen sie selbst darin genehmigen. Doch soll es, wie schon er­wähnet, sie an einer letzten Willens Verordnung nicht hindern. § 20. Eltern können bey dieser Einkindschaft zwar ihren eignen natür­lichen Kindern zum Nachtheil eine letzte Willens-Verordnung machen, auch selbige enterben, denen angenommenen Kindern aber von deren Kindestheil nichts entziehen.

§ 21. Bey Errichtung einer Einkindschaft müssen die aus vorigen Ehen vorhandenen unmündigen Kinder nothwendig bevormundet seyn, im-maßen sonst zu ihrem Nachtheil nicht geschlossen werden kann. Es wäre denn, daß die zusammen zu bringende Kinder unter väterlicher Gewalt stünden, welchenfalls in ihrem Betracht keine Bevormundung eintritt. Sind aber die Kinder unmündig und stehen nicht unter väterlicher Ge­walt, müssen sie selbst darin willigen.

§ 22. Ob auch schon hiebey beyder Eltern Einwilligung allerdings nöthig ist, auch auf den Fall, daß Groß-Eltern zur Erbschaft berufen werden könnten, deren Beystimmung nicht an die Seite zu setzen ist, so ge­brauchet es doch sonst der nächsten Verwandten Beypflichtung weiter nicht, als wenn etwa die Kinder in den Jahren, da sie nicht testiren könn­ten, mithin ihr Nachlaß solchen nächsten Erben bleiben müsse, ver­stürben. Wiewol bey solchen Kindern, die einen Vater haben, unter dessen Gewalt sie stehen, dessen Wille allein hinlänglich ist.

§ 23. Daß die Einkindschaft von der Kinder Obrigkeit geschehe, halten Wir weiter nicht nöthig, als in so fern die Rechte nicht erlauben, der Un-


Tit. 87                                                                                              207

mündigen Güter auch um ihres Besten willen, ohne Erkenntniß der Obrig­keit, zu veräußern. Bey Kindern also, die einen Vater haben, unter dessen Gewalt sie stehen, gebraucht es also der Obrigkeit Einwilligung nicht, wol aber wenn sie einen neuen Vater annehmen sollen. Und aus gleichem Grunde bestehet auch eine Einkindschaft mündiger Kinder bloß durch deren Einwilligung.

§ 24. Wenn die Einkindschaft vor der Obrigkeit zu vollziehen ist, so muß untersuchet werden, ob es denen vorhandenen Kindern verträglich sey. Es bedarf jedoch alsdenn keines solennen Inventarii, sondern ein unge-fehrliches Verzeichniß des Vermögens ist hinreichend, zumal der Vor­münder Beypflichtung ohnehin das übrige ergänzet. Die Obrigkeit muß aber auch sodann über die Zulassung der Einkindschaft ein Erkenntniß abgeben.

§ 25. Wir halten es jedoch zum wesentlichen Bestand einer Einkindschaft nicht nöthig, daß das darüber errichtete Instrument, wie verschiedene meinen, in einem öffentlichen Archiv niedergeleget werde.

§ 26. Ob auch schon die Rechts-Lehrer gemeiniglich keine nachherige Genehmigung eintreten lassen wollen, wenn nicht gleich anfangs alle Theile eingestimmet, so soll doch diese allerdings Statt finden, und da­durch das Geschäfte als von Anfang gültig angesehen werden. Wobey auch eine außergerichtliche Genehmigung hinlänglich ist.

§ 27. An denen Orten, wo eine Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten ist, höret die Einkindschaft und deren Würkung mit dem Tode des Vaters nicht auf, sondern die Mutter bleibt in der Gemeinschaft sitzen.

§ 28. Wenn sonst auch ein und anders bey Errichtung der Einkindschaft nicht gehörig beobachtet wäre, so gilt es zwar in Ansehung der bereits vorhanden gewesenen Kinder nicht weiter als es ihm nützlich ist, die vereinigende Eltern bleiben aber allemal verbunden.

§ 29. Nachdemmalen auch über diejenigen Folgen im Lehn, welche keine Verwandschaft zum Grunde haben, sondern aus Aufnehmung in die gesammte Hand oder Geding oder auch Anwartschaften entstehen, wie Uns vorgetragen worden, nicht wenige Zweifel obwalten, so haben Wir gnädigst gut gefunden, auch darüber nähere Bestimmung zu geben.

§ 30. Es ist nun durch mehrere Erkenntnisse Unsers Ober-Appellations-Gerichts festgesetzet, daß auch in denen so genannten eventual-Beleh-nungen die zur gesammten Hand keines Falles weiter Statt finde. Dieses bestätigen Wir also um so mehr, als Wir berichtet sind, daß nach denen ältern in Unsern Deutschen Landen vorhin üblich gewesenen Sächsi­schen Rechten die Gedinge nicht einst auf die Kinder gegangen sind.


208                                                                                                               Tit. 87 und 88

§ 31. Als aber auch bisher bey Unser Lehn-Cammer hergebracht ist, daß nicht weniger die eventual-Belehnungen außer gesammter Hand bey sich begebenden Fällen, wenn entweder der Herr, oder der Diener stirbt, erneuert werden müssen, oder widrigenfalls dieselbe aufhören, so soll auch dieses hiedurch außer Zweifel gesetzet werden. § 32. Was die bloßen Anwartschaften auf Lehne ohne würkliche be­sondere eventual-Belehnungen anlanget, welche gleich Unsere in Gott ruhenden Vorfahren auch Wir denen um Uns und Unser Haus verdienten Personen ertheilen, und welche gemeiniglich allgemein auf das erste zu eröffnende Lehn gefasset werden, so ist es schon von Unsers Herrn Groß­vaters Majestät festgestellet, daß selbige nicht weiter als auf die Kinder des Beanwarteten ersten Grades sich erstrecken. Wir wollen also diese bestätigen lassen, jedoch neben denen Söhnen auch die Enkel, mithin der verstorbenen Söhne Kinder eintreten.

§ 33. Wäre auch ein oder andrer von Uns oder Unsern Durchlauchtigsten Vorfahren mit mehrern besondern Anwartschaften versorget, und er wäre von einer zum Genuß gekommen, so bleibet es bey der Observanz Unsrer Lehn-Cammer, daß er aus einer zweiten weiter keinen Anspruch machen kann.

§ 34. Wie Wir gleichwol auch bey allen zu verleihenden Anwartschaften Unser Lehnleuten getreuer Herr verbleiben, mithin dieselben dadurch in Noth nicht verderben lassen wollen, also behalten Wir Uns allemal bevor, bey des Vasallen erweislich eintretender Noth, es mögen allge­meine oder besondere Anwartschaften, auch Gedinge seyn, zu Aufneh­mung einiger Schulden Unsre Lehnsherrliche Bewilligung gnädigst zu ertheilen. Sonst aber sollen die zugleich auf die Erben abgefaßten An­wartschaften oder Gedinge allerdings bestehen bleiben. § 35. Hätten Wir jemand auf eine Präbende für einen seiner Söhne, welchen er demnächst wählen werde, eine Anwartschaft ertheilet, und der vom Vater erwählte wäre vor entstandenem Fall der Erledigung ver­storben, so stehet dem Vater gleichwol frey, einen andern alsdann ohne andrer Beanwarteter Widerspruch zu erwählen, und Wir auch selbst wollen Uns solches gnädigst gern gefallen lassen.

Titul LXXXVIII.   Von Frohn-Diensten.

§ 1. Wenn der Frohndienst in gewissen wöchentlichen Diensttagen be­stehet, ist der Gutsherr nicht befugt, den Dienst ganz oder zum Theil aus der einen Woche in die andre zu ziehen und dadurch dem Gutsmann die Bestellung seines eignen Haushalts zu erschweren, sondern dieser bleibet nachher wegen des in der Woche nicht geforderten Dienstes frey.


Tit. 88 und 89                                                                                     209

§ 2. Ungemessene Dienste können nicht weiter als zum Behuf des Ade­lichen Guts und dessen Haushalts, auch Ausübung desselben Gerecht­same, nicht aber um dadurch Handel und Wandel zu treiben, gefordert werden. Wer also die Brau-Gerechtigkeit hat, kann die ungemeßenen Dienste zu Verfahrung des Biers zum feilen Verkauf nicht anhalten.

§ 3. Hat ein Gutsherr mehrere Dörfer und Unterthanen, welche bisher an dessen Gut sämmtlich ungemessen gedienet, so ist er nicht befugt, einige dieser Dörfer und Unterthanen zum Nachtheil der übrigen, mit welchen sie bisher zugleich gedienet, zu veräußern, sondern er muß solchen Falls denen übrigen den Abgang im Dienste zu gute kommen lassen.

§ 4. Würde auch jemand sein Gut durch Ankauf oder sonst vergrößern, so kann der ungemessene Dienst auf das hinzugekommene nicht er­strecket werden.

§ 5. Der Dienst ist solchergestalt zu leisten, daß der Gutsmann mit Auf­gang der Sonne von seinem Hause abgehe. Er ist aber auch des Diensts so zeitig demnächst zu entlassen, daß er bey Untergang der Sonne wieder zu Hause seyn könne.

§ 6. Als Wir vernommen, daß an einigen Orten die in ungemessenen Dienst stehende Dienstpflichtige verlangen, daß sie bey Abmähung der Wiesen allesammt zugleich auf eine Wiese gehen, und wenn sie eine, sie sey so klein wie sie wolle, abgemähet und damit auch schon um Mittag fertig geworden, ihnen solches für einen ganzen Dienst-Tag gerechnet werde, so mögen Wir dieses nicht anders billigen, als wenn darunter ein rechtmäßiges Herkommen erwiesen wird.

§ 7. Wenn die Dienstpflichtige auch seit unvordenklicher Zeit ein gleich­förmiges jährliches Dienstgeld entrichtet, so können dennoch dadurch die natural-Dienste, so lange sie deren Ableistung nicht widersprochen haben und der Gutsherr darauf binnen rechts verjährter Zeit es nicht dabey gelassen, nicht verjähret werden.

§ 8. Bey ungemessenen Diensten ist ein Gutsherr nicht befugt, einige von solchen Dienstpflichtigen in Dienstgeld zu setzen, von den übrigen aber zu deren Beschwerung den natural-Dienst zu fordern, so wenig als ihm frey stehen kann, einige unter selbigen sich frey kaufen zu lassen.

Titul LXXXrX.   Vom Bau aus Eifersucht.

§ 1. Bey dem sogenannten Bau aus Eifersucht erklären Wir Uns gnädigst dahin, daß nur das für einen verbotenen Bau aus Eifersucht zu halten sey, wenn jemand einem andern zum Nachtheil und Schaden, nicht aber wegen eigner Bedürfniß oder Nutzens bauet.

14   Ebel


210                                                                                                                            Tit. 90

Titul XC.   Von Schenkungen unter Lebendigen und auf den Todes-Fall.

§ 1. Ungeachtet Wir solchen Schenkungen, welche in bloßen, oft unüber­legten, Versprechungen und mit Hintansetzung der sich selbst schuldigen Pflichten, geschehen, wenn sie nicht eine Vergeltung enthalten, keine besondre Gunst ertheilen, wie sie auch in denen ältern Rechten nicht für verbindlich gehalten sind, so wollen Wir es jedoch hierunter bey denen neuern Justinianischen Rechten überall lassen.

§ 2. Als nun in solchen neuern Rechten zugleich ganz heilsam verordnet ist, daß eine solche Schenkung nicht weiter als auf fünfhundert güldne Schillinge bestehen solle, wenn sie nicht gerichtlich angegeben und ange­zeichnet worden, hiebey aber nicht außer Zweifel ist, wie hoch ein solcher güldner Schilling zu rechnen sey, und denn zwar, wie Uns hinter­bracht worden, ein Justinianischer güldner Schilling das Gehalt von fünf Viertel Ducaten gehabt, gleichwol die meisten neuern Rechtslehrer und auch Unsre Gerichte fünfhundert Ungarische oder Holländische Du­caten oder eintausend Thaler Species angenommen haben, so wollen Wir dieses auch hiedurch bestätigen, es auch sonst dabey schlechterdings bey den gemeinen Kaiserlichen Rechten lassen.

§ 3. Was Wir aber in Ansehung der dazu erforderlichen Obrigkeit bey denen Testamenten gnädigst beliebet haben, solches soll auch bey Schenkungen gelten.

§ 4. Es kommt auch bey dieser gerichtlichen Annehmung auf keine be­sondre Untersuchungen an, sondern es ist genug, wenn der schenkende Theil seinen Willen dem Gerichte zu erkennen giebet, und der Be­schenkte davon zufrieden ist. Doch kann eine Schenkung nicht, wie ein Testament, ins Gericht verschlossen übergeben werden, sondern es muß alles in Gegenwart des Richters öffentlich, geschehen.

§ 5. Von dieser gerichtlichen Angabe sollen auch Schenkungen, welche auf eine freywillige Vergeltung gerichtet sind, nicht ausgeschlossen, noch andergestalt weiter als auf fünfhundert Ducaten gültig seyn, wie solchergestalt auch Unser Ober-Appellations-Gericht verschiedentlich er­kannt hat.

§ 6. Da auch unter denen Rechts-Lehrern gestritten wird, ob auch bey Erlassung einer Schuld über 500 Ducaten eine gerichtliche Insinuirung erfordert werde, so nehmen Wir an, daß auch dieses geschehen müsse.

§ 7. Da auch bey denen Schenkungen unter den Lebendigen, wenn sie über 500 Ducaten sich erstrecken, die gerichtliche Anzeige um deswillen eingeführet worden, um insonderheit dadurch alle heimliche Hinter­gehungen und Verleitungen zu verhüten, so mögen Wir die Meinung


Tit. 90                                                                                              211

dererjenigen keinesweges billigen, welche eine Bestätigung durch einen Eyd der gerichtlichen Anzeige gleichgeltend halten wollen. Wie Wir Uns darüber auch in dem Titul von eidlichen Bekräftigungen bereits erkläret haben.

§ 8. Ob gleich eine Schenkung aller Güter unter den Lebendigen von ver­schiedenen Rechts-Lehrern bezweifelt werden will, es auch, da sie un­widerruflich seyn soll, gegen die natürlichen Pflichten sowol gegen sich selbst als andre zu streiten scheinet, so wollen Wir jedoch selbige nicht verwerfen, zumal oft tugendliche Ursachen dazu Gelegenheit geben. Es verstehet sich jedoch von selbst, daß die schenkende Person für sich auf keine Weise leiden könne.

§ 9. Es kann auch in diesem Fall der Verschenkende von seinem Ver­mögen zwar nichts aus bloßer Gefährde vermindern. Sonst aber muß ihm ein untadelhafter Gebrauch des Seinigen völlig frey bleiben, und was er nach der Schenkung mit andern Personen gehandelt und geschlossen, kann zum Schaden und Nachtheil dieser Personen, wenn ihnen keine Gefährde beyzumessen, für ungültig nicht gehalten werden. Es muß da-hero das geschenkte Gut auch alle und jede Schulden, wenn keine Ge­fährde des Gläubigers dabey vorhanden ist, tragen, sie mögen vor oder nach der Schenkung gemacht seyn.

§ 10. Hätte jemand alle das Seinige oder einen Theil seiner Güter ver­schenket, und es würden ihm nachher eheliche Kinder geboren, so fällt das Geschenkte ungeachtet derer dagegen obwaltenden Zweifel nach der angenommenen Meinung Unsers Ober-Appellations-Gerichts an den schenkenden Theil zurück.

§ 11. In Ansehung derer Schenkungen, wodurch der Kinder Pflicht-Theil benachtheiliget worden, treten wir denenjenigen Rechtslehrern bey, welche solche Schenkungen nicht ganz, sondern nur bis auf den Pflicht-Theil der Kinder aufheben, dabey übrigens auch nicht darauf sehen, ob die Absicht gewesen, die Kinder an ihrem Pflichttheil zu verkürzen, oder nicht.

§ 12. Zur Vollständigkeit einer Schenkung gehöret zwar allerdings die Einwilligung beider Theile. Hat also jemand einem Abwesenden etwas geschenket, so bleibet die Schenkung, bis der Abwesende es erfahren und angenommen, unvollständig, und kann folglich bis dahin widerrufen werden.

§ 13. Gehet gleichwol die Meinung des Schenkers dahin, daß der Be­schenkte sofort das Eigenthum oder ein unwiderrufliches Recht haben solle, und er lässet solches dem Abwesenden wissen, so kann er nicht

14·


212                                                                                                               Tit. 90 und 91

eher zurücktreten, als bis der Abwesende es erfahren und die Schenkung von sich abgelehnet.

§ 14. Hat jemand ihrer Zweyen, und zwar einem gegenwärtigen und einem abwesenden ein Ganzes geschenket, welches der gegenwärtige für den abwesenden mit angenommen hat, so ist die Schenkung auch in An­sehung des abwesenden völlig gültig.

§ 15. Wenn nun auch schon vor Vollziehung der Schenkung von gewissen zu erfüllenden Bedingungen, welche der Schenkende verlanget, etwas vorgefallen wäre, so kann doch darauf kein Betracht genommen werden, wenn von solchen Bedingungen der Schenkung selbst nachhero nichts einverleibet worden.

§ 16. Zinsen des Verzugs oder auch nach der Kriegs-Befestigung können bey Schenkungen unter den Lebendigen nicht gefordert werden, als wie Wir hierin die Kaiserlichen Rechte angewandt wissen wollen.

§ 17. Ist aber jemanden ein auf Zinsen belegtes Capital ganz oder zum Theil geschenket, so gehören ihm auch davon die seit der Schenkung aufgekommenen Zinsen.

§ 18. In Ansehung der Schenkungen auf den Todesfall bleibet es durch­aus bey den gemeinen Rechten, und können Wir derer jenigen Meinung nicht billigen, welche dergleichen ohne alle Feyerlichkeiten als ein Geding bestehen lassen wollen.

Zugabe zum TituI: Von Schenkungen

Da auch bey denen Schenkungen unter den Lebendigen, wenn sie über 500 Ducaten sich erstrecken, die gerichtliche Anzeige um deswillen eingeführet worden, um insonderheit dadurch alle heimliche Hintergehungen und Verlei­tungen zu verhüten, so mögen Wir die Meinung dererjenigen keinesweges billigen, welche eine Bestätigung durch einen Eyd der gerichtlichen Anzeige gleich geltend halten wollen.

Titul XCI.   Von Mühlen.

§ 1. Wie es eines Theils keinem Unsrer Unterthanen erlaubet seyn kann, den allgemeinen Gebrauch öffentlicher Flüsse und Bäche zu beschränken, andern Theils aber auch der bey Mühlen erforderliche Kosten-Aufwand und davon zu erwartende Nutzen gegen neue Mühlen so wenig als andre nachtheilige Unternehmen ohne Landesherrlichen Schutz gesichert seyn kann, also ist es auch nicht allein in Ansehung Unsrer Fürstenthümer Calenberg und Grubenhagen in dem Gandersheimischen Landtags-Ab­schied bereits versehen, daß keine neue Mühle ohne des Landesfürsten Einwilligung anzulegen sey, sondern es beruhet dieses auch in Unsern


Tit. 91                                                                                                                               213

Herzogthümern Bremen und Verden außer allen Zweifel und ist Unsre Landesherrliche Gerechtsame darunter durch ein Erkenntniß Unsers Ober-Appellations-Gerichts bekräftiget worden. In Unsern übrigen Deut­schen Landen treten diesselben Gründe ein, warum weder Wasser- noch Wind-Mühlen ohne Unsre Landes-Fürstliche Erlaubniß anzulegen stehen, und es sind dahero Unsre gottseelige Vorfahren an der Regierung des Herzogthums Lüneburg vielfältig ersuchet worden, sind auch vorkom­menden Umständen nach entweder geneigt gewesen, den Bau einer Mühle zu verstatten oder haben ihre Einwilligung dazu versaget. Wir wollen demnach zu Verhütung aller unnöthigen Zweifel hiedurch zum Überfluß zugleich bestimmen, daß überall keine Mühlen in Unsern Deut­schen Landen ohne Unsre gnädigste Einwilligung angeleget werden können.

§ 2. Wie nun aus obgesetzten Gründen zugleich folget, daß von allen bereits vorhandenen Mühlen die rechtliche Vermuthung von Unsrer Durchlauchtigen Vorfahren Einwilligung obwalte, also soll auch niemand befugt seyn, sie an dem freyen Gebrauch des Wassers oder des Windes auf einerley Weise zu behindern.

§ 3. Da nun die jedesmalige Regenten dieser Lande durch Verstattung eines Mühlen-Baues zugleich Schutz gegen alle nachtheilige Unterneh­mungen anderer versprochen haben, so ist auch billig und Rechtens, was bereits in dem Gandersheimischen Landtags-Abschiede art. 13 versehen ist, daß ohne die interessirende benachbarte Mühlen-Herren zu hören, und ob es ohne ihren Schaden, Nachtheil und Abgang geschehen könne, zu untersuchen, kein neuer Mühlen-Bau verstattet werde.

§ 4. Bey Wiederaufbauung einer eingegangenen Mühle, wenn sie gleich über 30 Jahre gelegen, brauchet es jedoch keiner Landesherrlichen Er­laubniß noch Vernehmung der benachbarten Mühlen-Interessenten, es wäre denn, daß immittelst in solcher Gegend mit Landesherrlicher Ge­nehmigung eine neue Mühle angelegt worden. Als welchen Falle es eben so, als bey Anlegung neuer Mühlen zu halten ist. § 5. Was auch insbesondere die Bann-und Zwangs-Gerechtigkeit bey Müh­len, Krügen und sonst anlanget so ist desfalls in dem Gandersheimischen Landtags-Abschiede eine Verjährung von 30 Jahren, in dem Lüneburgi­schen Landtags-Abschiede vom Jahre 1686 aber ein altes Herbringen erfordert. Wir glauben, daß auch letzteres unter der Verjährung von 30 Jahren begriffen sey, wollen demnach dieses in allen Unsern Deutschen Landen eintreten lassen.

§ 6. Als gleichwol Unsre und Unsrer Durchlauchtigsten Vorfahren Gna­den-Bezeigungen dahin gedeutet werden mögen, daß dadurch die nöthige


214                                                                                    Tit. 91 und 92

Landesherrliche Sorgfalt für das Beste andrer Unterthanen ausgeschlos­sen werde und diese dadurch beschweret werden mögen, vielmehr in Ansehung der Fürstenthümer Calenberg und Grubenhagen bereits Unsers Herrn Vetters weiland Herzog Heinrich Julius Liebden durch den Gandersheimischen Landtags-Abschied sich darunter das Nöthige vorbe­halten, also ist bey dem Widerspruch der benachbarten Mühlen-Interes­senten hauptsächlich darauf zu sehen, ob die bisherigen Mühlen der Nothdurft hinlänglich vorkommen können, oder ob dabey sich Mängel vorfinden. Als welchenfalls ein Widerspruch überall in keinem Betracht genommen werden soll.

§ 7. Wollten jedoch Unsre von Adel zu ihrer und ihres eignen Haushalts Bedürfniß auf ihrem eigenthümlichen freyen Grund und Boden eine Mühle anlegen, so soll ihnen das durchaus unverwehret seyn.

§ 8. Da denen alten Mühlen auch durch Anlegung einer Roßmühle Schaden und Abgang entstehet, so ist hiebey eben dasjenige, was bey andern Mühlen zu beobachten.

§ 9. Es findet auch gleiche Beobachtung Statt, wenn eine Mühle mit mehrern Grindeln erweitert werden sollte.

§ 10. Wenn auch dem Vernehmen nach gezweifelt werden will, ob in An­sehung des bisher bestimmten ein gleiches wie bey Korn-, also bey andern Mühlen eintrete, Wir aber nach denen im Anfang dieses Tituls untergelegten Sätzen, warum ein Unterschied Statt finden sollte, nicht absehen mögen, als wollen Wir, daß alles vorhin gesetzte auch bey aller übrigen Art Mühlen seine Zueignung finde.

§ 11. Wir finden jedennoch nöthig, auch diese Erklärung annodi hinzu­zufügen, daß die Ertheilung Unsrer Einwilligung in Erbauung oder Er­weiterung einer Mühle nicht von Unsrer Rent-Cammer, sondern von Unsrer Landes-Regierung abhänge, ob schon der allenfalls dafür zu er­legende Zins von Unsrer Rent-Cammer bestimmt wird.

§ 12. Was die Bann- und Zwang-Mühlen anlanget, so hat hierunter der Gandersheimische Landtags-Abschied eine Zeit der Verjährung von dreißig Jahren angenommen, Wir wollen also auch dieses als denen Rechten gemäß auf Unsre sämmtliche Deutsche Lande erweitern.

Titul XCII.   Von der Krug-Gerechtigkeit.

§ 1. Wir haben gnädigst vornommen, wie Unser Ober-Appellations-Ge­richt der Meinung sey, daß die Ertheilung einer Krug-Gerechtigkeit von demjenigen abhänge, welchem der Schutz des Orts zustehet. Und diesen Satz wollen Wir in Unsern Gerichten befolget wissen.


Tit. 92 und 93                                                                                     215

§ 2. Solchemnach kann also ein Begüterter von Adel oder andrer Freyer in dem Bezirk seines Adelichen und freyen Wohnhofes ohne Unsrer Ämter Widerspruch einen Krug anlegen.

§ 3. Es kann ferner diejenige Obrigkeit, welche das Schutz-Geld zu heben hat, die Erlaubniß zu Anrichtung eines Kruges ertheilen und dafür einen Krug-Zins sich bedingen.

§ 4. Dagegen können Wir denen Obrigkeiten, welchen das Schutz-Geld nicht zustehet, die Vergünstigung einer Krug-Gerechtigkeit nicht ver­statten.

§ 5. Gleichwie aber auch nicht allein Unsre Landes-Ordnungen guten Theils wegen der Bann- und Zwang-Krüge Versehung getroffen haben, daß nur alsdenn der Zwang Statt finde, wenn es von undenklicher Zeit hergebracht sey, dieses auch überhaupt denen Rechten gemäß ist, also kann auch nicht geduldet werden, daß der Verleiher oder Verpächter eines Kruges mit dem Verleihen oder Verpachten die Bedingung ver­knüpfe, daß das zu verzapfende Bier von niemand anders als von ihm eingezogen werden solle.

Titul XCIII.   Von der Jagd.

§ 1. Uns ist unterthänigst vorgetragen worden, wie die Holzungen auch in Unsern Teutschen Landen von Alters theils in Forsten und Wild­bahnen oder Gehegen, theils in gemeinschaftlichen Holzungs-Markungen bestanden haben, und daß also hiernach die Jagd-Rechte sehr ver­schiedentlich zu bestimmen seyn.

§ 2. In Unsern eignen Wildbahnen und Forsten kann niemand des Jagens sich anmaßen, der nicht dieses Recht durch absonderliche Verleihung erlanget oder durch Verjährung erworben hat. Doch wollen Wir gnädigst nachgeben, daß eine Vierzigjährige Zeit zur Verjährung für hinreichend gehalten werde.

§ 3. In andern Forsten oder Gehegen aber werden zwar gegen eine Stadt oder Kirche 40 Jahre, gegen einen von Adel aber nur 30 Jahre zur Ver­jährung erfordert.

§ 4. Außerhalb Unsern Gehegen ist einem jeden Begüterten von Adel und freyen Landsassen auf seinem eignen freyen Grund und Boden die Nieder-Jagd auszuüben erlaubt, und gebraucht es dazu keiner Ver­leihung noch Verjährung.

§ 5. Als Uns auch hinterbracht ist, daß es in denen gemeinschaftlichen Holzungs-Markungen ehedem so gehalten worden, daß die darin Inter-essirte in den Feldmarken, wo sie Meyer oder Zehenten haben, zu der


216                                                                                              Tit. 93

Nieder-Jagd berechtiget seyn, dieses auch nicht allein in Unserm Für-stenthum Lüneburg von Unsers Herrn Vetters weiland Herzogs Christian Ludewigs Liebden und Deroselben Nachfolgern anerkannt worden, sondern auch in Unsern Herzogthümern Bremen und Verden außer allem Zweifel beruhet, so erklären Wir Uns gnädigst, daß Wir es hiebey in allen Unsern Teutschen Landen, jedoch nur in Ansehung derer jenigen Adelichen Gütern, welche ursprünglich adelich frey sind, und nicht erst neuerlich eine solche Freiheit erhalten haben, in so fern nicht etwa ein anders hergebracht ist, bewenden lassen wollen.

§ 6. Wir billigen auch die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte ange­nommene Meinung, daß denenjenigen Städten, welche unter die freyen Land-Stände gehören, in Ansehung ihrer Bürger wegen derer der Stadt gehörigen Meyer oder Zehenten ein gleiches Recht nicht zu versagen ist.

§ 7. Wie jedoch bereits Unsers Herrn Vetters, Herzog Christian Ludewig Liebden in der an die Lüneburgische Landschaft ertheilten Resolution versehen haben, was für Mäßigung bey denen Koppel-Jagden zu beob­achten sey, also hat es auch allerdings dabey sein Bewenden, und sollen bey denen mit der Jagd versehenen Städten nicht mehr als zwey Bürger zugleich an einen Ort auf die Jagd auszugehen befugt seyn.

§ 8. Haben auch die von Adel ihre Adeliche freye Ländereyen in einer Feldmark mit andern vermenget liegen, so ist ihnen die Nieder-Jagd allda um so weniger zu bezweifeln.

§ 9. Da auch in Unserm Herzogthum Lüneburg vielfältig die Huden und Weiden mehrer Dorfschaften ungetheilt in gemeine Haiden sich er­strecken, und dahero die Feldmarken nicht durchgehends hinlänglich be­stimmt sind noch füglich werden mögen, als wollen Wir allerdings zu­geben, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht dafür gehalten hat, daß derer von Adel und andrer Freyen Koppel-Jagd auch auf die gemeine Hude und Weide in denen Haiden in Ansehung derjenigen Dorfschaft, wo sie Zehenten oder Meyer haben, gehe.

§ 10. AIs aber überher im Bremischen behauptet werden wollen, daß die von Adel auch auf denen an ihre adeliche Güter anstoßende benachbar­ten Feldmarkungen zu jagen berechtiget seyn wollen, so muß dieses auf den desfalls zu führenden Beweis ankommen. Wesfalls auch wenn wir mit Unsrer Jagd-Gerechtigkeit nicht interessiret sind, die langjährige Verjährung von 10 oder 20 Jahren oder gegen Kirchen und Städte von 40 Jahren eintreten muß.

§ 11. Wir wollen jedoch gnädigst zugeben, daß die durch ihre Meyer oder Zehenten zur Jagd berechtigte von einer Feldmark zur andern durch


Tit. 93                                                                                              217

die dazwischen liegende Feldmark mit ungekoppelten Hunden durch­gehen mögen, wenn nur Unsere Gehäge dadurch nicht berühret werden.

§ 12. Wir wollen auch in Ansehung der hohen Jagd aus besondrer gnädigster Gesinnung gegen Unsre getreue Landschaften, gestalten Wir diese letztere Zeit auch in denen Feldmarken, wovon die Höfe und Län­dereyen ganz von Unsrer Rent-Cammer abhängen, angenommen wissen wollen, sonst aber gegen Unser Forst-Amt eine dreißigjährige Zeit gelten lassen, daß in Ansehung frey er eigenthümlicher Adelicher Hölzer ein Begüterter von Adel oder andrer Besitzer Adelicher freyer Güter, wenn er im Besitz der hohen Jagd sich befindet, nicht schuldig seyn soll, seine Gerechtigkeit wegen der hohen Jagd zu erweisen.

§ 13. In Ansehung fremder Privat-Holzungen aber muß auch hier die Verjährung der langen Zeit oder gegen Städte und Kirchen die längste von 40 Jahren eintrete.

§ 14. Wir wollen aber auch in Unsern eignen Gehägen und Holzungen in Ansehung der hohen Jagd denen Besitzern Adelicher freyer Güter zur Verjährung der hohen Jagd eine vierzigjährige Zeit gnädigst zugestehen.

§ 15. Wenn aber auch Unsre Durchlauchtigste Vorfahren gegen die von Adel an Orten und Enden, wo nicht ein anders hergebracht worden, außerhalb denen von Adel-Gehegen die Mit-Jagd behaupet haben, so wollen Wir darunter, wie auch wegen der sogenannten Feder-Schützen, Unserm Landesherrlichen Rechte nichts vergeben.

§ 16. Wenn ein adeliches Gut unter mehrere vertheilet wird, kann da­durch die Jagd nicht vervielfältiget werden, sondern sie ist nach wie vor nur von einem auszuüben. Haben also in einem Dorfe mehrere der Erben Meyer, so müssen sie wegen der Jagd in solcher Feldmark sich zu ver­gleichen suchen.

§ 17. Als übrigens von Unserm Forst-Amt bezweifelt werden wollen, ob ein auf eignem Grund und Boden angeschossenes oder sonst an Orten, wo solches rechtmäßig geschehen mögen, verwundetes Wild nach heuti­gen Rechten in der Nachbaren Jagd-District, zumal in Unsern Forsten, verfolget werden möge, so hat es zwar, wo keine Bann-Forsten vorhan­den sind, dabey sein Bewenden, daß in Privat-Holzungen auch ohne Er­laubniß des Eigenthümers das angeschossene Wild verfolget werden könne. Was aber Unsre Herrschaftlichen Forsten anlanget, so wollen Wir zwar solche Verfolgung gnädigst auch verstatten, jedoch in der Maße, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat, daß eine vor­gängige Anmeldung an Unsern nächst wohnenden Forst-Bedienten ge­schehe, und das sonst dabey gebräuchliche beobachtet werde.


218                                                                                                                Tit. 93 und 94

§ 18. Ob Wir nun schon nicht den geringsten Zweifel haben können daß Unsre getreue Landschaften, besonders die Lüneburgischen, mit allen vorgesetzten Bestimmungen höchst danknehmigst zufrieden seyn werden, da Wir ihnen dadurch so vieles nachgelassen, was ihnen durch Unsre Amts- und Cammer-Anwälde so viele Jahre bestritten worden, so soll jedoch, wenn eine oder andre derselben mit Unsrer gnädigsten Bestim­mung nicht in allen Stücken zufrieden seyn wollte, in Ansehung solcher Landschaft alles vorbeschriebene, so fern es nicht in öffentlichen Ge­setzen oder Landes-Gewohnheiten vorhin gegründet gewesen, von keiner Rechts-Würkung seyn.

Titul XCIV.   Vom Besitz.

Als Uns unterthänigst vorgetragen ist, daß nicht allein aus denen Kaiser­lichen Rechten darüber gezweifelt werde, ob der Besitz einer Sache auf den Sein-Erben ohne dessen Zuthun von selbst übergehe, sondern auch verschiedene neuere Rechts-Lehrer nach deutschen Gewohnheiten dieses überhaupt aus einer angezogenen Regel, daß der Todte den Lebendigen ergreife, bey denen gesetzlichen Erben oder Nachfolgern aus Geding dafür halten wollen, so wollen Wir dagegen es nicht nur bey denen Kaiserlichen Rechten lassen, daß der Besitz ohne des Erben Zuthun von selbst auf denselben nicht übergehe, sondern auch bey dem Sein-Erben keine Ausnahme gemachet wissen.

§ 2. Wenn jemand ohne Vollmacht in eines andern Namen Besitz nimmt, erlanget dieser letztere den Besitz erst dadurch, daß er das in seinem Namen Geschehene genehmiget, und solches geschiehet, ehe ein Dritter immittelst desselben Besitz sich angenommen hat.

§ 3. Da Wir vernehmen, daß unter denen Rechtsgelehrten sehr gestritten werde, ob der Lehnsherr das noch nicht eröffnete Lehn mit dem Lehn-Mann zugleich in Ansehung seines Ober-Eigenthums in Besitz habe, so treten Wir denenjenigen bey, welche solches verneinen.

§ 4. Viel weniger kann also der Herr gegen den Lehn-Mann der in An­sehung des Besitzers verordneten Rechtsmittel sich bedienen.

§ 5. Wir genehmigen auch ferner die Meinung derjenigen, welche bey dem Anfall des Lehns an den Herrn den Besitz für erlediget halten, und solchen ohne weiters Zuthun dem Herrn nicht zuschreiben.

§ 6. Als es sich auch oftmals, insonderheit bey Eröffnung Adelicher Lehn-Güter, zutragen soll, daß die Lehns-Vettern, um der Wittwe und denen Land-Erben ihr Recht zu erschweren und selbige daraus zu verdrängen, sofort nach des verstorbenen Lehnträgers Tode zufahren und von dem


Tit. 94                                                                                              219

erledigten Gut Besitz ergreifen, ehe noch die Witwe und Erben zu Be­wahrung ihrer Gerechtsame das Dienliche vorkehren mögen, und dann bereits in Unsrer Calenbergischen Canzley-Ordnung tit. 26 § 4 heilsam versehen ist, daß, wenn sich jemand unterfange, bey begebenden Todes-Fällen zum Nachtheil hinterbliebener Witwe, Kinder und Erben, so in frischer Trauer seyn, in des Verstorbenen Güter einzudringen und da­durch einer Possession sich anmaßen zu wollen, darauf keine Manute-nenz erkannt worden, sondern derselbe, der daran Spruch zu haben ver­meine, solches durch ordentliches Recht gebührend suchen solle, so wollen Wir solches auf Unsre übrigen Deutschen Lande um so mehr er­weitern, als bey Witwe und Kindern, die schon würklich im Gute körper­lich bisher gesessen, allemal vermuthet werden muß, daß sie zur Siche­rung ihres Rechts in solchem Fall auch die Meinung und Absicht haben, das Gut würklich zu besitzen, mithin solches ordentlich zu erkennen zu geben nicht nöthig ist. Doch mögen allerdings die Vettern von Unsern Gerichten befundenen Umständen nach zum Mit-Besitz gelassen werden.

§ 7. Das von denen neuern Rechts-Lehrern insonderheit zu Versicherung eines Gläubigers erdachte sogenannte Constitutum possessorium, nach welchem der Schuldner das unterpfändlich verschriebene Gut künftig Namens des Gläubigers und Pacht-Weise besitzen soll, mögen Wir wenigstens dahin denen Rechten gemäß nicht ansehen, daß daraus ein Gläubiger ohne das sonst in klaren Schuld-Sachen nöthige Verfahren sofort in den Besitz solcher verschriebenen Sache gesetzet werde. Es muß vielmehr auch in diesem Fall beybehalten werden, was die Ordnungen Unsrer Lande von klaren Briefen und Siegeln vorschreiben. § 8. Wenn die Sache so beschaffen ist, daß eine Verjährung Statt findet, so muß auch zum voraus, ehe über die Gerechtsame der Streit entschie­den wird, der klagende Theil bey dem Besitz gehandhabet werden. § 9. Wir geben mithin gnädigst nach, daß auch in Unsern Gerechtsamen, welchen der Name der Regalien beygeleget wird, Unsrer Landes-Hoheit unnachtheilig von Unsern Landsassen besessen werden könne, so wie in andern Sachen eine Manutenenz ertheilet werden möge. § 10. Als Uns jedoch hinterbracht worden, daß bey denen besitzlichen Klagen nicht wenig Mißbrauch obwalte, so billigen Wir sehr die bey Unsern Gerichten ohnehin schon aufgenommene Meinung, daß, wenn das Recht des ein oder andern Theils klar befunden wird, mit Beiseite­setzung des Besitzes über die Befugniß selbst sofort erkannt werde. § 11. Nachdemmalen Wir nun auch vernommen, daß die Canonischen Rechte darin sehr viele Zweifel veranlasset haben, ob in Ansehung der Entsetzung aus dem Besitz bey denen Kaiserlichen Rechten schlechter-


220                                                                                                                              Tit. 94

dings zu bleiben sey, und viele Rechts-Lehrer dafür halten wollen, daß die daraus entstehende Klage auch gegen einen dritten Besitzen, welcher an der Entsetzung keinen Theil habe, Statt finde, so mögen Wir jedoch dieses nur alsdenn eintreten lassen, wenn der dritte bey Erlangung seines Besitzes von der vorhergegangenen Entsetzung Wissenschaft gehabt.

§ 12. Da auch dasjenige, was die Kaiserlichen Rechte zur Strafe der Selbsthülfe verordnen, die gemeine Ruhe und Wolfart zum Grunde hat, so ist solches auch in Unsern Landen allerdings zu befolgen, und soll sowol derjenige, der seines Schuldners Sachen eigenmächtig zu sich nimmt, seiner Anforderung verlustig seyn, als auch wer sonst in den Besitz von Sachen, welche in andern Händen sind, selbst sich setzet, wenn sie ihm zugehören, solches sein Eigenthum verlieren, wenn sie aber einem andern zustehen, selbige nicht allein wieder herausgeben, sondern auch überher den Werth erstatten.

§ 13. Wenn jedoch der Schuldner seinem Gläubiger ein Constitutum possessorium gesetzet oder ihm bey der Verschreibung die Macht er­theilet, bey nachbleibender Zahlung das Pfand an sich zu nehmen, und hierauf der Gläubiger dieser ihm gegebenen Erlaubniß ohne richterliche Hülfe sich bedienet, so kann er zwar dadurch keinen rechtmäßigen Be­sitz erlangen, er hat gleichwol keine Gewalt begangen, und ist mithin, wenn schon einige Rechtslehrer andrer Meinung sind, seiner Forderung nicht verlustig.

§ 14. Wir mögen gleichwol auch die an theils Orten Unsrer Lande noch beybehaltene Gewohnheit, daß der Schuldner in der Schuld-Verschrei­bung sich dem Pfandungs-Recht des Gläubigers unterwerfe, nicht auf­heben. Jedoch muß auch hier keine Gewalt gebrauchet werden, und die Schuld an sich muß klar und geständig seyn.

§ 15. Es ist Uns unterthänigst vorgetragen, was nach denen Römischen Rechten bey einem solchen Testament, woran kein sichtbarer Mangel vorhanden, in Ansehung der Einweisung in den Besitz den Erben zu gute verordnet ist.

Nun leidet zwar die Beschaffenheit der Sache nicht, daß bey Codicillen ein gleiches eintrete, da in selbigen kein Erbe eingesetzt werden kann. In so fern hingegen nach heutigen Sitten ein Erb-Recht auch durch Ge­ding ertheilet werden kann, müßten billig auch die gedachten Rechte ihre Anwendung finden.

§ 16. Wann auch hiebey die Frage entstehet, wer dagegen einen recht­mäßigen Widerspruch habe, so kann derjenige, welcher eine Sache bereits bey des Verstorbenen Lebzeiten in Besitz gehabt, allemal mit Recht widersprechen, und ist den Grund seines Rechts zu erweisen nicht


Tit. 94 und 95                                                                                     221

schuldig, wol aber derjenige, welcher erst nach dessen Ableben in Besitz gekommen, und es muß dieser Grund des Widerspruchs, wenn er die Einweisung des Erben aufhalten soll, sofort klar vor Augen gelegt werden.

§ 17. Es kann aber auch derjenige der Einweisung rechtsbegründet wider­sprechen, welcher zwar nicht im Besitz sich befindet, jedoch einen des Erben Recht ausschließenden Anspruch sofort klar machen kann.

§ 18. In Ansehung des Interdicti Quorum bonorum billigen Wir die Meinung, daß solches auch bey einem Lehnfolger Zueignung finde.

Titul XCV.   Vom Recht der Zurückhaltung fremder Dinge.

§ 1. Wir vernehmen, daß unter denen Rechts-Lehrern gar verschiedent-liche Meinungen gehegt werden, wenn und wie weit die Zurückhaltung einer fremden Sache wegen derer wieder einen Kläger etwa habenden Ansprüche Statt finde. Dahero wir dienlich finden, solches genauer zu bestimmen.

§ 2. Wir setzen demnach, daß hier zuförderst zu unterscheiden sey, ob die Zurückbehaltung gegen einen sonst in Verbindlichkeit stehenden Eigenthümer, oder etwa gegen andere dessen Gläubiger geschehen solle.

§ 3. Gegen den Eigenthümer selbst muß die Zurückbehaltung nicht allein Statt finden, wenn der Gegen-Anspruch aus einem an der unterhabenden Sache selbst habenden oder doch in Ansehung derselben gegen den Eigenthümer geltenden Recht entstehet, sondern auch, wenn der Besitzer und Unterhaber sonst andere unleugbare klare Ansprüche gegen den Eigenthümer hätte, welche keiner gerichtlichen Ausführung bedürfen.

§ 4. Gegen etwanige andere Gläubiger aber kann im letztern Fall, da die Gegenforderung mit der unterhabenden Sache selbst keine Verbindung hat, eine Zurückhaltung nicht eintreten.

§ 5. Es kann aber die Zurückbehaltung nicht fortdauern, wenn die Gegen­forderung weder an und für sich klar ist noch sofort klar gemachet wer­den kann, sondern eine weitläufige gerichtliche Ausführung erfordert, und es muß vielmehr solchen Falls der Inhaber sich mit einer Sicherheits-Stellung begnügen. Sollte aber der illiquide Anspruch mit der abzu­tretenden Sache selbst in keiner Verbindung stehen, so bedarf es einiger Caution überall nicht.

§ 6. Solchergestalt kann ein Vormund wegen eines etwanigen Vorschus­ses vor abgelegter Rechnung das Vermögen seines Pflegebefohlnen nicht zurück behalten, wenn ihm genügsame Sicherheit gestellet wird.


222                                                                                                                 Tit. 95 und 96

§ 7. Eben wenig können die Land-Erben wegen illiquider Ansprüche an das Lehn, wenn ihnen sonst hinlängliche Sicherheit beschaffet wird, das Lehn an sich behalten.

§ 8. Aus kann ferner kein Miethmann oder Pächter, wenn sich desselben Ansprüche nicht auf den Pacht-Contract gründen und durch Taxation oder sonst sogleich klar zu machen stehen, die Zurückgabe des Hauer-Guts verweigern, und kann es in diesem Fall auch nicht einst einer Sicherheits-Stellung bedürfen.

Titul XCVI.   Von Verjährung.

§ 1. Als die Rechts-Lehrer dem Vernehmen nach nicht einerley Meinung sind, ob zu Verjährung einer Guts-Dienstbarkeit, wenn kein Grund der Erwerbung gezeiget wird, ein Gebrauch von zehen Jahren unter den gegenwärtigen, und von zwanzig Jahren unter den abwesenden hinläng­lich sey, oder ob dazu dreißig Jahre erfordert werden, so wollen Wir denen jenigen beypflichten, welche, wenn schon kein Grund der Erwer­bung angezeiget werden kann, zehen oder zwanzig Jahre für hinreichend halten, wenn nur sonst der Herr des Guts nicht anders glauben können, als daß er dazu befugt gewesen, und er weder gewaltthätiger, noch heimlicher, noch bittweise das Recht so lange ausgeübt hat.

§ 2. Da auch ehedem von einigen Unserer Gerichte sowol als verschiede­nen Rechts-Lehrern in Ansehung derjenigen Dienstbarkeiten, mit wel­chen kein ununterbrochener Gebrauch verknüpft ist, und discontinuae genennet worden, eine undenkliche Verjährung erfordert werden wollen, Unser Ober-Appellations-Gericht aber jederzeit dafür gehalten, daß zwischen diesen und anderen Dienstbarkeiten kein Unterschied zu machen sey, so wollen Wir auch solches als denen Rechten gemäß be­stätigen.

§ 3. Wenn ein Recht in seinem Umfange mehr Rechte und Befugnisse als Theile enthält, kann keiner dieser Theile anders durch den Nichtge-brauch verloren werden, als wenn dessen Ausübung verwehret werden wollen, und es darauf zehen, oder unter abwesenden zwanzig Jahre da­bey verblieben.

§ 4. Da bey der Verjährung sowohl der dreyjährigen in beweglichen Din­gen, als in unbeweglichen der Verjährung von zehen oder zwanzig Jah­ren die Rechte zwar sämmtlich eine Überzeugung und guten Glauben von dem Besitzer erfordern, darin aber unterschieden sind, daß die Kaiser­lichen Rechte es genug halten, wenn dergleichen Überzeugung nur im Anfang vorhanden gewesen, dagegen das Canonische Recht auch eine


Tit. 96                                                                                              223

nachher erhaltene widrige Wissenschaft der Verjährung nachtheilig achtet, so sind wir zwar berichtet, daß hierin die Meinung des letzern gemeiniglich angenommen werde. Wie Wir jedoch eine Meinung vor­ziehen müssen, welche der gemeinen Wolfahrt am gemäßesten ist, und es denn nicht allein billiger und dem Handel und Wandel viel zuträg­licher ist, sondern auch zu des Verkäufers Sicherheit wie auch zu Ab­schneidung vieler Proceße gereichet, wenn derjenige, welcher mit völ­liger Rechts-Uberzeugung etwas an sich gebracht, nach einem gewissen Zeit-Verlauf dabey gesichert, und zugleich der Käufer außer Anspruch gesetzet wird, am wenigsten dem Käufer anzumuthen stehet, wegen einiger nachher entstandenen Zweifel, welche auch vielleicht der Ver­käufer binnen der Zeit aus dem Wege räumen können, sich der Sache zu entschlagen, und wol gar, wenn er an dem Verkäufer sich nicht erholen kann, wie er denn auch mit diesem zum voraus einen Rechtsstreit, welcher erst nach würklich geschehener Eviction Statt findet, anzufangen nicht befugt ist, sein Kaufgeld einzubüßen, so wollen Wir zwar eines jeden Prüfung und Gewissen überlassen, ob er durch die nacher in Er­fahrung gebrachte Anzeigen sich verbunden erachten möge, die Sache von selbst abzugeben, wollen aber übrigens hierin denen Kaiserlichen Rechten vor denen Canonischen den Vorzug in Unsern deutschen Landen geben.

§ 5. Als jedoch aus den Kaiserlichen Rechten darüber Zweifel obwaltet, ob auch als denn, wenn die Sache vor erfüllter Verjährung in die Hände eines dritten gerathen, welcher des vorigen Besitzers Erbe nicht ist, und dieser Nachfolger nicht gleich dem ersten von Anfang von dem Eigen­thum überzeuget ist, vielmehr weiß, daß die Sache einem anderen ge­höre, ihm die Überzeugung des erstem und dessen angefangene Ver­jährung zu deren Fortsetzung zu Statten komme, so treten Wir denen-jenigen, welche solches verneinen, um so mehr bey, als dieser den Ver­lust seines Kaufgeldes sich selbst zuzuschreiben hat.

§ 6. Ist jedoch dieser folgende Dritte bey dem Empfang der Sache in Überzeugung, so kann er aus seiner Person die Verjährung anfangen, wenn schon sein Vorgänger bey der Erwerbung solche Überzeugung nicht gehabt.

§ 7. Dagegen kann ein Erbe zwar eine von dem Erblasser mit Überzeu­gung angefangene Verjährung, wenn er schon selbst zweifelt oder widrige Wissenschaft hat, fortsetzen und vollenden, nicht aber, wenn der Erblasser von Anfang ohne Überzeugung etwas eigenthümlich zu be­sitzen sich angemaßet, auß eigner Überzeugung einen Besitz anfangen, und darauf von solcher Zeit mit der Verjährung sich schützen.


224                                                                                                                              Tit. 9G

§ 8. Da der Besitzer eines Guts von seinem Verkäufer die Gewähr nicht anders verlangen kann, als wenn er durch Urthel und Recht aus dem Gut entsetzet worden, dabey auch der Verkäufer mit seiner völligen Noth­durft gehöret werden müßten, so kann eine bloße außergerichtliche dem Besitzer geschehene Verkündigung zum Nachtheil des Verkäufers und Käufers keine Unterbrechung der Verjährung würken. Dieses ist aber auch in solchen Fällen anzunehmen, wo es auf eine Gewährleistung nicht ankommt.

§ 9. Wir billigen auch die Meinung, daß die Verjährung einer langen Zeit gegen Minderjährige weder anfange noch fortlaufe.

§ 10. In Ansehung der Verjährung einer sehr langen Zeit lassen Wir es in Ansehung der Erwerbung des Eigenthums sowol überhaupt, als auch wegen des guten Glaubens bey der Verordnung der Kaiserlichen Rechte.

§ 11. Wenn durch die Verjährung einer sehr langen Zeit ein persönlicher Anspruch ausgeschlossen werden soll, so vernehmen Wir, daß die Rechts­lehrer sehr streitig sind, ob auch sodann dieses Statt findet, wenn der Beklagte seine noch unerfüllte Verbindlichkeit gewußt hat, und wol gar binnen solcher Zeit ein oder mehrmalen daran erinnert worden, und was für Rechte hiebey zum Grunde zu legen seyn, daß jedoch die Gerichte bisher mehr denen Canonischen Rechten nachgegangen sind. Wir haben nun hiebey reichlich erwogen, daß billig ein Unterschied unter Sachen zu machen sey, welche entweder ohne Schrift oder zwar in Schriften, jedoch von Anfang solchergestalt versaßet werden, daß die zurückbehaltene Schrift einen immer fortdauernden Grund zu einer an sich ungezweifelt klaren Klage abgebe, und welche bey der geschehenen Erfüllung zurück­geliefert werden sollen. Bloß in diesem letztern Falle, da die zurückbe­haltene Schrift einen immer fortdauernden Grund zu einer an sich unge­zweifelt klaren Klage abgiebet, und welche bey der Erfüllung hätte zu­rück geliefert werden müssen, setzen Wir, daß eine Verjährung nicht Statt habe, wenn eine binnen solcher Zeit geschehene Erinnerung erweis­lich zu machen stehet.

§ 12. Wir billigen auch die Erklärung der Kaiserlichen Rechte, daß die Zeit der Verjährung in Ansehung der Städte-Güter oder derselben An­forderungen auf vierzig Jahre zu beschränken.

§ 13. Was in Ansehung der Kirchen und Klöster in denen Kaiserlichen Rechten verordnet ist, behält bey Unserer Kloster-Cammer allerdings seine Anwendung, da diese Kloster-Güter ihre vorige Eigenschaft be­halten haben und für secularisiert nicht zu halten sind.


Tit. 96    '                                                                                          225

§ 14. Wir können aber denen Städten, auch Kirchen, Klöstern und gott­seligen Stiftungen nach Ablauf vierzig Jahre keine Wiederherstellung in den vorigen Stand binnen anderweiten vier Jahren zugestehen.

§ 15. Da auch die Kaiserlichen Rechte hinlänglich bestimmt haben, wei­chergestalt in dem Falle, wenn zur würklichen Klage nicht füglich zu schreiten stehet, die Verjährung gehemmt werden könne, so soll aus dem Canonischen Rechte nicht angenommen werden, daß dieselbe bey Krieges-Zeiten nicht laufe.

§ 16. Ob gleich in körperlichen Dingen der Verpächter durch Treulosig­keit oder Nachlässigkeit des Pächters seinen vorigen Besitz nicht ver­lieret, dieses auch von verschiedenen Rechts-Lehrern auf die Verjährung, sogar unkörperlicher Dinge, angewandt werden will, so tragen Wir doch Bedenken, diese Meinung anzunehmen, am wenigsten bey der Verjährung einer sehr langen Zeit eintreten zu lassen, sondern wollen, daß hierin des Pächters etwanige Nachläßigkeit allerdings dem Verpächter schade.

§ 17. Bey der Verjährung einer sehr langen Zeit ist es genug, den An­fang und das Ende zu erweisen, weil der Besitz der mittlern Zeit zu ver­muthen ist.

§ 18. Jährliche Hebungen werden durch die ordentliche Verjährung nicht verloren, wol aber kann die Größe derselben dadurch verändert werden.

§ 19. Wegen Verjährung derer sogenannten Regalien, immaßen Wir nicht bestimmen wollen, was mit Recht dahin gehöre, wollen Wir Uns mit Unsern getreuen Landschaften besonders vernehmen. In sofern es aber sonst bloß Unserer Cammer Angelegenheit und keine Abhanden-bringung von Domainen-Gütern anbetrifft, wollen Wir Uns denen ge­meinen Rechten selbst unterwerfen, daß, wenn sonst nichts Unsern Hoheits-Rechten nachtheiliges dabey vorfällt, eine dreißigjährige Ver­jährung Statt finde.

§ 20. In Ansehung der Jagden haben Wir Uns auch, so viel die Ver­jährung betrifft, in dem Titul von Jagden bereits gnädigst geäußert.

§ 21. Wir haben ferner vernommen, wie sehr von denen Auslegern der Lehn-Rechte über die Verjährung eines als Erbe veräußerten Lehns ge­stritten, da von einigen dafür gehalten wird, daß die Worte der Gesetze nur die Verjährung einer langen Zeit ausschließen, andere aber selbige auch auf eine sehr lange Zeit deuten, und ganz und gar keine Verjäh­rung zulassen wollen. Es ist aber auch zugleich unterthänigst vorgestellt, daß, da das Gesetz Kaiser Friedrichs den billigen Beysatz anfüget, wie dem Käufer, wenn er in Überzeugung befangen gewesen, sein An­spruch zu Wiedererlangung des Kaufgeldes gegen den Verkäufer bleibe,

15   Ebel


226                                                                                                                              Tit. 96

dieser Anspruch aber denen Rechten nach über dreißig Jahre nicht dauert, diejenige Meinung billig vorzüglich anzunehmen sey, welche den Käufer, welcher von der Lehns-Eigenschaft nichts gewußt, mit einer Ver­jährung von dreißig Jahren sicher stellet, so wollen Wir dieses Uns auch gnädigst gefallen lassen.

§ 22. Nachdemmalen denn auch in Vorfällen, wo die Hinlänglichkeit einer sehr langen Verjährung bezweifelt wird, eine undenkliche Ver­jährung billig angenommen ist, so lassen Wir es in soferne dabey be­wenden, als eine solche Verjährung nöthig erachtet werden kann. Welches Wir genauer zu bestimmen Uns vorbehalten.

§ 23. Obgleich der Beweis dieser Verjährung hauptsächlich durch Zeugen zu führen ist, so findet doch auch zu solchem Ende die Eides-Zuschiebung dahin Statt, daß der Gegentheil weder wisse noch glaube, daß es von einem unbewegten gleichen Zustande einer Sache bestehe, wovon das unvordenklicher Zeit also gehalten worden.

§ 24. Wir nehmen von dieser Verjährung die Beschreibung an, daß sie im Gegentheil niemand weder aus eigner noch fremder Wissenschaft jemals erfahren hat.

§ 25. Wie sich solchemnach von selbst verstehet, daß zu den Zeugen alte Leute zu nehmen seyn, also halten Wir in Ansehung des Alters selbst für hinlänglich, wenn der Zeuge fünfzig Jahre überschritten hat.

§ 26. Es ist aber nicht nöthig, daß die Zeugen aus eigner Wissenschaft genau von vierzig Jahren aussagen, sondern es ist genug, wenn sie zeugen, daß es, so lange wie sie denken können, also gehalten worden.

§ 27. Auch ist es hinreichend, wenn die Zeugen nur bejahen, daß sie das Gegentheil von ihren Vorfahren und alten Leuten nie vernommen, wenn sie schon nicht anführen können, daß sie mit alten Leuten von der Sache gesprochen, und gleichstimmigen Bericht erhalten haben. Dem Gegner aber stehet zu Entkräftung des Beweises frey, Zeugen beyzubringen, welche von ihren Vorfahren oder alten Leuten das Gegentheil und den Anfang der Sache gehöret haben.

§ 28. Noch weniger halten Wir es nöthig, daß zugleich von den Zeugen eingezeuget werde, daß es der Orten eine gemeine Sage und Rede sey.

§ 29. Eine undenkliche Verjährung hat die Kraft eines Freyheits- und Gnaden-Briefes.

§ 30. Als jedoch in Ansehung der öffentlichen Steuern durch Unsere Landes-Ordnungen ein andres versehen ist, so hat es dabey sein Be­wenden.


Tit. 96 und 97                                                                                     227

§ 31. Wenn die Landes-Verordnungen zwar eine bereits vorhandene Ver­jährung zulassen, künftig aber keine weiter eintreten lassen wollen, und es wäre wegen Länge der Zeit nicht weiter möglich, zu erweisen, daß die Verjährung schon vor der Verordnung da gewesen, so muß gleichwol der Beweis einer undenklichen Verjährung zugelassen werden.

§ 32. Einem Pfandes-Inhaber und Pächter kann keine undenkliche Ver­jährung zu Statten kommen.

§ 33. Auch kann bey dem Dienst-Geld der Unterthanen keine undenk­liche Verjährung eintreten.

§ 34. Gegen solche Gesetze, welche etwas um der gemeinen Wolfahrt willen verbieten, kann auch durch eine undenkliche Verjährung niemand sich ein Recht erwerben.

Titul XCVII.   Von Urthel und Recht.

§ 1. Da bey besetzten Gerichten die Urtheile und Fachkenntnisse nach der Mehrheit der Stimmen abgefaßet werden, und dann hiebey gar oft über die Mehrheit Zweifel entstehen, mithin Bedenklichkeiten vorfallen, wohin der Schluß zu fassen sey, so haben Wir gut gefunden, desfalls ein und andres zu bestimmen.

§ 2. Zuvörderst wiederholen Wir in Ansehung Unsers Ober-Appel­lations-Gerichts dasjenige, was in der Oberappellations-Gerichts-Ord-nung bey entstehender Gleichheit verfasset ist. Nachdem jedoch dieses Gericht bisher dafür gehalten, solches auch auf geschehene Anfrage von Unsers in Gott ruhenden Herrn Großvaters Majestät ge­billiget worden, daß die daselbst wegen Verschickung der Acten und des in einem gewissen Fall entscheidenden Voti des Präsidenten vorge­schriebene Weise nur alsdann zur Hand zu nehmen sey, wenn auf keine Art anders im Collegio zu einem Schluß zu gelangen stehe, mithin zu­förderst diejenigen Beysitzer, welche vorhin nicht gegenwärtig gewesen, zuzuziehen seyn, als muß es hiebey auch ferner solchergestalt verbleiben, daß der Präsident oder in dessen Abwesenheit die Vice-Präsidenten die Acten nebst denen abgestatteten Relationen und dem bey der Delibe­ration abgehaltenen Protokoll denen übrigen nicht gegenwärtig gewese­nen Räthen zustellen lasse, damit dieselbe alles fleißig nachlesen und ihre Meinung mit Gründen schriftlich eröffnen. Hätten auch von den übrigen einige der vorigen Relation und Deliberation vorhin zum Theil beygewohnet, so sind diese vorerst allein, sonst aber sämtliche übrige, wenn sie zur Stelle gegenwärtig, zuzuziehen.

15·


228                                                                                              Tit. 97

§ 3. In Unseren übrigen Gerichten findet das vorgesetzte gleichfalls seine Zueignung, und es sind, wenn im Collegio keine Vereinigung zu erhalten, ohne daß dem Directori ein entscheidendes Votum zustehe, Acta zum auswärtigen Spruch Rechtens zu verschicken.

§ 4. Wenn es jedoch nur darauf ankommt, ob in der Sache Processus zu erkennen, oder nicht, desgleichen ob eine Sache zur weitern Handlung und Ausführung anzunehmen, oder nicht anzunehmen sey, so muß bey einer Gleichheit der Stimmen die Sache unverletzt erhalten werden, mit­hin sind Processus zu erlassen, oder es ist in der Sache auf weitere Aus­führung zu erkennen.

§ 5. In peinlichen Sachen und Strafen findet bey einer Gleichheit der Stimmen die gelindeste Meinung Statt.

§ 6. Wir haben hiebey vernommen, wie sehr zweifelhaft es gehalten werde, welchergestalt die Mehrheit der Stimmen bey dreyen oder mehrern Meinungen zu beurtheilen sey. Wir verordnen also deshalb hiemit, daß in solchem Fall eine Meinung, die durch mehrere unter sich verschiedene Stimmen verworfen wird, gegen diese übrigen keineswegs eine Mehrheit ausmachen mögen.

§ 7. Wenn aber solche übrigen mehresten Stimmen auch unter sich un-eins und getheilt sind, so ist zu erwägen, worin die mehresten derselben überein kommen, und welche Meinung die wenigsten Stimmen wider sich haben.

§ 8. Es kann keines Beysitzers Votum für entscheidend angenommen werden, wenn er nicht von dem ganzen Vortrage hinlänglich unterrichtet ist und zugleich der völligen Deliberation beygewohnet, es wäre denn, daß bey vorhandener Gleichheit jemand nachher dazu gezogen würde, als in welchem Falle so zu verfahren, wie Wir im § 2 verordnet haben.

§ 9. Gleich wie auch ein Referent selbst nach seinem Gewissen verbun­den ist, die gegen seine Meinung vorgebrachten Zweifel zu prüfen, und bey erhaltener Überzeugung von seiner vorigen Meinung abzugehen, also kann auch eines abwesenden Votum nicht entscheidend seyn, son­dern es bleibet ein bloßes Gutachten.

§ 10. Die entscheidende Erkenntnisse und Urtheile Unserer Gerichte sollen, so viel thunlich, zugleich die Gründe der Entscheidung denen Partheyen zu erkennen geben, damit diese wissen, wie sie sich dagegen zu verhalten haben.

§ 11. Die Entscheidungsgründe überhaupt dienen zwar zu Erklärung einer Urthel, sind aber sonst an und für sich für ein nachtheiliges Erkenntnis nicht zu halten.


Tit. 97                                                                                                                               229

§ 12. In peinlichen Sachen, wo es auf Leib- und Lebens-Strafen ankommt, können die Adeliche und andere nicht gehörig besetzte patrimonial-Ge-richte nicht selbst erkennen, sondern sie sind schuldig, die Acten zum Spruch Rechtens zu verschicken. Ist jedoch ein Patrimonial-Gericht mit rechtsverständigen Beysitzern hinlänglich besetzet, mag dasselbe wol selbst ein Urtheil abfassen.

§ 13. Ob zwar, wie Uns berichtet worden, viele Rechts-Lehrer aus dem Canonischen Rechte behaupten wollen, daß, wenn es in Ehe-Sachen auf Vernichtung oder Trennung einer Ehe ankomme, ein Richterlicher Aus­spruch nimmer eine Rechtskraft erlange, so ist Uns jedoch zugleich hin­terbracht, daß nach der Ausführung anderer Rechtlehrer dieses nicht einst dem Canonischen Rechte gemäß sey. Wir wollen demnach in sol­chen Sachen um so mehr eine Rechtskraft eintreten lassen, als ohnehin die Ehe bey denen Evangelischen für kein heiliges Sacrament angenom­men werden kann.

§ 14. Was wegen den Einhaber eines Guts rechtskräftig erkannt worden, gilt auch als rechtskräftig gegen den Eigenthümer, wenn diesem schon der Rechtsstreit nicht bekannt gewesen, und begreifen Wir unter einem Einhaber auch einen Pfands-Inhaber, wenn es auch selbst das Eigenthum des Pfand-Guts beträfe. Dagegen kann der in der Ordnung der Klage oder Vertheidigung Folgende, wenn es ihm der erste und nächste nicht überlassen, diesem durch die Führung des Rechtsstreits kein Nachtheil zuziehen.

§ 15. Was einmal rechtskräftig erkannt ist, davon kann auch der ob­siegende Theil nachhero bey etwan veränderten Umständen wider Willen des andern nicht zurück treten.

§ 16. Nachdem Wir auch vernommen, daß es bezweifelt werde, ob die aus einem rechtskräftigen Erkenntnisse entstehende, auf dessen Voll­streckung gerichtete Klage in dreißig oder allererst in vierzig Jahren verjährt wird, so billigen Wir gnädigst die von Unserm Ober-Appella­tions-Gerichte angenommene dreißigjährige Zeit.

§ 17. Nachdem Wir übrigens auch berichtet worden, daß zum öftern dar­über Zweifel entstehen, ob und wie weit eine Blutsfreund- oder Schwä­gerschaft vom Votiren und Beywohnen der Versammlung ausschließe, so wollen Wir, daß solches über den vierten Grad bürgerlicher Rechnung nicht erstrecket werde, und zwar bis dahin ein jeder sich der Gegenwart enthalte, in allen weiteren Graden aber nicht allein zuzulassen, sondern auch schuldig sey, der Deliberation beyzuwohnen und ein Votum abzu­geben, es auch nicht von seinem Willkühr abhänge, dessen sich zu ent­schlagen.


230                                                                                                                             Tit. 98

Titul XCVIII.   Von Arresten.

§ 1. Ein Arrest kann nicht anders Statt finden, als wenn es an andrer hin­länglicher Sicherheit in demselben Gerichte oder Gebiete ermangelt, oder zu besorgen, daß die von dem Arrestanten besprochene Sache selbst verrücket werde, oder auch dem Arrestanten daran gelegen ist, an ge­wisse Stücke vorzüglich sich zu halten. Wie denn desfalls auch in Unsern Gerichts-Ordnungen ziemlicher maßen bereits versehen ist.

§ 2. Gleichwie auch nach der Vorschrift Unserer Ober-Appellations-Ge-richts-Ordnung Ρ 2 tit. 16 § 2 selbst in zweifelhaften Fällen oder wenn in dem Verzüge Gefahr vorhanden, der Arrest nicht eher verhänget wer­den soll, als wenn der Impétrant vorher genügsame Caution, das Gericht und den Arrestanten, dafern der Arrest unbefugt, schadlos zu halten, bestellet hat, Wir gleichwol vernehmen, daß dieses zu Zeiten hintan gesetzet, und der Arrest bloß periculo petentis erkannt werde, so soll dieses nicht allein ungültig seyn, sondern das Gericht soll auch dem­nächst selbst dem Arrestanten für allen Schaden und Kosten einstehen.

§ 3. Gegen einen Auswärtigen, es sey daß er außerhalb Unserer Lande, oder außerhalb einem Unserer Fürstenthume und Grafschaften, oder auch außer dem Gerichts-Zwang desjenigen Gerichts, bey welchem der Arrest gesuchet wird, wohne, soll nicht anders ein Arrest verhänget werden, als wenn er aus einem Contract vor demselben Gerichte belanget werden kann.

§ 4. Ein Unter-Gerichte kann eines Unsrer Schriftsassen Güter nicht be­kümmern.

§ 5. Ob wol ein erhaltener und würklich vollstreckter Arrest ein präto-risches Pfand-Recht giebet und andern schlechten Hypotheken gleich zu halten ist, so kann doch dieses nicht angenommen werden, wenn der Arrest wegen Unzulänglichkeit des Vermögens und zu besorgenden Con-curses von einem oder andern Gläubiger ausgewürket worden, sondern in diesem Falle ist bloß auf die Ursache des angelegten Arrests zu sehen.

§ 6. Wenn in Ansehung unbeweglicher Güter, oder auch eines ganzen Vermögens die Veräußerung bey Strafe der Nichtigkeit gerichtlich unter­saget wird, so ist dieses als ein Arrest anzusehen, und hat gleiche Wür-kung.

§ 7. Geschiehet der Arrest zu Vollstreckung eines gerichtlichen Erkennt­nisses, und erhält seine Würklichkeit, so ist es als ein gerichtliches Pfand anzusehen.


Tit. 99 und 100                                                                                                             231

Titul XCIX.   Von executivischen Klagen.

§ 1. In Ansehung der executivischen Klagen wiederholen Wir zuförderst dasjenige, was durch die Constitution weiland Herrn Herzogs Friederich Ulrich und durch das vorläufige Justiz-Reglement vom Jahr 1717 ver­ordnet ist.

§ 2. Wenn auch schon die Verschreibung mit keinem Siegel, sondern nur mit der bloßen Unterschrift versehen ist, so kann doch solches eine exe-cutivische Klage nicht ausschließen.

§ 3. Wir billigen zugleich die Meinung derjenigen Rechts-Lehrer, welche auch aus zweyseitigen Contracten eine executivische Klage eintreten lassen, wenn der Kläger sogleich mit darleget, daß er an seiner Seite den Contract erfüllet habe.

§ 4. Wenn demnach der Verpächter zugleich beybringet, daß er das ver­pachtete Gut dem Pächter würklich überliefert habe, ob er schon solches nicht von allen und jeden einzelnen im Pacht-Anschlage bemerkten Stücken zeiget, so tritt der executivische Proceß auf das ausgelobte Pacht-Geld ein, wofern nicht letzterer darthut, daß er bey der Überliefe­rung wegen ein oder andern Mangels erinnert habe. Welches Wir denn um so mehr zu bestimmen nöthig finden, als die Erfahrung bisher er­geben, wie die Pächter insgemein durch vorgeschützte Mängel die Zah­lung des liquiden Pachtgeldes auszuhalten suchen.

Titul C.   Vom Geständnis.

§ 1. Wer etwas auf keiner Rechts-Frage, sondern auf würklich vorgegan­genen Handlungen beruhendes gegen seinen Gegner, es sey gerichtlich oder außergerichtlich, eingestanden hat, muß solches als eine erwiesene Wahrheit gegen sich gelten lassen, wofern er nicht einen Irrthum klar zeigen kann. Er muß gleichwol allemal vorerst die Folgen dieses Ge­ständnisses stehen und seinen begangenen Irrthum nachher besondern ausführen.

§ 2. Es bedarf auch in solchem Fall zu der Beweis-Gültigkeit des Ge­ständnisses keiner besonderen Annahme.

§ 3. Da ein jeder Kläger denen Rechten nach den Grund seiner Klage beweisen muß, so kann er ein bedingtes Geständnis seines Gegentheils zu solchem Beweise sich nicht zueignen.

§ 4. Wenn gleichwol die Bedingungen so beschaffen sind, daß sie nur eine von dem Gegentheil zu erweisende Einrede betreffen, so ist alsdenn das Geständnis anzunehmen und die Einrede zu erweisen.


232                                                                                  Tit. 100 und 101

§ 5. Wer jedoch nur überhaupt gesteht, daß er den Kläger vergnüget und ihm alles schuldige geleistet habe, ist dadurch der eingeklagten Schuld, wenn er solche nicht besonders anerkannt, für bekennig keinesweges zu halten.

Titul CI.   Von Indulten, Regulativen und Nachlassen der Gläubiger.

§ 1. Welchergestalt die bey Uns selbst nachgesuchte Moratorien zu er­theilen eyn, solches überlassen Wir Unsrer Landes-Regierung, als welche desfalls an Uns unterthänigst berichten wird.

§ 2. Wer bey einem Gerichte ein mit der Gläubiger Einwilligung zu errichtendes Regulativ oder Induit suchet, muß dem Gerichte sein Ver­mögen genau und umständlich anzeigen und, so viel thunlich, beglaubi­gen, auch solches Verzeichnis eidlich zu bestärken sich erbieten, daneben auch seine Schulden getreulich angeben.

§ 3. Da auch bey dergleichen Induit der Schuldner zwar Stundung er­halten soll, hingegen aber auch denen Gläubigern Sicherheit verschaffet werden muß, daß eines Theils von dem Vermögen nichts abhanden ge­bracht werde, andern Theils denen Gläubigern während des Induits so-wol die laufende versprochene Zinsen als auch die Zinsen des Verzugs, vom Tage der Übergabe seines Gesuchs an zu rechnen, abgetragen wer­den, so hat der Schuldner sogleich die nöthige Anzeige davon dem Ge­richte zu thun.

§ 4. Wenn solches geschehen, sind die Gläubiger zu einer Vereinbarung öffentlich zu berufen, und soll in diesem Falle, um große Weitläufigkeit und Kosten zu verhüten, keine besondere häusliche Ladung nöthig seyn.

§ 5. Da immittelst bis zur künftigen Vereinbarung auf alle Weise durch das Gericht von Amtswegen für die Sicherheit des Vermögens zu sorgen ist, wenn auch schon Bürgen vorgeschlagen sind, so ist hierunter nach Beschaffenheit der Umstände zu verfahren. In so weit nemlich das Ver­mögen aus liegenden Gründen bestehet, ist nicht allein deren Veräuße­rung bey Strafe der Nichtigkeit zu untersagen und solches durch die öffentlichen Anzeigen bekannt zu machen, sondern auch, wenn solche ausgethan, die Heuer bey denen Heuerleuten zu bekümmern, sonst aber, wenn der Schuldner das Gut selbst in Verwaltung hat, dahin zu sehen, daß der zum Haushalt nicht nöthige Vorrath, wie auch die etwan in­zwischen eingehende Erndte in Sicherheit gestellt werde, als welches sowol als auch für die Beybehaltung des Vieh-Stapels und Inventarii zu sorgen Unsre höhern Gerichte denen Beamten des Orts aufzutragen haben. In so fern aber das Vermögen in ausstehenden Schulden bestehet,


Tit. 101                                                                                             233

ist der zu erlassenden öffentlichen Ladung mit einzuverleiben, daß bey Strafe doppelter Zahlung niemand dem Schuldner bis zu weiterer Ver­fügung etwas bezahle. Ist jedoch der Schuldner ein Handels-Mann, so würde es denen Gläubigern selbst zum Nachtheil gereichen, wenn in­zwischen die Fortsetzung der Handlung unterbrochen würde, und es ist also genug, wenn dessen Buchhalter oder Laden-Diener dazu und zu Ver­wahrung der einkommenden Gelder beeidiget, und auch solches öffent­lich angezeiget wird.

§ 6. Damit nun auch die Sache desto mehr befördert, und in dem ange­setzten Termin etwas nutzbares ausgerichtet werde, so hat der Schuldner selbst noch vor dem Termin sein beym Gerichte übergebenes Suchen sammt dessen Zubehör einem jeden seiner Gläubiger außergerichtlich zuzustellen, damit diese alles um so viel näher überlegen können. Zu dessen Bescheinigung jedoch genug ist, wenn, daß dergleichen auf die Post gegeben worden, durch einen öffentlichen Notarium beglaubiget wird.

§ 7. In dem angesetzten Termin selbst muß nun der Schuldner die Wahr­haftigkeit seines angegebenen Vermögens-Zustandes dem Gerichte und denen Gläubigern vor Augen legen, und es haben letztere sich mit ihrer etwanigen Nothdurft desfalls sowol als wegen der Sicherheit vernehmen zu lassen und ihre Zweifel vorzutragen, damit der Schuldner noch in demselben Termin nöthige Erläuterung geben könne.

§ 8. Genehmigte nun alsdenn der mehreste Theil der Gläubiger ein solches Regulativ oder Induit, so kann das Gericht das Regulativ fest­setzen, den Induit jedoch nur auf fünf Jahre ertheilen. Kommt es aber bey dem Regulativ zugleich auf eine Ordnung der Gläubiger an, so kann kein Gläubiger, auch nicht der größte Theil, dem andern etwas vorgeben, sondern dieses muß entschieden werden.

§ 9. Wir vernehmen hiebey, daß unter denen Rechts-Lehrern sehr ge­stritten werde, ob ein Schuldner der Einwendung eines etwa demnächst zu erhaltenden Induits bey Ausstellung seiner Verschreibung zum vor­aus mit Gültigkeit sich begeben könne. Wir haben hiebey gnädigst in Erwägung gezogen, daß eines Theils der Verschreiber an seine künftigen Unglücksfälle nicht gedacht haben könne, andern Theils aber, wenn er bereits in mißlichen Umständen wissentlich gewesen, mithin diese Rechtswolthat ihm selbst überall nicht zu Statten kommen könnte, dem­nach der eiserne Brief von der Induit nicht allein zum Besten des Schuld­ners, sondern auch sämmtlicher Gläubiger gereichet. Und dahero mögen Wir, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht einst erkannt hat, die Meinung nicht billigen, daß ein solcher von ihm geschehener Verzicht im


234                                                                                             Tit. 101

gedachten Fall wenn es zugleich auf das Beste sämmtlicher Gläubiger ankommt, seine Würkung haben solle.

§ 10. Was die von den Rechts-Lehrern aufgeworfene Frage betrifft, ob der dem Schuldner ertheilte Aufschub auch gegen Uns selbst und Unsre Rent-Cammer Statt finden solle, so behalten Wir Uns zwar aus denen gemeinen Rechten bevor, daß, wenn ein Schuldner, welchem die Wolthat der Abtretung aller seiner Güter an die Gläubiger zu Statten kommt, nach geschehener solcher Abtretung und entstandenem Concurs sich aufs neue Güter erwirbet, Unsre Rent-Cammer, wenn sie aus denen abge­tretenen Gütern nicht befriediget worden, allerdings daran sich halten könne. Wir wollen gleichwol sonst Unsrer Rent-Cammer hiebey kein vorzügliches Recht zuschreiben.

§ 11. Was die von dem Schuldner etwa in Rückstand gebliebene Begräb­nis-Kosten betrifft, welche jedoch, da Kirchen und Schulen bey Bestat­tung der Leichen nicht nachsehen, bloß in denen zur Trauer aufgenom­menen Kramer-Waaren bestehen können, so finden Wir nicht, wenn diese von dem Induit ausgenommen werden mögen. Was aber davon bey währendem Induit vorfällt, darunter verstehet es sich von selbst, daß allenthalben sogleich unausgesetzte baare Bezahlung geschehen müsse.

§ 12. Daß die vorhin aufgelaufene unbezahlt gebliebene öffentliche Ab­gaben sogleich vorab, ehe noch der Induit ertheilet wird oder zu Stande kommt, entrichtet werden, kann die Landes-Verfassung nicht anders zu­geben. Es folget also von selbst, daß hiewider kein Induit eintrete. Weil jedoch dergleich allemal die vorhabende Einrichtung des Credit-Wesens stöhret, so sollen die Einnehmer von dergleichen Abgiften, wenn sie sich in dem öffentlich angesetzten Termin nicht gehörig angegeben, mithin darauf kein Betracht genommen worden, aus dem ihrigen den Nachstand vorschießen und sodann gewärtigen, wie sie solchen nach geendigtem Induit wieder erhalten.

§ 13. So viel die Schulden armer und Mitleidenswürdig gehaltener Per­sonen, auch Kirchen, Hospitäler, Schulen und überhaupt milder Stiftun­gen anlanget, so haben Wir vorhin schon festgestellet, daß während des Induits auch sogar die Zinsen des Verzugs entrichtet werden sollen. Wir glauben also ihnen schon hiedurch genügsame Entschädigung mitge­theilet zu haben, und finden Uns um so weniger bewogen, bey ihnen eine Ausnahme zu machen, als sie in solcher Absicht vor andern Gläubi­gern gar kein Vorzugs-Recht haben, vielmehr wol gar in die letzte Classe der gemeinen Gläubiger gerathen.

§ 14. Da auch zwar die künftigen, nicht aber die nachständig gebliebenen Aliment-Geider einen vorzüglichen Beyfall der Rechte haben, so sind die


Tit. 101                                                                                             235

künftigen gleich denen laufenden Zinsen zu bezahlen, der Nachstand aber andern Schulden gleich auszusetzen.

§ 15. Eine gleiche Bewandnis muß es auch mit dem Gesinde-Lohn haben, was bey nachgesuchtem Induit zwar schon fällig gewesen, aber unbe­zahlt in Rückstand geblieben, so fern es über ein halbes Jahr,, nach der gewöhnlichen Vermiethungs-Zeit zu rechnen, sich erstrecket, als welches mit unter den Induit zu ziehen ist. Was hingegen das während des Induits fällige Liedlohn betrifft, so verstehet es sich von selbst, daß solches unter dem Induit nicht begriffen sey.

§ 16. Wir wollen auch nicht, daß bey dem Brautschatz und andern Schul­den ein Unterschied gemachet werde, am wenigsten bey einem solchen Brautschatz, wozu ein Vater wegen seiner Tochter verbunden ist, sondern es kann auch hier nur eine Verzinsung eintreten. Er kann auch, wenn es nicht schon vorher geschehen, ein Vater immittelst wegen der Tochter keinen Brautschatz ausloben.

§ 17. Nachdemmalen auch unter denen Rechts-Lehrern sehr bestritten wird, ob der von dem Haupt-Schuldner erlangte Induit auch denen Bür­gen, zumal wenn sie, ohne daß der Haupt-Schuldner vorher ausgeklaget werde, zur Zahlung sich verpflichtet, zu Statten komme, so haben wir jedoch erwogen, daß es allemal sehr hart seyn würde, wenn der Haupt-Schuldner günstiger als der Bürge angesehen werden sollte, dieser auch zu der Vereinbarung der Gläubiger nicht gezogen wird, und andergestalt er allein wieder seinen Willen die Strenge der Rechte auszustehen hätte. Welchem nach Wir auch dem Bürgen dergleichen Induit angedeihen lassen.

§ 18. Was außerhalb dem Concurs als eigenthümlich oder anvertrauet oder geliehen zurückzufordern stehet, ist gleichfalls unter dem Induit nicht begriffen.

§ 19. Wir sehen auch hiebey nicht ab, warum rückständiges Kaufgeld ausgeschlossen sey, es wäre denn, daß die verkaufte Sache unter des Schuldners Vermögen annodi vorhanden, und solches nicht creditiret worden, als welchen Falls der Verkäufer an die verkaufte Sache sich halten kann.

§ 20. Dagegen rückständige Pacht und Heuer-Geld unter dem Induit be­griffen ist.

§ 21. Da auch der Induit die Sache nur in dem Stande erhält, wie sie ist, so kann eine vorher bereits geschehene Execution und Immission da­durch nicht rückgängig werden. Ein bloßer Arrest aber wird dadurch auf­gehoben.


236                                                                                                             Tit. 101 und 102

§ 22. Wann ein Schuldner nach erhaltenem Induit, es sey, aus welchem Grunde es wolle, neue Schulden macht oder sich Verbindlichkeiten zu­ziehet, so können zwar die ältern Gläubiger dadurch nicht beschweret werden, dem Schuldner selbst aber kann die Einrede des Induits dagegen auf keine Weise zu Statten kommen.

§ 23. Ein erhaltener Induit kann nachhero das einem Schuldner zu­stehende beneficium cessionis bonorum nicht ausschließen.

§ 24. Wann es sich übrigens auch zuträgt, daß ein Schuldner bey denen Gläubigern um Erlassung eines Theils vom Haupt-Stuhl, oder auch um Heruntersetzung der Zinsen ansuchet, so ist zwar auch hierunter die Ein­willigung des meisten Theils der Gläubiger zu befolgen und von dem Gerichte zu bestätigen, jedoch daß in diesem Stück der mehreste Theil der Gläubiger einen vorgehenden hypothekarischen Gläubiger weder in Ansehung des Hauptstuhls noch der Zinsen zu einem Nachlaß verbinde.

Titul CII.    Von Berufung der Gläubiger.

§ 1. Da bey Unsern Gerichten die Frage vorgefallen ist, ob in dem Falle, wenn bey dem Gericht, welchem der Schuldner wegen seiner Person oder Wohnung unterworfen ist, eine Berufung sämmtlicher Gläubiger ge­schiehet, des Schuldners Güter aber in mehreren Gebieten belegen sind, diese auch an den erstem Ort zu ziehen seyn, oder ob denen Gläubigern frey zu lassen, ihre Hypotheken in jedem Gerichte oder Gebiete beson­ders zu verfolgen und auch daselbst eine öffentliche Berufung zu be-würken, und dann hiebey zu Unsrer Erwägung gekommen ist, daß selbst in Unsern deutschen Landen die Rechte der Örter und Gebiete nicht durchgehende übereinstimmen, mithin es Gläubigern zum höchsten Nach­theil gereichen kann, wenn sie an der freyen Verfolgung ihres Rechts behindert werden, als soll es lediglich von dem Willen der Gläubiger abhangen, an welchem Orte sie ihre Befriedigung suchen wollen, und sollen ohne deren Einwilligung die Güter an einen andern Ort nicht ge­zogen werden. Wobey jedoch der Wille der Mehrheit gegen die vor­stehenden hypothecarischen Gläubiger in keinen Betracht kommen kann.

§ 2. Hätte nun auch der Schuldner seine Wohnung an zwey Orten, so sind zwar auch alsdann die unbeweglichen Güter an dem Orte ihrer Lage zu verfolgen, und die beweglichen, wo sie vorzufinden. In Ansehung der dem Schuldner gegen andre zustehenden Ansprüche aber muß es darauf ankommen, wo er seine Briefschaften in Verwahrung gehabt, mithin bey welchem Gerichte dieselbe unter Siegel genommen sind.


Tit. 102                                                                                             237

§ 3. Obwohl von denen Redits-Lehrern insgemein dafür gehalten werden will, daß nach erhobenem Concurs auch die bereits bey andern Gerichten gegen den Schuldner behandelte Klagen an dasjenige Gericht zu ziehen und zu verweisen seyn, welches den Concurs eröffnet hat, so mögen Wir doch dieses so schlechterdings nicht billigen. Es muß also zwar ein solcher Gläubiger auf die ergangene Berufung bey dem letztern Gericht seine Forderung, und zwar in einer solchen Gestalt mit angeben, daß das Gericht daraus ersehen könne, welcher Ort ihm in der abzufassenden Erstigkeits-Urthel anzuweysen sei, oder es ist, wenn solches nicht zuver-läßig genug geschehen kann, das Gericht, wo die Sache anhängig, zu ersuchen, dem andern Gericht die ergangenen Acten zur Einsicht mitzu­theilen. Sonst aber muß die weitere Ausführung der Sache selbst bey dem ersten Gerichte bleiben, welchem auch nach gemachtem Gebrauch die Acten zurück zu fertigen sind.

§ 4. Der Concurs entstehet, wenn entweder der Schuldner seine gesammte Güter seinen Gläubigern übergiebet, oder auch entweder auf Anrufen der Gläubiger oder von dem Gerichte selbst aus eigner Beweg-nis die Berufung der gesammten Gläubiger geschiehet und die Verwal­tung der Güter einem Pfleger aufgetragen wird. Wiewol zum Wesen eines Concurses eines dieser beiden letztern genug ist.

§ 5. Was demnach der Schuldner mit seinen Gütern nach bereits ent­standenem Concurs vornimmt, ist schlechterdings null und nichtig.

§ 6. Kein Schuldner, welcher zu bezahlen nicht im Stande ist, kann sich der eidlichen Angabe seines Vermögens entlegen.

§ 7. Was auch wegen derer gegen den Schuldner anzustellenden Unter­suchungen und sonst in der von Unsers in Gott ruhenden Herrn Groß-Vaters Maj. am 2./13. Jan. 1750 erneuerten Verordnung denen Gerichten aufgegeben und überall gesetzet worden, darüber soll ohne allen Unter­schied der Personen und des Standes ernstlich und genau gehalten werden.

§ 8. Wir wollen jedoch dasjenige, was in dem § 8 derselben unter Nr. 1 in Ansehung der von dem Manne der Frauen geschehenen Schenkungen versehen ist, dahin gnädigst erklären, daß solches eines Theils nur von Schenkungen währender Ehe zu verstehen, andern Theils auch solche Kleider nicht begriffen seyn, welche zu Ersetzung ihrer mitgebrachten und in der Ehe abgetragenen ihr gegeben worden oder auch überhaupt solche sind, deren sie ihrem Stande gemäß nicht entbehren kann.

§ 9. Diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen schon vorhin bey demselben Gerichte klagbar gemachet haben, werden dadurch, daß sie


238                                                                                             Tit. 102

nicht auch nach der öffentlichen Berufung sich gemeldet, von dem Con­curs nicht ausgeschlossen.

§ 10. Es soll auch keinem der Zutritt zum Concurs eher als durch die Erstigkeits-Urthel verschlossen werden.

§ 11. Den bestellten Pfleger gehet die Erstigkeit der Gläubiger nichts an, sondern nur die Wahrhaftigkeit einer jeden Schuld. Es kann ihm auch dergleichen Ausführung um so weniger gestattet werden, als dadurch andre Gläubiger, welche an dem Streit keinen Theil nehmen, an An­sehung der Kosten mit beschweret werden würden. Wollen jedoch ein oder andre Gläubiger es ihm überlassen, so stehet ihnen solches auf ihre eigne Kosten frey, es ist aber desfalls in die Curatel-Rechnung nichts zu bringen.

§ 12. Da in Ansehung der Concurs-Kosten ob nämlich selbige von der ganzen Masse voran abzunehmen oder denen theilnehmenden Gläubi­gern nach der Größe dessen, was sie erhalten, anzurechnen, nicht allein die Rechts-Lehrer streiten, sondern auch selbst bey Unserm Ober-Appel­lations-Gerichte verschiedentlich erkannt ist, so wollen Wir die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte zuletzt angenommene Meinung bey­behalten, wissen, daß diese Kosten allemal, es mag die Masse zu Befrie­digung aller Gläubiger zureichen oder nicht, von dem Vorrath voran ab­genommen und keinesweges denen theilnehmenden Gläubigern ange­rechnet werden.

§ 13. Da bey Concurs-Prozessen so viele leiden, so haben Unsre Gerichte um deren baldige Endigung sich vorzüglich zu bemühen. Sobald also das Liquidations-Protokoll geschlossen ist, sollen die Acten sofort zu Ab­fassung einer Liquidation und Erstigkeits-Urthel ausgestellt und vor der­selben kein weiteres Verfahren zugelassen werden, damit nicht auch die­jenigen, deren Forderungen bereits klar sind, in Erhebung des ihrigen aufgehalten werden.

§ 14. über eines jeden Gläubigers Forderung muß aber ein besonderer Acten-Fascikul gemacht, auch in Termino liquidationis ein besonderes Protocoll verfertigt und sothanen Acten, wie auch demnächst ein Aus­zug aus der Erstigkeits-Urthel, beygeleget werden.

§ 15. Wenn der Pfleger auch gegen ein und andre Gläubiger nicht das Nöthige beobachtet, noch die Nothdurft gehörig vorstellet, so steht einem jeden Gläubiger zu, als Intervenient solches selbst zu thun, und er muß damit gehöret werden. Als wie solches auch Statt findet, wenn der Pfleger ohne Grund etwas eingeräumet hätte. Es muß jedoch im letztern Fall der Gläubiger zeigen, daß er durch die geschehene Nach-


Tit. 102                                                                                             239

gäbe des Pflegers würklich verletzet sey, und der Pfleger keinen Grund gehabt habe, solches einzuräumen.

§ 16. Da diejenigen, welche Unsern Unterthanen auf die in Unsern Lan­den zu bestellenden Sicherheit Geld leihen, Unsere Landes-Gesetze und die gemeinen Rechte dabey zum Grunde legen, so wollen Wir auch, wenn schon an dem Orte des Aufenthaltes des Gläubigers nicht gleiche Rechte Statt finden, dennoch, um zugleich das Wol Unserer eignen Un­terthanen zu befördern, kein sogenanntes Retorsions-Recht eintreten lassen, sondern es sollen Fremde Unsern Unterthanen gleich gerichtet werden.

§ 17. Obgleich die Gültigkeit und Beständigkeit eines Contractes an und für sich nach den Gesetzen des Orts, wo er errichtet worden, zu beurthei­len ist, so müssen doch denen Gläubigern bey dem Concurs ihre Stellen nach denen in dem Gerichts-Orte des Concurses eintretenden Rechten angewiesen werden.

§ 18. Zinsen und Kosten sind in einem Concurs, da die Güter nicht zu­reichen, nur alsdenn neben dem Haupt-Stuhl an denselben Ort zu setzen, wenn sie entweder ausdrücklich versprochen worden oder bereits vorhin rechtskräftig zuerkannt wären, nicht aber, wenn sie bloß von richterlichen Amtswegen zuzuerkennen sind.

§ 19. Wenn ein Advocat durch seine Bemühung etwas von denen im Concurs befangenen Gütern vorhin gerettet hat, so ist er desfalls vor­züglich vor allen zu befriedigen. Sonst aber ist er als ein bloßer chiro-graphischer Schuldner anzusehen.

§ 20. Da die gemeinen Kaiserlichen Rechte denen Städten in ihren Forde­rungen ein zwar nicht dingliches Recht, jedoch einen Vorzug vor bloßen persönlichen Schulden geben, so soll dieses auch bey denen Fleckens, die kein Stadt-Recht haben, eintreten.

§ 21. Im übrigen aber vernehmen Wir, daß die Meinungen derer ohnehin so sehr getheilten Rechts-Lehrer, nach welchen sie aus vermeinter Billig­keit und angenommenen Auslegungen persönliche Vorzüge vor denen gemeinen chirographischen Schulden austheilen, in denen Rechten nicht gnugsam gegründet seyn. Welche Wir also, sofern nicht ein oder andere ausdrücklich von Uns gebilliget worden, verwerfen wollen.

§ 22. Wenn in Unsern Calenbergischen, Grubenhagischen und Lüneburgi­schen Städten nebst des Schuldners übrigem Vermögen auch bürgerliche unbewegliche Güter in einen Concurs gezogen werden, so sind zwei Concurs-Massen, als eine von denen unbeweglichen Bürger-Gütern, und die andre von dem übrigen Vermögen, zu formieren, solchergestalt, daß


240                                                                                             Tit. 102

diejenigen, welche durch die bey dem Magistrat geschehene Anmeldung oder aus denen Gesetzen ein wahres dingliches Recht an solchem unbe­weglichen Gut haben, aus der Immobiliar-Masse vorzüglich ihre Befriedi­gung erhalten, an der übrigen Masse aber durch solche Anmeldung andern nicht vorgehen.

§ 23. Kommt es beym Concurs zum Verkauf der beweglichen Güter, so muß der Curator nichts ohne baares Geld verabfolgen lassen, massen er andergestalt schlechterdings dafür einstehet.

§ 24. Wenn bey Subhastierung der unbeweglichen Güter kein annehm­licher Bot geschiehet, so können die Gläubiger, wenn es zu keines vor­züglichen Gläubigers Nachtheil gereichet, auch um die vierte und, so oft sie wollen, um eine wiederholte Ausbietung ansuchen, sonst aber muß es sich mit der dritten endigen.

§ 25. Zinsen müssen der Concurs-Masse nur so lange zur Last fallen, bis der Gläubiger den Haupt-Stuhl heben kann. Liegt es hiebey an dem Gläubiger, daß der entweder sich nicht genugsam zu der Forderung legi-mitiret oder dieselbe nicht klar gemacht, oder auch zu Empfangnehmung des Geldes nicht die behörige Anstalt vorgekehret, so muß von der Erstigkeits-Urthel an der Zins en-Ver lust ihn selbst treffen. Liegt die Schuld an dem Pfleger der Güter, daß er entweder dem Gläubiger nicht gehörig Eröffnung gegeben oder durch unrechtmäßige Absätze das Cor­pus bonorum verringert, so muß derselbe den Gläubiger wegen des Ver-lusts schadlos halten. Inzwischen ist es an Seiten des Pflegers genug, wenn er die Bereitstehung der Gelder, und wer dazu am nächsten, durch die öffentliche Anzeigen bekannt machen lassen, daß es zu der oft zer­streut wohnenden Interessenten Wissenschaft kommen können. Wird aber die Auszahlung durch andre Gläubiger aufgehalten, welche einen Vorzug vor ihm aufzuführen suchen, so muß zwar, so viel thunlich, da­für gesorget werden, dass immittelst das bereit liegende Geld an sichren Orten zinsbar untergebracht werde, weicherhalben auch die interessirten Gläubiger billig mit zuhören und deren Vorschläge zu erwarten sind. Stehet gleichwol zu einer solchen Unterbringung nicht füglich zu gelan­gen, so muß der durch Lahmliegung der vorrathigen Gelder für das Cor­pus bonorum entstehende Zins-Verlust denjenigen treffen, gegen welchen demnächst in Ansehung des Vorzuges erkannt wird. In welchem Betracht denn derjenige, welcher ein Vorzugs-Recht auszuführen sich unternimmt, mit Ausführung seiner Appellation oder Leuteration und Supplication nicht anders zu hören ist, als wenn er wegen des dem andern Theil dadurch entstehenden Zins-Verlustes hinlängliche Sicher­heit verschaffet hat. Sollte gleichwol der Pfleger der Güter gegen die


Tit. 102                                                                                             241

Stattnehmigkeit oder Liquidität der Forderung appellieren oder ein ande­res Rechts-Mittel ergreifen und damit unterliegen, so müssen in solchem Fall die Zinsen des Gläubigers fortlaufen.

§ 26. Hat nun einmal ein Gläubiger aus dem Concurs das seinige ausge­zahlt bekommen, so mögen Wir keinesweges dafür halten, daß andre sich nachhero angegebene Gläubigers, es sey auch aus welchem Grunde es wolle, durch eine nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand solches von ihm wieder zurückfordern können, da ein solcher Gläubiger das Seinige, und ein mehreres nicht, erhalten hat, allenfalls auch derjenige, welcher sich nicht melden können, es für ein Unglück für sich selbst anzusehen hat. Dahero Wir in solchem Falle auch Unmündi­gen keine Wiederherstellung in den vorigen Stand gestatten, um so weniger, als dieses mit dem gemeinen Besten eines Staats nicht bestehen kann.

§ 27. Derjenige, welcher gegen eine Erstigkeits-Urthel ein Rechts-Mittel in Ansehung des Vorzuges einwenden will, muß bey Strafe der Verwer­fung anzeigen, gegen welchen Gläubiger er solches einwende, und kann es nicht genug seyn, es überhaupt gegen alle vorgesetzte Gläubiger ein­zuführen, wenn sie nicht namentlich angezeiget werden. Maßen denn auch andergestalt die Auszahlung an die vorgesetzten Gläubiger nicht aufgehalten werden soll.

§ 28. Ist nun gleich die Erstigskeit-Urthel entweder ganz oder auch nur zum Theil rechtskräftig, so muß das Gericht dem Pfleger der Güter nicht allein aufgeben, von dem unter sich habenden Vorrath die Gläubiger in ihrer Ordnung zu befriedigen, sondern auch, wenigstens vorerst, seine Rechnung sogleich zu schließen und dem Gerichte zu übergehen, welches denn zu deren Abnahme und Vertheilung des etwanigen Uberrests einen Termin anzusehen und darin, soviel möglich, alles zu Stande zu bringen hat.

§ 29. Wenn bey einem Gut keine Gebäude vorhanden sind, welche einer Unterhaltung bedürfen, muß das Gericht nach einem vorgängigen billi­gen Anschlage es dem ersten und so ferner dem folgenden Gläubiger zur Abnützung einthun, so daß keine Rechnung erfordert werde. Dieses ver­stehet sich jedoch nur von Gütern, welche nicht verkaufet werden können.

§ 30. Bleibet nach geendigtem Concurs von denen dahin gezogenen Gü­tern etwas übrig, so mögen als denn diejenigen, welche ihre Forderungen bey dem Concurs auszuführen unterlassen haben, sich gleichwol an den Überrest ohne Widerspruch des Schuldners halten.

§ 31. Ob auch gleich von denen Gerichten angenommen ist, daß Erben, um sich gegen die unbekannten Gläubiger ihres Erblassers in Sicherheit

16   Ebel


242                                                                                                             Tit. 102 und 103

zu setzen, sämmtliche des Verstorbenen Gläubiger öffentlich können be­rufen lassen, und darauf diejenigen, welche mit ihren Ansprüchen an die Erbschaft sich nicht gemeldet, damit weiter nicht zu hören seyn, so wol­len Wir zwar dieses geschehen lassen. Es kann aber dieses nur wegen der unbekannten Gläubiger, und auch in Ansehung dieser nur so fern von Rechts-Würkung seyn, daß die Erben denen übrigen mit völliger Sicherheit zahlen können, nicht aber, daß sie für sich einen Vortheil aus der Erbschaft behalten mögen.

§ 32. Wenn der Käufer eines Guts zur Sicherheit gegen diejenigen, welche daran ein dingliches Recht haben mögten, eine öffentliche Be­rufung bewürket, so kann auch ihm dieses nur gegen die ihm unbe­kannte, nicht aber gegen die ihm kund gewordene oder aus öffentlichen Pfand-Büchern zu erfahrende Gläubiger zu Statten kommen.

Zugabe zum TituI: Von Berufung der Gläubiger

§ 1. Da in Ansehung der auf die letzte Krankheit des verstorbenen Schuldners verwandten Kosten, ob selbige in die erste Classe gehören und vor allen Gläubi­gern zu bezahlen, dem Vernehmen nach nicht durchgehende einerley Meinung geheget wird und die gemeinen beschriebenen Rechte darunter nichts bestimmtes setzen, so haben Wir jedoch erwogen, daß die Wolfahrt des menschlichen Ge­schlechts solches erfordre, und billigen also diesen Kosten den Vorzug zu.

§ 2. Es ist Uns ferner vorgetragen, daß, ob wol schon nach denen Kaiserlichen Rechten auch die zur Bestattung einer Leiche erforderlichen Kosten allen Gläu­bigern voranzusetzen, dennoch gezweifelt werde, ob auch die Trauer-Kleider dahin zu rechnen seyn. Nachdem Wir nun vernehmen, daß es damit heutiges Tages eine ganz andrere Bewandniß habe, als es ehedem zu Rom gehabt, so treten Wir denenjenigen Rechts-Lehrern bey, welche auch die Trauer-Kleider, jedoch nur der ersten tiefen Trauer, darunter begreifen.

Titul CIII.   Von Absonderung der Erbschaftlichen und des Erben Güter.

§ 1. Da unter denen Rechts-Lehrern die Frage vorfällt und sehr be­zweifelt wird, ob auch des verstorbenen Schuldners Pfand-Gläubiger an desselben Nachlaß vorzüglich vor allen des Erben eignen Gläubigern sich halten können, ohne daß sie zu dem Erbe die Rechts-Wolthat der Absonderung beyderley Güter zu ergreifen nöthig haben, und Wir dann gnädigst erwogen, daß die Güter des Verstorbenen nicht anders auf den Erben als mit der Beschwerung derer vorhin bereits darauf gehafteten dinglichen Rechte kommen, und diese überall nicht anders als mit gutem Willen solcher Gläubiger erlöschen mögen, solches auch überdem zu besserer Erhaltung des Credit-Wesens gereichet und viele Verwirrungen verhütet, so genehmigen Wir hiedurch die Meinung derer jenigen, welche solchen Erbschaftlichen Pfand-Gläubigern ein vorzügliches Recht an des


ïït. 103 und 104                                                                                   243

Verstorbenen Gütern vor allen und jeden des Erben Gläubigern zu­schreiben und dieselbe nicht schuldig halten, um Absonderung beider Güter binnen der sonst dazu in den Rechten verordneten Zeit nachzu­suchen.

§ 2. Diesem gemäß setzen Wir weiter, daß, wenn der Erbe seines Erb­lassers unbewegliche von demselben unterpfändlich verschriebene Güter veräußert, ohne daß solches öffentlich bekannt gemacht, mithin zur Wissenschaft der Erblichen Pfand-Gläubiger gebracht worden, solche denen letztern ganz und gar unverfänglich bleiben müsse, selbige auch nicht schuldig seyn mögen, den Erben vorher auszuklagen, ohne sie den Pfands-Inhaber besprechen.

§ 3. Ein gleiches findet bey denen Legatarien und Fideicommissarien Statt, da auch diese Güter nicht anders als mit der darauf haftenden Last unter die Güter des Erben treten, noch folglich dessen eignen Gläubigern anders zur Versicherung dienen können.

Titul CIV.   Von Veräußerungen eines unvermögenden Schuldners.

§ 1. Ob es zwar, wie Wir vernehmen, unter denen Rechts-Lehrern keinen Zweifeln unterworfen ist, daß diejenigen Veräußerungen, welche von einem unvermögenden Schuldner nach bereits würklich entstandenem Concurs vorgenommen worden, für gänzlich nichtig zu halten, der Con­curs auch seinen Anfang nimmt, sobald entweder der Schuldner alle seine Güter übergiebet, oder ein Pfleger der Güter bestellet und ihm selbst die Verwaltung genommen wird, oder auch Edictales erlassen werden, so fällt doch bey demjenigen, was bey bevorstehendem Concurs veräußert worden, Zweifel vor, ob es damit gleichergestalt zu halten sey. Wir treten aber hierunter denenjenigen bey, welche darauf gesehen wissen wollen, ob bey der Veräußerung von beiden Seiten etwas zu wissentlicher Verkürzung der Gläubiger vorgegangen sey. Was jedoch die gemeinen Rechte wegen der Schenkungen verordnen, dabey hat es nicht weniger sein Verbleiben.

§ 2. Als auch zwar die gemeinen Rechte zulassen, eine angefallene Erb­schaft als einen bloßen Gewinn zum Nachtheil seiner Gläubiger von sich zu stoßen, so soll doch nicht wenig bezweifelt werden, ob dieses auch in Ansehung des Pflicht-Theils der Kinder und Eltern und bey solchen An­fällen Statt finde, welche der Erbgeber durch einen letzten Willen dem Schuldner nicht nehmen können. Wir treten aber denenjenigen Rechts-Lehrern bey, welche in solchen Fällen die Zurückstoßung zum Nachtheil der Gläubiger nicht gestatten.

16*


244                                                                                                                           Tit. 105

Titul CV.   Von Teich-Sachen.

§ 1. Ob gleich von denen Teich-Sachen in denen Teich-Ordnungen Unsrer Herzogthümer Bremen und Verden, auch Lüneburg ausführliche Ver­sehung geschehen ist, so vernehmen Wir doch, daß gleichwol verschie­dentlich darüber nicht geringe Zweifel entstanden sind, welche letztlich bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte entschieden werden müssen. Wir haben daher dienlich gefunden, diesem, so viel thunlich, aufs künf­tige vorzukommen.

§ 2. Was zuförderst die Unterhalt-, auch Herstellung schadhafter Teiche anlanget, ob und wie weit hiebey andre dem Eigenthümer zu Hülfe kommen müssen, so ist desfalls in Unsrer Bremischen Teich-Ordnung C. 13 § 3 und 4 bereits Ziel und Maaße gesetzet, und hat es mit solchem Beytritt keine andre Meinung, als so fern die Sache keinen Aufschub leidet und diejenigen, welchen es vorzüglich oblieget, solche Kosten allein nicht bestreiten mögen.

§ 3. Was auch bey den Teichen selbst verordnet, tritt nicht weniger bey denen zu Beschützung derselben angelegten oder anzulegenden Werken, als bey Stockwerken, Schiengen, Bollwerken, Pockwerken, Schlickteichen usw. ein, weil sie als Zubehörde des Teiches anzusehen sind.

§ 4. Als auch die Frage vorgefallen, ob auch als denn, wenn jemanden zu unumgänglichen Behuf des Teichs sein Land gänzlich genommen wird, denselben, so wie an den meisten Orten bey dem Abgraben geschiehet, ebenfalls keine Vergütung von dem Teichlande wiederfahre, und Wir denn erwogen, daß von dem Abgraben auf diesen Fall keine Anwendung zu machen stehe, vielmehr es den Gesellschafts-Regeln und der Billigkeit gemäß ist, daß in diesem Falle dem Eigenthümer der Verlust ersetzet werde, so wollen Wir, daß solches künftig unweigerlich geschehe und von Unserer Regierung ohne Weitläufigkeit bestimmt werde.

§ 5. Gleichwie aber auch in Ansehung des unentgeldlichen Abgrabens Unsre Regierung die Teich-Ordnung billig dabey dahin erkläret hat, daß sich solches außer demselben Teich-Lande nicht erstrecken möge, so wollen Wir dieses ausdrücklich hiedurch genehmigen.

§ 6. Da auch überhaupt dasjenige, was wegen des unentgeldlichen Ab­grabens in der Teich-Ordnung versehen ist, auf Gewohnheiten sich grün­det und nur die Regel ausmachen soll, also muß einem jeden Distrikt un­benommen bleiben, ein anderes Herkommen zu beweisen.

§ 7. Da auch eine Verlassung des Teichs und dessen Verspätung nicht anders Statt findet, als wenn der bisherige Besitzer überall des Ver­mögens nicht ist, selbigen zu unterhalten, so kann auch daher der Teich-


Tit. 105, 106 und 107                                                                                                    245

Acht kein andrer Besitzer, der etwa weniger vermögend ist, ohne deren Einwilligung aufgedrungen werden, sondern der gewesene Besitzer muß nach wie vor haften.

Titul CVI.   Von den öffentlichen Straßen.

§ 1. Was in Ansehung der Wege-Besserungen in Unsern Landes-Ordnun-gen versehen ist, dabey hat es allerdings sein Bewenden.

§ 2. Was aber die öffentlichen Straßen in denen Städten und Flecken anlanget, so haben Wir die desfalls vorgefallene Zweifel hiedurch näher bestimmen wollen.

§ 3. Wir nehmen es zuförderst als eine gnug bestimmte Wahrheit an, daß in denen Städten und Flecken ein jeder Einwohner die öffentliche Straße, so weit sie vor seinem Haus-Platze hergehet, auf seine alleinige Kosten machen und unterhalten müsse.

§ 4. Ob nun gleich bey Wege-Besserungen eine Observanz nicht gänzlich auszufließen ist, so kann doch selbige in keinen Betracht kommen, wenn ein vormaliger Ackerweg, ob er auch schon in einem Flecken durch andre dessen zum Ackerbau bedürftige vorhin mit Stein-Pflaster unterhalten worden, durch Unsre Landesherrliche Verordnung in eine öffentliche Straße verwandelt wird. Es sind vielmehr in diesem Fall ohne Absicht auf eine widrige Observanz oder Verjährung die Fleckens-Einwohner schuldig, diesen öffentlichen Weg zu unterhalten.

Titul CVII.   Von Pfändungen.

§ 1. Da es im Römischen Reich deutscher Nation hergebracht und durch die Reichs-Gesetze gebilliget, besonders auch in Unsern deutschen Lan­den überall hergebracht ist, daß ein jeder so wol zu Erhaltung seines Besitzes als zum nähern Beweis eines erlittenen Schadens an demselben Orte, wo die Beeinträchtigung geschehen, und auf frischer That ohne Er­laubniß der Obrigkeit ein Pfand nehmen möge, so lassen Wir es auch allerdings dabey bewenden.

§ 2. Es ist aber bey denen Pfändungen Mäßigung zu gebrauchen, und sind dieselben nicht weiter, als der Sachen Endzweck es erfordert, auszu­dehnen.

§ 3. Solchemnach muß, wenn es zumal nur auf die Erhaltung eines Be­sitzes ankommt, nicht eine ganze Heerde, sondern von Pferden, Kühen und Ochsen nur ein Stück, von Schafen, Kälbern und Schweinen aber nicht mehr als zwey Stück gepfändet werden.


246                                                                                                                            Tit. 107

§ 4. Da auch bey derjenigen Pfändung, welche zum Beweis eines durch Abhütung erlittenen Schadens geschiehet, der Schade selbst nachher durch beeidigte Achts-Leute billig besonders wardiret wird, so finden Wir es der Sache angemessen, auch hier keine höhere Pfändung zu ver­statten, es wäre denn, daß der Gepfändete unter einem fremden Gebiet wohnet, als welchen Falls so hoch zu pfänden erlaubet seyn soll, als es der erlittene Schade erfordert.

§ 5. Wenn ein Stück Vieh, ohne daß es vom Hirten verwehret werden mö­gen, übergelaufen ist, muß es zurück gejaget und nicht gepfändet werden.

§ 6. Auch findet keine Pfändung Statt, wenn die zu Vertheidigung des Ackers angeordnete Befriedigung von dem Eigenthümer nicht in gehöri­gem Stande erhalten worden.

§ 7. Nachdem auch die Reichs-Gesetze die Pfändung nur an der Sache selbst, nicht aber an einer dritten unschuldigen verstatten, so ist dieser Unterschied in Unsern Gerichten wol zu beobachten. Es kann demnach, wenn es einen streitigen Holzhieb oder Torfstich oder Haide- und Plag­genhauen betrifft, zwar die Axt oder die Schaufeln, und das gefällete Holz, oder der angemaaßte Torf, Haide und Plaggen, nicht aber Wagen und Pferde gepfändet werden. Bey Jagd-Stöhrungen geschiehet die Pfän­dung an dem betroffenen Gewehr, Netzen und Hunden. Und ob wol hiebey ehedem gezweifelt worden, wohin das eroberte Wild zu rechnen sey, so ist jedoch solches, da es vorhin noch niemanden eigenthümlich zugehöret, durch den Reichs-Abschied vom Jahr 1654 zu einer dritten unschuldigen Sache erkläret. Wobey Wir es also auch lassen.

§ 8. Es müssen auch die Pfande, wenn sie nicht sofort gelöset werden, in demselben Gerichte bleiben und sofort dem an jedem Orte bestellten beeideten Pfänder eingeliefert und von demselben bis auf gerichtliche Verordnung in dem Pfand-Stall aufbehalten werden.

§ 9. Es ist jedoch dieses nur von Pfändungen derer denen Ämtern und Gerichten unterworfenen Dorfschaften zu verstehen. Wenn aber ein Be­güterter von Adel oder andrer Freyer pfändet, kann er das Pfand auf seinen freyen Hof, jedoch nicht außerhalb Landes zur Verwahrung bringen.

§ 10. Wenn eine Sache bereits rechtshängig geworden ist, kann zu ver-meindter Erhaltung des Besitzes keine Pfändung verstattet werden, son­dern es sind von dem Gerichte, wo die Sache hänget, behufige Befehle und Verbote nachzusuchen.

§ 11. Wir halten es dabey der Sache gemäß, vernehmen auch, daß es in dem Sachsen-Rechte, woraus die Pfändungen in Unsern Deutschen Lan-


Tit. 107 und 108                                                                                  247

den ihren Ursprung haben, gegründet sey, daß die unter einem Amte oder Gerichte gesessene in der Absicht, ihren Besitz zu schützen, sich nicht pfänden mögen, sondern wegen der Beeinträchtigung den gemein­schaftlichen Richter angehen, welcher alsdenn das Nöthige zu verordnen hat.

§ 12. Wenn eine Pfändung von jemand zu Erhaltung seines Besitzes vor­genommen ist, und der Gepfändete darüber klaget und ebenfalls in dem Besitze eines Rechtes zu seyn vorgiebet, müssen die Gerichte, wenn es ein zehrend Pfand ist, sofort dessen Loslassung, jedoch der Hauptsache unbeschadet, anbefehlen, und findet dagegen kein exceptio sub- et ob-reptionis, vielweniger ein aufhaltendes Rechts-Mittel Statt.

§ 13. Der Gepfändete muß demnächst beweisen, daß er vor der Pfändung im Besitz gewesen sey. Wenn dem auch gleich der Pfandende Theil einen vorzüglichem Besitz oder ein ausschließliches Recht darzuthun vermögte, mithin in der Hauptsache für ihn zu erkennen wäre, so kann jedoch die Pfändung für rechtmäßig nicht erkläret werden.

§ 14. Gegen-Pfandungen können durchaus nicht verstattet werden, son­dern wer durch die Pfändung beschwert zu seyn vermeint, muß richter­liche Hülfe suchen.

§ 15. Wenn die Pfändung für rechtmäßig erkläret wird, muß nicht allein das gewöhnliche Pfande-Geld, sondern auch, was wegen des Pfandes an Kosten verwandt worden, ersetzet werden. Doch ist sodann auch die gehabte Nutzung zu berechnen. Wäre auch etwa das gepfändete Vieh ohne des pfändenden Theils Schuld gestorben, trifft diesen der Schade nicht.

§ 16. Ist aber die Pfändung unrechtmäßig geschehen, muß der pfändende Theil nicht allein allen Schaden und Abgang sammt dem etwa erfolgten Zufall stehen.

Titul CVIII.   Von Veräußerungen streitiger Güter.

§ 1. Da in denen gemeinen Kaiserlichen Rechten versehen ist, daß Güter, worüber bereits ein würklicher Rechts-Streit obschwebet, zum Nachtheil und Beschwerde des Klägers an einen dritten nicht veräußert werden mögen, so lassen Wir es auch allerdings dabey bewenden.

§ 2. Wir nehmen aber auch hiebey die Erklärung der Rechts-Lehrer an, daß vorgedachte Rechte nur eintreten, wenn die Veräußerung böslicher und gefährlicher Weise zu Unterdrückung und Beschwerung des Gegners geschehen ist.


248                                                                                                                          Tit,  109

Titul CIX.  Von Bürgschaften und Sammt-Verpflichtungen.

§ 1. Ob wol in Unsrer Lüneburgischen Polieey-Ordnung C. 42 versehen ist, daß niemand dortiger Unterthanen, er sey auch was er wolle, ade­lichen oder gemeinen Standes, für jemand Bürge werden möge, wenn er es ist, zuförderst dem Landesfürsten vorgebracht und dessen Consens darüber erlanget, denen adelichen Landsassen jedoch, wenn ihr Eigen­thum darunter unbeschwert bleibe, auch ohne solchen Consens für 1000 Reichsthaler, und nicht höher, Bürgen zu werden verstattet, und bey Bürgern des Stadt-Raths Vorwissen und Beliebung hinlänglich gehalten worden, so hat jedoch die Erfahrung ergeben, daß dieser Verordnung nicht füglich nachgegangen werden mögen, und Wir vernehmen, daß sie in Unsern Gerichten schon längst an die Seite gesetzet worden. Wobey Wir es denn also auch künftig lassen und die gemeinen Rechte befolget wissen wollen.

§ 2. Wir vernehmen weiter, daß nach denen neuern Römischen Rechten viel Zweifel unter denen Rechts-Lehrern obwaltet, ob ein Geistlicher sich verbürgen könne, worunter gleichwol die Ordensritter, auch Dom-Herren und Canonici nicht verstanden werden mögen. Da die Pfarr-Herren, und welche in Unsern Deutschen Landen zu denen Geistlichen gerechnet wer­den, von ihren Pfründen leben müssen, so können Wir zum Besten der Gemeinde, bey welcher sie stehen, nicht zugeben, daß in solchem Fall ihr Amts-Gehalt angegriffen und dadurch der Kirche Bestes vermindert werde. Hätten sie aber sonst Vermögen, so lassen Wir die Bürgschaft überall bestehen, ohne in denen Anforderungen einen Unterschied zu machen.

§ 3. Bey Unsern Militair-Personen ist nun ohnehin schon durch Unsre und Unsrer Allerdurchlauchtigsten Vorfahren Verordnungen, wie weit ihre Besoldungen und Pensionen angegriffen werden können, festge­setzet. Sie können sich also in so fern nicht kräftig ohne Unsre Einwilli­gung verbinden. Wenn gleichwol eine Militär-Person überher Güter und Vermögen hat, so mögen Wir in so fern die Bürgschaft nicht für ungültig erklären noch denen gemeinen Rechten zuwider halten.

§ 4. Bey denen Bürgschaften des weiblichen Geschlechts, besonders derer Ehefrauen haben Wir erwogen, daß die Rechts-Wolthaten, welche das­selbe aus einer Bürgschaft von der Bezahlung befreyen, demselben eben um deswillen ertheilet sind, weil sie aus übereilter Gutheit, oder auch insbesondere die Ehe-Frauens aus einer nicht überstehlidier Gefälligkeit, auch wol gar Furcht gegen ihren Ehemann sich dazu verleiten lassen. Es ist Uns hiebey ferner vorgetragen, daß die mehresten gesitteteten Völker


Tit. 109                                                                                             249

das weibliche Geschlecht unter eine beständige gewisse Vormundschaft gesetzet haben. Es scheint Uns also dem wahren Sinn der Gesetze nicht gemäß zu seyn, daß eben dieses weibliche Geschlecht derer demselben verliehenen Rechts-Wolthaten sich begeben möge, da solches mit eben derselben gar zu geschwinden Gutheit und nicht zu überstehenden Ge­fälligkeit und Furcht gegen den Ehemann geschiehet. Nachdem Uns je­doch dagegen weiter vorgetragen worden, daß die Ehe-Frauens auch in denen neuern Römischen Rechten so viele dem gemeinen Wesen nicht zuträgliche Vorzugs-Rechte erhalten, und daß insonderheit dahero der Credit eines Mannes ohne Zulassung solcher Verzichte ganz und gar nicht bestehen möge, so wollen wir ferner die Verzichte der weiblichen Gerechtigkeiten überhaupt, insbesondere auch bey Ehefrauens, gelten lassen.

§ 5. Als jedoch Wir unterrichtet worden, daß aus der Form der Entsagung und Verpflichtungen mannigfache Rechtsstreitigkeiten bishero obge­waltet, so müssen Wir auch hierunter Ziel und Maße setzen.

§ 6. Wir wollen demnach, daß, da in Unsren Deutschen Landen das weib­liche Geschlecht keine Vormünder von Geschlechtswegen hat, mit großer Vorsicht darunter verfahren werde. Es soll also keine andre weibliche Bürgschaft gelten, als wenn die weibliche Person entweder vor Gericht oder vor einem öffentlichen Notarien in Gegenwart Zeugen verständiget worden, daß sie nach denen Rechten sich überall nicht gültig verbürgen könne, und sie gleichwol alsdenn nichts desto weniger als Bürgin zu haften verspricht. Gestalten dann auch alle solchergestalt nicht einge­richtete weibliche Bürgschaften, wenn die Bürgin selbst noch im Leben, nicht länger als auf ein Jahr von Zeit Publication dieses Gesetz-Buches gültig seyn sollen.

§ 7. Wenn jedoch die weibliche Person dessen aus den Rechten bereits vorhin auf vorgedachte Art belehret gewesen und gnugsamen Unterricht gehabt, so braucht es einer weitern Verständigung nicht, und kommt es auch in diesem Falle auf eine wörtliche Entsagung der Rechts-Wolthaten nicht an.

§ 8. Umso mehr wollen Wir also aber auch bey Ehe-Frauens, wenn sie sich für ihren Ehemann verbürgen, dieses, was auch schon sonst von vielen für nöthig gehalten worden, annehmen, daß ihre Verpflichtung vor Gerichte oder vor Notarien und Zeugen vollzogen werden müsse, und ihnen dabey die nöthige Erinnerung und Erklärung aus denen Rechten geschehe. Wobey es jedoch gnug ist, wenn sie aus denen Rech­ten auch nur verständiget werden, daß das weibliche Geschlecht sich überall nicht gültig verbürgen könne.


250                                                                                                                            Tit.  109

§ 9. Ob aber schon die Ausleger der Rechte, um derer Ehe-Frauen Ver­schreibungen für ihre Ehemänner gültig zu machen, die Bestätigung durch einen Eid eingeführet haben, weil dadurch nach denen neuesten Rechten alle sonst ungültige Verbindungen rechtsgültig werden, so haben Wir doch erwogen, wie dadurch eine Ehe-Frau, die ihrem Ehemann aushelfen will, sich von ihrem Vorhaben nicht abwenden lassen werde, der Eid also bloß auf einen Mißbrauch des Allerheiligsten göttlichen Namens hinauslaufe, welchen Wir, so viel möglich, zu verhüten uns durchaus verpflichtet halten. Wir wollen demnach, daß es inskünftige genug sey, daß eine Ehe-Frau vor Gericht oder Notarien und Zeugen von dem gan­zen Inhalt der Verschreibung und dabey unterrichtet werde, daß sie überall mit Bestände sich nicht verbürgen könne, wenn sie aber sondern gleichwol dabey beharret, dieses hierauf ohne Eid um so mehr bestehe, als sie sonst einen Gläubiger bezüglicher Weise in Schaden bringen würde. Doch sollen die Gerichte und die Notarien dabey den Mann nicht gegenwärtig seyn lassen, und diesen Umstand dem Protocoll ausdrück­lich mit einverleiben.

§ 10. Was die bisherigen Verschreibungen der Ehe-Frauens anlanget, so sollen dieselben, wenn sie nicht vor Gericht oder Notarien vollzogen sind, und die Frau noch im Leben ist, nur noch auf ein Jahr nach Publi­cation dieses Gesetzes gelten. Wäre jedoch die Frau innerhalb dieser Jahres-Zeit verstorben, sollen sie alsdenn denen Gläubigern zum Besten gültig bleiben, wenn auch in einem privat-Instrument die Frau entweder denen in deutscher Sprache verständlich ausgedrückten Rechts-Wolthaten mit angehängter Eides-Formel entsaget, oder auch ohne dergleichen förmliche Entsagung die Zahlung eidlich versprochen hat, da eine jede unbündige Versprechung durch den Eid bündig und gültig wird. Aufs künftige aber mögen dergleichen privat-Verschreibungen mit Gültigkeit nicht ausgestellet werden.

§ 11. Hat eine Ehe-Frau, wenn sie vor Gericht oder vor Notarien und Zeugen ihrer Rechte verständiget worden, nachhero weiter sich ver­bürget, so braucht es bey ihr keiner weiteren Unterrichtung. Es soll ihr jedoch ihre Verschreibung wenigstens vor Notarien und Zeugen ohne des Mannes Gegenwart vorgelesen werden.

§ 12. Wenn eine Witwe nach ihres Mannes Tode für dessen Schulden sich verbürget, ist es als eine Bürgschaft für ihren Mann nicht anzusehen, und wenn sie nach Ablauf zweyer Jahre nach ihres Mannes Tode eine sonst nicht beständige Bürgschaft für dessen Schulden wiederholet, haftet sie schlechterdings. Und diese Wiederholung geschiehet auch durch die Bezahlung der Zinsen.


Tit. 109                                                                                             251

§ 13. Wenn eine weibliche Person gegen einen Unmündigen oder einen solchen, der mit dem Unmündigen gleiche Rechte hat, sich verbürget, kommen ihr die sonst dem Geschlecht zustehende Rechtswolthaten nicht zu Statten. Doch müssen die etwanigen übrigen Bürgen, wie auch die Vormünder, wenn letztere dabey ein Versehen begangen, zuförderst belanget werden.

§ 14. Als bezweifelt werden wollen, ob aus einer Bürgschaft auch des Bürgen Erben haften, so wollen Wir dieses, daß sie haften, nach denen gemeinen Rechten durchaus festsetzen.

§ 15. Hat ein Bürge nur überhaupt aller Einreden und Rechts-Wolthaten sich begeben, ohne dabey namentlich die Rechts-Wolthaten der Bürgen zu erwehnen, so kann daraus bey einem der Rechte unerfahrnen nicht angenommen werden, daß er auch derer denen Bürgen zustehenden be­sondern Einreden und Rechts-Wolthaten sich begeben habe. Hat er aber auf die Einreden und Rechts-Wolthaten der Bürgen überhaupt Verzicht gethan, so kann er sich derselben nicht bedienen, wofern er nicht unter diejenigen Personen gehöret, welchen die Unwissenheit des Rechts zu Statten kommt.

§ 16. Wenn es mit dem Haupt-Schuldner zum Concurs gekommen, ist, wenn die Schuld bereits zur Zahlung stehet, dem Gläubiger nicht anzu-muthen, sich vorerst an den Concurs zu halten und dessen Ausgang ab­zuwarten, sondern er kann alsdenn den Bürgen gleich belangen. Bis da­hin aber, daß er den Haupt-Schuldner selbst angreifen können, muß er zu Rettung der Forderung bey dem Concurs alles mögliche vorkehren.

§ 17. Wäre auch sonst die Klage gegen den Haupt-Schuldner oder dessen Erben mit Weitläufigkeiten und Schwürigkeiten verknüpft, so kann der Bürge gleich belanget werden.

§ 18. Wir können nun zwar auch geschehen lassen, daß der Bürge in der Bürg-Verschreibung sich der Rechts-Wolthat begiebt, daß der Gläubiger ihm sein Recht aus der Schuld-Verschreibung übertragen solle. Weilen es jedoch nur zu dem Ende geschiehet, damit die Zahlung nicht aufgehalten werde, übrigens aber, da dem Gläubiger kein Nachtheil daraus er­wächset, nicht abzusehen ist, warum er dessen sich weigern und dadurch dem Bürgen ein Mittel, sich desto leichter zu erholen, vorenthalten wolle, so treten Wir denenjenigen Rechts-Lehrern bey, welche des Verzichts unerachtet den Gläubiger schuldig halten, bey der Zahlung sein Recht gegen den Haupt-Schuldner und die Mit-Bürgen abzutreten.

§ 19. Haben ihrer mehrere für eine Schuld sich verbürget, und einer der Bürgen hätte die Zahlung allein verrichtet, sich aber die Rechte des


252                                                                                                              Tit. 109 und 110

Gläubigers abtreten lassen, so kann er von seinen Mit-Bürgen nicht die ganze Schuld wieder fordern, sondern er muß seinen eignen Theil ab­redinen, wenn auch schon gesammte Bürgen der ihnen sonst zustehen­den Rechts-Wolthat der Theilung sich begeben hätten. Hätte auch der­selbe mit dem Gläubiger sich verglichen, und weniger, als die Schuld betragen, bezahlet, so kommt dieses auch seinen Mit-Bürgen zu gute und darf ihm zu keinem Gewinn dienen. Es soll aber auch derjenige, welcher die Zahlung geleistet, wenn mehrere Mit-Bürgen vorhanden, von einem Mit-Bürgen allein die sämmtlichen übrigen Theile nicht fordern, sondern er muß zufrieden seyn, wenn dieser ihm sein ausgelegtes Geld zur Halbschied bezahlet, und beide halten sich wegen des zuviel bezahl­ten an die übrigen Mit-Bürgen. Doch muß der erste in so fern auch sein Recht gegen die übrigen mit übertragen.

§ 20. Wenn ihrer mehrere überhaupt sich mit gesammter oder ungeschie­dener Hand, oder einer für alle und alle für einen verschreiben, so wird es zwar sehr in Zweifel gezogen, ob dasjenige, was in der 99ten Novelle C. 1 versehen ist, auch von diesen Sammt-Verschriebenen zu verstehen sey. Wir wollen aber allerdings dieser Meinung, daß es auch von allen Sammt-Verschriebenen zu verstehen sey, beypflichten.

§ 21. Als auch die Kaiserlichen Rechte einem Bürgen, welcher binnen gewisser Zeit jemand zu stellen oder für ihn eine gewisse Summe Geldes zu bezahlen gelobet, auch nach Ablauf der gesetzten Zeit eine weitere Frist verstatten, dieses aber von einigen Rechts-Lehrern ohne Grund nur von peinlichen Sachen verstanden werden will, so wollen Wir, daß solche Verordnungen bey Unsern Gerichten auch in bürgerlichen Sachen angenommen werden.

Titul CX.   Von Zahlung und Gegenrechnung und Beireyung.

§ 1. Da bey Quitungen die Rechte nur binnen dreißig Tagen die Einrede der nicht geschehenen Zahlung zulassen, so hat es dabey sein Bewenden, und ist auch hier derjenige, der quitiret worden, binnen solcher Zeit die geschehene Zahlung zu erweisen nicht schuldig. Doch stehet dem Aus­steller der Quitung auch nach Ablauf solcher Frist der Beweis offen, daß ihm das Geld nicht bezahlet worden.

§ 2. Gleichwie die Rechte bey jährlichen öffentlichen Abgaben die vor­hergehenden Jahre für berichtigt annehmen, wenn von denen drey fol­genden Jahren die Quitungen beygebracht werden, so soll ein Gleiches auch bey jährlichen privat-Abgaben und Zinsen gelten.


Tit. 110                                                                                             253

§ 3. Nicht weniger soll auch diese Vermuthung eintreten, wenn das vor­hergehende und folgende Jahr bezahlet ist, von der Zwischenzeit aber die Zahlung durch Quitungen nicht erwiesen werden kann.

§ 4. Wir vernehmen, daß es bey ein und andern Unsrer Gerichte in Con-cursen also gehalten werde, daß das aus der Concurs-Masse Bezahlte zu­erst auf das Capital, und nach dessen völligem Abtrag erst auf die Zinsen abgerechnet werde. Wie Wir nun dieses um so billiger finden, als da­durch auch dem Gläubiger, weil er sein Geld anderweit wieder zinsbar unterbringen kann, nicht zu nahe geschiehet, so soll dieses künftig in allen unsern Gerichten befolget werden.

§ 5. Nachdemmalen auch die gemeinen Kaiserlichen Rechte einem ge­drängten Schuldner erlauben, wenn er nicht anders Rath schaffen kann, und zu dessen Gütern kein Käufer sich findet, selbige, oder so viel davon erforderlich, dem Gläubiger für den andern Werth in Zahlung anzugeben und sich dadurch von dessen Zunöthigungen zu befreyen, dieses Reme­dium auch durch Unsre Gerichts-Ordnungen dem Gläubiger, sowol wenn zu dem Gut kein Käufer sich findet, als auch wenn der Schuldner durch einen ganz ungleichen und geringen Bot gar zu hart benachtheiliget würde, mithin der Zuschlag Bedenken haben müßte, zugestanden wor­den, so ist Uns doch vorgetragen, daß dieses bloß dem Schuldner zur Erleichterung verordnete Rechtsmittel verschiedentlich in Concursen von Jüngern und nachstehenden Gläubigern auch von Pflegern der Güter, ja auch von Gerichten dahin gedeutet werden wollen, als ob von denen unbefriedigten Gläubigern der erste und vornehmste auch sogar, wenn seine Forderung dem Werth des Gut bey weitem nicht gleich kommt, sondern er ein ansehnliches an die auf ihn folgenden Mit-Gläubiger her­aus geben müsse, das Gut nach einer vorzunehmenden Wardirung käuf­lich annehmen müsse. Wann aber die Rechte und auch Unsre Gerichts-Ordnungen dieses bloß dem bedrückten oder bedrängten Schuldner, keinesweges aber andern Gläubigern zu Gute beliebet haben, auch selbst in dem Fall, wenn es dem Schuldner zur Hülfe dienen könnte, dennoch das Gut nach dem Werth nicht einem, sondern allen auf die Summe zur Theilnehmung stehenden Gläubigern zugleich zugeschlagen seyn würde, und diese alsdenn sich darüber unter sich zu vergleichen hätten, Unser Ober-Appellations-Gericht auch dahin schon bereits erkannt hat, daß dieses zu Beschwerung des ersten Gläubigers zum Vortheil andrer Gläu­biger keinesweges gereichen möge, so wollen Wir, daß alle Unsre Ge­richte diesem nachgehen, und, es möge sich entweder kein Käufer finden, oder es möge der Bot unter den Werth der Sache gehalten werden, zum


254                                                                                  Tit. 110 und 111

Nutzen der folgenden Gläubiger keinesweges dem ersten wider seinen Willen die Annehmung des Guts für dessen Wardirung auflegen.

§ 6. Es ist jedoch auch alsdenn, wenn dem Schuldner zu gute zur Wardi­rung zu schreiten, darauf zu sehen, ob das gebotene Kaufgeld nicht einst die Hälfte des wardirten Preises betrage, als wie Wir solchergestalt Unsre Gerichts-Ordnungen durch nähere Bestimmung erläutern.

§ 7. Gegen-Rechnungen können zwar zu Tilgung einer Schuld nicht ange­zogen werden, wenn sie nicht alsdenn, wenn die Zahlung der Schuld ge­schehen muß, völlig liquid sind, sondern es muß vorläufig die Zahlung allemal geschehen. Wenn jedoch die Gegen-Rechnungen hierauf liquid geworden sind, so wird es sodann billig so angesehen, als ob die Gegen-Schuld, sobald sie entstanden, die erste Schuld verringert, und schon von solcher Zeit an selbige aus dem Zinslauf gesetzet habe. § 8. Obgleich eine Tilgung der Schuld durch Gegen-Forderungen eigent­lich nur zwischen dem Schuldner und Gläubiger selbst Statt findet, so ge­nehmigen Wir doch die Meinung der Rechts-Lehrer, daß der Mann mit seiner Frauen Brautschatz und der Schuldner auch mit einem ihm von einem Fremden cedirten capital compensiren möge. § 9. Ob zwar die eine öffentliche Casse mit der Forderung einer andern nicht compensiren kann, so hat jedoch Unser Ober-Appellations-Gericht zu Recht erkannt, daß Unsre Rent-Cammer dasjenige, was aus derselben unmittelbar zu heben ist, mit der Aufforderung einer ihr untergebenen und in dieselbe fließenden Casse wol compensiren möge. Welches Wir denn auch aufs künftige bestätigen.

§ 10. Eine Compensation tritt wegen der vorhin gehabten Gegen-Forde­rungen auch alsdenn ein, wenn es mit dieses Schuldners Sachen zum Con­curs gekommen ist.

§ 11. Wer etwas durch Gegen-Forderungen abträgt, kann selbst bestim­men, auf welche Anforderung er es abgetragen wissen wolle, und die Ab­rechnung muß so geschehn, wie er selbst es bestimmt haben würde, gleichwie es bey einem Gläubiger geschiehet, der aus dem Unterpfande sich selbst bezahlet macht.

Titul CXI.   Von Injurien-Klagen.

§ 1. Was von Injurien-Klagen in den Römischen Rechten verordnet ist, dabey hat es allerdings sein Bewenden.

§ 2. Wir lassen nun zwar die durch den Gebrauch eingeführte Klagen auf Widerruf, Abbitte und Ehren-Erklärung auch ferner geschehen. Wie Wir aber nichts mehr wünschen müssen, als dergleichen Klagen möglichst ein-


Tit. Ill und 112                                                                                                             255

zuschränken, Wir auch nicht finden, warum bey diesen in Ansehung der Erben ein Unterschied gegen die ästimirungs Klagen des Römischen Rechts zu machen sey, so verwerfen Wir durchaus die Meinung derer Rechts-Lehrer, welche die vorbenannten Klagen auch auf die Erben, gleichsam als ob sie zu dem Nachlaß gehörten, fortgehen lassen.

§ 3. Vielweniger können Wir aber zugeben, daß die gedachten Klagen länger dauern als die Römischen Rechte bey denen ästimatorischen Kla­gen verstatten.

Titul CXII.   Von denen wider ergangene Erkenntnisse Stattnehmigen Rechtsmitteln.

§ 1. Es ist zwar in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2 tit. 1 § 2 wegen der Appellationen in causis criminalibus, poenam corporis af-flictivam inferentibus, Ziel und Maße gesetzet. Wir vernehmen aber, daß der Verstand solcher Stelle nicht außer allem Zweifel befangen sey, und finden also dienlich, einige Erklärungen nach denen von Unserm Ober-Appellations-Gericht bereits geschehenen Auslegungen darüber zu geben.

§ 2. Gleichwie nun die Ordnung selbst hiebey auf die Reichs-Constitu-tiones sich beziehet, also wollen Wir, daß hauptsächlich hiebey zum Grunde zu legen sey, wie es bey dem Reichs-Cammer-Gericht von Alters her gehalten worden, als wie solches auch von Unserm Ober-Appella­tions-Gerichte bislang angenommen ist.

§ 3. Es sind demnach unter denen Criminal-Sachen, welche die Appella­tion an unser höchstes Gericht regulariter ausschließen, nur solche Ver­brechen zu verstehen, worauf die Gesetze ausdrücklich eine Leibesstrafe geleget haben, nicht aber solche Vergehungen, deren Bestrafung bloßer-dings vom Willkür des Richters abhanget, wenn auch schon auf eine Leibes-Strafe wäre erkannt worden. Ist hingegen an Statt der vorge­schriebenen Leibes-Strafe auf eine Geld-Strafe erkannt, so findet die Appellation nicht Statt.

§ 4. Als nun auch in Sachen, die Leibes-Strafen auf sich tragen, die Cam-mer-Gerichts-Ordnung der Appellation Platz giebet, wenn der peinlich Angeklagte oder Inquisii sich beschwerte, daß er nicht gehöret worden und der Richter mentiglieli oder auch sonst wider natürliche Vernunft und Billigkeit verfahren, gehandelt und erkannt habe, so ist dahin auch Unsre Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung zu erklären.

§ 5. Gleichwie aber die Billigkeit in dem Gemeinnützigen bestehet, also ist es nicht als wider die natürliche Billigkeit laufend anzusehen, wenn


256                                                                                                                            Tit. 112

ein Richter lindernde Ursachen, die im Gesetze nicht gegründet sind, ob schon ein gelinderer Richter anders geurtheilet haben würde, an die Seite setzet, und zu desto besserer Erhaltung des gemeinen Besten bey dem Buchstaben des Gesetzes bleibet, oder auch aus mehrern darin auf­gestellten Strafen die strengste wählet.

§ 6. Es findet auch die Appellation Statt, wenn schon die peinliche Urthel von Uns oder in Unsrer Abwesenheit von Unsrer Landes-Regierung voll­zogen worden.

§ 7. Ob auch wol, so lange kein End-Urthel erfolget, und es nur das Ver­fahren betrifft, Unser Ob er-Appellations-Gericht nicht nach Maßgabe der Ordnung durch Rescripta und Vorschriften mit Zurücksendung der Acten der Sache abhelfliche Maße gegeben hat, so tritt doch ein anderes in dem Falle ein, da es auf die Abänderung eines End-Urthel ankommt, im-maßen sodann, wenn nicht die vorige Urthel bestätiget wird, es bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte stehet, die ganze Sache zu behalten.

§ 8. Von Patrimonial-Gerichten kann, wie zugleich dem Herkommen in Unsren Deutschen Landen gemäß ist, auch in Sachen, die Leibes-Strafe auf sich tragen, allerdings an Unsre Justiz-Canzleyen und in denen Her-zogthümern Bremen und Verden an Unser dortiges Hofgericht appellieret werden, und die Collegia helfen entweder durch Rescripta denen Män­geln ab, oder erkennen darin hauptsächlich und endlich.

§ 9. Wer einem Richter etwas strafbares anmeldet, selbst aber dabey keinen Ankläger abgeben will, sondern es in des Richters Hände stellet, kann gegen die unterlassene Untersuchung oder auch etwan erfolgende Freysprechung des Angeschuldigten, wenn nicht etwa diesem ein Regreß vorbehalten worden, nicht appelliren, da ihm seine besondre Gnug-thuung wider denselben zu suchen nichtsdestoweniger bevor bleibet.

§ 10. Da auch gezweifelt wird, ob oder in wie weit in Unsern Herzog-thümern Bremen und Verden die zu peinlichen Anklägern bestellte Fiscales zum Appelliren zuzulassen seyn, und denn bereits Unsers in Gott ruhenden Herrn Groß-Vaters Maj. mittelst Rescripti vom 27./28. August 1744 zu erkennen gegeben, wie solches in peinlichen und Leibes-Strafe auf sich tragenden Sachen am wenigsten einem peinlichen An­kläger zu gestatten sey, gleichwol wie Wir vernehmen, dadurch noch nicht aller Zweifel behoben worden, so setzen und ordnen Wir hiemit, daß in allen peinlichen Sachen, wo es auf eine würkliche Leibes-Strafe ankommt, sofern dem Ankläger selbst durch die Entbindung kein Nach­theil zuwächset, und auch so nicht weiter als zu dessen Abwendung, eine Appellation von dem Ankläger zugelassen werden solle.


Tit. 112                                                                                             257

§ 11. Wenn es aber nicht, wie vorgedacht, auf Leibes-, sondern Geld­oder andere Strafen ankommt, kann sowol der Angeschuldigte oder An­geklagte als auch der Ankläger appelliren. Doch bleiben die bey Unsern Land-Gerichten angesetzte Strafen nach der Verordnung vom 19ten October 1719 davon ausgenommen.

§ 12. Gleich wie auch bereits unsers Herrn Groß-Vaters Maj. unterm 8ten Juny 1741 dem Ober-Appellations-Gerichte zu erkennen gegeben haben, daß von dem General-Kriegs-Gerichte in allen vor dasselbe gehörige, mithin auch criminal-Sachen, keine Appellation Statt finde, so hat es da­bey sein gänzliches Verbleiben.

§ 13. Da die Ober-Aufsicht der Polizey Unsrer Landes-Regierung anver­trauet ist, zugleich die Natur der Sache nicht gestattet, daß die Voll­streckung der dabey vorfallenden Strafen durch eine Beziehung auf die höhern Gerichte aufgehalten werde, so ist darüber keine Appellation zu­lässig, sondern wer sich dadurch beschweret zu seyn erachtet, hat allen­falls bey Unsern Landes- und andern Regierungen Abänderung zu suchen.

§ 14. Ob auch wol sonst durch Unsre Gerichts-Ordnungen eine summa appellabilis festgesetzet ist, woran der Werth der aberkannten Sache reichen muß, so billigen Wir jedoch die von denen Rechts-Lehrern ange­nommene, auch von Unsern Gerichten bisher beobachtete Meinung, daß auch von der geringsten Geld-Strafe appelliret werden könne.

§ 15. Bey der Appellations-Summe ist nicht auf die Summe und Größe der eingeklagten Forderung, sondern darauf zu sehen, wie viel dem Appel­lanten aberkannt worden, und wie hoch er folglich sich beschweret er­achten kann. Es kann auch bey Erkennung der Processe nicht in Be­tracht kommen, wie weit alsdenn die Beschwerde für erheblich ange­sehen wird, sondern wenn diese auch nur zum Theil erheblich gehalten wird, müssen da, wenn das aberkannte an und für sich zur Summe hin­reichet, Appellations-Processe erlassen werden.

§ 16. Bey mehrern Consorten ist die Appellations-Summe nicht nach eines jeden Antheil, sondern nach dem Ganzen zu rechnen.

§ 17. Ob schon nach denen gemeinen Rechten sowol als Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung denen halsstarrig ungehorsamen, welche in denen Rechten contumaces heißen, die Hülfe der Appellation ver­saget wird, so ist doch dieses sowol nach denen gemeinen Rechten als dem Sinn Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung dahin zu erklären, daß ein würklich halsstarriger Ungehorsam vorhanden gewesen und Be­klagter auf die Klage sich schon eingelassen und geantwortet habe, nach-

17   Ebel


258                                                                                                                             Tit. 112

hero aber nicht weiter handeln wollen. Maßen denn sonst auch nach dem Inhalt Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung bloß und allein wegen halsstarrigen Ungehorsams niemand seiner Sache verlustig gehen soll.

§ 18. Was die innerhalb zehen Tagen zu verrichtende Einlegung der Appellation anlanget, so ist nicht allein durch die Zellische Canzley-Ordnung nachgelassen, sondern Wir vernehmen auch, daß es bey Unsrer Calenbergischen Justiz-Canzley hergebracht sey, daß selbige mit Vor-beygehung des ersten Richters bey dem Ober-Richter geschehen könne. Ob nun wol, falls die Parthey sich nicht beschweren darf, wenn der Unter-Richter, dem von der Appellation nichts verkündiget ist, in der Sache fortfähret, so finden Wir doch übrigens nicht, warum Wir solches mißbilligen und nicht vielmehr in allen Unsern deutschen Landen geneh­migen sollten, als nach den gemeinen Rechten diese Einlegung auch außergerichtlich vor Notarien und Zeugen geschehen kann.

§ 19. Es ist nun zwar ferner in denen gemeinen Rechten verordnet, daß derjenige, welcher appeliret, auch innerhalb dreißig Tagen den Unter-Richter um Verabfolgung der Acten ersuchen oder nach der gewöhn­lichen Redens-Art die Acten requiriren müsse. Nachdemmalen aber durch das Interims-Justiz-Reglement die ehedem gewöhnliche Abschrei­bung der Acten abgeschaffet, und dagegen verordnet worden, daß der Unter-Richter die von ihm ergangenen Acten urkundlich einsenden solle, dabey aber auch ferner in Unsern Gerichten mit gutem Grunde herge­bracht ist, daß die Einsendung nicht eher geschehen dürfe, als bis es von dem Ober-Richter erfordert worden, mithin die von der Parthey zu be­obachtende Nachsuchung der Acten ganz unnöthig und überflüssig ist, und nur mehrere Kosten verursachet, deren etwanige Verabsäumung aber Vorwürfe von Fehlern an Hand giebet, als wollen Wir diese bloße Formalität hiedurch gänzlich aufheben solchergestalt, daß dieses nie zu einem Mangel gerechnet werden solle.

§ 20. In Ansehung der Einführung der Appellation bey dem Ober-Richter setzet zwar die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2 tit. 2 § 7, daß selbige in der auf die Interposition folgenden nächsten Diät geschehen solle. Da aber Unser Ober-Appellations-Gericht dieses von jeher für einen Schreibfehler gehalten, welcher daher entstanden, daß bey Unsern Calenbergischen Gerichten sogleich bei Eröffnung einer Urthel Remedia eingewandt zu werden pflegen, mithin bereits durch den Ober-Appel-lations-Gerichts-Gemeinen Bescheid vom 26ten April 1714 die Erklärung darüber abgegeben worden, daß dieses Fatale jedesmal von der Zeit der Eröffnung des Urthels oder vom Tage der erhaltenen Wissenschaft anzu-


Tit. 112                                                                                            259

nehmen, so hat es allerdings dabey sein gänzliches Bewenden. Es ver­steht sich jedoch hiebey von selbst, daß, wenn die Parthey einen Anwald zur Stelle gehabt, auf desselben und nicht auf die später erlangte Wissen­schaft der Parthey zu sehen ist.

§ 21. Wenn auch insonderheit wegen des Laufs der Posten die Noth­wendigkeit verursachet hat, daß denen zwey ersten Tagen einer Diät Unsers Ober-Appellations-Gerichts, worin die Einführung der Appella­tionen nach der Ordnung geschehen soll, noch der dritte von Unserm Ober-Appellations-Gerichte schon vorlängst hinzugefüget worden, so wollen Wir solches hiedurch bestätigen.

§ 22. Nachdemmalen auch in Ansehung Unsers Herzogthums Gruben­hagen vorlängst festgesetzet ist, daß keine Sachen, mithin auch keine Appellationen aus demselben an das Calenbergische Hof-Gericht, son­dern allein an Unsre Calenbergische Justiz-Canzley zu bringen seyn, so hat es auch dabey sein Verbleiben.

§ 23. Sind die in den Gesetzen bey dem Unter-Richter vorgeschriebene Fatalia ganz oder zum Theil versäumet, so soll es nicht auf den Unter-Richter, sondern auf den Ober-Richter ankommen, dagegen in den vori­gen Stand zu setzen, weil dieses zugleich von der Erheblichkeit der Be­schwerde in der Hauptsache abhanget, worüber nicht der Unter-Richter, sondern allein der Ober-Richter erkennen kann.

§ 24. Wie nun auch bereits in der verbesserten Einrichtung vom 20./31. März 1733 Unserm Ober-Appellations-Gerichte aufgegeben ist, bey Ver­werfung der Appellationen in denen abschlägigen Bescheiden allemal die Gründe der Verwerfung anzuführen. Wir auch schon in dem Titul von Urthel und Recht Unsere gnädigste Meinung geäußert haben, welcher-gestalt Wir bey allen Unsern Gerichten die Erkenntnisse abgefasset wis­sen wollen, also sollen auch Unsre Justiz-Canzleyen und Hof-Gerichte schuldig seyn, in denen an dieselbe gebrachten Appellationen bey deren Verwerfung die Gründe der Parthey anzuzeigen, damit diese solche aus dem Wege zu räumen im Stande sey.

§ 25. Da ferner zu Hinwegräumung solcher Gründe es bey Unserm Ober-Appellations-Gericht des Remedii restitutionis in integrum nicht bedarf, sondern es genug ist, wenn die Parthey bey nächstfolgender Diät solches verrichtet, so soll nicht weniger bey Unsern Canzley- und Hof-Gerichten solches denselben binnen einer allda gewöhnlichen Frist ohne Hülfe der Leuterung oder Supplication verstattet werden, und soll das etwan zu dem Ende gebrauchte Rechts-Mittel dafür angesehen werden, noch der Parthey in andern Betracht schädlich seyn.

17·


260                                                                                             Tit. 112

§ 26. Wenn gleichwol nach Ablehnung der erst angezeigten Verwerfungs-Gründe das Gericht der Parthey neue Gründe entgegen setzet, so muß derselben in einer anderweiten gleichen Frist ebenfalls auch diese zu ent­kräften annodi frey stehn, und müssen, wenn solches geschehen, annodi die Processe erkannt, oder es muß auf andre Art abhelflich Maße ge­geben werden.

§ 27. Da es sehr zu Verkürzung der Rechts-Streitigkeit gereichet, wenn an Statt der gewöhnlichen Appellations-Processe und ohne alsdann die Sache nachher aufs neue zur Relation auszustellen, der beschwerdende Riditer durdi ein von dem Ober-Richter zu erlassendes Rescriptum und darin dem Unter-Richter zu ertheilende Vorschrift abgeholfen werden kann, Wir auch vernehmen, daß dieses nicht allein bey den höchsten Reichs-Geriditen insonderheit dem Kaiserlidien Reichs-Hofs-Rath ge­bräuchlich, sondern auch bey Unsern höhern Gerichten bisher nicht außer Adit gelassen worden darunter jedodi nidit gänzlidi einerley Meinungen geheget werden, wann dazu zu schreiten stehe, und insonderheit, ob dieser Weg auch bey endlidien Erkenntnissen eintreten möge, so finden Wir nöthig, Uns audi darüber näher zu erklären. Wir setzen demnadi voraus, daß entweder der Ober-Riditer die ergangenen völligen Acten eingesehen, oder doch der Sache Beschaffenheit demselben von der Par­they klar vor Augen geleget worden. Erstem Falls findet es sodann zu­förderst keine Zweifel, daß, wenn es nur auf die Art des Verfahrens an­kommt, und in der Haupt-Sadie nodi kein endlidier oder demselben gleidi zu sdiätzender Sprudi erfolget, der Ober-Riditer auf soldie Weise des Unter-Riditers Verfügungen sdilediterdings abändern und diesem vorsdireiben könne und müsse, wie er zu verfahren und zu verabschie­den habe, dessen sich denn der Unter-Richter in keine Wege entlegen soll. Beruhet es aber bloß auf dem Vortrag der Parthey, so ist mit allen Gründen zu rescribiren und dem Unter-Richter entweder befundenen Umständen nach anheim zu geben der Beschwerde von selbst abhelflidie Maße zu versdiaffen, oder audi bey einer ertheilten Vorsdirift ihm frey zu lassen, bey sidi ereignenden Bedenken dagegen mit Einsendung der Acten zu beriditen. Kommt es aber auf die Abänderung eines endlidien Erkenntnisses an, so ist dazu durdi ein Rescriptum zwar nicht leicht zu schreiten. Wäre gleichwol ein solches Erkenntniß mit einer offenbaren Nichtigkeit behaftet oder auch wider alle Billigkeit erkannt, und die Sache litte entweder keinen Aufschub oder betrüge nidit die Kosten, soldie entweder an das Ober-Geridit zu nehmen oder bei dem Unter-Ge-ridit zu nehmen, ein Remedium mit der Acten-Verschickung vorzube­halten, als denn ist der Ober-Richter, wenn entweder die Sache keiner Erläuterung weiter bedarf, oder nach vorher genommener Einsidit der


Tit. 112                                                                                             261

Acten auch durch ein Rescriptum an den Unter-Richter Abänderung vor­zuschreiben wol befugt.

§ 28. Es ist Uns auch unterthänigst angezeiget, daß Unsre Ober-Appella-tions-Gerichts-Ordnung P. 2 tit. 1 § 5 sich bey denen daselbst erwähnten Sachen nicht deutlich gnug erkläret, wenn gar keine Appellation Statt finden oder dieselbe nur effectum devolutivum haben solle. Was nun die in der Ordnung zuerst aufgestellte causas momentanei possessorii be­trifft, dabey metus armorum etviolentiae vorhanden, so ist darunter nicht allein das sogenannte Summarissimum zu verstehen, wenn jemand bey einem Besitz, welchen er noch würklich hat, in demselben aber bloß ge-stöhret und beunruhiget worden, geschützet werden will, sondern auch nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten, wenn jemand unrechtmäßi­ger Weise dessen entsetzet worden und darüber sofort binnen einem Jahr klaget, auch nicht zugleich über das Eigenthum, sondern bloß auf die Herstellung des Besitzers erkannt ist, nicht weniger, wenn aus einem mit keinem sichtbaren Mangel behafteten Testament bey Ermanglung eines rechtmäßigen Widersprechers der eingesetzete Erbe vorerst in den Besitz der erbschaftlichen Sachen gesetzet wird, so daß in allen diesen Fällen die Appellation nur effectum devolutivum und nicht suspensivum hat, es mag auch übrigens dabey metus armorum oder violentiae er­scheinen oder nicht.

§ 29. Gleichergestalt hat die Appellation nur effectum devolutivum, wenn es auf gegenwärtige oder künftige Alimente ankommt. Es ist auch in diesem Fall von dem obsiegenden Theil keine Sicherheitsstellung zu er­fordern.

§ 30. In Sachen, die auf unleugbarer klarer Hand und Siegel oder des Gegentheils ausdrücklicher Bekenntniß beruhen, findet, wenn das Sepa­ratum vorbehalten und zu solchem Ende für des Imploraten Sicherheit gesorget worden, gar keine Appellation Statt, sonst aber nur so weit, als es auf solche Sicherheit ankommt.

§ 31. In Teich-Sachen und allen Dingen, welche eine schleunige Ausrich­tung erfordern, wohin auch die öffentlichen Sachen gehören, ist die Appellation nicht anders zuzulassen, als daß immittelst das ergangene Erkenntniß vollstrecket werde.

§ 32. Hätte auch jemand der Appellation entsaget, so ist es als ein Com-promiß anzusehen, und findet gar keine Appellation Platz. § 33. Als es auch vielmalen sich zutraget, daß ein Pächter oder Mieths­mann nach Ablauf der Heuer-Jahre durch Formirung größerer Gegen-Rechnungen den Abtritt des Guts aufzuhalten suchet, so soll, wenn darauf erkannt worden, überall keine Appellation eintreten.


262                                                                                                                            Tit. 112

§ 34. Wegen bloßer Ubergehung oder Vergleichung der Kosten findet schon nach denen Kaiserlichen Rechten keine Appellation Statt. Es ist jedoch bey Abfassung folgenden End-Urthels und Erwägung der gegen­seitigen Beschwerden allemal mit in Betracht zu nehmen, ob der Gegner in die Kosten zu vertheilen gewesen oder nicht, und stehet dagegen keine res judicata anzuziehen.

§ 35. Über die Moderirung der Prozeß-Kosten kann so wenig von der Parthey als dem Sachwald appelliret werden.

§ 36. In allen solchen Fällen ist der Unter-Richter, wenn schon appelliret worden, fortzufahren schuldig und befugt, sonst aber bindet die Appel­lation, sobald sie bey ihm eingeleget worden, demselben die Hand.

§ 37. Als auch wegen der in Unsern Landen zwar belegenen, aber von auswärtigen Lehns-Herren abhangenden Lehen die Frage vorgefallen, ob von dem Lehn-Gerichte an den Ober-Lehn-Herren oder Unsre Landes­herrliche Gerichte appelliret werden müsse, und denn letzteres von jeher so gehalten worden, auch an sich seinen guten Grund hat, da die Lehn-Gerichtbarkeit aus dem Unsrer Landesherrschaft unterworfenen Eigen­thum des Lehns entstehet, so hat es dabey allerdings sein ferneres Ver­bleiben.

§ 38. Wenn aber hiebey ferner Zweifel obwaltet, ob bey Adelichen Lehnen die Appellation bey Unsern Justiz-Canzleyen und Hofgerichten oder bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte zu verfolgen sey, so treten Wir dieser Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Meinung bey, daß sie zuerst bey vorgedachten Unsern höhern Gerichten ein- und auszuführen sey. Beträfe es auch Bürger- oder Bauern-Lehne, so gehet die Appellation an das Unter-Gericht, welchem das Lehn unterworfen ist.

§ 39. Hat jemand eines andern Appellation adhaeriret, so kann er seine adhaesion auch alsdenn verfolgen, wenn der andre nachher der Appel­lation sich begeben oder selbige fallen lassen.

§ 40. Obgleich nach denen Kaiserlichen gemeinen Rechten der Ober-Richter, wenn schon der andre Theil wider ein ergangenes Erkenntniß nicht appelliret, von Amts wegen schuldig ist, bey Erwägung der Acten auch in Betracht zu ziehen, worin etwa der Gegentheil beschweret wor­den, so ist jedoch in Unsrer Ober-Appellations-Gericht-Ordnung nach der gemeinen Meinung der Rechts-Lehrer angenommen worden, daß es in ganz verschiedenen Punkten einer Adhäsion bedürfe. Wir lassen es nun zwar allerdings hiebey, finden jedoch dienlich, solches etwas näher zu bestimmen, und setzen demnach, daß nur dieses für einen ganz verschie­denen Punkt zu halten sey, wenn derselbe ganz und gar in Verbindung


Tit. 112                                                                                             263

mit der Appellations-Beschwerde stehe. Was hingegen mit dieser in ge­wisser Verbindung stehet oder auch dieselbe Sache, worüber appelliret worden, nur accessores betrifft, insonderheit wenn es zu Abschneidung mehrerer unnützer "Weitläufigkeiten gerichtet oder auch das gemeine Beste angehet, kann der Ober-Richter und muß, auch ohne Adhäsion, das vorige Erkenntniß nach Recht und Billigkeit abändern.

§ 41. Weil die eingewandte Appellation alles in dem Stande hält, wie es bey Abgebung des widrigen Erkenntnisses gewesen, so sehen Wir nicht, wie es bezweifelt werden möge, daß die etwa angeordneten Beweis-Ter­mine nicht eher als von der Zeit anfangen, da die Appellation entweder verworfen oder desert geworden.

§ 42. Da es auch zu großer Beförderung der Sachen gereichet, wenn nach eingelangten Acten der vorigen Instanz ohne einige weitere Handlung sofort über die Relevanz der Beschwerden endlich erkannt wird, so haben hinfort alle Unsre höhern Gerichte dieses zu beobachten, mithin, bey Annehmung der Appellation zugleich Citationem ad totam causam an den Appellaten ergehen zu lassen, und sollen die sämmtlichen Appel­lati ons-Processe binnen der bey einem jeden Gerichte gewöhnlichen Frist bey Strafe der Vernichtung reproduciret werden. Doch stehet einem jeden Theile frey, um Verschiebung der Acten zu bitten, wozu dem Appellaten eine Monats-Frist nach Verkündigung der Processe ver­stattet wird.

§ 43. Wenn ein Theil wider ein ergangenes Urthel von denen Unter-Ge­richten an die Justiz-Canzley, der andere aber zu gleicher Zeit an das Hof-Gericht appelliret, so kommt es, wenn in beiden Gerichten Processe erkannt oder die Acten zur Einsicht gefordert, darauf an, bey welchem Gerichte es zuerst geschehen, als an welches auch hier auf die andre Appellation zu verweisen ist. Nicht weniger muß dieses geschehen, wenn das eine Gericht der Beschwerde bereits durch ein Rescriptum ab­geholfen hätte. Es findet jedoch eine solche Verweisung nicht Statt, wenn an das eine Gericht etwa vorhin über andre Punkte appelliret und die Beschwerden daselbst bereits rechtskräftig abgeschlagen worden, es wäre denn, daß es auf Erklärung oder Befolgung desselben vorigen Erkennt­nisses ankäme.

§ 44. Wenn aber das eine Gericht die Appellation angenommen, das andre aber abgeschlagen hätte, und gegen diesen Abschlag suppliciret werden wollte, so ist zwar die Supplication an dasjenige Gericht, welches die Appellation angenommen, zu verweisen, auch sind zu solchem Ende die Acta der Appellations-Instanz dahin einzusenden. Wie es aber nicht wol thunlich ist, daß eines Unsrer hohem Gerichte die Erkenntnisse des


264                                                                                             Tit. 112

andern beurtheile und abändre, so muß alsdenn die ganze Sache zum Spruch Rechtens verschicket werden.

§ 45. Wenn ein Theil appelliret, der andre aber leuteriret oder suppli-ciret, so muß zwar letzterer, so lange der Ober-Richter nicht Processus erkannt hat, seine Rechtfertigung bey dem Judicio a quo gehörig ein­bringen. Diese ist aber, so lange die Appellations-Instanz noch nicht geendiget ist, ohne Erkenntniß vorerst bloß zu den Acten zu legen und der Ausgang jener Instanz abzuwarten, nach erkannten Appellations-Processen aber mit dem Ober-Richter einzusenden. Wären aber die Pro­cesse noch vor deren Einbringung erkannt, so hat das Gerichte den Sup-plicanten oder Leuteranten anzuweisen, solche bey dem Ober-Richter einzureichen.

§ 46. Wir vernehmen gleichwol hiebey, daß es noch ferner nicht außer Zweifel beruhe, ob und in wie weit die Appellation das Erkenntniß über die Leuterung und Supplication nach sich ziehe, wenn die vorige Urthel in Ansehung der Appellations-Beschwerden bestätiget wird oder beyder­ley Beschwerden keine Verbindung mit einander haben. Wie es zu großem Aufenthalt der Sache und Verzögerung der Gerechtigkeit ge­reichen würde, wenn nach Endigung der Appellations-Instanz, welche gar oft mehrere Jahre dauert, die Acten an den vorigen Richter zu Entschei­dung der Supplication oder Leuterung zurück gesandt würden, da noch überdem alsdenn bey einer Abänderung der Gegentheil vorher zu hören, und auch dieser demnächst annodi appelliren, suppliciren und leuteriren oder andre Rechts-Mittel verfolgen kann, die Erfahrung auch lehret, daß, wenn solches geschehen, die Sachen nach verschiedenen Instanzien und Ablauf nicht weniger Jahre gleichwol an Unser Ober-Appellations-Ge­richt gediehen und daselbst die endliche Entscheidung erlangen müssen, dabey es auch ein sonst durchgehends angenommener Rechts-Satz ist, daß die Appellation die ganze Sache nach sich ziehe, so wollen Wir gnädigst, daß der Appellations-Richter hinfüro allerdings auch über die Supplications- und Leuterungs-Beschwerden, und zwar Unser Ober-Appellations-Gericht, wie bey denen Appellations-Beschwerden ohne weitere Handlung zugleich erkennen solle.

§ 47. Wir vernehmen ferner, daß darüber unter den Rechts-Lehrern nicht einerley Meinung geheget wird, ob, wenn über ein Interlocut oder Nebensache an den Ober-Richter appelliret worden, dieser zugleich über die Hauptsache erkennen mögen. Wie Wir nun durchgehends die Be­förderung der heilsamen Justiz in denen von Gott Uns anvertrauten Län­dern vor Augen haben, also treten Wir derjenigen Meinung bey, welche ohnedem von den meisten Rechts-Lehrern dem Vernehmen nach gebilli-


Tit. 112                                                                                             265

get wird, daß nach einmal erkannten Processen der Ober-Richter, es mag das vorige Erkenntniß bestätiget oder abgeändert werden, in der Haupt-Sache fortfahren und nach Beschaffenheit auch darin sofort erkennen mögen.

§ 48. Sind auch einmal Appellations-Processe erkannt, und es fände sich bey der nachherigen Relation ein Mangel an der Summe, so soll alsdenn gleichwol in der Hauptsache erkannt, und nicht erst eine Supplication oder Leuterung dem Appellanten vorbehalten werden,

§ 49. Wenn bey Versagung der Appellations-Processe die Leuterung oder Supplication nebst dem beneficio transmissionis Actorum vorbe­halten worden, so ist es keineswegs anzusehen, daß die Acten nothwen­dig verschicket werden sollen, sondern es hänget von der Parthey ab, ob sie darum nachsuchen wolle.

§ 50. Was nun bey der Appellation Statt findet, tritt auch bey der Leute­rung und Supplication ein, außer was wegen der letztern in Unsrer Bremischen Hof-Gerichts-Ordnung anders bestimmet ist.

§ 51. Nachdem auch in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung klar versehen ist, daß, wer einmal der Leuterung oder Supplication sich be­dienet und ein beyfälliges abänderliches Urthel erhalten, nachhero, wenn dieses auf des Gegentheils Supplication oder Leuterung wieder abge­ändert ist, zur Appellation nicht schreiten möge, so wenig als derjenige, welcher querelam nullitatis oder das beneficium restitutionis in integrum zur Hand genommen, und denn dieses auch dahin zu verstehen ist, daß ein solcher auch nicht nochmals suppliciren und leuteriren könne, so finden Wir gut, diese Erleuterung abzugeben. Und ob schon ferner die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung dabey zugleich vorschreibet, daß solches denen Partheyen eröffnet, und selbige auf die Appellation ge­richtlich zu Protocoll Verzicht thun sollen, so können Wir jedoch nicht mißbilligen, daß diese nicht weiter beobachtet wird, da die Ober-Appel-lations-Gerichts-Ordnung in aller Händen ist, und einen jeden dessen bereits belehret.

§ 52. Da auch die Acten-Verschickung bey Unsern Canzleyen und Hof-Gerichten einem jeglichen in solchen Instanzen in alle Wege frey bleibt, so muß zwar derjenige Theil, welcher das Remedium zur Hand nimmt, darum sofort bey dessen Rechtfertigung ansuchen. Als aber in dem Falle, da die vorige Urthel auswärts eingeholet worden, zu vermuthen ist, daß der Gegentheil wiederum die Verschickung erlangen werde, so können Unsre Canzleyen und Hof-Gerichte alsdann nicht sofort zu einer Abänderung schreiten, sondern sie haben, wenn sie die Beschwerden er-


266                                                                                                                             Tit. 112

heblich finden, den Libell Statt Schlusses anzunehmen und dem andern Theil zum Gegenschluß mitzutheilen.

§ 53. Bey denen wider Unsers Ober-Appellations-Gerichts Erkenntnisse verstatteten Remediis Restitutionis in integrum und Querela nullitatis ist zwar verordnet, daß der suchende Theil sich zugleich zu dem Eide für Bosheit erbieten müsse, und hat es auch dabey sein völliges Verbleiben. Wie aber dem Vernehmen nach noch auf dessen würkliche Ableistung bishero eben nicht gedrungen worden, so wird solches auch künftig dem Gutfinden des Gerichts schlechterdings überlassen.

§ 54. Wenn jemand wider ein bey Unsern Canzleyen und Hof-Gerichten ergangenes Erkenntniß sich des Remedii restitutionis in integrum bedie­nen will, soll ihm keineswegs frey stehen, solches unmittelbar bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte auszuführen, sondern er muß solches bey dem Gerichte thun, wo in der Sache bisher erkannt worden.

§ 55. Wenn nun auch darüber sehr gezweifelt wird, ob bey denen Canz­leyen und Hof-Gerichten der Gebrauch des Remedii Restitutionis in inte­grum eine nachherige Nichtigkeits-Klage ausschließe, und dann der­jenige, welcher des ersten Rechts-Mittels sich bedienet, das vorige Er­kenntniß selbst an und für sich für Rechts beständig gelten läßet, und nur wegen neu aufgefundener Urkunden oder Beweis-Mittel dagegen wieder in vorigen Stand gesetzet zu werden verlanget, Wir auch dieses dem Sinne Unsrer Gerichts-Ordnung und der Gerechtigkeits-Pflege ge­mäß halten, also soll hinfüro derjenige, welcher das Remedium Restituti­onis in integrum zur Hand genommen, zu einer Nichtigkeits-Klage keineswegs zugelassen werden. Dagegen weil das erste Rechts-Mittel nur alsdann Statt hat, wenn vorhin nicht bekannt gewesene Nova in Er­fahrung gebracht sind, selbige durch die Nichtigkeits-Klage nicht ausge­schlossen wird.

§ 56. Wir haben weiter vernommen, daß in Ansehung der Nichtigkeits-Klage die Calenbergische Hof-Gerichts-Ordnung Tit. 68 nicht immer gleich erkläret worden. Nun ergiebet der Eingang dieses Tituls klar, daß bey denen nicht rechtmäßiger Weise abgesprochenen Urtheilen es aller­dings bey der allgemeinen Rechts-Verordnung bleiben solle, daß diese keine Kraft Rechtens erreichen, dahero auch in solchen Fällen keine be­sondere fernere Verordnung nöthig erachtet worden, und daß hingegen in andern Fällen den gemeinen Rechten nach, ob schon nicht legitime procediret noch geurtheilet, die ergangenen Urtheile, wenn davon nicht appelliret, nichts destoweniger Kraft Rechtens erlangen.

Wenn demnach weiter daselbst verordnet worden,  daß  außer der ersten Art Fälle, worin es bey den gemeinen Rechten bleiben soll, son-


Tit. 112                                                                                             267

sten nun hinfüro der Weg, super nullitate principaliter zu klagen, gänz­lich abgeschaffet, und die Partheyen ihre verhoffte Gravamina tarn nulli-tatis quam iniquitatis per modum appellationis vel supplicationis, et sie nullitatem ineidentur allein zu deduciren, und auszuführen, angewiesen und gehalten seyn sollen, so kann dieses keineswegs anders verstanden werden, als daß bey solchen Klagen nur der Mißbrauch abgestellet, nicht aber auch alsdenn, wenn das Erkenntniß überall zu Recht nicht bestehen kann, principaliter über dessen Nichtigkeit zu klagen verwehret seyn solle.

§ 57. Da auch in Unsrer Calenbergischen Hof-Gerichts-Ordnung weder das Remedium restitutionis in integrum noch die Querela nullitatis in einen gewissen Zeitraum eingeschränket worden, so wollen Wir hiedurch bestimmen, daß, wie nach der Calenbergischen Canzley-Ordnung solche binnen 6 Wochen ausgeführet werden müssen, also bey dem Hofgerichte die Rechtfertigung in der nächsten Diät, wenn ein anders bis dahin vier volle Wochen übrig, einzubringen sey, wie denn auch in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung auf ähnliche Weise versehen ist.

§ 58. Das denen Nichtigkeits-Klagen vorgeschriebene begränzte Fatale leidet jedoch alsdenn eine Abfall, wenn die Ursache, woraus eine Nich­tigkeit herzuleiten, als erst nach dessen Ablauf in Erfahrung gebracht worden, als welchen Falls das Fatale erst von Zeit solcher erhaltenen Wissenschaft an läuft.

§ 59. Da bey denen Nichtigkeiten die Gesetze einen Unterschied machen, ob gegen die Rechte selbst, oder nur gegen das Recht der Parthey er­kannt worden, und nur im erstem, nicht aber im letztern Fall eine Nich­tigkeit annehmen, hiebey aber die Frage entstehet, ob dazu erforderlich, daß in der Urthel selbst ein offenbar falscher Rechts-Satz namentlich aus­gedrucket sey, oder ob es genug sey, wenn nur sonst aus der Urthel offenbar erscheine, daß ein falscher, wider klare Rechte laufender Satz angenommen worden, so erklären Wir Uns dahin, daß auch letzteres für hinreichend zu halten sey.

§ 60. Wenn hingegen nicht gegen klare und gar nicht zu bezweifelnde Rechte erkannt wird, mithin das Erkenntniß auf eine ob schon von an­dern irrig gehaltene Auslegung und Anwendung sich gründet, so ist solches für kein Erkenntniß wider die Rechte anzusehen, mithin für nichtig nicht zu halten.

§ 61. Als auch ferner der in Streit befangene Gegenstand zu des Rechtes Entscheidung stehet, so bleibt es allerdings eine Nichtigkeit, wenn der Richter über die eigentliche und wahre Absicht der Parthey hinaus gehen und entweder den Gegenstand des Streits verändert oder dem Kläger


268                                                                                                     Tit. 112, 113 und 114

mehr, als er selbst verlanget und ihm nach Billigkeit werden kann, zuer­kennet, weniger nicht den Beklagten von demjenigen entbindet, was er selbst dem Kläger eingeräumet und ausdrücklich zugestanden hat. Wenn aber sonst der Richter der Partheyen Absicht und der Billigkeit gemäß erkennet, ist es für eine Nichtigkeit nicht zu achten.

§ 62. Wenn nicht bloß über den Vorgang einer oder andrer Gläubiger, sondern zugleich gegen den Pfleger der Güter appeliret wird, oder doch diesen die Sache mit angehet, so muß es zu Verhütung der vielen Weit­läufigkeiten und Kosten genug seyn, wenn die erkannte Ladung bloß dem Pfleger insinuiret wird, dieser aber ist schuldig, und es ist ihm zu­gleich in der Ladung bey namhafter Strafe aufzugeben, daß er selbige denen mitappellatischen Gläubigern bekannt mache. Wohin denn auch die nadihero erfolgende Urthel abzufassen, und der Pfleger bey nam­hafter Strafe anzuweisen ist, auch deren Inhalte denen Mitappellanten kund zu machen. Jedoch verstehet es sich, daß die von dem Pfleger zu verwendende Kosten diesen Gläubigern allein und nicht der Concurs-Masse zur Last fallen.

Titul CXIII.   Von Mäkler Lohn.

§ 1. Wenn etwas gewisses zum Mäkler-Lohn versprochen worden, so hat es keinen Zweifel, daß solches mit Recht gefordert werde.

§ 2. Wenn hingegen nichts ausdrücklich oder nichts gewisses versprochen ist, so können die Rechte keine andre Auslegung leiden, als daß nur der­jenige Mäkler Geld fordern könne, welcher seiner Profession nach ein Mäkler ist und die ihm aufgetragene Unterhandlung für Geld auszurich­ten gewohnt ist. Da denn in solchem Fall dasselbe nach der Gewohnheit des Orts zu bestimmen ist.

Titul CXrV.   Von Gelübden und Antragungen.

§ 1. Was die Gelübde gegen Gott betrifft, so überlassen Wir deren Be­trachtung eines jeden eigenem Gewissen.

§ 2. Wie aber denen Kaiserlichen Rechten auch eine Pollicitation oder An­bietung, wenn sie dem gemeinen Wesen oder einer Stadt geschah, eine Verbindlichkeit nach sich zog, so finden Wir solches auch gegen Kirchen und fromme Stiftungen gerecht und billig.

§ 3. Es ist aber einer solchen Pollicitation ein bloßes Vorhaben nicht hin­länglich, sondern es muß zugleich ein würklicher Antrag geschehen seyn, wenn darab eine Verbindlichkeit entspringen soll.


Tit. 115                                                                                                                           269

Titul CXV.   Vom Diebstahl.

§ 1. Es ist zwar in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Kaiser Carl des Fünften wegen der Diebstähle, zumal in Betracht damaliger Zeiten, sehr heilsame Verordnung verfüget, welche auch in Unsern Deutschen Landen, wie es bisher geschehen, so weit Wir nicht ein anderes genauer bestim­men oder mildern werden, zum Grunde ferner zu legen ist, Wir finden jedoch überall gnädigst gut, Uns darüber näher zu erklären.

§ 2. Was die ersten Diebstähle unter fünf Gulden oder Ungarische Duca-ten anlanget, welche Wir jedoch nach jetzigen Zeiten auf zehen Ducaten setzen wollen, wobey zugleich der Dieb nicht betreten worden, noch selbiger dazu eingestiegen ist oder gebrochen hat, so muß es hierunter, da Wir eine Schärfung der Gesetze hiebei nicht nöthig finden, bey dem Buchstaben der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung bleiben, daß, wenn es anders der Dieb vermag, dem Beschädigten eine zwiefache Vergeltung oder Geld-Buße zukomme. Wobey sich jedoch von selbst verstehet, daß dem Eigenthümer auch die daneben in denen gemeinen Rechten überher vergönnte Erstattung des Werthes bevor bleibe. Kann aber der Dieb nicht bezahlen, so soll derselbe, so viel thunlich, von den Obrigkeiten, welche die bürgerlichen Gerichte haben, als wohin der Fall allemal ge­höret, angehalten werden, zum Besten des Beschädigten durch Arbeit so viel abzuverdienen. Gestalten auch dem Beschädigten selbst, wenn er es verlanget, freystehet, den Dieb als einen Knecht an sich zu nehmen und aus dessen Arbeit seine Entschädigung zu suchen. Stehet gleichwol dieser hauptsächlichste Endzweck, Entschädigung ganz und gar zu erreichen, so muß zwar die Kerker-Strafe eintreten und der Dieb dasjenige, was er nicht bezahlen kann, absitzen, es wäre denn, daß der Beschädigte in die­sem Fall ihm solches erlassen wollte. Wobey jedoch der Obrigkeit die Strafe immer bevor bleibet.

§ 3. In Ansehung der ersten öffentlichen Diebstähle unter fünf Gulden, oder nach Unsrer Bestimmung zehen Ducaten, wenn nämlich der Dieb damit, ehe und bevor er an seine Gewahrsam kommt, betreten wird, oder es ein Geschrey oder Nachtheil machte, ohne jedoch, daß er zum Dieb­stahl gebrochen oder gestiegen wäre, ist zwar in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung versehen, daß ein Dieb in den Pranger gestellet, mit Ruthen ausgehauen, und des Landes verboten werde, vor allen Dingen aber dem Beschädigten den Werth des Diebstahls erstatten solle. Wobey jedoch auch die in den Kaiserlichen Rechten vorgeschriebene vierfache Vergeltung nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Da Wir vernehmen, daß der Unterschied unter denen öffentlichen und heimlichen Diebstählen auch fast in allen alten Rechten gegründet sey, so mögen Wir denselben um


270                                                                                             Tit. 115

so weniger an die Seite setzen lassen, als der bey einem öffentlichen Diebstahl zugleich entstehende oder doch zu besorgende Auflauf noch überdem vieles dem gemeinen Wesen schädliches nach sich ziehen kann, und die That einen dreisten und ungescheuten Dieb anzeiget, über­dem auch nach denen ältesten Gesetzen der Völker ein auf der That be­griffener Dieb gepeitschet und dem Bestohlenen zum leibeigenen Knecht übergeben worden. Ob also schon von Unsern Gerichten solchem Unter­schiede bisher nicht nachgegangen seyn mag, so halten Wir es doch be­denklich diesem Reichs-Gesetze seine Würkung abzusprechen. Gleichwie indessen in Unsern Deutschen Landen der Staupenschlag am Pranger und die Landes-Verweisung von Unsres Herrn Elter-Vaters Maj. abgeschaffet, und an deren Statt die Vertheilung zur öffentlichen Arbeit, als Festungs-Bau oder Zuchthaus, gesetzet worden, so wollen Wir, daß auch bey einem solchen betretenen kleinen Diebstahl, wenn er schon der erste ist, der Dieb auf fünf Jahre zum Festungs-bau oder Zuchthaus vertheilet werde. Was gleichwol die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung hiebey von solchen ansehnlichen Personen redet, dabey Besserung zu verhoffen, daß nämlich dieselben bürgerlich und also bestrafet werden sollen, daß sie dem Beschädigten den Diebstahl vierfach bezahlen sollen, solches wollen Wir hiedurch nicht abändern, sondern lassen es bey demjenigen, was hierin die gemeinen Kaiserlichen Rechte bereits verordnen.

§ 4. Ist der erste Diebstahl groß, und fünf, oder vielmehr nach Unsrer Bestimmung zehen Ungarische Ducaten oder darüber werth, so setzet die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung eine höhere Strafe, und will sowol den Werth des Diebstahls, auch ob der Dieb darob berüchtiget oder betreten sey, als auch ferner den Stand und das Wesen der Person, so gestohlen hat, und wie schädlich dem Beschädigten der Diebstahl seyn möge, ange-sehn wissen, so daß darnach an Leib oder Leben zu urtheilen sey. Wie hierin mehrere Sätze begriffen sind, also finden Wir nöthig, Uns hier­unter bestimmter zu erklären

§ 5. Wir wollen zuförderst nicht, daß bloß um eines großen Diebstahls wegen, wenn auch die Summe noch so hoch sich erstreckte, eine Todes­strafe Statt finde.

§ 6. Es soll auch die Todes-Strafe nicht eintreten, wenn gleich der Dieb bey einem großen Diebstahl darob berüchtiget oder betreten wäre.

§ 7. Da Wir gleichwol in einem geringen Diebstahl unter zehen Ducaten, wenn der Dieb darauf betreten worden, eine Verdammung zu öffent­lichen Werken auf fünf Jahre verordnet haben, so halten Wir es gerecht und billig, solche bey diesem größern Diebstahl, wenn der Dieb dabey


Tit. 115                                                                                                                             271

betreten worden, auf zehen Jahre zu erhöhen. Ist es aber ein heimlicher Diebstahl, so ist auf fünf Jahre zu öffentlicher Arbeit zu erkennen.

§ 8. Es soll auch hiebey der Stand und das Wesen der Person, so ge­stohlen hat, weiter nicht in Betracht gezogen werden, als wenn sie das Gestohlene aus eignen Mitteln bey einem heimlichen Diebstahl doppelt, sonst aber vierfach ersetzen könnte und wollte. Und gleichwol soll als-denn eine willkürliche Geld-Strafe Statt finden.

§ 9. Da es auch unter denen Rechts-Lehrern sehr bestritten wird, wie die Worte „wie schädlich dem Beschädigten der Diebstahl seyn mag", zu verstehen seyn, so wollen Wir auch hier zuförderst alle Erlassungen von dem Beschädigten ausschließen. Es soll auch in keinen Betracht gezogen werden, ob der Beschädigte ganz oder zum Theil zu dem entwandten oder dessen Werth auf ein oder andre Weise wieder gekommen sey oder nicht. Diesemnächst aber ist schlechterdings auf den dem Beschädig­ten entstandenen Nachtheil zu sehen, und wie solcher zu schätzen sey, keinesweges aber, was für Vortheil der Dieb selbst von der entwandten Sache gehabt.

§ 10. In Ansehung des zweyten, außerhalb Einsteigens oder Einbrechens begangenen Diebstahls ist in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung ver­sehen, daß ein Diebstahl den andern beschwere, wenn schon beide Dieb­stähle nicht fünf Gulden oder darüber werth seyn. Es möge dahero der-selbige Dieb in den Pranger gestellet und ihm das Land verboten werden. Da aber die Pranger-Strafe in Unsern Landen abgeschaffet ist, so wollen Wir dafür eine fünfjährige öffentliche Arbeit setzen, und soll hiebey nach Inhalt der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung darauf, ob der Dieb darob betreten sey, nicht gesehen, vielweniger einige Erstattung oder Erlassung in Betracht gezogen werden. Gestalten es denn auch gar nicht darauf ankommen soll, ob der Dieb desfalls das erste mal bestrafet wor­den sey oder nicht.

§ 11. Wenn aber gleichwol beide Diebstähle zehen Ducaten oder darüber betragen, so tritt gleiche Strafe auf zehenjährige öffentliche Arbeit ein, wie vorhin bey einem großen Diebstahl verordnet worden, es mag der Dieb dabey betreten seyn oder nicht, es mag auch eine Genugthuung oder deren Erlassung geschehen oder nicht geschehen seyn. Und es kann auch hier auf eine vorher geschehene oder nicht geschehene Bestrafung nicht gesehen werden.

§ 12. Was aber hierauf einen zum dritten Mal ausgeübten Diebstahl an­langet, welchen Dieb, wenn er dabey betreten worden, die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung für einen verleumdeten Dieb ansiehet und einem


272                                                                                                                            Tit. 115

Vergewaltiger gleichgeachtet wissen und durchaus am Leben bestrafet haben will, so nehmen Wir zuförderst selbst aus den Worten der Pein­lichen Hals-Gerichts-Ordnung die Mäßigung an, daß derjenige, welcher für einen verleumdeten Dieb und für einen Vergewaltiger zu achten, bey dem dritten Diebstahl auf der That müsse betreten worden seyn.

§ 13. Ob nun aber wol ein solcher betretener Dieb, wenn er dreyer Dieb­stähle schuldig befunden wird, nach der Peinlichen Hals-Gerichts-Ord­nung mit dem Strange oder sonst vom Leben zum Tode gebracht werden soll, so haben Wir jedoch gnädigst erwogen, daß die Absicht des Geset­zes nur diese ist, das gemeine Wesen gegen einen solchen in der Bosheit bereits verhärteten in Sicherheit zu setzen, und selbige schon dadurch erreichet werde, wenn ein solcher Bösewicht in sichrer Verwahrung auf­behalten wird, wozu es ehemals an hinlänglichen Orten fast ermangelt hat. Wir verordnen demnach, daß hinfüro ein solcher Dieb Statt der Lebens-Strafe zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus verurtheilt wer­den soll.

§ 14. Ist aber der Dieb bey dem dritten Diebstahl schon nicht würklich betreten, so soll er gleichwol mit Festungs-Bau oder Zuchthaus-Strafe auf zehen Jahre beleget werden.

§ 15. Es ist hiebey vordem der Zweifel vorgefallen, ob auch eine vorher­gehende Bestrafung bey der in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung gesetzten Todes-Strafe erfordert werde. Welche Meinung auch von Uns­res Herrn Elter Vaters Maj. bejahend gebilliget ist. Da Wir aber die Todes-Strafe in eine Leibes-Strafe verwandeln, so kann es auf diese Be­trachtung, wovon ohnedem in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung selbst nichts enthalten ist, weiter nicht ankommen.

§ 16. Derjenige Zweifel, welchen einige Rechts-Gelehrten erreget haben, ob die Strafe der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung auch eintrete, wenn die begangenen drey Diebstähle nicht die Summe von einem großen Diebstahl ausmachen, und welchen zwar Unseres Herrn Groß-Vaters Maj. mittelst Rescripti vom lten November 1743 bejahend entschieden haben, muß nunmehr, da Wir bey solchem Diebstahl überall keine Todes-Strafe weiter eintreten lassen, um so mehr gänzlich hinweg fallen. Am wenig­sten kann aber auf eine Wiedererstattung oder gar Erlassung des Ge­stohlenen gesehen werden.

§ 17. So viel nun hierauf diejenigen Diebstähle anlanget, welche die Pein­liche Hals-Gerichts-Ordnung Art. 159 geflissene und gefährliche nennet, und welche darin bestehen, daß ein Dieb jemanden bey Tage oder Nacht in seine Behausung oder Behaltung bricht oder steiget, oder mit Waffen, damit er jemand, der ihm Widerstand thun wollte, verletzen mögte, zum


Tit. 115                                                                                             273

Stehlen eingehet, so ist darauf in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung zwar die Lebens-Strafe, jedoch zugleich, nach Gelegenheit der That und Ermessung des Richters, eine schwere Leibes-Strafe vorgeschrieben. Wir erkennen es sehr wol, wie viel dem gemeinen Besten daran gelegen sey, einem jeden in seinem Hause gegen alle Gewalt Sicherheit zu verschaf­fen. Da jedoch schon die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung zugleich wegen einer Leibes-Strafe das Ermessen des Richters eintreten lasset, so können Wir hinfüro in diesen Fällen nicht so schlechterdings die Todes-Strafe an­nehmen, sondern finden Uns genöthiget, Uns demnächst in dem Folgen­den näher darüber zu erklären.

§ 18. Wir setzen demnach, daß, wenn das Einbrechen oder Einsteigen in ein würklich von Menschen bewohnetes Gebäude geschiehet, und ent­weder ihrer mehrere, welche sich zu dem Ende verbunden, solches zu verrichten, oder auch der Dieb Waffen führet, womit er jemanden zu verletzen im Stande ist, die Strafe des Stranges schlechterdings eintrete.

§ 19. Es soll auch in solchen Fällen kein Unterschied gemachet werden, ob der Einbruch durch eine Mauer, oder etwa durch ein leimerne Wand geschehen, ob das Einsteigen in das obere oder untere Stockwerk ver­richtet worden sey.

§ 20. Wenn aber bey dem Einbrechen oder Einsteigen solche gefährliche Umstände nicht vorhanden sind, oder auch Einbrechen oder Einsteigen in ein unbewohntes Gebäude geschiehet, so soll der Dieb mit ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus bestrafet werden.

§ 21. Wäre jedoch der Dieb ohne Gewalt in das Haus oder Gebäude ge­kommen, so ist letztere Strafe auf zehen Jahre zu vermindern.

§ 22. Dagegen können Wir nicht billigen, wenn einige Rechts-Lehrer die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung auch auf Erbrechung andrer Behältnisse, als Gebäude sind, deuten wollen.

§ 23. In Ansehung des Haus-Diebstahls ist von weiland Unsres Herren Elter-Vaters Maj. verordnet, daß, wenn solcher fünf Species-Thaler be­treffe, der Thäter mit dem Strange bestrafet werden solle. Da aber die Erfahrung bisher gelehret hat, wie diese Strenge nur dazu gedienet, daß die Herrschaften von Anmeldung solcher Diebstähle abgehalten worden, mithin die Diebstähle ganz unbestrafet geblieben, also finden Wir Uns gemüßiget, auch hier eine Milderung eintreten zu lassen. Wir wollen demnach, daß hinkünftig der Haus-Diebstahl, wenn er fünf Species-Thaler betrifft, nicht mit dem Leben, sondern mit ewigem Karrenschieben oder Zucht- und Werkhaus bestrafet werde. Wovon jedoch das bloße Alter unter achtzehn Jahren nicht befreyen kann.

18   Ebel


274                                                                                             Tit. 115

§ 24. Es soll auch darunter, wie die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung bey einem großen Diebstahl erfordert, nicht darauf, was der Dieb für Vortheil davon gehabt, sondern darauf gesehen werden, wie schädlich den Be­schädigten der Diebstahl sey. Wobey es denn auch in allen Stücken bey der desfalls vorhin gegebenen Erklärung bleibet, daß auf eine Erstattung oder Erlassung gar nicht zu sehen ist.

§ 25. Wäre aber der Haus-Diebstahl unter dem Werth von fünf Species-Thalern, so soll eine öffentliche Arbeit und Festungs-Bau oder Zuchthaus auf zehen Jahre eintreten.

§ 26. Alles dieses findet auch bey Eß-Waaren Statt, wenn solche schnöden Gewinstes halber verkaufet worden. Sonst aber, wenn sie um Leckerey willen entwandt worden, halten Wir es genug und der Sache gemäß, daß der Dienstbote, wenn die Herrschaft es verlanget, auf einige Wochen mit Gefängniß, und zwar halb bey Wasser und Brod, beleget werde.

§ 27. Wie auch bereits weiland Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. die Hand­werks-Gesellen, wenn selbige sich dergleichen zu Schulden kommen lassen, unter denen Hausdieben mit begriffen haben, also hat es dabey allerdings sein Verbleiben.

§ 28. Es ist auch, wie gleichfalls Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. bereits die Erklärung dahin abgegeben haben, für einen Hausdiebstahl zu halten, wenn der in Lohn und Kost stehende Bediente andern, auch Frem­den, mit Rath und That an die Hand gehet, mithin zu Bestehlung der Herrschaft behülflich ist, oder auch, was er vor oder nachher desfalls erfahren, verhehlet, und der Herrschaft nicht hinterbringet.

§ 29. Von jungen Dieben unter vierzehen Jahren hat die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung Art. 164 versehen, daß sie nicht leicht am Leben, jedoch mit Leibes-Strafe beleget werden sollen. Ob nun wol die Rechts-Lehrer dieses, wie Wir vernehmen, dahin mildern wollen, daß, wofern nicht andre beschwerliche Umstände hinzutreten, solche junge Diebe nur mit Peitschen von dem Gerichts-Diener gezüchtiget werden sollen, so mögen Wir jedoch in Ansehung der Leibes-Strafen von dem Inhalt der Peinlichen Ordnung so schlechterdings nicht abgehen. Wir wollen dem­nach, daß ein Unterschied gemacht werde, ob der Thäter bereits eilfte-halb Jahr überschritten habe, oder nicht. Letzteren Falls ist es genug, daß er gepeitschet wird. Wenn aber der Thäter oder die Thäterin bereits eilftehalb Jahre würklich zurückgeleget, sollen sie allerdings am Leibe gestrafet und zum Zuchthaus vertheilet werden. Doch ist eine sonst ver­ordnete ewige Werkhaus-Strafe auf zehen Jahre, die zehenjährige auf fünf Jahre, und die fünfjährige auf drey Jahre zu setzen.


Tit. 115                                                                                             275

§ 30. Ob gleich einige Rechts-Lehrer dasjenige, was in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Art. 166 von einer aus rechter Hungers-Noth her­rührender Entwendung von essenden Dingen enthalten ist, auch auf andre Dinge erweitern wollen, wofür Essel-Waaren angeschaffet werden können, so wollen Wir jedoch es bey den Worten der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung schlechterdings bewenden lassen, da die Sache selbst den darunter obwaltenden großen Unterschied lehret.

§ 31. Es soll jedoch auch in wahrer Hungers-Noth an denen Orten, wo Armen-Cassen und andre zu Unterhaltung der Armen gereichende Mittel vothanden sind, und wenn nicht ohne Schuld des Thäters der äußerste Noth-Fall eintritt, die Entwendung von bloßen Essel-Waaren nicht von aller Strafe befreyen, sondern auch hier zu einer Bestrafung mit Gefäng­niß geschritten werden.

§ 32. Wegen Bestrafung der Feld- und Garten-Diebereyen sind bereits von Unsers in Gott ruhenden Herrn Groß- und Elter-Vaters Majestät heilsame Verordnungen ergangen, welche Wir auch durchaus bestätigen. Nach der Absicht dieser Verordnungen kann es nicht darauf ankommen, ob der Dieb dabey betreten worden oder nicht, indem darunter die öffent­liche Sicherheit obwaltet, ohnehin auch dergleichen gemeiniglich nur des Nachts geschiehet, und dahero auch schon die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung solche nächtliche Diebstähle unter die gefährlichen gerechnet hat. Da aber die darüber erlassene Verordnung nicht bestimmet, auf wie­viele Jahre die Vertheilung zu öffentlicher Arbeit geschehen solle, so wollen Wir selbige hiemit, wenn der Diebstahl bey Nachtschlafender Zeit geschehen, welches jedoch immer vermuthet werden muß, ohne Ab­sicht auf den Werth des gestohlenen auf fünf Jahre setzen. Was aber würklich bey Tage geschehen, soll mit Gefängniß bestrafet werden. Wenn gleichwol der Diebstahl über den Werth von zehen Ungarischen Ducaten sich erstrecket, soll die Strafe bey den nächtlichen auf zehen Jahre und bey denen bey Tage vorgefallenen auf fünf Jahre öffentlicher Arbeit gesetzet werden.

§ 33. Gleichwie nun auch bereits die Verordnung vom 17ten April 1736 den Sinn der zuerst am 27. Juli 1715 ergangenen deutlich dahin erkläret hat, daß unter Feld- und Gärten-Diebstählen alles, was auf freyem Felde oder in Gärten gestohlen wird, mit hin auch, wenn Hecken und Zäune davon entwandt sind, begriffen sey, dieses auch ferner durch ein von Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. an Unsre Calenbergische Justiz-Canzley am 23ten Aug. 1740 erlassenes Rescriptum dahin erläutert worden, daß alles dasjenige, was öffentlich in Feldern und Gärten hingestellet und hingeleget sey, darunter zu verstehen sey, so lassen Wir es auch hiebey

18·


276                                                                                             Tit. 115

schlechterdings bewenden, und folget hierab von selbst, daß auch das von denen Bleichen gestohlene darnach zu beurtheilen sey.

§ 34. Wir haben Uns ferner vortragen lassen, was in Unsern Landes-Ge-setzen wegen der Wild-Diebereyen bisher verordnet worden ist. Eines Theils haben Wir die daraus entstandene und ferner zu besorgende Fol­gen, andern Theils auch dieses erwogen, daß die gemeinen Rechte, weil die wilden Thiere, so lange sie nicht gefangen sind, noch niemanden eigentlich gehören, es für keinen Diebstahl halten, und selbst die Pein­liche Hals-Gerichts-Ordnung dieses unter denen Diebstählen nicht er­wähne, mithin das Strafbare bloß darin beruhe, daß jemand sich unter­stehe, zu solchem Ende in Unsre Königliche Bann-Forste einzutreten. Wir lassen Uns demnach gnädigst gefallen, daß die vorhin gesetzte Leibes-Strafe gänzlich aufgehoben werde. Um gleichwol auch dem Frevel vorzu­beugen, so soll ein solcher, welcher in Unsern Forsten Wild geschossen oder auch nur in solcher Absicht hineinzugehen sich unterstanden hat, mit Geld-Strafe, und zwar jedesmal mit acht Reichsthalern oder einer darnach eingerichteten Gefängnis-Strafe beleget werden.

§ 35. Holz-Diebstähle sind Inhalts Peinlicher Hals-Gerichts-Ordnung nach Gewohnheit jeden Landes oder Ortes zu bestrafen. Wobey Wir es denn auch in Unsern Deutschen Landen bewenden lassen. Sind jedoch dabey beschwerliche Umstände vorhanden, so mag die Strafe wol erhöhet wer­den. Wer aber einem andern dessen bereits gehauenes Holz hinweg fähret, ist gleich andern Dieben zu bestrafen. Wenn auch jemand, der in einem Holze gar nicht interessiret ist, sich deswegen zu Schulden kom­men ließe, so ist er nicht weniger als ein andrer Dieb zu bestrafen.

§ 36. Wenn jemand aus eines andern Weihern oder Teichen Fische ent­wendet, so ist derselbe solcher gestalt anzusehen, wie vorhin von denen Feld- und Garten-Diebstählen verordnet worden. Wer aber aus einem fließenden unbefangenen Wasser, das einem andern zugehöret, mit Nut­zen oder nächtlicher Weile Fische sänget, ist mit Erstattung des doppel­ten Werthes oder Gefängniß zu bestrafen.

§ 37. Was den Pferde-Diebstahl betrifft, so ist darauf in den bisherigen Landes-Verordnungen die Strafe des Stranges gesetzt. Wie Wir aber, so viel Wir es nur vor dem Allerhöchsten verantworten zu können, glauben, die Lebens-Strafen abzuschaffen, gnädigst gemeinet sind, so wollen Wir auch an deren Statt eine Vertheilung zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus eintreten lassen.

§ 38. Wir schränken gleichwol die Verordnungen auch dahin ein, wenn Pferde bey Nachtzeit, da sie Hirtenlos gehen, von der gemeinen Weide


Tit. 115 und 116                                                                                  277

gestohlen worden. Ist es bey Tage geschehen, so ist die Strafe auf zehen­jährige öffentliche Arbeit zu mildern.

§ 39. Sind aber die Pferde aus Ställen, und nicht von gemeiner Weide, entwandt, so ist es wie andre Diebstähle zu bestrafen.

§ 40. Ungeachtet Wir auch äußerst verabscheuen, wenn jemand in Feuers-Gefahr etwas entwendet, oder das bey ihm niedergelegte verleugnet, so wollen Wir jedoch auch hier die durch Unsre bisherigen Landes-Gesetze verordnete Todes-Strafe in eine Vertheilung zu ewiger öffentlicher Arbeit verwandeln. Sonst aber ist derjenige, welcher bey ihm niederge­legtes Gut veruntreuet, wie ein andrer Dieb zu bestrafen.

§ 41. Wenn jemand Sachen stielet, die zum Gottesdienstlichen Gebrauch gewidmet sind, so ist er, wenn die Entwendung aus der Kirche oder Sakristey geschehen, mit ewiger öffentlicher Arbeit, wenn es aber von andern Orten entwandt worden, ohne alle Milderung, nachdem der Werth des gestohlnën entweder unter zehen Ducaten beträgt, auf fünf Jahre, bey einem höhern Werth aber auf zehen Jahre zu belegen. Wäre aber ein solcher Diebstahl zum zweyten mal geschehen, so ist die Ver-urtheilung auf zehen Jahre, bey gebrauchter Gewalt aber zum dritten mal auf Zeitlebens zu fassen.

§ 42. Da inmittelst die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung, wenn solcher Diebstahl an geringen Dingen und bey Tage geschehen, auch mit keiner Gewalt begleitet gewesen, wie auch geflüchtete Güter aus einer Kirche gestohlen wären, dieselbige Strafe wie bey einem weltlichen Diebstahl verordnet, so hat es dabey sein Verbleiben.

§ 43. Diejenigen, welche wissentlich Diebe aufnehmen und beherbergen, sind, wenn sie einen Theil des entwandten bekommen, dem Diebe gleich, sonst aber gleichwol mit halb so großer Strafe wie der Dieb zu belegen.

§ 44. Da Wir nun bey allem und jedem Diebstahl die Todes-Strafe auf­gehoben haben, so verstehet sich auch nach Unsrer Criminal-Instruction von selbst, daß, wenn der Inquisit es auf Befragen ausdrücklich nicht ver­langet, ihm von Amts wegen kein Defensor zuzuordnen sey.

Titul CXVI.   Vom Raub.

§ 1. Raub nennen Wir eine solche Entwendung, welche der Beraubte an­gesehen, aber wegen eines von ihm zu befürchtenden großen Übels nicht hat abwehren mögen.

§ 2. Da die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung Art. 126 einen jedweden boshaften Räuber mit der Todes-Strafe beleget wissen will, so wollen Wir solches, wenn Mord oder Verwundung auch nur zu befürchten


278                                                                                 Tit. 116 und 117

gewesen, als wenn der Räuber Waffen bey sich gehabt, durchaus be­stätigen.

§ 3. Straßen-Raub soll jedoch mit dem Rade alsdenn, wenn dabey zu­gleich ein Mord oder Verwundung geschehen, bestrafet werden.

§ 4. Diejenigen, welche bey Ausübung des Raubs hüls liehe Hand ge­leistet, sollen gleiche Strafe empfangen.

Titul CXVII.   Vom Brand.

§ 1. Wer Feuer, es sey in Städten, Flecken oder Dörfern, böslicher Weise anleget, soll, wenn ein Mensch dabey ums Leben gekommen oder schwerlich beschädiget worden, als ein Mörder mit dem Rade hingerichtet werden.

§ 2. Ist aber auch niemand dabey ums Leben gekommen noch schwerlich beschädiget worden, so soll dennoch ein solcher Bösewicht, es mag viel oder wenig Schade daraus entstanden seyn, der Schade werde ersetzet oder nicht, es mag auch die Flamme würklich ausgebrochen oder das Feuer vor dem Ausbruch durch andre ersticket seyn, mit dem Strange oder mit dem Schwert hingerichtet werden.

§ 3. Wenn es aber etwa bey bloßen Bedrohungen geblieben, wovon nichts ins Werk gerichtet worden, so ist eine Vertheilung auf fünf Jahre öffentliche Arbeit anzunehmen.

§ 4. Wenn eine Feuersbrunst aus Unvorsichtigkeit entstanden, ist unter der Herrschaft und dem Gesinde ein Unterschied zu machen, und letz­teres, weil selbiges nichts oder wenig dabey zu verlieren pflegt, ungleich schärfer zu bestrafen.

§ 5. Bey der Herrschaft ist darauf zu sehen, ob sie z. E. mit Toback­rauchen oder Flachstrocknen und dergleichen gegen Unsre Landes-Fürst-liche Verordnung gehandelt, oder auch einer groben Fahrlässigkeit sich theilhaft gemacht, und zugleich dem Nachbarn oder auch andern mit im Hause wohnenden ein Schade zugefüget werde. Solchenfalls ist, der Schade mag geringe oder groß seyn, auf fünfjährigen Festungs-Bau oder Zuchthaus oder auch auf den Verlust des achten Theils des Vermögens zu erkennen.

§ 6. Ist aber das Gesinde in einem solchen Fall begriffen, und der Herr­schaft oder sonst Schade daraus entstanden, soll der Schuldige zu zehen­jährigem Festungs-Bau oder Zuchthaus vertheilet werden.

§ 7. Geringe Versehen wollen Wir bey der Herrschaft lieber ungestrafet lassen, zumal dieselbe durch die Einäscherung des Ihrigen sich selbst


Tit. 117 und 118                                                                                  279

schon gnugsam strafet. Das Gesinde ist alsdenn mit Gefängniß zu be­strafen.

§ 8. Wer in Holzungen vorsätzlich Feuer anleget, ist mit ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus zu bestrafen, der Schade mag groß oder geringe seyn. Entstehet aber das Feuer aus grober Fahrlässigkeit, so ist auf die Größe des verursachten Schadens zu sehen, und wenn derselbe zehen Ducaten beträgt, die Strafe auf zweyjährigen Festungs-Bau oder Zuchthaus, sonst aber, wenn keine Ersetzung geschiehet, auf Gefängniß-Strafe zu bestimmen. Woneben es im übrigen bey denen schon vorhande­nen Landesherrlichen Verordnungen gelassen wird.

Titul CXVIII.   Von Fälschern.

§ 1. Wer falsche Siegel oder Urkunden machet, oder wahrhafte Urkunden böslicher Weise an die Seite bringet, ist, wenn schon daraus wegen früh­zeitig entdeckten Betrugs noch kein würklicher Schade erfolget noch die böse Absicht erreichet worden, dennoch mit dreyjähriger öffentlicher Arbeit oder mit dem Verlust des achten Theils seines Vermögens zu bestrafen.

§ 2. Hätte aber derselbe seine bösliche Absicht würklich erreichet und Schaden angestiftet, so soll er nicht allein, soviel thunlich, den Schaden ersetzen, sondern auch mit fünfjähriger öffentlicher Arbeit, oder dem Verlust des vierten Theils seines Vermögens angesehen werden, und er wird ohnehin Ehrlos. Beläuft sich auch der Schade auf zehen Ducaten, ist es einem großen Diebstahl gleich zu achten und tritt dasjenige ein, was Wir desfalls verordnet haben.

§ 3. Ist aber bey der Verhehlung oder Veränderung der Wahrheit die Ab­sicht ganz unschuldig gewesen und nicht dahin gegangen, jemanden Schaden und Nachtheil zuzufügen, noch wider die, andern Menschen schuldige Pflichten zu handeln, so ist keine strafbare Verfälschung vor­handen.

§ 4. Wie bey Verfälschung Siegel und Urkunden, also ist es auch zu halten, wenn jemand böslicher und gefährlicher Weise Maaß, Waage und Gewicht verfälscht.

§ 5. Wer wissentlich unedle Steine für edle, vergüldete Gefäße für güldne, oder Zink für Silber verkauft oder für Geldeswerth überträgt, ist in allem, gleichwie vorhin geordnet ist, zu bestrafen.

§ 6. Wer falsche Zeugen erkauft oder wissentlich ein falsches Zeugniß ableget, ist, wenn die Zeugen eidlich abgehöret, oder auch an Eydes


280                                                                                             Tit. 118

Statt und, wie sie es künftig eidlich bekräftigen wollen, abgehöret wer­den sollen, ob schon dadurch noch kein würklicher Schade entstanden, dennoch wegen hinzukommender Entheiligung des Namens Gottes mit zehenjähriger öffentlicher Arbeit, oder dem Verlust der Halbschied seines Vermögens anzusehen, auch überdem für Ehrlos zu halten.

§ 7. Wer durch Annehmung eines falschen Namens oder Würde andre in Schaden bringet oder zu bringen gesucht hat, ist, wie vorhin bey andern Verfälschern versehen ist, in Strafe zu nehmen.

§ 8. Wenn jemand in Abfall seines Vermögens gerathen und zu der Zeit, da er bereits weiß, daß er seine Gläubiger nicht befriedigen kann, gleich­wol fortfähret, Gelder von Fremden auszuleihen, und dadurch diese oder auch durch Ausstellung solcher Verschreibungen, welche andern älteren Gläubigern zum Nachtheil gereichen, andre seine Gläubiger in Verlust bringet, so soll er denen vorhin erwähnten Verfälschern gleich geachtet werden.

§ 9. Ein gleiches ordnen Wir auch bey denenjenigen, welche von ihren Baarschaften, Effecten, Waaren, Büchern, Bilancen, Documenten und der­gleichen heimlicher Weise ab Seite bringen oder dazu Hülfe und Vor­schub leisten.

§ 10. Nicht weniger wollen Wir hierunter begriffen haben, wenn jemand ungültige, falsche oder simulirte Wechsel auf sich ausstellen lässet, oder überall etwas böslicher, betrüglicher Weise alsdann, wenn er den Verfall seines Vermögens weiß, zum Nachtheil seiner Gläubiger vornimmt, und dieselben dadurch in Schaden setzet.

§ 11. Wie Wir hierunter in Ansehung der angedrohten Todes-Strafe die von Unsern in Gott ruhenden Vorfahren gegebene Gesetze gemildert haben, und eben dadurch das größere Beste des gemeinen Wesens zu erreichen glauben, so wünschen Wir zugleich freylich wol, daß auch die übrigen in solchen Verordnungen begriffene Fälle mit gleicher ernst­lichen Strafe anzusehen wären, wovon gleich wol die Erfahrung selbst bisher die Unthunlichkeit gezeiget hat. Wir mißbilligen es zum höchsten, und ein jeder soll Unsre Ungnade erwarten, welcher die von ihm aufge­liehen Gelder durch übermäßigen Pracht, oder üppiges und wollüstiges Leben, oder Spielen, oder kostbare Gebäude oder andre unnöthige und verschwenderische Ausgabe und geführten üblen Haushalt herdurch zu bringen gesuchet, nicht weniger, wenn jemand einige Handlungen, Kauf­mannschaften und Gewerbe übernimmt, welche er nicht verstehet, und selbigen nicht gewachsen ist, oder auch sonsten das Seinige nebst denen von  den  Gläubigern  entlehnten  Geldern unvorsichtig  und  liederlich


Tit. 118                                                                                             281

waget, auf seine Sachen und den Zustand seines Vermögens nicht gnug-sam Acht giebt, übel und fahrlässig Haus hält, besonders auch ein Kauf­und Handelsmann in Jahres-Frist oder sonst binnen behöriger Zeit keine Bilance ziehet und durch seinen Unverstand, Nachlässigkeit und Verschulden Bankerott machet. Wir sehen jedoch zugleich selbst ein, daß die angedrohte schwere Strafe, wenn sie auch noch der Uns bey wohnen­den Gelindigkeit der Sache gemäß, doch wegen der vielen dabey vor­kommenden Betrachtungen zum Zweck nicht hinreichend sey und niemals zur Würkung kommen werde. Daher Wir Uns genöthiget gefunden haben, auf andere Mittel zu denken.

§ 12. Wir wollen demnach, wenn es einen Unsrer Bedienten betrifft, daß davon an Uns selbst berichtet werde, damit Wir beurtheilen, ob ein solcher in Unserm Dienst zu behalten, oder ob auch Wir allenfalls von seiner Besoldung, sie möge aus Unsern oder andern Cassen herfließen, einen Theil denen Gläubigern zufließen lassen wollen.

§ 13. Bey denen Begüterten von Adel glauben Wir Unsre gnädigste Ab­sicht dadurch völlig zu erreichen, daß sie nicht allein aufs künftige aller Ehren-Stellen und öffentlicher Ämter unfähig seyn, sondern auch ihnen in solchen Fällen, wenn ihnen auch sonst ein beneficium competentiae gebühren könnte, wie zwar nur denen Calenbergischen von Adel wegen Altväterlicher Schulden zugebilliget ist, sonst aber davon in denen gemeinen Rechten nichts versehen ist, nichts zu ihrem Unterhalt ge­reichet werde, es wäre denn, daß sämmtliche Gläubiger ausdrücklich darin gewilliget hätten. Immaßen denn ein bloßes Stillschweigen der Gläubiger, wenn schon deren Erklärung durch öffentlichen Anschlag ge­fordert worden, dazu nicht hinreichend seyn soll.

§ 14. Andre, die weder Unsre Bediente, noch begüterte von Adel sind, sollen von allen Ehren-Stellen und andern einträglichen öffentlichen Ämtern, worunter Wir auch die Advocatur und was damit verknüpft ist, rechnen, schlechterdings ausgeschlossen seyn und bleiben.

§ 15. Wenn ein Kaufmann seine Bücher verfälschet, oder falsche Wechsel ausstellet, ist er wie ein Verfälscher nach Unsrer vorgesetzten Ordnung zu bestrafen. Sonst aber sehen Wir gnädigst ein, daß die Strenge der bis­herigen Bankerottir-Ordnungen nicht füglich zu bewürken stehe.

§ 16. Da die gemeinen Redite auch denjenigen für einen Verfälscher halten, welcher zweyen besonders eine Sache verkaufet hat, so wollen Wir, wenn der eine seines Kaufgeldes verlustig gehet, es auch dafür an­sehen und mit der von Uns verordneten Strafe beleget wissen.


282                                                                                                            Tit. 118 und 119

§ 17. Gleichwie Wir bey dem Diebstahl keine Erstattung oder Erlassung in Betracht gezogen wissen wollen, so soll es auch bey der Verfälschung nicht geschehen.

§ 18. Andre Betrügereyen sind nach Beschaffenheit der Sache anzusehen, und es ist insonderheit darauf Betracht zu nehmen, was dadurch für Schade zugefüget worden, jedoch nicht leicht etwas für peinlich zu achten, sondern hauptsächlich die Schadens-Ersetzung in Betracht zu ziehen und auf dessen doppelte Erstattung zu sehen, allenfalls jedoch der Betrüger es mit Gefängniß absitzen muß.

Titul CXIX.   Von denen, welche sich in einem Testament, Erbfolgs Gedingen oder Schenkungen etwas zuschreiben.

§ 1. Wir bestätigen zuförderst, was die gemeinen beschriebenen Kaiser­lichen Rechte in Ansehung derer, welche sich in einem Testament etwas zuschreiben, verordnet haben, jedoch daß die Strafe einer Verfälschung nicht anders eintrete, als wenn ein wahrer Betrug und Verfälschung er­scheinet.

§ 2. Ob auch wol alsdenn das sich selbst zugeschriebene bestehen bleibet, wenn der Testirer neben seiner Unterschrift zugleich bezeuget, daß er den Inhalt also niederschreiben lassen, nachgesehen und richtig befunden habe, so kann doch dessen bloße Versicherung, daß alles seinem Willen gemäß sey, nichts würken, vielweniger die Aufschrift auf dem Umschlage des Testaments, daß dieses sein letzter Wille sey, ein Zeugniß abgeben.

§ 3. Wenn auch der Testirer wegen Schwachheit und Krankheit zu der Zeit das Testament selbst nicht nachsehen und prüfen mögen, kann des­sen beygefügtes Zeugniß in keinen Betracht kommen.

§ 4. Ist gleichwol das Testament von gerichtlichen Personen oder auch von einem geschworenen Notaren in Gegenwart von Zeugen dem Te­stirer vorgelesen und von ihm gebilliget worden, so ist es so gut, als wenn er es selbst nachgesehen und richtig befunden habe.

§ 5. Hat jemand des Testirers Hand, weil er sonst entweder überall, oder doch dero Zeit zu schreiben nicht im Stande gewesen, geführet, und ihm wäre etwas zugeschrieben, so ist es so gut, als wenn er es sich selbst zu­geschrieben hätte.

§ 6. Da ferner bewährte Rechts-Lehrer dafür halten, daß auch in wider­seitigen Testamenten unter Eheleuten der Mann sich aus seiner Frauen Nachlaß nichts zuschreiben könne, so billigen Wir solche Meinung um so mehr, als es einem Mann bey der Unzertrennlichkeit einer Ehe gar zu


Tit. 119 und 120                                                                                  283

leicht fällt, seine Ehefrau durch allerhand Mittel zur Genehmigung zu bewegen.

§ 7. Es kann auch im letzten Falle an Seiten der Frau keine andre Ge­nehmigung Statt finden, als wenn sie vor Gericht oder Notarien und Zeugen den ihren Mann angehenden Inhalt wiederholet.

§ 8. Eben dieses soll eintreten, wenn währender Ehe unter denen Ehe­leuten ein Geding über künftige Erbfolge, oder eine Schenkung aller oder eines Theiles der Güter, es sey unter den Lebendigen oder auf den Todesfall, erreichet wird.

§ 9. Da Wir auch dafür halten müssen, daß es gleichviel sey, was einer selbst geschrieben oder durch einen andern schreiben lassen, so können Wir die Einschränkung so schlechterdings nicht annehmen, daß es für kein Sich selbst zuschreiben zu halten sey, wenn der Theilnehmer nur die erste Niederschrift gefasset, und es darauf von einem andern ins reine oder auch in gehörige Form gebracht worden. Wenn es insonderheit unter Eheleuten geschehen ist, so muß auch in dem Falle, da die Frau selbst die förmliche Einrichtung besorget hat, die vorhin verordnete Ge­nehmigung geschehen. Unter andern Personen aber lassen Wir den Satz alsdenn bestehen, wenn der Testirer die förmliche Einrichtung oder Ab­schreibung selbst besorget hat.

Titul CXX.    Von Münz-Fälschern.

§ 1. So sehr Wir auch die Erhaltung guter und gerechter Münze in Unsern Landen Uns angelegen seyn lassen, so finden Wir doch die in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung desfalls angeordnete Strafen wenigstens zum Theil zu schwer, und Wir finden nöthig, uns desfalls näher zu erklären.

§ 2. Wenn jemand Unsrer Unterthanen sich unterstehet, unter Unserm Zeichen falsche Münzen auszuprägen, so soll er, es mag viel oder wenig von ihm gepräget und das Geprägte in Unsern Landen in Ausgabe ge­kommen seyn oder nicht, mit fünfjährigem Festungs-Bau oder drey Tau­send Thaler Geld-Buße beleget werden.

§ 3. Wer sich auch unterstehet, andre in Unsre Lande zugelassene Münz­sorten unter falschem Gepräge auszumünzen, ist mit gleicher Strafe anzu­sehen.

§ 4. Es soll auch dieselbige Strafe eintreten, wenn jemand wissentlich dergleichen Münze zu seinem Vortheil aufgewechselt oder sonst Betrugs halber an sich gebracht und sie als gute Münze ausgegeben hätte.


284                                                                                            Tit. 120, 121, 122 und 123

§ 5. Wer güldne oder silberne Münzen beschneidet oder auch dergleichen wissentlich zu seinem Vortheil aufwechselt, soll auf gleiche Weise, wie vorhin gesetzet, bestraft werden.

Titul CXXI.   Von Gottes-Lästerung.

§ 1. Unter Gottes-Lästerung verstehen Wir solche Reden und Worte, wo­durch jemand Gott oder den Gottmensch, seinen Sohn, den Heiland der Welt, vorsetzlich verachtet oder verspottet und verhöhnet.

§ 2. Ob nun wol Gott und Christus solche wahnwitzige Leute selbst richten und ihre Ehre rächen werden, so mögen Wir jedoch auch die­selben in Unsern deutschen Landen nicht dulden, sondern sie sollen der­selben verwiesen werden.

Titul CXXII.   Von denen Vergehen gegen die Eltern.

§ 1. Wir haben erwogen, daß die Wolfahrt des ganzen Menschlichen Ge-sc&lechts hauptsächlich durch das Ansehen der Eltern befestiget werde, und andergestalt so wenig dem gemeinen Wesen nützliche Menschen erwartet werden können, daß vielmehr von demjenigen, welcher gegen seine Eltern freventlich sich vergehet, noch ein viel größers Übel für einen jeden Mitbürger zu befürchten ist. Wir erinnern Uns auch hiebey, daß schon die Göttlichen Gesetze, welche Moses dem Volk Israel ver­kündet hat, in denen Vergehen gegen Vater und Mutter eine große Strenge vorschreiben, und daß nicht weniger auch bereits Unsers in Gott ruhenden Herrn Groß-Vaters Maj. desfalls eine ernstliche Verordnung ergehen lassen. Wir setzen demnach, daß, wer an seinen leiblichen Eltern Hand legt, zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus ohne alle Nachsicht verurtheilet werden soll.

§ 2. Eine gleiche Strafe soll auch bey demjenigen Statt haben, welcher seinen leiblichen Eltern fluchet.

§ 3. Wer aber auch nur Scheit- oder Schimpf-Worte gegen seine leib­lichen Eltern gebrauchet, soll auf fünf Jahre mit vorgedachter Leibes-Strafe beleget werden.

§ 4. Es soll auch überall keine Fürbitte der Eltern zu Linderung der Strafe etwas beytragen.

Titul CXXIII.   Von fleischlichen Verbrechen.

§ 1. So sehr Wir auch wünschen, daß in Unsern Landen Zucht, Tugend und Ehrbarkeit herrsche, hingegen alle Unordnungen und Ausschweifun-


Tit. 123                                                                                             285

gen abgeschaffet werden, so sehen Wir doch zugleich ein, daß dieses durch menschliche Gesetze nicht füglich zu erreichen stehe, vielmehr be­sonders bey dem Verbrechen der Unzucht die Strafen nur ein viel größe­res Unheil für das menschliche Geschlecht zu wege bringen und sowol Kindermord als andre schwere Verbrechen veranlassen. Wir müssen also denen Eltern und Vormündern, wie auch denen verordneten Lehrern und andern Vorgesetzten überlassen, ermahnen und erinnern sie auch ernstlich, die Herzen der Jugend tugendsam und gottesfürchtig zu bilden, auch in Sonderheit von dem schädlichen Müßiggange abzuhalten und zur Arbeit zu gewöhnen. Was hingegen die Kirchen-Buße sowol als die weltlichen Strafen anlanget, sollen dieselben hinfüro in Ansehung des weiblichen Geschlechts bey einer schlechten und einfachen Unzucht, wenn auch schon eine Person zum zweyten oder dritten mal sich schwängern lassen, gänzlich aufhören.

§ 2. Das männliche Geschlecht soll zwar auch hinfüro mit Kirchen-Buße und weltlicher Strafe wegen schlechter und einfacher Unzucht nicht beleget werden. Dagegen aber soll er, wenn die Geschwängerte eine Dienstmagd oder ein schlechter gemeiner Mensch, neben denen gewöhn­lichen Kindbett- und Verpflegungs-Geldern der geschwängerten Person Fünfzig Reichs-Thaler entrichten, wofür derselben sowol dessen jetziges als künftiges redestes Vermögen unterpfändlich haften soll. Bey andern aber soll auf ihren Stand geachtet werden.

§ 3. Würde aber ein Knecht oder Bedienter seines Herren Tochter oder Schwester, oder jemand eine ihm anvertraute und empfohlene Person schänden, so ist solches peinlich, und soll er nach Beschaffenheit seiner Person entweder mit dem Verlust der Hälfte seines Vermögens, oder mit zweyjährigem Festungs-Bau bestraftet werden.

§ 4. Wer eine unberüchtigte Person, welche mit ihm gleichen Standes ist, unter dem Versprechen der Ehe zu Falle bringet, kann zwar, wenn er noch Eltern oder Vormünder hat, sie zu heyrathen nicht gezwungen werden, er ist aber als ein Ehrenschänder Ehrlos, und so lange zu öffent­lichen Ehren-Ämtern unfähig, bis er sich mit der geschwächten Person völlig ausgesöhnet.

§ 5. Wenn eine Ehe-Frau oder versprochene Braut, es sey mit einem andern Ehemann oder mit einer ledigen Manns-Person zu thun hat, und beide davon überführet worden, soll die Bestrafung bloß von dem Willen ihres Ehemannes abhängen. Doch muß sie nicht über fünfjährigen Festungs-Bau oder Zuchthaus sich erstrecken, noch auf andre Geld-Strafe gerichtet seyn, als welche zum gottseligen Gebrauch anzuwenden.


286                                                                                                                            Tit. 123

§ 6. Da es auch in denen göttlichen und gemeinen Kaiserlichen Rechten für keinen Ehebruch gehalten wird, wenn schon ein Ehemann mit einer ledigen Weibsperson zu thun hat, so soll hier dasjenige Statt finden, was vorhin von der Unzucht verordnet worden.

§ 7. Bey der zweyfachen Ehe ist zuförderst darauf zu sehen, ob sie mit einer Ehefrau oder ledigen Person vollzogen worden. Erstem Falls ist es ein solcher Ehebruch, wobey zugleich durch die priesterliche Einsegnung der Name und das Wort Gottes gemißbrauchet wird. Es soll also hier die Bestimmung der Strafe nicht von dem Willen des beleidigten Ehemannes abhängen, sondern es soll schlechterdings auf eine fünfjährige Strafe zu Festungs-Bau oder Zuchthaus erkannt werden.

§ 8. Ist aber auch die zwiefache Ehe von einem Ehemann mit einer ledigen Weibes-Person vollzogen, so soll gleichwol wegen dabey vor­fallenden Mißbrauchs des Namens und des Worts Gottes eine zwey­jährige Vertheilung zu öffentlicher Arbeit eintreten.

§ 9. Wenn jedoch der Ehegatte ein Jahr abwesend gewesen, ohne von seinem Leben und Aufenthalt dem andern Nachricht zu ertheilen, kann die Anklage der zwiefachen Ehe nicht eintreten.

§ 10. Blutschande, sie sey zwischen leiblichen Eltern und Kindern, oder Stief-Eltern und Kindern, oder auch Schwieger-Eltern und Kindern wis­sentlich begangen, soll dem göttlichen Gesetze gemäß mit dem Leben bestrafet werden.

§ 11. In der Seiten-Linie aber, sowol der Bluts-Verwandtschaft als der Schwägerschaft, ist eine gelindere Strafe anzunehmen, und, wenn zu­gleich ein Ehebruch geschehen, ein jeder ohne alle weitere Rücksicht mit fünfjährigem Festungs-Bau oder Zuchthaus und Werkhaus, oder auch Eintausend Thaler Geld-Buße, außerhalb Ehebruchs aber jeder mit drey Jahr öffentlicher Arbeit oder Sechshundert Thaler Geld-Buße zu bestra­fen, und muß bey der Geld-Buße einer für den andern eintreten. Wir ver­stehen aber hier nur diejenigen Personen, welche in dem göttlichen Ge­setz ausdrücklich genannt worden und wobey gar kein Zweifel vorwaltet. Denn ob wol Unsre Kirchen-Ordnungen das Verbot der Ehen weiter aus­dehnen, Wir auch selbst die Ehen in gleichen Graden durchaus nicht zu­lassen wollen, so ist doch alsdenn kein peinlicher Fall vorhanden, son­dern nur dem Befinden nach zu einer bürgerlichen Geld- oder Gefängnis-Strafe zu schreiten.

§ 12. So ein Mensch mit einem Vieh, oder Mann mit Mann Unkeuschheit treiben, die haben das Leben verwürket und sollen nach der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet


Tit. 123                                                                                                                             287

werden. Weil jedoch die göttlichen Gesetze auf alle diese Fälle nur die Todes-Strafe setzen, so wollen Wir, daß ohne Unterschied auf die Strafe des Schwerts erkannt, zugleich aber auch das Thier erwürget werde.

§ 13. Von der Noth-Zucht finden Wir in denen göttlichen Gesetzen, außer wenn dieselbe an einer verlobten Braut verübet worden, nichts verord­net. Da es aber in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung gleich einem Raube angesehen wird, so soll auch die von Uns auf den Raub gesetzte Strafe einer Vertheilung zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus allhier Statt finden, und dabey weiter auf nichts als die gebrauchte Gewalt ge­sehen werden. Es kann jedoch für eine Noth-Zucht nicht gerüget werden, was in einer Stadt geschehen ist.

§ 14. So jemand eines andern Ehe-Weib oder verlobte Braut, um böse Lust mit ihr zu pflegen, oder letztere wol gar zu heirathen, mit ihrem guten Willen entführet, ist es wie ein Ehebruch anzusehen. Wenn es aber nicht mit ihrem guten Willen geschehen, ist der Thäter, wie ein Räuber, auf Zeitlebens in öffentliche Arbeit zu geben oder mit dem Ver­lust der Halbschied seines Vermögens zu bestrafen. § 15. Wir wollen auch hiebey auf ein für allemal die Erklärung geben, daß bey dem Verlust des Vermögens oder eines Theils desselben die Substanz der Lehn- und Stamm-, auch Fideicommiss-Güter denen näch­sten Erben und Folgern bleibet, der Ertrag aber, so lange der Thäter im Leben, Unsrer Rent-Cammer zu berechnen, und desfalls ein gewisser jährlicher Anschlag zu machen ist.

§ 16. Wird aber eine unverehelichte Frauens-Person entführet, und ge­schieht es mit ihren guten Willen, so kommt es darauf an, ob sie noch Eltern oder Vormünder habe oder nicht. Im ersteren Falle ist denen Eltern und Vormündern durch Unsre Ehe-Constitution die Macht gegeben, eine wider ihren Willen vollzogene Ehe für nichtig erklären zu lassen, mithin auch die Vollziehung zu verwehren, denen Eltern aber auch zu­gleich, das Kind bis auf den halben Pflicht-Theil zu enterben. Es sind gleichwol auch noch überher diejenigen, welche eine Tochter auch mit ihren guten Willen entführet, wenn sie auch schon selbige sich noch nicht antrauen lassen, ernstlich, und zwar, wenn die Ehe noch nicht vollzogen worden, mit Verlust des vierten Theils seines Vermögens oder fünfjäh­riger Vertheilung zum Zuchthause, wenn die Ehe auch vollzogen worden, mit Verlust der Halbschied seines Vermögens oder zehenjährigem Zucht­hause zu bestrafen. Die Bestrafung der Tochter aber soll von den Eltern oder der Vormünder Willen abhangen.

§ 17. Geschieht aber die Entführung einer unverehelichten Person wider ihren Willen, so soll es wie ein andrer Raub angesehen werden, und


288                                                                                 Tit. 123 und 124

wenn schon auch eine nicht unter Eltern oder Vormündern stehende Per­son solches nachher genehmiget, nichts desto weniger mit dem Verlust aller Güter, oder bey geringen Personen mit Vertheilung zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus geahndet werden.

§ 18. Es ist auch bey der Entführung kein Unterschied zu machen, ob sie in der Absicht, die Person zu heirathen, oder bloß aus böser Lust ge­schehen sey.

§ 19. Wer sein Ehe-Weib oder Kinder um einigerley Genuß willen willig­lich zu unehelichen, unkeuschen und schändlichen Werken gebrauchen lässet, der ist nach der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung nicht allein Ehrlos, sondern soll auch nach gemeinen Rechten bestrafet werden. Wie aber hiedurch die Strafe nicht genau bestimmet worden, so wollen Wir Uns hierüber dahin erklären, daß ein solcher mit unabbittlichem fünf­jährigen Festungs-Bau oder Zuchthaus bestrafet werden solle. § 20. Diese Strafe tritt auch bey denen ein, welche an Eltern Stelle sind. § 21. Wir bestätigen dasjenige, was die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung Art. 123 von boshaften Kupplern und Kupplerinnen, auch dergleichen Helfers-Helfern verordnet, und bestimmen die Strafe auf drey Jahr Festungs-Bau oder Zuchthaus.

Titul CXXIV.   Von Mord und Totschlag.

§ 1. Wer einen vorher überlegten und geflissentlichen Todtschlag be­gangen, ist ein Mörder, und soll das von ihm vergossene Blut ohne alle Gnade mit dem Leben büßen und durch das Rad hingerichtet werden. § 2. Wer aber seine Eltern oder Kinder, sowol leibliche als auch alle, welche durch Anheyratung dafür zu halten, oder auch seinen Ehegatten oder Herrn vorsetzlicher und wolbedachter Weise ums Leben bringet, soll noch überher mit glühenden Zangen gezwicket werden. § 3. Kinder-Mörderinnen, welche nämlich ein lebendig zur Welt gebore­nes Kind zu Tilgung ihrer Schande umbringen, sollen mit der Ersäufung oder dem Schwert bestrafet werden.

§ 4. Wer jemanden in der Hitze eines unrechtmäßigen Zorns ums Leben bringt, soll mit dem Schwert bestrafet werden. Wäre auch der Verstor­bene im Hader und Streit von mehr als einem tödlich verwundet worden, müssen beide Täter sterben. Ist aber unter mehrern kein eigentlicher Thäter ausfündig zu machen, so sind solchen Falls alle, die dazu gehol­fen, zu ewiger Arbeit zu verurtheilen.

§ 5. Wenn der Schlag mit einem an sich nicht tödlichen Werk-Zeuge ge­schehen, und gleichwol unglücklicher Weise der Tod darab erfolget, kann


Tit. 124                                                                                             289

die Todes-Strafe nicht eintreten, es muß aber der Thäter ein ganzes Jahr lang an allen Sonn- und Feyertagen öffentliche Kirchen-Buße thun, auch mit des Getödteten nächsten Verwandten nach bestem Vermögen sich abfinden.

§ 6. Einem Mörder oder Todtschläger kann nicht zu Statten kommen, wenn etwa der Tod aus einiger Versäumniß in der Cur oder auch Uner­fahrenheit der Ärzte erfolget wäre und die Wunde nicht schlechterdings tödlich gewesen.

§ 7. Wenn auch der Tod nicht gar lange nach der Verwundung erfolget, so kann es dem Todtschläger nicht zu Statten kommen, wenn schon bey Besichtigung der Wunde ein und anders sonst erforderliches nicht wäre beobachtet worden.

§ 8. Wer einen einbrechenden oder einsteigenden nächtlichen Dieb um­bringet, stehet dafür keine Verantwortung aus, wenn er gleich denselben hätte in seine Gewahrsam nehmen und um Hülfe rufen können. Ist aber der Dieb bereits auf der Flucht begriffen, so ist es wie ein Todtschlag an­zusehen.

§ 9. Da die auf den Todtschlag gesetzte Strafe in denen göttlichen Ge­setzen gegründet ist und das Land von Blut-Schulden gereiniget werden muß, so kann bey derselben auch eine zwanzigjährige Verjährung nicht Statt finden.

§ 10. In Ansehung der Gift-Mischerey ist von weiland Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. im Jahre 1734 eine nähere Verordnung dahin abge­geben, daß alle diejenigen, welche jemanden in der Absicht würklich Gift beygebracht, daß er davon sterben, oder auch nur, daß solches ihm an seinem Leibe Schaden thun solle, wenn gleich der Tod oder ein merk­licher Schade an der Gesundheit nicht erfolget, da das Gift entweder durch thunliche Mittel in Zeiten aus dem Körper wieder weggeschaffet, oder das eingegebene Gift nicht stark genug gewesen, oder sonst die starke Statur des Beleidigten verhindert hat, daß solches die verlangte Würkung nicht thun können, allemal am Leben bestrafet werden sollen, nicht weniger, daß auch diejenigen, welche zu solchen Ertödt- oder Be­schädigungen vorsätzlich Rath und That geleistet, da sie das Gift zube­reitet, auch wissentlich dazu verkaufet, gekaufet oder sonst zu wege gebracht, und auch nur zu dem Ende bey sich gehabt, wenn gleich die That würklich nicht erfolget, und daher noch kein Schade geschehen, allemal am Leben bestrafet werden sollen. Wir wollen nun zwar dieses aus Landes-Fürstlicher Gewalt und Macht nochmals bestätigen. Sollten jedoch dabey besondre Umstände vorfallen, ist davon an Uns selbst unterthänigst zu berichten.

19   Ebel


290                                                                                                    Tit. 125, 126 und 127

Titul CXXV.   Vom Meineid.

§ 1. Wer vor Gericht einen falschen Eid schwöret, ungeachtet er von der Beschaffenheit und den Folgen eines Eides daselbst vorher wol unter­richtet worden, auch von den Umständen der Sache hinlängliche und genaue Wissenschaft hat, der soll nicht allein den dadurch zugefügten Schaden ersetzen, sondern auch Unsrer Fürstenthümer und Landen auf ewig verwiesen werden.

§ 2. Kann derselbe gleich wol den Schaden nicht ersetzen, so soll er zu­gleich als ein Dieb angesehen, und, es mag er oder ein andrer den daraus erwachsenen Vortheil davon haben, nach der Größe des zugefügten Schadens mit Festungs-Bau oder Zuchthaus bestraft werden.

Titul CXXVI.   Von Veruntreuung anvertrauter öffentlicher Gelder.

§ 1. Wir verstehen unter der Veruntreuung anvertrauter öffentlicher Gelder, wenn ein Uns und Unsrer Rent-Cammer oder andern Unsern Collegiis, wie auch denen Kirchen und milden Stiftungen, Städten und Gemeinen eidlich verpachteter Verwalter die ihm durch sein Amt anver­traute Gelder veruntreuet, und nicht erstatten kann. § 2. Ob nun wol nach denen vorhin desfalls ergangenen Calenbergischen und auf die Herzogthümer Bremen und Verden erweiterten Verordnun­gen, wenn der Rückstand hundert Thaler betrifft, eine Lebens-Strafe ein­treten soll, so wollen Wir doch diese nunmehro in eine zehenjährige Zuchthaus- oder Gefängniß-Strafe verwandeln, zugleich aber über Unsere gesammte Deutsche Lande ausdehnen.

Titul CXXVII. Weichergestalt bey denen innerhalb denen geschlossenen Unter-Gerichten oder freyen Adelichen Sitzen und Kloster-Bezirken begangenen peinlichen Verbrechen zu verfahren.

§ 1. Denen geschlossenen Unter-Gerichten gestatten Wir gnädigst, wo­fern nicht von Unsern Ämtern ein anders hergebracht ist, in peinlichen Fällen mit Ausschließung Unsrer Beamten den Angriff zu thun. § 2. Sollte auch die übelthat in dem Amts-Gebiet geschehen seyn, der Missethäter wäre aber in dem geschlossenen Gerichte anzutreffen, so muß dasselbe von dem Amte um dessen Gefangennehmung und Ausliefe­rung ersuchet werden.

§ 3. Wir wollen dahero auch ganz gern denen mit beeidigten Gerichts-Verwaltern versehenen geschlossenen Gerichten die vor dem Angriff er­forderliche erste Untersuchung überlassen.


Tit. 127                                                                                                                             291

§ 4, Wenn der Angriff aber geschehen, muß dieses Unter-Gericht sich weitem Verfahrens enthalten und Sorge tragen, daß die Untersuchung durch den peinlichen Richter geschehe. Was nun hierunter in Ansehung der Gerichte und Ämter hergebracht ist, dabey muß es allerdings sein Verbleiben behalten. Ermangelt es aber an einem gewissen Herkommen, so meldet das Gericht den Vorfall an Unsre Justiz-Canzleyen und er­wartet deren Verfügung.

§ 5. Da aber in diesem Falle ein Zeit-Raum verstreichen kann, und es dem Gerichte zur großen Last und Beschwerde gereichet, den Gefangenen immittelst bewahren und verpflegen zu lassen, so soll das nächste Amt auf Verlangen des Gerichts schuldig seyn, denselben zu fernerm Ver­fahren außerhalb denen Gerichts-Grenzen anzunehmen. § 6. Auch sind Unsre Justiz-Canzleyen in solchen Falle wol befugt, denen Gerichten eins für alles vorzuschreiben, an welches Amt sie die pein­lichen Sachen abzugeben haben, ohne daß es für eine besondre Commis­sion anzusehen sey. Mithin haben auch alsdann die Ämter in denen ge­schlossenen Gerichten nicht unmittelbar zu verfügen, sondern jedesmal die Gerichte zu ersuchen.

§ 7. Ist auch das Gericht in solchen Sachen saumselig, und das Amt, wo­hin die Untersuchung gehöret, findet nöthig, sich der Sache anzunehmen, so muß das Gericht dem Amte auf Ersuchen unweigerlich hülfreiche Hand bieten, um die zur General-Inquisition verlangte Personen verabfolgen zu lassen. Hätte aber das Gericht schon vorher mit der Untersuchung den Anfang gemacht, so theilet es vorerst die abgehaltene Protokolle dem Amte mit und erwartet, ob es der Sache halber ferner begrüßet werde.

§ 8. Wenn nachhero das Amt wegen des Corporis delicti annodi Besichti­gungen und Untersuchungen binnen dem geschlossenen Gerichte nöthig findet, muß selbiges das Gericht ersuchen, die Besichtigung und Unter­suchung zu verrichten, und ihm davon Nachricht zu ertheilen. § 9. Denen Adelichen Sitzen und Kloster-Höfen in deren freyen Bezirken aber können Wir durchgehends gleiche Rechte nicht nachgeben. Wir ge­stehen ihnen gnädigst zu, daß Unsre Ämter, in welchen dieselben be­legen, auf denenselben auch in peinlichen Sachen keiner unmittelbar Gewalt sich anmaßen mögen, sondern dieselben jedesmal um hülfliche Hand ersuchen müssen, es wäre denn, daß ihnen darunter Verweigerung geschähe und die Sache gleichwol Leib- und Lebens-Strafe beträfe, als in welchem Fall dasjenige, was in der denen Dannenbergisdien auch Hoyai-schen von Adel ertheilten Resolution versehen, wie es auch überhaupt denen Rechten gemäß ist, allgemein seyn muß. Es können aber die von Adel und die Klöster für sich nicht anders eines Angriffs als bey frischer

19*


292                                                                                 Tit. 127 und 128

That sich anmaßen, sind hingegen nicht befugt, bey zweifelhaften Fällen zum Angriff zu schreiten, sondern müssen die Umstände dem Amte hin­terbringen.

§ 10. Sollten wegen des Corporis delicti Besichtigungen und Unter­suchungen binnen dem freyen Sitz oder Kloster-Bezirk vorzunehmen seyn, so muß denen Beamten solches jedoch nicht anders als auf deren Ersuchen verstattet werden, es wäre denn, daß ein beeidigter Gerichts-Verwalter allda vorhanden, als in welchem Fall es eben so, wie bey denen geschlossenen Unter-Gerichten zu halten ist.

Titul CXXVIII.   Von Wort-Bedeutungen.

§ 1. Es ist bereits von weiland Herrn Herzog Georg Wilhelms Unsers Urelter Herrn Vaters Liebd. der Lüneburgischen Ritterschaft die Erklä­rung ertheilet, daß, wenn von ihnen jemand mit dem „Gerichte" be­liehen sey, solches die völligen Nieder-Gerichte begreife, also wollen Wir solches auf Unsre andre deutsche Länder um so mehr ausdehnen, als in denenselben keine Pfal-Gerichte bekannt sind.

§ 2. Wir wollen auch von dem Wort „Vogtey" die Erklärung anneh­men, daß damit nicht allein die völligen Nieder-Gerichte verbunden seyn, sondern auch in denen zur hohen und peinlichen Gerichtsbarkeit gehöri­gen Fällen von demjenigen, welchem diese zustehet, in dem Vogtey-lichen Bezirk nichts unmittelbar ausgeübet werde. Was aber die geschlos­senen Adelichen Gerichte vorzügliches haben, kann dahin nicht gezogen werden.

§ 3. Unter dem Ausdruck „höheste und siedeste Gerichte" können die geistlichen, und was dahin gehöret, nicht mit verstanden werden.

§ 4. Gericht und Unter-Gericht" begreifet nebst dem Nieder-Ge-richt auch das peinliche Gericht.

§ 5. Ist jemand mit Gütern, und deren Zubehörungen, „besucht und unbesucht", oder „gesucht und ungesucht", oder auch „ver­sucht und unversucht" beliehen, so sind ihm dadurch auch die Erb-Gerichte, Fischerey-Gerechtigkeit, auch hohe und mindre Jagd mitge­theilet.

§ 6. Ob wol unter dem Ausdruck „mit allen Herrlichkeiten" auch die peinliche Gerichtsbarkeit verstanden zu werden pfleget, so kann doch dieses bey ehemaligen geistlichen Gütern nicht angenommen werden.

§ 7. Gerichte „binnen und außerhalb des Dorfs" erstrecken sich auf die ganze Feldmark des Dorfs, doch nur in so fern es eine besondre eingeschränkte Feldmark ist


Tit. 128                                                                                             293

§ 8. Gerichte „binnen Zauns" oder „binnen denenHöfen" be­greifen die völligen Nieder-Gerichte binnen Zauns und binnen denen Hö­fen, und sind also von denen Lüneburgischen Pf al-Gerichten unterschieden.

§ 9. Sattel-Höfe sind zwar ihrem Ursprung nach freye Adeliche Güter. Es kann ihnen aber eine völlige Adeliche Freyheit nicht zugestanden wer­den, als wenn der Edelmann sie bishero selbst benutzt hat, nicht aber, wenn sie einem andern eingethan sind. Wobey demnach das Herkommen zum Grunde zu legen ist.

§ 10. Die Belehnung mit aller Schlachter-Nutt, Schlachte-Nut-zung kann auf die Gerichte nicht gezogen werden. Auch ist dadurch allein dem Besitzer die Jagd-Gerechtigkeit nicht verliehen. § 11. „Ansete" oder „An-Siedel" sind Bauer-Güter, welche von denen Vorfahren angeerbet worden, und durchaus wie andre Meyer-Güter anzusehen.

§ 12. „Kaphahns-" oder „Heuel-Lehen" sind zwar dienst- und zinsfrey, genießen jedoch keiner Adelichen Freyheit noch Schriftsässig-keit, und entrichten an das Amt, worin sie belegen sind, einen Kaphahn.

§ 13. „Schatz-, Bede- und Dienstfrey" enthält keine Adeliche Freyheit.

§ 14. Unter dem Wort „Kinder" sind, wenn nicht ein anders erscheinet, die Kindes-Kinder nicht mit begriffen.

§ 15. Wenn Eheleute, die keine vorher erzeugte Kinder haben, auf „Längst Leib längst Gut" zusammen kommen, erbet zwar der eine von dem andern dessen ganzes Vermögen, jedoch, wenn Kinder er­folget und im Leben sind, nur nießbräuchlich.

§ 16. Da denen Ehestiftungen der Bauersleute gewöhnlich enthalten ist, daß die Braut zu dem Bräutigam als „Erbin seiner Güter" einfreye, oder die Braut dem Bräutigam „Haus und Hof zubringe", so ist beides nidit anders als auf den Fall nicht erfolgender Kinder zu ver­stehen. Sind Kinder erfolget, so zeiget die Formul nur an, daß die künf­tige Witwe und auch der Wittwer auf den Hof wieder bis zur Großjährig­keit der Kinder heyrathen können. Sind aber aus erster Ehe Kinder vor­handen, welchen der Hof bereits gehöret, so muß in solchem Fall der Ge­nießbrauch auf eine gewisse Zeit bestimmt werden. § 17. Das Wort „Capital" ist, wenn es von einem Kauf- und Handeis-Mann gebrauchet wird, zugleich von seinem ganzen Waaren-Lager zu verstehen, womit er sein Gewerbe treibet.

§ 18. Unter dem Wort „Meublen" ist bey Vermächtnissen nur das Haus-Geräthe zu verstehen, was zu bequemer und Standesmäßiger Be-


294                                                                                                                            Tit. 128

wohnung des Hauses dienet und zum täglichen Gebrauch gehöret. Und muß es gleich viel seyn, wie kostbar und aus welcher Materie es ver­fertiget sey. Es gehöret also auch darunter, was zum täglichen Tisch des Testirers gebrauchet worden, wenn es schon aus Silber oder Porcellan verfertiget worden.

§ 19. Zum Vermächtniß der Kleidungen ist die Taschen-Uhr, welche

der Verstorbene gewöhnlich getragen, auch Degen und Stock mit zu

rechnen.

§ 20. Unter das Silber-Zeug gehöret dasjenige verarbeitete Silber

nicht mit, was zum täglichen Gebrauch im Hause gedienet hat.

§ 21. Eine Sammlung auserlesener Schildereyen kann, wenn sie gleich zu Bekleidung der Wände eines Zimmers gebrauchet worden, unter die Meublen und das Haus-Geräthe nicht gezogen werden. Auch gehören die in Zimmern aufgestellte Familien-Portraits nicht unter das Haus-Geräthe, wofern nicht derjenige, dem selbiges vermacht worden, solche Personen unter seinen Vorfahren zählen kann.

§ 22. Unter das Vermächtniß der Bibliothek gehören auch die Hand­schriften, sowol fremde als des Testirers eigne, welche in die freyen Künste und Wissenschaften schlagen, weniger nicht Land-Karten, Welt-Kugeln, physikalische, Astronomische und optische Instrumente, auch Sammlungen von Kupferstichen, seltenen Münzen, Naturalien und Alter­thümern.

§ 23. Das Wort „Bücher" aber kann in so weitem Begriff nicht genom­men werden, sondern bedeutet nur gedruckte Bücher und gelehrte Hand­schriften.

§ 24. Neubruch oder Rottland ist nur dasjenige, wovon sich keine Anzeige findet, daß es jemals vorhin beackert worden. § 25. Bey dem Worte „Blutrunst" ist der von Alters her gehabte Be­griff beyzubehalten, daß eine offene Wunde vorhanden und Blut ver­gossen sey.

§ 26. In Verträgen unter Bauerschaften über Hud und Weide ist unter dem Worte „Vieh" auch das Schaf-Vieh zu verstehen, wenn nicht eine andre gehabte Meinung erscheinet.

$ 27. NB. Leib-Schafe sind, welche auf dem Gute von der Heerde zu­gezogen worden.

§ 28. Ober- und hartes Holz ist dasjenige, was zum Bau dienet. Alles übrige ist Unter-Holz und Busch, ob es schon eben nicht immer zum weichen Holz zu rechnen ist, als wohin an sich nur Ellern und Birken gehören.


Tit. 128                                                                                             295

§ Ehefrediges Holz ist dasjenige, was zu Abzäunungen gebrauchet wird, und bestehet in Ellern, Haseln, Hagebuchen, Quetschen und Dorn. Worunter also kein sonst abständiges, vertrocknetes, sohres Holz zu rechnen ist.

§30. Poll-Holz ist, was außer dem Haupt-Stamm sowol aus dem Wipfel als aus den Zweigen zum Verbrennen dienlich gefunden wird, so stark und dick es auch sonst ist.

§ 31. Stammäßiges Schachtenholz sind diejenigen Schachten oder Äste, welche gleich einem Stamme gerade in die Höhe getrieben sind, wenn nämlich der Baum in mehrere Stämme sich getheilet hat.

§ 32. Die hohe Jagd begreifet Hirsche und Schweine. Alles übrige gehöret zur niedern Jagd.

§ 33. Eine Hufe Landes ist, wofern nicht ein anders in der Gegend hergebracht ist, auf dreißig Morgen zu rechnen.

§ 34. Von einem Morgen Landes ist zwar das Maaß auf Einhundert und zwanzig Ruthen gesetzet. Es kann aber außer denen öffentlichen Ab-giften desfalls keine Nachmessung Statt finden, sondern es ist gnug, wenn das Land von jeher dafür gerechnet worden.

§ 35. Nach Bequemlichkeit zu zahlen, wenn der Gläubiger sich solches gefallen lassen, kann in Schulden, die auf klaren Briefen und Siegeln beruhen, oder sonst unleugbar und unwidersprechlich sind, nicht dahin gezogen werden, daß die Zahlung schlechterdings von dem Willen des Gläubigers abhänge, sondern es tritt sodann ein vernünftiges und billiges Ermessen ein, und kann der Zahlungs-Termin zur Beschwerde des Gläubigers nicht zu lange ausgesetzet werden.

§ 36. Da Uns berichtet worden, daß einst große Thätlichkeiten in Unserm Herzogthum Lüneburg darüber entstanden sind, ob die Benter-Plag-g e η zu denen Haid- oder Anger-Plaggen gehören, so finden Wir nöthig, zu bestimmen, daß sie denen Haid-Plaggen beyzuzählen seyn.

§ 37. Unter dem Wort „Erben" sind bey der Folge im Lehn nicht alle und jede, sondern nur die Lehns-Erben zu verstehen.

§ 38. Wäre auch jemand für sich und seine Kinder oder Nachkom­men beliehen, so kann bloß dadurch die weibliche Abkommenschaft keine Folge sich zuschreiben, wofern nicht die etwanige Natur des Lehns solches mit sich bringet.

§ 39. Der nächste Grad ist auch in Beerbung der Lehen nicht in der Entfernung von dem gemeinschaftlichen Stamm-Vater, sondern von dem letztverstorbenen Vasallen zu suchen.


296                                                                                                                            Tit. 128

§ 40. Das Wort „Töchter" in Lehn-Briefen begreift auch der Töchter Kinder.

§ 41. Der Ausdruck „unbeerbt" oder „ohne Erben mit Tode ab­gehen" ist von Erbfolgemäßigen Leibes-Erben zu verstehen.

§ 42. Burgfest-Dienste, welche alle Pflichtige Unterthanen, wiewol in hergebrachter Maaße und Weise, übernehmen müssen, sind diejeni­gen, welche zu Unterhaltung Unsrer Schlösser, deren Gebäude und Be­festigung erfordert werden.

§ 43. Unter dem Worte „Stauung" in Lehn-Briefen ist die Mühlen-Gerechtigkeit zu verstehen.

§ 44. Bey einer auf eine gewisse Stück-Zahl eingeschränkten Schäferey sind unter den „Schafen" die Lämmer nicht mit begriffen, sondern diese folgen als Anhang von selbst.

§ 45. Leib-Schafe sind die von der Heerde zugezogene Schafe.

§ 46. Unter dem Wort „Vieh" sind, wofern nicht aus den Umständen ein anders erscheinet, auch Schafe begriffen.

§ 47. Unter Hof-Schweinen sind, wenn ein anders nicht hergebracht ist, einjährige Schweine zu verstehen, welche auf dem Hofe des Guts­manns gezogen worden. Der Gutsherr wählet es gewöhnlichermaßen im Anfang des May-Monats, kann aber das Beste nicht wählen.

§ 48. Muß der Guts-Mann ein fettes Schwein liefern, so ist darunter nur ein mittelmäßig fettes zu verstehen.

§ 49. Die Meilen-Weite eines Orts vom andern ist nicht nach geome­trischen Ausmessungen, sondern nach den gewöhnlichen Straßen und Fuhr-Wegen, und, wie es der Orten geschätzet zu werden pfleget, zu be­stimmen.

§ 50. Die in denen Ehestiftungen der Bauers-Leute in Unsern Landen ge­wöhnliche Formul, daß die Braut zu dem Bräutigam als „Erbin seiner Güter" einfreye, oder die Braut dem Bräutigam „Haus und Hof zu­bringe", bedeutet eine errichtete Gemeinschaft der Güter, Kraft deren, wenn von den Eheleuten keine Kinder vorhanden, welchen der Hof ge­bühret, der überlebende denselben behält und darauf wieder heyrathen und auf die Kinder folgender Ehen bringen kann. Sind aber Kinder vor­handen, welchen die Erbfolge zustehet, so stehet gleichwol der hinter-bliebene Ehegatte bis dahin, daß der Erbe zur Verwaltung tüchtig ge­schätzet wird, als Wirth dem Hofe vor, kann darauf wieder heyrathen und genießet demnächst den alten Theil.


Tit. 128                                                                                             297

§ 51. Wer mit dem Angriff in peinlichen Sachen beliehen ist, übet solchen allein aus und kann darin durch den peinlichen Richter nicht be­einträchtigt werden.

§ 52. Da dem Vernehmen nach über den Verstand des Worts „Selbst-Schuldiger, „Selb-Schuldig", wenn die Verpflichtung eines Bür­gen dahin gerichtet ist, nicht einerley Meinung geheget wird, gleichwol dieses Wort, wie Uns berichtet worden, eigentlich den Haupt-Schuldner anzeiget, so kann bei dergleichen Bürgerlichen Verschreibungen, wenn sie auch schon auf „Selbst-Schuldigen Bürgen" gefaßet wäre, nicht anders angenommen werden, als daß der Bürge, wie es auch denen ältesten Rechten gemäß war, ebenso wie der wahre Haupt-Schuldner hafte und sich derer denen Bürgen sonst zustehenden Rechts-Wolthaten gegen den Gläubiger weiter nicht bedienen könne, als daß dieser auf dessen Verlangen ihm, jedoch ohne daß die Zahlung dadurch aufgehalten werde, sein Recht gegen den wahren Haupt-Schuldner zu übertragen ver­bunden sey.

§ 53. Die Worte, wenn dieser oder jener ein gewisses, z. E. das zwan­zigste Jahr erreichet haben wird, sind nicht auf den Anfang, sondern dahin zu deuten, daß er solches Jahr erfüllet und zurückgeleget habe.

§ 54. Unter dem großen Vieh sind in Hud- und Weide-Sachen Pferde und Rindvieh, unter dem kleinen aber bloß Schafe und Schweine zu verstehen.

§ 55. „Heuer" und „Heuerling" kann nach Beschaffenheit der Um­stände allerdings auch, so wie das Wort „Pacht", auf ein beständiges Recht genommen werden.

§ 56. Das Wort „Familie" kann auch bey Adelichen Personen und Ge­schlechtern, zumal wenn sie nicht im Lande begütert sind, auch sonst keine Anzeigen an Seiten desjenigen, der des Ausdrucks sich bedienet, solches wahrscheinlich machen, auf die männlichen Personen mit Aus­schluß der weiblichen nicht eingeschränket werden, sondern die weib­lichen sind darunter mit begriffen.

§ 57. „Forst, Wildbahn, Gehege" kann keine andre Erklärung an­nehmen, als daß darin sonst niemand zu jagen befugt sey. Und ein gleiches ist es von dem Wort „Thier-Garten" zu sagen.

§ 58. Wir vernehmen, daß es auch zweifelhaft sey, was unter „Erd-, Niet- und Nagelfest", zumal im Kauf und Verkauf der Häuser zu verstehen sey. Der Absicht aller Theile gemäß ist es aber nicht anders zu erklären als auf dasjenige, was so befestiget ist, daß es beständig also bleiben und mit dem Hause als ein Theil desselben verbunden seyn


298                                                                                                                            Tit. 128

sollen, hingegen ohne Verletzung der Vollständigkeit des Hauses nach der Beschaffenheit desselben nicht weggenommen werden kann. § 59. Wenn in Verträgen oder Testamenten und Schenkungen bey der ausgelobten und bestimmten Summe Geldes keine Münz-Sorten ausge­drücket worden, so kann es allerdings bey denen in Unsern deutschen Ländern herrschenden verschiedenen Münzsorten Zweifel geben, welche darunter eigentlich zu verstehen sey. Erscheinet die Meinung des Testi-rers oder des Versprechers und Auslobers, und in zweyseitigen Verträ­gen beider Theile, so ist derselben allerdings nachzugehen. Sonst aber ist auf die Zeiten und Umstände wie auch die Größe der Summe zu sehen, um daraus die eigentliche Absicht wahrscheinlich zu beurtheilen. Gehet demnach die versprochene oder bestimmte Summe auf hundert Thaler und darüber, so daß sie zu einem zinsbaren Capitale anzuwenden stehet, oder entweder ein zinstragendes oder zu verzinsendes Capital, wie gemeiniglich geschiehet, dazu verbrauchet werden muß, als wie in­sonderheit alle Kauf-Gelder von unbeweglichen Gütern und liegenden Gründen anzusehen sind, so würde zwar von ältern Zeiten der Neue Zweydrittel-Fuß eintreten, welcher auch in Unserm Herzogthum Sachsen-Lauenburg noch jetzo Statt finden muß. Nachdemmalen aber in Unsern übrigen deutschen Landen wegen der seltener gewordenen Zweydrittel-Stücke insonderheit seit den Zeiten des letzten Krieges aufgekommen, die Capitalien fast durchgehends in Pistolen zu belegen, so wird, so lange solches beybehalten wird, die Auslegung auf Pistolen zu fünf Thalern zu machen seyn. Bey Pacht-Geldern aber hat es eine andre Bewandniß. Denn da die Auskünfte der Güter in dem in Unsern Landen im gemeinen Handel und Wandel eingeführten Cassen-Gelde von dem Pächter ge­nossen werden, darnach auch der Pacht-Anschlag eingerichtet wird, so muß der Pächter das ausgelobte Pacht-Geld in Cassen-Münze bezahlen. Und ein gleiches ist von der Haus-Miethe zu sagen. § 60. „Kirch"- oder „Pfarr-Lehn" ist das Patronats-Recht über eine Kirche.

§ 61. Vor einer Obrigkeit „Recht geben und nehmen" zeiget den Gerichts-Ort an, wo ein Beklagter sich einzulassen schuldig ist. § 62. Unter denen Worten: „mit allen Rechten und Gerechtigkei­ten" können die Gerichte, wenn sie nicht schon sonst dem Gute an­kleben, verstanden werden.

§ 63. „Rente" bezeichnet den Genuß eines ab Seiten des Gläubigers unablöslichen Hauptstuhls.

§ 64. Schillings-Güter sind von andern Meyer-Gütern nicht unter­schieden.


Tit. 128                                                                                             299

§ 65. Unter dem Vermächtniß der „Βaarschaft" oder „desbaaren Geldes" sind die etwa vorhandene Schau- und Gedächtniß-Pfenninge, oder auch gesammelte seltne Münzen nicht, sondern nur solche bey Ab­leben des Testirers baar vorräthige Münzen begriffen, welche gänge und gebe sind und im Handel und Wandel gebrauchet werden. Was auch der Testirer davon zum Anlehn bereits versaget, ist unter das vermachte baare Geld nicht zu rechnen.

§ 66. Unter ein Vermächtniß von Juwelen und Geschmeiden sind auch ächte Perlen zu rechnen.

§ 67. Für „getreuen Briefs-Einhaber" ist nur derjenige anzu­nehmen, welcher zeigen kann, daß er rechtmäßig zu dem Besitz der Ver­schreibung gelanget sey.

§ 68. „Schaden" begreift die Entbehrung eines Vortheils und Gewinns nicht unter sich.

§ 69. Zu Weichbilds-Recht gehören die Bürger-Güter, welche an die Stadt-Cämmerey verschoßet werden, wenn schon der Stadt-Rath darüber gar keine Gerichtsbarkeit hat.

§ 70. Unter Verwandten können die bloß versdiwiegerte auch in Fa­milien-Stiftungen niemals begriffen werden.

§ 71. Da die Gold-Gülden bey Strafen nach dem Gerichts-Gebrauch unter deren wahren jetzigen Werth gerechnet werden, so lassen Wir es zwar dabey bewenden. Unsre eigne Gold-Gülden haben ihren bestimm­ten Preiß zu zwey Thaler Cassen-Münze. Was aber die in ältern Zeiten ausgeprägten anlanget, so sind dieselben nach Ausweisung der Reichs-Abschiede von Zeit zu Zeit nicht von einerley Gehalt gewesen. Und dar­nach ist also deren Werth ausfündig zu machen.

§ 72. Ein Marien-Gulden ist zu zwanzig Marien-Groschen zu rechnen.

§ 73. „Münze" ist ein Gegensatz von harten Reichs-Thalern und Zwey-drittel-Stücken.

§ 74. „Habseligkeit" begreifet alles bewegliche Gut. Wohin jedoch auch die ausstehende Capitalien gehören.

§ 75. „Schuld", culpa, ist eine jede unrechtmäßige Handlung.

§ 76. Eine „große Schuld", welche außerhalb denen Verbrechen dem Betrüge und Vorsatz gleich geschätzet wird, ist bey demjenigen vorhan­den, welcher weder seiner eignen Gewohnheit, Kenntniß und Erfahrung, noch denen allgemeinen, allen Menschen beywohnenden Kenntnissen, Erfahrungen und Grundsätzen (gemäß) handelt.


300                                                                                                             Tit. 128 und 129

§ 77. „Bestrebung", diligentia, welche die Rechte in verschiedenen Geschäften erfordern, bestehet in Sorgfalt, Achtsamkeit und Auswählung derer zum Zweck dienlichen Mittel.

§ 78. Wen die Rechte zu einer nicht eingeschränkten Bestrebung ver­bunden halten, der darf es an keinem Theil der nöthigen Sorgfalt und Achtsamkeit ermangeln lassen, und er muß allen Fleiß anwenden, das beste zum Zweck dienliche Mittel zu erfahren und zu gebrauchen.

Titul CXXIX.   Von Rechts-Regeln.

§ 1. Daß man schuldig sey, in Dingen, die Uns nicht schaden, dem andern aber Nutzen schaffen, nachzugeben, ist zwar für keine allgemeine Rechts-Regel zu halten. Sie tritt jedoch alsdenn ein, wenn der einem Lande so nöthige Ackerbau oder sonst das gemeine Beste es erfordert.

§ 2. Das bloße Stillschweigen kann an und für sich keine Einwilligung, am wenigsten in nachtheiligen Dingen, und wenn es durch den bloßen Widerspruch nicht verhindert werden kann, anzeigen. Kann aber das vorzunehmende und dessen Fortgang durch den Widerspruch verhindert werden, oder wäre es auch jemand verbunden, sich desfalls heraus zu lassen, sodann ist dessen Unterlassung für eine stillschweigende Einwilli­gung anzusehen.

§ 3. Die bey Vereinigungen und Verträgen von den Rechts-Lehrern ange­nommene Regel, daß deren anfängliche Verbindlichkeit nur so lange daure, als die Rechte in demselben Zustande, wie sie Anfangs gewesen, bleiben, mögen Wir so schlechterdings für in Rechten gegründet nicht ansehn. Sie kann nur alsdenn Anwendung finden, wenn andergestalt einem dritten zu nahe geschehn würde, oder das Versprechen in Absicht auf den Besitz einer gewissen Sache geschehen, welche Wir hernach ohne Unsre Schuld verlieren oder nicht erlangen.

§ 4. Gleichfalls halten Wir die Regel, daß mit dem Recht des Gebenden auch das Recht des Empfangenden aufhöre, nicht durchgängig denen Rechten gemäß. Sie kann also nur in dem Falle eintreten, wenn keine Verjährung vorhanden; es kann auch dadurch der Fortlauf einer ange­fangenen Verjährung nicht gehemmt werden.

§ 5. Was vor Gericht geschlossen und vollzogen ist, muß so lange für bündig gehalten werden, bis ein wesentlicher Mangel erwiesen wird.

§ 6. Obgleich Unsre deutschen Länder aus verschiedenen Herzogthümern und Grafschaften bestehen, so ist doch bey der jetzigen Einrichtung mit denen öffentlichen Anzeigen niemand, welcher in einem Theil derselben sich aufhält, in Unsern Landen für abwesend zu halten.


Tit. 129                                                                                             301

§ 7. Gegen einen entweder in denen gemeinen oder Landes-Gesetzen ge­gründeten Rechts-Satz findet nur alsdenn eine Ausnahme Statt, wenn bey besondern Umständen das gemeine Beste ein anders erfordert.

§ 8. Es ist nicht anzunehmen, daß jemand das Seinige umsonst wegwer­fen wolle, und die Billigkeit erfordert in denen Contracten und Ver­trägen eine solche Auslegung, daß ein jeder so viel wieder erhalten solle, als er dem andern gebe.

§ 9. Eine Veränderung ist nicht zu vermuthen. Es ist also zu glauben, daß der einstimmige Besitz oder Gebrauch beständig fortgedauert habe, wenn dieselbe Person oder deren Nachfolger sich noch dabey befindet.

§ 10. Ein jeder Erfolg oder That, wobey eine unrechtmäßige Handlung vorhergegangen ist, so daß daher erscheinet, warum es eher so als anders erfolget sey, ist demjenigen, der unrecht gehandelt, jedoch nur so viel die Schadens-Ersetzung anlanget, beyzumessen. Und eben dieses findet Statt, wenn auch eine unrechtmäßige Handlung überall nur vor­hergehet, wenn es nicht klar ist, daß ohne dem dergleichen erfolget seyn würde. Und dieses findet auch in Ansehung der nicht vorherzusehenden, noch abzuwendenden Unglücks-Fälle Statt.

§ 11. Kein übler Erfolg aber kann demjenigen, der recht gehandelt hat, beygemessen werden.

§ 12. Auch andrer Personen unrechtmäßige Handlungen werden zugleich demjenigen beygemessen, aus dessen unrechtmäßiger Handlung erschei­net, warum eher das geschehen als ein anders erfolget sey.

§ 13. Wer einen andern durch Rath und Vorstellungen zu einer That be­wogen und ihm desfalls Unterricht gegeben oder auch nur durch sein Lob und Beyfall vor geübter That die Sache gebilliget, dem ist die er­folgte That und alles weiter daraus entstandene beyzumessen.

§ 14. Wer etwas verwehren können und es zu verhüten und verwehren verpflichtet gewesen, es aber wissentlich unterlassen, der haftet dafür mit.

§ 15. Was die öffentliche Wohlfahrt, Ruhe und Sicherheit stöhret, ist ein jedes Mitglied des Staats, soviel an ihm ist, zu verhüten schuldig.

§ 16. Wer ohne gnugsame Prüfung, Erkundigung und Versicherung andre Personen zu einem gewissen Behuf erwählet hat, muß für dieselben ein­stehen.

§ 17. Wer dasjenige nachher genehmiget, was ein andrer in seinem Namen gethan hat, ist anzusehen, als ob er von Anfang Vollmacht dazu ertheilet hätte.


302                                                                                                                            Tit. 129

§ 18. Unrecht ist alles, was mit eines Menschen allgemeinen und beson­deren Endzweck nicht übereinstimmet.

§ 19. Wer an einem ihn betroffenen Unfall mit einem andern gleiche Schuld hat, hat denselbigen sich selbst zuzuschreiben.

§ 20. Wenn die Rechte die Pflichten eines viri boni, rechtschaffenen Man­nes, erfordern, so muß auch an keiner tugendlichen Pflicht ein Mangel seyn, sondern alles geleistet werden, was sowol die Ehrfurcht gegen Gott und unsre heilige Religion, wie auch der gemeine Nutze des mensch­lichen Geschlechts erheischet, als auch insbesondere daß desjenigen Glückseligkeit, mit welchem man durch einen Contract oder sonst in nähere Verbindung geräth, sofern es dessen eigne Kräfte nicht erlauben und es in des andern Vermögen stehet, in allem, was die nähere Verbin­dung angehet, bestmöglichst befördert werde.

§ 21. Derjenige, welcher etwas ausdrücklich versprochen und übernom­men hat, muß dabey auch für das allergeringste Versehen einstehen, wenn sonst schon die Natur des Contracts es nicht erforderte. Die in den Rechten angenommenen Grade des Versehens und Bestrebens und die da­nach eingerichteten Rechts-Regeln finden also nur bey demjenigen Statt, was ein rechtschaffener Mann auch ohne besonders Versprechen zu leisten hat.


 


Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens

herausgegeben vom Historischen Verein für Niedersachsen

Heft 63   Albrecht Eckhardt

Der Lüneburger Kanzler Balthasar Klammer und sein Compendium Juris. XII und

'257 Seiten, 1964, kartoniert 14,— DM

Heft 64   Walter Janssen

Königshagen. Ein archäologisch-historischer Beitrag zur Siedlungsgeschichte des südwestlichen Harzvorlandes. VIII und 246 Seiten, 1965, kartoniert, als Sonderteil 1 Kartenband mit 21 Karten, zusammen 19,80 DM

Heft 65   Walter Junge

Leibniz und der Sachsen-Lauenburgische Erbfolgestreit. VIII und 184 Seiten, 1965,

kartoniert 16,— DM

Heft 66   Gerhard Meyer

Die Verkoppelung im Herzogtum Lauenburg unter hannoverscher Herrschaft. X und

160 Seiten, 1965, kartoniert 14,— DM

Heft 67    Waldemar Röhrbein

Hamburg und der hannoversche Verfassungskonflikt 1837—1840. XII und 192 Sei­ten, 1965, kartoniert 16,— DM

Heft 68   Hartmut Harthausen

Die Normanneneinfälle im Elbe- und Wesermündungsgebiet mit besonderer Berück­sichtigung der Schlacht von 880. VIII und 263 Seiten, 4 Tafeln, 1967, kartoniert 16,— DM

Heft 69   Barbara Plate

Ghert Klinghe, ein norddeutscher Erzgießer des 15. Jahrhunderts. VIII und 200 Sei­ten, 30 Tafeln, 1967, kartoniert 19,80 DM

Heft 70    Walther Mediger

Mecklenburg, Rußland und England-Hannover 1706—1721. Ein Beitrag zur Geschichte des Nordischen Krieges. Band I, Textband, VIII und 480 Seiten und 1 Klappkarte mit 2 Stammtafeln; Band II, Anmerkungen, Quellen- und Literaturverzeichnis, Register. VI und 228 Seiten, 1967, beide Bände kartoniert, zusammen 36,DM

Heft 71    Armin Reese

Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Weifenhauses 1680-1714. VI und 206 Seiten,

Format 16x24 cm, 1967, kartoniert 16,—DM.

Heft 72    Wolfgang Heinemann

Das Bistum Hildesheim im Kräftespiel der Reichs- und Territorialpolitik vornehmlich

des 12. Jahrhunderts. VIII und 381 Seiten, 3 Falttafeln, 1968, kartoniert 24,—DM.

Heft 73    Justus Lücke

Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1643-1802. Ein Beitrag zur

territorialen Verfassungsgeschichte, VIII und 187 Seiten, 1969, kartoniert 14,- DM.

Heft 74    Jürgen Prüser

Die Göhrde. Ein Beitrag zur Geschichte des Jagd- und Forstwesens in Niedersachsen.

Ca. VI und 150 Seiten, 15 Tafeln, 8 Falttafeln, 1969, kartoniert 18,- DM.

Band 75    Siegfried Busch

Hannover, Wolfenbüttel und Celle. Stadtgründungen und Stadterweiterungen in drei weifischen Residenzen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. XIV und 312 Seiten, mit 49 Abbildungen, davon 22 mehrfarbig, kartoniert 24,- DM.

Heft 77    C. H. Coishorn

Die Hospitalkassen  der hannoverschen Armee.  VIII  und  164 Seiten, kartoniert

16-DM.

AUGUST LAX - Verlagsbuchhandlung - Hildesheim

Best.-Nr. 3478