Project eines Codicis Fridericiani
Pomeranici
oder
Sr. Königl. Majestät in Preussen
Selbst vorgeschriebene Neuverfaßte
Proces-Ordnung nach welcher Alle Processe in einem Jahr durch drey Instantzen
zum Ende gebracht werden sollen.
Stettin
gedruckt bey Herm. Gottfr.
Effenbarten.
(I) Vorbericht.
Seine Königliche Majestät in
Preussen, haben aus einem allergerechtestem Trieb zur Justitz einen Plan
formiret, wornach alle Processe in einem Jahr, durch alle Instantzen, abgethan und
geendiget werden können und müssen.
Die Erfahrung hat auch gezeiget, daß
die Sache möglich sey, indem bey der Regierung, Hof-Gericht, und Consistorio zu
Stettin, nicht ein eintziger von denen 1600 Processen (worunter einige 200 und
250 Jahre gedauret) welche in dem vorigen Jahr geschwebet, übrig geblieben,
sondern auch alle neue Processe von dem Januario, Februario und Martio dieses
Jahres würcklich geendiget seyn.
Wie dann auch alle Processe bey dem
Hof-Gericht zu Cöslin (welche sich im vorigen Jahr auf 730 belaufen) würcklich
abgethan, und theils durch Vergleiche, theils durch Definitivas zu Ende
gebracht, auch von denen neuen Processen des Monaths Januarii, Februarii und
Martii keine oder wenige mehr übrig seyn.
Weil nun Sr. Königl. Majestät
Intention dahin gehet, die Justitz auf einen beständigen und soliden Fuß zu
setzen, so haben Sie allergnädigst befohlen, Dero Plan in eine ordentliche
Process-Ordnung zu verfassen, alles was aus denen unzähligen Edicten in die
Processualia einschlägt, derselben zu inseriren, und künftig, mit Aufhebung
aller übrigen Edicten, eintzig und allein nach dieser Ordnung zu verfahren.
* 2
(II) Damit aber diese Ordnung mit
aller behörigen Sorgfalt eingerichtet werde, so haben Se. Königl. Majestät
bewilliget, daß zuforderst ein Project von dieser Ordnung verfertiget und
gedruckt werde, damit die Pommersche Collegia, und Dero getreue Land-Stände,
auch Advocaten etc. ihre Monita darüber machen, und was etwa noch mehr zu
Befoderung (!) einer wahren Justitz gereichen kan, an die Hand geben mögen.
Es müssen aber diese Monita an den
Groß-Cantzler und Etats-Ministre von Cocceji eingesandt werden, da dann alle
und jede Monita genau erwogen, und dem Befinden nach darauf reflectiret werden
soll, allermassen ohnedem dieses Project, welches in der Eile verfertiget
worden, in vielen Stücken geändert werden muß und soll.
Weil es aber mit dem Druck etwas
langsam zugehet, hat man zur Gewinnung der Zeit sofort die bis ad Part. III.
Tit. 6. abgedruckete Bogen zu distribuiren nöthig gefunden.
Stettin den 6ten Julii 1747.
1 Erster Theil. (Tit. I. §§. 1-2.)
Tit. I.
Von unserer Regierung in dem
Hertzogthum und Fürstenthum Pommern Bestellung, und Vom Richterlichen Amt
überhaupt.
§. 1. Nachdem Wir in unserm
Hertzogthum Vor-Pommern die Regierung mit dem Hofgericht und Consistorio
combiniret haben, so soll künftig nur ein Justitz-Collegium in Stettin
gehalten, und die Regierung genant werden.
§. 2. Diese Regierung soll aus
zweyen Senaten bestehen, und zwar
Der erste oder oberste Senat aus
einem Præsidenten, einem adelichen, und zweyen bürgerlichen Regierungs-Räthen.
Der zweyte oder andere Senat soll
mit einem Vice-Præsidenten, einem adelichen Rath, und zweyen bürgerlichen
Räthen versehen werden: Welcher zweyte Senat auch die Consistorial-Processe
respiciren soll.
Die geistliche Sachen aber, welche
nicht zur Contradiction kommen, als die Examination und Ordinirung derer
Prediger, Abnahme der Kirchen-Rechnung, Besorgung der Kirchen, Schulen,
Hospitäler, und anderer piorum corporum etc. sollen in dem dritten Senat von
dem Directore, dem General-Superintendenten, und zweyen Geistlichen versehen
werden: So bald es aber zum Process komt, und Verhör darüber angesetzt werden
muß, soll der Director die Sache an den zweyten Senat übergeben.
A
2 Erster Theil. Tit. I. (§§. 3.-7.)
§. 3. Wir wollen auch Sechs
Referendarios, halb adelichen, halb bürgerlichen Standes (wann sich dergleichen
habile Subjecta finden) bestellen worvon zwey bey dem ersten Senat, zwey bey
dem zweyten Senat, und zwey bey dem Consistorio gebraucht werden sollen. Von
deren Amt und Function unten §. .
gehandelt werden soll.
§. 4. Wann sich auch junge
geschickte Leute melden, welche als Auscultatores bey der Regierung admittiret
zu werden suchen, wollen Wir gleichfals Sechse, halb adelichen, halb Bürger-Standes
benennen, damit dieselbe sich zur künftigen Beforderung qualificiren können.
§. 5. Ferner wollen Wir unsere
Regierung nicht mit alzuviel Subalternen überhäufen, sondern nur einen
Protonotarium, drey Secretarien, welche zugleich die Registratur verstehen
sollen, sechs Cantzelisten und so viel Copiisten bestellen. etc.
§. 6. Weil alles an dem Præsidenten
und Vice-Præsidenten gelegen, und nimmermehr eine gute und redliche
Justitz-Pflege zu hoffen ist wann die Chefs ihre Räthe und Advocaten nicht übersehen,
die Unordnungen ändern, auch alle Chicannen coupiren können; So wollen Wir
keine andere, als bekante, solide, und adeliche Personen, welche schon eine
zeitlang in Justitz-Collegiis gesessen, derer Rechte und Landes-Verfassungen
kundig, in praxi geübet, auch nebst der Gelahrsamkeit die behörige Activität
und Authorität besitzen, zu diesen wichtigen Aemtern annehmen.
Wir wollen aber bey Vergebung dieser
Chargen Uns daran, ob dieser oder jener Rath der nächste in der Ordnung sey,
gar nicht binden: Allermassen Wir keinem Regierungs-Rath ein Recht in diese
Chargen zu ascendiren zugestehen; sondern Uns nach Gefallen die Besetzung
derselben vorbehalten.
Und wann Wir auch schon einem oder
dem andern eine Exspectantz auf diese Aemter verleihen, wollen wir doch daran
nicht gebunden seyn, vielmehr soll dieselbe als sub- et obrepirt gehalten
werden.
Damit Wir aber auch von der
Capacität des Præsidenten und Vice-Præsidenten völlig versichert seyn mögen; So
sollen dieselbe (wann sie nicht schon vorhin die Proben, welche von einem
Regierungs-Rath erfordert werden, und von welchen jetzo gleich gehandelt werden
soll, ausgestanden) sich dem examini rigoroso unterwerfen.
§. 7. Wann eine Rathsstelle bey der
Regierung erledigt worden, und sich einige Candidaten, sie mögen Referendarii
oder Fremde seyn, darzu angeben, so sollen dieselbe
(1.) Bey unserm Cammer-Gericht in
Berlin öffentlich aus denen schwersten Materiis derer Landes-Rechten einen
morgen, und
(2.) Des andern Tags aus der Pommerschen
Process-Ordnung examinirt werden. Hiernächst
(3.) Wann sie wohl bestanden, (dann
wann es ihnen an der Theorie oder Praxi fehlet, sollen sie auf erfolgten
Bericht sofort abgewiesen werden,) müssen sie überdem eine Probe-Relation aus
einer weitläuftigen und wichtigen Sache verfertigen: Worbey ihnen zugleich
(4.) Ein Correferent zugegeben
werden soll, welcher des Candidati Relation controlliren muß.
(5.) Diese beyde Relationes müssen
in pleno verlesen, hiernächst über die Capacität des Candidati auf Eyd und
Pflicht votirt, und das darüber gehaltene
4 Erster Theil. Ti. I. (§§. 7.-11.)
Protocoll dem Ministre, zu dessen
Departement die Provintz gehöret, zum ferneren Vortrage eingeschicket werden.
Es ist aber nicht genug, daß nach der bisherigen Gewonheit berichtet werde, daß
dergleichen Candidati Hofnung von sich geben, daß sie durch ihre Application
sich künftig qualificiren möchten: Weil Wir unsere Regierung mit Leuten besetzt
wissen wollen, welche die behörige Qualitæten schon haben, nicht aber mit solchen,
die die Capacität erst erhalten sollen.
(6.) Es muß aber ein jeder Candidat,
welcher sich zu dergleichen Charge angibt, vor dem Examine 10 Rthl. erlegen,
welche unter die Examinanten und Correferenten getheilet werden sollen.
(7.) Wann jemand sich durch einen
andern Weg, als Wir hierinn vorgeschrieben, in die Regierung einschleichen
solte, oder wohl gar von dem Examine und der Probe-Relation in Berlin
Dispensation suchen und erhalten würde, muß das Collegium denselben nicht
recipiren, sondern bey unsern Ministren vom Justitz-Departement Vorstellung
thun, und, daß es wider den von uns selbst vorgeschriebenen Plan laufe,
berichten.
Solte alsdann dem ohngeacht dessen
Reception dem Collegio anbefohlen werden, so soll der Rath niemahls darbey
sicher seyn, sondern das Rescript für sub- et obrepirt gehalten, und derselbe
über kurtz oder lang nicht allein dimittirt, sondern auch angehalten werden,
alles, was er an Besoldung und Sporteln erhalten, nebst dem Duplo dem Fisco
erstatten.
(8.) Im übrigen wollen Wir zwar auf
die Referendarios vor andern reflectiren, wann sie gleiche Capacität mit diesen
haben. Wir wollen aber nicht daran gebunden seyn, sondern uns die Ersetzung der
ledigen Stellen hierdurch ausdrücklich reserviren, allermassen dieselbe unter
dem Vorwand, daß sie schon bey der Regierung mit gearbeitet, sich daher kein
Recht anmassen sollen noch können.
§. 8. Es sollen keine Referendarii
angenommen werden, wann sie nicht zuforderst bey der Regierung öffentlich
examiniret worden, und in Theoria et Praxi eine ziemliche Wissenschaft erlangt,
auch eine Probe-Relation abgestattet haben.
Wann die Regierung hievon
Pflicht-mäßigen Bericht erstattet, und das Protocol mit denen Votis
einschicket, wollen Wir wegen deren Reception nähere Verordnung ergehen lassen.
§. 9. Wir wollen auch keinen
Auscultatorem in das Collegium admittiren, als welcher wenigstens 20 Jahr alt,
von gutem Herkommen, und guter Conduite ist, auch seine Studia in Jure auf
einer Königlichen Universität absolviret, und dieserwegen ein gutes Zeugniß von
der gantzen Juristen-Facultät erhalten, anbey zu seiner Subsistentz einige
Mittel hat.
Wann der Candidat diese Umstände
bescheiniget, muß derselbe gleichfalls öffentlich bey der Regierung examiniret
werden: Und wann sich einige Profectus bey ihm finden, wollen Wir auf erfolgten
Bericht unsere Willens-Meinung wegen dessen Reception eröfnen.
§. 10. Mit dem Examine des
Protonotarii soll es eben so, wie mit denen Räthen gehalten werden: Er muß auch
überdem in Berlin bey dem Constitutioniren, und bey denen mündlichen Verhören
einen Tag das Protocol führen.
§. 11. Weil wir zu denen
Secretariaten künftig keine andere, als gelehrte und geschickte Leute, welche
allenfalls die von Hofe aus erforderte Berichte legaliter und cum
A 2
4 Erster Theil. Tit. I. (§§. 11.-19.)
rationibus verfertigen können,
annehmen wollen; So sollen diejenige, welche sich zu diesen Chargen melden,
eben so, wie die Räthe, die Probe ausstehen, und überdem in Berlin die in einem
Tag abgefaßte schriftliche Decreta extendiren.
§. 12. Die Registratores müssen
gleichfalls etwas vom Jure und dem Process verstehen, daher die Regierung
dieselbe darüber examiniren, und von deren Capacité berichten, auch davor
stehen muß.
§. 13. Zu Canzelisten sollen keine
angenommen noch vorgeschlagen werden, welche nicht von bekannten ehrlichen
Eltern gebohren (!), eine gute Erziehung und eine vernünftige Aufführung haben,
zugleich aber auch eine gute und leserliche Hand schreiben, und einen
lateinischen Terminum verstehen, d. i. die Classen durchgegangen seyn.
§. 14. Es ist aber bey Bestellung
dieser Secretarien, Registratoren, und Cantzelisten unser ernstlicher Wille,
daß wenn die Eltern von dieser Profession gewesen, und ihre Kinder darzu
angezogen haben, diese jederzeit fremden præferirt, und uns in Vorschlag gebracht
werden sollen.
§. 15. Die Canzeley-Diener können
zwar von dem Præsidenten vorgeschlagen werden, er muß aber keine andere, als
abgedanckte, oder blessirte Unter-Officierer, deren gute Conduite von dem
Regiment, wo sie gestanden, attestirt wird, und die lesen und schreiben können,
in Vorschlag bringen, und wenn sich dergleichen nicht finden, wollen wir auf
erhaltene Nachricht dem Collegio dieselbe zuschicken.
§. 16. Vorgedachte unserer Regierung
ertheilen Wir hiedurch eine volkommene Macht und Autorität, an unserer Statt,
und in unserm allerhöchsten Nahmen alle Public- und Privat-Sachen, insonderheit
aber, die derselben anvertraute geist- und weltliche Justitz- und
Process-Sachen, wie dieselbe beschaffen seyn mögen, zu enscheiden, und zur
gebührenden Execution zu bringen (et)c. Sie müssen aber die Processe, auf ihre
theure geleistete Pflicht auf alle rechtliche Art, und nach dieser Ordnung zu
verkürtzen, und dieselbe durch alle Instantzen in einem Jahr zum Ende zu
bringen suchen; allen Menschen ohne Ansehen der Personen, Grossen und Kleinen,
Reichen und Armen, gleiche und unpartheyische Justitz administriren, so wie Sie
gedencken vor dem gerechten Richterstuhl GOttes solches zu verantworten, damit
die Seufzer der Witwen und Waysen, auch anderer Bedrängten, nicht auf ihr und
ihrer Kinder Haupt kommen mögen.
§. 17. Sie sollen auch auf keine
Rescripta, wenn sie schon aus unserm Cabinet herrühren, die geringste Reflexion
machen, wann darin etwas wider die offenbahre Rechte sub- et obrepirt worden,
oder der strenge Lauf Rechtens dadurch gehindert und unterbrochen wird: Sondern
sie müssen nach Pflicht und Gewissen weiter verfahren, jedoch von der Sache
Bewandniß sofort berichten.
§. 18. Gleich wie Wir von
wohlgezogenen und vernünftigen Räthen, insonderheit welche adelichen Herkommens
seyn, nicht vermuthen (!), daß dieselbe ihre GOtt und Uns schuldige Pflicht
dergestalt vergessen, und sich durch Geschencke und Versprechungen, oder durch
Animosität, Freund- oder Feindschaft werden bewegen lassen, die Justitz zu verkaufen,
oder eine offenbahre Ungerechtigkeit zu begehen; also wollen Wir, wann Uns
dergleichen vorgebracht würde, Uns sofort nicht zu einigem Mißtrauen,
vielweniger zu einer Ungnade gegen Sie bewegen lassen, sondern Sie zuforderst
darüber zulänglich hören und vernehmen.
§. 19. Würde sich aber nach genauer
Untersuchung finden, daß jemand sich durch Gift und Gaben habe bestechen
lassen, so soll derselbe, er sey hohen oder niedrigen Standes,
5 ErsterTheil. Tit. I. (§§. 19.-28.)
als infam cassirt werden, und was er
empfangen dem Fisco mit Beyfügung des Dupli anheim fallen. Worbey wir uns
ausdrücklich vorbehalten, nach Beschaffenheit der Sachen und Umstände, den
Richter mit Leib, und wol gar mit Lebens-Strafe zu belegen.
§. 20. Der Advocat oder Procurator
welcher die Geschencke offerirt, oder seiner Parthey solche zu geben anrath,
oder das Præsent würcklich einliefert, soll ewig zur Karre gebracht, oder auch,
dem Befinden nach, gar am Leben gestraft werden.
§. 21. Wann ein anderer Unterhändler
darunter gebraucht wird, derselbe soll mit einer starcken Geld-Busse, oder mit
zeitlicher Vestungs-Arbeit belegt werden.
§. 22. Wann ein fiscalischer
Bedienter davon einige Nachricht erhält, und einige nicht ungegründete
Vermuthungen vorhanden seyn, muß er solches dem Præsidenten bey Strafe der
Cassation anzeigen, welcher uns immediate davon, wann die Denunciation einigen
Grund hat, berichten soll.
§. 23. Damit aber denen Richtern
kein Vorwand übrig bleibe die Corruptiones zu bemänteln, so wollen Wir nicht
allein würckliche angenommener Geschencke darunter begreifen; Sondern wann auch
dergleichen nur versprochen, oder pro promovenda justitia, oder nach
ausgesprochener Urthel pro studio et labore, oder unter was für einem Prætext
es geschehe, offeriret werden. Ja wann sie auch nur in esculentis et potulentis
bestehen.
§. 24. Unter die Corruptionen wollen
Wir auch verstehen, wann des Richters Frau, Kindern, oder nahen Anverwandten
etwas offeriret oder versprochen wird, es mag in Geld, Geldes Werth, oder
einigen Beneficiis bestehen.
§. 25. Derjenige, welcher die
Corruption würcklich angebracht soll Sachfällig declariret, und nicht weiter
gefragt werden, ob die Sache recht oder unrecht sey: Welches auch statt haben
soll, wann schon die Sententz zur Execution gebracht, und einige Zeit nachher
die Corruption entdecket worden; und soll der gewinnende Theil ohne weiteres
Verfahren zur Restitution angehalten werden.
§. 26. Es soll auch demjenigen der
den Process verlohren hat frey stehen, binnen drey Tagen, nachdem das
End-Urthel zu seiner Wissenschaft gekommen, dem Gegentheil und dessen Advocato,
prævio juramento calumniæ, den Eid zu deferiren, daß er weder durch Gift und
Gaben, noch durch Versprechungen einiger Erkäntlichkeit an die Richter, oder
derer Angehörigen und Freunde, noch durch andere verbothene Wege das obsigliche
Urthel erhalten habe.
§. 27. Wann der Regierung und deren
Membris zwar keine Corruption, wohl aber eine aus Animositæt begangene
offenbahre Injustitz imputiret wird, und bey der Untersuchung solches wahr
befunden wird, so soll der Richter eben so wie vorhin geordnet ist als ein
Meineidiger bestraft werden.
Im Fall aber die Ungerechtigkeit aus
einer Ignorantz herrühret, soll der Rath dimittirt, und demjenigen, welcher
über das Unrecht geklagt, die Kosten des gantzen Processes zu erstatten
schuldig seyn.
§. 28. Weil aber die Unschuld auch
sicher seyn, und von rechtschaffenen und unbefleckten Richtern alle
Verunglimpfung abgelehnt werden muß, so soll es mit denen, welche denen
Richtern dergleichen Corruption, oder sonst eine andere vorsetzliche offenbahre
B
6 Erster Theil. Tit. I. (§§.
28.-30.) II. (§§. 1.-2.)
Ungerechtigkeit ohne Grund
imputiren, und dieselbe nicht erweisen, folgendergestalt gehalten werden.
Wann es eine bürgerliche und nicht
in dignitate constituirte Person ist, die den Richter einer Corruption oder
vorsetzlichen Ungerechtigkeit beschuldiget, so soll dieselbe mit
Staupen-Schlägen des Landes verwiesen; deren Advocat, auch der das Memorial
unterschrieben, und der Concipient welcher das Memorial verfertiget, sollen mit
gleicher Strafe belegt werden.
Wann es aber ein Edelmann, oder eine
andere mit einem vornehmen Amt bekleidete Person ist, soll dieselbe von denen
Revisoribus der Acten, wann der Richter unschuldig befunden wird, pro infami
declariret werden, folglich ihres Amts verlustig gehen, dem Richter einen
öffentlichen Wiederruf thun, und noch darzu nach ihrem Vermögen bis 2000 Rthlr.
Geld-Strafe geben; und behalten Wir Uns bevor das Jus talionis befundenen
Umständen nach noch weiter zu extendiren.
§. 29. Wann Frembe dergleichen
Ehren-rührige Beschuldigungen in ihren Schriften vorgeben würden, sollen die
Ober- und Unter-Gerichte Macht haben, dieselbe, wann sie unter ihrer
Bothmaßigkeit anzutreffen seyn, so lange in Person zu arrestiren, bis dasjenige
was wider sie erkannt ist zur Execution gebracht worden:
Wann sie aber weder unter ihrer
Bothmaßigkeit anzutreffen seyn, noch auf richterliche Citation erscheinen,
sollen sie in der Haupt-Sache nicht weiter gehöret, und auf des Gegentheils
Ansuchen in Contumaciam verfahren, deren Ablieferungen per Requisitoriales
verlanget, und wann dieselbe verweigert wird, dem Befinden nach derer Nahmen an
den Galgen geschlagen werden.
§. 30. Schließlich muß in
Abwesenheit des Præsidenten der Vice-Præsident, und wann dieser verhindert
wird, der vorsitzende Rath, er mag adelichen oder bürgerlichen Standes seyn,
das Directorium führen.
Tit. II.
Zu welcher Zeit die Regierung
gehalten werden soll, und von denen Feriis.
§. 1. Es soll bey der Regierung viermahl
Gerichts-Tag in der Wochen gehalten werden; nemlich den Montag, Mitwoch,
Freytag und Sonnabend.
§. 2. In denen drey ersten Tagen,
wird alles was gerichtlich verhandelt werden muß, vorgenommen; den vierten Tag,
nehmlich des Sonnabends, werden die Verhöre die in der Woche übrig gebliben
continuiret, und die Behörs-Bescheide und Urthel, auch andere Sachen, welche in
der Wochen nicht haben referiret oder abgethan werden können, vorgetragen und
expediret, wovon die Ordnung unten Tit.
. vorgeschrieben wird.
7 Erster Theil. Tit. II. (§§. 2.-7-)
III. (§§. 1-2.)
Alle Sonnabend müssen auch die
Criminal-Räthe die Inquisitions-Sachen in dem zweyten Senat vortragen, und die
Criminal-Urthel berichtigen.
Den Dienstag und Donnerstag werden
die geistliche Sachen verhandelt, wie solche Tit. I. §. 2. dem dritten Senat
zugeeignet worden.
§. 3. An denen Sonn- Fest- und
Buß-Tagen, sollen keine gerichtliche Handlungen vorgenommen werden, es wäre
denn daß wegen Insinuation der Testamentorium, Interposition und Introduction
der Appellationen, oder andern Fatalien halber, auch wegen Arreste, und sonst,
die Sache keinen Verzug leiden wolte. Wie denn auch Contracte, Gedinge,
Verträge und Vergleiche, auch andere willkührliche Handlungen die keiner
gerichtlichen Solennität bedürfen, sonderlich nach verrichtetem Gottesdienst,
wohl mögen errichtet und vollzogen werden.
§. 4. Es soll auch die Regierung in
der Oster- Pfingst- und Christ-Woche jedesmahl 14 Tage, und in der Erndte 4
Wochen, nehmlich vom 20ten Julii bis den 20ten Augusti geschlossen seyn.
§. 5. In diesen letzen Ferien können
nicht allein schriftliche Supplicata übergeben, sondern auch Tutores und
Curatores bestellet, auch in Wechsel- und andern Sachen welche eine schleunige Expedition
erfordern, Verhöre angesetzt, und was Unser Præsident und Räthe sonst nöthig
erachten veranlasset werden.
Zu dem Ende müssen die gegenwärtige
Räthe in der Wochen, und zwar des Mitwochs, und bey dem Consistorio des
Donnerstags, einmahl zusammen kommen, und die ihnen distribuirte Memorialien
referiren, auch was sonst vorkommen möchte abthun.
§. 6. Die Erndte-Ferien sollen nicht
allein denenjenigen welche damit würcklich beschäftiget, sondern auch denen so
damit nicht occupirt seyn, zustatten kommen.
§. 7. Die Partheyen können sich auch
in andern nicht excipirten Fällen der Ferien begeben, und sich in den Process
einlassen.
Tit. III.
Von dem Amte des Præsidenten.
§. 1.
Der Præsident muß en general alle
Sachen und Handlungen welche zum Departement der Regierung gehören, so wohl in
als ausser Gericht dirigiren, und beyde Senatus, nebst dem Consistorio, müssen
demjenigen was er befiehlet gehorchen, gestalten derselbe allein die
Memorialien und die Acta distribuiret, Re- und Correferenten bestellet etc.
§. 2. In Specie aber præsidiret er
in dem ersten oder Ober-Senat, und muß darauf Achtung geben, daß die Ordnung
von demjenigen was in pleno verhandelt werden soll, wie unten Tit. . §. .
vorgeschrieben ist, genau beobachtet werde.
B 2
8 Erster Theil. T. III. (§§. 3.-6.)
§. 3. In denen 4 Gerichts-Tagen muß
er alle Morgen præcise um 8 Uhr, auf der Regierung sich einfinden, denen
Audientzen vom Anfang bis zum Ende beywohnen, und sich ausser wichtigen
Ursachen nichts davon abhalten lassen; Auch dahin sehen, daß die Räthe und
Subalternen zu rechter Zeit bey der gesetzten Strafe erscheinen; Im übrigen
aber in genere darauf Achtung geben, daß ein jeder sein Amt nach Anleitung der
vorgeschriebenen Ordnung thue, gestalten er die Säumige privatim, oder, wann es
nöthig, im Collegio ermahnen; wann dieses aber nicht helfen will immediate an
Uns berichten soll. Inmassen Seine Königl. Majestät, wann Klage über die
Bedienten geführet wird, und der Præsident solche nicht abstellet, oder nicht
davon berichtet, sich an ihn halten werden.
§. 4. Er muß das Regierungs-Siegel
in guter Verwahrung unter seinem Schloß halten, dasselbe in keiner andern als
in denen Regierungs-Sachen gebrauchen, oder gebrauchen lassen, die Siegelung
aber in seinem Hause durch die geschworne Cantzeley-Diener verrichten lassen;
Alles was unter diesem Siegel ausgefertiget wird muß er unterschreiben, oder,
wann er verhindert wird, solches dem Vice-Præsidenten, und in dessen Entstehung
dem vorsitzenden Rath des ersten Senats anvertrauen.
§. 5. Er muß davor sorgen, daß die
Cantzeley-Diener ihm alle Nachmittag die Specification derer Memoralien, den
Tage-Zettul, und die Distributions-Bücher vorlegen müssen; Er muß auch sofort
die Decernenten und Referenten beyfügen, und dahin sehen, daß in allen diesen
Puncten nach der Ordnung wie solche unter Tit.
. §. . vorgeschrieben worden,
verfahren, die Decreta, Bescheide, und Urthel ohne Nachsicht verfertiget und
publiciret, und die sämtliche Processe in einem Jahr geendiget werden.
§. 6. Wann Rescripta oder
Cabinets-Ordres einlaufen, muß der Præsident dieselbe sofort dem Collegio
publiciren, und dahin sehen, daß dasjenige was Wir darin anbefohlen haben,
schleunig expediret und zur Execution gebracht werde.
Wann etwa Bericht darin erfordert
wird, muß der Præsident nach beschehener Publication den Referenten sofort
benennen, und davor sorgen, daß die Acta demselben, noch denselbigen Tag, zu
Abfassung des Berichts zugestellet werden.
Und damit der Præsident wissen könne
ob das befohlene zur Execution gebracht, oder der etwa erforderte Bericht
abgestattet sey; So muß er sich eine besondere Tabelle der eingelaufenen
Rescripten verfertigen, und 1.) die Nahmen der Partheyen, 2.) das Datum, und
3.) Præsentatum, 4.) contenta Rescripti, und 5.) den Decernenten, oder wann
Bericht erfordert wird, den Referenten notiren etc. Diese Tabelle muß er
beständig auf der Regierung vor sich liegen haben, und, wann der Bericht
verlesen und approbiret worden, vor die Expedition sorgen, auch 6.) wenn
solches geschehen, und 7.) der Bericht gesiegelt und auf die Post gegeben
worden, dieses gleichfalls in die Tabelle eintragen.
Es muß aber der Præsident darauf
Achtung geben, daß auch demjenigen, was vermöge des Decreti anbefohlen worden,
nachgelebt werde; massen nicht genug ist, wenn z. E. von denen Unter-Gerichten
Bericht darüber erfordert, oder der Parthey injungirt wird, dem Rescripto ein
Genügen zu thun (et)c. sondern er muß dahin sehen, daß allen dergleichen
Verordnungen ein Terminus sub pœna inserirt werde, binnen welchen Paritio
docirt, oder der Bericht eingeschicket werden soll: Bis dahin muß der Præsident
die Tabelle nicht weglegen.
Wann die Unter-Richter oder
Partheyen hierunter säumig seyn, muß der Præsident die Straffe so fort
beytreiben.
9 Erster Theil. Tit. III. (§§.
7.-12.)
§. 7. Wann Klage über das Verfahren
der Regierung und deren Decreta geführet wird, insonderheit wenn es Officirs
und Soldaten betrift, muß der Præsident Acta selber nachsehen, und die Kläger
umständlich mit Rationibus bescheiden; Wann sie sich mit Gleich und Recht nicht
begnügen wollen, sondern die Regierung weiter importuniren, muß er dem
Commandeur davon Nachricht geben, und wann dieser dem Kläger keinen Einhalt
thut, an Uns immediate berichten.
§. 8. Er muß die Einigkeit in dem
Collegio fleißig zu unterhalten suchen, jedem ein freyes Votum verstatten, und
dahin sehen, daß keiner dem andern in seiner Ordnung obloquire, und in die Rede
falle; sondern daß einer gegen den andern sich aller gebührenden Bescheidenheit
gebrauche: Würde sich aber jemand unterstehen sich anzüglicher und
schimpflicher Reden zu gebrauchen, soll der Præsident dieserwegen, und wer den
Anfang dazu gemacht, immediate an Uns berichten.
Wann die Räthe und Gerichts-Bediente
unter sich in Streit und Uneinigkeit gerathen, soll keiner mit dem andern in
Wortstreit sich einlassen, oder denselben zur Rede stellen, sondern derjenige,
welcher sich offendiret zu seyn vermeynet, soll dem Præsidenten solches
anmelden, welcher entweder allein, oder mit Zuziehung ein Paar Räthe, den
Streit in Güte beylegen, oder in deren Entstehung dahin sehen muß, daß kein
Scandalum und Verhinderung in denen gerichtlichen Verrichtungen daraus
entstehe: Wann solches nicht zu hindern, muß der Præsident die Sache dem
Collegio übergeben und rechtlich darüber erkennen lassen.
§. 9. Von Privat-Informationen der
Partheyen, müssen sowohl der Præsident, als übrige Membra Collegii, sich
enthalten: Um so vielmehr, da jetzo die Processe beschleuniget werden sollen,
folglich dem Collegio die ohnedem benöthigte Zeit, durch dergleichen mündliche
Informationes entzogen wird. Dahingegen einer jeden Parthey und deren
Sachwalter frey stehet, durch ein pro Memoria über die Protraction der Justitz
bey dem Præsident sich zu beschweren, oder sonst seine Nothdurft schriftlich
vorzustellen, welcher darauf Acta selber nachsehen, und dem Befinden nach
remediren muß.
§. 10. In denen Ferien muß der
Præsident die gegenwärtige Räthe anhalten, daß sie einen Tag in der Wochen
zusammen kommen, und die unterdessen eingelaufene Sachen (welche ihnen in denen
Ferien distribuirt werden) vortragen, und decretiren, die fertige Relationes
ablesen, auch die Verhöre, worinnen Periculum in mora, abwarten müssen.
§. 11. Der Præsident muß das
Distributions-Buch beständig in der Audientz vor sich liegen haben, und
nachsehen, ob auch die Relationes in der gesetzten Zeit verfertiget, und die
Urthel publiciret worden, und sodann die Sache durchstreichen; Wiedrigenfalls
aber sich nach der Ursache der Verzögerung erkundigen, und die Säumige zu ihrer
Schuldigkeit anhalten.
§. 12. Er muß sich alle Monath die
neue eingelaufene Processe so weit dieselbe noch nicht abgethan sein, vorlegen
lassen. Eine jede besonders nachsehen, und examiniren, ob der Process von denen
Advocaten von Anfang recht instruiret worden? ob und von wem die Sache verschlept
werde? ob die Sache, insonderheit wann sie eine Kleinigkeit betrift, nicht zu
vergleichen sey? etc. Er muß dem Befinden nach denen Advocaten und Decernenten,
wann sie etwas versehen haben, solches ex officio anzeigen, und die erstere
anweisen, wie sie die Sache beschleunigen, und zum Ende bringen sollen.
C
10. Erster Theil. Tit. III. (§§.
13.20.)
§. 13. Er muß vor allen Dingen auf
die Depositen-Casse Achtung geben, alle Monath dieselbe durch ein Paar Räthe
visitiren, und darüber ein Protocol halten lassen, und, nach Anleitung der
Constitution von denen Depostitis, vor deren Sicherheit sorgen.
§. 14. Es muß der Præsident auch auf
die Advocaten genaue Achtung geben, daß sie in gehörigen Schrancken gehalten
weden, und von ihnen dasjenige worzu Wir die Advocaten unten Tit. . §. .
angewiesen, genau beobachtet, dieselbe auch, wenn sie dagegen handeln, mit
denen darauf gesetzten kleinen Strafen belegt werden, allermassen der Præsident
davor stehen soll.
Im Fall einer oder der andere von
denen Advocaten die ihm vorgeschriebene Pflicht nicht beobachtet, soll der
Præsident solches im Collegio vortragen, da dann, wann das Collegium davon
berichtet, der Advocat sofort ohne weitere Untersuchung der Ursache dimittirt
werden soll.
§. 15. Die Advocaten müssen alle
Jahr dem Præsidenten eine Tabelle von ihren Processen einliefern, wie solche
oben Tit. I. §. 6. vorgeschrieben worden.
§. 16. Es muß auch der Præsident ein
wachsames Auge auf die Fiscæle haben, und den Advocatum Fisci anhalten, daß er
alle Monath die eingelaufene Listen derer fiscælischen Processe ihm zustellen
müsse: Diese Listen muß der Præsident sorgfältig examiniren, und nachsehen, ob
nach der Criminal-Ordnung in denen specificirten Sachen verfahren sey.
Im Fall einer oder der andere sein
Amt nicht thut, muß der Præsident davon berichten, da dann der säumige Fiscalis
sofort dimittiret werden soll.
§. 17. Der Præsident muß auch auf
die Unter-Gerichte fleißig Achtung geben, und sich erkundigen, ob die Justitz
daselbst auch kurtz und gut, und ohne grosse Kosten administriret werde.
Gestalten die Räthe, wann Sachen per appellationem von denen Unter-Gerichten an
die Regierung gelangen, bey ihren Relationen solches jederzeit genau anmercken,
und dem Præsidenten anzeigen müssen, ob in dem modo procedendi eine
Irregularität sich herfür thue; da dann durch ein besonderes Rescript der
Unter-Richter zu mehrerer Regularität angewiesen, und dem Befinden nach
gestraft werden soll.
§. 18. Alles was zu Beförderung der
Justitz gereichen kan muß unser Præsident bey allen Audientzen fleißig
anmercken, insonderheit die Mißbräuche welche bey denen Processen
einschleichen, oder welche ihm von denen Räthen und Subalternen angezeigt
werden, notiren, und die Remedur besorgen; allenfalls aber, und wenn er nicht
remediren kan, oder wann eine Aenderung in einem und andern Punct zu machen,
mit dem Collegio solches überlegen, und davon berichten.
§. 19. Es muß also der Præsident in
genere Recht und Gerechtigkeit handhaben, alle Passionen und Neben-Absichten
bey Seite setzen, den Armen sowohl als denen Reichen strenges Recht, ohne
Ansehen des Standes, wiederfahren lassen, insonderheit aber vor Gift und Gaben
sich hüten, weshalb derselbe auf dasjenige was oben in Tit. I. §. 18. et seq.
versehen ist, verwiesen wird.
§. 20. Weil auch verschiedene
Tabellen zu gewissen Zeiten nach der bisherigen Gewohnheit zu verschiedenen
Zeiten eingeschicket werden müssen, so muß der Præsident davor sorgen.
11 Erster Theil. Tit. III. (§§.
20.-21.)
I. Daß alle Jahr im Januario Uns
zugefertiget werden
1.) Die gewöhnliche
Process-Tabellen.
2.) Die Tabelle von den Depositen.
3.) Die Tabelle von denen Getauften
und Gestorbenen.
Und um Trinitatis
4.) Die Liste betreffend die
Straf-Gelder.
II. Alle Quartal
1.) Die Liste der abgethanen und
verglichenen Processe, wie viel noch vorhanden, und von welchem Jahr, auch wer
die Advocaten seyn.
2.) Die Criminal- und fiscalische
Tabellen.
Und III. Alle Monath
1.) Eine Tabelle von denen in denen
Audientz-Tagen erschienenen und abwesenden Räthen.
§. 21. Schließlich muß der Præsident
bey Antretung seines Amts sich mit nachfolgenden Eyd verbindlich machen:
Ich N. N. gelobe und schwere dem
Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten König und Herrn, Herrn Friderich Könige
in Preussen, Marggrafen zu Brandenburg, obersten Hertzog in Schlesien etc. etc.
meinem allergnädigsten Könige und Herrn etc. Nachdem Seine Königl. Majestät
mich zum Præsidenten der Pommerschen und Caminischen Regierung allergnädigst
bestellet und angenommen, daß Seiner Königlichen Majestät ich will getreu,
gehorsam und gewärtig seyn, Dero Bestes wissen und fördern, Schaden und
Nachtheil aber nach Vermögen warnen und abwenden; So will ich auch Meinem
Præsidenten-Amt Inhalts der neuen Regierungs-Ordnung getreulich und redlich
vorstehen, nach gemeinen beschriebenen Rechten, ehrbahren und guten Ordnungen,
Begnadungen, Statuten und Gewohnheiten, sofern dieselbe vorkommen und beglaubet
werden, meinem besten Verstande nach, männiglichen hohen und niedrigen Standes,
ohne Ansehen der Personen, gerne hören, gleich urtheilen, mich weder Furcht,
Dräuung, Gewalt, Befehl, eigene Geschäfte, Liebe, Neid, Freund- oder
Feindschaft, Gabe oder andere Sachen, in was Nahmen es immer geschehen möchte,
nicht bewegen lassen, auch mit niemanden einigerley Anhang im Urtheilen suchen
noch machen, von den Partheyen so für Gericht zu handeln oder zu thun haben,
oder andern ihrentwegen kein Geschenck, Gabe, Nutzung, durch mich selbst oder
andere nehmen, oder in meinen Nahmen nehmen lassen, keiner Parthey rathen oder
Warnung thun, die Heimlichkeiten der Rathschläge und Gerichts den Partheyen
oder andern, für oder nach der Urthel nicht eröfnen, die Sachen und Urthel
böser Meynung nicht vorziehen, sonsten auch auf die Mängel bey dem Gerichte
fleißige Aufmerckung haben, dieselbige abschaffen, die, zum Gerichte und in der
Cantzley verordnete Personen, zu fleißiger Abwartung ihres Amts fleißig
ermahnen und anhalten, das Siegel so Seiner Königliche Majestät mir
anvertrauen, in guter Verwahrung halten, und davor sorgen wolle daß alle Processe
in einem Jahr, so viel es nach menschlichn Vermögen geschehen kan, zum Ende
gebracht werden; daß ich auch sonsten alles thun und verrichten will, was einen
aufrichtigen getreuen Regierungs-Præsidenten gebühret und wohl anstehet; Alles
getreulich und sonder Gefährde. So wahr mit Gott helfe durch Jesum Christum
etc.
C 2
12 Erster Theil. Tit. IV. (§§.
1.-7.) V.
Tit. IV.
Von dem Amt des Vice-Præsidenten.
§. 1. Der Vice-Præsident præsidiret bey
dem zweyten Senat, wann dieser in die Neben-Stube abgetreten ist: Wie er dann
auch, wann der Præsident abwesend ist, oder sonst verhindert wird, dessen
Stelle bey dem ersten Senat versehen soll.
§. 2. Er muß des Morgens um 8 Uhr
sich in der Regierung einfinden, und sich ohne des Præsidenten, und wann er
ausser der Provintz verreisen will, ohne Unsere Special-Bewilligung nicht
absentiren.
§. 3. Er muß die ihm von dem
Præsidenten zugeschriebene Relationes gleich denen andern Räthen mit
übernehmen, wie er dann auch aus denen ihm zugeschriebenen Memoralien den
Vortrag im Collegio thun muß.
§. 4. So bald die mündliche Verhöre
geschlossen, muß sich der Vice-Præsident mit seinen Räthen in die Neben-Stube
verfügen, und die Bescheide über die gehaltene Protocolla verfertigen, die
Behörs-Bescheide nebst denen Relationen zu sich nehmen, wohl verwahren, und in
den Tage-Zettul einsetzen lassen, damit solche in der nächsten Audientz
publiciret werden können.
§. 5. Er muß auch davor sorgen, daß
die Räthe seines Senats die ihnen distribuirte Acta zu rechter Zeit referiren,
solche mit behörigen Fleiß ausarbeiten, und den Bescheid nach denen Majoribus
abfassen: Er muß auch ferner sorgen, daß die abgefaßte Bescheide dem
Proto-Notario sofort verschlossen eingeliefert, auch in der nächsten Audientz
publiciret werden.
§. 6. Damit aber der Vice-Præsident
wissen möge, was für Sachen dem zweyten, Senat distribuirt worden, und daher
Achtung geben könne, daß alle Bescheide und Urthel zu gehöriger Zeit referiret
werden, so soll ihm alle Tage eine Specification von denen dem zweyten Senat
distribuirten Sachen, und darin verordneten Referenten von dem Registratore
verschlossen communiciret werden.
§. 7. Der Vice-Præsident muß bey
seiner Reception eben den Eyd abschweren, welcher dem Præsidenten
vorgeschrieben worden.
Tit. V.
Von dem Amt des
Consistorial-Directoris.
13. Erster Theil. Tit. V. VI. (§§.
1.-5.)
Weil wegen der geistlichen Sachen
eine besondere Consistorial-Ordnung verfertiget worden, wo von dem Amt des
Directorii gehandelt wird, so wollen Wir uns lediglich darauf beziehen.
Tit. VI.
Von dem Amt derer Regierungs-Räthe.
§. 1.
Unsere Regierungs-Räthe sollen des
Morgens præcise um 8 Uhr auf der Regierung erscheinen, oder 8 Gr. in die
Armen-Büchse erlegen, zu welchem Ende die Sessions-Listen monathlich
eingeschickt werden sollen. Sie müssen auch bis zum Ende in der Audientz
bleiben, und währender Session nicht ohne wichtige Ursachen aus der
Audientz-Stube gehen, noch sich mit denen Advocaten oder andern bereden.
Wann sie wegen Kranckheit
nothwendiger Weise, oder andern erheblichen Ursachen nicht erscheinen können,
müssen sie die Ursach dem Præsidenten schriftlich anzeigen, und an Eydes statt
solche bekräftigen.
§. 2. Die Memorialien, welche ihnen
distribuiret werden, müssen die Räthe mit Bedacht zu Hause lesen, mit denen
Acten (welche zu dem Ende jederzeit beygefüget werden) conferiren, die Contenta
auf einem besondern Zettul extrahiren, das Decret darunter schreiben, und des
andern Tages in pleno daraus vortragen, die Suplicanten auf alle und jede
Puncte klar und deutlich bescheiden, auch, wann sie nach den angeführten
Umständen etwas unrecht bitten, dieselbe was sie thun sollen anweisen, und,
wann wider die Acta und Jura geschrieben wird, die Partheyen und den Advocaten
mit Gelde, oder Gefängniß bestrafen.
§. 3. Insonderheit müssen die Räthe
auf die libellos actionum genau Achtung geben, ob die Sache nach der denen
Advocaten gethanen Vorschrift instruiret, die Vollmacht besorget, die Documenta
beygeleget, und die Conclusion auf die Præmissa recht eingerichtet sey: Wann
solches nicht geschehen, müssen sie den Libellum mit der gewöhnlichen
Bestrafung zurück geben, und den Kläger, wie er allenfalls seine Action
anstellen müsse, anweisen.
§. 4. Auf diejenige Memorialien,
worinn die Fiscæle anfragen ob eine General- oder Special-Inquisition
anzustellen, müssen die Räthe mit besonderer Behutsamkeit die Resolutiones
abfassen, die Qualitatem denunciationis, und die darin enthaltenen Indicia,
genau und gewissenhaftig examiniren, und sich überall nach dem fiscalischen
Reglement (vid. Tit. . §. .) achten.
§. 5. Wann Remedia von denen
Unter-Gerichts-Bescheiden gesucht werden, muß der Decernente nicht sofort ein
Communicetur darauf verordnen, oder die Justification abwarten; sondern, wann
nach dieser Ordnung die Remedia nicht statt finden, den Provocanten
schlechterdings abweisen, und den Advocaten in 10. bis 20. Rtlr. Strafe
condemniren.
D
14 Erster Theil. Tit. VI. (§§.
5.-10.)
Wie dann auch, wann die Sache sich
zu denen Remediis nur ad effectum devolutivum qualificirt, dem Unter-Richter,
welcher die Execution fortzusetzen gehalten ist, kein Einhalt geschehen muß.
Gleiche Bewandniß hat es mit denen
Appellationen, welche an das Tribunal gelangen: dergestalt, daß wann jemand in
verbothenen Fällen, oder welche keinen Effectum devolutivum haben, appellirt,
das Collegium non attenta appellatione mit der Execution verfahren, jedoch
sofort dem Tribunal die Ursache anzeigen soll.
§. 6. Wann aus denen Memorialien
sich hervor thut daß der Gegentheil dagegen gehöret werden muß, und die
Umstände so beschaffen, daß bey einem anzusetzenden Verhör die Sache, als zu
weitläuftig, loco oralis verwiesen werden dürfte, so soll der Decernente zu
Ersparung der Zeit keinen Terminum ansetzen, sondern sofort, nach Beschaffenheit
der Sachen, dieselbe loco oralis von 3. zu 3. oder von 8. zu 8. Tagen, oder von
3. zu 3. Wochen verweisen, und zwar mit der Formul:
Communicetur dem Gegentheil, cum
Mandato wie gebethen, eventualiter aber seine Exceptiones binnen 3. oder 8.
oder 14. Tagen (et)c. a die insinuationis loco oralis einzubringen, und haben
alsdann beyde Theile binnen gleicher Zeit loco protocolli zu schliessen.
Die Secretarii müssen eine accurate
Specification von denen Sachen, welche dergestalt loco oralis verwiesen worden,
verfertigen, und alle Gerichts-Tage dem Præsidenten vorlegen.
§. 7. Bey dem Constitutioniren oder
mündlichem Vorträgen derer zur Instruction des Process gehörigen Memorialien,
müssen die Räthe auf den Vortrag der Advocaten genau Achtung geben, auch so viel
nöthig davon annotiren, und dahin sehen, daß die Decreta legaliter darauf
verfertiget werden. Vid. Tit. . §. .
Wann die von denen Advocaten
geschehene mündliche Proposition altioris indaginis ist, und eine nähere
Untersuchung bedarf, und daher auf Verhör provocirt wird, oder dergleichen ex
officio zu veranlassen nöthig ist; So soll (wie vorhin bey denen schriftlichen
Decretis versehen) die Sache per Decretum loco oralis verwiesen werden, und
zwar mit diesem Formular:
Weil die Sache eine nähere Untersuchung
bedarf, wird dieselbe loco oralis von 3. zu 3. Tagen (et)c. verwiesen.
§. 9. Hauptsächlich aber müssen bey
denen mündlichen Verhören die Räthe desjenigen Senats, wohin die Sache gehöret,
das Protocoll mitführen, auch keine Allotria tractiren, noch andere Sachen
lesen.
§. 10. Die Räthe sollen in ihren
Votis nicht nach ihrem vielleicht irrigen Gewissen und Gutdüncken, sondern auf
des Landes Rechte, Constitution, Abscheide, Mandat, Land- und Religions-Frieden
und unsern Landes-Ordnungen, Landtags-Abschiede, ehrbare Statuta und
Gewohnheiten, auch gemeine und sonderbare Unserer Vorfahren und Unsere gegebene
Privilegia und Begnadigungen, die für sie gebracht werden, vermöge und nach
Weisung ihres Eydes (et)c. Urthel und Bescheide aussprechen, und sollen weder
Frucht noch Dräuen, Gewalt, Befehl, Geschäfte oder andere Sachen, von wem und
in was Nahmen solches immer geschehen möchte, sich davon verhindern lassen,
sondern jedermänniglich, wes Standes oder Condition er sey, Armen und Reichen,
ohne Neben-Absichten, nach Eyd und Pflicht gleichmäßiges Recht wiederfahren
lassen.
15 Erster Theil. Tit. VI. (§§.
10.-14.)
Im Fall einer von den Räthen in
Abfassung der Urthel sich nicht nach denen vorgeschriebenen Rechten achten,
sondern sich öffentlich in seinen Votis der Singularität oder Eigensinnigkeit
gefährlicher Weise und pertinaciter befleissen, seine Meynung contra majora
quovis modo zu behaupten und durchzutreiben suchen, auch Vota zu captiren oder
zu erlangen extra judicium sich bemühen, oder auch sonst seinem Amt dieser
Unserer Ordnung gemäß nicht genung (!) thun würde, denselben wollen Wir bey der
Regierung nicht dulden, sondern davon abweisen.
§. 11. Damit auch die wenige Räthe
nicht mögen abgehalten werden, alle ihre Application auf die Administration der
Justitz zu wenden, so wollen Wir sie mit allen Commissionen, welche nicht in
loco judicii expediret werden können, verschonen, imgleichen dieselbe mit
keinen Vormundschaften, Curateln, Beyständen unmündiger, Witwen, und anderer
Personen beladen: Wie Sie sich auch von selbst davon entschlagen müssen, es
wäre denn, daß sie vermöge der Rechte angebohrener Verwandschaft halber sich
damit zu beladen schuldig.
§. 12. Welcher Rath einer Parthey
mit Bluts-Freundschaft oder Schwägerschaft in quarto gradu secundum computationem
civilem zugethan, oder wegen eines bey der Sache habenden Interesse, z. E. daß
er, kein Mitbelehnter wäre, oder seine nächste Anverwandten eine gleiche Sache
hätten, daß er eventualiter die Eviction præstiren müste, oder wann er mit der
Parthey in öffentlicher Feindschaft stünde (et)c. muß sich der Rath von
selbsten bescheiden, daß er sich seines Voti enthalten, und, wann die Sache
vorgetragen wird, einen Abtritt nehmen müsse. Dahero denen Parthen und denen
Sachwaltern frey stehet bey Zeiten und in Geheim dem Præsidenten mit Benennung
der Ursache solches anzuzeigen, welcher den Rath anweisen soll sich des Voti zu
enthalten.
Wann aber der Rath causam
recusationis läugnen solte, muß der Præsident die Sache näher untersuchen, und
dieselbe allenfalls an das Collegium bringen, welches causas recusationis
summarie und in einem præclusivischen Termino hören, auch den Recusanten, wann
das Collegium causas recusationis nicht gegründet finden solte, nachdrücklich
bestrafen muß, wogegen kein Remedium verstattet werden kan.
Es soll aber unter die causas
recusationis die blosse Oblatio ad juramentum perhorrescentiæ, oder der
Vorwand, daß der Rath ihm vorher nicht nach Gefallen decretiret oder Bescheid
ertheilet habe, nicht gerechnet werden.
§. 13. Damit auch allerley Nachrede
und Verdacht vermieden werden möge, so sollen die Räthe, und andere Verwandte
des Gerichts, mit denen Partheyen und Advocaten keine tägliche und verdächtige
Gemeinschaft und Familiarität haben, noch sich mit ihnen von Rechtshängigen
Sachen in Disputation und Rede einlassen, oder von ihnen einige
Privat-Information einziehen, auch niemanden der Rechts-hängige Sachen hat in
Dienste nehmen.
§. 14. Die Räthe müssen sich in
allen Sachen, welche zu der Regierung Cognition gehören, bey Strafe der Cassation,
alles Advocirens und Consulirens enthalten, es wäre dann, daß die Sache sie
selbst, oder diejenige, die ihnen mit Bluts-Freundschaft und Schwägerschaft in
dem vorhin angesetzten Grad zugethan seyn, angehe, welchenfalls ihnen
unverbothen ist, denenselben mit Rath an die Hand zu gehen.
Jedoch, daß sie sich alsdann und in
solchen Fällen aller Function und Verrichtung in judicio enthalten.
D 2
16 Erster Theil. Tit. VI. (§§.
15-18.)
§. 15. Die Räthe, und alle andere
Gerichts-Personen, sollen alles so im Rath gehandelt, votirt und beschlossen
wird, und zu jemanden Præjuditz gereichet, bis in ihr Grab geheim und
verschwiegen halten: Und wann jemand überführet würde, daß er was einer oder
der andere votiret hat offenbaret hätte, (worüber derjenige der einige Nachricht
davon erhalten, und sich dessen geäussert, eydlich vernommen werden soll) so
muß der Præsident solches immediate an Uns berichten, und darüber
Verhaltungs-Befehle erwarten.
§. 16. Desgleichen sollen sie die
Acta und die gerichtliche Händel, so ihnen zu referiren gegeben worden, für
ihre Frauen, Diener und Haus-Gesinde nicht liegen lassen, sondern in geheimen
Acht und Verwahrung halten, damit niemand dazu komme, und die Partheyen und
Advocaten, wer die Referenten seyn, oder wie das Urthel lauten werde, vor
Eröfnung desselben eine Erfahrung und Wissenschaft erlangen mögen.
Sie sollen auch keine Acta über Feld
nehmen, sondern wann sie verreisen, dem Registratori alle bey sich habende /
Acta, vermittelst einer Specification bey 5 Rtlr. Strafe einliefern.
Wie dann auch niemand Acta ad
referendum ohne vorhergehende Distribution an sich nehmen, auch diejenige, die
ihm einmahl distribuiret worden, ehe er sie referiret, nicht wieder weggeben
muß.
§. 17. Wann eine Sache, welche zum
ordentlichen Schrift-Wechsel verwiesen worden, distribuiret wird, muß der
Referent binnen 14 Tagen solche endigen; Es wäre dann, daß die Sache sehr
weitläuftig und wichtig wäre, auf welchen Fall der Præsident ihm noch 8 Tage
Dilation geben kan.
Im Fall die Räthe durch rechtmäßige
Vorfälle abgehalten würden, die Relation in der gesetzten Zeit zu verfertigen,
müssen sie sofort die Ursachen dem Præsident anzeigen, und solche an Eydes
statt bekräftigen, da ihnen alsdann noch einige Tage verstattet werden sollen.
Wann aber die Verhinderung lang
währen solte, muß der Præsident einem von denen Referendariis die Relation zu
verfertigen anbefehlen, demselben aber, wann kein Correferent benennet ist,
einen andern Rath beyfügen.
Die ihnen zugetheilte Acta müssen
die Räthe mit Fleiß verlesen, die Acta keinem andern Assessori, vielweniger
einem Fremden zu Verfertigung der Relation hingeben, oder deren Bedencken
erfordern.
Diejenige / Sachen, welche loco
oralis verwiesen seyn, müssen nach geschehener Distribution binnen 8 Tagen
expediret, und das Urthel verfertiget werden.
Mit dem Modo referendi muß es auf
die Weise, wie unten Tit. . §. . vorgeschrieben ist, verfahren werden.
§. 18. Die Bescheide und Urthel
müssen die Räthe über alle und jede streitige Puncten klar und deutlich
abfassen, damit denen Partheyen alle Gelegenheit benommen werde Declarationem
sententiæ zu suchen, anbey die Rationes decidendi denenselben jederzeit
inseriren. Wann aber die Sache zum ordentlichen Schrift-Wechsel verwiesen
worden, müssen die Rationes decidendi auf einem besondern Bogen beygefüget, und
17 Erster Theil. Tit. VI. (§.
18.-24.)
im Fall auch auf einen Eyd erkannt
würde, die Formula juramenti jederzeit der Sententz mit inseriret werden.
§. 19. Wann aus denen Acten
referiret wird, müssen die übrigen Räthe fleißig zuhören, keine andere Sachen
vornehmen, das Factum und die Haupt-Rationes dubitandi et decidendi notiren,
damit sie auf ihren geleisteten Eyd ihr Votum mit reinen Gewissen ertheilen
können; Und muß der Præes Senatus hauptsächlich darauf Achtung geben.
§. 20. Wann eine Sache zum votiren
herum gehet, muß kein Rath dieselbe über 3 Tage bey sich behalten, oder vor
jeden Tag 1 Flr. in die Sportul-Casse erlegen; auch zu dem Ende den Tag wann er
Acta erhalten, und wann er sie wieder weggeschicket, auf das Votum notiren.
§. 21. Die Räthe müssen sich hüten,
daß sie Unsere Unterthanen nicht mit unnöthigen Processen fatigiren, oder ihre
Creditorès und andere Kläger mit ungegründeten Exceptionibus, Incident-Puncten
und Chicannen aufhalten, weil Wir denenjenigen, welche gesetzet seyn andern
Recht zu schaffen, die Chicanne zu coupiren, und die Processe zu beschleunigen,
nimmermehr verstatten werden in ihren eigenen Sachen (wie bisher geschehen) auf
eine unerlaubte Art den Gegentheil herum zu führen, sondern, wann Wir Nachricht
davon erhalten, sollen dieselbe sofort ihrer Dienste erlassen, und der
Præsident, daß er denenselben keinen Einhalt gethan, zur Verantwortung gezogen
werden.
Damit aber denen Räthen alle
Gelegenheiten zu dergleichen Chicannen um desto mehr benommen werden, so stehet
einer jeden Parthey frey in dergleichen Sachen die Action bey dem geheimen
Justitz-Rath einzubringen, oder, wann Sie Beklagte ist, um Remission der Klage
dahin zu bitten.
§. 22. Wann es aber mit einem Rath
(die Præsidenten [et]c. eingeschlossen) dahin kommt, daß er von vielen
Schuldnern belanget wird, und derselbe ein Moratorium suchet, oder die Sache
sich zum Concurs anlässet, soll sofort an Uns berichtet, und er dem Befinden
nach seines Amtes erlassen werden, weil es so bedencklich als gefährlich ist
dergleichen Leuten die Justitz in Händen zu lassen.
§. 23. Wann ein Rath wahrnimmt daß
ein Process in Confusion oder zur Weitläuftigkeit gerathen möchte, stehet ihm
frey die Advocaten oder die Partheyen selbst vorzufordern, denenselben die
unvermeidliche Suiten und Kosten des Processes vorzustellen, sie zur Güte oder
wenigstens zum Compromis zu bewegen, allenfalls dieselbe anzumahnen, daß sie
die Indicent-Puncte coupiren, und die Sache so viel möglich ad definitivam
instruiren sollen.
§. 24. Die Räthe müssen auf die
Unter-Gerichte fleißig acht haben, und sorgen daß die Justitz bey denenselben
kurtz und ohne grosse Kosten administriret werde. Zu welchem Ende die Räthe bey
denen einlaufenden Actis primæ instantiæ die Mängel anmercken, und, wann die
Sache daselbst ohne Noth weitläuftig gemacht oder verschleppet worden, die
Advocaten und Richter zu besserer Beobachtung ihrer Pflicht anhalten, auch dem
Befinden nach mit einer Straf belegen müssen.
Im Fall auch sonst Klagen gegen die
Unter-Gerichte wegen protrahirter oder denegirter Justitz, oder wegen
übermäßiger Sportuln geführt werden solten, müssen die Räthe, wann sie es
nöthig finden, und die Sache von einiger Wichtigkeit ist, Acta
E
18 Erster Theil. Tit. VI. (§§.
24-26.)
abfodern, solche nachsehen, und
entweder den Richter, wann er schuldig, oder den muthwilligen Kläger, wann er
zur Ungebühr geklaget, bestrafen.
§. 25. Weil die Sportuln, welche
bishero die Præsidenten, Räthe, und Subalternen bey denen hiesigen Justitz-Collegiis
genossen, billig unter die hauptsächliche Ursachen der verfallenen Justitz
gerechnet werden können; so finden Wir nöthig dieselbe alle aufzuheben und eine
besondere Casse zu errichten, worein alle Sportuln, sie mögen Nahmen haben wie
sie wollen, (als Siegel-Groschen, Succumbentz-Gelder, Urthels- Confirmations-
Concessions- Dispensations- Commissions-Gebühren, item Arrhæ, und was bey
Versieglung, Inventirung, Ueberreichung der Testamenter, Abhörung der Zeugen
(et)c. gegeben wird, Lehns- und Land-Buchs- wie auch Consistorial-Sportuln und
alle Expeditions-Gebühren, wie sie in der Sportul-Ordnung enthalten seyn,
kleine Strafen [et]c.) eingebracht werden sollen, weil Wir Unsern Bedienten
zulängliche Besoldungen reichen lassen.
Es müssen zu dem Ende die
expedirende Secretarii über eine jede Sache eine besondere Rechnung halten, und
die Copialien mit dazu setzen, dieselbe alle Monath denen Advocaten zustellen,
welche ihren Partheyen die Rechnungen mit der ersten Post zusenden, die promte
Bezahlung denenselben einbinden, auch daß solches geschehen, dociren sollen.
Wann die Bezahlung binnen der Zeit nicht erfolget, soll dem Land-Reuter
anbefohlen werden, dieselbe abzufordern.
Die Copialien müssen nicht mit in
den Kasten geleget, sondern denen Cantzelisten bey der Einlieferung der Gelder
zugestellet, und die Gebühren von der Rechnung abgeschrieben werden.
Denen fremden Partheyen kan dieses
nicht zu statten kommen, sondern dieselbe müssen ehe von ihnen eine Klage
angenommen wird einen tüchtigen Caventen schaffen, welcher vor die
Cantzley-Gebühren stehen muß, und von welchem der Land-Reuter, wann er auf
erhaltene Nachricht binnen 14 Tagen die Gebühren nicht bezahlet, dieselbe
abfordern kan.
Wann der Advocat sich selbst zum
Caventen angiebt, soll er zwar angenommen werden, er muß aber weder Pfand noch
baares Geld zur Caution dafür nehmen.
Es stehet auch der fremden Parthey
frey eine gewisse Summe (welche aber sich niemahlen über 20 Rthlr. belaufen
soll,) zu deponiren, wovon die Sportuln alle Monath genommen werden können;
worüber Rechnung geführet, und das Residuum bey Strafe doppelter Erstattung dem
Fremden ohne die geringste Chicanne restituiret werden soll.
§. 26. Schließlich müssen sich die
Regierungs-Räthe bey Antretung ihres Amts mit folgendem Eyd verbindlich machen:
Ich N. N. gelobe und schwere dem
Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten König und Herrn, Herrn Friderich Könige
in Preussen, Marggrafen zu Brandenburg, obersten Hertzog in Schlesien etc. etc.
meinem allergnädigsten Könige und Herrn etc. Nachdem Seine Königliche Majestät
mich vor Dero Vorpommerschen und Caminischen Regierungs-Rath gnädigst bestellet
und angenommen, daß höchstgemeldter Seiner Königlichen Majestät ich will
getreu, hold und gewärtig seyn, Dero Bestes und Frommen in allen befordern,
Schaden und Nachtheil aber warnen, und nach meinem besten Vermögen abwenden,
wie auch in Dero Vorpommerschen und Caminischen Regierung auf gewöhnliche und
ordinari Rechts-Tage, auch gütlichen Vorbescheiden und Handlungen den
gerichtlichen Audientzien beywohnen, wann es
19 Erster Theil. Tit. VI. (§. 26)
VII. (§§. 1.-3.)
die Noth erfordert, und von der
Regierung begehret wird, in der Raths-Stube aufwarten, Acta, Supplicationes,
und was mir sonsten unter die Hand gegeben, oder vom Præsidenten aufgetragen wird,
mit Fleiß lesen, extrahiren, getreulich referiren, dabey alleine Gott, die
Gerechtigkeit und Billigkeit für Augen haben, nach gemeinen beschriebenen
Rechten, ehrbahren und guten Ordnungen, Begnadungen, Statuten und Gewohnheiten,
sofern dieselben fürkommen und begläubiget werden, meinem besten Verstande
nach, männiglichen hohes und niedriges Standes gleich urtheilen, mich weder
Furcht, Dräuen, Neid, Gabe, Freundschaft oder andere Sachen, in was Nahmen das
immer geschehen möchte, nicht bewegen lassen, auch mit Niemand keinerley Anfang
oder Beyfall in Urtheilen suchen noch machen, von den Partheyen, so für mir zu
Rechten oder zu handeln haben, oder von ihrentwegen, kein Geschencke, Gabe oder
Nutzung durch mich selbst, oder andere nehmen, oder in meinen Nutz nehmen
lassen, unter was Gestalt oder Schein das geschehen möchte, keiner Partheyen
rathen oder Warnung thun, die Heimlichkeiten oder Rathschläge des Gerichts den
Partheyen oder andern, für oder nach dem Urtheil nicht eröfnen, die Sachen und
Urtheil aus Vorsatz nicht verzögeren, und was mir sonsten von Seiner
Königlichen Majestät wegen, von denen verordneten Directoren anbefohlen und
committiret wird, mit getreuem Fleiß verrichten, auch dahin mit sehen wolle,
daß alle Process in einem Jahr, soviel es nach menschlichen Vermögen geschehen
kan, zum Ende gebracht werden; und sonsten alles das thun, was einem getreuen
Regierungs-Rath, Inhalt der Ordnung oblieget und gebühret, auch sonsten wohl
anstehet; Alles getreulich und sonder Gefährde. So wahr mir Gott helfe durch
Jesum Christum etc.
Tit. VII.
Vom Amte derer Referendarien und
Auscultatoren.
§. 1. Wir haben nöthig gefunden,
wegen der jetzo geringen Zahl der Räthe bey einem jeden Senat zwey
Referendarios, halb adelichen halb bürgerlichen Standes zu setzen. (Vit. Tit.
1. §. 3.)
§. 2. Diese Referendarien sollen bey
dem Constitutioniren und denen Verhören das Neben-Protocoll führen, und des
Nachmittags die Decreta darunter schreiben, welches denen Acten beygelegt
werden soll.
Wie dann auch einer von ihnen, wann der
Protonotarius verhindert wird, das Haupt-Protocoll überall zu führen schuldig
ist.
Und stehet es lediglich bey dem
Præsidenten wem er dieses aufzutragen gut findet; allermassen derjenige, welche
sich hierunter unwillig erweiset, sofort dimittiret werden soll.
§. 3. Wann die Menge der
geschlossenen Sachen zu groß ist, oder einer von denen Referenten durch
Kranckheit oder Abwesenheit verhindert wird seine Relation
E 2
20 Erster Theil. Tit. VII. (§§.
3.-8.) VIII. (§§. 1.-3.)
ex actis zu verfertigen, so stehet
dem Præsidenten frey die Referendarios mit zur Arbeit zu ziehen, auch die
Memorialien denenselben zuzuschreiben.
§. 4. Weil die Regierungs-Räthe mit
auswärtigen Commissionen nicht beladen werden sollen, so müssen diese Referendarii
(wann in der Nähe des Orts keine Rechts-erfahrne Land-Räthe, Bürgermeister,
Syndici etc. fürhanden, als welche zu Erspahrung der Kosten für andern dazu zu
adhibiren seyn) dazu gebraucht werden.
§. 5. Es sollen diese Referendarii
kein Votum, auch keinen Character noch Rang eines Regierungs-Raths (wann sie
solche nicht vorher gehabt, oder besonders erhalten) haben. Jedoch soll ihnen
der Rang für allen Subalternen verstattet seyn.
§. 6. Ausser diesen Referendariis
haben Wir auch nöthig gefunden bey einem jeden Senat zwey Auscultatores, halb
adelichen halb bürgerlichen Standes, ohne Titul und Rang zu bestellen, welche
sich zur künftigen Beförderung qualificiren, und nebst der Theorie auch den
Praxin zu lernen suchen müssen.
§. 7. Wann diese Auscultatores sich
eine Zeitlang geübet, und das Collegium von deren Capacitæt versichert ist,
stehet dem Præsidenten frey, dieselbe bey geringeren Sachen und Commissionen,
auch bey Distribution derer Memorialien mit zu gebrauchen.
§. 8. Beyde, so wohl die Referendarii
als Auscultatores, müssen an Eydes statt versprechen, verschwiegen zu seyn, und
in denen ihnen aufgetragenen Sachen nach denen Rechten und dieser Ordnung zu
handeln und zu verfahren.
Tit. VIII.
Von dem Amt des Protonotarii.
§. 1. Der Protonotarius soll Achtung
geben, daß alles bey der Cantzley in guter Ordnung gehalten werde: Wann also
einiger Mißbrauch sich einschleichen oder einige Unordnung vorgehen solte, muß
er die Bedienten glimpflich ihrer Schuldigkeit erinnern, wann sie sich aber
nicht daran kehren, muß er dem Præsidenten die Sache melden.
§. 2. Der Protonotarius muß das
Haupt-Protocoll bey denen Verhören und bey dem Constitutioniren führen, auch
bey Verfertigung derer Decreten gegenwärtig seyn, und die Decreta denen
Constitutions-Protocollis beyschreiben; folglich, da er überflüßig zu thun hat,
keine andere Function, auch keine Commissionen übernehmen.
§. 3. Der Protonotarius muß in denen
Audientz-Tagen des Morgens früh præcise um 8 Uhr, und des Nachmittags um 3 Uhr,
bey 8 Gr. Strafe sich auf der Regierung einfinden, vor geendigter Session und
Arbeit nicht weggehen, vielweniger gar weg bleiben.
21 Erster Theil. Tit. VIII. (§§.
3.-12.)
Wann er aber wegen wichtiger Ursach
(die er dem Præsidenten schriftlich und an Eydes statt anzeigen muß) nicht erscheinen
kan, muß der Præsident einen von denen Referendariis unterdessen dazu benennen.
§. 4. Der Protonotarius aber muß in
Sachen die ihm und seine Verwandten angehen, oder darin er Advocando bedient
gewesen, sich des Protocollirens und anderer gerichtlichen Handlungen
enthalten.
§. 5. Was die Advocaten proponiren,
soll der Protonotarius so wie es vorgetragen wird, von Wort zu Wort, so viel es
zur Sachen dienet, protocolliren, und stehet es nicht in seinen Gefallen die
Vorträge zu contrahiren oder abzukürtzen.
§. 6. Der Protonotarius muß sich
alle Audientz-Tage mit denen expedirenden Secretariis zusammen thun, und
diejenige Sachen, welche zum Verhör verwiesen worden, in einen richtigen
Tage-Zettul bringen, die Termine nach Gelegenheit des Tage-Buchs, und nachdem
die Partheyen weit oder nahe wohnen, ansetzen: und niemahls mehr als 10.
Verhöre auf einen Tag verzeichnen: auch kein Verhör über drey Wochen hinaus
setzen.
§. 7. Das Haupt-Protocoll oder
Urthel-Buch muß in dem verordneten Schranck verwahret bleiben, und niemand
abgefolget werden, sondern wann eine von Gerichts-Verwandten-Personen sich
darinn zu ersehen hat, so muß solches an geordneter Gerichts-Stelle geschehen.
§. 8. Wann auch von denen Partheyen
Briefe, Siegel und andere Schriften produciret werden, soll der Protonotarius
solche sofort nebst einer Specification denen Registratoren zustellen, welche
dieselbe fleißig verwahren, auch denen Advocaten auf ihr Begehren eine
Recognition darüber ertheilen sollen.
§. 9. Wann ein Eyd abzuschweren, muß
der Protonotarius denselben nach Anleitung derer ergangenen Abschiede
einrichten, und nichts ab- oder darzu thun, solchen denen Partheyen vorher, ob
sie noch etwas darbey zu erinnern haben, vorzeigen, auch wann einige
lateinische Wörter darinn enthalten, solche denenjenigen, welche der Sprache
nicht mächtig seyn, erklären.
§. 10. Der Protonotarius wie auch
die beyden Secretarii sollen den Rang gleich nach denen bürgerlichen
Regierungs-Räthen haben, folglich allen andern Titular-Räthen vorgehen.
§. 11. Der Protonotarius muß die
Deposita in richtiger Ordnung halten, und überall sich nach dem Depositen-Edict
achten.
§. 12. Schließlich muß sich der
Protonotarius mit folgendem Eyd verbindlich machen:
Ich N. N. gelobe und schwere dem
Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten König und Herrn, Herrn Friderich Könige
in Preussen, Marggrafen zu Brandenburg, obersten Hertzog in Schlesien etc. etc.
meinem allergnädigsten Könige und Herrn etc. Nachdem Seine Königl. Majestät
mich zu einem Protonotario in Dero Vorpommerschen und Caminischen Regierung
allergnädigst bestellet und angenommen, daß höchstgemeldter Seiner Königlichen
Majestät ich will getreu, gewärtig und gehorsam seyn, Dero und Dero Königlichen
Hauses Nutzen und Besten suchen und befordern, Schaden und Nachtheil verhüten,
und meinen besten Vermögen nach abwenden. Ich will auch meinen aufgetragenem
Amte mit getreuen Fleisse obliegen,
F
22 Erster Theil. Tit. VIII. (§. 12.)
IX. (§§. 1.-5.)
der Partheyen Fürträge und Gerichts-Acta,
desgleichen alle Briefe, Schriften und Abschriften getreulich protocolliren,
aufschreiben und verwahren; Urkunde, Briefe und anders so gerichtlich
eingebracht bey dem Gericht und Acten behalten, dieselbe oder deren Abschriften
ohne Befehl des Præsidenten, oder so dessen Stelle vertreten möchte, niemand
geben, noch sonst was zu der Partheyen Sachen gehöret, jemanden eröfnen und
lesen lassen, alle Heimlichkeit des Raths und Gerichts gäntzlich verschweigen,
keiner Parthey wider die andere Verwarnung thun, Nachricht geben, noch rathen,
von Partheyen oder von andern ihrentwegen in Rechts-hängenden Sachen, oder so
meines wissens bald Recht-hängig werden möchten, kein Geschenck oder Gaben
nehmen, oder durch die Meinigen nehmen lassen, unter was Prætext und Schein das
geschehen möchte, an der Gebühr so mir verordnet mich genügen lassen, darüber
nichts nehmen, noch jemanden damit entweder selbst, oder durch meine Bediente
oder Schreiber übersetzen, und sonst alles das thun und lassen, was einem
getreuen Protonotario nach Inhalt der Regierungs-Ordnung wohl anstehet und
gebühret. Alles getreulich sonder Gefährde. So wahr mit Gott helfe durch Jesum
Christum etc.
Tit. IX.
Von denen Secretariis.
§. 1. Die Secretarii müssen alle
Morgen um 8 Uhr, bey 1 Flr. Strafe auf der Regierung sich einfinden, und ohne
Erlaubniß nicht davon gehen, auch nach geendigter Audientz sich jederzeit in
die Verhör-Stube verfügen, und nachsehen ob noch einige decretirte Sachen
vorhanden seyn.
§. 2. Sie müssen was auf den
Memorialien decretiret worden, ungesäumt extendiren, sich nach dem Decret
richten, darinn aus Gunst oder Mißgunst nicht zu weit gehen, nichts auslassen,
auch von dem Ihrigen nichts hinzuthun, die Memorialien mit Fleiß lesen, die
Contenta recht erwegen, darnach das Concept formiren, den Punct worüber
suppliciret wird, deutlich im Rescript benennen, folgends was geschrieben
revidiren und nachsehen, denen Partheyen was decretiret ist vor der
Ausfertigung nicht zeigen, und die expedirte Sachen verschlossen dem
Præsidenten zur Versiegelung zu senden.
§. 3. Die Decreta müssen sie nicht
zu Hause, sondern auf der Regierung entweder desselben Morgens, oder, wann sie
nicht fertig werden können, des Nachmittags expediren, und die Extensiones mit
eigener Hand ad acta schreiben; auch die Zeit, wann die Expedition zur
Mundirung hingegeben worden, auf die Expedition notiren.
§. 4. Sie müssen sich in Sachen die
sie oder ihre Verwandten angehen, oder worin sie zuvor advocirt haben, alles
expedirens und anderer gerichtlichen Handlungen enthalten, und solche dem
andern Secretario überlassen.
§. 5. Wie sie dann auch bey Strafe
der Cassation keine Correspondentz in Process-Sachen mit den Partheyen
unterhalten, vielweniger denenselben mit Consiliis an die Hand gehen,
Supplicationes machen, vor sie sollicitiren (et)c. vielweniger vor die Räthe
Relationes verfertigen, oder deren Vota und ander Geheimnisse der Regierung
jemand entdecken sollen.
23 Erster Theil. Tit. IX. (§§.
6.-14.)
§. 6. Sie müssen die expedirte
Sachen alle Morgen durch einen Aushang denen Parthen kund machen, solche aber
keinem Procuratori (als welche Wir gäntzlich bey denen Processen abgeschaft
haben) sondern bloß denen Bedienten der Advocaten abfolgen lassen.
§. 7. Auch müssen sie jederzeit die
Taxe der Gerichts-Gebühren auf die Extension setzen, über jede Sache ratione
der Gebühren richtige Rechnung halten, solche alle Monath denen Advocaten
zusenden, und wann die Bezahlung erfolget, die Gelder in Gegenwart des
Controlleurs in den Kasten legen, und alle Monath denen Deputirten Rechnung
darüber ablegen.
§. 8. Wann die Secretarii finden
solten daß der Decernent nicht über alle Puncten verordnet, oder daß sonst
etwas wegen einiger ihnen bekanten Umständen dabey zu erinnern wäre; so stehet
ihnen frey dieserwegen bey dem Decernenten anzufragen, und ratione expeditionis
näheren Verhaltungs-Befehl einzuhohlen.
§. 9. Die Secretarii müssen nebst
dem Protonotario alle Tage den Tage-Zettel, wie solcher Tit. VIII. §. 6.
vorgeschrieben ist, berichtigen, und dafür sorgen daß mit Ansetzung der Termine
die behörige Behutsamkeit gebraucht werde.
Und diesen Tage-Zettul müssen sie
durch den Cantzley-Diener des Abends um 3 Uhr dem Præsidenten zur Benennung der
Referenten vorlegen.
§. 10. Was die Cantzelisten mundiren
müssen die Secretarii nachsehen, und die Copeyen collationiren, die decretirte
Schriften aber denselben Tag in die Registratur remittiren, damit dieselbe
sofort ad acta geheftet werden können.
§. 11. Die Secretarii müssen sich
eines geziemenden Cantzley-Styli gebrauchen, imgleichen die Titulatur wohl in
Acht nehmen, und die Aufschriften also einrichten, daß ein jeder wissen könne
ob der Befehl ihn angehe, oder an einen andern gerichtet sey: Wie dann die
Advocaten angewiesen werden, die Vor- und Zunahmen der Partheyen und ihre
Bedienungen, so viel möglich, in ihren Memorialien anzumercken.
§. 12. Wann ihnen von denen Parthen
etwas zu vidimiren oder zu collationiren übergeben wird, müssen sie die
Collation mit gehörigen Fleiß verrichten, und unter der Abschrift mit eigener
Hand die Richtigkeit attestiren, und dafür stehen; worauf das Regierungs-Siegel
beygefüget werden soll.
§. 13. Sie müssen auch für die
Expeditiones nichts vor sich nehmen, sondern mit ihrem, aus der Sportul-Casse
ihnen destinirtem Quanto zufrieden seyn. Und wann sich äussern solte, daß die
Secretarii hierwider gehandelt, und von Partheyen welche Processe haben per
directum vel indirectum, unter was für Prætext es sey, wann es auch pro
promovenda expeditione, oder die Sache zu recommandiren geschicht, ein
Geschencke nehmen würden, oder dasjenige, was sie vor Versiegelung, Aufnehmung
der Testamente (et)c. bekommen, nicht getreulich zur Sportul-Casse einliefern;
sollen dieselbe als Perjuri ohne alle Gnade cassiret, und sie sowohl, als der
Donator und die Unterhändler, überdem mit einer ansehnlichen Geld-Strafe belegt
werden.
§. 14. Der Lehns-Secretarius muß
sich alles Decretirens enthalten, und bloß dasjenige, was ihm von der Regierung
(wo künftig alle Lehn-Sachen vorgetragen werden sollen) befohlen wird,
expediren, in denen Sachen aber wo sein Gutachten erfordert wird muß er solches
nach Eyd und Pflicht erstatten.
F 2
28. Erster Theil. Tit. IX. (§. 15.)
X. (§§. 1.-4.)
§. 15. Die Secretarii sollen sich
mit nachfolgenden Eyd verbindlich machen:
Ich N. N. gelobe und schwere dem
Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten König und Herrn, Herrn Friderich Könige
in Preussen, Marggrafen zu Brandenburg, obersten Hertzog in Schlesien etc. etc.
meinem allergnädigsten Könige und Herrn etc. Nachdem Seine Königliche Majestät
mich zu einen Secretario bey Dero Vorpommerschen und Caminschen Regierung
allergnädigst bestellet und angenommen, daß höchstgemeldter Seiner Königlichen
Majestät ich will getreu, gewärtig und gehorsam seyn, Dero Königlichen Hauses
Nutzen schaffen und befördern, Schaden und Nachtheil aber verhüten, und meinen
besten Vermögen nach abwenden. Ich will auch meinem aufgetragenem Amt mit
getreuem Fleiß obliegen, der Partheyen Fürträge und Gerichts-Acta, dergleichen
nebst dem Protonotario alle Briefe, Schriften und Abschriften getreulichst
protocolliren, aufschreiben und verwahren, Uhrkunde (!), Briefe und anders so
gerichtlich einbracht, bey dem Gerichte behalten, dieselbige, oder derer
Abschriften ohne Befehl des Gerichts-Verwalters, oder so dessen Stelle
vertreten möchte, niemand geben, noch sonst was die Partheyen angehet, eröfnen
noch lesen lassen, alle Heimlichkeiten des Raths und Gerichts gäntzlich
verschweigen, keiner Parthey, wider die andere Warnung thun, Nachricht geben
noch rathen, von den Partheyen oder von andern ihrentwegen in Rechts-hängenden
Sachen, oder so meines wissens bald Recht-hängig werden möchten, kein Geschenck
noch Gaben nehmen, oder von den Meinigen, oder anderen für mich oder die
Meinigen nehmen lassen, unter was Prætext oder Schein das geschehen möchte, an der
Gebühr so mir verordnet, mich genügen lassen, darüber nichts nehmen, noch
jemand damit entweder selbst, oder durch meine Bediente oder Schreiber
übersetzen, und sonsten alles das thun und lassen, was einem getreuen
Regierungs-Secretario nach Inhalt der Regierungs-Ordnung wohl anstehet und
gebühret; Alles getreulich und sonder Gefährde. So wahr mir Gott helfe durch
Jesum Christum etc.
Tit. X.
Von denen Cantzelisten.
§. 1. Die Cantzelisten müssen um 8
Uhr bey 8 Gr. Strafe sich auf der Regierung einfinden, und vor geendigter
Session nicht weggehen, auch des Nachmittags von 3. bis 4. Uhr wieder herauf
kommen.
§. 2. Dieselbe müssen alle Befehl,
Citationes, und alles was unter dem Siegel ausgefertiget wird, selber
schreiben.
§. 3. Sie fertigen auch die Copeyen
aus, und schreiben auf jeder Seite 24. Zeilen, müssen auch die Buchstaben nicht
zur Ungebühr extendiren.
§. 4. Was die Cantzelisten nicht
schreiben, müssen sie durch die uns mit Eyd und Pflicht verwandte Copisten
abschreiben lassen: Worzu Leute welche eine leserliche und correcte Hand
schreiben können, und einen lateinischen Terminum verstehen, genommen, und mit
Eydes-Pflicht belegt werden sollen, daß sie der Ordnung nachleben, und
dasjenige was ihnen zu schreiben anvertrauet geheim halten wollen.
25 Erster Theil. Tit. X. (§§.
5.-10.) X. (§§. 1-2.)
§. 5. Was die Copisten abschreiben,
müssen sie auf ihre Pflicht revidiren, und daß es collationiret, darunter
geschrieben.
§. 6. Die Cantzelisten und Copisten
sollen alles in der Cantzelisten-Stube schreiben, und nichts mit nach Hause
nehmen. Wann es aber die Nothdurft erfordert, insonderheit bey kurtzen Tagen,
daß sie ausserhalb schreiben müssen, sollen ihnen nicht die gantze Acta,
sondern allein das Stück so zu copiiren nach Hause mit zu nehmen verstattet
werden.
§. 7. Es soll kein Cantzelist und
beeydigter Schreiber in Parthey-Sachen bedient seyn, oder für dieselbe
sollicitiren, noch denselben von ihrer Verrichtung Part geben.
§. 8. Wann die expedienda expedirt
seyn, müssen sie zu ihrer Justification das Datum und die Stunde, wann sie die
Sache empfangen und dem Secretario wieder eingeliefert, unter das Concept
notiren.
§. 9. Kein Cantzelist soll über die
Schreib-Gebühren einiges Geschencke, es mag Nahmen haben wie es will, wann es ihnen
auch gutwillig offeriret wird, nehmen; keiner Parthey dienen, noch vor dieselbe
solicitiren, und wann sich dergleichen Verdacht äussern solte, muß der
Præsident sich sorgfältig darnach erkundigen, und davon berichten, da dann der
Schuldige cassirt und über dem an Geld oder am Leibe gestraft werden soll.
§. 10. Die Cantzelisten sollen mit
folgenden Eyd belegt werden:
Ich N. N. schwere zu Gott etc. daß
ich meinem Amte mit Lesen, Schreiben, Ingrossiren und Copiiren, treuen Fleisses
obseyn, darinnen keine Gefährde gebrauchen, die Heimlichkeit der Regierung, als
abgefassete Urthel, Decrete und Rescripte, dann auch eingebrachte Kundschaft,
Protocolle, Regierungs-Handlung und Schriften niemand eröfnen, oder anders als
der Ordnung gemäß lesen lassen, noch ohne Erlaubniß der Regierung davon Copey
ertheilen, deswegen und sonst auch kein Geschencke von jemand fodern, heischen
oder nehmen, im übrigen alles das thun was einen getreuen Cantzelisten wohl
anstehet, getreulich und ohne Gefährde. So wahr mit Gott helfe durch Jesum
Christum etc.
Tit. XI.
Von denen Cantzley-Dienern.
§. 1. Gleich wie des
Bothenmeister-Charge bey der neuen Einrichtung gantz unnöthig ist, als soll
dieselbe hierdurch aufgehoben seyn, und hingegen zwey Cantzley-Diener
angenommen werden, deren einer bey denen Regierungs- der andere zu denen
Justitz-Sachen gebraucht werden soll.
§. 2. Diese Cantzley-Diener müssen
von ehrlichen Herkommen und bekandter guter Aufführung seyn, auch aus
abgedancketen Unter-Officieren, welche lesen und
G
26 Erster Theil. Tit. XI. (§§.
2.-9.) XII.
schreiben können, gewählet und
vorgeschlagen werden. Sie müssen die Cantzley-Stube rein halten, und alle
Morgen vor 8 Uhr sich bey dem Præsident einfinden, ob etwas zu verrichten sey
von ihm vernehmen, auch præcise um 8 Uhr sich auf der Rath-Stube einfinden.
§. 3. Vor denen Behören lieset der
Cantzley-Diener den Tage-Zettul ab, wie er unten Tit. . §. .
vorgeschrieben ist.
§. 4. Wann sie die Advocaten zu
denen Behören, oder andre zu melden haben, müssen sie von denen Leuten weder
etwas fordern noch nehmen.
§. 5. Es muß beständig einer in der
Audientz-Stube währender Verhöre aufwarten, damit er wenn Acta verlangt werden
bey der Hand sey, ausserdem aber muß er vor der Thür aufwarten.
§. 6. Sie müssen niemanden
unangegeben und ohne Erlaubniß in die Audientz-Stube lassen, auch, wann die
Räthe abwesend, keiner Parthey oder deren Bedienten den Zutritt über die Sachen
so auf dem Tische liegen, bey Strafe der Cassation, verstatten.
§. 7. Die mündliche Citationes
müssen sie selber verrichten, darüber ein richtiges Manual halten, und die
Relation davon denen Registratoren thun, welche insinuationem ad acta
registriren müssen.
§. 8. Wann des Morgens die Advocati
die decretirte Sachen nicht abfordern lassen, müssen sie des Nachmittags die
rückständige zu sich nehmen, und denenselben insinuiren, und die Gebühren von
denen Advocaten fodern.
§. 9. Unser
Regierungs-Cantzeley-Diener soll geloben und schweren, seinem Amte mit allem
treuen Fleisse vorzustehn, die Briefe, wie ihm befohlen, getreulich zu
bestellen, auch andere Unserer Regierung Befehle mit Fleiß und getreulich
auszurichten, was ausgericht wieder anzusagen, auf das Gericht und Audientz gut
aufmercken zu haben, Unserer Regierung verwandte Personen zu ehren, ihnen
gehorsam und gewärtig zu seyn, niemand ohne Befehl in die Rahts-Stube (!), oder
über die da liegende Briefe und Acta gehen zu lassen, als dem es Amts halber
zustehet. Und, wann er des Raths oder Gerichts Heimlichkeit und Rathschläge
erfahren würde, dasselbe zu verschweigen, die Partheyen daraus nicht zu warnen,
oder denselben zu rathen, von den Partheyen über seinen gewöhnlichen und
gebührlichen Lohn nichts zu nehmen, und sonst alles andere zu thun und zu
lassen, das einem getreuen Cantzeley-Diener seines Amts halben, Inhalt dieser Ordnung
und sonst gebühret, alles ungefährlich.
Tit. XII.
Von dem Amt des Advocati Fisci und
übrigen Fiscælen.
27 Erster Theil. Titel XII. (§§.
1.-7.)
Wir haben zur Beobachtung der
fiscælischen Sachen einen Advocatum Fisci, und drey Fiscæle allergnädigst bestellet,
welche ebenfalls, wie die andere Advocaten examiniret werden, und sich zu
diesem Amte auf gleiche Weise qualificiren sollen.
§. 1. Der Advocatus Fisci soll die
Direction über die übrigen Fiscæle haben, auf deren Conduite Achtung geben, und
dieselbe zu Beschleunigung der Inquisitions- und fiscælischen Processe
anhalten; zu welchem Ende diese am End eines jeden Monaths eine Specification
von allen fiscalischen und Inquisitions-Processen demselben bey 5 Rthlr. Strafe
einsenden müssen, welche er jederzeit dem Præsidenten vorzeigen, und was er
dabey zu bedencken hat, schriftlich anzeigen muß.
§. 2. Hauptsächlich soll dieser
Advocatus Fisci auf Unsere Regalia, Jura, et Privilegia Fiscalia Achtung geben,
daß solche nicht geschmälert werden, wie er dann in specie unsere Jagd- Zoll-
Domainen- Gräntz- Lehns- geistliche und weltliche Jurisdictions- und andere
Unsere Landes-Hoheit angehende Sachen selbst besorgen, und wann solche
angefochten werden, bey der Regierung defendiren muß. Geringere Sachen und ins
besondere Inquisitiones, muß er unter die übrigen Fiscæle vertheilen.
§. 3. Er muß ferner Achtung geben,
daß denen Ordnungen und Edicten nachgelebet werde, auch die Fiscæle anhalten
darauf ein wachsames Auge zu haben.
§. 4. Der Advocatus Fisci muß samt
denen übrigen Fiscælen sich angelegen seyn lassen, daß die verwürckte und
erkandte fiscælische Strafen jedesmahl bald bezahlet oder beygetrieben, und
gehörigen Orts richtig abgeliefert werden; Sie selbst aber müssen, wie bereits
durch die Declaration vom 22ten April. 1728 verfüget, keine Geld-Strafen in
Empfang nehmen, und an sich behalten.
§. 5. Was von Strafen vorfällt,
davon haben sie jährlich zweymahl die Listen, einmahl zu Ende des Decembris,
das anderemal um Trinitatis, eine dem Collegio wo sie vorgefallen, die andere
dem General-Fiscal bey 10 Rthlr. Strafe, ohnerinnert einzuschicken.
§. 6. Solche Straf-Listen sind nach
folgenden Ueberschriften unter abgesonderten Columnen einzurichten, daß nebst
generaler Anzeigung des Collegii, wo sie erkandt, verzeichnet werde:
(1.) Das Quantum der Strafe.
(2.) Das Datum oder Publicatum der
Sententz oder Verordnung worin sie festgesetzet.
(3.) Der Nahme und Condition dessen
dem sie auferleget.
(4.) In was vor Sache, und warum.
(5.) Ob und wenn sie bezahlet oder
remittiret: wobey das Quantum zu widerhohlen; Was aber im Rest bleibet darf
nicht widerholet werden, weil es schon aus der ersten Numer (!), wenn solcher
Rest unter den bezahlten oder remittirten nicht abgeschrieben, erhellet.
(7.) Die Quota so der Fiscal
erhalten: und sind zugleich die Latera zu summiren und hinten abzuschliessen.
§. 7. Keine Strafe muß aus der Liste
eher weggelassen werden als bis sie würcklich abgetragen; und sind deshalb die
rückständigen Reste allemahl in der neuen Liste aus den vorigen Jahren bis zur
Tilgung mit aufzuführen.
G 2
28 Erster Theil. Tit. XII. (§§.
8.-14.)
§. 8. Weil einige Strafen zur
Renthey in der Provintz, andere aber zur General-Casse gehören, und zu der
letztern Casse Inhalts der Verordnung vom 11. Nov. 1731, diejenige Strafen
fliessen, welche bey Hofe erkandt und verordnet, oder wann daselbst eine
Leibes-Strafe in Geld-Strafe, als deren ein Jurisdictionarius sub prætextu
fructuum jurisdictionis, weil derselbe kein Jus aggratiandi hat, sich nicht
nicht (!) anmassen kan, verwandelt worden etc. So müssen die zur
General-Strafe-Casse gehörige Strafen, welche ein Fiscal zu betreiben hat, in
seiner Straf-Liste mit aufgeführet, von den übrigen Strafen separiret, und
voran gesetzet, auch dafür gesorget werden, daß solche Strafen nicht zu den
Rentheyen, sondern zur General-Straf-Casse, wie unterm 19ten Febr. 1732. schon
verordnet, eingeschicket werden.
§. 9. Wie zu denen
General-Cassen-Strafen auch die bey Unserm Tribunal erkannte, oder daselbst
sonst übliche Strafen, als wegen nicht abgelegten Appellations-Eydes (et)c.
gehören; So müssen solche, wenn deren Beytreibung einem Fiscal in der Provintz
oblieget oder committiret ist, gleichfalls so wohl fleißig beygetrieben, und
francò eingeschickt, als in der Liste mit verzeichnet, und davon keine Quota
zurück behalten werden.
§. 10. Die Quota gebühret sich nur
in denen Sachen worin der Fiscal den Process selbst geführet, und gearbeitet,
nicht aber, wenn er nur eine sonst festgesetzte Strafe beyzutreiben hat; doch
soll ihm in diesem Fall der säumige Schuldner, weil er durch seine
Saumseligkeit sich solches verursachet, die desfalls zu verfertigende Aufsätze
und Sollicitationes bezahlen.
§. 11. Zur Quota wird dem Fiscal
regulariter decima zugestanden, es wäre ihm dann in seiner Bestallung
ausdrücklich ein mehreres verschrieben, alsdenn es dabey seyn bewenden hat.
§. 12. Damit aber die Straf-Sachen
in richtiger Ordnung gehalten und geführet werden; so soll ein jedes Collegium
ein ordentliches Straf-Buch, welches jederzeit auf dem Sessions-Tisch liegen
muß, halten, und derjenige Rath, so im Decret, Urthel, oder Verordnung eine
Strafe dictiret oder comminiret, solche zugleich selbst, und zwar auf einer
Seite die dictirten, auf der andern die comminirten Strafen ordentlich unter
eigener Hand, bey Vermeidung dieselbe sonst ex propriis zu erstatten, hinein
tragen, und darnächst dabey notiren, ob und wann jene bezahlet sind, und diese
wegen geleisteter Parition wegfallen, oder, wann nicht pariret, solche veste
bleiben.
Weil aber die durch Urthel dictirte
Strafen nicht eher als post publicationem eingetragen werden können, so muß der
Protonotarius nach geschehener Publication die Strafen, nebst Anführung der
Urthel, mit eigener Hand in das Straf-Buch schreiben.
Solchergestalt soll es auch mit
denen kleinen Strafen, welche wegen nicht gehaltener Ordnung dictirt werden,
und der Sportuln-Casse zufliessen, gehalten werden.
§. 13. Dieses fiscalische Straf-Buch
muß der Advocatus Fisci, und übrigen Fiscæle, fleißig und wenigstens alle Woche
nach geendigter letzten Session nachsehen, und was erkannt ist einfordern,
allenfalls solche ohne langwierige Nachsicht executive beytreiben; nicht
weniger darauf fleißig vigiliren daß die in den Pœnal-Mandatis comminirte
Strafen entweder festgesetzet und entrichtet, oder durch eine anderweitige
rechtliche Verordnung wieder aufgehoben werden.
§. 14. Es ist schon vorhin
verordnet, daß einem Membro Collegii die Aufsicht auf die Beschleunigung der
fiscalischen Sachen, so wohl was die Strafen als
29 Erster Theil. Tit. XII. (§§.
14.-21.)
Processe, und Abgebung der Tabellen
von selbigen betrift, aufgetragen werden solle; wobey es denn ferner seyn
bewenden hat, und hat der Præsident mit darauf Acht zu geben, daß, wo es noch
nicht geschehen, ein Membrum Collegii dazu, und zum beständigen Decernenten
ernennet, und der ernannte an seiner Pflicht es hierunter nicht ermangeln
lasse, sondern einschleichende Nachläßigkeiten und Unordnungen dem Collegio
jedesmahl zu nachdrücklicher Abstellung anzeige, auch darauf Acht habe, daß
alle Jahr um die geordnete Zeit die Strafe und Depositen-Tabellen nach Hofe
richtig eingesandt werden.
§. 15. Wie die fiscælischen Strafen
nicht ohne Grund erkannt werden müssen; also sind auch selbige nicht ohne sehr
erhebliche Ursach wieder zu erlassen; noch weniger ist darüber ein Verhör oder
Verfahren, am wenigsten aber gar ein Remedium oder Appellation zu verstatten,
wenn die Strafe nicht über 10 Rthlr. betrift, oder dieselbe wegen nicht
beobachteter oder übertretener Ordnung auferleget worden.
§. 16. Ueber die auf die
Contravention der Ordnungen gesetzte Strafen und deren Erlegung, müssen der
Advocatus Fisci und Fiscæle genau vigiliren, Acta selbst zuweilen darüber
nachsehen, und wenn sie vermercken, daß ein Advocatus und Parthey, oder selbst
ein oder anderes Membrum Collegii der Ordnung zuwieder handelten, muß der
Advocatus Fisci solches dem Præsidenten zu Remedirung melden.
§. 17. Die Fiscæle müssen niemand
mit unrechtmäßigen Strafen zu belästigen suchen, noch allen oft animosen
Denunciationibus trauen, jedennoch aber auch die Contraventiones nicht
ungerüget lassen; nicht erst abwarten bis ihnen solche angezeiget werden,
sondern von selbst darauf Acht haben, sich wohl davon informiren, und wenn sie
genungsamen Grund und Beweis, oder Bescheinigung dazu haben, sodenn nach
Anleitung der fiscalischen Process-Ordnung verfahren.
§. 18. Solten auch andere zu den
juribus fiscalibus gehörige Fälle vorkommen, von welchen etwas, als von Abschoß
und Nachsteuer, Confiscationibus, hæreditatibus caducis und dergleichen zu
unsern Cassen fliesset: So haben Fiscæle solches hinter ihren fiscælischen
Straf-Listen jedesmahl ordentlich mit anzuzeigen, und die von Uns unterm 27ten
Martii 1744. allergnädigst verwilligte Quotam von solchen durch ihren Fleiß
betriebenen Sachen nach wie vor zu gewärtigen.
§. 19. Findet der General-Fiscal bey
denen fiscælischen Straf-Listen, imgleichen den fiscælischen Process-Tabellen,
oder sonst in Fiscalibus etwas zu erinnern; so müssen die Fiscæle solchem
ungesäumt abhelfen, fleißigen Rapport thun; und was er ihnen aufträget, oder zu
Besorgung der Strafe und Processe diesem oder jenem Fiscali zutheilet, von
selbigem fertig zu Wercke gerichtet werden.
§. 20. Da der General-Fiscal sich
vornehmlich an den Advocatum Fisci in der Provintz zu halten vermag; so müssen
die übrigen Fiscæle in der Provintz, in Straf- und andern fiscælischen Sachen
der Direction des Advocati ohne die geringste Weigerung sich unterwerfen.
§. 21. Der Advocatus-Fisci muß davor
sorgen, daß die Criminal-Listen alle Monath von denen Unter-Gerichten sowohl,
als von denen Fiscælen eingesandt werden, damit er wissen kan, wie die
Inquisitions-Processe daselbst geführet werden.
Er muß auch diese Listen sofort dem
Præsidenten nebst seinen Anmerckungen zusenden, hienächst aber solche nebst
andern fiscælischen Listen alle Quartal bey 10 Rthlr. Strafe an den
General-Fiscal nach Berlin einsenden.
H
30 Erster Theil. Tit. XII. (§§.
22.-29.)
§. 22. Hauptsächlich aber muß er sein
Augenmerck dahin richten, daß dieser neuen Process-Ordnung nachgelebet werde,
zu welchem Ende er sich alle Tage sich in denen Audientzen einfinden, von
Anfang bis zu Ende da bleiben, und Achtung geben ob etwas gegen die Ordnung,
und wider ein in Jure fundirtes Interesse Fisci verhandelt oder vorgetragen
werde.
§. 23. Im Fall er etwas
unanständiges von einem Membro Collegii oder Subalternen wahrnehmen oder
erfahren solte, muß er solches dem Præsidenten in geheim anzeigen, und die
Remedur suchen.
§. 24. Wann auf einen oder den
andern einiger Verdacht einer Corruption fallen solte, muß er dem Præsidenten
sofort Nachricht davon geben, welcher die Sache untersuchen, und allenfalls die
Parthey eydlich darüber befragen muß.
§. 25. Dahingegen wollen Wir ihm
Unsern mächtigen Schutz angedeihen lassen, und gegen ihn niemahls ohngehörter
Sache etwas verfängliches verordnen.
§. 26. Die übrigen Fiscæle müssen
gleichfalls auf Unsere Regalien und alle auszustehende Befugnisse und
Gerechtsame genaue Achtung geben, Unsern Nutzen und Frommen ihrem äussersten
Vermögen nach suchen und befodern, Schaden, Nachtheil und Gefahr verhüten, und
demselben überall vorzukommen suchen. Im übrigen dasjenige, was ihnen von der
Regierung, insonderheit wann ihnen die Abhörung der Zeugen in Inquisitiones und
fiscalischen Processen aufgetragen wird, prompt exequiren, nicht aber einige
Wochen warten; wie sie denn auch ihre Berichte und Rotulos höchstens binnen 8
Tage nach verrichteter Commission bey Verlust ihrer Gebühren abstatten müssen.
§. 27. Insonderheit müssen sie, und
zwar einjeder nach seiner Bestallung, auf alle und jede strafbare Unthaten, so
wider göttliche und gemeine beschriebene Rechte, wie auch Unsere
Landes-Constitutiones, ausgegangene Edicta und Befehle, insonderheit in Policey-Sachen
bey denen Städten, und auf dem Lande von Unsern Vasallen und Unterthanen
geschehen, imgleichen, da Uns an Unsern Herrlichkeiten, es bestehen solche in
Regalien oder nicht, etwas entzogen und entrissen werden sollte, getreue,
sorgfältige und fleißige Acht haben.
§. 28. Alle Gerichte, Bediente und
einjeder Unterthan ist schuldig, wann sie von denen begangenen Delictis und
strafbaren Verbrechen einige Nachricht erhalten, Unserm Officio Fisci bey ihrem
Eyd und Pflichten ohne Ansehen der Person Nachricht davon zu ertheilen.
§. 29. Wann die denunciirte
Verbrechen an solchen Orten begangen werden wo denen Unter-Gerichten in
criminalibus die Jurisdiction zustehet, müssen die Fiscæle sich der Cognition
enthalten, auch, wann ihnen aus Versehen eine Untersuchung an solchen Orten
committiret wird, bey Verlust der Gebühren solches anzeigen. Jedoch müssen sie
Achtung geben, daß bey den Unter-Gerichten rechtlich verfahren werde, zu
welchen Ende ihnen die von denen Unter-Gerichten monathlich einlaufenden Listen
von dem Advocato Fisci communiciret werden müssen.
Es wird aber den Unter-Richtern
insonderheit denen adelichen Obrigkeiten auf dem Lande hierdurch ernstlich
anbefohlen, Rechts-verständige, gewissenhafte und geschworne Gerichts-Verwalter
zu halten, oder wenigstens in Criminal-Sachen dergleichen Personen zu
gebrauchen, weil sie sonst nicht allein aller Gebühren verlustig erkannt,
sondern dem Befinden nach bestraft, oder ihrer Jurisdiction verlustig erkläret
werden sollen.
31 Erster Theil. Tit. XII. (§§.
30.-40.)
§. 30. Kein Officialis Fisci soll in
Sachen, welche das Interesse Fisci directe oder indirecte angehen, als
Advocatus dienen, auch wenn in einer Sache, die er würcklich bedienet, nachhero
ein fiscalisches Interesse sich hervor thäte, muß er alsofort davon abstehen,
und sie einem andern überlassen.
§. 31. Officiales Fisci müssen auch
keinesweges Sachen, unter dem Prætext daß sie fiscalisch seyn, an sich ziehen,
und dem Gegentheil dieselbe dadurch schwerer machen.
§. 32. Wann eine Sache, wobey Fiscus
interessiret ist, auf Commission gerichtet wird, muß der Fiscalis vigiliren,
und erinnern damit sie Fortgang habe, die Commission gehalten, und unverzüglich
geendiget werde.
Wann die Commission hierunter säumig
ist, muß er solches dem Collegio anzeigen.
§. 33. Wann Acta nachzusehen, so
sollen sie ihnen von dem Gericht vorgelegt, aber niemahlen mit nach Haus
gegeben werden; Es wäre denn, daß sie eine ordentliche und weitläuftige
Deduction ex Actis verfertigen müsten; Auf solchen Fall sollen ihnen Acta
geheftet und foliiret gegen einen Schein abgefolget, und solches von dem
Præsidenten befohlen werden.
§. 34. In fiscælischen Sachen sollen
sie mit niemanden transigiren, oder von dem Process abstehen; sondern wann sie
die Sache darnach beschaffen finden, Verhaltungs-Befehle von der Regierung
darüber einholen.
§. 35. Wann die Partheyen in Sachen
da der Fiscus interessiret ist sich vergleichen, so kan solches dem Interesse
Fisci nicht præjudiciren, sondern demselben bleibt sein Recht über kurtz oder
lang vorbehalten.
§. 36. Die Fiscæle müssen niemahls
ohne schriftliche Anzeige der Ursache und des Præsidenten schriftlicher
Einwilligung verreisen.
Wann sie die Bewilligung erhalten,
müssen sie bey 1 Rthlr. Strafe einen Substitutum bestellen, welcher in ihren
Nahmen denen Audientzen beywohnen, und bey dem Constitutioniren die Nothdurft
beobachten könne, damit der Lauf des Processes dadurch nicht aufgehalten werde.
§. 37. Im Fall einem Fiscal eine
schwere Sache vorkommen sollte, muß er sich bey dem Advocato Fisci melden, und
sich bey demselben Raths erhohlen (!).
§. 38. Die Fiscæle müssen bey 4
Rthlr. Strafe alle Monath eine Liste, sowohl von ihren Inquisitions- als
fiscalischen Processen, nach der gewöhnlichen Tabelle dem Advocato Fisci
einliefern.
§. 39. Im übrigen müssen die Fiscæle
alles, was ihnen von Unsern Geheimnissen anvertrauet wird, oder sie sonst
erfahren möchten, bis in ihre Grube ohne Unterscheid, sie bleiben in unsern
Diensten oder nicht, verschwiegen halten, auch überall ihrer theuer-geleisteten
Pflicht, und insonderheit ihrer Bestallung getreulich nachkommen.
§. 40. Vor diese ihre Mühwaltung
haben Wir ihnen nicht allein eine gewisse Besoldung beygeleget, sondern ihnen
zugleich die Freyheit verstattet in Privat-Sachen zu advociren. Wie sie denn
auch von den erkannten Strafen einen Theil zu hoffen haben, wann auch schon die
Strafe ex capite gratiæ remittiret werden solte.
H 2
32 Erster Theil. Tit. XII. (§§.
40.-43.) XIII (§§. 1.-2.)
Es ist aber dieses von denen
caducirten Lehnen, und andern wegen Verbrechen eingezogenen Güthern, auch
Strafen, so über 1000 Rthlr. belaufen, nicht zu verstehen, sondern Wir wollen
denenselben bloß eine Discretion davon zuwenden.
§. 41. Wann sie in denen Königl.
Aemtern die Diæten und Vorspann erhalten, können sie dieserwegen dem Inquisito
nichts anrechnen.
§. 42. Im übrigen wollen Wir auf
denen Hof-Fiscälen Unsern Königlichen Schutz gegen alle Gewalt und Unrecht
angedeihen lassen.
§. 43. Schließlich müssen sich die
Fiscæle mit nachfolgendem Eyd verbindlich machen:
Ich N. N. gelobe und schwere, daß,
nachdem der Allerdurchlauchtigste etc. etc. mein allergnädigster König und
Herr, mich zu Dero Advocato und Procuratore des Vorpommerschen und Caminschen
Fisci bestellet und angenommen, Deroselben ich will getreu, gehorsam und
gewärtig seyn, Dero Bestes wissen und befodern; Schaden und Nachtheil aber
warnen, und nach vermögen abwenden, ferner alle und jede fiscalische Sachen, so
mir aus allerhöchstgemeldter Seiner Königlichen Majestät Regierung, anbefohlen,
und mir sonst kund werden, mit getreuen Fleisse und meinem besten Verstande
nach treiben, fordern und fortsetzen, auch emsig dahin trachten, daß alle
Maleficia, Verbrechungen, Criminal- und Pœn-Fälle, darin auch ohne einige
Anklage der Partheyen, Amts-wegen zu procediren sich gebühret, zur
gerichtlichen Cognition und Strafe gezogen werden, zu welchen Behuf ich
jederzeit, was ich in Erfahrung bringe, der Königlichen Regierung getreulich
denunciiren und berichten, auch von Ihr desfalls Verordnung erwarten will, auch
Inhalt der neuen Regierungs-Ordnung und üblichen Rechten verfahren, die
verwirckte Strafen zur Execution befordern, daß selbige in die Land-Renthey
gebührlich eingeliefert werden, dem Præsidenten auch alle Quartal, oder zum
längsten alle halbe Jahre eine richtige Specification der fiscalischen Processe
zur Nachricht einhändigen, sonsten aber kein Geschencke, Gift oder Gaben
annehmen wil, oder durch andere nehmen lassen, in meinem Amte will ich ohne
Ansehen der Persohnen (!), Freund- oder Feindschaft, Gunst oder Ungunst,
aufrichtig und gleich durchgehen, auch alles andere thun was einem ehrlichen
und getreuen Advocato Fisci gebühret, auch der neuen Regierungs-Ordnung gemäß
ist. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum etc.
Tit. XIII.
Von denen Advocaten.
§. 1. Es sollen künftig bey denen
dreyen combinirten Collegiis der Regierung, dem Hof-Gericht, und dem
Consistorio, nicht mehr als zwölf Advocaten, inclusive der drey Fiscäle (!)
beybehalten, die andre aber alle von dem Praxi bey diesem neuen Collegio dispensiret
werden.
§. 2. Diejenige Advocaten, welche
nicht in Stettin, sondern in andern Städten wohnen, und als
Hof-Gerichts-Advocaten vorhin recipiret gewesen, sollen künftig
(37) (1. T., Tit. XIII., 33) bey der
Regierung keine Praxin treiben, und keine Schriften weiter unterschreiben,
sondern sie müssen ihre Partheyen anweisen einen von denen nunmehr bey der
Regierung bestellten Advocaten anzunehmen, und durch denselben ihre Nothdurft
schriftlich und mündlich vorstellen lassen. Und wenn ein Regierungs-Advocat die
von andern concipirte Schrift unterschreibt und übergibt, muß es damit wie
unten §. 18. seq. versehen, gehalten werden.
Es stehet aber denen
Provincial-Advocaten bis auf fernere Verordnung frey, in denen Städten und
Aemtern, wo es Herkommens, den Praxin zu treiben und fortzusetzen.
§. 3. Es müssen auch die Magisträte
ihre Schriften durch einen Regierungs-Advocaten unterschreiben und durch
denselben künftig bey dem Constitutioniren der mündlichen Vorträge thun, und
den Process instruiren lassen: Es bleibt aber darbey, daß die
Magisträt-Personen (!), wie bishero gebräuchlich gewesen, die Schriften auch
selbst unterschreiben müssen.
§. 4. Und weil die Beschleunigung
der Processe hauptsächlich auf die Advocaten ankommt, s wollen Wir künftig
keine als geschickte, gelahrte und erfahrne Personen annehmen, welche ein gutes
Zeugniß ihrer Studien haben, und einen guten und christlichen Wandel führen.
Diese Candidaten sollen a.) in
Berlin zwey Tage hinder einander bey unserm Cammer-Gericht, in Gegenwart aller
Räthe, Advocaten und anderer gelahrten Leute aus der Theoria juris, und den
dritten Tag aus der Pommerschen Process-Ordnun examiniret, und zwey Räthe dazu
von dem Præside benannt werden.
b.) Soll ihnen eine wichtige Sache
zu Verfertigung einer Probe-Relation zugestellet, einer von denen Examinatoren
zum Correferenten ernannt, und beyde Relationes in pleno verlesen werden.
c.) Und weil es bey einem Advocaten
zugleich auf einen guten, deutlichen und kurtzen Vortrag ankommt, so soll ihm
eine wichtige Sache mündlich vorzutragen, und zu defendiren aufgetragen werden.
d.) Wann dieses alles geschehen, muß
das Collegium über des Competentens Capacität, und wie er in allen dreyen
Stücken bestanden, sein Gutachten, auf seinen Uns geleisteten Eyd, ohne
Ansehung der Person, abstatten, und das Protocoll, worinn die Vota singulorum
notirt werden müssen, einschicken, da Wir denn wegen dessen Reception oder
Abweisung das Benöthigte verfügen werden.
Und weil es billig ist, daß denen
Examinatoribus für ihre Bemühung einige Erkäntlichkeit gereichet werde, so soll
der Competente, so bald er sich zum Examine meldet, 10 Rthlr. deponiren, welche
unter die Examinatores getheilet werden sollen.
§. 5. Es müssen die Advocati, bey
Strafe der Cassation, keine andere Aemter und Handthierungen, in specie aber
keine Justitiariate, oder Commissiones auf dem Lande annehmen, auch in keinem
andern Judicio als bey der Regierung und dem darunter begriffenen Consistorio
denen Partheyen patroniciren.
§. 6. Es soll bey einer jeden Sache
nur ein Advocatus gebraucht werden, und wann dieser einmahl sich ad causam
legitimiret, soll kein anderer bey 5 Rthlr.
I
34 Erster Theil. Tit. XIII. (§§.
6.-11.)
Strafe, ohne des ersten Vorwissen
und Consens wissentlich ein Memorial in derselben Sache verfertigen oder unterschreiben.
§. 7. Die Advocaten müssen auch
nicht mehr Sachen annehmen als sie bestreiten können, würden sie sich aber
damit überhäufen, und ihren Partheyen dadurch etwas versäumen, sollen sie zu
Ersetzung des Schadens angehalten werden.
Wie sie dann auch, wann eine Sache
zu schwer ist, und über ihre Spheram steiget, solche vons ich abweisen müssen,
oder wann etwas dabey versehen ist, vor den Schaden stehen.
§. 8. Die Advocaten müssen nicht
promiscue alle vorkommende Sachen annehmen, noch sich auf die blosse ihnen
zugefertigte Instruction verlassen, sondern sich mit Fleiß von allen Umständen
erkundigen, die Documenta, worauf sich die Klage gründet, sich vorlegen lassen,
solche genau examiniren, die Parthey über dasjenige, was etwa der Beklagte
einwenden möchte, befragen, hauptsächlich nach dem Beweiß, wann die Klage
negiret werden solte, sich erkundigen, oder doch solchen, dem Befinden nach,
ihnen an die Hand geben.
Solcher gestalt müssen die Advocaten
für allen Dingen die Legitimation besorgen, und bey 5 Rthlr. Strafe, keine
Action ohne Vollmacht anstellen, weil auch die Cautio de rato, ausser in causis
repentinis, und wo periculum in mora ist, nicht angenommen werden soll: Wann
mehrere Interessenten seyn, müssen die Advocaten solche gehörig citiren lassen;
Und wann ihre Parthey minoren (!) ist, das Tutorium oder Curatorium der
Vollmacht in Copia vidimata beylegen (et)c. Sie müssen auch weiter sich genau
erkundigen, ob das Forum gegründet, und wann cautio de reconventione et
prosequenda lite gefordert werden könte, müssen sie bey Zeiten Anstalt dazu
machen. Anbey über die eingezogene Information ein ordentlich Protocoll halten.
§. 9. Gleichergestalt muß des
Beklagten Advocat, so viel möglich, die Partheyen selber examiniren, deren etwa
habende Exceptiones wohl erwegen, und den zu Fundirung ihrer Exceptionen
gehörigen Beweiß zur Hand schaffen.
§. 10. Wann des Actoris oder rei
Advocat die Parthey nicht mündlich zu examiniren Gelegenheit hat, und in der
ihm zugefertigten Information die Sache nicht vorgeschriebener massen
instruiret ist, muß er die Action nicht eher anstellen, bis er eine nähere und
völlige Information erhalten.
§. 11. Wann die Advocaten in ihrem
Gewissen überzeugt seyn, daß die Sache offenbar unrecht ist, müssen sie
dieselbe nicht annehmen; sondern die Partheyen von ihrem Fürnehmen abrathen,
ihnen die schwere Process-Kosten, die Verletzung ihres Gewissens, und Erwerbung
des göttlichen Zorns, zu Gemüthe führen: Sich selbs aber durch die Hofnung des
Salarii nicht zum offenbahren Meineyd verleiten lassen.
Wann sie aber auch einiger massen
zweifelhaft anscheinen möchte, müssen sie suchen, die Sache unter sich zu
vergleichen, oder auf einen Rath des Collegii compromittiren. Im Fall ein
Advocat einen zweifelhaften und weit aussehenden Process vergleichet, sollen
demselben so viel als die gantze Instantz austragen würde, dafür in der
Rechnung passiret werden.
Es muß aber der Advocat jederzeit,
wann die Sache verglichen wird, oder sonst durch Bezahlung der Process geendigt
worden, solches bey Verlust seiner Gebühren
35 Erster Theil. Tit. XIII. (§§.
11.-14.)
bey dem Constitutioniren anzeigen,
und zugleich seine Gebühren liquidiren, damit die Acta reponirt und aus der
Process-Liste gelöschet werden können.
§. 12. Weil nun von dieser
Instruction die gantze Beschleunigung des Processes dependiret, allermassen die
Advocaten (wann sie gleich Anfangs eine völlige Information erhalten, nachhero
in denen weitern Instantzen die Schriften desto leichter verfertigen, und wegen
Mangel der Instruction keine Dilationes fordern dürfen): So soll ein jeder
Advocat, auf des Præsidenten Verlangen, seine Privat-Acten zu produciren
schuldig seyn, damit dieser daraus ersehen könne, ob der Advocat vor
angestellter Klage diese Vorschrift beobachtet, und ein richtiges Protocoll
darüber gehalten haben; Wann solches nicht geschehen, und der Process dadurch
verzögert worden, muß der Advocat mit 5. bis 10. Rthlr. bestrafet, und dem
Befinden nach, cassirt werden.
§. 13. Weil Wir aber auch
wahrgenommen, daß alle Unsere nachdrückliche Edicte, wegen Beschleunigung der
Processe, keinen Effect daher gehabt, weil die Advocaten von einer jeden
Schrift und Verhör sich die Gebühren bezahlen lassen, und daher durch unzählige
Memorialien, Incident-Puncten, Verhöre, Restitutions-Gesuche, den Process zu
verlängern gesucht haben; So haben Wir kein kräftiger Mittel gefunden, die
Advocaten im Zaum zu halten, als deren Gebühren usque ad finem litis
auszusetzen.
§. 14. Wir befehlen also allen und
jeden Advocaten, bey Vermeidung der unnachbleiblichen Cassation, keine
Gebühren, sie mögen Nahmen haben wie sie wollen, wann es auch unter dem Nahmen
eines Anlehns, Geschencks, Caution etc. versteckt werden wolte, von einer
Parthey anzunehmen, vielweniger de quota litis zu pacisciren, sondern es soll damit
folgender gestalt gehalten werden:
Bey einer jeden Instantz muß der
Advocat, bey Uebergebung seiner letzten Schrift, sub pœna amissionis seine
Gebühren specificiren: Der Referent muß diese Specification mit denen Acten
conferiren, alle überflüßige und unnöthige Kosten vorbey gehen, und solche in
dem Urthel sowohl erster, zweyter, als dritter Instantz moderiren: Die
Bezahlung aber soll nicht eher bis nach völlig geendigten Process erfolgen.
Welcher Advocat seine Gebühren nicht
specificiren, sondern entweder vor- oder nach geendigter Sache sein Honorarium
fordern, oder wann es ihm auch ultro von der Parthey finita lite offerirt wird,
annehmen würde, soll er nicht allein dem Fisco quadruplum erstatten, sondern
sofort seines Amts erlassen werden.
Wann aber auch die Advocaten über
die in der Sportul-Ordnung vestgesetzte Gebühren etwas fordern, oder dasjenige
was sie angeben nicht verrichtet haben, sollen sie auch derer übrigen Gebühren
verlustig gehen.
Bey Moderation derer Gebühren muß
der Referent in jeder Instantz darauf Achtung geben, ob der Advocat redlich
gehandelt, eine gerechte oder wenigstens zweifelhafte Sache defendiret habe:
oder aber ob die Sache offenbar ungegründet, ob er die Remedia widerrechtlich
ergriffen, und unnöthige incident Puncten formiret, auch die Schriften mit
vielen Recoctis und unnöthigen Allegationen weitläuftig gemacht habe: Ersteren
falls soll dem Advocaten ohne höchtnöthige Moderation das liquidirte Quantum
passirt werden. Letztern falls aber soll dessen Honorarium, nebst dem Duplo,
jedesmahl der Sportul-Casse zugesprochen werden, und soll von dergleichen
Sententzen kein Remedium statt haben.
I 2
36 Erster Theil. Tit. XIII. (§§.
14.-19)
Weil aber diese Verordnung bloß auf
unsere Unterthanen, gegen welche executio wegen des Honorarii parata ist,
gerichtet ist; also können fremde Kläger sich dieses Beneficii nicht
gebrauchen, sondern dieselbe müssen dem Advocaten entweder einen zulänglichen
Vorschuß thun, oder einen tüchtigen Caventen bestellen. Und ist kein Advocat
schuldig, bis solches geschehen, das Patrocinium zu übernehmen:
Wann ein Cavent bestellet, muß der
Landreuther nach Ablauf der vier Wochen, nachdem der Cavent zur Bezahlung
ermahnet worden, das schuldige Honorarium abfordern.
§. 15. Wann die Advocaten Documenta,
oder auf genommene Attestata zu produciren haben, müssen sie die verba formalia
derselben, und wie sie eigentlich lauten, ad protocollum ordentlich vortragen,
mit nichten aber falsch allegiren, oder aus denen offenbahren und klaren
Worten, einen andern Verstand erzwingen, imgleichen den Ort wovon eigentlich
gehandelt wird, anzeigen, damit unsere Regierung mit unnöthiger Nachlesung des
gantzen zuweilen sehr weitläuftigen Instruments nicht möge aufgehalten werden.
§. 16. Wann der Advocat vorsetzlich
und wohlwissend etwas geleugnet, welches doch nachhero erwiesen wird, so soll
er mit Verlust seines Honorarii ohne Gnade cassiret werden: Und wann die
Parthey es geläugnet und dem Advocaten verschwiegen, soll sie die Helfte des
Objecti litis entweder verlieren, oder solche dem Gegentheil über das schuldige
Quantum erstatten.
Im übrigen bleibt es bey der
Disposition der gemeinen Rechte, daß der Reus, welcher, wenn actio realis gegen
ihn angestellet wird, läugnet, daß er das Stück Guthes besitze, nachhero aber
dessen überführet wird, dem Actori den Besitz einräumen, und den Beweiß,
welcher sonst dem Actori obgelegen, übernehmen müsse.
§. 17. Solte sich in processu litis
eine wichtige Anzeige hervor thun, woraus eine Malitia oder Animus calumniandi
bey dem Principal oder dessen Advocato erscheinen solte, soll Unsere Regierung
wohl befugt seyn, ex officio denenselben das Juramentum malitiæ zu imponiren,
dessen sich der Advocatus oder die Parthey selbst niemahlen entbrechen, noch
dargegen ein Remedium einwenden kan.
§. 18. In Process- und
Justitz-Sachen soll kein Memorial, welches nicht von einem recipirten Advocaten
unterschrieben ist, angenommen, sondern sofort durch den Cantzley-Diener
demselben zurück gegeben, zugleich aber auch der Supplicante befragt werden,
wer das Supplicat verfertiget, und was er dafür gegeben habe.
Wann der Verfertiger unter der
Regierung Jurisdiction stehet, soll derselbe vorgefordert, und wann er dessen
geständig ist, mit 10 Rthlr. Strafe, oder wann er solche binnen drey Tagen
nicht erlegt, vier Wochen halb bey Wasser und Brod zur gefänglichen Haft
gebracht werden.
Wann der Concipient unter einer
andern Jurisdiction stehet, muß das Memorial an den Magistrat des Concipienten
ex officio remittiret werden, um denselben, wann er es geständig, auf gleiche
Weise zu bestrafen.
§. 19. Dahingegen soll kein Advocat,
wann die Parthey Ursach hat, über versagtes Recht zu klagen, sich aus
Menschen-Furcht oder Ansehung der Person, entziehen, die Sache in bescheidenen
Terminis bey denen Unter- und höhern Gerichten, und,
37 Erster Theil. Tit. XIII. (§§.
19.-23.)
wann ihm nicht rechtlich geholfen
wird, bey Uns immediate vorzustellen, und Hülfe zu suchen, allermassen der
Advocat allenfalls bey 20 Rthlr. Strafe der klagenden Parthey sein Patrocinium
nicht versagen muß.
§. 20. Er muß aber nichts gegen die
Rechte, Acta, und ins besondere gegen diese Verfassung suchen, vorstellen oder
bitten; er muß auch niemahls mit Vorbeygehung der Regierung sich bey Unserm
Geheimten (!) Etats-Rath in Berlin melden, oder Uns immediate, z. E. mit
Suchung eines Moratorii, Commission etc. behelligen: Massen derselbe, wann er
hierwider handelt, nicht allein seiner Gebühren verlustig erkläret werden,
sondern auch seiner Parthey alle verwandte Kosten erstatten, und das Duplum zur
Sportul-Casse erlegen soll.
Wir befehlen hingegen Unsern
Pommerschen Justitz-Collegiis ernstlich, die Klagen welche wegen versagter
Justitz entweder gegen die Unter-Gerichte, oder gegen den Decernenten selbst
einlaufen, jederzeit wohl zu erwegen, Acta genau nachzusehen, und wann von
denen Unter-Gerichten die etwa erforderte Berichte einkommen, sich nicht bloß
darauf zu verlassen, sondern solche mit denen Gravaminibus zu conferiren, und
die Partheyen jedesmahl cum rationibus umständlich zu bescheiden, oder zu
gewärtigen, daß wann höhern Orts Klage darüber geführet, und die Gravamina
gegründet gefunden werden, der Decernent eben so wie vorhin von den Advocaten
disponiret worden, gestraft werden solle.
§. 21. Es müssen auch die Advocaten
in denen Sachen welche zum Constitutioniren, das ist, zur Instruction des
Process gehören, keine schriftliche Memorialien verfertigen, sondern es sollen
ihnen dieselbe wieder zurück gegeben, und 1 Rthlr. Strafe von ihnen
beygetrieben werden; wovon aber die in denen Ferien verfertigte Memorialien ausgenommen
werden (Vid. part. III. Tit. 2.).
§. 22. Es müssen auch die
Justitz-Collegia auf derer mehrentheils muthwilligen Kläger Vorgeben, als ob
kein recipirter Advocat dem Kläger ein Memorial machen, oder das gemachte
unterschreiben wolle, nicht leicht Attention machen, weil die Vermuthung ist
daß derjenige, welcher dem Supplicanten bisher bedient gewesen, von der
Unrichtigkeit des Gesuchs überzeugt seyn müsse, und dieserwegen sein
Patrocinium versagt habe.
Wann aber der Præsident vorkommenden
Umständen nach nöthig finden solte, entweder dem vorhin-gewesenen Advocato
anzubefehlen, die Ursache der denegirten Unterschrift anzuzeigen, oder dem
Supplicanten einen Advocatum ex officio zuzugeben; so müssen die Advocaten
kurtz die Ursachen melden, warum sie dem Kläger nicht dienen, oder dessen
Memorial nicht unterschreiben können.
Wann die Ursachen der verweigerten
Unterschrift gegründet gefunden werden, muß der Kläger den Concipienten
benennen, und, was er dafür gegeben, befragt, der Concipient aber zu gebührender
Strafe gezogen, und der Kläger abgewiesen werden.
Im Fall der Kläger sich dabey nicht
beruhigen will, soll er drey oder vier Tage halb bey Wasser und Brod zur
gefänglichen Haft gebracht werden.
§. 23. Da auch eine Parthey oder
Advocatus jemand von denen Räthen oder andern Gerichts-Bedienten in
rechtmäßigen Verdacht hielte, soll er solche Ursachen des Verdachts dem
Præsidenten in geheim, oder, wann es vergeblich, in der Audientz
K
38 Erster Theil. Tit. XIII. (§§.
23.-28.)
mit Glimpf und Bescheidenheit anzeigen,
und muß alsdenn wie oben Part. I. Tit. VI. §. 12 versehen verfahren werden.
§. 24. Die Advocaten müssen sich in
ihren Schriften und Vorträgen alles Calumniirens, Retorquirens, Schmähens,
Anzüglichkeiten, auch zur Sachen nicht dienlichen Privat-Händeln, wider die
Regierung und deren Räthe sowohl, als den Gegentheil und dessen Advocaten
(et)c. gäntzlich enthalten; und da sie dawider handeln, soll die Schrift als
eine Schmäh-Schrift angesehen, und der Advocat dem Befinden nach mit einer
Geld-Strafe, Suspension oder Remotion, auch dem Befinden nach mit einer
Leibes-Strafe angesehen werden.
Es soll auch niemand von dieser
Strafe unter dem Vorgeben daß der Gegentheil des Anfang des unziemlichen
Schreibens gemacht habe, befreyet werden, sondern so wohl diese als die Schrift
so zur Retorsion Anlaß gegeben, soll mit dictirung der obgemeldten Strafe
zurück gegeben werden.
§. 25. Die Advocaten sollen ihre
Satz-Schriften kurtz und deutlich verfertigen, alle Allotria bey Seite setzen,
Priora nicht recoquiren, ihre Sache aus den Legibus so viel möglich deduciren,
alle unnöthige Allegationes der Doctorum vermeiden, die Schriften rein und
sauber mit Unterzeichnung ihres leserlichen Nahmens schreiben, und zusammen
geheftet übergeben, und nichts produciren es sey dann fleißig collationiret und
nachgelesen.
Wie sie dann auch auf jede Seite
wenigstens zwantzig Zeilen, und in jede Zeile zwölf Silben bringen, auch die
Partheyen mit Schreib-Gebühren unbilliger weise nicht übersetzen müssen.
§. 26. Es sollen die Advocati nicht mehr
durch eine General-Titulatur, rechtliche Nothdurft etc. ihre Producta
rubriciren, sondern mit Terminis juris intituliren; als z. E. Libellus
actionis, restitutio in integrum, revisio, Exceptiones, replicæ etc.
Es muß auch deutlich, und zwar mit
Anführung des Vor- und Zunahmens, auch Bedienung derer Partheyen, exprimiret
werden wer Kläger oder Beklagter, Wider-Kläger oder Wider-Beklagte sey. Wie
denn auch der Interveniente und Intervente, Litis denunciant und Litis
denunciate, wann sich dergleichen finden, mit benennt werden müssen.
Wann über einen Neben-Punct
gestritten wird, als z. E. in puncto turbationis, cautionis etc. sollen auch
diese mit specificiret werden.
Schließlich müssen nach Absterben
der Partheyen auch derer Erben, und, nach beschehener Cession, auch die
Cessioniarii mit aufgeführet werden, per formulam: In Sachen N. modo dessen
Erben, Cessionarii etc.
§. 27. Alle gerichtliche Producta,
Supplicationes, und Satz-Schriften, können in duplo übergeben werden: Es müssen
aber die Advocaten solche collationiren, und dafür stehen daß die Schriften so
sie übergeben gleiches Lautes seyn, und wörtlich übereinstimmen.
§. 28. Wann ein Advocat die
Unterthanen wider ihre Obrigkeit aufwiegelt, und zum Ungehorsam anreitzet, oder
ihnen zur Ungebühr patrociniret, oder sonst im Lande
39 Erster Theil. Tit. XIII. (§§.
28.-36.)
die Leute zum Process beredet, so
soll derselbe, wann die Sache in einem offenbahren Ungrund beruhet, nicht
allein der Parthey alle Kosten prævio juramento erstatten, sondern auch dem
Befinden nach cassiret werden. Jedoch wird hiedurch ein rechtmäßiges
Patrocinium der Bedrängten niemand verbothen oder abgeschnitten.
§. 29. Die Advocaten müssen die in
dieser Ordnung vorgeschriebenen Termine wohl in Acht nehmen, weil sie, wann sie
dieselbe versäumen, und nicht vigiliren, die Parthey aber restitutionem sucht,
jederzeit mit 5 Rthlr. ex propriis gestraft werden, und alle Schäden und Kosten
besonders dem Gegentheil erstatten sollen.
§. 30. Wann ein Advocat bestraft
wird, und innerhalb acht Tagen die Strafe nicht von selbst erleget, so soll
dieselbe absque monitorio durch den Cantzley-Diener, und wenn er solche nicht
so fort bezahlet, durch den Landreuther abgefordert werden.
Es muß auch kein Advocat sich, bey Strafe
der Cassation, unterstehen diese Strafe von der Parthey wieder zu fordern; Und
soll dem Fiscal frey stehen, die Parthey allenfalls eydlich darüber zu
vernehmen.
§. 31. Die Advocaten müssen ihre
Privat-Acta in guter und richtiger Ordnung halten, und dem Præsidenten, wann er
es verlanget, solche vorzeigen. Sie können auch unter dem Prætext, daß die
Parthey ihnen die Gebühren nicht bezahlen, die Acta und Documenta derselben
nicht an sich behalten.
§. 32. Die Advocaten müssen des
Vormittags um 9 Uhr auf der Regierung sich einfinden, da dann præcise auf den
Schlag die Sachen nach der in dem Tage-Zettul enthaltenen Ordnung vorgenommen
werden können.
Wann die Verhöre abgelesen worden,
und die Parthey und deren Advocat sich nicht gemeldet, nachhero aber doch gehöret
seyn wollen, soll die Parthey 1 Rthlr. zur Sportul-Casse bezahlen.
§. 33. Bey denen mündlichen Verhören
müssen sie ihren Vortrag deutlich und umständlich, jedoch kurtz thun, und zu
dem Ende sich zuvor zu Haus darzu præpariren: Sie müssen den Vortrag mit
Rechts-Gründen aus denen Gesetzen, und nicht mit unnöthigen Allegationen derer
Doctoren bewähren, darbey sich aller Weitläuftigkeit und unnöthigen
Wiederholungen enthalten, und nichts als was zur Sache dienet, vorbringen.
§. 34. Wann ein Advocat in seinem
Vortrag einen seiner Parthey nachtheiligen Errorem in facto begehet, soll ihm
oder der Parthey frey stehen, solchen binnen drey Tagen zu corrigiren, und
dieserwegen, wenn auch schon verabscheidet worden, auf Verhör zu provociren.
§. 35. Was die Advocaten bey dem
Constitutioniren zu beobachten haben, dieserwegen werden sie auf Part. III.
Tit. . §. . und wegen der Corruption auf Part. I. Tit.
I. §. 22. verwiesen.
§. 36. Soviel die Satz-Schriften
anbetrift, müssen die Advocaten solche gleichfalls mit behörigen Fleiß
ausarbeiten, sich aber mit weitläuftigen und undienlichen Allegatis nicht
aufhalten, sondern allein Leges, und, so viel möglich, solche Doctores
allegiren, welche in terminis terminantibus von dem streitigen Casu handeln,
auch alle unnöthige, und nur zur Vergrösserung der Acten und Kosten, auch
Beschwerung des Richters in Verlesung der Acten gereichende Wiederholungen
vermeiden.
K 2
40 Erster Theil. Tit. XIII. (§§.
37.-41.) XIV. (§. 1.)
§. 37. Wann eine Commission
angeordnet worden, müssen sich die Advocaten des Tags vorher bey denen
Commissariis melden, und sich erkundigen, ob- und um welche Zeit die Commission
vor sich gehen werde, auch sich um die benannte Zeit bey 2 Rthlr. Strafe
einfinden.
§. 38. Wann sie Dilationes suchen,
müssen sie jedesmahl anzeigen, ob es die erste, zweyte, oder dritte sey.
§. 39. Die Advocaten müssen, wann
sie Remedia suchen, jederzeit den Bescheid oder das Urthel beylegen, damit der
Decernent wissen könne, ob die Remedia in denen verbothenen Fällen gesucht
werden; als in welchen Fall der Advocat jederzeit in 10. bis 20. Rthlr. Strafe
ex propriis condemnirt werden soll.
§. 40. Schließlich soll ein jeder
Advocat seinerseits sich angelegen seyn lassen den Process in einem Jahr in
allen Instantzen zu endigen: Und wenn ein oder der andere übrig bleiben solte,
so soll die Ursache der Verzögerung durch eine Commission untersucht, und der
Advocat, wann es an ihm gelegen, dimittiret werden.
§. 41. Damit aber die Advocaten
destomehr sich mögen angelegen seyn lassen, diese Unsere gerechte und zum
Soulagement unserer Unterthanen gereichende Intention zu befolgen, so soll ein
jeder Advocat mit folgendem Eyd belegt werden:
Ich N. N. schwere zu Gott einen
cörperlichen Eyd, daß ich wissentlich keine offenbahre ungerechte Sache annehmen
noch defendiren, auch zu solchem Ende keine Klage, ohne vorher die in dieser
Ordnung vorgeschriebene Information und Instruction vorzunehmen, anfangen, und
nichts was der Warheit zuwider ist, anführen, vielweniger vorsetzlich etwas
leugnen wolle: daß ich auch in zweifelhaften Sachen denen Partheyen die Gäte
anrathen, oder dieselbe zu einem Compromiss disponiren wolle. Daß ich ferner
keine Gebühren neque directe, neque per indirectum, als wenn der Process völlig
zum Ende, und dieselbe per Sententiam determiniret worden, fordern oder nehmen
wolle. Daß ich ohne die höchste Noth keine Dilationes fordern, auch die
Processe durch unnöthige und dilatorische Incident-Puncten nicht verzögern,
sondern so viel an mir liegt, in einem Jahr zum Ende bringen wolle. Daß ich,
wann ich hiergegen vorsetzlich und wissentlich handele, als ein Meineydiger
mich der in denen Rechten darauf gesetzten Strafe unterwerfen, und diese neue
Gerichts-Ordnung aller Jahr einmahl mit Bedacht durchlesen wolle. So wahr mir
Gott helfe durch Jesum Christum etc.
Tit. XIV.
Von Vollmachten derer Advocaten.
§. 1. Weil kein Advocatus eine Klage
anstellen soll, ehe und bevor er eine richtige Vollmacht erhalten, so hat es
dabey sein Bewenden.
Wenn aber eine Sache vorkommen
solte, wo periculum in mora ist, und der Advocat die Vollmacht nicht so bald
beyschaffen kan, so soll die Klage zwar
41 Erster Theil. Tit. XIV. (§§.
1.-8.)
angenommen werden: Es muß aber der
Advocat in dem ersten Termin eine gedruckte Vollmacht übergeben, wann er
solches nicht thut, soll er mit seiner Klage nicht weiter gehöret, sondern
angehalten werden dem Kläger die Kosten ex propriis zu bezahlen, überdem auch
als Falsus procurator angesehen und bestraft werden.
§. 2. Wann ein Advocat ein Mandatum
generale erhalten, und die Parthey verschiedene Processe hat, so muß das
Original zu einer Sache, zu den andern aber copiæ vidimatæ gelegt, zugleich
auch die Acta, bey welchen sich das Original befindet, benannt werden.
§. 3. Solches Mandatum müssen die
Partheyen und Consorten eigenhändig unterschreiben und untersiegeln, oder, wenn
sie nicht schreiben können, oder kein Siegel haben, die Vollmacht gerichtlich
verfertigen, oder durch einen recipirten Notarium in Gegenwart zweyer
beglaubten Zeugen unterschreiben lassen.
§. 4. Wenn es Pupillen-Sachen (et)c.
betrift, müssen auch die Tutoria et Curatoria in vidimata Copia beygelegt
werden.
§. 5. Wenn jemand für seinen Vater,
Sohn, Bruder, Schwester, Ehefrau, oder andere im ersten und zweyten Grad
cognationis et affinitatis verwandte Personen im Gericht ohne Vollmacht
erscheinet, sollen sie admittiret werden wann sie de rato caviren.
Welches auch also zu halten wenn in
einer Klage viele Consortes sich unterschreiben, und einer allein erscheinet
der für die abwesenden Consorten handeln wolle: Massen dieser ohne Mandat sub
cautione de rato gehöret werden soll.
Es wäre denn daß ein speciale
Mandatum erfordert werde, weil in diesen Fällen so wohl von denen Conjunctis
personis, als von allen Consorten und Interessenten ein besonderes Mandatum
nöthig ist.
§. 6. Wann also ein Advocat ein
solches Mandat zu Führung des Process erhalten, so kan er zwar alles was dahin
einschlägt verrichten, in allen andern Fällen aber, als z. E. in Vergleichen,
Veräusserungen, Renunciatone litis, Ablegung der Eyde, Hebung der Gelder (et)c.
muß er ein speciale Mandatum haben; welche Casus in dem Land-Recht weiter
ausgeführet werden sollen.
§. 7. Ein jeder Advocat ist schuldig
bey 5 Rthlr. Strafe in der Vollmacht einen Substitutum zu benennen, welche die
Substitution durch seine Unterschrift annehmen und bekräftigen muß, damit bey
dem Constitutioniren die Vorträge, oder wann der Advocat verstirbet, die Sache
dadurch nicht aufgehalten werde. Es stehet aber denen Partheyen frey diesen
Substitutum nach Gefallen zu ändern, wenn sie nur zugleich einen andern
benennen.
§. 8. Kein Advocat soll seinem
Mandato ohne wichtige Ursache und vorhergehende richterliche Erkänntniß wider
der Parthey Willen renunciiren, massen, der Renunciation ohngeacht, der Advocat
so lang pro Mandatario gehalten werden soll bis darüber erkannt wird.
Wann die Renunciation vor gültig
erkannt wird, muß die Parthey binnen vier Wochen einen andern Mandatarium
bestellen, unterdessen aber liegt dem Substituto ob den Process nach wie vor zu
besorgen.
L
42 Erster Theil. Tit. XIV. (§§.
8.-10.) XV. (§§. 1.-5.)
Wann die Parthey binnen vier Wochen
keinen neuen Mandatarium bestellet, soll ein anderer ex officio benannt werden.
§. 9. Denen Partheyen ist erlaubt
ihr Mandatum zu revociren, sie müssen aber auch zugleich einen andern benennen;
so lang dieses nicht geschicht, muß der vorige Mandatarius und dessen
Substitutus ohngeacht der Revocation den Process fortsetzen.
§. 10. Wann ein Advocat
solchergestalt sich des Process entschläget, kann er dem Gegentheil in
derselben Sache nicht dienen noch rathen, vielweniger was ihn an Heimlichkeiten
anvertrauet worden, offenbahren (!). In andern Sachen aber die mit der vorigen
keine Connexion haben, ist ihm-wider (!.) diejenige denen er gedienet oder noch
dienet, sich gebrauchen zu lassen unverbothen.
Tit. XV.
Von dem Advocato derer Armen, und
derer Soldaten.
§. 1. Unter die Armen werden
diejenige gerechnet, welche über ihren höchst-nöthigen Unterhalt nicht so viel
im Vermögen haben daß sie die Process-Kosten davon bezahlen können.
§. 2. Und dieses ihr Unvermögen
müssen sie vermittelst folgenden Eydes bekräftigen:
Ich N. N. schwere, daß ich an aller
meiner liegenden und fahrenden Haabe und Güter oder Schulden so viel nicht
vermag, daß ich die zu meiner Sachen gehörige nothdürftige Expeditiones, auch
meinen Advocaten und Procuratoren ihre Mühe nicht bezahlen noch belohnen kan,
auch um Leistung willen dieses Eydes meine Haab und Güter gefährlicher Weise
nicht veräussert, noch anderen übergeben habe, und so ich meine Sachen mit
Recht erhalte, oder sonsten zum bessern Vermögen komme, daß ich alsdann einem
jeden nach seiner Gebühr ehrliche Zahlung thun will, getreulich und
ohngefährlich: Als mir Gott helfe und sein heiliges Wort.
§. 3. Und braucht es also keines
weitern Gezeugniß seiner Obrigkeit, oder sonst einer Bescheinigung, noch
richterlichen Erkäntniß, als wodurch die Sache wider Unsere Intention nur
aufgehalten wird.
§. 4. Bey gemeinen Soldaten und
Unter-Officiren braucht es dieses Eydes gar nicht weil ohnedem bekandt daß sie
von ihrem Sold keine Processe führen können.
Es muß aber dieses Beneficium, nebst
der Freyheit von Sportuln, bloß denen Soldaten und Unter-Officiren zu statten
kommen, wenn sie wegen ihrer eigenen Sachen (nicht aber wegen ihrer Eltern und
Anverwandten) Klage führen.
§. 5. Wenn jemand zu dem Armen-Recht
gelassen zu werden verlanget, soll der Armen-Advocat zuforderst die Sache
ausführlich examiniren, die Briefschaften mit Fleiß durchsehen, worauf die
Sache ankommt wohl erwegen, ein Protocoll darüber halten, und dem Armen, so wie
er es vor Gott nach seinem geleisteten Eyd verantworten kan, mit aller Treue
assistiren.
43. Erster Theil. Tit. XV. (§§.
6.-12.) XVI (§. 1)
§. 6. Dafern durch seine
Nachläßigkeit denen armen Partheyen einiger Nachtheil und Schaden zuwachsen
möchte, soll er deshalb ihnen gerecht zu werden verbunden seyn.
§. 7. Im Fall der Advocat die Sache
so beschaffen findet, daß er mit guten Gewissen solche zu defendiren sich nicht
getrauet, soll er das gehaltene Protocoll dem Præsidenten nebst seinem
Gutachten (welches er an Eydes statt unterschreiben muß) einliefern: Da dann
dieser dem Befinden nach den Supplicanten bedeuten und zur Ruhe verweisen;
oder, wann er noch einen Zweifel dabey findet, durch einen deputirten Rath den
armen Kläger, selber examiniren, und ob ihm zu helfen sey, untersuchen lassen
muß.
§. 8. Würde der Advocatus pauperum
durch Kranckheit oder andere erhebliche Verhinderungen abgehalten die Sache
vorzutragen oder fortzusetzen, soll die Regierung ad interim die Sache einem
andern Advocato auftragen, welcher solche ohnweigerlich anzunehmen schuldig.
§. 9. Wann beyde Theile das
Armen-Recht erhalten, hat Unsere Regierung demjenigen Theil welchem der
Advocatus pauperum nicht bedienet ist einen Advocatum ex officio zu setzen,
dessen sich kein Advocat entziehen soll.
§. 10. Damit auch Unsere Regierung
von den Armen-Processen gewisse Nachricht haben möge, und die Sache nicht
liegen bleibe, so soll der Advocat alle drey Monath ein richtiges Verzeugniß
aller Armen- und Soldaten-Sachen, und wie weit darinnen verfahren worden, dem
Præsidenten einliefern.
§. 11. Demjenigen so zum Armen-Recht
verstattet wird sollen alle gerichtliche Ausfertigungen, auch bey denen
Unter-Gerichten, umsonst, und zwar auf ungestempelt Papier, ertheilet werden.
§. 12. Wann ein Armer in der ersten
Instantz succumbiret, und der Advocat bey seinem geleisteten Eyd anzeiget, daß
er kein besseres Urthel zu erhalten glaube, soll ihm das Armen-Recht, wann es
auch ein Soldat ist, entzogen werden.
Und wann der Arme boshafter Weise
sich nicht begnügen wolte, soll er dem Befinden nach mit Gefängniß und sonst
bestrafet werden.
Tit. XVI.
Von dem Amt des Procuratoris Fisci,
wie auch derer Soldaten und Armen.
§. 1. Wir haben hiedurch nochmahl declariren
wollen, daß kein Procurator künftig mit Processen und gerichtlichen Handlungen
weiter etwas zu thun haben, sondern sich dessen enthalten solle:
Allermassen denen Advocaten obliegt
die Correspondentzen in ihrem Nahmen durch ihre Schreiber zu führen.
L 2
44 Theil I. Tit. XVI. (§§. 2.-9.)
§. 2. Wir sind aber zufrieden daß
die Advocaten die itzo fürhandene Procuratores, bis sie aussterben, als ihre
Schreiber zu sothaner Correspondentz, und nicht weiter, gebrauchen können, sie
müssen aber die Gebühren für sothane Correspondentz in ihrem Nahmen liquidiren,
die Procuratores aber müssen sich mit demjenigen, was ihnen der Advocat nach
beschehener Moderation zuwenden will, begnügen.
§. 3. Würde ein Procurator jemanden
zu einem Process anrathen, eine Instruction aufsetzen, oder gerichtlich etwas
verhandeln, so soll derselbe, insonderheit wann er von denen Partheyen etwas an
Geld oder Geldes Werth dafür genommen, cassirt und überdem am Leibe gestraft
werden.
§. 4. Wir befehlen unserm
Præsidenten und Officio Fisci hierauf fleißig Achtung zu geben, und wann sie
einen Procuratorem auf dem Gericht betreten, solches sofort dem Præsidenten
anzuzeigen, welcher auf seine Uns geleistete Pflicht nach dieser Ordnung gegen
den Uebertreter verfahren soll.
§. 5. Gleichwie aber bey denen
Fiscalischen-, Armen- und Soldaten-Sachen dergleichen Procuratores
unentbehrlich seyn; So wollen Wir zwey darzu ernennen, wovon einer die
Fiscalische, der andre aber die Soldaten- und Armen-Sachen respiciren soll;
welche aber bloß in denen ihnen anvertrauten Sachen procuriren, in andere
Justitz-Sachen aber bey Strafe der Cassation sich nicht mischen müssen.
§. 6. Der Procurator Fisci muß
dasjenige was ihm das Officium Fisci aufträgt fleißig verrichten, und
insonderheit für die Expedition und Insinuation der fiscælischen Sachen sorgen.
§. 7. Der Soldaten- und
Armen-Procurator muß die an ihn adressirte Schriften gehörigen Orts übergeben,
für deren Expedition sorgen, denen Soldaten und Armen so oft es nöthig,
Nachricht von ihren Processen ertheilen, auch was sie zur Beschleunigung der
Sachen thun sollen, an die Hand geben.
§. 8. Dahingegen müssen die Soldaten
sowohl als die Armen die Briefe jederzeit franquiren.
§. 9. Schließlich müssen diese
Procuratores durch folgenden Eyd sich verbinden:
Der Armen-Procurator schweret also:
Ich N. N. schwere zu Gott, daß ich
meinen Partheyen getreulich und ohnentgeldlich beystehen, deren Angelegenheiten
gehörig besorgen, denenselben fleißig Nachricht von dem Zustand ihrer Sachen
geben, und ihnen nach meinem besten Wissen und Gewissen rathen; im übrigen aber
mich in keine andere Justitz-Sachen mischen, noch darinn procuriren, und, wann
die Advocaten sich meiner gebrauchen wollen, nichts weiter als die
Correspondentz in deren Nahmen führen, aber auch dieserwegen nichts vor mich
fodern, liquidiren, oder nehmen, sondern mit demjenigen zufrieden seyn wolle,
was mir die Advocaten zuwenden werden. So wahr mir Gott helfe durch Jesum
Christum etc.
Der Procurator Fisci schweret nach
folgendem Formula.
Ich N. N. schwere zu Gott, daß ich
dasjenige was mir von dem Officio Fisci aufgetragen wird fleißig ausrichten,
die verfertigte fiscælische Sachen überall besorgen, die Expeditions zu rechter
Zeit abfodern, und für deren Insinuation sorgen will. Im übrigen aber mich in
keine andere Justitz-Sachen mischen, noch darinn
45 Erster Theil. Tit. XVI. (§. 9)
XVII. (§§. 1.-9.)
vor mich procuriren, und, wann die
Advocaten sich meiner gebrauchen wollen, bloß und allein die Correspondentz in
deren Nahmen führen, nichts aber dafür vor mich fodern, liquidiren, oder
nehmen, sondern mit demjenigen zufrieden seyn wolle, was mir die Advocaten
zuwenden werden. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum etc.
Tit. XVII.
Von denen Notarien.
§. 1. Nachdem die Erfahrung bishero
gezeiget, daß zum öftern die Verträge, Contracte, Handlungen, Zeugnisse,
Rotuli, Instrumenta, testamentarische Dispositiones etc. mangelhaft, dunckel,
unförmlich und unvollkommen aufgesetzt und verfertiget worden; solches aber
hauptsächlich von ungelahrten und unerfahrnen Notariis herrühret, so sollen
künftig keine Notarii angenommen werden, welche nicht ihr ehrliches Herkommen
und bisheriges gutes Verhalten bescheiniget, die Jura studirt haben, auch in
pleno sowohl daraus, als aus der Notariat-Ordnung examiniret, und von uns hiernächst
bestätiget worden.
§. 2. Damit auch die Partheyen,
welche sich derer Notarien gebrauchen, versichert seyn daß sie zu diesem Amt
authorisiret worden, so sollen die Notarii auf allen Instrumenten / so sie
verfertigen, den Ort ihrer Wohnung, und daß sie immatriculirt seyn, eigenhändig
verzeichnen.
§. 3. Die von uns confirmirte
Notarii sollen schuldig seyn bey ihren Pflichten, die sie zum Amt geschworen,
einen jeden der sie requirirt, wider uns und männiglich zu dienen.
§. 4. Sie müssen aber sich des Advocirens
und Procurirens bey Strafe der Cassation enthalten.
§. 5. Alle Instrumenta, als letzte
Willen, Codicille, Contracte, und was sie sonsten als Notarii zu verrichten,
müssen sie aufrichtig, redlich und ohne Betrug schreiben und nachlesen, auch
sich aller zweifelhaften Worte überall enthalten.
§. 6. Desgleichen müssen sie ein
Protocollum, darinn alle und jede Handlungen, so vor ihnen ergangen, und
worüber sie requiriret worden, selbst eigenhändig halten, und von denen offenen
Instrumenten, so aus dem Protocoll gegeben werden, von Wort zu Wort gleich
lautende Copeyen registriret behalten und verwahren.
§. 7. Bey Verfertigung derer
Instrumenten, Contracten etc. sollen sie alle Clausuln und Renunciationes in
teutscher Sprache setzen, und denen Contrahenten insgesamt die ihnen zustehende
Rechts-Wohlthaten deutlich erklären.
§. 8. Wann ihnen etwas zu vidimiren
übergeben wird, müssen sie die Abschriften mit denen Originalien fleißig
collationiren, auch überdem bey allen ihren Verrichtungen weder auf einige Person,
Geschencke noch Gaben, derer sie sich gäntzlich zu äussern, ihr Absehen
richten.
§. 9. Wenn sie in Commissionen
gebraucht, oder ihnen eine gütliche oder gerichtliche Handlung aufgetragen
wird, müssen sie binnen acht Tagen entweder die Ursachen anzeigen warum sie die
Sache nicht vornehmen können, oder die Citationes würcklich ergehen lassen, und
in vier, höchstens aber in sechs Wochen, ihren Bericht, Rotulum etc. bey
Verlust der Commissions-Gebühren und arbitrairer Strafe einschicken.
M
46 Erster Theil. Tit. XVII. (§§.
10.-13.)
§. 10. Sie müssen auch bey
Zeugen-Verhören ihren Rotulum über deren Aussage dergestalt abfassen, daß nach
einem jeden Beweiß-Articul und Interrogatoriis aller und jeder Zeugen Aussage
in ihrer Ordnung mit denen Worten, wie jeder Zeuge geredet, ordentlich, und
nicht durch die Worte affirmat, oder negat, auch nicht relative auf andere
Articulos und Interrogatoria, eigentlich verzeichnen und subnectiren, noch sich
einiger Abbreviatur gebrauchen.
Wann also dem ersten Articul und darzu
gehörigem Interrogatoriis aller und jeder Zeugen Aussage untersetzt worden,
folget der andere Articul wiederum von forne (!.) an, welchem abermahl aller
und jeder Zeugen Depositiones wortlich und ordentlich untergesetzet werden: In
welcher Ordnung durch alle Articula, wie auch bey denen Interrogatoriis
verfahren wird: damit der Richter aller Zeugen Aussage auf einen jeden Articul
vor Augen haben könne, und des sonst mühsamen Aussuchens und Excerpirens
überhoben bleibe.
Wann sie hierwider handeln, sollen
sie zum erstenmahl mit Verlust ihrer Gebühren, zum andernmahl mit dem Duplo,
zum drittenmahl mit Verlust des Notariat-Amts bestraft werden.
Wir befehlen auch denen Notarien,
daß sie bey Zeugen-Verhören jedem Zeugen seine Deposition, ehe er abtritt, klar
und deutlich vorlesen, damit sie gewiß seyn, ob sie des Zeugen wahre Meynung
recht eingenommen haben.
Weil auch die summariter
aufgenommene Zeugnisse, ob gleich dieselbe mit einem Eyd bestärcket worden, in
denen Gerichten dennoch nicht mehr als die unbeschworne Attestata beweisen, so
wollen Wir, daß bey denenselben kein Notarius hinkünftig den gewöhnlichen
Zeugen-Eyd abschweren lassen solle, damit der Mißbrauch des Namens Gottes
verhütet werde.
§. 11. Der Zeugen Aussage müssen die
Notarii geheim halten, davon bey Strafe der Cassation so wenig denen Partheyen
als andern das geringste offenbahren, vielweniger vor Publicirung des Zeugen
Verhörs jemanden sehen oder lesen lassen, zu welchem Ende sie ihre Protocolla
wohl verwahren sollen, damit in ihrer Abwesenheit, oder sonst, niemand davon
zukommen könne.
§. 12. Wann sie Documenta
insinuationis verfertigen, sollen sie den eigentlichen Tag darinn Insinuatio
geschehen exprimiren, wie auch umständlich verzeichnen was sonst der Insinuant
relatiret so bey der Insinuation gesprochen worden, und vorgegangen.
§. 13. Wann ein Notarius verstirbet,
sollen dessen Erben solche Protocolla demjenigen Judicio unter dessen
Jurisdiction sich ihr Erblasser aufgehalten, bey zehn Rthlr. Strafe einsenden.
Es liegt auch des Orts Obrigkeit ob,
ex officio die Protocolla gegen schriftliche Recognition mittelst richtiger
Verzeichniß zu erheben, zu versiegeln, und auf dem Gericht in sichere
Verwahrung zu hinderlegen, damit diejenige so daran interessirt, darzu einen
Recurs haben, und wegen Mangel solcher Protocollen keinen Nachtheil empfinden,
auch, was in geheim gehalten werden soll, als Depositiones testium, Testamenta
etc. nicht für der Zeit publicirt werden; gestalten dann die Gericht zu solchem
Protocollis ohne genugsame Untersuchung und Erkäntniß niemanden verstatten
sollen.
47 Zweyter Theil. Tit. I. (§. 1.)
Tit. I.
Von denen bishero bey denen
Pom(m)erschen Justitz-Collegiis ratione modi procedendi Eingeschlichenen
Mißbräuchen.
§. 1. Wir haben bey der Untersuchung
des Justitz-Wesens in Unserm Hertzogthum und Fürstenthum Pommern wahrgenommen,
(1.) Daß bey denen Sessionen auf
eine tumultuarische Art verfahren, die Räthe entweder gar nicht, oder nicht zu
rechter Zeit erschienen; keine Ordnung im Proponiren gehalten, und dahero wenig
Sachen haben abgemachet werden können.
(2.) Daß bey dem Constitutioniren,
das ist, bey denen mündlichen Vorträgen derer zur Instruction des Processes
gehörigen Vorstellungen (worauf hauptsächlich die Beschleunigung der Processe
beruhet), alles in der grösten Confusion tractiret, dergleichen Sachen durch
schriftliche Memorialien gesucht, andere, die zum schriftlichen Vortrag
gehören, mündlich vorgetragen, die Decreta darauf ohne Ueberlegung verfertiget,
und dadurch unzählige Decreta contra Decreta veranlasset worden.
(3.) Daß die schriftliche Supplicata
denen Räthen von der Parthey und Advocaten mehrentheils ins Haus zum Decretiren
hingegeben, und von denen Räthen ohne Distribution, ohne Nachsehung der Acten,
ohne Vortrag im Collegio etc. nach Faveur der Personen darauf decretiret; die
im Collegio übergebene Memorialien aber mehrentheils zurück geleget, gar keine
Resolution darauf ertheilet, und durch die dieserwegen vielfältig geführte
Klagen die Acta mit unzähligen Memorialien überhäuft, die Processe
verschleppet, und die Partheyen mit unerträglichen Kosten beschweret worden.
(4.) Daß mit denen mündlichen
Verhören auf eine unverantwortliche Weise verfahren, manchmal 30 bis 40 Verhöre
auf einen Tag angesetzet, die Sache selten im Collegio vorgetragen, sondern bey
einem Secretario angefangen, einige
M 2
48 Zweyter Theil. Tit. I. (§§.
1.-2.) Tit. II. (§§.
1.-4.)
Monath darauf bey einem andern
continuiret, und bey einem dritten nach Jahr und Tag geschlossen worden, und
daß, wenn endlich die Sachen geschlossen gewesen, die Behörs-Bescheide und
Urthel in Jahr und Tag nicht erfolget, niemahls daraus referiret, sondern bloß
die Sententzen verlesen worden.
(5.) Daß, wann nach langen Jahren in
denen Acten, welche zum schriftlichen Verfahren verwiesen gewesen, endlich
geschlossen worden, nicht allein die Sententzen verzögert, sondern auch keine
ordentliche schriftliche Relationes verfertiget, vielweniger dieselbe in pleno
verlesen und darüber ordentlich und mit Attention votiret worden.
Endlich und (6.) so hat auch dieses
eine grosse Verzögerung bey der Justitz verursachet, daß Acta an auswärtige
Universitæten verschicket worden, wo mehrentheils schlechte, in praxi
unerfahrne Professores sich befinden, und von welchen so viel Nullität begangen
worden, daß man die Urthel ab actis removiren, und Acta mit grossen Kosten der
Partheyen und Verschleppung der Justitz anderweitig verschicken müssen: zu
geschweigen, daß man unterweilen in Jahr und Tag die Urthel nicht zurück
erhalten können.
§. 2. Weil nun aus allen diesen und
vielen andern Unordnungen nichts anders erfolgen können, als daß die arme
Unterthanen zum Raub der Richter und der Advocaten, folglich durch die
unerschwingliche Kosten ruiniret werden müssen; zu geschweigen, daß von denen
Processen kein Ende abzusehen gewesen. So haben Wir denen unzähligen Klagen
einmahl Ziel und Maaß setzen, alle diese Unordnungen abstellen, und zu dem Ende
Unsern Pommerschen Justitz-Collegiis wegen aller vorbemeldten Puncte folgende
Ordnung vorschreiben wollen.
Tit. II.
Ordnung, wie es bey denen Sessionen
gehalten, und was darin verhandelt werden soll.
§. 1. Die beyde erste Senatus,
welchen das Civil-Departement hauptsächlich aufgetragen worden, versammlen sich
Morgens um 8 Uhr.
§. 2. Der Anfang der Handlung wird
gemacht mit denen publiquen Sachen, und ins besondere mit Publication der
eingelaufenen Rescripten, worvon der Præsident den Vortrag thut.
§. 3. Darauf werden die schriftliche
Memorialien in der Ordnung, wie solche unten Tit. III. vorgeschrieben ist,
vorgetragen.
§. 4. Præcise um 9 Uhr müssen die
Advocaten herein gefördert werden, und der Cantzley-Diener lieset den
Tage-Zettel, worinn die Sachen, die denselben Tag tractiret werden sollen,
enthalten seyn, ab, nemlich:
1. Die Verhöre.
2. Die Eydes-Leistungen.
3. Die Relationes commissariorum,
Rotuli testium, Testamenta etc. welche zu publiciren seyn.
49 Zweyter Theil. Tit. II. (§§.
4.-11.)
4. Die Inrotulationes actorum.
5. Die fertige Behörs-Bescheide und
Urthel, so publiciret werden sollen.
6. Güther und Häuser die gerichtlich
verkauft werden.
§. 5. Wann ein Advocat bey dem
Ablesen der Verhöre sich nicht meldet, soll er diesem Termino nicht weiter
gehöret werden, sondern er muß einen andern Terminum ausbringen, und dem
Gegentheil die Contumacial-Kosten erstatten; Es wäre denn daß er 1 Rthlr. in
die Sportul-Casse erlegen wolte. Vid. P. 1. Tit. 13. §. 32.
§. 6. Nach Verlesung des
Tage-Zettels werden diejenige Decreta, welche auf die Constitutions-Protocolla
in der vorigen Session verfertiget worden, verlesen, und die fertige
Behörs-Bescheide und Urthel zugleich publiciret.
§. 7. Wann solches geschehen, tragen
die Advocaten diejenige Memorialien mündlich vor welche zum Constitutioniren,
das ist, zur Instruction des Process gehören, und wovon Tit. seq. die Ordnung
vorgeschrieben wird.
Unterdessen verfüget sich der zweyte
Senat in die Neben-Stube, um die schriftliche Relationes welche zu dessen
Departement gehören zu verlesen, und die Bescheide oder Urthel abzufassen. Vid.
Tit. seq..
§. 8. Sobald die Advocaten mit dem
Constitutioniren fertig seyn, muß der erste Senat die Decreta darauf, nach
Anleitung des Tit. seq. §. 6. verfertigen, auch nachher, wann noch einige Zeit
übrig ist, die fertige schriftliche Relationes verlesen und abthun.
Die Advocaten aber verfügen sich zu
dem zweyten Senat in die Neben-Stube, und warten die mündliche Verhöre ab,
welche auf den Tag angesetzet worden, und worauf der zweyte Senat die
Behörs-Bescheide entweder denselben, oder den folgenden Tag verfertigen und in
der nächsten Session publiciren muß. Vit. (= Vid.) Tit. seq..
§. 9. Bey dem Constitutioniren
führet der Protonotarius das Protocoll, und ein Referendarius das
Neben-Protocoll: welches Neben-Protocoll denen Acten beygeheftet werden soll.
§. 10. Des Sonnabends müssen beyde
Senatus, und zwar jeder in seinem Zimmer, die in der Woche übrig gebliebene Re-
und Correlationes verlesen und die Urthel verfertigen, auch was in der Wochen
noch übrig geblieben abthun. Vid. part. 1. Tit. 2. §. 2.
§. 11. Die Criminal-Räthe müssen
Sonnabends diejenige Criminal-Sachen, welche ihnen zugeschrieben worden, in dem
zweyten Senat vortragen, keine Sache über 8 Tage bey sich behalten, oder vor
jeden Tag 1 Rthlr. in die Sportuln-Casse erlegen.
Wann ulterior defensio gesucht, und
Inquisite von dem Senat darzu verstattet wird, muß der Præsident einem andern
Criminal-Rath die Acta distribuiren, welcher in dem ersten Senat auf gleiche
Weise des Sonnabens referiren muß.
N
50 Zweyter Theil. Tit. III. (§§
1.-5.)
Tit. III.
Von dem Constitutioniren oder
mündlichen Vorträgen derer Memorialien, welche zur Instruction des Process
gehören.
§. 1. Es hat die Erfahrung gezeiget,
daß die Acta bey Unsern Justitz-Collegiis (a) mit unzählichen Memorialien
überhäufet worden, welche (b) die Partheyen öfters von Leuten so die Rechte und
Praxin nicht verstehen, noch die Acta gelesen, verfertigen lassen, dahero die
Petita mehrentheils contra jura et acta eingerichtet, und nachhero von geringen
und elenden oder malitieusen Advocaten unterschrieben, auch solche (c) diesem
oder jenem Rath zugestecket worden, welcher (d) öfters ohne genugsame
Ueberlegung, oder aus Absichten darauf decretiret, da denn (e) nicht anders
seyn können, als daß diese Decreta auf des Gegentheils Vorstellung wieder
aufgehoben, und solchergestalt (f) die Verfertigung, Præsentirung, Expedirung
und Insinuation eines jeden Memorials viele Zeit und Kosten erfordert, und daß
(h) durch die unendliche Menge sothaner kostbaren Memorialien die Processe
verewiget, und die Unterthanen durch die unerschwingliche Kosten ruiniret
worden, insonderheit, da (i) einige Gewinnsüchtige Advocaten durch diesen
Kunstgriff alle Verhöre wendig zu machen, und durch allerhand ungegründete
Vorstellungen den Lauf der Justitz zu hemmen, und das Ende der Processe zu
hindern gesucht haben.
§. 2. Diesem Unfug nun abzuhelfen,
ordnen und wollen Wir, daß hinkünftig kein Memorial welches zur Instruction des
Processus gehöret, weiter schriftlich übergeben werden, sondern die Advocati
ihre Nothdurft in Gegenwart derer Räthe und übrigen Advocaten mündlich
vortragen, und solchergestalt cum causæ cognitione decretiret werden solle.
§. 3. Weil aber solches nicht
geschehen kan bis beyde Theile ihre Mandatarios ad acta bestellet haben, so
verstehet sich von selbsten, daß, ehe und bevor diese bestellet, alles schriftlich
gesuchet, und dahero der Libellus actionis, und, wann der Gegentheil nicht
erscheinet, oder das Verhör nicht abwartet, die Accusationes contumaciæ
schriftlich übergeben werden müssen.
§. 4. Wann aber der Gegentheil auch
einen Advocaten bestellet, so können beyde Advocati nichts weiter schriftlich
übergeben, sondern sie müssen z. E. die Dilationes, Inhibitiones, Publicationes
sententiarum et rotulorum testium, Executiones, und alles was zur Instruction
des Processus gehöret, mündlich bitten, in specie müssen sie die
Haupt-Schriften, wann loco oralis oder schriftlich verfahren wird, bey dem
mündlichen Vortrag in duplo übergeben, auch das Original dem Collegio, die
Copey aber dem Gegentheil zustellen.
§. 5. Wann ein Advocat etwas gegen
den mündlichen Vortrag seines Gegentheils einzuwenden hat, muß er solches in
continenti vorstellen, und die Ursachen, warum dem Petito nicht deferiret
werden könne, kurtz anführen. Worauf der Implorante, wenn er es nöthig findet,
mit wenigen repliciren, und der Implorate dupliciren kan.
51 Zweyter Theil. Tit. III. (§§.
6.-10.)
§. 6. Wann der Vortrag von allen
Advocaten geschehen, und dieselbe abgetreten, werden die Decreta von dem ersten
Senat, welcher die Vorträge ad protocollum genommen, verfertiget.
Es muß aber damit behutsam
verfahren, und, wo das geringste Dubium darbey ist, Acta nachgesehen werden,
insonderheit muß allezeit, wann die Advocaten Dilation fordern, gefragt oder
nachgesehen werden, ob es prima oder secunda sey. Weil die Dilationes, nachdem
die Advocaten keinen Process, ohne völlige Instruction zu haben annehmen
sollen, nicht leicht verstattet werden müssen, wann auch schon der gegenseitige
Advocat, öfters wider seine Pflicht, consentiret.
Wann sich auch nachhero finden
solte, daß ein Advocat etwas wider die Rechte und Ordnung vorgetragen und
erlanget hätte, so soll sowohl dieser als der gegenseitige Advocat, welcher
nicht contradiciret, mit 2. bis 5. Rthlr. Strafe belegt werden. Und liegt dem
Præsidenten ob bey der monathlichen Revision der Acten darauf Achtung zu geben.
Die verfertigte Decreta werden in
der nächsten Session publiciret. Vid. Tit. præc. §. 6.
§. 7. Das Haupt-Protocoll wird des
Nachmittags denen Partheyen in der Parthey-Stube öffentlich in Gegenwart eines
Cantzelisten vorgelegt, da denn einem jeden Advocaten frey stehet Copiam von
denen publicirten Decretis ohnentgeldlich zu nehmen, und seine Privat-Acta zu
completiren.
Wann sich aber ein Advocat des
Decreti in seinen Schriften bedienen und solches als eine Beylage anführen
will, muß er es bey dem Protonotario suchen, und unter dessen Hand, gegen zwey
zur Sportuln-Casse zu erlegenden Groschen, ausfertigen lassen.
§. 8. Da sich auch wol zuträget, daß
der Advocatus nicht in continenti auf des andern mündlichen Vortrag zu
antworten vermag, weil er nöthig findet vorhero Acta nachzusehen, oder
Information ratione novi facti von seinem Clienten einzuhohlen, oder der
Substitutus in Abwesenheit des Advocati eine Dilation zu antworten ad proximam
bittet (et)c. So stehet bey dem Collegio, NB. wann die Decision sich nicht ex
ipsis actis ergiebet, (welchenfalls das Collegium auf den Vortrag, ohne
Erwartung der gegentheiligen Antwort, decretiren kan und muß,) demselben auf
einen, zwey, oder mehr Gerichts-Tage Dilation zu geben.
§. 9. Wann auch bey dem Constitutioniren
Sachen vorgetragen werden, welche weitläuftig und altioris indaginis seyn,
wogegen viele Facta oder Exceptiones vorgestellet werden müssen (et)c. So
stehet so wol dem Kläger als dem Beklagten frey auf Verhör, oder auf ein
Verfahren loco oralis zu proviciren, welches auch, wenn die Sache nicht ex
ipsis actis ihre abhelffliche Maasse findet, nicht versagt werden kann. Wann
sich aber finden solte, daß der Advocat freventlicher Weise auf Verhör
provocirt, und dadurch die Sache aufgehalten hätte, soll derselbe jedesmahl mit
2. bis 5. Rthlr. Strafe beleget werden.
§. 10. Wann sich jemand gegen das
publicirte Decret graviret befindet, kan er in der nächsten Audientz
nochmahlige Vorstellung dagegen thun, was aber alsdenn resolviret wird dabey
soll es lediglich sein Bewenden haben, und solches pro Judicato gehalten
werden.
N 2
52 Zweyter Theil. Tit. III. (§§.
11.-15.)
§. 11. Weil nun bey diesem
Constitutioniren nothwendig Acta bey der Hand seyn müssen, damit die
Verordnungen, welche eine Nachsehung der Acten bedürfen, durch deren Mangel
nicht ausgesetzet, und dadurch die von uns intendirte Beschleunigung der
Justitz nicht gehindert werden möge; So befehlen Wir unsern Räthen bey
Vermeidung Unserer Ungnade, keine Acta mit nach Hause zu nehmen, und wann ihnen
ja einige zugeschrieben werden, jederzeit die Specification von denen Acten so
sie bey sich haben mit auf die Regierung zu bringen, da ihnen dann das
Protocoll, worauf decretiret werden soll, mitgegeben werden muß, damit sie in
der nächsten Audientz den Vortrag daraus thun, und mit Publication des Decreti
verfahren werden könne. Wie dann auch denen Secretarien und Cantzelisten
hierdurch bey willkührlicher Strafe verbothen wird, keine Acta in ihrem Hause
zu behalten, allermassen sie alles in der Regierungs-Cantzeley expediren sollen
und müssen. (Vid. supr. part. 1. Tit. 9. §. 3.)
Insonderheit müssen die Räthe welche
die Güthe versuchen sollen, oder denen sonst Commission aufgetragen worden,
keine Acta bey sich behalten, sondern, wann sie ja bey Versuchung der Güthe
(et)c. die Acta nöthig haben, solche jederzeit aus der Registratur abfodern.
Denen Fiscælen wird gleichfalls bey
Strafe der Cassation verbothen einige Acta aus der Registratur an sich zu
nehmen; Wann aber ein Actus Inquisitionis würcklich von ihnen verrichtet wird,
und sie die Acta nothwendig dazu haben müssen; oder ihnen eine Deduction ex
Actis zu verfertigen aufgetragen worden, sollen ihnen solche, præscitu
Præsidis, gegen einen Schein auf eine kurtze und gewisse Zeit abgefolget
werden, sie müssen aber so fort, wann der Actus vorbey, die Acta wieder in die
Registratur bey 2 Rthlr. Strafe einliefern. (Vid. part. 1. Tit. 12. §. 33.)
§. 12. Weilen nun solchergestalt
alle Memorialien, welche zur Instruction des Processus gehören, in einem Tage
mündlich vorgetragen, decretiret, und ohne daß es denen Partheyen das Geringste
kostet, publiciret werden; folglich keine Decreta contra Decreta, auch kein
Auffenthalt durch die viele und kostbare Vorstellungen zu fürchten; So müssen
unsere Räthe bey der Pflicht, womit sie Uns verwandt seyn, auf diese
Einrichtung genau halten, und nichts was derselben zuwider ist verstatten.
§. 13. Gleichwie aber in denen
Ferien die schriftliche Supplicata nothwendig verstattet werden müssen, also
sollen dieselbe alsdenn zugelassen, und es mit deren Distribution, Vortrag und
Expedition, wie Tit. seq. versehen, gehalten werden.
§. 14. Damit es aber mit der
Expedition derer in denen Feriis einlaufenden Sachen desto geschwinder zugehen
möge, so sollen in denen grossen und kleinen Ferien die alsdann gegenwärtige
Räthe alle Woche einmahl zusammen kommen, alle Memorialia nach der Tit. seq.
vorgeschriebenen Ordnung vortragen, darauf decretiren, auch solche expediren
und insinuiren lassen: In Wechsel- wie auch Arrest- und anderen Sachen wo Periculum
in mora, auch wann Declaratio sententiæ gesucht wird, können in denen Ferien
Verhöre angesetzet, die Executiones aber (ausser in Wechsel-, Aliment- und
andern Sachen, wo Periculum in mora ist,) müssen bis zu Ende der Ferien
ausgesetzet werden. Vid. part. 1. Tit. 2. §. 5.
Wie dann auch die Räthe, welche
Relationes fertig haben, solche in denen Ferien verlesen können.
§. 15. Und weil diese Einrichtung
erfordert, daß die sämtlichen Advocati nothwendig an denen zum Constitutioniren
verordneten Tägen auf der Regierung beysammen seyn müssen; Als ordnen und
wollen Wir weiter, daß dieselbe in denen
53 Zweyter Theil. Tit. III. (§§.
15.-17.) IV. (§§. 1.-3.)
bemeldeten Tagen des Morgens um 9
Uhr, bey 1 Rthlr. Strafe zur Sportul-Casse, sich auf der Regierung einfinden,
und ohne die höchste Noth nichts durch die Substitutos (welche wenige
Information von den Sachen zu haben pflegen) vortragen lassen.
Unterdessen stehet dem Collegio
dennoch frey auf einseitigen Vortrag, wann sich die Resolution aus denen Actis
ergiebet, ohnerwartet des Advocati oder Substituti Antwort, inspectis actis zu
decretiren.
§. 16. Es müssen auch die Advocati
für diesen mündlichen Vortrag keine Gebühren anrechnen, weil ihnen vor die
Verhöre mehr als gebräuchlich gewesen passiret worden.
§. 17. Es verstehet sich im übrigen
von selbsten, daß die ausser Stettin und Cöslin wohnende Advocaten und Fiscæle
sich mit der Direction der Processe weiter nicht bemengen, sondern solche bey
Strafe der Cassation denen in vorgemeldten Städten wohnenden Advocaten
lediglich überlassen müssen. Wie denn auch die Räthe und andere
Justitz-Bediente, it. die Magisträte und Unter-Gerichts-Advocaten, wann sie in
ihren eigenen Sachen Processe führen, die Vollmacht jederzeit einem
Regierungs-Advocaten auf- und durch denselben die Nothdurft bey dem
Constitutioniren vortragen lassen müssen. Vid. part. 1. Tit. 13. §. 2.
Tit. IV.
Von denen schriftlichen Memorialien,
und wie es mit deren Distribution, Vortragung, Expedition, und Insinuation
gehalten werden soll.
§. 1. Weil viele Sachen vorfallen,
welche nicht zur Instruction des Processes gehören, sondern auf Neben-Puncten
ankommen; als editionem documentorum, præstationem cautionis, sequestrationem,
attentata etc. oder wann es auf interpositionem fatalium, Beweißführung (et)c.
ankommt, oder der Vortrag (wann auch derselbe zur Instruction des Process
gehörte) wegen derer darbey vorkommenden Umstände zu weitläuftig fallen solte,
oder wann von einem Theile noch kein Advocatus bestellet worden, so verstehet
sichs von selbsten, daß dergleichen Sachen durch schriftliche Memorialien
vorgestellet werden müssen.
§. 2. Alle Supplicata, so
schriftlich übergeben werden, müssen denen Registratoren nach ihrem Departement
eingehändiget werden um das Præsentatum darauf zu schreiben. Und müssen der
Præsident und die Räthe keine dergleichen Supplicata annehmen, sondern solche
an die Registratores verweisen.
§. 3. Es müssen aber die
Registratores sorgfältig Achtung geben, ob auch die Memorialien von einem
recipirten Advocaten unterschrieben seyn; In dessen Ermangelung soll das
Memorial dem Præsidenten absque præsentato zugefertiget werden, um nach der
Ordnung (Vid. part. 1. Tit. 13. §. 18.) zu verfahren.
O
54 Zweyter Theil. Tit. IV. (§§.
4.-13.)
§. 4. So bald ein Memorial
præsentiret worden, müssen die Registratores die Acta dazu anschaffen, und
parat legen; auch eine Specification von allen Sachen so denselben Tag
einlaufen verfertigen, und dem Præsidenten zur Distribution des Nachmittags um
4 Uhr zusenden.
Da denn der Præsident den Nahmen
derer Räthe, welche decretiren sollen, ad marginem setzet.
§. 5. Wann der Cantzeley-Diener die
Specification zurück bringt, müssen die Registratores die Acta zu jedem
Memorial legen, welche der Diener noch denselben Tag denen ernannten
Decernenten hinbringen soll, damit die Räthe gehörige Zeit haben mögen, die
Memorialien mit denen Acten zu conferiren, und in der nächsten Session daraus
zu referiren.
§. 6. Derjenige Rath der zum
erstenmahl decretiret hat, (welches der Registrator auf die Specification
zugleich notiren muß) soll perpetuus decernens bleiben, und vor die Richtigkeit
des Vortrags stehen. Wann über dessen Decret geklaget wird, soll der Præsident
ihm einen Correferenten zugeben, welcher in pleno daraus den Vortrag thun muß.
§. 7. Die Räthe müssen die Decreta
nach der Vorschrift part. 1. Tit. 6. §. 2. seq. verfertigen, und in der
nächsten Audientz vortragen.
§. 8. Damit aber der Præsident
wissen möge, ob alle Memorialien vorgetragen worden, so müssen demselben die
Specificationes in der Audientz vorgeleget werden, da er denn, wenn der Vortrag
geschehen, den Nahmen der Partheyen durchstreichen, die Specification aber
nicht eher bis alle Sahcen vorgetragen worden weglegen muß.
§. 9. So bald die Sachen decretiret
seyn, müssen sie denen Secretariis, zu deren Departement dieselbe gehören, zur
Expedition zugestellet werden.
§. 10. Die expedirte Sachen müssen
desselbigen Tages des Abends um vier Uhr denen Räthen welche decretiret haben
zur Revision zugesandt, und von dem Cantzeley-Diener, wann die Revision
geschehen, denen Cantzelisten zu mundiren hingebracht werden.
§. 11. Die Cantzelisten müssen des
folgenden Tages früh mit der Mundirung fertig seyn, damit dieselbe dem
Præsidenten des Nachmittags zur Unterschrift und Siegelung zugestellet werden
können.
§. 12. Von denen unterschriebenen
und gesiegelten Sachen wird eine Specification verfertiget, welche in der
Parthen-Stube ausgehangen wird, damit ein jeder Advocat die ihn angehende
Verordnungen abfordern könne. Wann des Vormittags dieselbe nicht abgefordert
werden, muß der Cantzeley-Diener die übrig gebliebenen Verordnungen des
Nachmittags denen Advocaten ex officio insinuiren, diese aber die
Insinuations-Gebühren ex propriis bezahlen.
§. 13. Weil nun durch diese
Veranstaltung alle Decreta den ersten Tag expedirt, den andern Tag mundirt,
unterschrieben und gesiegelt, den dritten Tag aber abgefordert werden müssen;
so fallen alle unnöthige und kostbare Sollicitatur- und Insinuations-Gebühren
von selbsten hinweg.
55 Zweyter Theil. Tit. IV. (§. 14.)
V. (§§. 1.-7.)
§. 14. Und damit durch die Auslösung
die Sachen nicht aufgehalten werden; So sollen die Cantzeley-Gebühren (worunter
auch Copialien gehören) von dem Secretario causæ bey einer jeden Sache notiret,
und am Ende eines jeden Monaths die Specification dem Advocaten zugefertiget
werden, welcher schuldig seyn soll, seiner Parthey dieselbe zuzusenden, und
diligentiam, wenn es verlanget wird, zu dociren. Vid. part. 1. Tit. 6. §. 25.
Tit. V.
Wie bey denen mündlichen Verhören zu
verfahren.
§. 1. Mündliche Verhöre sollen bloß
in denenjenigen Sachen angesetzet werden, welche keine weitläuftige Ausführung
erfodern, und von keiner sonderbaren Wichtigkeit seyn, oder wo periculum in
mora fürhanden.
Als z. E. in Wechsel- und klarer
Schuld-, Aliment- auch Injurien-, Turbations-, Arrest- und andern dergleichen
Sachen.
§. 2. Wann eine Sache zum mündlichen
Vortrag kommt, muß der Præsident, nebst denen Räthen das Protocoll mitführen,
auf den Vortrag genau Achtung geben, folglich alle andre Sachen beyseite legen,
und solchergestalt sich völlig von der Sachen informiren.
§. 3. Die Advocaten müssen den
Vortrag kurtz fassen und sich zu Hause darzu præpariren. Vid. part. 1. Tit. 13.
§. 33.
§. 4. Wann der Beklagte im ersten
Termino nicht erscheinet, und des Klägers Advocat dessen contumaciam nicht
accuisirt (!), noch einen andern Terminum extrahirt, soll dieser 2. bis 5.
Rthlr. Strafe geben. Vid. insin. Tit. von contumacien.
§. 5. Derjenige Rath, welchen die
Termins-Acta zu der Sache distribuiret worden, (Vid. part. 1. Tit. 1. §. 5.)
muß den Vortrag daraus thun, und den Bescheid juxta majora abfassen, auch die
Haupt-Rationes decidendi mit inseriren.
§. 6. Die Bescheide müssen von allen
Räthen des Senats unterschrieben, und dem Protonotario verschlossen zugefertiget
werden, damit er solche in den Tage-Zettul setzen, und in proxima publiciren
könne.
§. 7. Bey denen mündlichen Verhören
führet das Haupt-Protocell (!) der jüngste Rath, oder, wann derselbige
gehindert wird, einer von denen Referendariis, das Neben-Protocoll aber,
welches ad Acta gelegt wird, führet allezeit ein Referendarius.
O 2
56 Zweyter Theil. Tit. VI. (§§.
1.-6.)
Tit. VI.
Von denen Sachen worinn Loco Oralis,
oder schriftlich verfahren worden, wie solche distribuiret, die Urthel darinn
abgefaßt, und publiciret werden sollen.
§. 1. Wann der Richter findet, daß
eine Klage oder Appellation dergestalt beschaffen, daß, wann auch schon ein
Terminus eventualis angesetzt wird, dennoch die Sache in Termino wegen ihrer
Weitläuftigkeit nicht mündlich vorgetragen werden könte: So kan der Richter zu
Gewinnung der Zeit, gleich Anfangs die Sache zum Schrift-Wechsel von 3. zu 3.
oder von 8. zu 8. Tagen, oder von 4. zu 4. Wochen verweisen. Vid. part. 1. Tit.
6. §. 7.
§. 2. Wann auch eine Sache
Rechtshängig ist, und einige Incident-Puncten darbey vorfallen welche eine
nähere Einsicht und Ausführung erfordern, so kan der Richter dem Decreto
entweder einen eventualen Terminum ansetzen, oder die Sache sofort loco oralis
von 3. zu 3. oder von 8. zu 8. Tagen verweisen. Vid. part. 1. Tit. 6. §. 7.
§. 3. Diejenige Sachen welche loco
oralis verwiesen werden, können nicht anders als mündliche Vorträge angesehen
werden, welche das Collegium wegen Enge der Zeit zum schriftlichen Verfahren
aussetzet.
Dahero kein Stempel-Papier dabey
nöthig ist, keine Dilationes verstattet, keine Termini Inrotulationis
angesetzt, auch denen Advocaten blos die Termins-Gebühren dafür bezahlet
werden.
§. 4. Wann in dergleichen Sachen
duplicando geschlossen worden, müssen die Registratores denselben, oder
höchstens den folgenden Tag die Acta heften und foliiren, solche in das
Distributions-Buch einschreiben, und dieses dem Præsidenten zu Benennung eines
Referenten durch einen Cantzley-Diener in einer verschlossenen Lade zusenden.
§. 5. Wann der Præsident den
Referenten benennet, muß der Cantzley-Diener die Lade sofort dem Registratori
zurücke bringen, dieser aber die Acta ohnverzüglich dem benannten Referenten
durch einen auf die Acta geklebten Zettul, mit Beyfügung des Tages,
wohlverwahrt zusenden damit niemand des Referenten Nahmen erfahren möge.
§. 6. Der Referente muß höchstens
binnen 8 Tagen eine schriftliche Relation cum rationibus dubitandi et decidendi
ex actis verfertigen, und solche in der nächsten Session, oder wann die Zeit zu
kurtz fällt, den nächsten Sonnabend in seinem Senat referiren, die Urthel juxta
majora abfassen, und NB. die Haupt-Rationes decidendi dem Behörs-Bescheid
einfliessen lassen.
57 Zweyter Theil. Tit. VI. (§§.
7.-16.)
§. 7. Der Behörs-Bescheid muß dem
Protonotario verschlossen zugestellet werden um solchen in den nächsten
Tage-Zettul einzutragen, und den Bescheid in der nächsten Session, absque
citatione, zu publiciren.
§. 8. Wann eine Sache zum
ordentlichen Schrift-Wechsel verwiesen, und duplicando darinn geschlossen worden,
muß der Richter bey Uebergebung der Duplic Terminum Inrotulationis ad proximam
ansetzen, welcher Terminus niemahls prorogirt werden soll.
§. 9. Wann die Inrotulation
geschehen, muß der Registrator denselben Tag Acta in das Distributions-Buch (in
welches allein die Sachen worinn schriftlich verfahren wird eingetragen werden)
einschreiben, solches dem Præsidenten zu Benennung eines Re- und Correferenten,
durch den Cantzley-Diener verschlossen zusenden, dieser aber, wie oben §. 5.
verordnet, die Sache weiter befodern.
§. 10. Der Referent muß eine
umständliche schriftliche Relation cum rationibus dubitandi et decidendi
verfertigen, solche höchstens binnen 14 Tagen fertig machen, oder vor jeden Tag
1 Fl. in die Sportuln-Casse erlegen; es wäre denn daß die Sache sehr
weitläuftig, oder ein anderes unvermeidliches Impedimentum sich herfür thäte,
und dem Præsidenten solches angezeiget würde, in welchem Fall dem Referenten
noch 8. oder höchstens 14 Tage zur Verfertigung seiner Relation verstattet
werden können.
§. 11. Wann der Rath mit seiner
Relation fertig, muß er dieselbe dem Præsidenten (welcher das Datum darauf
notiren soll) zusenden, die Acta aber dem Correferenten mit Beyfügung des Dati
zusenden, sich aber gegen denselben nicht das geringste von seiner Meynung oder
Voto mercken lassen.
§. 12. Der Correferent muß binnen
gleicher Zeit, und unter eben derselben Condition seine Correlation,
verfertigen, dieselbe gleichfalls dem Præsidenten verschlossen zusenden, die
Acta aber der Registratur wieder einliefern.
§. 13. Der Præsident muß dafür
sorgen daß beyde Relationes in demjenigen Senat, wohin die Sache gehöret,
ohnverzüglich verlesen, das Urthel juxta majora abgefaßt, und dem Protonotario
zur Publication zugestellet werde.
Es müssen aber bey allen dergleichen
Sachen besondere rationes decidendi abgefaßt und dem Urthel beygelegt werden,
damit, wann Remedia ergriffen werden, der Judex Superior mit desto besserem
Grund in der Sache erkennen möge.
§. 14. Wann ein Re- oder Correferent
durch eine langwierige Kranckheit, oder andern Zufall, verhindert wird seine
Relation zu verfertigen, muß der Præsident einen andern Referenten bestellen.
§. 15. Damit aber der Præsident auch
versichert seyn möge, daß mit denen Re- und Correlationen richtig eingehalten
werde, so muß er sich alle Montage die Distributions-Bücher in pleno vorlegen
lassen, sich bey einer jeden Sache, ob sie abgethan sey, erkundigen, die
abgethane Sachen auslöschen, von denen Räthen aber, so im Rückstand geblieben,
den 1. Flr. für jeden Tag beytreiben lassen. (Vid. P. 1. Tit. 3. §. 11.) Und
soll dem Collegio nicht frey stehen, davon zu dispensiren.
§. 16. Und weil die Wohlfahrt
unserer Unterthanen von einer vernünftigen, redlichen und gewissenhaften
Entscheidung derer Rechts-Sachen dependiret, so haben Wir unsern Præsidenten
und Räthen nochmahls auf ihr Gewissen binden wollen, alle ihre Attention bey
Abfassung derer Re- und Correlationen anzuwenden, keine andere Sachen währender
Ablesung vorzunehmen, sondern die Haupt-Umstände und Rationes zu notiren, damit
sie mit völliger Ueberzeugung und ruhigem Gewissen ihr Votum ertheilen können.
(Vid. Part. 1. Tit. 6. §. 9. et 19.)
P
58 Zweyter Theil. Tit. VII. (§§.
1.-2.)
Tit. VII.
Wie es künftig mit denen Instantzen
bey unserer Regierung gehalten werden solle.
I.
Wir haben oben Part. I. Tit. 1. §.
1. verordnet, daß unsere Regierung in drey Senatus eingetheilt, und daß in
denen beyden ersten alle Processe, sowol in geistlichen als weltlichen Sachen
geführt und decidiret, in dem dritten aber blos diejenige Sachen tractiret
werden sollen welche zu keiner Contradiction kommen, worin es weder Verhöre
noch Urthel gebraucht, und welche in der Consistorial-Ordnung determiniret
werden sollen.
§. 2. Die Instantzen aber in diesen
Senaten sollen künftig bey unserer Regierung folgender Gestalt reguliret
werden:
Es soll nemlich
I.
Wann Bauren, Bürger, und andere
nicht Eximirte verklagt werden.
Die erste Instantz bey denen
Unter-Gerichten.
Die zweyte oder
Appellations-Instantz, bey dem zweyten Senat der Regierung.
Die dritte oder Restitutions-Instantz,
bey dem ersten Senat der Regierung festgesetzet werden.
II.
Wann Eximirte verklagt, oder jemand,
(er mag eximirt seyn oder nicht) wegen einer Consistorial-Sache belangt wird.
Ist die erste Instantz bey dem
zweyten Senat der Regierung.
Die zweyte oder
Restitutions-Instantz, bey dem ersten Senat der Regierung.
59 Zweyter Theil. Tit. VII. (§§.
2.-3.)
Die dritte oder
Appellations-Instantz bey dem Tribunal in Berlin.
III.
Diejenige geistliche Sachen, welche
dem Consistorio gelassen worden, gehören zum dritten Senat.
Hiebey sind aber eigentlich keine
Instantzen, weil es solche Sachen seyn, welche regulariter keine Contradiction
mit sich führen.
Wann sich aber ja begeben solte, daß
jemand gegen des Consistorii Verordnung, oder Einrichtung, Beschwerde führen
möchte, so muß er seine Gravamina bey der Regierung übergeben, welche dem
Befinden nach einem fiscalischen Bedienten aufgeben muß Acta nachzusehen, und
davon mit Einsendung derer Acten zu berichten, da dann ohne weiteres Verfahren
Acta ad referendum ausgethan, und der Gravatus nach denen Acten und Rechten
beschieden werden soll. Worbey es schlechterdings sein Bewenden hat.
§. 3. Wann die erste Instantz bey
denen Unter-Gerichten ist, so muß der Unterrichter 1.) so viel möglich die
Partheyen ohne Advocaten vornehmen, die Güte unter ihnen versuchen, in deren
Entstehung aber beyder Theile Vorbringen ad protocollum nehmen, und ins
besondere den Kläger, wann ihm an der Klage etwas abgeleugnet wird, wie er den
Beweiß führen wolle, umständlich befragen, auch nach beschehener Erklärung
demselben, was er beweisen müsse, deutlich vorschreiben: Welches der Richter
auch bey denen von dem Beklagten zu erweisenden Exceptionen beobachten, und
solchergestalt beyder Theile Jura in das gehörige Licht setzen, und den gantzen
Process ex officio dergestalt instruiren muß, daß, wann die Güte nicht
verfangen will, definitive darinn erkannt werden könne.
Wann die Sache aber wichtig und
weitläuftig ist, und Advocaten dabey gebraucht werden müssen, muß der
Unter-Richter die Sache nicht zum ordentlichen schriftlichen Process, sondern
loco protocolli von 3. zu 3. oder von 8. zu 8. Tagen verweisen, denen Advocaten
nicht die geringste Weitläuftigkeit verstatten, und so viel möglich den
schriftlichen Process binnen 4. bis 6. Wochen zum Ende bringen.
Es muß auch 2.) dadurch daß der eine
Theil einen Advocaten hat, der andere nicht, daß Verhör nicht aufgehoben
werden, sondern der Richter muß den Advocaten abweisen, und den Process nach
Pflicht und Gewissen ex officio instruiren, und rechtlichen Bescheid darüber
ertheilen.
Massen wann Wir schon an einigen
Orten einen oder etliche Advocaten geordnet, solches keinesweges in der Absicht
geschehen, daselbst ordentliche Processe zu führen, sondern bey Errichtung
wichtiger Contracte, Theilungen und dergleichen, oder da Einwohner an andern
Orten Processe führen und Supplicata übergeben müssen, denenselben Rath
mitzutheilen, oder auch als Justitiarios sich gebrauchen zu lassen.
Wann aber Fremde, Krancke, oder weit
entfernte Partheyen, etwas vor dem Gericht zu suchen hätten, und dazu Advocaten
als Mandatarien abschickten, sollen diese zwar admittiret werden; Wann aber der
eine Theil keinen Advocaten bey sich hat, muß
P 2
60 Zweyter Theil. Tit. VII. (§. 3.)
der Richter sich von dessen Gerechtsamen
umständlich informiren, solche treulich ad protocollum nehmen, und
solchergestalt die Sache ex officio zum Spruch instruiren.
Und weil 3.) die Beschleunigung der
Untergerichts-Processe, wann Advocaten adhibiret werden müssen, hauptsächlich von
diesen dependiret, so müssen sie alles beobachten, was oben Part. I. Tit. 13.
denen Advocaten vorgeschrieben worden; dahero denn auch kein
Untergerichts-Advocat bey Strafe der Cassation einige Gebühren vor geendigtem
Process fordern oder nehmen soll; sondern er muß in seinem letzten Satz solche
specificiren, und deren Moderation von dem Richter erwarten, die Execution aber
bis zum Ende des Processes ausgesetzet werden.
Im übrigen ist 4.) der Unter-Richter
schuldig, bey der Publication des Bescheides, oder Urthels, denen Partheyen
kund zu machen, a.) daß sie, (wann sich sonst die Sache zu einer zweyten
Instantz qualificiret) an das Hof-Gericht appelliren können, aber sothane
Appellation innerhalb 10 Tagen interponiren müssen: b.) daß sie bey dem Hof-Gericht
einen Advocaten bestellen, demselben eine gedruckte Vollmacht überschicken; und
c.) binnen 4 Wochen, ihre Justifications-Schrift ohne weitere Verordnung
daselbst sub pœna desertionis eingeben müssen: und das d.) solches Erinnerung
gethan worden, muß der Richter auf Pflicht und Gewissen unter dem Bescheid
notiren.
Wann 5.) die Partheyen binnen 10.
Tagen appelliren, folglich die Sache an das Hof-Gericht zur zweyten Instantz
gedeihet, so muß der Unterrichter den Libellum sofort dem Appellaten
communiciren, und den folgenden Posttag Acta nebst dem Libello Appellationis an
das Hof-Gericht ex offico bey 10. Rthlr. Strafe einsenden, und die Kosten von
der Parthey beytreiben.
Wann der appellirende Theil 6.)
seine Gravamina in der Schedula Appellationis zugleich justificiret, und keine
weitere Justification ausdrücklich reserviret hat, muß der Præsident die Acta
primæ instantiæ sofort dem zweyten Senat distribuiren, und einen Re- und
Correferenten benennen.
Wann aber der Appellante bloß die
Gravamina anführet, oder ausdrücklich eine weitere Justification reserviret, so
muß er (ohne darüber, ob die Appellation anzunehmen, oder nicht, Resolution zu
erwarten,) sothane Justification binnen 4 Wochen schriftlich bey der Regierung
einbringen; und soll dieser Terminus fatalis seyn, und unter keinem Prætext
prorogirt werden: nach Uebergebung der Justifications-Schrift müssen Acta einem
Re- und Correferenten zugetheilet werden.
Wann 7.) die Gravamina in einem
offenbahren Ungrund bestehen, und solches per majora Senatus davor gehalten
wird, alsdenn soll das vorige Urthel ohne weiteres Verfahren per sententiam
confirmiret, und die Sententz in der nächsten Audientz ohne weitere Citation
publiciret werden.
Im Fall aber 8.) die Gravamina
einiger massen zweifelhaftig seyn, muß der Senat durch einen Bescheid dem
Gegentheil die Justifications-Schrift communiciren, und die Sache loco oralis
von 8. zu 8. oder von 14. zu 14. Tagen, oder aber, wenn die Sache wichtig ist,
zum ordentlichen schriftlichen Verfahren verweisen, und zwar mit folgendem
Formular:
Daß die Sache befundenen Umständen
nach zu fernerem Verfahren von 8 zu 8 Tagen (et)c. zu verweisen, und Appellate
excipiendo den Anfang zu machen habe.
61 Zweyter Theil. Tit. VII. (§§.
3.-4.)
Welcher Bescheid in der nächsten
Audientz, ohne Citation derer Partheyen publiciret werden soll.
Der Appellante ist (9.) schuldig bey
5 Rthlr. Strafe diesen Bescheid nebst der Copia justificationis sofort dem
Appellanten insinuiren zu lassen, und ein Documentum Insinuationis sich
anzuschaffen, damit er nach Verlauf des Termini (welcher erst a die
Insinuationis zu laufen anfängt) den Appellaten mit Grund contumaciren, und
einen andern Terminum præjudicialem extrahiren könne: wann in dieser zweyten
Instantz Acta geschlossen, muß durch eben dieselbe Re- und Correferenten die
Sache weiter untersucht, und die Sententz nach denen Acten und Rechten cum
rationibus dubitandi et decidendi abgefaßt werden.
Im Fall 10.) jemand durch den Spruch
dieser zweyten Instantz sich graviret zu seyn vermeynet, und die Sache zur
dritten oder Restitutions-Instantz sich qualificiret, so muß der Provocante
binnen 10 Tagen die Restitution bey eben dieser Regierung interponiren,
hienächst dieselbe binnen 4 Wochen à die interpositionis justificiren. Worauf
der Præsident diese Justifications-Schrift nebst denen Actis prioris instantiæ
dem ersten Senat zustellen, und einen Re- und Correferenten benennen muß,
welche mit Abfassung der Urthel, wie in voriger Instantz vorgeschrieben,
verfahren müssen.
§. 4. Und dieses hat also seine
Richtigkeit, wann die erste Instantz bey denen Unter-Gerichten ist. Wann aber
eximirte und privilegirte Personen belanget werden, oder es eine
Consistorial-Sache betrift, so ist
1.) Die erste Instantz bey der
Regierung, und muß der Libellus actionis daselbst übergeben, und der darauf
abzufassenden Resolution allezeit eventualis Terminus mit beygefüget werden.
Im Termino muß 2.) die Sache
entweder mündlich gehöret, oder dieselbe, wenn die Zeit zu kurtz ist, loco
protocolli von 3. zu 3. oder von 8. zu 8. Tagen, oder, wann sie sehr
weitläuftig, zum schriftlichen Verfahren verwiesen werden.
Wenn 3.) Acta völlig instruiret
seyn, (und, wann in Schriften verfahren ist, Acta inrotuliret worden) so muß
der Præsident dieselbe dem zweyten Senat zustellen, und daselbst einen Re- und
Correferenten benennen, welche binnen eben der vorhin gesetzten Zeit mit ihren
Relationen fertig seyn müssen, worauf dann das Urthel ohne fernere Citation in
pleno publiciret wird.
Wann ein Theil 4.) durch dieses
Urthel graviret zu seyn vermeynet, und die Sache sich zur zweyten oder
Restitutions-Instantz qualificiret, so steht ihm frey das Remedium
Restitutionis zu ergreifen, und solches intra decendium bey eben dieser
Regierung zu interponiren, welche es dem Gegentheil transmittiren muß.
Wann solches geschehen, muß er
binnen 4. Wochen a die interpositionis seine Gravamina, ohne Erwartung eines
Decreti, justificiren.
Nach Einlaufung der Justification
muß 5.) der Præsident dieselbe mit denen Acten prioris instantiæ dem ersten
Senat zustellen, und zugleich einen Re- und Correferenten benennen, welche eben
wie oben versehen, verfahren, und entweder auf die blosse Justification
sprechen, oder wenn die Gravamina einen Schein haben, die Sache durch einen
Bescheid zum fernern Verfahren verweisen müssen.
Von dieses Senatus Urtheil gehet 6.)
die Appellation an das Tribunal als die dritte Instantz:
Q
62 Zweyter Theil. Tit. VII. (§§.
4.-7.)
Wie aber solche dritte Instantz
künftig, da nach Unserer Intention die Processe in einem Jahr zu Ende gebracht
werden sollen, bey dem Tribunal einzurichten, solches soll vor Publication
dieser Ordnung näher regulirt werden.
§. 5. Bey diesen dreyen Instantzen
soll es lediglich gelassen, und die letzte Sententz, sie mag Con- oder
Reformatoria derer vorigen Sententzen seyn, als ein Judicatum gehalten, und
unter keinem Prætext, auch einer insanabilen Nullitæt, angefochten werden.
Allermassen dem Publico mehr daran
gelegen, daß, (wann auch die unterliegende Parthey vermeynen solte, daß ihr zu
viel geschehe) eine Particulir-Sache darunter leide, als daß unter dem Prætext
einer Nullität denen Litiganten Gelegenheit gegeben werde, durch dergleichen
vierte Instantz die Processe zu verlängern.
§. 6. Es sollen aber diese drey
Instantzen nicht ohne Unterschied verstattet werden, sondern Wir wollen es
folgender Gestalt damit gehalten wissen:
Es soll gar kein Remedium, und also
keine zweyte Instantz zugelassen werden.
1.) Wann das Gravamen offenbar wider
die Jura und Landes-Verfassung läuft.
2.) Wann ob periculum in mora intermistice,
und bis rechtlich darüber erkant werden kan, (insonderheit in Spolien-,
Grentz-, Pacht- und Unterthanen-Sachen) etwas verordnet wird.
3.) Wann super admissione testium,
und über die Pertinentz derer Articuln, gesprochen, und erkannt wird daß die
Zeugen zu admittiren, oder dieselbige über die streitige Articuln Einwendens
ohngeachtet abzuhören: Weil dem Producten seine Exceptiones contra personas et
dicta testium bey der Deductione probationis ohnedem vorbehalten bleiben.
Wann aber die producirte Zeugen als
inadmissibiles, und die übergebene Articuln als impertinent declariret werden,
muß dem Producto, weil die Haupt-Sache auf den Beweiß ankommt, die zweyte
Instantz nicht versagt, aber es bey demjenigen was alsdann erkannt wird
gelassen werden.
4.) Von Expensen und
Moderatons-Urtheln.
5.) Wann kleine Strafen dictiret
werden. Wie auch in Injurien-Sachen welche geringe Leuthe betreffen, und in
Bagatell-Sachen welche unter 10 Rthlr. betragen.
6.) Wann in contumaciam gesprochen
worden, und dieselbe nicht in continenti bey dem darüber anzusetzendem Verhör
purgiret wird.
7.) Wann die Communicatio documenti
per Sententiam festgesetzt wird.
In allen diesen und andern in dieser
Ordnung angeführten Fällen soll denen Unter-Gerichten frey stehen deren eingewandten
Remedien ohngeacht das Urthel zur Execution zu bringen.
§. 7. In einigen Fällen soll zwar
ein Remedium verstattet werden, aber nur quoad effectum devolutivum: als
1.) Wann ein Wechsel als richtig,
und die Bezahlung nach Wechsel-Recht erkannt wird.
63 Zweyter Theil. Tit. VII. (§§.
7.-8.)
In diesem Fall muß der Beklagte
entweder bezahlen, oder das Geld deponiren in dessen Entstehung aber gegen ihn
mit Personal-Arrest, ohne Ansehen der Person, verfahren werden: Und muß er die
Remedia aus dem Arrest verfolgen.
Würde das Collegium hierunter säumig
seyn, und aus unzeitigem Mitleiden oder Consideration mit der Execution
anstehen, so soll der Debitor aus des Decernenten Besoldung und Güthern
befriediget werden.
Womit es auch also zu halten, wenn
schon der Debitor leugnet daß es ein Wechsel, oder das Wechsel(-)Recht in
diesem Casu statt habe, weil es genug ist daß die Schrift per sententiam vor
einen Wechsel erkannt worden.
Es muß aber der Debitor in
Wechsel-Sachen nicht mit dem Land-Reuter belegt, sondern, von was für Condition
er sey, in ein öffentliches Gefängniß, bis zur Bezahlung, gesetzet werden, weil
die Land-Reuter wegen der schweren Executions-Gebühren das Wenige, was der
Debitor noch hat, wegzunehmen pflegen, andere Inconveniéntzen zu geschweigen.
2.) In Aliment-Sachen.
3.) In Fällen, wo periculum in mora
ist, und das Collegium solches billig findet.
4.) Wann in summariissimo gesprochen
worden.
5.) Wann über die Eröfnung eines
Concurs, Ertheilung eines Moratorii, über die Competentz welche ein Debitor obæratus
prætendiret, oder über dessen Quantum erkannt worden.
6.) In allen andern in dieser
Ordnung enthaltenen Fällen.
Wann also dem Remedio bloß quoad
effectum devolutivum deferiret wird, so soll niemand frey stehen die Execution
zu suspendiren, sondern die Regierung muß die Execution verrichten, wann auch
schon per Rescriptum Bericht erfordert, und mit der Execution darinn anzustehen
befohlen worden.
§. 8. Die dritte Instantz soll
niemahlen verstattet werden:
1.) In Bagatell-Sachen, welche unter
25 Rthlr. betragen, wenn auch schon die vorhergehende Sententzen sich contrair
seyn.
2.) Wann über die Incident-Puncten
in denen zweyen vorigen Instantzen gesprochen worden.
3.) Wann die Restitutio in integrum
ob neglecta formalia processus, vel lapsum termini, in zweyen Instantzien
abgeschlagen oder verstattet worden.
4.) Wann jemanden eine Tutel oder
Curatel durch zwey Conformes aufgetragen oder jemand davon befreyet worden.
5.) In Injurien-Sachen, wann die
Personen honoratioris conditionis seyn, in welchem Fall blos ulterior defensio,
und also die zweyte Instantz statt hat.
6.) Wann die Sache nicht 500 Gfl.
den Goldfl. 2 Rthlr. 8 Gr. gerechnet, betrift, doch diejenigen Fälle, welche in
der Ober-Appellations(-)Gerichts-Ordnung enthalten, ausgenommen.
7.) Wann in possessorio ordinario in
zweyen Instantzen gesprochen worden.
Q 2
64 Zweyter Theil. Tit. VIII. (§§.
1.-8.)
Tit. VIII.
Von besserer Einrichtung der
Registratur, und dem Amt des Registratoris.
§. 1. Unter denen Haupt-Mißbräuchen
welche bey der Regierung eingeschlichen, und die Processe verzögert haben, ist
die Unordnung welche sich bey der Registratur gefunden; Und welche Wir durch
diese besondere Constitution zu ändern nöthig finden.
§. 2. Zuforderst sollen künftig
keine Registratores angenommen werden, als welche die Jura studirt, und etwas
vom Praxi inne haben. Zu welchem Ende dieselben in pleno von der Regierung, ehe
und bevor sie angenommen werden, examiniret werden sollen.
§. 3. Bey unserer Regierung sollen
zwey Registratores bestellet werden, von welcher der eine die Publica und was
bishero bey der Regierung tractirt worden, auch die Lehns-Sachen, der andere
die Hofgerichts-Sachen in seiner Verwahrung halten muß.
§. 4. Diese Registratores müssen
sich des Morgens um 8. Uhr, und des Nachmittags von 3. bis 5. Uhr, bey 8. Gr.
Strafe auf der Regierung einfinden, um bey der Hand zu seyn wann Acta erfodert
werden.
§. 5. Alle Libelli actionum,
Memorialien, gesuchte Restitutiones, und andere Schriften, sollen denen
Registratoren nach ihren Departement allein (und nicht dem Præsidenten und
Räthen) übergeben werden, welche sofort das Præsentatum darauf setzen, die
übergebenen Pieçen in ihr Buch, mit Anführung derer Beylagen, eintragen, und
was einmahl überschrieben worden bey Strafe der Cassation nicht wieder zurück
geben sollen.
§. 6. Denen præsentirten Memorialien
müssen sie sofort ante Acta beyfügen, und mit deren Ablieferung an den
Cantzley-Diener, wie oben Tit. 4. §. 4. et 5. versehen, verfahren.
§. 7. So bald ein Memorial aus der
Expedition kommt, müssen die Registratores solches sofort ad Acta heften,
foliiren, und in den Rotulum eintragen, allermassen wann Acta Manca gefunden
werden, und die Schuld an ihnen liegt, dieselbe jedesmahl 1. Flr. Strafe
erlegen sollen.
Sie können aber vor das Heften der Acten
(weil es ein Stücke ihres Amts ist) nichts fodern, vielweniger einen Buchbinder
darzu halten.
Wann in Sachen so loco oralis, oder
zum schriftlichen Verfahren verwiesen werden, geschlossen ist, so müssen die
Registratores nach Anleitung des Tit. 6. §. 4. et. 9. dieselbe dem Præsidenten
ohnverzüglich zur Distribution zufertigen.
Es müssen auch diese
Distributions-Bücher alle Montage dem Præsidenten vorgelegt werden, um
Nachfrage zu halten, ob alle Sachen zu behöriger Zeit referiret und abgethan
worden. Vid. Tit. 8. (§.) 15. Nach der Audientz aber müssen dieselbe wieder
verschlossen zurück gelegt werden.
§. 8. Bey allen einlaufenden neuen
Processen müssen die Registratores gleich Anfangs eine richtige Rubric
verfertigen, und
1. Das Datum der eingelaufenen Klage
oben ansetzen.
2. Die Nahmen der Partheyen, und
65 Zweyter Theil. Tit. VIII. (§§.
8.-16.)
3. Das Objectum litis deutlich
exprämiren.
4. Sofort den Rotulum anfangen und
5. Acta foliiren.
In Processu causæ aber
6. Das Folium wo die Vollmacht, item
7. Die Sententzen befindlich,
notiren.
8. Den Decernenten beyschreiben,
(weil dieser Perpetuus Decernens bleiben soll.)
9. Den Senat, wohin die Sache
gehört, genau anmercken.
§. 9. Ihre Registratur müssen sie in
richtiger Ordnung halten, damit sie die Acta, wann sie gefodert werden sofort
finden können.
Diejenige Sachen welche nicht zur
Contradiction, folglich nicht zum Process gedeyen, müssen sie von
Process-Sachen separiren, und dieselbe nicht mit auf die Process-Listen setzen,
sondern eine besondere Registratur darüber führen.
§. 10. Sie müssen keine Acta
abliefern ohne in ihr Buch zu notiren wer sie bekommen.
Und weil öfters Acta in die Audientz
oder bey Verfertigung der Constitutions-Decreten gefodert werden; So müssen sie
nach geendigter Session sich selbst in der Audientz-Stube verfügen, und die
etwa daselbst befindliche Acta wieder zu sich nehmen: Und wann sie jemand mit
nach Hause genommen, fleißig darnach fragen, auch wann sie dieselbe Woche nicht
remittirt werden, oder gar einige Acta verlohren gehen, solches den Præsident
melden.
§. 11. Die Registratores müssen bey
Strafe der Cassation keinem Advocaten, auch keinem Fiscalischen Bedienten
einige Acta ohne des Præsidentens schriftliche Permission mit nach Hause geben:
wann sie aber auf schriftliche Ordre Acta abfolgen lassen, müssen sie specifice
notiren, wieviel Volumina es gewesen: auch dafür sorgen, daß Acta nach einiger
Zeit wieder von ihnen abgefodert werden.
§. 12. Wann von denen Partheyen
Briefe, Siegel und andere Schriften producirt werden, soll der Registrator
dieselbe, so lang sie im Gericht bleiben, fleißig verwahren und aufheben, auch
denen Parthen auf ihr Begehren darüber eine Recognition gratis ertheilen.
§. 13. Die Registratores müssen
nicht leiden, daß eine Parthey oder deren Advocaten, vielweniger deren
Bedienten, sich in die Registratur einfinden, und die Acta nachsuchen dürfen,
sondern wann jemand Acta nachzusehen nöthig hat, soll er dieselbe auf einen von
dem Præsidenten erhaltenen Zettul in der Neben-Stube nachsehen; Im Fall sie
auch mit denen Cantzley-Bedienten zu sprechen hätten, müssen sie solches an
andern gelegenen Oertern thun.
§. 14. Wann die Registratores
verreisen, oder sonst gehindert werden ihr Amt zu thun, müssen sie die
Schlüssel dem Præsidenten zustellen, welcher die Anstalt machen soll daß einem
andern unterdessen die Registratur anvertrauet werde.
§. 15. Kein Registrator soll sich
unterstehen jemand einige Copialien ohne des Præsidenten Vorwissen zu
ertheilen, oder Inspectionem Actorum zu verstatten.
§. 16. Wann Inrotulatio actorum
verordnet wird, muß solches in seiner Gegenwart geschehen, und muß er das
Protocoll halten, und die Advocaten solches unterschreiben: Wann der eine
ausbleibet, muß er solches notiren, weil die Inrotulatio in contumaciam pro
facta gehalten, und Acta sofort zum Spruch vorgelegt werden müssen.
R
66 Dritter Theil. Tit. I. (§§.
1.-7.)
Dritter Theil.
Tit. I.
Von einigen besondern Processen, als
(1.) in Bagatell-Sachen, (2.) in Summariissimo, (3.) in Injurien, (4.) in Causis
fiscalibus, (5.) bey Commissionen, und (6.) Versuchung der Güthe, (7.) zwischen
Pächtern und Guths-Herren, Obrigkeiten und Unterthanen, Pupillen und
Vormündere: Item wegen streitiger Gräntze, (8.) in Concursen etc.
§. 1. Es hat die Erfahrung gezeiget,
daß bey Unserer Regierung fast in allen Sachen modo ordinario verfahren, und
kein Unterscheid unter denen Sachen, worin summarie verfahren werden muß,
gemacht worden.
§. 2. Solchergestalt hat sich
geäussert, daß (1.) die Bagatel-Sachen durch Advocaten vorgetragen, auf Beweis
und Gegenbeweis erkant, und allerhand Remedia gegen die Erkentniß verstattet
worden.
§. 3. Ob Wir auch schon (2.) in
summarissimo einen kurtzen modum procedendi vorgeschrieben, so hat doch die
Erfahrung gegeben, daß solcher gar nicht beobachtet, unzählige Weitläuftigkeit
darbey gebraucht, interventiones und litis denunciationes zugestanden, auch so
gar verschiedene Remedia verstattet worden.
§. 4. Wir haben auch (3.) in
Injurien-Processen eine besondere Constitution publiciret, und wie darinn kurtz
verfahren werden solle, angewiesen. Es ist aber auch darauf nicht gehalten
worden, sondern man hat von diesen Processen kein Ende absehen können.
§. 5. Hauptsächlich aber und (4.)
seyn bey denen fiscalischen Processen viele Mißbräuche eingeschlichen, wodurch
nicht allein die Sachen weitläuftig und kostbar gemacht, sondern auch durch der
fiscalischen Bediente Passiones und Chicanen die Partheyen öfters um ihre
zeitliche Wohlfarth gebracht worden.
§. 6. Es haben auch (5.) die öfters
unnöthige, langwürige und kostbahre Commissiones die Processe aufgehalten, und
die Unterthanen ruiniret.
§. 7. Wir haben auch (6.)
wahrgenommen, daß die Güthe niemahls gehörig versucht, oder der behörige Ernst
darbey gebraucht worden, wodurch, sonderlich im Anfange, viele Processe hätten
vermieden werden können.
67 Dritter Theil. Tit. I. (§§.
8.-10.) Tit. II. (§§. 1.-4.)
§. 8. Und wann (7.) zwischen
Pachtern und Guts-Herrn, Obrigkeiten und Unterthanen, Pupillen und Vormündern,
item wegen der Gräntzen Streit entstanden, so seyn die Processe mehrentheils
unsterblich gewesen, oder haben sich nicht ohne des einen oder des andern
Theils Untergang geendiget.
§. 9. Schließlich und (8.) so sein
die Concurs-Processe in der grösten Unordnung tractiret worden, der Ausgang
aber ist endlich dahin gediehen, daß die Advocaten, und hauptsächlich der
Contradictor und bonorum Curator, das übrige Vermögen absorbirt, und denen
Creditoren das leere Nachsehen gelassen haben.
§. 10. Wir haben daher nöthig
gefunden, eine besondere Constitution zu entwerfen, wie in allen diesen Sachen
verfahren, und dieselbe bald, ohne Weitläuftigkeit und Kosten, zum Ende
gebracht werden können. Was die Criminal- und Wechsel-Processe betrift, darüber
beziehen Wir Uns auf die dieserwegen puclicirten (!) besonderen Ordnungen.
Tit. II.
Von Bagatell-Sachen.
§. 1. Weil einige gewissenlose
Advocaten sich nicht entblöden in allen Kleinigkeiten ordentliche Processe zu
führen, viele Exceptiones dilatorias zu formiren, Incident-Puncte zu erregen,
auf Beweiß und Gegenbeweiß zu provociren, und wohl gar verschiedene Remedia
gegen die in dergleichen Bagatell-Sachen ergangene Bescheide zu ergreifen,
wodurch Unsere Unterthanen gezwungen werden mehr Kosten auf den Process zu
verwenden als die Sache imprortiret (et)c. So ordnen und wollen Wir daß es
künftig in dergleichen Sachen folgendergestalt gehalten werden solle.
§. 2. Der Kläger muß 1.) eine
schriftliche Vorstellung übergeben, das Factum kurtz und deutlich anführen, und
das Petitum demselben gemäß formiren; worbey der Advocat dasjenige was ihm bey
Verfertigung eines Libelli vorgeschrieben worden, beobachten muß. Vid. P. I.
Tit. 13. §. 8. seq..
§. 3. Wenn 2.) ein Bauer, oder
anderer gemeiner Mann, niemand findet der ihm eine schriftliche Klage aufsetzen
will, und sich bey denen Gerichten meldet, soll der Richter ihn nicht abweisen,
sondern jemand committiren, welcher die Klage ex officio auf- und solche mit
allen Umständen ad protocollum nehmen soll.
§. 4. Der Richter muß auf die
schriftliche Vorstellung, oder auf das Protocoll, rechtlich verordnen, und
eventualiter Terminum zum Verhör ansetzen, mit der Commination
Daß, wann Beklagter entweder nicht
in Person, oder wann er kranck, oder anderer wichtigen Ursachen halber verhindert
wird (welches er an Eydes statt bekräftigen muß), durch einen Bevollmächtigten
erscheinen würde, in contumaciam erkandt werden solte.
Worbey zugleich dem Beklagten
anbefohlen werden muß, dem Kläger ein Recepisse bey 1 Rthlr. Strafe zu
ertheilen, und alle seine Documenta, Nachrichten, und Zeugen wann dergleichen
fürhanden, in Termino mitzubringen.
R 2
68 Dritter Theil. Tit. II. (§§.
4.-11.)
Der Richter muß aber auch den Kläger
bedeuten, daß er in Termino seine Documenta, Nachrichten, und Zeugen wann er
deren bedarf, in Termino produciren müsse.
§. 5. Dieses Decret, nebst der
copeylichen Klage oder Protocoll, und dahin gehörigen Beylagen, muß der Richter
dem Kläger zustellen, damit er dem Beklagten solches selber insinuiren könne.
Im Fall dieser dem Kläger kein
Recepisse ertheilen wolte, muß der Kläger den Notarium, Schultzen, oder Richter
des Orts antreten, welche mit Vorbehalt der verwürckten Strafe, ihm ohne alles
Entgeld entweder ein Recepisse verschaffen, oder aber daß die Insinuation
geschehen, attestiren müssen.
§. 6. Wenn der Beklagte bey Zeiten,
schriftlich oder mündlich ad protocollum Dilation bittet, muß das Memorial oder
Protocoll nebst dem anderweitig angesetztem Termino, dem Beklagten auf eben
dieselbe Art zur Insinuation zugestellet werden.
§. 7. Wann der Beklagte in Termino
nicht erscheinet, muß sofort in contumaciam gegen ihn verfahren, und, wann die
Klage vor richtig erkannt wird, die Execution dem Judici loci anbefohlen, das
Mandatum aber dem Kläger zugestellet werden: wann der Beklagte contumaciam
purgiren wolte, muß es salva executione geschehen.
§. 8. Wann der Citatus in Termino in
Person erscheinet, muß er seine Nothdurft mündlich vorstellen, der Richter muß
dessen Exceptiones ad protocollum nehmen, und die Sache ex officio ad duplicas
usque instruiren, und keinen Advocaten zu(-)lassen.
Wann ein Theil durch einen Advocaten
erscheinet, der andre in Person, muß das Verhör dadurch nicht aufgehalten
werden, sondern wann des Advocaten Proposition ad protocollum genommen worden,
muß der zu Aufnehmung des Protocolli deputirte Rath dem andern Theil alle
angeführte Umstände und Rationes deutlich vorstellen, was er dargegen in facto
einwenden kan, von ihm vernehmen, die Jura suppliren, folglich des Indefensi
Nothdurft ex officio beobachten, und wann solchergestalt duplicando
geschlossen, in der Haupt-Sache nach Recht und Billigkeit sprechen.
Wann beyde Theile extra locum
judicii wohnen, stehet dem Richter frey zu Erspahrung der Kosten einem des
Orts, oder in der Nachbarschaft wohnenden Rechts-Gelahrten zu committiren,
diese geringe Sache zu untersuchen, beyde Theile vor sich zu fordern, die
Zeugen wo nöthig abzuhören, und das Protocoll zum Spruch einzusenden.
§. 9. Es werden aber unter die
Bagatell-Sachen gerechnet, wann die Sache 50 Rthlr. und darunter betrift:
Wann die Sache kein baares Geld,
sondern Præsentationes, Jura, oder andere Anforderungen importiret, deren Werth
nicht über 50 Rthlr. gerechnet werden kann, (welches dem arbitrio judicis
lediglich überlassen wird) so gehören solche gleichfalls unter die
Bagatell-Sachen.
§. 10. Weil aber öfters das Wohl und
Weh, insonderheit bey armen und geringeren Leuthen (!) in dieser Summe
bestehet, und daher die Remedia nicht so schlechterdings versagt werden können,
so wollen Wir es folgendergestalt damit gehalten wissen.
§. 11. Wann jemand sich über den
Bescheid gravirt befindet, und die Sache 10 Rthlr. und weniger betrift, so soll
niemahls ein Remedium gegen den Bescheid verstattet werden. Vid. Part. 2. Tit.
7. §. 6. n. 5.
69 Dritter Theil. Tit. II. (§§.
12.-14.) III. (§§. 1.-2.)
§. 12. Betrift aber die Sache über
10 und unter 20 Rthlr. so muß der Gravatus innerhalb 10 Tagen ein Remedium
einwenden, und nachher seine Gravamina daraus binnen 4 Wochen bey eben
demselben Richter justificiren. Worzu keine Dilation verstattet werden soll.
Diese Justitificatio kan schriftlich
oder auch mündlich geschehen, in welchem letzten Fall der Richter wiederum ex
officio die Justitification instruiren muß.
Wann solches geschehen, muß der
Richter ohne weiteres Verfahren Acta nebst seinem Bericht und Gutachten ex
officio an das Ober-Gericht einsenden: Und was dieses erkennet darbey soll es
gelassen, und kein weiter Remedium, auch nicht sub prætextu nullitatis,
verstattet werden.
§. 13. Wann die Sache über 20 Rthlr.
und unter 50 Rthlr. betrift, so soll wie in andern Sachen verordnet ist,
verfahren, die Justification binnen 4 Wochen bey dem Ober-Gericht schriftlich
übergeben, und, wann die Gravamina gegründet scheinen, und daher nöthig
gefunden wird den andern Theil dargegen zu hören, die Sache zu weiterm
Verfahren, wie oben in dem folgenden Tit.
. §. . versehen, verwiesen, aber
es bey demjenigen was alsdann erkannt wird lediglich gelassen, und die dritte
Instantz niemahlen verstattet ewrden.
§. 14. Es können die Richter und Commissarii
in dergleichen Bagatell-Sachen ausser denen Copial- und Insinuations-Kosten
keine Gebühren nehmen noch fordern. Wann aber jemand Remedia von dem Bescheid
ergreifet, und Sententia confirmatoria bey dem Ober-Gericht erfolgt, so soll
pars succumbens in pœnam 2 Rthlr. zur Sportul-Casse erlegen.
Wie dann auch der Advocat, wann
derselbe dergleichen Bagatell-Sachen übernimt, und Confirmatoria erfolget,
seine Gebühren verlustig gehen, und diese der Sportul-Casse zugesprochen werden
sollen.
Tit. III.
Von dem Processu in Possessorio
Summariissimo.
§. 1. Weil das Summariissimum öfters
gemißbrauchet, und mit dem Possessorio ordinario confundiret, der Beweiß nicht
recht eingerichtet, und dadurch Weitläuftigkeit und unnöthige Kosten verursachet
zu werden pflegen, so ordnen und wollen Wir daß künftig in Summariissimo
folgendermassen verfahren werden solle.
§. 2. Das Summariissimum soll nur
statt haben, wenn von der Possessione præsentanea vel quasi die Frage ist, und
ein Theil klagt daß er von einem andern in seiner Possession de facto turbiret
werdt, und daher Periculum in mora, oder Metus armorum vorhanden, oder ein
unwiderbringlicher Schaden zu besorgen sey.
S
70 Dritter Theil. Tit. III. (§§. 3.-9.)
§. 3. Bey diesem Summariissimo muß
der Kläger in seinem Libello den Ort wo die Turbation geschehen umständlich
beschreiben und benennen, anbey sich in einer beständigen und ruhigen
Possession von 1. 2. 3. und mehr Jahren fundiren, das Petitum aber dahin
formiren, daß er in seiner Possessione præsentanea et quieta möge geschützet,
dem Gegentheil alle Turbation inhibiret, und (wann ihm etwas weggenommen
worden) das Weggenommene cum omni causa restituiret werden.
§. 4. Worauf der Richter Mandatum de
non turbando, vel de restituendo pure, oder salvo jure, cum vel sine pœna, oder
auch alles in statu quo zu lassen, ertheilen; eventualiter aber Terminum zum
Verhör sub pœna confessi et convicti ansetzen muß.
§. 5. Weil es nun hauptsächlich auf
die Bescheinigung des Orts und der angegebenen Possession ankommt; so müssen
beyde Theile sothane Bescheinigung durch beeydeter Zeugen Aussage, oder solche
Documenta welche actus possessorios in sich halten, führen, und den Rotulum 2
Tage vor dem Termino dem Registratori sub pœna præclusi einliefern, damit der
Gegentheil solchen bey demselben nachsehen könne.
§. 6. Die Articuli müssen genau auf
den Ort quæst. (damit nicht nöthig sey eine ocular(-)Inspection zu veranlassen)
nicht weniger auf den letzteren Actum possessorium NB. non contradictum
gerichtet werden, weil allein derjenige, welcher durch die Zeugen bescheiniget,
daß er einen oder mehr actus possessorios vor dem letztern Actu, welcher causam
liti gegeben, ohne des Gegners Wiederspruch (!) exerciret habe, in
summariissimo geschützet werden soll.
Dahero derjenige Actus so den Streit
veranlasset, als Actus Possessorius nicht consideriret werden kan.
Wann die Partheyen fürchten daß die
Zeugen nicht gutwillig Gezeugniß ablegen werden, so stehet ihnen frey ante
Terminum eine Commission zu deren Abhörung auszuwürcken: Und diese Vereydigung
muß in einen förmlichen Rotulum gebracht, und solchergestalt wie schon gedacht,
zwey Tage vor der Verhör offen übergeben werden.
§. 7. Interrogatoria und Exceptiones
contra personas et dicta testium werden bey der Abhörung nicht zugelassen: Es
bleibt aber beyden Theilen frey ihre Nothdurft gegen die Zeugen und ihre
Aussage bey der Verhör anzuführen: Jedoch müssen die Richter in ihren
Summariissimo auf dasjenige, was die Zeugen nicht gantz inhabil macht, und
nicht in continenti verificiret werden kan, oder altioris indaginis ist, nicht
reflectiren, sondern vor denjenigen in summariissimo sprechen, dessen Possessio
sowohl intuitu der Qualitæt der Zeugen, als inuitu derer von ihnen angeführten
Umstände, und durch deren Aussage, am besten bescheiniget ist, allermassen auch
ein Zeuge, und ein Actus non contradictus zur Bescheindigung genug ist.
§. 8. Es stehet auch einem jeden
frey, pro colorando summariissimo antiquiores actus possessorios anzuführen,
und Zeugen darüber abhören zu lassen, oder solche durch Documenta in seinem
Libello zu behaupten.
§. 9. Wenn auch jemand seinen
Titulum pro colorando possessorio anzuführen, und seinem Libello beyzufügen
nöthig findet, soll auch dieses erlaubet seyn, welches einen grossen Effect
dieserwegen haben kan, weil in dem Fall, da der Gegner den Titulum
wahrscheinlich nicht elidiret, der Richter auch in petitorio sprechen kan,
obschon nur in Summariissimo submittiret worden.
71 Dritter Theil. Tit. III. (§§.
9.-15.)
Welches Wir auch zu Abschneidung
aller unnöthigen Weitläuftigkeiten, von dem Possessorio ordinario wollen
verstanden haben.
Es ist dahero dem Turbato zu rathen
sich nicht bloß mit der Exceptione, daß hier nur de summariissimo die Frage
sey, und er vor allen Dingen restituiret werden müsse, aufzuhalten, sondern
kurtz auf den angeführten Titulum, und Actus possessorios mit zu antworten.
§. 10. Es soll auch zu Abhörung der
Zeugen, wann periculum in mora ist, keine Dilation, sonsten aber nur eine, und
zwar nicht über 14 Tage, verstattet werden.
§. 11. In dem Termino muß der
Implorat, daß er denen an ihm ergangenen Mandatis pariret habe, dociren, oder
erhebliche Ursachen warum er zu pariren nicht schuldig gewesen, anführen, und
solche zugleich bescheinigen: Wann er solches nicht thut, ist er dem Befinden
nach in die denen Mandatis einverleibte, oder andere arbitrarische Strafen zu
vertheilen, massen jedesmahl der Strafe halber, ob selbige verwürckt sey oder
nicht, mit erkandt werden soll.
§. 12. Wann in Termino aus
Zusammenhaltung der Zeugen-Verhöre sich hervor thun solten, daß die Zeugen in
loco nicht einig seyn, und ein Theil auf eine Ocular-Inspection provociret,
oder der Richter dieselbe nöthig findet, so ist solche nicht gäntzlich
auszuschliessen, jedoch muß alles de simplici et plano, ohne Veranlassung eines
ordentlichen Beweises, und Gegenbeweises (et)c. geschehen. Dergleichen
Ocular-Inspection aber ist vor der Verhör zu suchen nicht erlaubt.
§. 13. Wann die Possessio in re
corporali aus redlichen Ursachen von dem Richter als zweifelhaft angesehen,
folglich in Summarissimo nicht sogleich gesprochen werden könte, und daher
einige Verwirrung zu besorgen stünde, so soll ohne des einen oder des andern
Theils Ansuchen eine Sequestration ex officio veranlasset, darbey aber dahin
gesehen werden, daß, wann es füglich geschehen kan, und de perceptione fructuum
die Frage ist, der streitige Ort unterdessen verpachtet werde.
Wann aber der Streit super
possessione rerum incorporalium entstehet, soll bey vorgedachten Umständen
Inhibition ergehen; wann aber hiernächst gefunden wird daß der Kläger entweder
zur Ungebühr gepfändet, oder ihm sonst einiger Schaden zugefüget worden, so
soll derjenige, dessen Fossession den Vorzug behält, per Mandatum de non
turbando geschützet, das etwa noch rückstündige Pfand sofort ohne Entgeld auch
ohne Erstattung des Futters, oder, da es abhanden kommen der Werth, nebst dem
Genuß davon welchen der Gepfändete inzwischen entbehren müssen, restituiret,
und der erweißliche Schaden sogleich nach richterlicher Ermäßigung ersetzt werden;
die Kosten aber seyn ad finem litis auszusetzen: jedoch ist hierunter dasjenige
was vor diesem letzten Process gepfändet, oder an Schaden zugefügt worden,
nicht begriffen.
§. 14. Es stehet auch einem und dem
andern Theil frey das Jurament über dergleichen ultimos actus non contradictos,
wie auch über den Actum turbationis selbst, wann solcher von einem Theil
angegeben, von dem andern Theil aber negirt worden, zu deferiren.
Wiewohl auch denen Gerichten frey
gelassen wird, einem oder dem andern, dem Befinden nach das Juramentum
suppletorium oder purgatorium zuzuerkennen.
§. 15. Wann der Richter in
summariissimo erkennet, muß er dem Gegentheil possessorium ordinarium und
petitorium reserviren.
S 2
72 Dritter Theil. III. (§§. 16.-20.)
IV. (§§. 1.-3.)
§. 16. Das Summarissiumum soll keine
statt haben, wann in Erbfällen inter liberos ein Erbe sich auf die prioritatem
apprehensiones beziehet, und sich dabey zu schützen bittet, weil alle Erben
ipso jure hæredes seyn, und die Possessio ipso jure auf sie devolviret wird,
mithin kein actus prioris apprehensionis allegiret werden kan.
Gleiche Bewandniß hat es, wann ein
proximus agnatus nach Versterben des letztern Vasalli, die Possession des
Lehns, oder, wenn ein hæres Fidei-Commissarius nach dem Tod des ultimi Possessoris
das Fidei-Commiss-Guth in Besitz nimmt: Es können also diese Hæredes nicht
bitten, daß sie in Summariissimo geschützet werden mögen, weil die
Possessions-Ergreiffung dem Juri retentionis der Witwen nicht præjudiciret,
vermöge dessen sie, ehe und bevor sie befriediget ist, aus dem Guth zu weichen
nicht schuldig ist.
§. 17. Es soll auch in Summariissimo
keine litis denunciatio oder reconventio (wie solches bishero abusive
geschehen) zugelassen werden.
§. 18. In Summariissimo soll niemahlen
schriftlich verfahren, sondern der Vortrag mündlich oder loco oralis von 3 zu 3
Tagen geschehen.
§. 19. Es soll auch kein Remedium
dargegen als quoad Effectum devolutivum verstattet werden, wann auch gleich auf
Schaden und Kosten zugleich mit erkant worden, oder beyde Theile Remedia
suchen.
§. 20. Weil die Sententia in
Summariissimo lata nur eine Provisional-Verordnung ist, so soll die possessio,
worinn jemand geschützt worden, den Besitzer, wann er nachher in ordinario vel
petitorio succumbirt, von der Restitution der fructuum perceptorum nicht
liberiren: Und wann er überführt wird daß er mala fide die streitige Sachen
besessen, so kan er auch zur Erstattung der fructuum percipiendorum, und derer
Kosten, angehalten werden.
Tit. IV.
Von Injurien-Sachen und wie darin
procediret werden soll.
§. 1. Weil wegen mehrentheils
geringer Injurien bishero weitläuftige und kostbahre Processe geführet worden,
so haben Wir auch diesen Processen einen Riegel vorschieben wollen.
§. 2. Wann Injurien unter Handwercks-Genossen
oder gantzen Zünften vorgehen, sollen dieselbe nach der in Handwercks-Sachen im
gantzen Römischen Reich Anno 1731, kund gemachten General-Constitution
gäntzlich unkräftig und unnachtheilig seyn, auch wie daselbst verordnet ist,
gegen die Injurianten verfahren werden.
§. 3. Wann die Injurien von keiner
Erheblichkeit seyn, und geringere Leuthe angehen, welche nicht von
beträchtlicher Condition seyn, oder sonst in keinen Ehren-Aemtern stehen; So
muß die Sache regulariter in einem Verhör abgethan, und zu dem Ende, wann beyde
der Kläger und Beklagte in loco judicii wohnen, der letztere mit
73 Dritter Theil. Tit. IV. (§§.
3.-8.)
Vorzeigung oder Verlesung der
Original-Denunciation von dem Cantzley-Diener auf einen kurtzen Terminum
vorgeladen werden, mit dem Beyfügen, daß beyde Theile ihre etwa habende Zeugen
mit zur Gerichts-Stelle bringen, oder ante Terminum um deren Citation anhalten
müssen.
Wann beyde Theile extra locum
judicii wohnen, so stehet der Regierung frey, einem des Orts wohnenden
Rechts-Gelahrten, Bürgermeister, Syndico, Actuario etc. ex officio zu
committiren, daß er beyde Theile in brevi Termino vor sich laden, dieselbe mit
ihrer Nothdurft umständlich ad protocollum hören, Zeugen, wo nöthig, summariter
abhören, Acta aber nebst dem Bericht binnen 4 bis 6 Wochen bey 10 Rthlr. Strafe
zum Spruch einschicken solle.
In dergleichen Sachen sollen keine
Advocaten admittiret, keine Exceptio suspecti Commissarii angenommen, auch auf
keine Exception contra personas testium reflectiret; sondern die Sache ex æquo
et bono decidiret, und, wann beyde Theile excediret, auch beyde Theile
gestraft, von dergleichen Erkäntniß auch keine Remedia verstattet werden.
§. 4. Wann die angebrachte Injurien
von einer Wichtigkeit seyn, oder beträfen Standes- und andere honoratioris
conditionis Personen, so sollen wegen dergleichen Injurien, sie mögen durch
Minen, Gebärden, Schimpf- und Scheltworte, oder auch realiter durch Ohrfeigen,
Stockschläge (et)c. begangen werden, keine solenne und förmliche Actiones
civiles, es sey ad æstimationem, palinodiam, oder wie sie sonst Nahmen haben,
angestellet, sondern bloß per modum denunciationis angebracht, und niemahlen
darinne schriftlich verfahren, sondern solche summariissime, und so kurtz es
möglich vollführet werden.
§. 5. Zu solchem Ende muß die
einzureichende schriftliche Denunciation von dem beleidigten Theil, deutlich,
umständlich, mit Benennung des Orts, der Zeit, und der anwesend gewesenen
Personen ausgeführet, und ohne also klar genug gemachte That von dem Judicio
nichts voreilig fürgenommen werden.
§. 6. Wann Zeugen bey dem Facto
gegenwärtig gewesen, wird der Kläger oder Denunciate wohl thun, deren
summarische Aussagen beyzulegen, oder in seiner Denunciation zu bitten, daß
dieselbe in Termino mit vorgefordert werden mögen.
Wann der Beweiß durch schriftliche
Documenta geführet werden soll, muß der Denunciate durch Anfügung der Copeyen
das Factum bescheinigen.
§. 7. Wann nun solchergestalt die
Denunciation gerichtlich eingebracht ist, so muß das Judicium dieselbe dem
Gegentheil communiciren, Terminum præjudicialem von 8 bis 14 Tagen ansetzen,
dem Beklagten gleichfalls Auflage thun, daß er diejenige Zeugen die er zu
seiner Defension gebrauchen will, in Termino mitbringen, oder bey Zeiten bitten
müsse, daß sie besonders ad illum Terminum citiret werden.
Wobey zugleich jederzeit dem Officio
fisci anbefohlen werden muß, in Termino pro interesse fisci zu vigiliren.
§. 8. Auf solche Citation ist der
Denunciate schuldig, sich ohne alle Entschuldigung persönlich in Termino zu
gestellen, mit Vorbeylassung aller dilatorischen Exceptionen (als welche kein
Richter in Injurien-Sachen zu consideriren hat), so gleich litem zu
contestiren, und die Exceptiones peremptorias in ipso Termino sämtlich, aber
nur mündlich beyzubringen; Worauf der geschmähete Denunciate sogleich zu
T
74 Dritter Theil. Tit. IV. (§§.
8.-15.)
repliciren, und Denunciatus zu
dupliciren hat, wodurch die Causa völlig geschlossen seyn soll.
Der Fiscalis aber muß dem Befinden
nach auf die in denen Gesetzen determinirte Strafe in Termino antragen.
§. 9. Hätte aber der Denunciate
erhebliche Ursachen aussen zu bleiben, worunter keine andere als unvermuthete
Wasserfluth, Krieges-Gefahr, schmertzhafte Kranckheit, und würckliche
Niederlage, oder daß er eine Königl. Sache, oder ein Amt, wobey seine Gegenwart
beständig nöthig, zu respiciren habe (et)c. (welche Verhinderung er an Eydes
statt bekräftigen muß) anzunehmen sind, so soll ihm in diesem Fall eine
eintzige Dilation von 14 Tagen verstattet, oder befundenen Umständen nach, auch
sein Mandatarius specialiter instructus admittiret werden.
§. 10. Erschiene aber derselbe in
dem angesetzten oder dem prorogirten Termino weder selbst in Person, noch per
Mandatarium, oder der Mandatarius wolte einige unnöthige Weitläuftigkeit, unter
dem Prætext daß er nicht genugsam instruiret wäre, machen, so soll der
Injuriante pro confesso et convicto declariret, und wieder ihn der Gebühr nach
verfahren werden.
§. 11. Im Gegentheil soll der in
Termino aussenbleibende Kläger nicht ehender mit seiner zu erneuernden Klage
gehört werden, bis er dem Beklagten expensas Termini refundiret, auch
allenfalls, wenn er nicht ansäßig wäre, Caution wegen der angebrachen Injurien
præstiret hätte.
§. 12. Sind nun Kläger und Beklagte
in Termino beysammen, so hat das Gerichte sowohl vor dem Behör, als nach
Beendigung desselben, und vor erfolgten Bescheid jederzeit durch einen von den
Räthen die Güte zwischen denen Partheyen ernstlich zu tentiren, und soviel
möglich solche zu bewürcken.
§. 13. Wan die Güthe nicht verfangen
will, die Sache auch vorgeschriebener massen instruiret ist, und der Injuriante
gestünde das Factum, so muß der Richter definitive, und dergestalt deutlich
sprechen, daß die Partheyen auf einmal auseinander gesetzet, und dem
beleidigten Theil nach Inhalt der Duell-Edicten gebührende Satisfaction
verschaffet werde.
§. 14. Wann aber der Denunciatus das
Factum entweder in totum oder in tantum negiret, so sollen die gegenwärtige
Zeugen sofort darüber summariter vernommen, oder, wann die Zeugen nicht
erschienen, einem fiscalischen Bedienten committiret werden, die angegebene
Zeugen höchstens binnen 14 Tagen summariter, jedoch eydlich abzuhören, und in
Fall der Denunciatus zu seiner Defension eigentliche Umstände, welche den
Denunciaten gleichfalls strafbahr (!) machen, und ratione seiner die Strafe
moderiren, anzeigen sollte, als daß der Denunciate zuerst geschimpfet, daß er
den Stock gebrauchen müssen um ihn vom Leibe zu halten, (et)c. auch dieserwegen
die Zeugen benennet (inmassen er in Termino zu thun schuldig, nachhero aber
nicht weiter damit gehöret werden soll), der Denunciate aber solches negiret,
so müssen auch diese Defensional-Zeugen von dem Fiscali abgehöret und vernommen
werden, welcher das Protocoll ohne einen ordentlichen Rotulum über die Aussage
zu formiren, dem Judicio einschicken muß, woraus der Richter ohne die Partheyen
weiter darüber zu hören, erkennen soll.
§. 15. Würde aber einem Theil das
Jurament deferiret, so ist derselbe schuldig den Eyd, wo nicht in Termino ipso,
doch in einer anderweitigen Frist von 8 Tagen (welche nicht prorogiret werden
soll) abzulegen, der Deferent aber muß vorhero das Juramentum calumniæ
præstiren.
75 Dritter Theil. Tit. IV. (§§.
15.-21.)
Wann derjenige dem der Eyd deferiret
worden, in diesen Terminis nicht erscheinet, muß er pro jurare nolente
gehalten, und auf die Strafe erkannt werden.
§. 16. Von der solchergestalt
ausgesprochenen Sententz oder Bescheid, hat regulariter weder eine Appellation
noch Revision, noch ein anderes Remedium juris statt, sondern es haben beyde
Theile dabey zu acquiesciren, und dem Bescheid ein Genügen zu leisten.
§. 17. Hätte aber dennoch der
Beklagte und Denunciat erhebliche Ursache zu glauben, daß ihm durch den
Bescheid zuviel und wehe geschehe, so hat er, wann von denen Unter-Gerichten
erkandt worden, solche per modum ulterioris defensionis bey dem Unterrichter
schriftlich einzureichen.
Dieser Unterrichter muß Acta sofort
ex officio an das Ober-Gericht einsenden, welches ohne weiteres Verfahren der
Partheyen auf die Acta prout jacent ratione Con- vel Reformationis erkennen,
und dem Unterrichter Acta ex officio wieder zurück senden, die Gebühren aber
von dem succumbirenden Theil beytreiben lassen muß.
§. 18. Desgleichen stehet dem Kläger
und Denunciaten frey, seine wider den Bescheid habende Beschwerden, in einer
kurtz gefaßten Gravatorial-Schrift bey dem Unterrichter einzubringen, da dann
auf gleiche weise mit Einsendung der Acten verfahren werden soll.
§. 19. Wann bey der Regierung und
dessen zweyten Senat in prima instantia gesprochen worden, muß ulterior
defensio an den ersten Senat als instantiam superiorem gebracht, und von diesem
erkannt werden.
§. 20. Es stehet aber keinem von
beyden Theilen frey, zu Behauptung ihrer weiteren Defension, neue Zeugen
vorzuschlagen, oder neue Documenta vorzubringen, vielweniger neue Attestat
beyzulegen; allermassen solche sofort ab actis removiret werden, und auf
dasjenige, was in der Defension daraus angeführet wird, gar nicht reflectiret,
sondern die Decisio blos ex ante actis genommen werden soll: Weil jeder Theil
sich imputiren muß, daß er in primo Termino nicht alles vorgestellet; dem
Publico aber daran gelegen, daß dergleichen Injurien-Processe je eher je lieber
abgethan werden.
§. 21. Was in dieser zweyten
Instantz erkannt wird, dabey soll es lediglich gelassen werden. Gestalten Wir
keine Remedia sie mögen Nahmen haben wie sie wollen, auch nicht einmahl
querelam nullitatis, dargegen admittiren wollen, wenn auch schon die letztere
Sententz reformatoria seyn solte; Und soll die Parthey sowohl als der Advocat,
wann sie bey Hofe sich dagegen moviren wolten, jeder 10 Rthlr. Strafe erlegen.
Wir befehlen auch Unserm Officio
Fisci aller Orten zu vigiliren und Achtung zu geben, daß dieser Unserer
Constitution auf das exacteste nachgelebt, und solche bey allen Ober- und
Unter-Gerichten zu Effect gebracht und mit Nachdruck darüber gehalten werde.
T 2
76 Dritter Theil. Tit. V. (§§.
1.-6.)
Tit. V.
Von denen Fiscælischen Processen wie
darin zu verfahren, und Von einigen bey den Inquisitionen eingeschlichenen
Mängeln.
§. 1. Es ist bey denen Pommerschen
Gerichten der Mißbrauch eingeschlichen, daß einige gewissenlose rechtlich zu
überlegen, dergestalt vorgestellet, daß sie von dem Collegio die Einwilligung
erhalten, generale und speciale Inquisitionen anzustellen, wodurch die
Unterthanen auf eine unverantwortliche Art chicaniret, dieselbe dadurch öfters
unschuldig um Ehre und guten Leimuth (!) gebracht, und durch die
unerschwingliche Kosten mehrentheils ruiniret worden.
§. 2. Es hat sich auch ferner bey
der Visitation gefunden, daß vorbemeldete fiscalische Bedienten diejenige
Sachen, worin sie per modum implorationis agiren sollen, inquisitorie
tractiret, folglich in denen Dilictis levioribus eben wie in denen Criminibus
verfahren haben.
§. 3. Weiter hat sich geäussert daß
sie in denen Sachen wo ihnen befohlen worden zu vigiliren, und ihr Amt zu thun
promiscue Inquisitiones angestellet haben, wie sie dann auch die zuweilen
verstattete Assistentiam Fisci vielfältig gemißbrauchet, Jura Fisci, und
Freyheit von Sportuln, dabey prætendiret, und dem Gegentheil die Sache dadurch
schwer gemachet haben.
§. 4. Endlich hat man auch
wahrgenommen, daß die Fiscæle wann ihnen befohlen worden, jemand wegen eines
Domanii, oder andern juris realis in Anspruch zu nehmen, nicht genugsam vorher untersuchet,
ob die Actio gegründet sey oder nicht, sondern blindlings die Action
angestellet, solche durch alle Instantzen durchgetrieben, und dadurch Unsere
getreue Unterthanen in schwere, kostbahre, und langwieriger Processe verwickelt
haben.
§. 5. Diesen unbändigen Verfahren
nun haben Wir ein vor allemahl einen Riegel vorschieben, und einige
insonderheit bey denen Inquisitionen eingeschlichene Mißbräuche hierdurch
gäntzlich abschaffen wollen. Dem zufolge soll
§. 6. Erstlich kein fiscælischer
Bedienter bey Strafe der Cassation sich unterstehen, eine General- oder
Special-Inquisition anzustellen, ehe und bevor er wohl überleget, ob auch die
Indicia so beschaffen, daß mit Grund einiger Verdacht auf den Thäter fallen
können, in specie aber muß der Fiscalis wohl examiniren, wie die Denunciation
und deren Umstände beschaffen, ob sich der Denunciate unterschrieben, oder ob
Zeugen
77 Dritter Theil. Tit. V. (§§.
6.-11.)
angegeben worden, welche von dem
denunciirten Facto Nachricht geben können (et)c. Wann er nach seiner Pflicht
und Gewissen glaubt, daß die Denunciation zu einer General-Inquisition sich
nicht qualificire, muß er die Denunciation reponiren.
Im Fall aber ein rechtlicher
Verdacht auf jemand fallen kan, muß Fiscalis die Indicia und Umstände der
Regierung vortragen, welche den Fiscal bescheiden soll.
§. 7. Wann er zweytens nach
beschehener General-Untersuchung findet, daß nach Anleitung der
Criminal-Ordnung die Indicia dergestalt beschaffen seyn, daß eine
Special-Inquisition statt finden könne, so muß er dieselbe mit allen Umständen
der Regierung denuo schriftlich vortragen, und nähern Befehl darüber erwarten.
§. 8. Es müssen aber drittens die
Fiscæle sowohl als die decernirende Räthe mit aller Behutsamkeit hiebey
verfahren, damit niemand unschuldig mit fiscalischer Untersuchung und Strafe
beleget, und folgends an seinem guten Leumuth, ehrlichen Nahmen, zeitlichen
Güthern, und Leib und Lehen gefährdet werde. Sie müssen auch ferner vor allen
Dingen des Corporis Delicti in den Fällen, in welchen es die Rechte erfordern,
gewiß seyn, und sodann allererst auf die Special-Inquisition antragen oder
erkennen.
§. 9. Würde viertens ein Fiscal oder
Decernent hierunter sich übereilen, und ohne genugsame Anzeige eine Special-Inquisition
veranlassen; Soll er seines Amts verlustig declariret werden, und dem
Inquisiten allen Schaden und Kosten, wie er solche vermittelst Eydes erhärten
wird, erstatten.
§. 10. Es haben fünftens die
Inquisiti selbst bishero auch dadurch die Inquisitions-Processe aufgehalten,
daß sie ohne Unterscheid defensionem pro avertenda zu suchen, und von denen
Collegiis mehrentheils ohne Ueberlegung dazu admittiret zu werden pflegen: Wir
ordnen und wollen daher, daß sothane Defensio alsdann nur statt habe, wann der
Inquisit nach der Lehre Carpzovii Part. 3. q. 115. n. 23. erweisen will, daß
die Indicia zur Special-Inquisiton nicht zureichend seyn: Welche Defension der
Inquisite binnen vier Wochen sub pœna præclusi beybringen muß.
Wann also das Delictum klar vor
Augen lieget, oder Indicia proxima vorhanden seyn; so kan er mit keiner
Defension pro avertenda gehöret werden, sondern er muß ohne ein Verhör darüber
zu veranlassen, litem contestiren, wowider keine Protestation oder einiges
Remedium verstattet werden soll.
§. 11. Gleichwie Wir sechstens die
Verschickung der Acten (weil dadurch die Processe so sehr verzögert werden) in
genere verbothen, also müssen auch in denen Criminal- und Fiscalischen Sachen,
keine Acta mehr auf Universitäten verschicket, sondern es folgendergestalt
gehalten werden:
Wann a.) bey denen Aemtern und
andern Unter-Gerichten eine Inquisition geführet worden, stehet dem
inquirirenden Richter wann er die Rechte verstehet, oder einen
Rechts-verständigen beeydigten Justitiarium bestellet hat, frey, selbst zu
sprechen, oder Acta an die Regierung einzuschicken.
Letzternfalls muß b.) der Præsident
die Acta einem Criminal-Rath zuschreiben, in wichtigen Sachen einen
Correferenten daraus benennen, welcher binnen 8. und höchstens binnen 14. Tagen
die Relation verfertigen, und am nächsten Sonnabend bey dem zweyten Senat
daraus referiren müsse.
Wann c.) der Unterrichter selber
gesprochen, und der Inquisitus ulteriorem defensionem gesucht (welche er binnen
4. Wochen præclusivischer Frist einbringen
U
78 Dritter Theil. Tit. V. (§§.
11.-15.)
muß), muß der Richter ohnverzüglich
Acta an die Regierung mit der Defension einsenden, dieser aber solche denen
Criminal-Räthen zu Abfassung eines Urthels distribuiren.
Wann d.) das erste Urthel bey dem
zweyten Senat ausgesprochen worden, und der Inquisite ulteriorem defensionem
bittet, so muß der Præsident Acta, mit der binnen 4. Wochen einzubringenden
Defension, einem andern Criminal-Rath distribuiren.
Dieser Referente muß gleichfalls e.)
die Relation binnen 8. oder höchstens binnen 14. Tagen verfertigen, des
Sonnabends bey dem ersten Senat verlesen, und das Urthel abfassen, zugleich
aber auch genau Achtung geben, ob die Inquisitio von dem Unterrichter oder
Fiscal legaliter instruiret worden.
Wann einige Hauptfehler dabey
begangen, müssen die Referenten solche notiren, dem Judici et Fiscali
inquirenti solche verweisen, und dieselbe dem Befinden nach jederzeit in 5. bis
10. Rthlr. Strafe zur Sportul-Casse condemniren.
Es muß auch f.) nach einmahl
gesuchter defensione ulteriori keine weitere Defension gesucht noch verstattet,
sondern Acta müssen dem Unter-Richter oder Fiscal zur Publication der Urthel
remittiret werden.
Es sollen auch g.) dergleichen
Urthel nebst denen Acten nicht mehr zur Confirmation eingeschicket werden,
ausser in crimine læsæ Majestatis, falsæ monetæ, Todschlag, und wann auf die
Tortur, oder Landes-Verweisung erkannt worden.
Wann ein Delinquent blos zur
Vestungs-Arbeit comdemniret worden, dürfen nicht die Acta, sondern blos das
Urthel eingeschicket, und die Ordre an den Commendanten zu Annehmung des
Delinquenten gesucht werden.
§. 12. Im übrigen werden siebentens
die Fiscæle und Unter-Richter auf die Criminal-Ordnung verwiesen, welche sie
jederzeit vor Augen haben, bey Anstellung der Inquisitionen alle Passiones und
Privat-Absichten bey Seite setzen, und die Processe auf alle Wege
beschleunigen, und zum Spruch befördern müssen.
§. 13. Schließlich stehet der
Regierung frey, zur Ersparung der Kosten, sowol in den geringern Inquisitions,
als Fiscælen, Advocaten (et)c. zu committiren, daß sie die Inquisiten oder
Denuncianten ad Protocollum vernehmen, Zeugen abhören (et)c. und das Protocoll,
Rotulos etc. binnen gewisser Zeit, bey Verlust ihrer Gebühren einschicken
sollen.
§. 14. Von denen Inquisitions-Processen
müssen die Fiscælische Processe wohl unterschieden werden, allermassen in
diesen niemahls inquisitorie, sondern per modum actionis civilis verfahren
werden soll und muß.
Es gehören aber unter die
Fiscælische Processe I.) die Delicta Leviora, wo keine Pœna capitalis, sondern
nur Pœna pecuniaria oder Gefängniß erkannt zu werden pflegt, als in
Schlägereyen, Injurien, geringen Diebstählen, Stupro, Adulterio simplici, wann
jemand in denen Königl. Holtzungen gejaget, Holtz gehauen, und andere
dergleichen Delicta. In dergleichen Sachen muß der Richter dem Denunciato
causam citationis, und wann eine schriftliche Denunciation vorhanden, solche
zugleich mit communiciren.
§. 15. Es ist auch in diesen Fällen
nicht nöthig, daß der Denunciatus in Person erscheine, sondern es stehet ihm
frey, per Mandatarium sich zu gestellen. Es
79 Dritter Theil. Tit. V. (§§.
15.-22.)
muß aber dieser völlig instruiret
werden, massen unter dem Prætext, daß er nähere Instruction einholen müsse, die
Decision der Haupt-Sache nicht aufgehalten werden soll.
§. 16. Es gehöret auch II.) zu denen
Fiscælischen Processen, wann bey einer Civil-Sache dem Fisco anbefohlen wird
bey der Sache zu vigiliren, oder sein Amt zu thun, oder wann ihm die Nothdurft
darbey reserviret wird. Nichtweniger wann er bey einem Privat-Process, wegen
eines dabey versirenden Interesse Fisci ohne Befehl interveniret.
§. 17. Wann einem Fiscælischen
Bedienten auf eingelaufene Denunciation befohlen wird, sein Amt zu thun, so muß
er solches nicht aussetzen, sondern höchstens binnen 8. Tagen bey arbitrairer
Strafe, was er thun soll exequiren.
§. 18. Unter die Fiscælischen
Processe werden auch III.) gerechnet, wann Fiscus wegen der Regalien oder
Domainen-Güther, item wegen der Grentzen, und anderer die Königl. Aemter
angehende Jurium jemanden in Anspruch nimmt.
§. 19. Keinesweges gehören aber IV.)
zu denen Fiscælischen Processen, wann die Fiscæle der Städte, Magistræte und
Cämmereyen Jura defendiren, allermassen diese in denen Processen, welche ihre
Güther und Jura betreffen, nicht anders als Privati, und die Fiscæle bloß als
deren Advocati angesehen und angehalten werden können; Dahero sie auch
Stempel-Papier gebrauchen, die Sportuln bezahlen, und was sonst in causis
privatorum erfodert wird, præstiren müssen.
§. 20. Am wenigsten aber können V.)
promiscue als Fiscælische Processe angesehen werden, wann einem Privato
assistentia Fisci verstattet wird, sondern es muß distinguiret werden, ob der
Privatus in ein Jus vere Fiscale succedire, folglich der Fiscus wegen eines
wahren Juris Fiscalis dem Privato assistire, als z. E. wann der Landes-Herr dem
Privato ein Lehn schencket, und die Agnati demselben viele Lehn-Schulden
aufbürden wollen (et)c. In diesem Fall gehöret die Sache zu den Fiscælischen
Processen.
Wann aber einem Privato, weil er
abwesend, minor, furiosus etc. ist, oder wann einem Pio Corpori die assistentia
Fisci verstattet wird, so ist es mera causa privata, worin alles, was in andern
causis privatis statuiret worden, observiret werden muß.
§. 21. Ob nun schon in denen
fiscælischen Processen Fiscus von dem Stempel und Sportuln frey ist, auch ihm
alles ex officio communiciret und ausgefertiget werden muß; so müssen die
Fiscæle sich dennoch wie andere Advocaten nach denen Ordnungen achten, und zu dem
Ende keine Action ohne genugsame Instruction anstellen. Die angesetzte Termine
gehörig abwarten, die Schriften zur gehörigen Zeit übergeben, und nicht ohne
höchste Noth Dilationes bitten.
Wann sie hierunter etwas versäumen
und contumaciret werden, soll die Entschuldigung wegen ihrer Amts-Geschäfte
nicht angenommen, sondern in contumaciam verfahren, oder wann sie dieserwegen
Restitution suchen, jederzeit mit 5 Rtr. bestrafet werden.
§. 22. Wann 1.) die Fiscæle in
Inquisitions- und andern fiscalischen Sachen, wider die Rechte, Acta und diese
Ordnung etwas suchen oder schreiben, sollen sie jedesmahl mit denen darin
gesetzten Strafen beleget werden.
U 2
80 Dritter Theil. Tit. V. (§§.
22.-24.)
2.) Wann sie eine ungerechte
fiscalische Sache defendiren, und solche wider besser Wissen und Gewissen durch
alle Instantzen durchtreiben, müssen sie allezeit in die Unkosten ex propriis
condemniret werden.
Allermassen dieselbe 3.) wann die
Sache gar keinen Grund hat, die Action gar nicht anstellen, oder wann ein
Dubium dabey ist, bey dem Collegio anfragen; die Rationes pro et contra
anführen, und Verhaltungs-Befehl erwarten müssen.
Wann der Fiscus in dergleichen
zweifelhaften Sache 4.) in der ersten Instantz verliehret, muß er ohne wichtige
Ursachen keine weitere Instantz suchen, sondern dem Collegio allenfalls
vorstellen, daß er sich nicht getraue mit der Sache fortzukommen.
Im Fall 5.) das Collegium dem
ohngeacht ihm anbefiehlet, die Instantz fortzusetzen, und die erste Sententz
confirmiret, und der Fiscus in die Kosten condemnirt würde, soll das Collegium,
und in specie der Decernent die Kosten ex propriis bezahlen, auch kein weiteres
Remedium contra duas conformes verstattet werden, und muß Fiscus dem Reo
absoluto assistiren.
Allermassen Wir 6.) vermittelst
einer besondern Ordre bereits positive declariret haben, wie Wir durchaus nicht
wollen, daß unsere Unterthanen, und insonderheit die vom Adel, von denen
Fiscælen chicaniret, und mit Processen fatigiret werden, auch zu dem Ende
Unserm General-Directorio kund gemacht haben, daß in Zukunft die von Adel, wann
sie gewisse Funda oder Gerechtigkeiten, es haben solche Nahmen wie sie wollen,
würcklich nutzen und besitzen, deshalb unter keinerley Prætext durch das
Officium Fisci in Anspruch genommen, vielmehr sie bey ihrer Possession mit
Nachdruck mainteniret werden sollen.
Wir haben Uns auch 7.) in unserer,
wegen der Kantereckschen Grentz-Sache abgelassenen Cabinets-Ordre ferner
Landes-väterlich dahin erkläret, daß, wann es eine Kleinigkeit betrift, Wir
lieber etwas verliehren, als unsere getreue Unterthanen mit Processen
belästigen wollen; weil unserm Interesse, wann Wir verliehren, ein Weniges
abgehen, dahingegen unsere Vasallen und Unterthanen, welche uns ohnedem mit Gut
und Blut unter Arme greifen, öfters alles verliehren und totaliter ruiniret
werden dürften.
§. 23. Mit denen Remediis soll es in
Causis Fiscalibus, wie in andern Civil-Sachen gehalten werden, wovon oben Part.
II. Tit. 7. §. 2. Versehung geschehen.
§. 24. Gleichwie Wir schließlich
denen Advocaten verbothen haben einige Gebühren, sie mögen Nahmen haben wie sie
wollen, von denen Partheyen zu fordern oder zu nehmen; Also wollen Wir solches
Verboth auch auf die Fiscæle extendiren, dergestalt, daß sie weder bey denen
Inquisitonen noch bey denen Fiscælischen Processen, weder directe noch per
indirectum, etwas währenden Process, bey Strafe der Cassation und anderer
Leibes-Strafe nehmen, sondern bey Endigung einer jeden Instantz ihre
Liquidation ad Acta geben sollen, welche hiernächst, wie oben bey denen
Advocaten verordnet worden, von denen Referenten in dem Urthel moderiret und
festgesetzet werden sollen.
Wann der Process völlig zum Ende,
soll dem Fiscali zu seinen Gebühren allenfalls mediante executione, und ohne
Kosten verholfen werden.
81 Dritter Theil. Tit. VI. (§§. 1.-2.)
Tit. VI.
Von denen Commissionen und wie dabey
zu verfahren.
§. 1. Die bisherige Commissiones
sind nicht eine von denen geringsten Land-Plagen unserer Pommerschen Länder
gewesen, weil ohngeacht aller so deutlich- und nachdrücklichen Ordnungen unsere
arme Unterthanen, insonderheit die Pia Corpora dem Raub einiger Gewissen-losen
Räthe exponiret, und durch die abgedrungene unerschwingliche Kosten zum Theil
ruiniret worden.
Wir haben dahero nochmahls nöthig
gefunden alle wegen der Commmissionen in unsern Landen gemachte Ordnungen
zusammen zu fassen, solche zu erläutern, und darinn durch eine ewige Verfassung
fest zu setzen:
1.) Wann Commissiones statt haben
sollen.
2.) Was vor Personen die
Commissiones aufzutragen.
3.) Wie bey Commissionen zu
verfahren.
4.) Wie es mit denen Diæten derer
Commissarien zu halten.
Sectio I.
Wann Commissiones statt haben
sollen.
§. 2. Die Commissiones können nur in
folgenden Fällen verstattet werden:
a.) Wann jemand, ehe und bevor er
sich bey einem Gerichte meldet, bey seinen Obern um Anordnung einer Commission
bittet, in der Meynung dadurch kürtzer aus der Sache zu kommen, in diesem Fall
stehet dem Richter frey ex officio einen oder zwey Commissarios zu benennen,
welche die Partheyen mit ihrer Nothdurft hören, und entweder durch einen
rechtlichen Spruch die Sache decidiren, oder an das Collegium cum voto
referiren sollen.
b.) Wann beyde Theile in possessorio
summariissimo versiren, und durch die bey mündlichen Vorträgen ad Acta gebrachte
Bescheinigungen, der Locus Controversus, oder auch dasjenige über dessen
Possession die Frage ist, nicht eigentlich und vollkommen geurtheilet werden
kan.
c.) Wann ein Beweiß per ocularem
inspectionem angetreten wird.
d.) Wann Zeugen abzuhören, so wegen
Entlegenheit, Schwachheit, oder Alters ihr Zeugniß in ordentlichen Gericht
nicht ablegen können.
X
82 Dritter Theil. Tit. VI. (§§.
2.-6.)
e.) Wann eine Berechnung zwischen
beyden Theilen vorzunehmen, oder Vormundschafts-Rechnungen zu examiniren.
f.) Wann Documenta zu collationiren
oder zu vidimiren, so ohne Gefahr, oder erheblicher Umständen halber, in das
Gericht zu bringen bedencklich.
g.) Wann Testamente Judicialia
aufzunehmen, und Testator wegen Schwachheit, Alters, Standes, oder anderer
Ursachen wegen im Gericht persönlich nicht erscheinen kan.
h.) Wann Juramenta erkannt worden,
und der-, oder diejenige, so selbige zu leisten haben, im Gericht deshalb zu
erscheinen nicht gehalten, oder sonst nach Ermessen des Richters davon
excusiret sind, oder auch
i.) Wann bey den ordentlichen
Gerichten der Process über ein Jahr gewähret, und durch die Chicanen der
Advocaten, oder Nachläßigkeit der Gerichte in solche Weitläuftigkeit und
Confusion gesetzt worden, daß die Sache eine nähere und höhere Einsicht erfordert,
so können Acta avociret und einer Commission übergeben werden.
k.) Wann sonst etwas vorkommt, so
nach Ermessen des Richters nicht anders als durch Commission expediret werden
kan; Wann z. E. bey Reluition eines Guths, Meliorationes und Dederiorationes
(!) zu untersuchen und zu taxiren, der Werth eines Grund-Stückes auszumachen,
Güther unter Brüdern oder andern zu theilen, streitige Grentzen zu reguliren,
Allodium a feudo zu separiren; Item in Bau- und Hütungs-Sachen.
§. 3. Hingegen soll keine Sache so
bereits Rechtshängig, wider der andern Parthey willen, von dem Foro, in welchem
beyde Theil Litem contestiret, und dadurch des Gerichts Erkäntniß sich
unterworfen haben, abgezogen, und zu einer besondern Commission zum Erkäntniß
in der Haupt-Sache verwiesen werden, es wäre denn, daß dieselbe wie vorhin
gemeldet, binnen einem Jahr bey denen ordentlichen Gerichten nicht abgethan
worden.
§. 4. Wie dann auch in Sachen so per
judicata abgemachet worden, oder auch bereits auf der Execution beruhen, keine
Commission statt haben solle.
§. 5. Wann auch die Partheyen bey
uns immediate Commissiones suchen und erhalten, so haben Wir durch unser aus
eigener Principium Regulativum festgesetzet, daß, wann Wir an unsere Ministres
vom Justitz-Departement, oder an unsere Justitz-Collegia, dergleichen Ordres zu
Anordnung einer Commission ertheilen, solche nur in denen vorangeführten Fällen
statt haben sollen.
Wann aber in einer Sache, welche
rechtshängig ist, und nicht verschleppet wird, oder auf den Spruch stehet, oder
gar schon abgethan und rechtskräftig worden ist, eine Commission von uns
veranlasset wird, so muß unsere Cabinets-Ordre als sub- et obrepirt gehalten,
die Commission keines weges verstattet, sondern der Supplicant schlechterdings
abgewiesen werden.
§. 6. Im Fall auch jemand diesem
ohngeacht eine Commission in dergleichen Fällen würcklich erschleichen solte,
und der Gegentheil sich einlassen müste, so soll diesem solches nicht
præjudiciren, sondern alles was zu seinem Præjuditz von der Commission
veranlasset worden, dergestalt null und nichtig seyn, daß auch keine
Præscriptio,
83 Dritter Theil. Tit. VI. (§§.
6.-12.)
vielweniger exceptio rei judicatæ
dargegen statt finden, sondern der Gegentheil quovis tempore, ohne Process,
mediante executione wieder in dem vorigen Besitz und Stand cum omni causa, und
allen verursachten Kosten, prævio juramento in litem gesetzet werden solle.
Gestalten unsere allergnädigste Intention dahin gehet, daß dergleichen
Impetrante, oder dessen Erben nimmermehr sicher dabey seyn sollen.
§. 7. Es soll auch der Concipient,
welcher das Memorial, worinn Commissio gesucht worden, verfertiget, und der
Advocat welcher solches unterschrieben, in solidum von allen verursachten
Schadens dem Fisco 2, bis 500 Rthlr. Strafe erlegen.
§. 8. Der Commissarius aber selbst
ist schuldig in dergleichen Fällen vorläufig an uns immediate zu berichten, daß
die Commissio wider die von uns wohlbedächtlich gemachte Einrichtung laufe, und
der Impetrante und seine Erben nimmermehr sicher seyn könne, auch nähere Ordre darauf
erwarten; Wann er solches unterlässet, muß er gleichfalls in solidum vor allen
Schaden stehen.
§. 9. Damit auch der leidende Theil
bey Vindication seines Rechtes keine Unkosten tragen dürfe, wollen Wir ihm
Assistentiam Fisci contra quoscunque, nebst der Freyheit von allen Sportuln
verstatten.
Sectio II.
Was für Personen die Commissiones
aufzutragen.
§. 10. Es sollen zu Commissariis
keine Leute genommen werden, als welche wegen ihrer guten Aufführung,
Redlichkeit, Wissenschaft und Erfahrung bekandt seyn. Insonderheit aber sollen
in Sachen, welche eine Quæstionem Juris betreffen, oder dahin einschlagen, als
bey Auseinandersetzung der Partheyen, Liquidationen (et)c. keine andre als der
Rechten erfahrene genommen werden: Welches auch bey Abhörung der Zeugen in
wichtigen Sachen zu beobachten. Weil der Commissarius öfters wegen der sich bey
der Aussage ereignenden rechtlichen Umstände, verschiedene Neben-Fragen
formiren muß (et)c. Und dieses um so viel mehr, weil genugsame Gelahrte
Subjecta in denen benachbarten Städten sich finden: dahero dann auch die
Aufnehmung derer Testamenten in denen Städten, blos denen Rechtsgelahrten
committirt werden soll.
§. 11. Weil unsere Regierungs-Räthe
keine andere Chargen und Neben-Geschäfte übernehmen, sondern ihre eintzige Intention
auf eine solide und rechtliche Administration der Justitz und deren
Beschleunigung richten sollen, so können Wir auch nicht verstatten, daß
dieselbe mit auswärtigen Commissionen sich beladen, und die schwere Arbeit im
Collegio versäumen sollen.
§. 12. Es sollen daher unsere
Regierungs-Räthe keine Commissiones, welche auf dem Lande abgethan werden
müssen, übernehmen, sondern es können die Referendarii,
X 2
84 Dritter Theil. Tit. VI. (§§.
12.-18.)
Auscultatores, oder die benachbarte Bürgermeister,
Syndici, Justitiarii, und, wann Inventarien oder Rechnungen aufzunehmen,
Æstimationes zu verfertigen und in geringen Sachen Zeugen abzuhören, Eyde
abzunehmen, Testamenta ausser denen Städten auf dem Lande aufzunehmen seyn,
tüchtige Notarii darzu genommen werden.
§. 13. Es sollen aber die
Commissarii nicht mehr von denen Partheyen vorgeschlagen, sondern von dem
Collegio per majora ex officio benannt werden. Es wäre denn daß beyde Theile
auf einen Commissarium compromittiren, welchenfalls derselbe schlechterdings
confirmiret werden muß.
§. 14. Wann es auf eine Taxe der
Güther, deren Melioration oder Deterioration bey Reluition oder Theilung
derselben, bey Verpachtungen (et)c. ankommt, muß jederzeit ein
Oeconomie-verständiger Beamter oder Verwalter des benachbarten Orts der
Commission zugegeben und dadurch die Repetitiones Taxæ vermieden werden.
§. 15. Wie sie denn auch in Fällen,
da Artis peritos bey der Commission zu brauchen nöthig, dieselbe von den
Commissariis auf der Interessenten Kosten erfordert, und beeydiget werden
müssen.
Gestalten dann in specie in
Rechnungs- und Handlungs-Sachen, gewisse in der Rechnung erfahrne Notarii oder
Kauf- und Handels-Leute, wann die Commissarii es nöthig finden, ex officio mit
zugezogen werden sollen.
Sectio III.
Wie bey denen Commissionen zu
verfahren.
§. 16. Wann eine Commission per
Sententiam oder Decretum erkandt wird, muß das Commissoriale ohnverzüglich
expediret, und, wann zwey oder mehr Commissarii benennet worden, das
Commissoriale zwey oder dreymahl ausgefertiget werden, damit die Commissarii
sich desto geschwinder eines Termini vereinigen können.
§. 17. Es muß auch jedesmahl denen
Commissariis nach Beschaffenheit der Sachen eine gewisse Zeit vorgeschrieben
werden, binnen welcher sie die Commission expediren und davon referiren sollen,
mit der Verwarnung, daß wann sie darunter säumig seyn werden, sie nicht allein
ihrer Gebühren für verlustig erkläret, sondern auch dem Befinden nach
arbitrarie bestraft werden sollen.
Wann die Zeit verstrichen, muß der
Advocat des Extrahenten ein Excitatorium suchen, oder gewärtigen, daß er der
Gebühren des gantzen Processes verlustig gehen solle.
§. 18. Der benannte Commissarius ist
schuldig dergleichen Commissiones zu übernehmen; es wäre dann daß er legale
Ursachen hätte solche zu depreciren:
85 Dritter Theil. Tit. VI. (§§.
18.-26.)
In welchem Fall derselbe solches
binnen 3 Tagen nach erhaltenem Commissoriali der Regierung so wohl als beyden
Partheyen bey 10 Rthlr. Strafe notificiren muß, damit bey Zeiten ein anderer
Commissarius an seinen Platz ernennet, und die Sache dadurch nicht aufgehalten
werden möge.
§. 19. Wann Commissio zu Abnahme
erkannter Eyde, Aufnehmung eines Testamenti, oder dergleichen Verrichtungen wo
keine Contradiction vor der Hand sich hervor thut, angeordnet wird, so braucht
es keiner besondern Instruction, wann aber die Sache so beschaffen ist, daß es
zur Contradiction kommen dürfte so muß hauptsächlich exprimiret werden, ob die
Commissarii facultatem decidendi oder bloß referendi haben sollen. Es muß auch
denen Commissariis deutlich vorgeschrieben werden, was sie thun und unterlassen
sollen; weil die Erfahrung lehret, daß wann denen Commissariis und ihren
Verrichtungen keine Schrancken gesetzt werden, unzehlige Unordnungen und
Illegalitæten daher entstehen.
§. 20. Die Commissarii müssen nach
erhaltenen Commissoriali binnen drey Tagen, wann sie in einem Orte wohnen,
(sonst aber binnen acht Tagen) sich eines Termini vereinigen, die Citation
zusammen unterschreiben, alle Interessenten gehörig citiren, und dahin sehen
daß die Insinuation richtig geschehe, und Documentum-Insinuationis in Termino
ad Acta gebracht werde.
§. 21. Es können Commissarii auch
ohne Requisition derer Unter-Gerichte dergleichen Citationes an die Partheyen
abgehen lassen; wiewohl solches oft dazu dienen kan, damit die Gerichts-Herren
die Partheyen oder die Zeugen anhalten, sich in Termino zu gestellen.
§. 22. Wann der eine Theil dem
andern Theil notificiret, daß er prorogationem Termini gesucht, und er nicht
nöthig habe vor der Commission zu erscheinen, so darf er sich dadurch nicht
abhalten lassen den Termin abzuwarten, Wann ihm nebst der Abkündigung nicht
auch zugleich ein Decretum prorogationis concessæ, wenigsten drey Tage vor dem
Termino vorgezeigt wird. Wann also nachhero die Prorogatio insinuiret wird,
müssen demselben, wann er schon einige Kosten verwandt, expensæ termini
erstattet werden.
§. 23. Wann zwey oder mehr
Commissarii benennet worden, und der eine in dem beliebten Termino nicht
erscheinet, können die übrige den Actum verrichten, wann schon die Clausula
samt und sonders nicht in dem Commissoriali enthalten ist.
§. 24. Die Commissarii sollen sich
künftig keines Commissions-Secretarii oder Notarii weiter bedienen, noch denen
Partheyen unnöthige Kosten dadurch verursachen, sondern sie müssen die
Protocolla, und was sonst zu thun ist, wie in unsern übrigen Provintzen
geschicht, selber schreiben.
§. 25. Die Commissarii müssen von
Morgens um 8 Uhr an, bis um 12 Uhr arbeiten, und des Nachmittags continuren,
damit denen armen Unterthanen die Kosten auf alle Wege menagiret werden.
§. 26. Vor allen Dingen müssen sie
die Güte inter partes versuchen, und wann solche Platz greifet, ein richtiges
Protocoll darüber halten, solches von denen Partheyen unterscheiden lassen, den
Vergleich ausfertigen, und Copiam davon ihrem Bericht beylegen.
Y
86 Dritter Theil. Tit. VI. (§§.
27.-37.)
§. 27. Wann jemand schuldig erkannt
wird Rechnung abzulegen, und ein Commissarius benennet worden, vor welchem die
Abnahme der Rechnung geschehen soll, so soll es folgender gestalt damit
gehalten werden.
§. 28. Zufoderst sind alle
Administratores fremder Güther, als Tutores, Curatores, Sequestri,
Cassen-Bediente (et)c. schuldig Rechnung abzulegen, und sollen dieselbe nicht
eher bis solches geschehen, und sie den Bestand abgetragen, auch alle
Rechnungs-Belege ausgeantwortet haben, ihres Officii halber quitiret werden.
§. 29. Der Rechnungs-Führer muß am
Ende seiner Rechnung die gantze Summe der Einnahme und Ausgabe, auch des Restes
richtig verzeichnen, und wann die Einnahme sich höher als die Ausgabe beläuft,
stehet dem Gegentheil frey, mit Vorbehalt seiner Exceptionen wegen des
Bestandes, Executoriales zu suchen.
§. 30. Wann verschiedene Personen
bey einer Rechnung eodem modo interessiret seyn, müssen dieselbe communem
Mandatarium bestellen: würden sie sich aber hierunter nicht vergleichen, so
stehet zwar einem jeden frey einen besondern Mandatarium auf seine Kosten zu
bestellen, solchenfalls aber darf nur einem unter ihnen die Abschrift der
Rechnungen und Beylagen communiciret werden.
§. 31. Wann hingegen die
Interessenten verschiedene Jura dabey zu beobachten haben, muß der
Rechnungs-Führer jedem eine Abschrift communiciren.
§. 32. Der Commissarius muß die Rechnung
von Post zu Post durchgehen, beyde Theile über jeden Punct ad duplicas usque,
wann es nöthig, hören, die Güte zugleich versuchen, die liquide Posten von
denen illiquiden separiren, eine jede in gewisse Classes und Numeros bringen,
und ein End-Urthel darüber abfassen.
§. 33. In dem End-Urthel, so über
eine streitige Rechnung ergehet, sollen die Einnahme und Ausgabe, und Bestand,
dafern sich einer findet, specifice ausgedruckt und gesetzet werden.
§. 34. Wann jemand durch dieses per
Sententiam festgesetzte Liquidum graviret zu seyn vermeynet, stehet demselben
frey intra decendium ein Remedium zu interponiren und binnen vier Wochen die
Justification bey der Regierung einzubringen, worauf ein neuer Commissarius
bestellet werden soll, welcher in Gegenwart des vorigen Commissarii die
Rechnung revidiren soll.
§. 35. Wann diese Revisores mit
denen vorigen einig seyn, soll weiter keine Revisio verstattet werden. Im Fall
sie aber dissentiren, muß das Protocoll der Regierung eingesandt, derselben die
Decision überlassen, und davon keine weitere Remedia verstattet werden.
§. 36. Wann bloß ein Error Calculi
gegen das Commissarische Liquidum angegeben, und einiger massen bescheiniget
wird, (welches auch in ipsa executione geschehen kan) soll die Berechnung zwar
von neuen angelegt, und, wie in §. præced. verordnet, darin verfahren, in den
übrigen Puncten aber, und in dem liquiden Quanto, die Execution veranlasset
werden.
§. 37. Wie die Commissarii bey
Aufnehmung eines Zeugen-Verhörs, oder bey Æstimation eines Guths zu verfahren,
darvon soll unten gehandelt werden.
87 Dritter Theil. Tit. VI. (§§.
38.-44.)
§. 38. Wann nach gehaltener
Commission der Commissarische Bericht einläuft, muß derselbe durch den
Tage-Zettul publiciret werden. Die Partheyen aber müssen bey dem Constitutioniren
das Benöthigte weiter besorgen, und wann darüber verhandelt werden muß,
Terminum dazu ausbitten.
§. 39. Wann eine Commission
verstattet wird, ehe und bevor die Sach rechtshängig ist, und die Commissarii
ein Urthel in der Sache sprechen, so sollen die Remedia (wann auch schon die
Commission von uns immediate angeordnet worden) an die Regierung und deren
zweyten Senat, und so weiter an den ersten Senat gehen.
Wann aber eine rechtshängige Sache
ob neglectam vel protractam justitiam von der Regierung ab- und zur Commission
gezogen wird, gehen die Remedia von dem commissarischen Urthel an die folgende
Instantz.
§. 40. Wann der Commissarius etwas
versiehet, und die Commission nicht nach der ihm ertheilten Instruction
verrichtet, folglich dieselbe wiederholet, und z. E. Repetitio einer Æstimation
und Taxæ, oder eines Zeugen-Verhörs geschehen muß, soll solches auf des
Commissarii Kosten geschehen, derselbe auch schuldig seyn beyden Theilen die
auf vorige Commission verwandte Kosten zu erstatten, und überdem die erhaltene
Gebühren zur Sportul-Casse zu liefern.
Würde der Præsident und das
Collegium hierunter nachsehen, und den Commissarium nicht mit aller Rigeur zur
Restitution anhalten, auch darüber geklagt werden, so wollen Wir die liquidirte
Kosten von denen Besoldungen beytreiben lassen, und überdem Uns die Ahndung
gegen das Collegium vorbehalten.
§. 41. Schließlich müssen
Commissarii gedencken, daß sie Richter zwischen beyden Partheyen seyn, und vor
Gottes gerechtem Richter-Stuhl Rechenschaft von ihrem Verfahren geben, folglich
keinem Theil mehr als den andern, wie solches bishero vielfältig geschehen,
favorisiren, vielweniger einem Theil Consilia gegen den andern geben müssen.
§. 42. Die Acta müssen Commissarii
nach vollzogener Commission bey Abstattung des Berichts bey 5 Rthlr. Strafe
jederzeit wieder zur Registratur geben, damit dieselbe nicht zerstreuet, oder
gar verlohren werden.
Sectio IV.
Von denen Diæten derer Commissarien.
§. 43. Die Commissarii müssen bey
Strafe der Cassation kein Honorarium von denen Partheyen, neque per directum,
neque per indirectum, weder vor, noch nach gehaltener Commission, fodern, oder
nehmen, sondern ihre Diæten à 2 Rthlr. per Tag aus der Sportul-Casse erwarten,
jedoch seyn die Partheyen schuldig denen Commissariis freye Fuhr zu
verschaffen.
§. 44. Diese Diæten sollen ihnen,
wann sie nebst ihrem Bericht die Liquidation übergeben, und solche benöthigten
falls moderiret worden, aus gedachter Casse angewiesen werden.
Y 2
88 Dritter Theil. Tit. VI. (§§.
45.-49.) VII. (§. 1.)
§. 45. Ausser diesen 2 Rthlr. sollen
sie weder vor Essen, noch vor Quartier, noch vor einen Wagen, noch vor
Abstattung oder Abschreibung des Berichts und der Protocollen das geringste
prætendiren, sondern wann sie an dem Ort unbekannt seyn, können sie bey
Ansetzung des Termini dem Extrahenten Auflage thun, das Quartier auf der
Commissarien Kosten, in loco Commissionis zu bestellen.
Sie müssen auch bey Verlust ihres
Honorarii bey keinem Theil logiren, essen, oder von denenselben Eßwaaren
annehmen, sondern wann an den Ort kein Wirthshaus oder Krug zu finden, in der
nächsten Stadt oder Dorf sich logiren.
§. 46. Sie müssen ihrer Liquidation
jederzeit an Eydes statt beyfügen, daß sie keine andere Commissiones währender
Anwesenheit verrichtet haben: Allermassen unbillig seyn würde auf einer Reise
die Kosten zweyen Partheyen anzuschreiben, sondern sie müssen solchenfalls die
Reise-Kosten, und Diæten einer jeden Parthey bloß pro rata anrechnen.
Wann ihnen auch währender Commission
eine neue Sache an demselben Ort committiret wird, sollen keine andere Diæten
von denen bey dieser neuen Commission interessirenden Partheyen gezahlt werden,
als nur für die Zeit die dazu angewandt worden.
§. 47. Sie müssen auch anzeigen wie
viel Tage sie auf der Hin- und Rückreise, auch in loco hingebracht, und dieser
eydlichen Versicherung weiter beyfügen, daß sie die Commission nicht haben in
weniger Tagen zu Ende bringen können.
§. 48. Wann einem Referendario,
Bürgermeister, Syndico etc. eine Commission aufgetragen wird, soll derselbe nebst
freyer Fuhr 2 Flor. die Notarii aber (weil ihnen nur geringe Sachen aufgetragen
werden sollen) 1 Rthlr. aus der Sportul-Casse haben, auch bey Strafe der
Cassation nichts weiter von denen Partheyen nehmen oder fodern; Er muß aber
gleichfalls die vorhin §. 36. et 37. gemeldete Versicherung beyfügen.
§. 49. Diese vorgeschossene Diæten
müssen der Parthey, welche die Commission extrahiret, von der Regierung
angeschrieben, und von derselben alle drey Monath wie die andere Gebühren
abgefodert, und beygetrieben werden.
Wann ex officio eine Commission ohne
Ansuchen der Partheyen erkant wird, müssen beyde Theile interim die Kosten
entrichten:
Bey Entscheidung der Haupt-Sache
aber müssen sie das Erkäntniß, wer dieselbe zu tragen schuldig, erwarten.
Tit. VII.
Wie bey Versuchung der Güte zu
verfahren.
§. 1. Es soll vor allen Dingen
gleich bey Anfang des Processes, ehe die Partheyen in eine Verbitterung
gerathen, die Güte versucht, und alle Mühe angewandt werden, die Sache zu
vergleichen.
89 Dritter Theil. Tit. VII. (§§.
2.-9.)
§. 2. Zu dem Ende sollen jederzeit
bey der ersten Citation die Partheyen ermahnet werden, in Person, oder durch
einen zur gütlichen Handlung genugsam instruirten Bevollmächtigten, zu
erscheinen, mit dem Beyfügen, daß die Güte versucht werden, und beyde Theile
sich den Tag vor dem Termino bey dem Præsidenten melden sollen.
§. 3. Wann die Partheyen in Person
erscheinen, muß der Præsident einen oder ein Paar Räthe deputiren, welche die
Sache in der Neben-Stube ohne Advocaten vornehmen, beyde Theile mit ihrer
Nothdurft hören, ihre Documenta und Briefschaften nachsehen, den gantzen
Process ex officio instruiren, ein förmliches Protocoll darüber halten, und
solches denen Partheyen vorlesen müssen.
§. 4. Wann der Commissarius
solchergestalt die völlige Information eingenommen, muß er Vorschläge zur Güte
thun, auch wann es nöthig die Advocaten, wann sie vorhanden, mit zuziehen, und
wann die Hauptsache selbst nicht abgethan werden kan, wenigstens die
Kleinigkeiten vergleichen, und die Incident-Puncten coupiren.
§. 5. In Entstehung der Güte, muß
der Commissarius beyden Advocaten Auflage thun die Sache von 3. zu 3. oder von
8. zu 8. Tagen loco oralis zu verhandeln.
Er muß aber auch zugleich sein
gehaltenes Protocoll ad Acta geben, und darin verzeichnen, was für Vorschläge
geschehen, und welcher Advocat oder Parthey solche nicht annehmen wollen.
§. 6. Wann bey der künfigen Urthel
derjenige Theil, welcher den Vergleich refusiret, verliehret, oder noch
weniger, als ihm durch den Vergleich offeriret worden, erhält, so soll er
allezeit dem Gegentheil die Kosten erstatten, der Advocat aber, welcher den
Vergleich abgerathen, seine Gebühren verliehren, welche der Sportul-Casse
zugesprochen werden müssen.
§. 7. Wann Remedia gegen das Urthel
eingewandt werden, muß derselbe Rath nochmahls die Güte unter denen Advocaten
versuchen, in deren Entstehung aber durch ein kurtzes Protocoll, was für
Vorschläge geschehen, und welche Parthey oder Advocat dem Vergleich entgegen
gewesen, notiren, und denen Acten beylegen, hiernächst denen Remediis ihren
Lauf lassen, der künftige Referent aber muß ratione der Kosten sich nach dem
vorhergehenden §pho richten.
§. 8. Wann auch die Referenten, oder
andere Räthe, in progressu litis die Güte versuchen wollen, soll ihnen solches
ebenfalls frey stehen.
§. 9. Weil aber die gröste
Billigkeit erfordert, daß die Räthe, welche dergleichen Mühe übernommen, und
die Advocaten, welche denen Partheyen dazu angerathen, eine zulängliche
Belohnung bekommen, so soll es damit folgendergestalt gehalten werden:
Wann 1.) die Sache 100 Rthlr. und
darunter beträgt, soll der Rath nichts dafür nehmen, der Advocat aber seine
Termins-Gebühren a 2 Rthlr. und die Sportuln-Casse wegen Ausfertigung des
Vergleichs von jeder Parthey 1 Rthlr. nehmen.
Wann 2.) die Sache über 100. bis
500. Rthlr. beträgt, soll der Rath von jedem Theil 2 Rthlr. jeder Advocat aber
von seiner Parthey 4 Rthlr. und die Sportuln-Casse wegen auszufertigenden
Vergleich von jedem Parth nicht mehr als 1 Rthlr. nehmen.
Z
90 Dritter Theil. Tit. VII. (§§.
9.-12.) VIII. (§. 1.)
Wann 3.) die Sache über 500. Rthlr.
beträgt, soll der Rath von jedem Theil 4 Rthlr. jeder Advocat von seiner
Parthey 6. Rthlr. die Sportuln-Casse aber vor Ausfertigung des Vergleichs von
jedem Parth 2 Rthlr. nehmen.
Wann die Summe 1000. und mehr Rthlr.
beträgt, soll denen Räthen und Advocaten überdem von jedem 1000. noch 2. Rthlr.
und der Sportuln-Casse 1 Rthlr. zugebilliget werden.
§. 10. Ob Wir nun zwar gerne sehen,
wann eine Sache in der Güte verglichen wird, so müssen dennoch die Räthe
denenjenigen welche das offenbahre Recht vor sich haben nicht zu viel zumuthen,
sondern dieselbe bloß in zweifelhaften Sachen zum Vergleich disponiren.
§. 11. Wann der Vergleich statt
findet, soll derselbe in einen deutlichen und förmlichen Recess abgefaßt, und
unter des Gerichts Unterschrift und beygedruckten Siegel denen Partheyen
ausgereicht werden.
§. 12. Damit Wir aber auch wissen
mögen was vor Räthe und Advocaten sich bey denen Vergleichen distinguiret
haben, so soll der Præsident alle Monath zwey Listen an unser
Justitz-Departement einsenden, und in der einen anmercken:
1.) Die Sachen, welche verglichen
worden.
2.) Den Nahmen des Raths.
3.) Die Nahmen der Advocaten.
In der andern Liste sollen
angeführet werden:
1.) Die Sachen worin die Güte tentiret
worden.
2.) Das Objectum Litis.
3.) Der Rath welcher die Güte
tentiret.
4.) Die Nahmen der Advocaten, und
5.) Welcher dem Vergleich entgegen
gewesen.
Tit. VIII.
§. 1. Wie bey Processen welche a.) zwischen
dem Guths-Herrn und dem Pächter, b.) zwischen denen Obrigkeiten und Unterthanen
wegen streitigen Præstationen etc. c.) zwischen dem Lehns-Folger und
Land-Erben, d.) zwischen dem Vormund und Pupillen, e.) wegen der Gräntzen
vorfallen, verfahren werden soll.
91 Dritter Theil. Tit. VIII. (§§.
1.-6.)
Alle in dieser Rubric benannte
Processe, worinnen gleichwohl eine schleunige Remediur nöthig ist, seyn
mehrentheils dergestalt tumultuarie tractiret, und öfters in solche
Weitläuftigkeit gesetzet worden, daß sie sich nicht als mit beyder, oder
wenigstens eines Theils Ruin geendiget haben, dahero unumgänglich nöthig ist,
auch diesen Processen Ziel und Maas zu setzen.
§. 2. Was erstlich die Processe
zwischen denen Guths-Herrn und ihren Pächtern betrift, so pflegen eines Theils
die Pächter darüber zu klagen, daß der Contract ihnen nicht gehalten, das
angeschlagene Land, oder die angegebene Aussaat nicht geliefert, der Mißwachs
nicht gut gethan, der durch das Viehsterben verursachte Schaden nicht ersetzet,
die Meliorationes und Impensæ nicht
vergütet werden wolten; daß sie von dem Guths-Herrn in der Nutzung turbiret,
oder wohl gar von demselben exmittiret worden etc.
Andern Theils pflegen die
Guths-Herrn zu klagen, daß der Pächter die Güther nicht hauswirthlich bestelle,
kein genugsames Vieh halte, die Bauren ruinire, die Gebäude verwüste, das
Inventarium verbringe, und hauptsächlich, daß er seine Pension nicht richtig
bezahle.
Damit nun hierunter alle
Weitläuftigkeit vermieden werden möge, so wollen Wir es damit folgendergestalt
gehalten wissen:
§. 3. Wann zwischen dem Guts-Herrn
und dem Pächter Streit entstehet, muß der Guths-Herr, welchem nach der
Landes-Verfassung die Jurisdiction über den Pächter zustehet, niemahls
eigenmächtig verfahren, sondern einen redlichen und tüchtigen Justitiarium
bestellen, solchen ad hunc actum beeydigen, und die Sache rechtlich untersuchen
lassen.
§. 4. Dieser Justitiarius muß mit
Vorbeygehung aller Exceptionum Dilatoriarum, alle und jede Puncten worüber
geklaget wird, hinc inde specifice aufnehmen, eines jeden Theils angeführte
Umstände genau und wohl examiniren, dieselbe ad Protocollum nehmen, und vor
allen Dingen die Güte versuchen.
§. 5. Wann die Güte nicht verfangen
will, muß der Justitiarius genau untersuchen, ob des Pächters oder des
Guths-Herrn Prætensiones liquid seyn, oder binnen drey Tagen liquid gemacht
werden können.
§. 6. Wann der Pächter seine
Forderungen darthut, ist er befugt solche von der Pension abzuziehen.
Wann dieses Liquidum bey Endigung
der Pacht-Jahre gezogen wird, und die Pension nicht zureichend ist solches zu
tilgen, kan der Pächter sich des Juris Retentionis zwar bedienen, jedoch nur
dergestalt, daß ihm ein Vorwerck oder ander Stück Landes angewiesen werden muß,
woraus er die Befriedigung suchen kan; Es können ihm auch die Bauren-Pächte
assigniret, oder dem neuen Pächter sub pœna dupli befohlen werden, dem Guths
Herrn nichts eher auszuzahlen, bis der abziehende Pächter befriediget worden.
Welche Anordnung um desto billiger
ist, weil eines Theils der Guths-Herr, wann er unterdessen keinen andern
Pächter ansetzen kan, totaliter ruiniret werden dürfte, andern Theils der
Pächter, wenn er das Guth administriren müste, wegen der Rechnung, Bestellung
(et)c. in einen neuen Process gerathen würde.
Z 2
92 Dritter Theil. Tit. VIII. (§§.
7.-14.)
§. 7. Und dieses Jus Retentionis hat
auch statt, wenn schon andere Creditores in das Guth immittiret werden: Es
verstehet sich aber dieses nur von solchen Forderungen des Pächters, welche aus
dem Pacht-Contract, nicht aber von andern Forderungen (als z. E. wann der
Pächter dem Guths-Herrn ein Anlehn gethan) sich originiren, weil das Jus
Retentionis des Pächters in præjudicium Creditorum extra Contractum nicht
extendiret werden kan. Sondern es muß der Pächter sein Recht wie andere
Creditores durch den ordentlichen Weg Rechtens verfolgen.
Wann aber ein Concursus Creditorum
sich in des Guths-Herrn Vermögen eräugent, hört das Jus Retentionis auf, und
muß der Pächter das rückständige Quantum in Termino liquidiren, und locum
competentem erwarten.
§. 8. Wann im Gegentheil des
Guths-Herrn Forderungen liquid seyn, muß der Pächter angehalten werden, die
rückständige Pensiones zu bezahlen: Wann er nicht bezahlen kan, muß mit der
Execution nach Maßgebung der Executions-Ordnung verfahren werden.
§. 9. Es kan aber auch der
Guths-Herr den Caventen, wann Cautio bestellet ist, angreifen, welcher das
constituirte Liquidum baar zu bezahlen schuldig ist, und kan derselbe weder auf
eine anderweitige Liquidaton mit dem Pächter provociren, noch verlangen, daß
des Pächters Vieh zuerst verkauft werde.
§. 10. Demjenigen, welcher durch des
Justitiarii Spruch graviret zu seyn vermeynet, stehet frey, an die
Ober-Gerichte zu appelliren, und in der Appellations-Instantz seine Jura weiter
auszuführen.
Es soll aber diese Appellation blos
Effectum devolutivum haben, wann das Urthel zur Sicherheit des Guths-Herrn,
oder des Pächters etwas veranlasset, z. E. wann der Pächter in der Possession
geschützet wird, oder wann im Gegentheil ihm der Boden verschlossen, oder ein Aufseher
zugegeben, oder das Guth sequestriret wird (et)c.
§. 11. Wann auf die Exmission des
Pächters währender Pacht-Jahre erkannt wird, soll zwar die Appellation Effectum
suspensivum haben; Es stehet aber dem Justitiario frey, alle Mittel zur
Sicherheit des Guths-Herrn, der eingewandten Appellation ohngeacht vorzukehren,
dem Pächter einen Aufseher zu geben, die Boden zuzuschliessen etc. und davon
sollen keine Remedia statt haben, weil der Pächter allenfalls seine genugsame
Sicherheit an dem Guth und bey denen künftigen Pacht-Geldern hat.
§. 12. Und dieses hat also seine
Richtigkeit, wann der Guths-Herr durch einen Justitiarium seine mit dem Pächter
habende Streit-Sache rechtlich untersuchen läßt.
§. 13. Im Fall aber der Guths-Herr,
ohne die Sache einem Justitiario aufzutragen, de facto zu fahren, den Pächter
arretiren, ihm die Boden zuschliessen, oder denselben gar exmittiren wolte,
stehet dem Pächter frey sich immediate bey dem Ober-Gericht zu melden, welches
sofort Mandatum de non turbando, de restituendo etc. ertheilen, einen kurtzen
Terminum zum Verhör ansetzen, und solchen wann super exmissione geklagt wird,
niemahlen, sonst aber nicht als aus höchstwichtigen Ursachen prorogiren muß.
§. 14. In Termino muß der Citatus paritionem,
daß er nemlich dem Mandato Regiminis ein Genügen gethan, dociren, oder Ursach
anführen warum er nicht dazu angehalten werden könne.
93 Dritter Theil. Tit. VIII. (§§.
15.-20.)
§. 15. Wann die Sache weitläuftig
ist, und in vielen Puncten bestehet, soll einem Rath ex officio committiret
werden, denselben, oder den folgenden Tag die Nothdurft beyder Theile ad
Protocollum zu nehmen, vor allen Dingen die Güte zu versuchen, und wenigstens
die Kleinigkeiten so viel möglich zu vergleichen.
In Entstehung der Güte muß das
Protocoll vorgelegt, ein rechtliches Urthel nach denen vorhin §. 5. et. seq.
vorgeschriebenen Principiis daraus abgefaßt, und gewöhnlicher massen publicirt,
auch mit denen Remediis es nach dem §. 10. et. 11. gehalten werden.
§. 16. Wann der Rath findet, daß vor
Endigung der Sache eine Local-Commission zu veranlassen nöthig sey, oder ein
und der andere Theil darauf provociret, so muß die Regierung periculo
succumbentis ex officio einen Commissarium benennen, welcher nach der
Commissions-Ordnung und nach denen vorhin vorgeschriebenen Principiis in loco
verfahren soll.
§. 17. Wann der Pächter darüber
klaget, daß er eigenmächtig und ohne richterliche Erkäntniß, oder nach
eingewandter Appellation de facto exmittiret worden, so muß der Pächter sofort
durch eine Commission cum omni causa restituiret werden, wann schon in dem
Contract versehen wäre, daß der Guths-Herr den Pächter, wann er die Pension
nicht richtig bezahlt (et)c. privata autoritate exmittiren könne: Es soll auch
ehe die Restitutio geschehen, der Guths-Herr weder gehöret, noch ihm einiges
Remedium verstattet werden.
§. 18. Weil aber bey dergleichen
Processen die Sache dadurch weitläuftig gemacht zu werden pfleget, weil in
denen Rechten nirgends klar und deutlich versehen ist, wer die Unglücks-Fälle,
welche sich entweder bey dem verpachteten Guth selbst, oder bey denen Früchten,
oder bey dem Vieh eräugnen (et)c. tragen solle; Und wie der Mißwachs, welcher
eine Remission der Pension mit sich führet, beschaffen seyn müsse; So wollen
Wir es folgendergestalt gehalten wissen:
§. 19. Wann erstlich das verpachtete
Guth durch einen Zufall in den Stand gesetzet wird, daß der Pächter es nicht
völlig, oder nicht zum Theil nutzen kan, als z. E. wann das Gehöfte verbrennet,
und der Pächter sein Vieh nicht lassen kan, item wenn ein Stück Landes durch
einen Erdfall versincket, oder wann durch den übeln Ausgang eines Processes der
Guths-Herr einen Theil des verpachteten Landes verliehret, oder wann der
Pächter durch Krieges-Unruhe und feindliche Gewalt die Güther zu gebrauchen
verhindert wird (et)c. so kan der Pächter nach Proportion des dadurch
verursachten Schadens, und entzogenen Nutzung um Remission der Pension
anhalten.
Es muß aber der Pächter a.)
erweisen, daß er Schaden gelitten, b.) daß der Schade zu der Zeit, und in denen
Jahren von welchen die Pension rückständig, sich zugetragen habe, daher z. E.
der Pächter sich unter dem Prætext, daß in diesem Jahr Krieg gewesen, sich auch
von denen Pensionen, so in denen vorigen Jahren im Rest geblieben, nicht
befreyen, sondern die Remissio Pensionis nur auf das Jahr, worinn er den
Schaden gelitten, gefordert werden kan; c.) daß der Schaden important, und
nicht erträglich sey, wovon in dem folgenden §. gehandelt werden soll.
§. 20. Es leidet also diese Regul einen
Abfall: 1.) Wann der Pächter den Nutzen des Guths ob schon mit einiger
Incommoditæt geniessen kan. z. E. Wann das Gehöfte im Sommer abbrennet, und das
Vieh, bis die Stallung wieder gebauet wird, des Nachts auf dem Felde bleiben
kan (et)c.
A a
94 Dritter Theil. Tit. VIII. (§§. 20.-22.)
2.) Wann der Pächter selber die
Ursach, oder Schuld ist, daß er das Guth nicht nutzen kan, z. E. wann
derjenige, der mit ihm in Feindschaft lebt, oder seine Domestiquen Feuer
anlegen.
3.) Wann dergleichen Unglücks-Fälle
gewöhnlich, oder
4.) Der Pächter solche, da er das
Guth gepachtet, gewust, und die Gefahr gegenwärtig gewesen.
5.) Wann der Schaden gering und
leidlich, oder
6.) Der Pächter alle Unglücks-Fälle
übernommen. Welche Exceptiones in dem folgenden §. weiter erläutert werden
sollen.
§. 21. Wann zweytens der Pächter
durch Frost, Hitze, Heuschrecken, Mausefraß, Hagel (et)c. einen Mißwachs an
denen Früchten leidet, so kan er den Schaden nach Proportion seines Verlustes
von der Pension abziehen.
Es wird aber erfordert 1.) daß
dergleichen Mißwachs an dem Ort etwas ungewöhnliches sey, dann wann sich
dergleichen Casus öfters zu eräugnen pflegen, z. E. wenn in denen bey der See
gelegenen Aeckern, durch die aufsteigende Nebel, die Blüthe des Korns versenget
wird, so kan der Pächter keine Ersetzung prætendiren, noch an der Pension etwas
abkürtzen.
Es wird 2.) erfordert, daß diese
Zufälle von aussen her, nicht aber aus der Natur des Ackers kommen, als wann
der Grund steinig, kalt, sandig, oder trächtig von Unkraut ist (et)c. weil der
Pächter sich imputiren muß, daß er dergleichen Land gepachtet, daher ist er
schuldig, die gantze Pension zu bezahlen, wann er schon gar nichts geerndtet
hat.
Es wird 3.) erfordert, daß die
Früchte, wobey der Unglücks-Fall sich zugetragen, noch nicht abgemehet,
abgebrochen und percipiret seyn.
Dann wann sie abgemehet, oder
abgebrochen gewesen, so seyn sie des Pächters eigen, und fället der Schaden ihm
als Domino zur Last; welches auch also zu halten, wenn sie auf dem Felde
liegen, und noch nicht in die Scheune gebracht oder ausgedroschen, oder noch
nicht in Verwahrung genommen worden.
Es wird 4.) erfordert, daß der
Mißwachs ohne des Pächters Schuld sich zugetragen, und derselbe solchen nicht
habe hindern können.
Wann also der Pächter nicht zu
rechter Zeit die Saat bestellet, nicht genug gemistet, schlechte Saat gebraucht
(et)c. kan er keine Remission verlangen.
Es wird 5.) erfordert, daß der
Mißwachs groß und important sey: Dann wann es eine Kleinigkeit betrift, darf
der Locator keinen Schaden ersetzen.
§. 22. Weil aber in denen Rechten
nicht determiniret ist, was ein importanter und unerträglicher Schaden ist,
sondern solches dem arbitrio judicis überlassen worden, so wollen Wir um alle
Gelegenheit zum Process zu coupiren hierdurch fest setzen, daß wann die gehabte
Abnützung (nach Abzug der Saat und Bestellungs-Kosten) die Helfte der Pension
nicht erreichet, der Schaden vor groß, und nicht erträglich zu halten sey.
Es muß aber nicht allein die
Abnutzung der Früchte, sondern alle Einnahme der Güther, so vom Vieh,
Holtzungen, Fischereyen (et)c. gehoben werden, mit in computum kommen, und die
Abnutzung darnach reguliret werden.
95 Dritter Theil. Tit. VIII. (§§.
22.-29.)
Wie dann auch im Gegentheil wann der
Guths-Herr sich einige Douceurs in dem Contract reserviret, solche zu Gelde
geschlagen, und der Pension zugerechnet werden müssen.
§. 23. Es muß aber der Werth derer
Abnutzungen nicht nach dem Anschlag, sondern dergestalt gerechnet werden, was
das Getreyde auf Weyhnachten, oder Ostern nach dem Durchschnitt in dem Jahr
gegolten hat:
§. 24. Wann also die Abnutzung nicht
bis an die Helfte der Pension anläuft, so ist der Pächter befugt, alles was ihm
an der Helfte fehlet von der Pension abzuziehen: Wann also z. E. das Guth vor
1000 Rthlr. verpachtet ist, du der Pächter von dem Guth, alle Einnahme
mitgerechnet, nur 100 Rthlr. eingenommen, so kan er nicht mehr als 400 Rthlr.
(Welches die Helfte von der Pension ausmacht) von der Pension abziehen.
§. 25. Bey Aestimation des Schadens
kan die Einsaat nicht in Consideration kommen, daher wann solche verdorben, und
nicht gewonnen wird, kan der Pächter keine Remission fordern, weil er Herr des
Saamens ist, folglich er die Unglücks-Fälle davon tragen muß.
§. 26. Wie dan auch die Kosten
welche zu Bestellung des Ackerbaues und der Haushaltung, z. E. an Gesinde-Lohn
verwandt worden, nicht angerechnet, noch dieserwegen Remission gefordert werden
kan.
§. 27. Es wird auch 6.) erfordert,
daß der Mißwachs nicht durch den Vortheil der übrigen Ländereyen, oder durch
den Ueberfluß der vorigen oder der folgenden Jahre ersetzet werde, weil es die
grösseste Unbilligkeit seyn würde, wann der Pächter den Ueberfluß desselben,
oder der übrigen Jahre allein geniessen, und dem Guths-Herrn nichts davon
zufliessen lassen: Hingegen wenn in einem oder andern Jahre ein Mißwachs sich
hervor thut, solchen allein dem Guths-Herrn aufbürden, und den Schaden von der
Pension abziehen wolte.
§. 28. Wann also (a) ein Strich des
verpachteten Roggen-Landes durch Hagel-Schaden, Heuschrecken (et)c. verdorben
wird, hingegen der Weitzen, die Gerste (et)c. einen grossen Ueberfluß tragen,
so kan keine Remission verlangt werden.
Wann (b) in dem vorigen Jahr die
Erndte so reich gewesen, daß der durch den diesjährigen Mißwachs erlittene
Schaden, durch des vorigen Jahrs Ueberfluß ersetzet wird, so kan der Pächter
gleichfalls nichts von der Pension abziehen.
Wann auch (c) in denen folgenden
Jahren die Erndte so reichlich erfolget, daß der erlittene Mißwachs und Schaden
derer ersten Pacht-Jahre entweder gantz, oder zur Helfte durch diesen Ueberfluß
ersetzet wird, so muß der Pächter dasjenige, was er vor den Mißwachs vorhin
abgezogen, oder erhalten, wieder herausgeben, und dem Guths-Herrn erstatten.
Es ergibt sich aber (d) von
selbsten, daß solches blos von dem Ueberfluß derer gegenwärtigen Pacht-Jahre in
welchen sich der Verwalter tempore des erlittenen Schaden befindet zu verstehen
sey: Wann also ein Pächter nachdem er auf 4 Jahr gepachtet, nach deren Ablauf
den Contract auf andere 4 Jahre prorogiret oder erneuert, so kan der bey dem
ersten Contract genossene Ueberfluß, mit dem in dem andern Contract erlittenen
Schaden nicht compensiret werden.
§. 29. Ein Pächter kan niemahls eine
Remission fordern, wann er alle Unglücks-Fälle übernommen hat. Weil, wann
solches geschehen, auch insolitissimi darunter
A a 2
96 Dritter Theil. Tit. VIII. (§§.
29.-31.)
verstanden werden müssen:
Nachdemahln gemeiniglich wegen dieser Clausul die Pacht geringer gesetzt wird.
Es muß aber deutlich in dem Contract
exprimiret werden, daß er alle Unglücks-Fälle über sich nehme, oder daß er
aller Remission wegen Unglücks-Fälle sich begebe.
Wann aber nur ein oder ander Casus
ohne Beyfügung einer solchen General-Renunciation exprimiret worden, kan der
Pächter wegen anderer Unglücks-Fälle Remission fordern.
§. 30. Damit aber der Guths-Herr und
Locator wissen könne, wie hoch auf der einen Seite der Mißwachs und der Schaden
sich belaufe, und ob auf der andern Seite derselbe durch den Ueberfluß der
andern Aecker oder der vorhergehenden und folgenden Jahre ersetzt werde, so muß
der Pächter
a) Wann er eine Erlassung an der
Pension prætendiret, vor der Erndte dem Locatori oder dessen Inspectori etc.
den Mißwachs, oder erlittenen Schaden notificiren, und um eine gerichtliche
Besichtigung und Untersuchung bitten, oder auch in foro ordinario um
dergleichen Untersuchung, mit Citirung des Locatoris (wann er gegenwärtig),
oder dessen Inspectoris etc. Ansuchung thun, welche das Quantum des Mißwachses,
oder des erlittenen Schaden, es erscheine der Locator oder nicht, determiniren
müssen.
b) Der Pächter muß dem Locatori von
denen vorigen Jahren, und von diesem Jahr eine richtige Oeconomie-Rechnung
produciren, um daraus ersehen zu können, ob dieser Mißwachs nicht durch den
Reichthum derer vorigen Jahre, oder durch den Ueberfluß der übrigen disjährigen
Revenuen ersetzt werde.
Wann c) weder in diesem, noch in
denen vorigen Jahren, sich ein Ueberfluß findet, folglich der Mißwachs und
andere erlittene Schaden klar am Tage liegt, so kan der Locator sich nicht
entbrechen, den Schaden mit zu tragen, und sich solchen nach Anleitung des §.
22. et seq. von der Pension abziehen zu lassen.
Wann aber d) in denen folgenden
Jahren dieser Schaden durch eine reiche Einnahme ersetzet wird, und solches aus
denen Oeconomie-Rechnungen ( die der Pächter herausgeben muß) bescheiniget
werden kan; so ist der Pächter schuldig, dem Locatori dasjenige was er wegen
des Mißwachses vorigen Jahres von der Pacht abgezogen, wieder zu erstatten.
§. 31. Es verstehet sich also von
selbsten, daß der Pächter von allen Jahren eine accurate Oeconomie-Rechnung
halten, und darin notiren müsse, was das gantze Guth getragen (Vid. supr. §.
22.), und insonderheit wie viel Stiege er jedes Jahr von jeder Art Getreyde
eingefahren, und was eine Stiege gelohnt habe.
Hiernechst muß er mittelst Eydes
bestärcken, daß er diese Rechnung hauswirthlich geführet, was geerndtet, und
sonst an andern Gefällen eingenommen worden, richtig eingetragen habe, und daß
er nicht mehr als was darin notiret ist, eingeerndtet, genutzet, und
eingenommen habe.
Wann der Pächter dergleichen
Oeconomie-Rechnung nicht gehalten, oder dieselbe vorgeschriebenermassen nicht
beschweren kan; So kan sich derselbe nicht entbrechen die gantze Pension zu
bezahlen: Es stehet ihm jedoch frey auf ander Art zu erweisen, daß er die
Helfte der Pension nicht gewonnen habe, wodurch aber die Bezahlung der völligen
Pension nicht aufgehalten werden kan, weil er sich imputiren muß, daß er, wie
er doch schuldig, keine richtige Oeconomie-Rechnung gehalten hat.
97 Dritter Theil. Tit. VIII. (§§.
32.-38.)
§. 32. Wann dem Pächter eine
Remission ertheilet werden muß, und des Locatoris Schuld nicht dabey
concurriret, so ist dieser niemals das Interesse zu præstiren, oder fructus
percipiendos zu erstatten schuldig, sondern der Pächter muß sich mit dem
landüblichen Werth begnügen.
§. 33. Was drittens das Viehsterben
anbetrift, so muß distinguiret werden, ob das Vieh dem Pächter zugehöre, oder
dem Guths-Herrn.
Ersternfalls stirbt das Vieh seinem
Herrn. Es ist aber auch vor des Pächters eigen Vieh zu halten, wann solches dem
Pächter taxato zugeschlagen wird.
Wann das Vieh dem Guths-Herrn eigen
ist, so fällt das Vieh-Sterben dem Locatori als Domino des Viehes zur Last.
In beyden Fällen aber ist der
Pächter, weil ihm die Abnutzung entgehet, dieserwegen Remission zu fodern wohl
befugt: Und muß ihm der Schaden, welchen er durch das Sterben des Viehes an der
Abnutzung gelitten, nach dem landüblichen Anschlag vergüthet werden.
§. 34. So lang der durch den
Unglücksfall verursachte Schaden nicht völlig gerichtlich reguliret und
determiniret worden, kan der Pächter die Pension nicht zurück halten, weil er
an dem Guth und denen folgenden Jahren seine Sicherheit hat.
§. 35. Wann in dem letzten Jahr der
Mißwachs (et)c. entstehet, und der Schaden vor dem Abzug des Pächters nicht
reguliret werden kan, muß dieser die Pension gerichtlich deponiren, oder
bürgliche Caution bestellen, und darf er bis eines von beyden geschehen, mit
seinem Invectis et Illatis nicht dimittiret werden.
§. 36. Es soll gegen dergleichen
Determination des Schadens kein Remedium, als quoad effectum devolutivum,
verstattet werden.
§. 37. Wann zweytens Streit zwischen
Obrigkeit und Unterthanen z. E. wegen geweigerten, oder übermäßigen Dienste,
oder andern neuerlichen Præstationen entstehet; So soll niemahls ein
ordentlicher Process darüber verstattet, sondern auf eingekommene Klage
Terminus angesetzt, und in Termino einem Rath committiret werden die Sache ad
protocollum zu nehmen, die Güthe zu versuchen, in deren Entstehung aber die
Sache zum rechtlichen Spruch bey der Regierung vorzutragen.
Vor welchem Spruch kein Remedium,
als quoad effectum devolutivum, verstattet werden soll.
Bey Entscheidung dergleichen Sachen
ist jederzeit zum Grund zu setzen, daß in dubio die Unterthanen zu Verrichtung
der Dienste und Præstationen angehalten werden müssen, weil dieselbe an dem
Guthe jederzeit ihren Regress und Sicherheit haben; dahingegen der Guths-Herr,
wann die Unterthanen condemniret werden, und nachdienen oder die gehäufte Præstationes
auf einmahl erstatten sollen, mehrentheils ruiniret werden, oder wenigstens
solches vorgeben dürften; allermassen wenig Exempel fürhanden, daß der
Guths-Herr etwas ohne einen neuen Process wieder bekommen habe.
Unterdessen bleibt die Regul feste,
daß kein Bauer deswegen, weil er in bessern Umständen wie sein Nachbar ist, mit
schwererem Dienst beleget, und ihm ein mehreres als andern in selbigen Dorf
angemuthet, sondern alles gleich eingerichtet werden müsse.
§. 38. Wann drittens zwischen einem
Lehnsfolger und denen Land-Erben Streit entstehet, und das Allodium von dem
Feudo separiret werden muß, soll gleichfalls kein ordentlicher Process
verstattet, sondern auf eingelaufene Klage in dem darüber
B b
98 Dritter Theil. Tit. VIII. (§§.
38.-40.)
angesetztem Termino einem Rath
committiret werden, beyde Theile über alle und jede hinc inde habende
Forderungen zu vernehmen, ein richtiges Protocoll darüber zu halten, und die
Güthe zu versuchen: Wann er die Haupt-Sache nicht in der Güthe beylegen kann,
muß er wenigstens suchen die Kleinigkeiten zu vergleichen, die dilatorische und
incident Puncten zu coupiren, und den Process ad definitivam zu instruiren.
Im Fall, vor völliger Entscheidung,
in einigen Puncten eine Local-Commission veranlasset werden muß, so kann die
Regierung über die instruirte Puncte sprechen, wegen der andern aber die Sache
auf Commission richten, da dann der Commissarius nach Anleitung der
Commissions-Ordnung zu verfahren schuldig ist.
Was aber ad feudum oder ad allodium
zu rechnen, item wie es mit denen Schulden zu halten, solches ist in unserer
Lehns-Constitution deutlich versehen.
§. 39. Es seyn auch viertens billig
unter die unglückseelige Processe zu rechnen, wann zwischen denen Pupillen und
Vormündern (et)c. Streit entstehet, und wann entweder der Vormund von dem
Unmündigen wegen eines Residui Ersetzung fordert, oder der Unmündige den
Vormund wegen übel geführter Administration in Anspruch nimt.
Item, wenn ein Administrator piorum
corporum mit dem pio corpore wegen geführter Administration in Process geräth.
In diesen Fällen soll a) gleichfalls
kein ordentlicher Process verstattet, sondern in dem ersten Termino einem Rath
committiret werden die Sache aufzunehmen, und soll alsdann eben auf die Art,
wie oben §. 38. vorgeschrieben, weiter verfahren werden.
Es ist b) bey einigen Collegiis die
üble Gewohnheit eingeschlichen, daß wann ein Vormund oder Curator jährlich
seine Rechnung gerichtlich abgelegt, und darüber quitiret wird, dem Unmündigen
oder Minderjährigen, wann er die Majorennitæt erlanget, unter dem Prætext daß
der Vormund einmahl gerichtlich quitiret worden, nicht gestattet werden will
die Vormundschafts-Rechnung einzusehen, noch weniger Monita darüber zu formiren
(et)c.
Weil aber nach denen Rechten die
Vormundschafts-Rechnung nach geendigter Vormundschaft NB. denen gewesenen
Unmündigen abgestattet werden soll und muß; Und die jährliche Abnahme
hauptsächlich nur dieserwegen eingeführet worden, damit der Vormund währender
Vormundschaft nicht nach Gefallen von des Unmündigen Geldern disponiren könne,
sondern den Bestand alle Jahr belegen und vorzeigen müsse; So kan der Vormund
sich nicht entbrechen dem Pupillen auf dessen Verlangen die Rechnungen mit
denen Belägen nochmals vorzulegen, die dagegen gemachte Defecten zu
beantworten, und darüber richterliche Erkäntniß zu gewarten; welches um
destomehr statt haben soll, wann bey der jährlichen Abnahme keine Monita gegen
die Rechnung gemacht, und dem Vormund alles was er angegeben, ohne zu
examiniren ob es nöthig gewesen oder nicht, passiret worden.
§. 40. Wann fünftens wegen der
Gräntzen zwischen Benachbarten Streit entstehet, ist desto nöthiger die
Mishelligkeit zu coupiren, weil öfters, wann die Verbitterung darzu kommt, Mord
und Todschlag daher entstehen kan, dergleichen Processe auch wegen der vielfältigen
Commissionen, und Abhörung einer grossen Menge von Zeugen, sehr kostbahr, und
durch die Negligentz derer Commissarien unsterblich zu seyn pflegen.
Wann also (1) jemand klagt daß der
Nachbar die Gräntzen verrücke, wann bey Theilung eines Guths oder Holtzes
Streit entstehet, wann bey eingeklagter Turbation, Pfändung, Abstammung des
Holtzes (et)c. die Gräntzen gestritten werden, folglich es auf
99 Dritter Theil. Tit. VIII. (§.
40.) IX.
eine Ocular-Inspection ankommt, so
muß sofort ex officio ein Commissarius benannt werden, die Sache in loco zu
untersuchen, beyden Theilen aber bey Gefängniß, oder andern Strafe anbefohlen
werden, alles bis dahin in statu quo zu lassen.
Der Commissarius muß (2) nach der
Commissions-Ordnung Terminum præjudicialem ansetzen, und denen streitenden
Partheyen Auflage thun, in Termino ihre Documenta und Nachrichten wegen der
Gräntze mitzubringen, die Zeugen deren sie sich bedienen wollen, alsdann zu
produciren, oder dieselbe beyzeiten ante Terminum citiren zu lassen.
In Termino muß (3) der Commissarius
beyde Theile mit ihrer Nothdurft hören, die Documenta und Nachrichten
examiniren, wann die Gräntzen weitläuftig, solche durch einen geschwornen
Landmesser aufnehmen lassen, sonst aber selber einen ohngefehren Abriß davon
machen. (et)c.
Bey Abhörung der Zeugen muß (4)
Commissarius auf keine Exceptiones contra personas testium (es wäre dann daß
sie ipse jure repellibiles seyn) reflectiren, jedoch was wider dieselbe
angegeben wird fleißig ad protocollum notiren, damit der künftige Referent in
quantum de jure darauf reflectiren könne.
Der Commissarius muß (5) nach
untersuchter Sache, und geschlossenem Protocoll, die Güthe versuchen, und in
deren Entstehung durch eine Interims-Verordnung den Statum possessionis bis zu
erfolgtem Bescheid salvo jure et falsa possessione utriusque reguliren, und,
wann einige Thätlichkeit zu befürchten, und die Possession sehr zweifelhaftig
ist, beyden Theilen bey Gefängniß oder andrer Strafe den Gebrauch des Orts
untersagen, oder dem Befinden nach einen Sequestrum bestellen.
Im übrigen muß (6) der Commissarius
wegen Beschleunigung des Berichts, und der Diæten, sich überall nach der
Commissions-Ordnung achten.
Wann die Sache (7) bey der Regierung
zur Relation kommt, muß dieselbe jederzeit unsere in denen Rechten und
Billigkeit fundirte General-Regul vor Augen haben, daß wann nicht möglich die
Gewisheit der Gräntze auszufinden, dieselbe getheilet werden solle.
Es darf aber diese Theilung, wann
die Gräntzen an verschiedenen Orten streitig, an einem aber klar erwiesen oder
wenigstens ziemlich bescheinigt seyn, nicht allezeit zu gleichen Theilen
geschehen: Sondern es muß die Theilung bloß in denen Oetern (= Oertern)
geschehen, wo beyde Theile entweder gar nichts erwiesen, oder wo beyder Beweiß
gleich wichtig ist.
Es muß auch eine vernünftige Proprotion
(= Proportion) bey dieser Theilung beobachtet, und demjenigen welcher mehr
Præsumptiones vor sich hat, auch ein grösserer Theil bey der Theilung
assigniret werden.
Tit. IX.
Vom Concurss-Process, und von dem
Moratorio, auch von Behandlung derer Creditoren, Cessione bonorum, und dem
Beneficio competentiæ.
B b 2
100 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
1.-2.)
§. 1. Wir haben bey denen
Concurs-Processen mit dem höchsten Misfallen wahrgenommen, daß solche in der
größten Confusion bishero tractiret worden, und kein Ende davon abzusehen
gewesen: wann er aber endlich nach langen Jahren geendiget worden, so hat sich
nicht allein gefunden daß verschiedene neue Processe daher entstanden, sondern
auch daß die Richter und Advocaten, vornemlich aber der Contradictor das Meiste
davon profitiret haben, und denen Creditoribus mehrentheils, nach Abzug derer
Kosten, das leere Nachsehen gelassen worden.
Wir finden daher nöthig auch diesen
unverantwortlichen Mißbräuchen einmal Ziel und Maasse zu setzen, und durch eine
besondere Ordnung vorzuschreiben:
1.) Wann ein Concurs-Process zu
eröfnen.
2.) Wie dabey civiliter zu
verfahren.
3.) Wie gegen einen betrüglichen
Banqueroutirer criminaliter zu verfahren.
4.) Wann dem Debitori ein Moratorium
zu verstatten, und was dabey zu beobachten.
5.) Wann er zur Behandlung derer
Creditoren, oder
6.) Zu dem Beneficio cessionis
bonorum zuzulassen.
7.) In welchen Fällen dem Schuldener
das beneficium competentiæ zu statten kommen müsse.
Sectio I.
Wann ein Concurs-Process zu eröfnen.
§. 2. Wann 1.) viele Creditores sich
zu gleicher Zeit gegen einen Schuldner melden, und aus verschiedenen Documentis
Klage anstellen, der Debitor aber die Schulden negiret, oder wahrscheinliche
Exceptiones denenselben entgegen setzet, so können die Creditores, weil die
Schulden noch nicht liquid seyn, nicht zum Concurs provociren.
Wann aber gleichwohl die Debita
nothdürftig bescheiniget, die dargegen eingewandte Exceptiones weit aussehend,
folglich eine Vermuthung sich hervor thut, daß der Debitor seine Creditores blos
mit Processen zu fatigiren suche, unterdessen aber seine noch übrige Güther
verthun, und denen Creditoribus bey Endigung des Process das leere nachsehn
lassen dürfte; so seyn die sich meldende Creditores befugt, von dem Debitore
eine eydliche Specification seines Vermögens, und, wann er ein Handelsmann ist,
die Production seiner Handlungs-Bücher zu erfordern.
Der Richter muß solchenfalls einen
Terminum, höchstens von 4 Wochen ansetzen, den Debitorem mit seiner Nothdurft
hören, dem Befinden nach die Creditores
101 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
2.-5.)
zum Juramento Calumniæ anhalten, und
nach Beschaffenheit der Sachen, insonderheit wann die Schulden allem Ansehen
nach liquid, der Debitor nicht angesessen, oder sonst ein übler Haushalter wäre
(et)c. denselben zu der gesuchten Production anhalten.
Im Fall der Debitor in Termino
ausbleiben, oder, wann er erscheinet, sich zu der erkandten Specification und
Production der richterlichen Erkäntniß ohngeachtet nicht bequemen wolte, oder
nach beschehener Production das Vermögen eventualiter nicht zureichen möchte,
so soll zur Sicherheit der Creditoren bis die Haupt-Processe geendiget, und ad
liquidum gebracht worden, dem Befinden nach ein Aufseher, welchen die
Creditores wählen sollen, oder ein Curator bonorum bestellet werden, es wäre
denn daß der Debitor bis dahin genugsame bürgerliche Caution bestellen könte.
Was der Richter hierunter verordnet,
davon soll kein Remedium, als quoad effectum devolutivum verstattet werden.
Welches auch, wann die Bürgschaft nicht für zulänglich erkannt wird, statt
haben soll.
§. 3. Es wird auch 2.) dadurch kein
Concurs erreget wann ein Creditor in ein Guth immittiret wird, und viele andere
Creditores, welche auf sothanes Guth gleichfalls versichert seyn, sich hervor
thun, ihre Bezahlung daraus fordern, und auf die Immission und Subhastation
dringen. Weil alsdann, wann die Schulden liquid gemacht worden, blos das Guth
verkauft, und das Geld unter die Hypothecarios getheilet, das übrige aber dem
Debitori gegeben, oder, wann andere Creditores chirographarii, Cambiarii etc.
auf das Kauf-Geld einen Arrest gelegt, unter diese distribuiret werden muß.
Wann so viele Schulden auf dem Guthe
haften, daß alle Hypothecarii nicht daraus bezahlet werden, so müssen die
Creditores einen Liquidations-Process anstellen, einen Curatorem benennen, alle
Creditores, oder welche sonst an diesem Guth einen Anspruch haben, per
edictales citiren, und zugleich Terminum ad liquidandum ansetzen lassen.
Wann Creditores super prioritate
verfahren, müssen sie nach ihrer Ordnung classificiret, das Kauf-Pretium unter
die Priores distribuiret, die ausgehende aber an das übrige Vermögen des
Debitoris verwiesen werden. Wodurch also noch kein Concurs über das gantze
Vermögen veranlasset wird.
§. 4. Gleiche Bewandniß hat es wann
ein Creditor, welcher in eintzele Stücke eines Guths immittiret worden, vorher
stehet, daß er wegen der darauf haftenden näheren Schulden seine Bezahlung
nicht daraus erhalten könne, und daher bittet, daß er in alle des Debitoris
Immobilia immittiret, und dieselbe hiernächst subhastiret werden möchten.
Massen auch hiedurch kein Concurs
erreget wird, sondern die Creditores welche an diesen Güthern etwas zu fordern
haben, werden allein prævia citatione edictali et liquidatione lociret,
folglich hat hier gleichfalls bloß der Liquidations-Process statt.
§. 5. Es ist auch kein Concurs zu nennen,
wann ein Käufer eines Guths zu seiner Sicherheit die auf dem Guth haftende
Creditores, und andere welche ein Recht an diesem Guth zu haben vermeynen, per
edictales, und wann Creditores certi seyn, per Patentum ad domum citiren
lässet. Allermassen der Besitzer solches bloß zu seiner Sicherheit, und alle
Creditores zu præcludiren, suchet.
C c
102 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
5.-7.)
Wann also der Käufer in dem Termino
gegen Erlegung des Kauf-Pretii die Tradition erhält, ist er bey seinem Titulo
sicher: und müssen alle Creditores, sie mögen Fiscus, Pupilli, oder Pia Corpora
seyn, wann sie sich nicht gemeldet mit ihren Foderungen an diesem Guth per
sententiam præcludiret werden, und hat keine Restitutio contra fidem hastæ
statt.
Die Creditores theilen sich
constituto liquido in dieses Kauf-Pretium, wann solches zu deren Bezahlung
zureichend ist; wo nicht, müssen sie die Prioritæt unter sich durch einen
Liquidations-Process ausmachen: die ausgehende Creditores müssen sich alsdann
an das übrige Vermögen des Debitoris halten, und darin die Execution suchen.
§. 6. Schließlich kan auch kein
würcklicher Concurs genannt werden, wann jemand ein Moratorium suchet, folglich
sufficientiam bonorum, und daß er, wann ihm Zeit gelassen wird, im Stande sey
alle Creditores zu bezahlen, vorgibt.
Weil er aber gleichwol zugestehet,
daß er vor der Hand nicht im Stande sey, seine Creditores zu befriedigen, so
seyn die Creditores befugt, entweder um die Versiegelung seines Vermögens, oder
Bestellung eines Aufsehers, oder wol gar eines Interim Curatoris bonorum
Ansuchung zu thun, bis erkannt wird ob dessen Vermögen solvendo, folglich der
Debitor zu diesem Beneficio zu admittiren, oder der Concurs zu eröfnen sey:
wovon unten Sectione IV. mit mehrern gehandelt werden soll.
§. 7. Hingegen können die Creditores
auf einen Concurs provociren:
Erstlich, wenn ein Schuldner,
insonderheit ein Handelsmann, sich zur Verfall-Zeit des Wechsels, oder wann
eine Execution gegen ihn vorgenommen werden soll, absentiret, und keine Anstalt
zur Bezahlung macht, auch kein ander Objectum Executionis vorhanden ist, und
soll keine Entschuldigung, daß er auf die Messen, oder ex alia justa causa
verreiset ist, gelten.
Zweytens, wann der Debitor notorie
nicht solvendo ist, z. E. wann der Debitor auf die Cessionem bonorum
provociret, oder denen Creditoren eine Behandlung offeriret, wovon unten
Sectione V. et. VI. gehandelt wird.
Drittens, wann ein Debitor
sufficientiam bonorum vorgibt, ein Moratorium suchet, und prævia causæ
cognitione damit abgewiesen wird. Vid. §. præced. 5. et. infr. Sect. IV.
Viertens, wann ein Schuldner
verstirbet, dessen gegenwärtige Witwe oder Erben sich auch der Verlassenschaft
angenommen, wegen Vielheit der Schulden aber sich der Erbschaft entsagen, so
qualificirt sich die Sache gleichfalls zum Concurs.
In diesem Fall aber müssen 1.)
gedachte Witwe oder Erben sich binnen sechs Wochen, ob sie Erben seyn wollen,
erklären (nach deren Ablauf sie sonst pro hæredibus gehalten, und gegen sie
agiret werden soll). 2.) Wenn sie nicht Erben seyn wollen, ein legales
Inventarium des Nachlassers und der Schulden dem Gericht übergeben: In welches
Inventarium 3.) alles was in dem Sterb-Haus gefunden wird, auch so gar der
Witwen und Erben eigene Sachen (welche sie aber, wann sie in continenti
bescheinigen, daß sie ihnen zugehören, zurück nehmen können,) mit verzeichnet
werden müssen. Worauf 4.) der Richter so fort das Vermögen in seine Verwahrung
nehmen, und versiegeln, oder einen Interims-Curatorem bestellen; anbey 5.) den
Concurs von dem Tage an, da der Debitor verstorben, per Decretum festsetzen,
und 6.) ohnverzüglich mit Citation derer Creditorum ad liquidandum verfahren
muß.
103 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
7.-10.)
Fünftens, wann keine Erben des
Schuldner gegenwärtig seyn, oder gar keine Erben existiren, hingegen die
Creditores ihre Bezahlung urgiren, und der Richter, oder Fiscus, aus dem ex
officio zu verfertigenden Inventario wahrnimmt, daß das Vermögen nicht zureiche
die sich meldende, oder sonst aus denen Briefschaften und Hypothequen-Büchern
bekandte Creditores zu befriedigen; So muß ein ordentlicher Concurs, mit
Benennung des Jahrs und des Tags, da der Creditor verstorben, veranlasset,
auch, daß solches geschehen, ad Protocollum notiret, und in der Citatione ad
liquidandum solches gemeldet werden.
§. 8. So bald der Concurs eröfnet
worden hören alle Actiones gegen den Debitorem auf, und alle Processe welche
vor diesem in diversis judiciis angestellet worden, werden propter connexitatem
causarum ad forum concursus gezogen, und kan also der Debitor hernach nirgends
weiter als vor diesem Foro belanget werden.
Es kan auch der Debitor von dem Tage
des erregten Concurs nicht weiter von seinen Vermögen zu eines oder des andern
Creditoris Faveur disponiren, oder einem eine grössere Sicherheit verschreiben:
Wie denn auch die gerichtliche Eintragung nach den Tag des Concurs keine
Prærogativ geben kan.
Sectio II.
Wie nach eröfneten Concurs weiter zu
verfahren.
§. 9. Nachdem der Concurs per
Decretum oder Sententiam eröfnet worden, muß der Præsident zweyen von denen geschicktesten
Räthen die Direction des Process auftragen, welche alles in pleno vortragen,
und dafür sorgen auch stehen müssen, daß der Concurs nach denen
vorgeschriebenen Principiis fortgesetzet werde. Zu dem Ende muß das Gerichte
I.) sich der Person des Debitoris
bemächtigen, und, wann er flüchtig worden, denselben mit Steckbriefen
verfolgen. Wovon Section seq. gehandelt werden soll.
II.) Dessen Vermögen (wann es noch
nicht geschehen) versiegeln, und ein Inventarium darüber verfertigen.
III.) Einen Interims-Curatorem mit
Bewilligung der gegenwärtigen Creditoren bestellen, welcher bis zu dem Termino
liquidationis auf die Güther Achtung geben, die Edictales befördern, nicht
weniger die Aff- et Refixiones besorgen soll.
Hauptsächlich aber und IV.) muß der
Richter die sämtliche Creditores (wenn solches nicht schon vorher occasione des
etwa gesuchten Moratorii etc. geschehen. Vid. infr. Sect. IV. §. .) per edictales ad liquidandum citiren
lassen. Wovon das
Formular sub Lit. A. beygedrucket worden.
§. 10. Es müssen aber (a) diejenige,
deren Schulden bey dem Gerichte im Hypothequen-Buche verzeichnet, oder die aus
dem Inventario, daß sie in dem Orte gegenwärtig, bekandt worden, denn auch die
Receptores, auch Kirchen und Schulen, so
C c 2
104 Dritter Theil. Tit. IX. (§. 10.)
der Orten aus den Güthern etwas zu
erheben pflegen, durch offene Citation an ihre Wohnung, nicht weniger andere
auswärtige Creditores, deren Domicilia bekandt, durch Subsidiales, die übrigen
aber per edictalem citationem ad liquidandum vorgeladen werden; und ist unter
das Patent ad Domum von jedem, wie es ihm insinuiret, oder in ejus absentia von
denen die in dem Hause wohnen, oder es sonst anzunehmen schuldig, zu
verzeichnen; Wegen der auswärtigen bekandten Creditoren aber der geschehenen
Insinuation halber Documentum von des Orts Obrigkeit zu begehren, und von denen
Gerichten beyzuschaffen.
Es muß auch zum Ueberfluß alle Woche
einmal, bis zu dem Termino liquidationis, durch den Intelligentz-Bogen mit
Benenung des Termini kund gemacht werden, daß die Creditores in dieser
Concurs-Sache ad liquidandum citiret worden. Welches der expedirende
Secretarius beobachten muß.
Die Edictal-Citation aber muß, (b)
damit Creditores um so weniger die Unwissenheit zu allegiren Ursache haben,
nebst dem Orte des erregten Concursus an zweyen Orten verschiedener
Jurisdiction angeschlagen werden; es wäre denn der Debitor ein Mann gewesen der
nicht sonderlich Verkehr ausserhalb gehabt, oder der Concurs wäre geringer
Wichtigkeit, welchenfalls allein bey dem Gerichte des Ortes wo er entstanden,
und der Concurs moviret, und einem benachbarten Gericht Citatio anzuschlagen.
Würde aber der Concurs in der
Obern-Instantz eröfnet, oder es entstünde dergleichen bey einem von Adel im
Lande, sind die Edictal-Citationes in dem höhern Gerichte, und andern zweyen
Orten anzuschlagen, und auf den letztern Fall die nächste bey des von Adel
Güthern gelegene Haupt-Stadt des Creises unter solchen beyden Orten, zu
Besorgung der Affiction, mit zu erwählen.
Wann (c) der Schuldner ein Mann, der
grosse und weitläuftige Handlung gethan, oder die Wichtigkeit des Concursus,
Vielheit an Schulden, Abwesenheit der Creditorum, und deren weit auseinander
liegende Wohnungen es erforderten, so sollen die Edictales auch in dreyer
Herren Landen, fürnehmlich in denen Handels-Städten, und andern Orten wo die
Citation am sichersten zu der Creditorum Wissenschaft kommen kan, angeschlagen,
und von Unsern Secretariis und andern Gerichts-Actuariis darunter der Tag, wann
sie angeschlagen, und wieder abgenommen, verzeichnet: Von auswärtigen aber eine
Registratur, wie solches geschehen, beygebracht werden.
Hinkünftig soll (d) nicht mehr als
eine Citation ausgefertiget, jedoch der Terminus sowohl in der Edictali, als ad
Domum, auf 9 Wochen; bey Handels-Leuthen aber auf 12 Wochen gerichtet, davon
drey oder respective viere für den ersten, drey oder viere für den andern, und
drey oder viere für den dritten peremtorie gerechnet werden sollen. Und ist der
Citation die Commination beyzufügen, daß in Ansehung derjenigen, welche in den
gesetzten 9 oder respective 12 Wochen sich ad acta nicht gemeldet, durch Ablauf
des letzten Tages die Acta ipso jure für geschlossen geachtet, und sie nicht
weiter gehöret, sondern ihnen in der Classifications- und Prioritæts-Urthel ein
ewiges Stillschweigen auferleget werden solle.
Dergleichen auch (e) derjenigen
halber, welche sich zwar ad acta gemeldet, aber in Termino præfixo nicht
erschienen, noch ihre Forderung bescheiniget, in der Prioritæt-Urthel zu
erkennen.
Würde aber (f) ein Creditor, der
sich nicht gemeldet, ex post justam causam anführen, so soll in solchem Falle,
wie unten §. . verordnet, verfahren
werden.
105 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
10.-12.)
Gleichwie aber (g) ein vieles an der
richtigen Aff- und Refixion der Edictal-Citation gelegen ist, so muß der
expedirende Secretarius davor sorgen, daß die Edictal-Citationes völlig 9 und
respective 12 Wochen angeschlagen bleiben, damit nicht von dem Debitore oder
einem ausgebliebenem Creditore eine Nullitæt daher genommen werden könne: Zu
dem Ende soll der Secretarius den Terminum jederzeit auf 8 bis 14 Tage weiter
hinaus setzen, und denen Rescripten und Requisitorialien die Beschleunigung des
Anschlages mit einfliessen lassen: Es liegt auch dem Secretario ob, die
behörige Anstalt zu machen, daß die Patente gegen den Terminum liquidationis refigirt,
Terminus Aff- et Refixionis unter das Patent notiret, und an die Regierung
eingeschicket werden.
Wann etwas daran fehlet (worauf die
Räthe in Termino Liquidationis hauptsächlich Achtung geben müssen), soll sofort
ein neuer Terminus angesetzet werden, und muß der Secretarius wann er Schuld
hat, nicht allein die zur Edictal-Citation gehörige Kosten übernehmen, sondern
auch denen Creditoribus alle Kosten der vorigen Citation erstatten.
Wann (h) der Schuldner noch am
Leben, und in dem Orte wo der Concurs-Process geführet wird, oder auch in der
Provintz, zugegen ist, hat der Curator inzeiten zu besorgen, daß er gegen
diesen Terminum nach Gewohnheit des Gerichts, entweder mündlich durch den
Gerichts-Bothen, oder, wenn er nicht in dem Orte zugegen, durch eine besondere
schriftliche Citation dazu gefordert, und wann er flüchtig ist, in denen
Edictalibus citiret werde.
§. 11. Es muß auch jederzeit einem
fiscalischen Bedienten Auflage gethan werden, in dem ad liquidandum angesetzten
Termino zu vigiliren, und gegen den Schuldner, wann sich ein Dolus oder lata
culpa aus denen Vorträgen hervor thun solte, auch wann derselbe wider die
Rechte ein Moratorium oder Cessionem bonorum etc. suchen wolte, die Nothdurft
zu beobachten.
§. 12. In dem ad liquidandum
angesetzten Termino müssen die Creditores VI. per majora entweder den etwa
bestellten Interims-Curatorem (vid. supr. §. 8.) bestätigen, oder einen andern
erwählen (welcher zugleich wann der Concurs nicht weitläuftig ist Contradictor
seyn soll), da dann ad Protocollum, daß die Creditores den N. N. zum Curatore
oder Contradictore bestellet haben wolten, notiret, und derselbe per Decretum
confirmiret werden muß.
Im Fall aber Creditores in Partes
gehen, so stehet dem Richter frey jemand von denen so auf der Wahl stehen,
oder, nach Beschaffenheit der Sachen, auch einen Tertium ex officio zu
bestellen.
Dem ernanten und confirmirten
Curatori liegt ob, (a) vermittelst Handschlages an den Richter, oder
Præsidenten des Gerichts, oder welchen dieser dazu deputiren möchte, an Eydes
statt anzugeloben, mit allen Fleiß die Beytreibung der ausstehenden Schulden,
die Verkaufung der Güther, Erhebung der aus denselben fallenden Nutzung, und
Beschleunigung des Processes ihm angelegen seyn zu lassen, daß er auch mit dem
Einkommenden getreulich umgehen, und sich überall dieser Ordnung gemäß
verhalten wolle.
Und ist (b) wann der Curator
Immobilia besitzet, denen Hypothequen-Büchern so des Orts geführet werden,
zugleich einzutragen, daß N. N. zum Curatore in N. N. Schuld-Wesen bestellet,
und das Vermögen sich ohngefehr auf =
= = Rthlr.
= = Gr.
= = Pf. betrage.
D d
106 Dritter Theil. Tit. IX. (§. 12.)
Nach geendigten Process und
abgelegter Rechnung aber ist gleichfalls in vorgemeldten Büchern zu notiren,
daß er davon entschlagen sey, wie sonst bey andern Schuldnern, wenn sie
bezahlet, zu geschehen pflegt.
Im Fall der Curator bonorum keine
Immobilia besitzet, und gleichwohl billig ist denen Creditoribus wegen der
Einnahme Sicherheit zu verschaffen, so muß er keine Gelder ohne gerichtlichen
Befehl in Empfang nehmen, und bey 50 Rthlr. Strafe gleich nach Ablauf des
ersten Monaths seine Rechnung mit Einnahme und Ausgabe dem Gericht übergeben,
auch alle Monath damit continuiren.
Von diesen eingehobenen Geldern muß
das Gericht dem Curatori so viel, als er zu Betreibung des Concurs nöthig hat,
in die Hände geben, das übrige aber versiegeln: Und alle Monath solchergestalt
continuiren, da dann der Curator jederzeit die versiegelte Gelder vorzeigen
muß.
Es stehet auch denen Creditoren
frey, die Gelder an einen andern sichern Ort, auf Erkäntniß des Richters,
niederzulegen.
Es muß also (c) der Curator
zuförderst sorgen, daß denen Creditoribus in Termino liquidationis das
Inventarium nebst denen Briefschaften und Büchern vorgelegt werde, da dann der
gegenwärtige Debitor schuldig ist, sowohl dem Curatori, als denen Creditoribus,
von Beschaffenheit aller und jeden Obligationen, auf deren Befragen, die
verlangte Nachricht jederzeit zu geben.
Würden auch (d) der Curator und die
Creditores nöthig finden, den gegenwärtigen Debitorem anzuhalten eydlich zu
bestärcken, daß er in dem Inventario alles sein Vermögen angegeben, auch nichts
vorher an solche Creditores welche seinen Zustand gewust, alieniret habe, so
kan sich der Debitor dessen nicht entbrechen.
Diesemnach muß (e) der Curator
gleich des andern Tages nach dem gegebenen Handschlage bey dem Gerichte
gebührend bitten, daß der gegenwärtige Schuldner mit allen den Seinigen (wenn
es noch nicht geschehen), oder diejenigen so in des Verstorbenen Güthern
sitzen, aus den Vermögen geschaffet, und ihm solches nach der zu übergebenden
Specification ausgeantwortet werde.
Wie er denn auch, (f) wenn von der
Obrigkeit ein Inventarium gemacht, nach selbigem die Effecten, Bücher, und
Briefschaften von der Obrigkeit in Empfang zu nehmen hat.
Er hat auch (g) zu besorgen, daß
wenn ein ausgetretener oder verstorbener Debitor ein Handelsmann gewesen, der
anderswo Effecten hat, oder schon von dem Seinen etwas heimlich untergebracht
um solches denen Creditoren zu entziehen, sofort und ungesäumt Arrest
verhänget, und solches per publicum proclama, so von dem Gericht anzuschlagen,
dahin bekandt gemacht werde, daß bey einer nahmhaften Strafe ein jeder so unter
den Gerichts-Zwang gesessen alles dasjenige was dem Flüchtigen oder
Verstorbenen zugehöret, und er in seinen Händen, Gewahrsam oder Verwaltung hat,
ohngeachtet ihm dasselbe verpfändet (in welchem Fall er das Jus retentionis
hat), hingeleget, und zu verwahren gegeben, oder auf andere Weise von dem
Schuldner selbst, oder jemand anders an dessen statt zugebracht, auch was einer
von des Falliten Güthern oder Vermögen des Ortes, oder anderswo mit Arrest
beschlagen lassen; imgleichen was einjeder dem Falliten oder Verstorbenen an
Geld oder Waaren zu liefern, oder zu bezahlen schuldig, ohngeacht einiger
Compensation oder anderer Prætension, bey Verlust seines Rechts und der
benannten Strafe, daß er, wenn es hernach entdecket wird, dennoch alles
herausgeben müsse, innerhalb 4 Wochen a dato bey dem Gerichte schriftlich und
mit seiner eigenen Hand (jedoch vorbehältlich seines Rechts) angeben, und davon
niemanden als wie es das
107 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
12.-13.)
Gericht verordnet, etwas abfolgen
lassen solle. Auf welches Anzeigen dann das Gericht nach Befinden die
Verabfolgung an den Curatorem zu veranlassen hat.
Er hat ferner und (i) eines
ausgetretenen Schuldners zurückgebliebene Frau, Diener, Buchhalter, oder
andere, so sich bey demselben aufgehalten, desgleichen eines verstorbenen
Schuldners benannte oder nachgelassene rechtliche Erben, oder andere Personen,
so bey seinem Absterben in den Vermögen gewesen, ohne Zeit-Verlauf mit dem Eyde
belegen zu lassen:
Daß sie des entwichenen oder
verstorbenen Schuldners Haab und Güther, Rechnung- und Handels-Bücher,
aussenstehende Schulden, und was ihnen von eines flüchtigen Debitoren Anschlag
und Vorhaben bekandt, alles ihres Wissens getreulich angegeben, und davon weder
zum Nachtheil der Creditoren etwas verschwiegen, oder selbst unterschlagen,
noch von Händen gebracht; daß sie auch was sie noch auffinden, oder erfahren
würden, getreulich anzeigen wollen; So wahr ihnen Gott helfen solle durch
seinen Sohn Jesum Christum.
Und soll dieser Eyd auch alsdann
gefordert werden, wenn der Schuldner bonis cediret, und sich ein redlicher
Verdacht hervor thut, daß nicht alles richtig angegeben, und seine Domestiquen,
oder die sein Vermögen mit unter Händen gehabt, davon Nachricht haben möchten.
Wann der Curator (k) in denen
Büchern, im Inventario, oder beschwornen Specification findet, daß der
Schuldner anderer Orten ausstehende Schulden habe, hat der Curator von dem
Gericht darauf gleichfalls Arrest auszubringen, die Schulden beytreiben zu
lassen, gegen seine Quitung, wenn die Schuldner freywillig, oder von ihrer
Obrigkeit angehalten, Zahlung thun, dieselbe in Empfang zu nehmen, und alle 4
Wochen einen Etat der eingekommenen, noch ausstehenden, oder durch Erkäntniß
liquiden Gegen-Rechnung, oder sonst abgegangener Schulden, bey dem Gericht ad
acta Concursus zu geben, damit sowohl die Gerichte als Creditores von Zeit zu
Zeit davon Nachricht haben, die Gelder ad depositum nehmen, und solche
hiernechst austhun können.
§. 13. Wann sich VII. in dem ersten
Termino niemand ad Acta meldete, der etwas von den Mobilien oder Waaren als
sein Eigenthum forderte, oder sonst zu Recht reclamirete, und was nicht zu
guter Treu verkauft zurück begehrete, (welchenfalls solche Stücke bis zur
Erkäntniß auszusetzen) soll der Curator bonorum die beweglichen und
unbeweglichen Güther des Fallit oder Verstorbenen (die Pretiosa aber davon
ausgenommen) ohnverzüglich durch die Auction verkaufen lassen.
Es hat aber (a) der Curator 14 Tage
vor der Auction, mit Anzeigung des Tages, Stunde und Ortes, eine generale
Designation der zu verkaufenden Sachen, z. E. Bücher, Betten, Spiegel, höltzern
und eisern, oder andern Haus-Geräthe, an den Ecken der Stadt und Kirchthüren
anschlagen, auch in denen Zeitungen so am nechstgelegenen Orte gedruckt werden,
oder in denen Intelligentz-Bogen, alle Woche einmahl bekandt machen zu lassen,
die Auction selbst aber, wo nicht gewisse Auctionarien von Uns angesetzet,
durch einen geschwornen Ausrufer (dessen Eyd am Ende dieser Constitution sub
Lit. B. zu finden) und durch einen von dem Gericht dazu Deputirten aus dessen
Mittel, oder den Secretarium, oder auch in Unserm Gerichte immatriculirten
Notarium, wie hoch jedes Stück, welches aus dem Inventario zugleich
nachzuweisen, verkaufet, niederschreiben zu lassen, und muß er solches
Auctions-Protocoll samt den Schluß der Rechnung über das eingekommene Geld, vom
Notario, dem Ausrufer, und ihm selbst unterschrieben, auch das für die
auctionirte Stücke eingehobene Geld, drey Tage nach geendigter Auction, und
nach Abzug dessen so an Auctions-Kosten erfordert worden, und gebührend zu
specificiren und zu belegen ist, den Gerichten einsenden.
D d 2
108 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
13.-14.)
Und wie (b) bey solchen Auctionen
nicht anders als gegen baar Geld, sogleich zu erlegen, zu verkaufen; Als muß,
wenn einer etwas erstanden, derselbe solches sofort folgenden Tages bezahlen,
und ist keinem, ohne Unterscheid ob er bekandt, daß er solvendo, oder einer der
vornehmsten Creditoren oder nicht, ohne baare Bezahlung nicht das Geringste
abzufolgen.
Es stehet also (c) dem Curatori nicht
frey, Auctions-Reste in seiner Rechnung zu führen, sondern im Fall er jemand
ohne Bezahlung, diesem zuwider, etwas abfolgen lassen, muß er solches aus
seinen eigenen Mitteln bezahlen, und das Geld in die Einnahme bringen.
Wenn aber (d) unter denen Mobilen
Juwelen, rare Schildereyen, Kunststücke, und andere Kostbarkeiten vorhanden,
sollen dieselbe wie §. seq. von den Immobilien geordnet, durch der Sachen
verständige und in specie beeydigte Taxatores taxiret, mit der Taxe und
umständlichen Beschreibung subhastiret, und wie sonst mit den Immobilien zu
verfahren, gerichtlich an den Meistbiethenden verkauft werden; Jedoch mit dem
Unterscheide, daß nach einmahliger Adjudication solche zu reluiren dem
Schuldner in Zeit von 4 Wochen, anders aber nicht, frey stehen solle; auch der
Käufer erst bey Verlauf 4 Wochen a die Adjudicationis das Geld zahle, und
dagegen die adjudicirte Stücke in Empfang nehme.
§. 14. Was die Immobilien betrift,
muß der Curator, (a) wenn gleich ein Immissus-Creditor (von dem er Rechnung zu
fordern hat) darinnen sässe, derselben Taxation, und wenn die Taxe zu denen
Acten gebracht, die Subhastation, wie in der Executions-Ordnung vorgeschrieben
worden, suchen. Worauf, wenn selbige geschehen, mit der Adjudication verfahren
werden muß. Und ist die Form dergleichen Adjudication sub Lit. C. hierbey
gefüget.
Denen Creditoribus aber und deren
Advocaten, wie auch dem Contradictori, wird (b) von denen zur Kauf-Handlung
angesetzten Terminis zum Ueberfluß Nachricht ertheilet.
Wann hingegen (c) das unbewegliche
Stücke wegen des gar zu geringen Geboths zu verkaufen nicht rathsam, oder sich
gar kein Käufer angiebet, oder das Kauf-Geld nicht sicher unter zu bringen
(welches das Gerichte wovor der Concurs schwebet zu erwegen hat), so kan ein
solches Immobile sub hasta demjenigen so am meisten biethet, mit Vorbewust der
Creditoren verpachtet, oder vermiethet, und was davon einkommt ad depositum
gebracht, und die Massa bonorum zu der Creditoren Besten verstärcket,
unterdessen aber das Guth anderweitig zum Kauf angeschlagen, und, wann sich
alsdann kein pinguior emtor findet, demjenigen welcher vorhin plus licitans
gewesen, das Guth adjudiciret, denen Creditoribus aber das Jus reluendi binnen
6 Monath frey gelassen werden.
Wann sich aber (d) kein Pächter
finden will, muß das Guth administriret werden; zu welchem Ende die Creditores
wenn sie den Curatorem bonorum nicht behalten wollen, sich eines communis
administratoris per majora zu vereinigen haben.
Es muß aber auch alsdann das Guth
anderweitig angeschlagen, und, wie in dem vorhergehenden §pho vorgeschrieben
verfahren, und wann sich ein Käufer findet, bey der Tradition das Kauf-Pretium
(wenn es auch ein Creditor kauft,) deponiret, und zu solchem Ende im Gerichte
ausgezahlet werden.
Wenn (e) ein Guth wiederkäuflich alieniret
worden, so fällt das Jus reluendi nach geendigten Wiederkaufs-Jahren an die
Creditores.
109 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
14.-20.)
Was (f) an gemeinen Lasten währenden
Concursus, und bis zur Adjudication, von Häusern oder andern liegenden Gründen abzuführen,
muß der Curator aus denen einkommenden Nutzungen bezahlen, und was zu repariren
nöthig ohnverzüglich, mit Vorwissen einiger Creditoren, oder des Richters
besorgen, damit die Gebäude zum Nachtheil derselben nicht verschlimmert, und
also immittelst geringer werden.
§. 15. Wann der Debitor in
verschiedenen Unsern Provintzien besondere Handlungen, oder verschuldete Güther
hätte, und es wäre an einem Orte Concursus entstanden, so kan das in denen
andern Provintzen belegene Vermögen, oder Handlungen, von dem Curatore zu
solchem Concurs nicht gezogen werden, sondern es müssen Creditores, nach
Gelegenheit, die Eröfnung des Concurs auch in denen andern Orten und Gerichten
suchen, welche auf gleiche Weise das hier Verordnete ex officio zu veranlassen
haben.
Auch seyn die auf dieselbe Güther
oder Handlunen versicherte Creditores zu dem Vermögen, worinnen Concursus
eröfnet worden, nicht zu admittiren; Es wäre dann daß nach Abfindung der zum
Concurs gehörigen Creditoren noch etwas übrig bliebe.
§. 16. In dem ad liquidandum
angesetztem Termino muß VII. sofort mit der Liquidation verfahren, und von
einem jeden Creditore angeführt werden, in was vor einer Classe er nach denen
Rechten lociret werden müsse.
Zu dem Ende müssen die Creditores,
und deren Mandatatii, in diesem oder in dem Consensu Creditorum prorogirten
Termino sich behörig quoad personam et causam legitimiren, und ihre Anforderung
an Capital, Zinsen und Kosten (bey Verlust des Capitals, Zinsen und Kosten)
angeben, copiam documenti, woraus ein jeder Creditor agiret, ad acta geben, und
solche mit dem Original bestärcken; auch, wenn die Forderung von einem andern
herrühret, dasjenige womit er sich dazu legitimiren kan vorlegen; wann er aus
Rechnungen, so mit dem Schuldner geschlossen, oder aus seinen eigenen
Rechnungs- und Handels-Büchern (welche wann sie Handlungs-mäßig geführt worden
semiplenam probationem haben sollen), seine Forderung zu verificiren
gewilliget, solche Stücke gleichfalls in originali produciren.
§. 17. Wobey Wir fest setzen, daß,
wann ein einheimischer Kaufmann binnen sechs Monath à dato der contrahirten
Schuld nicht klagt, er seine Forderung nicht aus dem Handels-Buche, sondern
durch ordentlichen Beweis verificiren müsse.
§. 18. Wann ein Creditor schon
vorhin, und ante Terminum liquidationis schriftlich liquidiret hat, kann er
sich darauf beziehen, und die Originalia produciren, welche in beyden Fällen
dem Secretario gegen einen Revers gelassen werden müssen.
§. 19. Wenn einiger Verdacht einer
Collision mit einem oder dem andern Creditore sich hervor thut, und bey der
Obligation einige Unrichtigkeit vermercket werden solte, so stehet dem
Contradictori, und einem jeden Creditori frey, von einem jeden Liquidanten
prævio juramento calumniæ den Eyd darüber zu erfordern, daß es mit der Obligation,
und mit der Schuld seine völlige Richtigkeit habe, und nichts gefährliches
dabey vorgegangen sey.
§. 20. Wann bey einem Unserer
verrechneten Dienern bey dessen Leben, oder in dessen Verlassenschaft nachhero
Concurs- oder Liquidations-Processe entstehen, und demselben entweder selbst,
oder mit dessen hinterlassenen Kindern, Erben und Verwandten, oder auch
gesetzten Curatore litis, vor dem Collegio worunter der verrechnete Diener
gestanden, oder, wann Wir besondere Commissarios geordnet, vor solchen ein Liquidum
constituiret worden, ist genug wenn solches Liquidation von einem Unserer
fiscalischen
E e
110 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
20.-24.)
Bedienten ad Acta gegeben, und in
Termino nochmahls mit der Commissarien Unterschrift, und Approbation des
Collegii so die Liquidation veranlasset, produciret wird; Und darüber ist weder
dem Schuldner und dessen Angehörigen, noch auch andern Gläubigern, ein fernerer
Disputat und Streit zu gestatten, sondern die Creditores müssen solche
annehmen, die Richter darnach in dem abzufassenden Urtheil erkennen, und die
Creditores, alles dagegen beschehenen Einwendens ohngeachtet, an obgedachtes
Collegium lediglich verweisen.
§. 21. Und da der Misbrauch bey
denen hiesigen Gerichten eingeschlichen, daß die Prætensiones und Anforderungen
derer Creditoren nicht separiret, sondern durcheinander geworfen, in ein
Volumen gebunden, auch mit denen generalien des Concurs confundiret worden, so
muß auch dieser Misbrauch abgestellet werden; Zu dem Ende ordnen und wollen
Wir, daß (a) ein jeder Creditor in Termino besonders seine Forderung
justificiren, und mit dem Contradictore ad duplicas usque verfahren solle,
welches Protocoll auch besonders geheftet, und eine besondere Rubric darauf
gesetzet werden soll.
Wann dieses Protocoll geschlossen,
muß (b) der zweyte, hiernächst der dritte Creditor, und so weiter auf gleiche
Weise liquidiren, und besondere Acta formiren.
Einem jeden Creditori stehet (c)
frey, wann der Contradictor etwas bey einer oder der andern Liquidation
versiehet, solches interveniendo zu suppliren; wie dann auch der Creditor
schuldig ist dem Contradictori, was gegen die Forderungen eingewendet werden
kann, an die Hand zu geben.
(d) Die Generalia, die bey dem
Concurs vorfallen, müssen in einen besondern Fasciculum verfast und geheftet
werden.
Der Commissarius oder Richter muß
jedes Protocoll eigenhändig unterschreiben, auch oben bey dem Anfang des ersten
Blattes, zwischen wem es gehalten worden, notiren.
Wann auch (e) der erscheinenden
Creditoren so viel, daß dieselben in einem Tage ihre Forderungen nicht alle ad
protocollum justificiren, und darüber recessiren können, soll damit folgenden
Tages, und so ferner bis alle Protocolla geschlossen, verfahren werden;
Worauf der Contradictor und die
Creditores in der nächsten Audientz die Acta, so sie complet seyn, nachsehen,
solches durch ihre Unterschrift attestiren, und solchergestalt Acta inrotuliren
sollen.
§. 22. Wann ein Creditor sich mit
seiner Prætension, erst nach geschlossenen Acten, bey der Inrotulation meldet,
so soll er den Process in dem Stande wie er lieget annehmen, und schweren, daß
er von dem Concurs vorhero keine Nachricht gehabt, da er dann mit seiner
Verification und Liquidation zwar in ipso collationis Termino (nachhero aber
nicht) zugelassen, der Contradictor und Creditores aber mit ihren Exceptionibus
dagegen gehöret, weiter aber nicht verfahren, sondern Acta pro inrotulatis
angenommen werden sollen.
§. 23. Im Fall ein Creditor das
Original, worauf sich seine Anforderung gründet, erst nach beschlossenen
Verfahren, oder in Termino inrotulationis vorbringen würde, so soll, wann der
Contradictor und Creditores etwas gegen die Validitæt des Originals einzuwenden
hätten, damit wie im vorhergehenden §pho verfahren werden.
§. 24. Wann er das Original gar
nicht vorzeiget, anbey an Eydes statt erhalten kan, daß er, aller angewandten
Mühe ohnerachtet, solches nicht erlangen können, muß
111 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
24.-31.)
ihm in Sententia prioritatis sub
conditione, wann er das Document binnen einer gewissen Zeit produciren, und
solches richtig befunden würde, sein Ort angewiesen werden.
§. 25. Wann nun VIII. wie vorstehet
in dem Process verfahren und geschlossen, müssen die Räthe, die den Process
bishero dirigiret haben, ein Classifications- und Prioritæts-Urthel verfertigen,
und braucht es daher ratione prioritatis keines besondern kostbahren und
weitläuftigen Verfahrens, weil dem Urthels-Fasser alle die Classen wornach die
Creditores lociret werden sollen, in der Hypothequen-Ordnung deutlich
vorgeschrieben worden.
§. 26. In dem Urthel ist (a)
zuförderst denenjenigen so nicht liquidiret, der ergangenen Verwarnung zufolge,
ein ewiges Stillschweigen aufzulegen, und sind dieselbe von dem Concurs oder
dem Grund-Stücke, worüber die Gläubiger citiret, gäntzlich abzuweisen.
§. 27. Demnechst haben (b) die
Urthels-Fasser in Acht zu nehmen, daß sie fremde Creditoren aus denen Orten, da
denen Unsrigen nicht gleiches Vorzug-Recht als nach dieser Ordnung gestattet
wird, keine andere Ordnung in der Urthel anweisen, als des Orts woher sie sind
geschiehet, sondern hierinn, als überall, auf das Jus retorsionis sehen.
§. 28. Keinem Creditori ist (c) in
eben der Ordnung als sein Capital, mehr als dreyjähriger Zinsen Nachstand (und
zwar nur von denen nächsten dreyen vorhergehenden Jahren) anzusetzen; die
übrige nachstehende Zinsen aber, nachdem alle Creditoren, auch die nur
schlechte Hand-Scheine und Buch-Schulden fordern, ihres Capitals halber
Befriedigung erhalten, in eben solcher Ordnung wie die Capitalia vorstehen
anzuweisen. Jedoch daß auch dieserhalb wider die Creditoren, so aus den Orten
sind wo das Sächsische oder sonst ein Recht, so dieser Hypothequen-Ordnung
zuwider, obtiniret, Jure retorsionis verfahren werde.
§. 29. Hätte (d) ein Creditor den
Schuldner seiner Forderung halber ausgeklaget, und wären demselben durch ein
Urthel oder Moderations-Bescheid gewisse Unkosten zuerkannt, sollen solche in
der Prioritæt-Urthel, wo das Capital ihm angewiesen wird, zugleich mit
angesetzet; diejenigen Kosten aber, so er bey dem entstandenen Concurs-Process
aufgewendet seine Forderung zu liquidiren und zu justificiren, sollen, wenn
gleich in der Obligation sonst Kosten verschrieben, nicht mit angewiesen,
sondern übergangen werden.
§. 30. (e) Diejenigen so einem
Gläubiger seine Forderung bezahlet, auch die Bürgen so dergleichen für ihren
Principal-Schuldner gethan, treten in der bezahlten Creditoren Recht, und sind
an deren Stelle in der Prioritæt-Urthel zu lociren: Jedoch dergestalt, daß die
Bürgen keine Cession vonnöthen haben, und, der von ihnen bezahlten Zinsen
halber, denen zahlenden Bürgen alle von ihnen bezahlte Zinsen als Capital
anzusetzen, wegen der hernach aufgeschwollener Zinsen aber, wie im
kurtzvorhergehenden §pho geordnet, es zu halten; Andere aber so einem Creditori
Zahlung gethan, können ihre Befriedigung wegen der von ihnen diesem bezahlten
Zinsen ein mehrers nicht als in vorhergehendem §. versehen, auch in der Ordnung
anders nicht, als was wegen der Creditorum selbst geordnet, nehmen.
§. 31. (f) Vor allen Creditoren sind
die zum gemeinen besten derselben, und zu Fortsetzung des Concurs-Processus,
jedoch keine andere als nach dieser Ordnung angewandte Gerichts-Kosten, und
Advocaten-Gebühren, darunter das Litis et bonorum Curatoris salarium mit
begriffen, in dem Urtheil anzusetzen. Wofern aber das Vermögen nicht
hinreichend alle Creditores an Capital und Zinsen zu befriedigen, müssen
diejenigen so Bezahlung erhalten die Kosten pro rata tragen.
E e 2
112 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
32.-40.)
§. 32. (g) Im Fall jemand ein
Grundstück und unbewegliches Guth durch freywilligen Kaufhandel an sich
bringet, oder auch auf Anhalten eines Creditoris ein solches gerichtlich
verkaufet, und diesem zugeschlagen wird, und der Käufer zu seiner Sicherheit
und Erforschung der darauf haftenden Schulden Creditores citiren lässet, ohne
daß ein Concurs förmlich eröfnet werde, (Vid. supr. §. 4. et 5.) sollen
deshalben wenn ein Urtheil darüber abgefasset wird, im ersten Fall keine Kosten
so auf die Citation verwandt, im letzten aber, wie in formali concursu
angesetzet werden. Im übrigen werden die Creditores nach folgenden Classen
lociret.
Erste Classe.
Von denen, welche ein Eigenthum, so
in des Schuldners Vermögen vorhanden ist, zurück fordern.
§. 33. Wann jemand ein
eigenthümliches Guth, beweg- oder unbeweglich, welches in des Schuldners
Vermögen annoch unverwendet befunden wird, zurück fodert (als welches in ipso
Termino liquidationis erweislich gemacht werden muß) so ist solches dem
Eigenthümer sofort wieder abzufolgen, ohne daß die Creditores sich dessen
anmassen, oder dasselbe verkaufen, und daraus ihre Befriedigung suchen können;
Als da sind
§. 34. I. Die bey dem Schuldener zu
verwahren niedergelegte Gelder, Waaren, oder andere Sachen welche noch
vorhanden seyn.
Die niedergelegte Gelder seyn
alsdann vorhanden, wenn sie mit des Deponenten Wapen versiegelt in des
Depositarii Verwahrung gefunden werden.
§. 35. II. Was demselben zu gewissen
Gebrauch geliehen, oder precario zu nutzen hingegeben worden.
§. 36. III. Sachen so ihm zu
verkaufen anvertrauet und in Commission gegeben worden.
§. 37. IV. Der Kinder ererbtes,
durch Geschenck überkommenes, oder im Krieg und sonst erworbenes Guth, auch
Pathen-Geschenck, so viel davon würcklich vorhanden.
§. 38. V. Wann jemand einem so in
Schulden vertiefet, dessen unwissend, auf guten Glauben Waaren oder Güther
verkauft, der Käufer aber zwey oder drey Tage nachher banquerout machet, so kan
der Verkäufer die noch existirende Waaren und Güther vindiciren, massen es
solchenfalls, als wäre kein Kauf geschehen, wegen der verkauften Stücke zu
achten.
§. 93. VI. Güther so der Schuldener,
unter Bedingung dieselbe baar zu bezahlen angekauft, das Geld aber davon nicht
erlegt:
§. 40. VII. Pfänder so bey dem
Schuldener versetzt seyn, wann die Eigenthümer das darauf vorgeschossene Geld,
samt Landüblichen Zinsen erlegen, andernfalls
113 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
40.-47.)
dieselbe zu verkaufen, und dem
Eigenthümer was daraus über Capital und Zinsen gelöset wird zurück zu geben.
§. 41. VIII. Wann jemand mit dem
Schuldner in gemeinschaftlicher Handlung gestanden, und in des Socii Schulden
nicht consentiret hat, so gehöret ihm die Hälfte der noch vorhandenen Waaren
und Güter zu.
§. 42. IX. Güther die mit
fideicommiss belegt, wann sie in das Land-Buch eingetragen worden.
§. 43. X. Der Frauen eingebrachte
Dotal- und Paraphernal-Stücke, auch Receptitia so würcklich existiren.
§. 44. XI. Wann einem Mann das
Ehe-Geld mit dem Beding gegeben wird, daß solches nicht anders als an ein
unbewegliches Stück verwendet werden soll, und solches auch würcklich dazu erweißlich
verwendet, und NB. daß das Guth mit der Frauen Geld erkauft sey, dem Land-Buch
eingeschrieben worden.
§. 45. XII. Wann der Frauen etwas
zur Morgen-Gabe geschencket, und solches noch vorhanden.
§. 46. XIII. Verkäufer unbeweglicher
Güther die sich das Eigenthum bis zur Zahlung reserviret, und solches ins
Hypothequen-Buch eintragen lassen.
Es muß aber die Anzeigung mit
richtiger Benennnung derer Güther, und derer Debitorum Vor- und Zunahmen
geschehen: die Eintragung des Reservati Dominii aber darf nicht besonders
gebethen werden, sondern die Landschaft oder Lehns-Cantzeley muß solches ex
officio notiren, und zu dem Ende den Contract fleißig durchlesen.
Und diese Præferentz ex capite
reservati dominii hat auch statt, wann (a) schon dem Käufer das Guth tradiret
worden, und dieser seinen Contract und Titulum eintragen lassen, weil dieser
Titulus nur conditionalis ist, und durch das zugleich eingetragene Dominium
reservatum limitiret wird. (b) Wann auch schon der Käufer nach verflossener
Tag-Zeit das Kauf-Pretium bey dem Käufer zinsbar stehen lassen: Weil fides des
Land-Buchs, so lang das Dominium reservatum nicht gelöscht ist, subsistiret;
allermassen derjenige, welcher ohngeacht des eingetragenen reservirten Dominii
dem Käufer Geld leihet, sich imputiren muß wann er sein Geld ehe das Dominium
reservatum gelöscht worden, hazardiret.
§. 47. Endlich und XIV. alles was
von einem fremden Guth absque justo Titulo in des Schuldeners Vermögen gefunden
wird: Dann wie alle diese Eigenthümer auf den Fall da alle diese Güther nicht
mehr in des Schuldners Vermögen existiren, lociret werden sollen, davon soll
unten §. . mit mehrern gehandelt werden.
Zweyte Classe.
Von denen Creditoren welche ein
Singulare Jus prælationis haben.
F f
114 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
48.-52.)
§. 48. Nach denen Eigenthümern
müssen diejenige welche ein singulare Jus prælationis haben, lociret werden.
Als:
§. 49. I. Unser Fiscus und dessen
Cessionarii, sowohl wegen der Caduquen und dem Fisco anheim fallenden Güther
(wenn solche in zu recht geschehener Zeit gefordert werden), als wegen der
Contributions-Reste, auch Unsere Chatoul-, Holtz-, Müntz-, Schoß- und
Roß-Dienst-Gelder, und an statt derselben des verglichenen Canonis, und aller
andern Anlagen und Gelder welche in Unsere Casse fliessen.
Insonderheit wegen der Pacht-Gelder
und Unsere Domainen-Pensionen von denen Saltz und andern Güthern, als auch was
Unsere Cassen-Administratores, auch andere Bediente, so einige Unserer Gelde
Einnahme haben, schuldig bleiben, vermöge Unsers Edicts vom 4ten Novembr. 1713.
§. 50. II. Es soll Unser Fiscus
nicht allein ein Vorrecht haben in des Pächters und Cassen-Bedienten Güthern,
sondern auch in denen Güthern des Caventen, welche vor dergleichen Leute
fidejubiret haben.
§. 51. Weil aber vielfältig sich
zuträgt daß dergleichen Pächter und Administratores, oder deren Caventen, wann
sie schon mit andern Schulden überhäuft seyn Unsere Domainen und andere Güther
zu pachten, zu administriren, oder davor zu caviren, und dadurch sich der
Execution wegen ihrer andern vorhin contrahirten Schulden zu entziehen suchen,
so würde die größte Unbilligkeit seyn wann diejenige Creditores welche bona
fide dergleichen Pächtern und Administratoren vorher ihr Geld und Vermögen
anvertrauet, und ihre Forderung in das Hypothequen-Buch eintragen lassen,
folglich alle menschliche Sicherheit gebraucht haben, unter dem Prætext Unsers
fiscælischen Interesse, dem Fisco nachgesetzet, und ohne ihre Schuld ruiniret
werden solten. etc.
Daher ordnen und wollen Wir daß
diejenige Bedienten welche dergleichen Contributiones und andere Gefälle
aufschwellen lassen, und binnen Jahres Frist nicht beygetrieben haben, item die
Collegia welche bey Verpachtung der Domainen etc. Güther, und Bestellung der
Cassen-Bedienten nicht die behörige Vorsorge angewandt, derer Pächter,
Administratoren, oder derer Caventen Vermögen nicht genau examiniret, das
Hypothequen-Buch nicht nachgesehen, oder, wann dergleichen Leuthe schon vorher
mit Schulden überhäuft gewesen, und dennoch zu Pächtern, Administratoren und
Caventen angenommen, oder die Caution nicht in das Hypothequen-Buch eingetragen
worden, etc. denen übrigen Creditoren, welche ihre Forderungen in das
Hypothequen-Buch eintragen lassen, in solidum haften sollen.
Und ob Wir zwar Unserm Privilegio
fisci nicht renunciren, sondern die Præferentz uns vorbehalten wollen, so declariren
Wir doch zugleich hiedurch, daß Wir denen in das Hypothequen-Buch eingetragenen
Creditoren auf solchen Fall Unsere Jura cediren, und Assistentiam fisci gegen
diejenige Bedienten und Collegia, welche die vorgeschriebene Præcautiones nicht
genommen, verstatten wollen: Die Execution soll gegen die Decernenten in
solidum, oder wann dieser nicht solvendo ist, oder der Creditor sich lieber an
das gantze Collegium halten will, gegen diejenigen so damals gegenwärtig
gewesen, pro rata geschehen.
§. 52. Zu dieser Classe gehören auch
III. diejenige Creditoren welche das Jus separationis haben: wann nemlich die
Creditores welche jemanden Geld vorgestreckt, oder sonst eine Anforderung an
ihn haben, nach dessen Tod verlangen, daß des Defuncti Vermögen von des
Successoris oder des Erben Güthern separiret, und ihnen allein zur Distribution
überlassen werden möge:
115 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
52.-54.)
Welche Præferentz in der gesunden
Vernunft gegründet ist, weil des Defuncti gantzes Vermögen denen Creditoren
haftet, folglich des Defuncti Erben und deren Creditores nicht eher Recht an
sothanen Vermögen haben, als wann zuvor dessen Schulden abgezogen worden.
Dieses Jus separationis hat also
nicht allein in beweglichen, sondern auch in unbeweglichen Güthern statt; Weil
diese gleichfalls zu dem Vermögen des Defuncti gehören.
Es höret aber diese aus dem Jure
separatonis herrührende Præferentz auf. (1.) Wann die beweglichen Güther des
Defuncti dergestalt mit dem Vermögen des Erben vermenget seyn, daß man nicht
mehr unterscheiden kan, was dem Defuncto gehöret: z. E. Wann alle Obligatoines
(= Obligationes) auf derer Erben Nahmen (ein anders ist also wann die
Obligationes noch auf des Defuncti Nahmen stehen) ausgestellet worden: in welchen
Fall die Creditores defuncti in der sechsten Classe lociret werden müssen. (2.)
Wann die Creditores defuncti auf ein unbewegliches Guth eine Hypothec erhalten,
und solche nicht eintragen lassen: dessen Erben aber anderweitig Gelder
aufgenommen, und Hypothequen auf dieses Guth constituiret haben, welche die
Creditores eintragen lassen: In diesem Fall haben die Hypothecarii defuncti vor
denen eingetragenen Hypothequen derer Erben keine Præferentz; Sondern sie
müssen zur vierten Classe verwiesen werden.
Gleiche Bewandniß hat es, wann die
Creditores des Successoris, oder des Erben verlangen daß das Vermögen des
Successoris von denen Güthern des Defuncti (welche vielleicht mit vielen
Schulden überladen seyn) separiret, und Creditores des Defuncti davon excludiret
werden mögen.
§. 53. IV. Die Begräbniß-Kosten des
verstorbenen Schuldeners; darunter die der Witwen und denen Kindern gegebene
Standes, und dem Vermögen gemässe Trauer-Kleider, und was dazu gehöret mit
begriffen seyn; Jedoch sollen auf andere dem Schuldner angehörige Personen
verwandte Begräbniß-Kosten darunter nicht gerechnet werden.
Damit aber künftighin es keines
ungewissen und zweifelhaftigen richterlichen Ermessens bedürfe; und wie viel in
Ansehung der verstorbenen Schuldners Standes und Vermögens an Begräbniß-Kosten
anzusetzen, und aus dem Nachlaß vor andern Creditoren, wenn selbiges zu aller
Befriedigung nicht hinreichend seyn möchte zu bezahlen; So ordnen Wir hiermit,
daß in eines von Adel Concurs (dann was ausser dem Concurs ein jeder nach seinen
Stande anwendet gehöret nicht hierher) an Begräbniß-Kosten zuzulassen 50 Rthlr.
die, wann as Allodium nicht zureichend seyn solte, aus den würcklichen oder ins
Erbe versetzten Lehn zu bezahlen. Zu eines vornehmen Bedienten bürgerlichen
Standes, auch 50 Rthlr. Zu eines geringen Bedientens, Kaufmanns oder Künstlers
30 Rthlr. Zu einem gemeinen bürgerlichen Begräbniß 10 Rthlr. Und solches kan
der Sterbende, wann er gleich ein mehrers verordnen wollen, durch seine
Disposition in keine Wege ändern; zumahlen aller Ueberfluß, so auf Stand-Reden,
Leichen-Predigten, Gastmahle, Leichen-Steine und so weiter verwendet werden,
billig hier cessiren, und nicht mehr als vorhin gemeldet in diese Classe
passiren muß.
Würde aber jemand ein mehrers, als
hier geordnet, auf das Begräbniß eines Verschuldeten verwenden, hat er, wenn
das Vermögen soweit reichet, deshalb seine Befriedigung inter Chirographarios
zu gewarten.
§. 54. Nach denen Begräbniß-Kosten
folget V. was für des Schuldeners, nicht aber dessen Kinder oder anderer
Familie, Artzeney, und nothdürftigen Nahrungs-Unterhalt, in seiner letzten
Kranckheit, darin er verstorben, denen Medicis, Wund-Aertzten,
F f 2
116 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
54.-61.)
auch Apotheckern, und andern
schuldig blieben; worunter aber nicht was währender Kranckheit an Gewürtz und Delicatessen
aufgewendet, mit unterlaufen soll; Vid. infr. §. 128. Und haben sich die
Medici, Chirurgi und Apothecker mit ihrer Liquidation nach der
Medicinal-Ordnung und Apothecker-Taxe zu richten.
§. 55. VI. Diejenige so in des
Schuldners Hause und Diensten um ein gewisses Jahr-Geld gedienet, als
Præceptoren, Schreiber, Koch, Diener, Kutscher-Knechte, Vieh-Hirten, Drescher,
Ausgeber- und Schliesserinnen, Ammen, Cammer-, Hof-, Haus-, Vieh- und andere
Mägde, die Meyer, Hofmeister und deren Weiber auf dem Lande, die Gärtner,
Wein-Meister und deren Gesellen, imgleichen in denen Städten die Buchhalter,
Provisores und andere Gesellen, so zur Zeit des Absterbens, oder entstandenen
Falliments, würcklich in des Schuldeners Brod sich befinden, sollen mit zwey
Jahres, und zwar denen in Unsern Landen und Städten publicirten
Gesinde-Ordnung, oder wo dergleichen nicht vorhanden, der bisherigen Gewohnheit
gemässen Lohn, gleiches Vorrecht geniessen: auch diejenigen Handwercks-Leuthe und
Tagelöhner welche auf dem Lande und Städten im Hause um gewissen Lohn
gearbeitet.
§. 56. Andere Dienstbothen aber so
bereits ausser dem Brod des Schuldeners, (es wäre denn, daß sie sogleich als
sie aus dem Dienst getreten, wegen des rückständigen Lohns wider den Herrn
geklaget) sowohl als diejenigen welche noch würcklich in dessen Diensten sind,
und über zwey Jahre Lohn zu fordern haben, werden deshalb, wenn sie um ein
besseres Recht zu erlangen von dem Schuldner keine andere Versicherung
genommen, unter denen Chirographarien angewiesen.
§. 57. Nicht weniger sollen auch
VII. die ausser dem Hause seynde Professores, Præceptores auf Universitæten und
Schulen, item Schreib- und Rechenmeister, und die so in Mathesi und
Ingenieur-Kunst informiren, in dieser Ordnung lociret werden.
§. 58. Auf gleiche Weise sind
diejenigen zu tractiren, so an statt Lohns ein gewisses Deputat bekommen. Wäre
aber kein gewisses Dienst-Lohn oder Deputat versprochen, so hat das Gerichte wo
der Concurs schwebet das Lohn oder Deputat nach der Condition des Dienstbothen,
der Landes-Ordnung, und der Billigkeit gemäß einzurichten.
§. 59. Dem Dienst-Lohn ist IX.
gleich zu achten das in dem letzten Jahr verdiente Pflüger-Lohn, die
vorgeschossene Aussaat, auch die zu Unterhaltung des Viehes verglichene und
restituirende Weyde-Pacht. Item
§. 60. X. Die Lasten und Pflichten,
so auf den Güthern und liegenden Gründen haften, und daraus gegeben werden
müssen; als die Einkünfte der Kirchen, Zehenden, Meßkorn, und andere Belohnung
der Kirchen- und Schul-Diener; die aus Stiftungen und Vermachungen herrührende,
und der Kirchen zustehende Gaben, die Canones emphiteutici, und unabläßliche
jährliche Zinsen, Renten und Einkünfte, als Pacht-Korn, auch der Obrigkeit
gebührendes Zinse-Geld, Rauchhuhn, und der Nachstand wegen nicht geleisteter
Dienste; Ingleichen was die Obrigkeit den Unterthanen an Saamen und Brod-Korn
vorgesetzet, auch der Orten da solches erhoben wird, an landschaftlicher Accise
bezahlet: Ferner dasjenige was Unterthanen ihrer Obrigkeit, und Bürger dem
Magistrat geben, auch zu gemeinen Stadt-Bürden tragen müssen: als Bier- und
Tranck-Steuer, Servis-, Frohn- und Dienst-Geld, und andere dergleichen Gefälle.
§. 61. Damit aber auch diejenigen,
welchen im vorstehenden §pho einiges Vorrecht gegeben, dasselbe zum Nachtheil
anderer Creditorum nicht mißbrauchen mögen; So soll dasselbe in infinitum sich
nicht erstrecken; sondern ihnen weiter nicht zu statten kommen, als auf einen
zweyjährigen Nachstand so vor dem eröfneten Concurs
117 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
61.-67.)
verfallen. Hätten sie aber zum
Beschwer der Güther mehr ungemahnet nachstehen und aufwachsen lassen, gehören
solche unter die gemeine chirographische Schulden, und sind die Vorstehere der
Kirchen und anderer Stiftungen, auch Cämmerer und Einnehmer bey den
Stadt-Güthern, und andere Receptores obrigkeitlicher Gefälle, wenn ein mehrerer
Nachstand als von zwey Jahren aus des Schuldners Vermögen bey den
chirographischen Schulden nicht bezahlet werden könte, denselben aus ihren
eigenen Mitteln, welche dafür haften, zu erstatten schuldig; Und sollen im Fall
diese die Zahlung nicht leisten könten, diejenige so die Rechnung abzunehmen
haben, ebenfalls dafür stehen; Maassen Wir denn auch bey Unsern Cassen und
Domainen die Versehung werden thun lassen, daß daselbst keine Reste, oder
wenigstens nicht höher als von zwey Jahren aufwachsen, und vor den Ueberrest,
wenn es zum Concurs kommen möchte, die Einnehmer stehen sollen.
§. 62. Könten jedoch die so
jährliche Forderung zu erheben befuget, daß sie durch fleißige Einmahnung,
gerichtliche Hülfs-Suchung, die Zahlung nicht erhalten können, aus denen
Gerichts-Actis in continenti erweisen, solchenfalls hätten sie auch wegen des
über 2 Jahre befindlichen Nachstandes, solches Vorrecht zu geniessen.
§. 63. Hätten aber die Gerichts-,
Pacht- und Dienst-Herren von ihren obgedachten Forderungen bey den Unterthanen
so viel aufschwellen lassen, daß derselben Vermögen zu ihrer aller Befriedigung
nicht hinlänglich, und es wären keine andere Creditores vorhanden, um deren
Willen nach vorstehenden §phis zu erkennen; So gehen dieselben ihrer Forderung
halber in tributum oder zu gleichen Theilen nach Proportion ihrer Forderungen.
§. 64. XIII. Wann jemand einem
Officier zu seiner Krieges-Equipage mit Consens seines Officiers leihet, aber
nicht höher als auf die im Edict vom 4ten Julii 1746 festgesetzte Summe und
Weise: welches Edict zu dem Ende sub Lit. hierbey gedruckt worden.
§. 65. XIV. Wann jemand auf ein
bewegliches Unterpfand Geld leihet, und solches in Händen hat. Wann schon ein
anderer ein pignus generale auf ale bewegliche Güther des Debitoris vorhin
erhalten. Wann aber nach Verkaufung des Pfandes von dem Kauf-Geld nach Abzug
dessen was er darauf geliehen, und ihm an landüblichen Zinsen, auch Kosten
gebühret, etwas übrig bleibet, solches ist er denen andern Creditoren
herauszugeben schuldig.
§. 66. Vorstehende Creditoren gehen,
wenn des Schuldeners Vermögen zu ihrer aller Befriedigung nicht zureichend seyn
sollte, nicht in tributum, sondern folgen einander; Und wann æque privilegiati
concurriren, werden die ältere denen jüngern vorgezogen.
Dritte Classe.
Von denen welche eine in das
Schuld-Buch eingetragene Hypothec haben.
§. 67. Zur dritten Classe gehören
diejenige Creditores, welche ihre Schuld-Forderung oder Recht in das
Hypothequen-Buch eintragen lassen, und gehen diese allen Creditoren, welche
nicht zu denen beyden vorigen Classen gehören, sie mögen ein
G g
118 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
67.-70.)
Privilegium personale haben, und judiciales
seyn oder nicht, vor: Allermassen in soweit die vorige Hypothequen-Ordnung
hierdurch geändert wird.
Dann da die Hypothequen-Bücher
dieserwegen eingeführet worden, damit ein jeder welcher Geld auf ein Guth
leihen, oder seine Sicherheit wegen einer Ehestiftung, Vormundschaft etc. haben
wollte, vergewissert seyn möge, ob und was vor Schulden auf den Güthern haften;
So würde die Haupt-Intention derer Hypothequen wegfallen, wann die
stillschweigende Hypothequen, Dominia Reservata, Jura separationis,
fideicommissa familiæ, etc. worvon in dem Schuld-Buch keine Nachricht
vorhanden, vorgehen solten, in mehrerer Erwegung, da dergleichen Creditores
sich selber imputiren müssen daß sie ihre Jura nicht gleichfalls eintragen
lassen, und ihre Sicherheit dadurch gesucht haben.
§. 68. Es haben also dergleichen
eingetragene Schulden etc. eine Præferentz vor allen folgenden nicht
eingetragenen Foderungen, als:
1.) Vor denen Dominiis reservatis.
2.) Vor denen Frauen, oder deren
Kindern ratione ihrer Dotal- und Paraphernel-Gelder (!), auch Leib-Gedings, wann
sie auch
3.) Schon unter der Condition
hergegeben worden, daß unbewegliche Güther damit angeschaft werden sollen.
4.) Vor denen Erb-Geldern welche aus
den Guth herausgegeben werden müssen; Es bestehe in ausgemachten Vater- oder
Mutter-Guth, oder brüderlichen und schwesterlichen Antheil etc.
5.) Vor denen Bau- und
Besserungs-Kosten eines Guths, die nach der eingetragenen Hypothec in das Guth
verwandt worden.
6.) Vor denen fideicommissis
familiæ, majoraten etc.
7.) Vor denen Schulden derer
Unmündigen, Soldaten, Kirchen und anderer piorum corporum, mit deren Geld
Güther eingekauft worden.
8.) Vor denen die zu Erkaufung eines
Guths mit dem Beding Geld vorgeschossen, daß ihnen das Guth zur Hypothec haften
solle.
9.) Vor den Hypothecariis welche das
Jus separationis haben, aber solches nicht eintragen lassen.
Es wäre denn daß dieselbe
Hypothecarii gleich nach dem Absterben ihres Creditoris, und ehe die von denen
Erben constituirte Hypothequen eingetragen worden, dem Erben die Schuld
aufgesagt, und dieselbe nach Ablauf des Termins gerichtlich eingeklagt hätten.
10.) Vor denen widerkäuflichen
reditibus annuis, Zinsen, und Renten, welche auf einem Grund-Stücke haften,
wann solche nicht eingetragen worden.
11.) Und endlich in genere vor allen
Hypothecariis welche ein ausdrückliches oder stillschweigendes Pfand haben,
wann sie solches nicht eintragen lassen.
§. 69. Wann aber auch alle diese
Debita nachhero eingetragen werden, so erhalten sie keine Præferentz als von dem
Tage da sie eingetragen worden.
§. 70. Alle eingetragene Creditores
folgen einander nach der Ordnung und Zeit der Eintragung, dergestalt daß der
ältere denen andern vorgehet.
119 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
71.-78.)
§. 71. Im übrigen stehet einem jeden
Creditori frey zu seiner Sicherheit eine judicialiter, oder extra judicialiter,
auch tacite constituirte Hypothec, auch ohne des Debitoris Consens in das
Land-Buch eintragen zu lassen, wann nur der Creditor die Original-Obligation
produciret, wodurch dann die vorige Hypothequen-Ordnung in diesem Stücke geändert
wird.
§. 72. Wann jemand eine
General-Hypothec erlanget, und nachmahl auf ein besonderes Stück eine
Special-Hypothec sich constituiren, und beyde eintragen lassen, so gehet
derselbe General-Hypothecarius einem jüngern Creditori, der auf diesem besondern
Stück sich gleichfalls eine Special-Hypothec auch an dem Ort eingetragen
worden, wo das besondere Stück belegen ist.
§. 73. Desgleichen præjudiciret die
einem jüngern Creditori von dem Schuldener eingeräumte Possession eines Guths
einem ältern Gläubiger, der seine Schuld eintragen lassen, nicht, sondern es
wird dieser jenem dennoch vorgezogen.
Vierte Classe.
Von denen welche nebst dem Jure
hypotecæ ein Privilegium personale haben.
§. 74. Zur vierten Classe gehören
diejenige welche nebst einem stillschweigenden Pfand ein Privilegium personale
haben, aber ihre Jura nicht eintragen lassen, als:
§. 75. I. Wenn einer Geld zum
Studiren hergegeben.
§. 76. II. Die Ehefrauen und derer
Kinder so viel das eingebrachte Ehe-Geld betrift, und sind diese von Zeit der
Verheyrathung allen und jeden des Ehemanns Gläubigern, welche nicht unter die
vorhergehende Classen gehören, vorzusetzen; Desgleichen mit den Paraphernalien
von Zeit des Einbringens, und den receptitien.
§. 77. III. Gleiches Vorrecht haben
auch die Ehe-Frauen wegen der, an statt des Ehe-Geldes, beständig
verschriebenen jährlichen Leib-Zinsen, oder rechtmäßigen Leib-Gedinges zu
geniessen:
Jedoch lieget der Ehe-Frauen oder
deren Kindern ob erweißlich beyzubringen, daß sie das gesetzte Ehe-Geld ihrem
Ehemann würcklich und wahrhaftig eingebracht. Die würckliche Verwendung in des
Mannes Güther und Nutzen, soll sie zu erweisen nicht gehalten seyn.
§. 78. Damit aber wegen des Beweises
nicht Weitläuftigkeit entstehen möge, So ordnen und wollen Wir, daß künftig
weder auf des Mannes blosse Quitung, noch auf der Frauen Juramentum
suppletorium gesehen werden solle, sondern es muß alles dasjenige was eine
Ehefrau ihrem Mann einbringet, allemahl in dem ordentlichen Gerichte des
Ehemanns oder der Ehefrauen ausgezahlet? deshalb von dem Ehemann gerichtlich
quitiret, auch dabey deutlich gesetzet werden, was er an Ehe-Geld, Paraphernal
und receptitien empfangen; worauf das hierüber zu haltende Protocoll in das
Gerichts-Buch niedergeschrieben werden soll.
G g 2
120 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
79.-87.)
§. 79. Desgleichen wenn durch
Erb-Recesse, Schenckungen, und sonst der Frauen noch etwas zufällt, müssen
solche ordentlich in denen Gerichten vorgetragen, und derjenige, so das Geld
ausgezahlet, von der Frau nebst dem Ehemann quitiret werden, auch ob solches
der Mann als ein Eingebrachtes erhalten, oberwehntermassen mit registriret
werden.
§. 80. IV. Alles was im
vorhergehenden, wegen der Frauen geordnet, solches soll auch bey adlichen
Personen in Ansehung der Ritter-Güther statt haben; Wovon in Unserer
Lehns-Constitution näher verordnet worden.
§. 81. Im übrigen soll auch V. was
oben von der Frauen insgemein geordnet, bey den Juden-Weibern statt haben, wenn
sie in ihrer Ehe-Stiftung den Dotem exprimiret, und solcher in Gegenwart des
Rabbi und zwey Zeugen ausgezahlet worden.
§. 82. Eine Frau aber die VII. mit
ihrem Mann Kaufmannschaft gehalten, und neben ihm einen offenen Laden, oder
offene Marckt-Handelung, Wirthschaft oder Weinschanck zu ihrem eigenen Vortheil
mit getrieben, und dem Mann nicht bloß zur Hand gegangen, und geholfen, hat
diese Rechts-Wohlthat und Vorzug nicht zu geniessen.
§. 83. Hätte VIII. eine Ehefrau die
Güther ihres Mannes in dessen Abwesenheit eine geraume Zeit übel verwaltet,
oder durch ihr böses Haushalten dem Mann zu seinen gefährlichen Aufborgen und
Verderben mit geholfen, oder auch wohl gar denselben zum unnöthigen depensiren
instigiret, oder vor sich übermäßigen Pracht getrieben, oder sonst ein mehreres,
als die Interessen von ihren Illatis betragen, oder hauswirthlich entbehret
werden können, verthan, und dergleichen von denen Creditoren mit Grunde auf sie
gebracht würde; So soll dieselbe der verstatteten Rechts-Wohlthat und
Vorzugs-Recht unwürdig, mit dem ihr sonst zustehenden Vorrecht zurückgesetzet,
und alsdann erst, wann nach Befriedigung aller Creditoren noch etwas übrig ist,
lociret werden.
§. 84. IX. So gebühret auch das
Vorzugs-Recht allen der Frauen Erben in absteigender Linie in infinitum,
keinesweges aber deren Eltern, oder seitwerts Verwandten, vielweniger fremden
auswärtigen Testaments-Erben; sondern es haben diese unter denen gerichtlichen
Hypothequen, oder unter den stillschweigenden Unterpfänden in gehöriger Ordnung
ihren Locum zu erwarten.
§. 85. Ebenermassen kan X. dieses
Vorzugs-Recht von der Frau einen fremden nicht abgetreten, oder cediret werden;
Cedirte sie aber jemand ihr Recht quoad hypothecam consensu munitam, vel
protocollo publico inscriptam, ist solches zu recht beständig, und dem
Cessionario deshalb locus competens anzuweisen.
§. 86. XI. Diejenigen so zu
erweißlichen Bau-, Besser- und Erhaltung eines Hauses, Schiffes, oder andern
Guths hergeliehen, wann das Geld würcklich dazu angewandt; desgleichen alle
diejenigen so zu Erbauung eines neuen, oder zu Reparirung eines alten Gebäudes
oder Schiffes, die Materialien erweißlich hergegeben, als Steine, Holtz, Kalck,
Fenster-Glas, Ofen und dergleichen, haben den Vorzug ihres Darlehns halber, vor
allen folgenden Classen folglich auch vor denen Creditoren so ältere, auch
gerichtlich confirmirte Verpfändung haben, aber nur von zwey Jahren ante motum
concursum.
§. 87. XII. Auf gleiche Weise
gehöret auch hieher der Handwercker Arbeits-Lohn, wann die angefertigte oder
ausgebesserte Gebäude oder Schiffe noch würcklich vorhanden, und brauchbar
seyn.
121 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
88.-94.)
§. 88. Damit aber der Beweiß wegen
des gethanen Vorschusses, an Gelde oder Materialien, dem Gläubiger nicht zu
schwer fallen möge, so soll der Gläubiger den geschehenen Bau, oder Refection,
durch die Gerichte in Beyseyn des Schuldeners besichtigen, und nach Gelegenheit
unter der Obligation, oder sonsten, von denenselben attestiren lassen, welches
dann des Beweises halber vor zulänglich gehalten werden soll.
§. 89. Damit aber die
Handwercks-Leute diese Prærogativ nicht zum Nachtheil anderer Creditorum
mißbrauchen mögen, so soll dieselbe sich nicht in infinitum erstrecken, sondern
nicht weiter als auf einen zweyjährigen Nachstand, so vor dem entstandenen
Concurs verfallen, gelten.
Wann also binnen zwey Jahren die
hierunter interessirende Creditores durch gerichtliche Hypothequen, und deren
Einschreibung auf Immobilia, oder durch würckliche Einlieferung des
Unterpfands, sich binnen solcher Zeit nicht prospiciren, solchenfalls sollen
sie nach Ablauf der zwey Jahre inter chirographarios lociret werden.
§. 90. XIII. Die Unmündige und
minderjährige Soldaten, Kirchen, auch andere die in den Rechten mit diesen
gleich geachtet werden, haben in denen erweislich mit ihren Gelde erkauften
Güthern, Häusern und anderen liegenden Gründen, gleiches Vorzugs-Recht zu
geniessen.
§. 91. XIV. Hätte auch jemand zu
Erkaufung eines Hauses oder Guthes mit dem Beding Geld vorgeschossen, daß das
erkaufte Guth ihm zum Unterpfand haften solle, solches aber nicht eintragen
lassen, so wird derselbe mit sothanen Vorschuß hierher angesetzet.
§. 92. XV. Der ein Haus, Acker, oder
andern liegenden Grund, es sey Erb- oder Erben-Zins-Guth, oder ein ins Erbe
versetztes Lehn verkauft, und wegen des nicht, oder nicht völlig bezahlten,
sondern auf Tagezeit behandelten Kauf-Geldes, ihm das Eigenthum bis zu Zahlung
an dem verkauften Stücke vorbehalten, solches aber in das Land-Buch nicht
eintragen lassen.
§. 93. Schließlich gehören auch zu
dieser Classe diejenige Hypothecarii welche das Jus Separationis haben: das
ist, welche bitten daß das Vermögen ihres verstorbenen Creditoris von dem
Vermögen des Successoris separiret werden möge, aber ihre Hypothec nicht haben
eintragen lassen.
§. 94. Alle in dieser Classe
angesetzte Creditores folgen einander nach der Zeit, daß der ältere dem andern
vorgehet.
Fünfte Classe.
Von denen welche eine gerichtliche
oder stillschweigende Hypothec erhalten, solche aber nicht eintragen lassen,
noch ein Privilegium personale haben.
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122 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
95.-101.)
§. 95. Zur fünften Classe gehören
alle Creditores welche entweder eine gerichtliche, oder stillschweigende
Hypothec auf ein Grund-Stück erhalten, aber solche nicht eintragen lassen, noch
ein Privilegium personale haben, und auf folgende Weise zu lociren und
anzusetzen seyn.
§. 96. I. Diejenigen welche ihnen
eine Hypothec gerichtlich constituiren lassen, gehen allen andern welche ein
stillschweigend Pfand haben, oder welchen ausser Gericht privatim eine Hypothec
verschrieben worden, ihre Recht aber in das Land-Buch vorhin nicht einschreiben
lassen, auch kein Privilegium personale haben, in denen verpfändeten Güthern
vor, und werden unter sich nach der Zeit der gerichtlichen Versiegelung
lociret.
§. 97. Wann jemand sich neben der
General-Hypothec auch eine Special-Hypothec auf ein Guth gerichtlich bestellen
lassen, ist er zuforderst auf diese zu verweisen und zu lociren; Im Fall er
aber daselbst seine Zahlung nicht erhielte, kan er sich an der gerichtlichen
General-Hypothec erholen.
Jedoch hat solches nur alsdann
statt, wann der Gläubiger nicht bey der Pfand-Verschreibung bedungen daß die
allgemeine Verpfändung der Güther der specialen, und diese jener, nicht
præjudiciren soll.
§. 98. Wan der Gläubiger einem
jüngern gerichtlichen Hypothecaria das verpfändete Guth einräumet, kan solches
dem ältern gerichtlichen Hypothecario nicht præjudiciren. Es wäre dann daß der
jüngere seine Hypothec eher als der ältere in das Land-Buch eintragen lassen.
§. 99. Wann jemand allein eine
gerichtliche Special-Hypothec hat, aber seine Bezahlung daraus nicht erlanget
hätte, kan er zwar aus dem gemeinen Vermögen den Abgang suchen; einem andern
aber ist er in dem Stück, welches diesem entweder generaliter oder specialiter
gerichtlich verschrieben gewesen, nicht zu præferiren.
§. 100. Wie dann auch derjenige, der
eine General-Hypothec auf Nomina Activa erhalten, dadurch kein Præferentz
erhält. Es wäre denn daß ihm die Handschrift originaliter eingeliefert, oder zu
seiner Sicherheit in das Gericht oder bey einem Dritten niedergelegt worden.
§. 101. Diesen gerichtlichen
Hypothequen folgen diejenige, welche nach Anleitung der Rechte in des
Schuldeners Güthern ein stillschweigendes Unterpfand erhalten, solches aber
nicht eintragen lassen, und gehen diese stillschweigende Hypothequen eine der
andern nach der Zeit erlangten Rechts vor oder nach.
Dergleichen Tacitam Hypothecam haben
(1) die Pupillen und Minderjährige (et)c. Wann nemlich die Gerichte derer
Unmündigen ihre väterliche und mütterliche Erbtheile (et)c. nicht in das
Hypothequen-Buch einschreiben lassen, oder ohne diese Præcaution dem Vormund in
die Hände geben.
Item, wann die Vormünder die
Vormundschaft nicht eintragen lassen, oder bey Auslehnung der Pupillen-Gelder
diese Præcaution nicht gebrauchen, oder sonst übel administriren; so haben die
Unmündige in allen des Vormundes Güthern wegen der Vormundschaft ein
stillschweigendes Pfand, jedoch ohne Vorzugs-Recht vor denen gerichtlichen
Hypothequen; und seyn demnach solche Unmündige und Minderjährige, item prodigi,
muti et surdi, absentes, furiosi, auf der Vormünder und Curatoren Güther zu
lociren.
123 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
102.-110.)
§ 102. Gleiches Recht stehet auch
(2) denen Kindern in der Mütter- und Großmütter Vermögen zu, wenn selbige die
Vormundschaft über sich nehmen und verwalten. Hätten auch diese ehe sie die
Kinder mit andern Vormündern versehen lassen, und Rechnung ihrer Administration
abgeleget, sich anderweits verehliget, haften des neuen Ehemanns Güther, sowohl
als der Mutter eigene, denen Kindern zu ihrer völligen Befriedigung zum Unterpfande.
§. 103. In bonis litis Curatoris, so
denen Weibern gesetzet werden, hat (3) keine Hypotheca Tacita statt.
§. 104. Die Frauen haben (4) wegen
ihrer Receptitien und Gegen-Vermächtniß, auch Morgen-Gabe, wenn dieserwegen sie
keine bessere rechtliche Versicherung erlanget, gleichfalls Hypothecam tacitam,
und zwar nach der Zeit da der Mann solches administriret.
§. 105. So competiret dergleichen
Hypothec auch (5) denen Kindern wegen ihres Mutter-Guths, Pathen-Geldes, und
andern Güthern so Adventitia genennet werden, in des Vatern Vermögen, wenn
selbige nicht würcklich mehr darin vorhanden, sondern consumiret seyn. (Vid.
Class. 1. N. 4.)
§. 106. Ferner und (6) stehet
sothane Hypothec denen Kirchen, Schulen, Stipendiaten, Hospitalien, Städten und
Gemeinen in den Güthern ihrer Vorsteher und Administratoren zu, bey deren
Bestellung diejenige so sie anzuordnen befugt sind, auf ihres Vermögens Zustand
wohl Acht zu haben, und aus dem Hypothequen-Buch deshalb Erkundigung
einzuziehen, und insonderheit bey denen Cämmereyen, zu Bestellung gnugsamer
Caution die Bediente anzuhalten; Massen widrigenfalls, und da wegen der
Caution-Bestellung etwas versäumet, und der Stadt und Cämmerey Schaden
zugefüget würde, die Magistrats-Personen und andere so dergleichen Caution zu
erfordern haben, ex propriis solchen ersetzen, und dafür haften sollen.
§. 107. Und erstrecket sich auch (7)
diese stillschweigende Hypothec auf aller derer Güther, welche denen Kirchen,
Schulen, Stipendiaten, und Hospitalien auch Städten und Gemeinen ex contractu
schuldig seyn, insonderheit wenn der Patronus der Kirchen derselben schuldig
worden, von der Zeit an da er das Jus Patronatus erlanget.
§. 108. Desgleichen hat (8) ein
jeder Herr dergleichen Hypothec in dem Vermögen und Güthern seiner Bedienten, Einnehmer,
Verwalter oder anderer, welche Guth oder Geld zu verwalten und zu bezahlen
haben: auch die Creditores so den Woll-Fabricanten und Arbeitern an Wolle oder
Geld zu ihrer Manufactur Vorschuß gethan, Vermöge Unsers Edicts vom 20ten Sept.
1719. hiebey Lit. gedrucket.
§. 109. Unser Fiscus hat eine
Hypothecam tacitam wegen verwürckter und wider den Schuldener erkannter Strafe,
von Zeit der Erkänntniß, im Fall die Strafe nicht auf gäntzliche Confiscation
der Güther gehet. Wäre aber dieses, so ist Fiscus erst nach dem alle, auch chirographische
Schulden befriediget, in den übrigen Rest des condemnirten Vermögen zu setzen.
§. 110. Was (10) ein Pächter oder
Miethsmann von seiner eigenen fahrenden Haab in das gepachtete Guth, Haus, Hof,
Gemach, Keller oder Gewölbe gebracht, darauf hat der Vermiether so wohl für den
Schaden so ihm durch den Mietsmann zugefüget wird, als Pacht und Mieths-Geld,
und an denen aus solchen Contract fliessenden Præstandis, tacitam hypotecam,
wenn er sich schon anderwerts durch ausdrückliche Verpfändung mehrere
Versicherung geben lassen.
H h 2
124 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
111.-115.)
§. 111. Derjenige dem (11) in einem
letzten Willen eine gewisse Summe vermachet, hat deshalb Jus tacitæ hypothecæ
auf der gantzen Erbschaft, und kan seine Befriedigung von jedem Erben pro rata
suchen; der Stillschweigenden Hypothec aber sich darin erst zu gebrauchen, wenn
alle auf der Erbschaft haftende Schulden bezahlet seyn.
Wofern ihm ein gewisses Stück
legiret, oder vermachet, stehet ihm gleiches Recht gegen dessen Besitzer zu.
§. 112. Wann (12) bey entstandenem
Concurs der Debitor wegen seiner Schuld-Foderung, so durch eine Hypothec
versichert gewesen, sich vergleichet, und seinem Creditori eine neue
Verschreibung ausstellet, nachhero aber wiederum fallit wird, so stehet dem
Creditori frey sich wieder an sein voriges Unterpfand zu halten.
Wann also die vorige Schuld-Foderung
eingetragen und in dem Hypothequen-Buch nicht gelöscht worden, tritt der
Creditor in das vorige Recht, und gehet allen nachher eingetragenen Hypothequen
vor, wann schon eine Novatio durch den Vergleich geschehen.
Gleiche Bewandniß hat es, wann die
alte Hypothec nicht eingetragen gewesen, jedoch ein personale Privilegium hat;
oder wann eine gerichtliche Hypothec vorhin constituiret gewesen. Es wäre dann
daß eine Novatio ohne Vorbehalt der vorigen Hypothec geschehen.
§. 113. Wann (13) ein Bürge zu
Zahlung einer Schuld, wofür der Principal keine ausdrückliche Hypothec
constituiret, vertheilet, dabey aber der Regress gegen den Principal-Schuldner
vorbehalten wird, der Bürger auch darauf Zahlung gethan; Soll solche
Reservation ihm statt eines stillschweigenden Unterpfandes gelten.
§. 114. Ferner und (14) sollen
gleich denen so ein stillschweigendes Unterpfand haben geachtet, und mit denenselben
in dieser Classe angesetzet werden, die aus klaren Briefen und Siegel, welche
vermöge der Rechte Paratam Executionem haben, würckliche Einweisung und
Immission erlangen; nicht aber diejenige welche ein blosses Judicatum
erstritten, oder dem zu gut die Execution und Immission zwar angeordnet
gewesen, aber nicht vollzogen worden; sondern diese Tacita Hypotheca soll erst
von Zeit würcklich gschehener Immission ihren Anfang nehmen. Es ist aber die
Immissio pro realiter facta zu halten wann der Debitor declariret daß er den
Creditorem pro Immisso halte.
§. 115. Derjenige so (15) eines
entwichenen Schuldners Güther, die er zum Nachtheil der Creditoren wegzubringen
getrachtet, oder anderswo verborgen gehalten, entdecket, und mit Arrest zum
Besten gemeiner Creditoren beleget, angehalten, oder wieder beygebracht, oder
auch den flüchtigen Schuldner selbst aufgesuchet und arrestiren lassen, soll
allen Gläubigern, die mit ihm gleiches Recht haben, vorgezogen und vor
denselben befriediget werden.
Sechste Classe.
Von denen Creditoren welche ohne
Hypothec blos personaliter privilegiret seyn.
125 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
116.-124.)
§. 116. Zu der sechsten Classe
gehören diejenige, welche allein personaliter privilegiret, oder sonst ein
Vorrecht haben vor andern Gläubigern, so nur aus blossen Handscheinen fodern:
Als
(1) Die bey dem Schuldner freywillig
etwas in Verwahrung zu treuer Hand niedergeleget, oder demselben zu gebrauchen
geliehen oder vergönnet, das Deponiret aber, oder zum Gebrauch geliehene, oder
vergönnete, nicht mehr vorhanden.
Wären aber sogleich bey dem
deponirten Gelde, im Fall es gebraucht würde, Zinsen stipuliret, so hätten sie
die Wiedererstattung unter den blossen Chirographariis zu suchen.
§. 117. Gleiche Bewandniß hat es mit
denen übrigen Creditoren welche ihr Eigenthum zurücke fodern, wann solches
nicht mehr vorhanden ist; und werden nur die Eh-Frauen wegen ihrer Dotal- und
Paraphernal- auch Receptien-Gelder ausgenommen, als welche wegen ihrer mit
einem Privilegio personali verknüpften stillschweigenden Hypothec zur vierten
Classe gehören. (Vid. supr. §. 76. seq.)
§. 118. (3) Die, welche zu Erkaufung
eines Hauses oder Guths Geld geliehen, und ihnen keine gerichtliche Hypothec
constituiren lassen, ingleichen der Verkäufer eines solchen unbeweglichen
Guths, wegen des Nachstandes seines Kauf-Pretii, wann er mit keiner
gerichtlichen Hypothec versehen.
§. 119. (4) Ferner die ohne Zinsen
Geld geliehen, wenn sie ihnen auf keine andere Weise wegen eines juris realis
prospiciret; auf welchem Fall dieselbe sonst auf gleiche Weise, als der sub
hypotheca in re emenda Geld zum Kauf geliehen, gehörigen Orts zu præferiren.
§. 120. (5) Aliment-Sachen, so aus
Testamenten oder Contracten herrühren, und nicht Kirchen, Schulen und
Hospitæler betreffen; Sie gehören andern piis causis, und seyn ad pios usus
destiniret oder nicht.
§. 121. (6) Die auf sich selbst
gegebene Wechsel-Briefe, mit oder ohne Hypothec des Vermögens, als worunter
nach Anleitung Unsers Churmärckischen Wechsel-Rechts Art. 37. kein Unterscheid
zu machen.
§. 122. (7) Eine Braut, so ihrem
Bräutigam vor Vollziehung der Hochzeit zu Bezahlung seiner Schulden,
Fortsetzung seiner Nahrung, und dergleichen, Gelder voraus bezahlet, und
darüber keine Verschreibung nimmt.
§. 123. (8) Ferner diejenigen,
welche einem Possessori eines Land-Guths zu Verbesserung des Inventarii, Schafe
und ander Vieh verkauft, und nicht bezahlet bekommen; oder zu Ankaufung des
Inventarii Geld vorgeschossen, wann das erkaufte Inventarium noch vorhanden.
§. 124. (9) Doctores, Apothecker und
Chirurgi, wegen des Sostri und Artzneyen, welche ausser der letzten Kranckheit
vor den Defunctum, und dessen Frau und Kinder, gehohlt worden, item Advocaten,
Notarien, ingleichen die Exercitien-Meister so in Reiten, Tantzen, Fechten,
Sprachen, Zeichnen, und dergleichen informiret, ihrer verdienter Bezahlung
halber, ferner das Lehrgeld so bey Handwerckern verdienet ist.
NB. Diese Creditores haben die
Præferentz bloß von denen beyden letzten Jahren.
I i
126 Dritter Theil. Tit. IX. (§§. 125.-133.)
§. 125. (10) Diejenige welche ein
Jus separationis haben, wann das bewegliche Vermögen, des Defuncti und derer
Erben dergestalt vermischt ist, daß man nicht wissen kan was dem Defuncto
zugehört habe (Vid. supr. §. 52.).
§. 126. Alle in dieser Classe
benannte Creditores müssen, wann des Schuldners Vermögen nicht hinreichet, ohne
Unterscheid der Zeit ihres erlangten Rechts, zusammen treten, und nach
Proportion ihrer Forderung sich in dasjenige, was nach denen in vorigen Classen
stehenden Gläubigern übrig bleibet, theilen.
Siebende Classe.
Von denen Privat-Hypothequen.
§. 127. Zu der siebenden Classe
gehören alle Privat-Hypothequen, welche weder eingetragen, noch gerichtlich
constituiret seyn, noch ein Privilegium personale haben, nach der Zeit der
Verschreibung.
§. 128. Worunter auch die
wiederkäufliche annui reditus, Zinsen, und Renthen gehören, welche auf einen
Grund-Stücke haften, und nicht eingetragen worden.
Ache Classe.
Von denen Chirographariis und andern
schlechten Creditoren.
§. 129. Nach diesen Hypothecariis folgen
die Chirographarii simplices, welche weder ein Jus reale, noch sonst einiges
Privilegium haben.
§. 130. Nicht weniger Kram-Waaren
und Buch-Schulden.
§. 131. Auch Arbeits-Lohn der
Arbeiter, welche nicht bey einem gantzen Bau, oder nothwendiger Reparation,
verdienet.
§. 132. Item die gar keine
Hand-Schriften, oder Handels-Bücher haben; sondern allein durch Zeugen, oder
Eydes-Delation ihre Forderung beweisen wollen.
§. 133. Hierunter gehören auch die
Medicinal-Kosten, welche nicht in der letzten Kranckheit des Verstorbenen, auch
nicht in denen beyden letzten Jahren vor dessen Absterben verwandt worden: Vid.
§. 54. et. §. 124.
127 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
134.-143.)
§. 134. Wie auch der rückständige
Lohn derer Dienst-Bothen, ausser denen beyden vor den Concurs verflossenen
letzten Jahren.
§. 135. Nicht weniger die Onera
wlche oben §. 60. specificiret, und welche ausser denen beyden letzten Jahren
aufgeschwollen seyn.
§. 136. Und endlich wann von
deponirten Geldern Zinsen gehoben werden.
§. 137. Alle diese concurrirende
Creditores gehen ohne Unterscheid der Zeit nach Proportion ihrer Forderung in
tributum.
§. 138. Wenn nun auf solche Weise
die Sententz so bald nur immer möglich abgefasset, soll sofort, ohne das jemand
darüber anhalte, Terminus von 4 Wochen zu derselben Publication angesetzet
werden, wozu alle Creditores die sich liquidando angegeben, zusamt dem Debitore
und Contradictore vorzuladen. Und damit die Insinuatio keine Schwürigkeit
finde, oder grosse Kosten erfordere, so ist genug, daß wann Creditores nicht in
loco sich befinden, dieselbe der Creditorum Mandatariis, als welche sie sofort
in primo Termino, und ehe sie weiter gehöret werden, zu bestellen haben, und in
loco Concursus sich befinden müssen, geschehe. Wären aber an einem Orte Advocati
nicht vorhanden so bevollmächtiget werden können, so muß die Insinuatio, wie es
jedes Orts füglich verrichtet werden kan, ad domum geschehen.
§. 139. Solte wider das Urthel ein
und mehrere Creditores, als gravirt, Remedia suchen; so soll denenselben, wann die
Gravamina erheblich, deferirt werden.
§. 140. Auf eingewandte Appellation
soll (wie bey andern Sachen, einem jeden der vorhin nicht in lite gewesen in
Rechten nachgelassen, pro suo interesse in secunda instantia zu interveniren)
denen die vor der Prioritæt-Sententz nicht liquidiret frey stehen und
zugelassen seyn, in der Appellations-Instantz ihre Liquidationes, nebst dazu
gehörigen Documentis, annoch ad acta zu bringen, und ihrer Forderung halber
locum competentem bey dem erfolgenden Urthel zu erwarten.
§. 141. Es soll ein solcher
Liquidant in Zeit von 10 Tagen nach verflossenem Decendio solche Intervention,
bey Strafe der Præclusion, mit seiner Liquidation und copeylichen Documentis
übergeben, und mit deren Communication den communem Contradictorem, und alle
Creditores, denen er mit seinen Forderungen vorzugehen vermeynet, durch ein
Patent ad Domum citiren lassen, und mit denselben so viel ihrer nebst dem
Contradictore erscheinen, in einem Termino peremtorio, welcher, nach vorheriger
Production der Original-Documenten ad protocollum, usque ad duplicam verfahren.
§. 142. So viel auch diejenigen
betrift, denen in der Prioritæts-Sententz die Ablegung eines Eydes, oder
bessere Bescheinigung, oder Beweis ihrer Forderung auferleget, haben die erste,
im Fall sie von der Sententz nicht appelliren, innerhalb 4 Wochen a die
Sententiæ Terminum zu Leistung des Eydes auszubringen und den Curatorem, daß er
sehe wie geschworen werde, dazu citiren zu lassen; Wie denn auch der auferlegte
Beweiß oder Bescheinigung innerhalb 4 Wochen, gleichfalls von Tage der Sententz
anzurechnen, ohnfehlbar anzutreten, und wie jedes Orts hergebracht auszuführen.
§. 143. Es sollen aber weder
hierdurch, noch durch eingewandte Appellation Creditores aufgehalten, sondern
nach dem Quanto, was ihnen in der Prioritæt-Urtheil zuerkannt, soweit das
Urtheil Rechts-kräftig worden, und das Vermögen in der Ordnung zureichet,
bezahlet werden, und nach Abzug dessen, so an
I i 2
128 Dritter Theil. Tit. IX. (§§. 143.-148.)
Unsere Cassen, nach Anleitung Unsers
Edicts von Depositionen der Gelder, nur soviel zu zahlen zurück bleiben, als
die Forderung der Appellanten und derer Creditoren, die nach der Sententz noch
etwas zu præstiren haben, austräget.
§. 144. Zu dem Ende hat Curator,
nach eröfneten Prioritæt-Urthel, seine Rechnung sofort zu schliessen, dieselbe
so einzurichten, daß er in der Einnahme führe was er vermöge des Inventarii
bekommen, was an ausstehenden Schulden vermöge der Adjudicationen aus denen
verkauften, oder verpachteten, oder vermietheten Immobilien, und pretiosis, und
nach Anweisung des Auctions-Protocols, aus denen veräusserten Mobilien oder
Waaren; nicht weniger, wann von den deponirten Geldern etwas angeliehen, an
Interessen einkommen sollen, und darauf würcklich eingekommen. In Ausgabe hat
er zu bringen, was auf den Concurs-Process, auch geführte Klagen, und Processe
mit andern Debitoren aufgegangen, die Auctions-Kosten, dergleichen was an
Oneribus publicis, bis die Güther und liegende Gründe verkauft, und darnach an
Deposition(-)Geldern abgetragen werden müssen; Was auf Verordnung des Gerichts,
als Eigenthum, an andere aus dem Nachlaß des Vermögen des Schuldeners
abgefolget; Auch was vor Activ-Schulden durch Gegen-Rechnung, oder sonst,
abgegangen, und solche von der Einnahme abgezogen, auf den baaren Bestand zu
schliessen, auch was an Schulden noch ausstehe, und an Mobilien, so nicht
verkauft werden können, annoch vorhanden; Als worin sich Curator nach dem bey
Unserer Vormundschafts-Ordnung vorhandenen Formular der Vormundschafts-Rechnung
mit richten kan.
§. 145. Solche Rechnung muß er samt
den Belegen, innerhalb 14 Tagen nach publicirter Sententz, dem Gericht
übergeben, und dabey Veranlassung bitten, wie die Auszahlung des verhandenen
Geldes denen Creditoren zu thun, und er sich wegen der übrig gebliebenen
Mobilien und ausstehenden Schulden zu verhalten habe. Da dann von dem Gericht,
so weit nicht von dem Urtheil appelliret, oder dasselbe durch Beweiß oder Eyde
annoch zu purificiren, die Auszahlung der Gelder sofort per Decretum
veranlasset werden, und gegen Herausgebung der General-Obligationen und Quitung
gerichtlich geschehen soll. Wenn aber appelliret, und die Creditores vor
Austrag der appellirten Puncten, die Gelder ex deposito verlangen, muß darin
nach Unsern Edict, wegen der Depositionen verfahren, und von denen
Creditoribus, so dergleichen streitige Gelder erheben wollen, Caution bestellet
werden, daß im Fall jemand ein besseres Recht für ihnen ausführete, sie so weit
es nöthig, das Empfangene restituiren, inzwischen Unserm Edict von Depositionen
ein Gnügen thun wollen.
§. 146. Die übergebene Rechnung aber
ist ad Acta zu nehmen, und solches denen Creditoren zu notificiren, mit Befehl
selbige nachzusehen, und, falls habenden Einwendens, dasselbe in einen
anzusetzenden Termino anzuzeigen, und, oder zu gewarten daß alsdann die
Rechnung, als richtig angenommen werde. Der Curator aber hat in solchem Termino
seine Rechnung in Einnahme und Ausgabe, es erscheinen Creditores oder nicht,
gehörig zu justificiren.
§. 147. Insbesondere sind gegen
solchen Terminum mit vorzuladen diejenigen Creditoren, so noch in Process
bleiben, und alsdann sich ad Protocollum zu erklären haben, wie sie vermeynen
daß das Geld, so ihrentwegen ausgesetzet und in Deposito lieget, bis zu Austrag
der Sache zu verfahren.
§. 148. Nach geendigter
Apppellations-Instantz muß der Curator die Creditores, so aus der Baarschaft
ihre Befriedigung nicht erhalten, vorladen lassen, daß selbige die etwan noch ausstehende
Schulden, wann selbige, alles angewendeten Fleisses ungeachtet, nicht
beygetrieben werden können, nicht weniger die Mobilien so nicht verkauft
129 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
148.-152.)
werden mögen, zu ihrer Abfindung
dergestalt annehmen, daß der erst vorstehende unbezahlte Creditor daraus zu
seiner Bezahlung was ihm anständig, so viel seine Forderung austrägt, und wenn
es Mobilien, nach der Taxe, welche Curator vor dem Termino durch verpflichtete
Taxatoren machen lassen, erwählen, und so ferner die folgenden verfahren, oder
sich unter einander vergleichen mögen.
§. 149. Solchemnach ist der Curator
über seine Administration völlig zu quitiren, und seiner über sich gehabten
Curatel zu erlassen, wie solches geschehen in ein Protocollum zu bringen, und
solches ad Acta zu legen, auch, wenn in desselben Gerichts-Hypothequen-Buch
angezeichnet was der Curator bey seiner Bestellung an Güthern empfangen, darbey
zu bemercken, daß solches gäntzlich abgethan sey; Wann aber die Einzeichnung in
einem andern Gerichte geschehen, ist die Verfügung zu machen, daß, wegen der
geschehenen Einzeichnung, wie vorstehet, verfahren, und dergestalt der
Concurs-Process geendiget, der Curator auch ausser allen Anspruch, und der
Opinion als ob seine Güther dieserhalb noch verhaftet, gesetzet werde.
§. 150. Schließlich verstehet sich
von selbsten, daß weder die Advocaten noch der Curator oder Contradictor etwas
an Gebühren fodern können, ehe und bevor der gantze Concurs-Process ein Ende
hat: Und muß damit wie Part. I. Tit. 13. §. 4. versehen, verfahren, und von
denen Referenten genau Achtung gegeben werden, ob einer oder der andre den
Concurs-Process unnöthiger Weise protrahiret, oder sonst wider diese Ordnung
gehandelt habe. In welchem Fall die liquidirte und sonst vorgeschossene
Gebühren der Sportul-Casse zuerkannt, und die Schuldige überdem nachdrücklich
bestraft werden sollen.
§. 151. Im Fall der Curator einige
Auslagen zu thun hätte, müssen ihm solche, wann das Gericht solche nöthig
findet, aus der Sportul-Casse gegen dessen Quitung vorgeschossen, und
hiernächst von denen, welche dieselbe zu erstatten schuldig, wieder abgefodert
werden.
Sectio III.
Wie gegen einen vorsetzlichen und
betrüglichen Banqueroutirer zu verfahren.
§. 152. Nachdem eine Zeithero in
Unsern Königreich und Landen verschiedene Banquerouts entstanden, welches
vornemlich daher gekommen, daß die Falliten üppig gelebet, und mehr als sie
erwerben können, verzehret, grosse Häuser erbauet, kostbare Gärten sich
zugelegt, ihre Familie über ihren Stand mit Kleidung unterhalten, und en
general mehr als sie in Vermögen gehabt an Geld und Waaren aufgeborget; So dann
öfters ausgetreten, und dadurch ihren Nächsten unverschuldet in Schaden, und
wol gar in Ruin, und die Commercia, so von Unsern Unterthanen getrieben worden,
in übeln Ruf gesetzet (et)c. so haben Wir nöthig gefunden solchen boshaften
Unternehmen, dadurch der Credit, mithin Handel und Wandel, geschwächet, und
frevelhafter Weise niedergeleget, auch ehrliche Leute gottloser und diebischer
Weise betrogen, und um ihre zeitliche Habseligkeit gebracht werden, mit
Nachdruck zu steuren: Zu dem Ende ordnen und wollen Wir
K k
130 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
153.-158.)
§. 153. Zum ersten, daß niemand der
in Unsern Landen gesessen, oder sich darinn enthielte, wer er auch sey, mehr
als er bezahlen kan, aufborgen solle: da sich befünde, daß sich jemand dessen
boshaftig unternommen, durch Ueppigkeit, überflüßiges Bauen, unnöthige
Depenses, übel geführte Menages, oder andere einem ehrliebenden, verständigen,
und fleißigen Hauswirth nicht anständige Wege, also durch sein Verschulden sich
in Abgang seines Vermögens, mithin dadurch Creditores betrogen, und in Schaden
gebracht, so soll wider den, oder dieselben, ohne Unterscheid der Personen und
Standes, nicht nur nach Schärfe der Rechte, und, wann es Wechsel betrift, nach
Inhalt Unser Wechsel-Edicte, verfahren, sondern auch ein solcher muthwilliger
Schuldener, nach befundenen Betrug, als ein Dieb und Falsarius angesehen, auch
ohne weitere Sententiam Declaratoriam vor unehrlich gehalten, seiner etwa
habenden Aemter oder Innungen verlustig, auch hinkünftig derselben auf ewig
unfähig seyn.
§. 154. Wobey Wir Uns zweytens
ausdrücklich vorbehalten, nach Beschaffenheit der Umstände, und der Grösse des
Banquerouts, dergleichen Betrüger als einen Dieb und Spitzbuben zum Pranger,
ewigen Gefängniß oder Vestungs-Arbeit, auch wohl gar mit Staupenschlägen,
Landes(-)verweisen, oder wann das Verbrechen gar enorm, mit dem Strange vom
Leben zum Tode bringen zu lassen.
§. 155. Dahero dann drittens, so bald
ein Concurs eröfnet worden, jederzeit einem fiscalischen Bedienten anbefohlen
werden soll, in Termino zu vigiliren. Vid. supr. §. 11.
§. 156. Wann derselbe viertens bey
der Verification der Schulden wahrnimmt, daß der Fallite betrüglich gehandelt,
muß er alle vorkommende betrügliche Umstände notiren, und wann die Liquidation
geschlossen, seine Anmerckungen dem Gericht übergeben, und Verhaltungs-Befehl
ausbitten, ob er den Falliten zur Special-Inquisition anhalten solle.
Wann das Gericht die Indicia zur Special-Inquisition
zulänglich findet, so soll dem Falliten niemahls defensio pro avertenda
inquisitione verstattet werden.
Wie denn auch die Actio Criminalis
nicht bis zum Ende des Concurs ausgesetzet, vielweniger mit der Actione Civili
confundiret werden soll. Dahero denn auch diese Criminal-Sache, wann Judex
Concursus keine Criminal-Jurisdiction hat, vor denen Criminal-Gerichten
fortgesetzet werden soll.
§. 157. Da aber fünftens ein solcher
betrüglicher Schuldener flüchtig würde, und austrete, so sollen Unsere
Regierungen, Judicia, und Gerichte jedes Orts, worunter der Entlaufene
gesessen, sofort dessen Bücher, Briefschaften und Effecte in genaue Verwahrung
nehmen, was an andern Orten sich findet mit Arrest belegen, das gantze Vermögen
in ein richtiges Inventarium bringen, zugleich durch ein öffentliches Proclama
den Schuldener ein für allemahl citiren, und er erscheine sodann oder nicht,
einem jeden zu dem, so ihn zukommen kan, vermittelst Distraction, oder wie es
sonst am füglichsten geschehen kan, ohne weitläuftigen Process zu verhelfen.
Wobey es auch, wenn gleich der Debitor sich nach Ablauf des Termini wieder
einfinde, sein unveränderliches Verbleiben haben, und derselbe was
solchergestalt einmahl gerichtlich verordnet, auch unter dem Prætext daß er über
die Helfte verletzet, oder der Process nichtig sey, anzufechten, keinen Fug
oder Macht haben, sondern damit ohne fernere Untersuchung gleich abgewiesen
werden soll.
§. 158. Darneben soll sechstens
wider einen solchen Flüchtigen, so bald sich zeiget, daß das hinterlassene
Vermögen zu Bezhalung (= Bezahlung) der Schulden nicht zureichet,
131 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
158.-163.)
criminaliter verfahren, und derselbe
nicht allein von Zeit des Austritts vor infam gehalten, und an statt der
Sententiæ Declaratoriæ sein Nahme an den Galgen geschlagen, sondern auch ferner
gegen ihn als einen offenbaren Dieb der Process fortgeführet, und wann er sich
auf beschehene Citation, so in Loco delicti zu affigiren ist, nicht gestellet,
die Strafe so er verdienet, erkannt, und allenfalls an dessen Bildniß
exequiret, und wie solches geschehen in die öffentliche Zeitungen gesetzet,
auch sonsten überall, da es nöthig gefunden wird, bekandt gemachet werden.
§. 159. Damit aber siebendens, wann
möglich, ein solcher entwichener Dieb zur Haft gebracht, und andern zum Exempel
oder Abscheu mit der verwürckten Leibes-Strafe beleget werde. So geben Wir
hiermit einen jeden dessen Gläubiger freye Macht und Gewalt, denselben wo er
ihn findet anzuhalten, und gefangen nehmen zu lassen; Zu welchem Ende die
Gerichte jedes Orts, unter welchen der entlaufene Banqueroutirer, wann er
zugegen wäre, belanget werden könte, sofort denen Creditoribus samt oder
sonders offene Patente und Steckbriefe ohnentgeltlich mittheilen, Unsere
Regierungen, Judicia, Beamte, und andere Gerichts-Obrigkeiten aber in Unsern
Landen, wann der Ausgetretene unter ihrer Jurisdiction angetroffen wird, auf
beschehenes Anmelden, und vorgedachten Steckbrief, sich dessen sofort
bemächtigen, und ihn verwahrlich behalten, auch solches an die Gerichte, da der
Process dormiret wird, berichten müssen, welche denn zur Abholung unverzügliche
Anstalt zu machen haben.
§. 160. Sollten auch achtens Unsere
Judicia oder Beamte, oder andere Obrigkeit und Gerichts-Personen, hierinnen
säumig, oder nachläßig, oder welches Wir gar nicht vermuthen wollen, eine
Collusion bey ihnen befunden werden, und darüber vor oder nach der Haft der
Delinquente entkommen; So stehet denen Creditoribus frey an denen auf welche
die Schuld fället, behörigen Orts die gebührende Satisfaction zu suchen; Und
wollen Wir, befehlen auch hiermit in Gnaden, doch ernstlich, daß ihnen hierin
schleunige und unpartheyische Justitz, ohne Ansehung der Personen und Standes,
und ohne Verstattung einiger Ausflucht und Ausschweife, administriret werde.
§. 161. Darneben soll auch neuntens,
wider solche Gerichte, Beamte, Obrigkeit, oder Gerichts-Personen, die den
flüchtigen Banqeroutirer solchergestalt echapiren lassen, sowohl auch wieder
diejenige, so dazu mit Rath oder That behülflich gewesen, Unser Fiscus jedes
Orts sein Amt thun, und inquisitorie verfahren; oder, da die Schuld der
Gerichte notorisch ist, auf eine solche Strafe die in denen Rechten auf
diejenige gesetzet, die einen gefangenen Delinquenten nicht gehörig verwahren,
oder ihn gar forthelfen lassen, antragen, und darüber nach geführter Defension
rechtlich erkennen lassen, da denn, was Urthel und Recht mit sich bringet,
ohnverzüglich ohne einige Begnadigung exequiret werden soll.
§. 162. Nicht weniger setzen und
ordnen Wir zehentens hiermit und Kraft dieses Unsers Edicts, daß diejenigen, so
von einem obseyenden Fallimente zuverläßige Nachricht haben, solches in Zeiten
in den Gerichten jedes Orts gebührend anzeigen; Wiedrigenfalls aber, nach
Beschaffenheit der Sachen, mit proportionirlicher Geld- auch wohl Leibes-Strafe
beleget; diejenigen aber so den Austrit wissen, und es nicht in Zeiten
gerichtlich melden, oder Rath dazu geben, oder sonst behülflich seyn, denen so
Diebstähle verheelen, oder deren sich auf einige Weise theilhaftig machen, gleich
geachtet, und solchergestalt bestrafet werden sollen.
§. 163. Da auch elftens die
Erfahrung gezeiget, daß solche diebische Schuldener, wenn sie die Flucht
ergriffen, sich insgemein in anderer Gebiethe, auch wohl ausser
K k 2
132 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
163.-168.)
Reichs begeben; So wollen Wir
hinführo, wann ein solcher Banqueroutirer sich unter einem Reichs-Stand
befindet, selbigen den Reichs-Constitutionen gemäß, der Auslieferung halber
requiriren. Da aber die Retirade unter eine fremde Potentz genommen, daselbst
durch alle hinreichende Mittel es dahin richten lassen, damit der Entlaufene
wieder herbey geschaffet, und als ein durch Unsere Landes-Constitution vor
infam erklärter Delinquent, der Leib- und Lebens-Strafe verdienet, nicht
geduldet werde.
§. 164. Und damit zwölftens diese
Unsere gerechte Intention desto besser zum Effect gebracht, und dadurch der
bisherige Betrug desto eher vermieden werde; So werden Wir in dergleichen
Fällen an Unsere auswärtige Ministros und Bediente die Ordre ergehen lassen,
dergleichen flüchtige Creditores überall aufsuchen zu lassen, und zu arretiren.
§. 165. Und wiewohl dreyzehentens
Wir diese Unsere Constitution nur von denjenigen Schuldnern so betrüglich
gehandelt verstanden wissen, denen aber so durch erweißliche Unglücks-Fälle um
ihr Vermögen in Abgang der Nahrung gekommen, und dannenhero mehr Mitleiden als
Strafe verdienen, die in denen gemeinen, auch Landes-Rechten, Gesetzen,
verordneten Rechts-Wohlthaten, keines weges abschneiden, vielmehr ihnen solche,
wann sie sich gebührend dazu qualificiren, angedeyhen lassen wollen; So
verordnen Wir doch hiermit, daß, wenn ein solcher wider sein Verschulden in
Unvermögen gerathener Schuldner sich nicht dieser erlaubten Rechts-Mittel in
Zeiten bedienet, sondern auf flüchtigen Fuß setzet, und auf das vorhergehende
Proclama ungehorsamlich ausbleibet, derselbe aller solcher beneficiorum juris
ohne fernerer rechtlichen Erkäntniß sogleich verlustig seyn, und damit nicht
weiter gehöret, zugleich vor infam und aller Ehren-Aemter, auch ehrlicher
Gesellschaften, Innungen, Gülden und dergleichen, wozu ein ehrlicher Mann
gelangen kann, unfähig, und ipso facto davor erkläret seyn solle.
§. 166. Wann auch vierzehentens ein
Schuldener, welcher zu Abtrag seiner Schulden sich nicht vermögend befindet,
seine Zuflucht zu obgedachten Rechts-Wohlthaten nimmet, dabey aber in der
Specification seiner Güther und Effecten, sie seyn in oder ausser Unsern
Landen, durch Verschweigung oder sonst betrüglich handelt; So soll derselbe
auch alles dessen, so ihm sonst in seinen Schuld-Wesen zu statten kommen könte,
gleichergestalt verlustig seyn, und deshalb als ein Falsarius bestrafet, auch
im Fall von denen verschwiegenen oder geborgenen Güthern nach Abzug der
Schulden und erforderten Kosten etwas übrig bleibt, solches Unserm Fisco
verfallen seyn, und dahin gezogen werden.
§. 167. Im Fall auch funfzehntens
sich bey einem Kauf- oder Handelsmann, der nicht bezahlen kan, findet, daß er
sein Vermögen ungebührlich verthan, das Seinige oder das Ausgeborgete liederlich
hazardiret, oder in Jahres Frist von dem Verfall keine Balance gezogen, oder
zwar selbige gezogen, aber die befundene Insufficientz seines Vermögens nicht
sogleich nach deren Befinden in Zeit von zwey Monathen bey den Gerichten, oder
seinen Creditoribus angezeiget, und nach seinen Vermögen Zahlungs-Vorschläge
gethan; So soll ebenermassen dasjenige nicht statt haben, was verunglückten
Debitoren zum besten im Rechten versehen.
§. 168. Weil auch sechszehentens der
Kaufleute Frauens öfters ihre Männer zum unnöthigen Depensiren instigiren, oder
vor sich übermäßigen Pracht treiben, oder sonst ein mehrers, als die Interessen
von ihren Illatis betragen, oder hauswirthlich entbehret werden könte, verthun,
sodann mit ihren weiblichen Beneficiis sich behelfen, und, ob sie schon in der
Handlung mit assistiret, Creditoribus vorzugehen suchen, Wir auch hierin
remediret wissen wollen; So ist Unser ernster Wille, daß hinkünftig die Judicia
und Gerichte jedes Orts, da das Falliment geschiehet, auf diese Umstände, und
ob dergleichen
133 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
168.-175.)
sich finden, genaue Obsicht haben,
und nach Befinden, wann durch ihr Verschulden der Mann aussern Stande kommet
seine Gläubiger ehrlich zu befriedigen, und sie also die in denen Rechten
verstattete Wohlthaten nicht verdienen, gedachten Frauen in solchen Fällen
nicht nachsehen, sondern wann Creditores dergleichen mit Grunde auf sie bringen
können, sie mit ihrem sonst zustehenden Vorrechte zurück setzen soll; Wie auch
die Juristen-Collegia in Unsern Landen, hierauf jedesmahl zu erkennen haben.
§. 169. (Der an dieser Stelle zu erwartende
Paragraph fehlt.)
Sectio IV.
Wie es mit Ertheilung des Moratorii
zu halten.
§. 170. Es trägt sich öfters zu, daß
wann ein Creditor den Schuldner ausklaget, alle andere Gläubiger, von was Art
deren Forderung auch sey, aufzuwachen, und in ihren gemeinen Schuldner zu
dringen pflegen, so daß derselbe wann er auch sonst, ausser baaren Geldes,
Vermögen genug hätte, übern Haufen geworfen wird, und zu Grunde gehen muß,
dahingegen, wann ihm einige Zeit gelassen würde seine Capitalien beyzutreiben,
oder die Güther zu verkaufen, sein Vermögen zureichend seyn dürfte alle
Creditores zu befriedigen.
§. 171. Gleichwie Wir nun eines
theils dergleichen Leuthe welche ein genugsames Vermögen haben, und solches in
continenti klar dociren können, durch dergleichen Aufschub von ein, zwey, bis
drey Jahren gerne geholfen wissen wollen; also muß auch andern theils vor derer
Creditoren, welche ihre Geld bona fide hingegeben, völlige Sicherheit gesorget
werden.
§. 172. Wir setzen aber hierbey
voraus daß der Schuldner, welcher ein Moratorium suchet, sich nicht auf
flüchtigen Fuß begeben, und abwesend den Indult suchen müsse: Allermassen einen
flüchtigen Debitori niemahls ein Moratorium verstattet werden soll, sondern es
muß sofort der Concurs eröfnet, und wie oben vorgeschrieben verfahren werden.
§. 173. Wann also ein Schuldener ein
Moratorium suchet, muß er 1.) sich bey seinen ordentlichen Gerichten melden,
und um einen Indult anhalten:
Dahero sich niemand unterstehen soll
ein Moratorium bey Unserm Etats-Ministerio, oder gar bey Uns immediate zu
suchen, weil der Schuldener leicht begreifen kan, daß Wir absque causæ
cognitione keinen Indult verstatten können noch wollen. Daher der Advocat
welcher dergleichen Memorial unterschreibet mit 10 Rthlr. Strafe belegt werden,
der Debitor aber bloß angewiesen werden soll, sich in foro ordinario zu dem
Moratorio zu qualificiren.
§. 174. Er muß 2.) seinen Gesuch
einen accuraten Statum bonorum beyfügen, und sich zu dessen eydlichen
bestätigung, auch wann er ein Handelsmann ist, zur Production seiner Bücher
offeriren, anbey
§. 175. 3.) Bitten daß seine
Creditores, um sich hierüber zu erklären, citiret werden mögen.
L l
134 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
176.-183.)
§. 176. Der Richter muß 4.) die in
loco gegenwärtige, und sonst sich meldende Creditores vorfordern, und mit
ihnen, wie es mit des Schuldeners Vermögen bis zu derer Creditoren Erklärung zu
halten, und ob solches zu versiegeln, oder ein Interims-Curator zu bestellen,
oder dem Schuldener blos ein Aufseher zuzugeben sey, überlegen, und das
Benöthigte verordnen. Zu gleicher Zeit aber
§. 177. 5.) Die sämtliche Creditores
edictaliter (und die bekandte ad domum) citiren, und dazu einen Terminum von
zwey Monath (wann es aber Kaufleuthe seyn, von 3 Monath) ansetzen, mit dem
Beyfügen:
Daß sie sich in dem angesetzen
Termino ratione des gesuchten Indults declariren, eventualiter aber ihre
Forderungen liquidiren, oder gewärtigen müssen, daß auf beschehenes
Aussenbleiben mit denen erscheinenden Creditoren allein, wegen des gesuchten
Moratorii gehandelt, und ohne auf die Abwesende zu reflectiren, der Ordnung
gemäß Veranlassung geschehe, eventualiter aber mit der Liquidation verfahren
werde.
§. 178. Unterdessen müssen 6.) die
Actiones welche schon angestrenget, oder währenden Termino angestrenget worden,
nicht sistiret, sondern die Sache instruiret, die Urthel publiciret, die
Personal-Execution, z. E. in Wechsel-Sachen, realisiret, die Execution in das
Vermögen aber bis zum Termino ausgesetzet werden.
§. 179. In dem anberaumten Termino
müssen 7.) alle Documenta, Nachrichten, Obligationes und Handlungs-Bücher denen
Creditoren vorgelegt, und sie mit ihrer Nothdurft, ob das Vermögen notorie
zureichend sey, und das Indult nach denen Rechten verstattet werden könne,
gehöret werden. Allermassen Wir nicht zugeben wollen, daß alte verlegene
Obligationes, welche in langen Jahren keine Zinsen getragen, oder weit
aussehende Processe, oder eigenmächtige Taxæ liegender Gründe, vor sufficient
angenommen werden sollen.
§. 180. Wann 8.) der Richter nach
Eyd und Pflicht davor halten solte, daß der Schuldner solvendo sey; So muß er
ihn binnen 8 Tagen præclusivischer Frist zur fidejussorischen Caution (massen
die Juratoria nicht gelten soll) anhalten, daß er nichts von seinen Vermögen
verbringen, auch durante moratorio, die Zinsen, bey Verlust des Moratorii
richtig abtragen wolle.
§. 181. Wann 9.) sothane Caution
sowohl ratione des Capitals als der Zinsen binnen 14 Tagen bestellet, und
dieselbe von dem Richter vor zureichend erkandt wird, so braucht es keines
Consensus Creditorum, sondern es soll, wann er davon Bericht an Uns erstattet,
das Moratorium dem Befinden nach auf ein, zwey bis drey Jahr, weiter aber nicht
expediret werden.
§. 182. Im Fall aber 10.) die sufficientia
bonorum nicht klar und offenbahr dociret wird, und der Richter per Decretum
oder Sententiam solches gleichfalls fest setzet, so soll sofort der Concurs
eröfnet, und befundenen Umständen nach mit Arretirung der Person und
Versiegelung des Vermögens (wann es noch nicht geschehen) verfahren, und mit
dem Debitore als einem Banqueroutirer gehandelt werden.
§. 183. Es soll auch 11.) keine
Protestation, Appellation, querela nullitatis, gegen dergleichen richterliche
Verordnung gelten, noch die Liquidation dadurch aufgehalten werden.
Und wann wir auch 12.) durch ein
Rescript oder Cabinets-Ordre Bericht erfordern, oder gar ohne die vorhergehende
Requisita ein Moratorium verstatten, soll
135 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
183.-184.)
solche Ordre vor sub- et obrepirt
gehalten, und denen Rechten der strenge Lauf gelassen, jedoch sofort dargegen
Vorstellung gethan werden.
Allermassen dem Publico mehr daran
gelegen, daß ein übeler Bezahler, dessen Schuld mehrentheils mit zuconcurriren
pflegt, übereilt werde, als daß die Creditores welche ihr Geld bona fide
hingegeben, der Discretion des Schuldeners, und einem ungewissen Hazard einer
gehoften Verbesserung des Vermögens überlassen werden, oder super sufficientia
cautionis et bonorum einen köstlichen Process führen sollen.
§. 184. Es ist zwar 12.) in jure
communi versehen, daß bey dem Concursu Creditorum minor pars demjenigen folgen
müsse was major pars beschlossen. Wir haben auch in unsern vorigen Verordnungen
festgesetzet, daß wann major pars Creditorum die Güther vor zureichend hält,
die Caution vor sufficient erklärt, oder schlechterdings in das Indult willigt,
die Dissentienten denen majoribus folgen müssen. Es bezeugt aber die Erfahrung,
daß unendliche Verwirrungen daraus entstehen, allermassen (1.) der computus majoris
partis bey denen acht Classen, insonderheit wann viele Classen concurriren, so
intricat und confus ist, daß über die Frage, ob major pars vorhanden?
mehrentheils viele Jahre processirt wird. Da unterdessen der Schuldner in dem
ruhigen Besitz seines Vermögens gelassen, und ihm dadurch Gelegenheit gegeben
wird, das Wenige, was noch übrig gewesen zu verzehren.
Eben diese Erfahrung zeigt auch (2.)
daß viele Collusiones hiebey vorzugehen pflegen, indem die Verwandten,
insonderheit unter den Judens-Genossen, gemeiniglich zuzutreten, und ihre
Foderungen zu sacrificiren pflegen; zu geschweigen daß diesem oder jenem unter
der Hand ratione futuri Sicherheit verschaffet wird.
Es wäre (3.) die gröste
Unbilligkeit, wann die Creditores, welche jetzo, da der Debitor sufficientiam
bonorum angibt, folglich wegen ihrer Foderung, gantz oder grossen Theils
befriediget werden könten, ihr Capital ob consensum majoris partis creditorum
einem üblen Bezahler in den Händen lassen, und solches auf einen ungewissen
Hazard zu exponiren, gezwungen würden: Da diese dissentirende Creditores das
Capital, wann sie es jetzo in die Hände bekämen, nicht allein sicher austhun,
sondern vielleicht durch Handlung, oder durch einen avantageusen Kauf viel
besser nützen könten.
Entweder consentiren (4.) diejenige
Creditores welche denen dissentientibus jederzeit, auch nach Ablauf des
Moratorii vorgehen; solchenfalls risquiren die consentirende Creditores nichts,
hingegen risquiren die dissentirende alles, weil sie, wann der Debitor seine
Güther (wie gemeiniglich geschicht) durante moratorio verringert, künftig leer
ausgehen würden.
Oder es consentiren (5.) diejenige,
welche den dissentientibus nachgehen, und weil sie jetzo leer ausgehen würden,
durch das Moratorium Hofnung haben, daß der Debitor ad meliorem fortunam kommen
werde; etc. so würde unbillig seyn wann diejenige, welche wegen ihrer Foderung
entweder alle Sicherheit genommen, oder dieselbe lege erhalten, wegen einer
ungewissen Hofnung derer jetzo leer ausgehenden Creditoren, ihr Capital einen
Hazard exponiren müssen.
Bey diesen Umständen nun soll (6.)
künftig major pars creditorum bey denen Moratoriis nicht weiter in
Consideration kommen, sondern wann die sufficientia bonorum nicht notorie
vorhanden, und die Conservation des Vermögens durch eine hinlängliche Caution
nicht versichert wird, muß sofort der Concurs eröfnet werden; Es wäre dann daß
alle Creditores per unanimia das Indult bewilligten.
L l 2
136 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
185.-188.)
§. 185. Wann aber auch dem Schuldner
ob sufficientiam bonorum per sententiam judicis ein Indult ertheilet wird; so
kann er sich dessen gegen diejenige nicht gebrauchen:
1.) Gegen welche er dem Moratorio
ausdrücklich renunciiret hat.
2.) Wenn der Debitor Uns und Unserm
Fisco mit Schulden verhaftet ist.
3.) Wann aufgelaufene unbezahlte
gemeine Lasten.
4.) Begräbniß-Kosten.
5.) Aliment-Gelder.
6.) Gesinde-Lohn, oder
7.) Gebühren wegen geführten Amts,
gefodert werden.
8.) In causis piis et miserabilium
personarum, weil sie zu ihrem höchstnöthigen Unterhalt ihre Gelder benöthiget
seyn. Item
9.) In causa expromissorum und
Bürgen welche vor dergleichen causas et personas caviret, und bezahlen müssen.
10.) Wann jemand sein Dominium
zurück fodert, oder
11.) Wann die Schuld von
anvertrauten Guth, oder
12.) Restirendem Kauf-Geld, oder
13.) Von Pacht- und Heuer-Geld,
vermietheten Häuser oder Güther herrühret.
14.) Wenn der Schuldner zu der Zeit
Geld aufgenommen, oder Schuld gemacht, da er schon in Abfall seiner Nahrung und
Vermögens gekommen, kan der Creditor, ohngeacht des Moratorii seine Schuld
fodern.
§. §. 186. Wann derjenige der ein
Moratorium erhalten mit denen Zinsen nicht richtig einhält, stehet einem jeden
Creditor frey die Execution auf Capital und Zinsen zu suchen.
Sectio V.
Wie es mit Behandlung derer
Creditoren zu halten.
§. 187. Wann die Schulden-Last so
groß ist daß der Schuldner weder durch die Zeit noch andere Mittel zu retten,
auch seine Güther und Vermögen augenscheinlich nicht zureichen, und daher die
Sache entweder auf Behandlung, oder entlich gar auf die Cession und Uebergabe
seines Vermögens hinaus zu laufen pfleget, so sollen diese Wohlthaten von
muthwilligen Schuldnern nicht misbraucht, sondern es folgendergestalt damit
gehalten werden.
§. 188. Wenn jemand durch kundbahre
und erweißliche Unglücks-Fälle, die durch Unvorsichtigkeit nicht verursachet,
als Handels-, Brand- oder ander dergleichen Schaden,
137 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
188.-193.)
in solchen Abfall seines Vermögens
gerathen, daß er sich mit keinem Indulto helfen, noch die Creditores darnach
völlig befriedigen könte, und mit ihnen einen Vergleich suchte, auch selbigen
etwas gewisses zu geben offerirte, so sollen Creditores darüber gehöret, und
eben so wie bey denen Moratoriis versehen, verfahren werden.
§. 189. Wann die Creditores in dem
angesetzten Termino sich nicht behandeln lassen wollen, mithin die Güthe mit
einen solchen Mitleidens-würdigen Schuldener nicht statt findet, so stehet ihm
nichts weiter als das beneficium cessionis bonorum offen, worvon in der
folgenden Section gehandelt werden soll. Und soll der Debitor so wenig durch
das eine als das andere Beneficium an seinen Ehren einigen Abbruch leiden.
§. 190. Gleichwie aber diese
Behandlung supponiret, daß der Schuldner durch Unglücks-Fälle in den Abgang
seiner Nahrung gerathen sey, also folget von selbsten, daß wenn der Debitor die
Unglücks-Fälle nicht in continenti klar und deutlich erweiset, sondern durch
seine üble Haushaltung und Unvorsichtigkeit in den nothdürftigen Zustand
gerathen, gegen denselben als einen offenbahren Banqueroutirer vorgeschriebener
massen verfahren werden solle.
§. 191. Er ist aber ohne alle
weitere Untersuchung vor einen offenbahren Banqueroutirer zu achten, wann er
flüchtig worden, und abwesend sich zur Behandelung offeriret, und dadurch
seinen Creditores, wann sie nicht alles verliehren wollen, zum Vergleich zu
zwingen sucht; in welchem Fall der Concurs sofort eröfnet, und wie oben Sect.
3. vorgeschrieben, verfahren werden soll.
Es soll auch der Flüchtige sofort
mit Steckbriefen verfolget, Fiscus excitiret und derselbe, wenn er in dem zur
Liquidation angesetztem Termino nicht erscheinet, in effigie aufgehencket; und
wenn er nachher ertappt wird, gegen ihm als einen Spitzbuben verfahren werden.
Und wenn auch die Creditores sich
mit einem solchen betrüglichen Spitzbuben per unanimia (allermassen major pars
so wenig in diesem Fall als bey dem Moratorio gelten soll) sich vergleichen
wollten, so soll solches dem Fisco nicht præjudiciren, weil dem Publico daran
gelegen, daß dergleichen Betrüger nicht andern ein Exempel geben durch die
Flucht ihre Creditores zum Vergleich zu zwingen.
Sectio VI.
Von dem Beneficio cessionis bonorum.
§. 192. Es pflegen diejenige welche
in Schulden gerathen, wann sie sich nicht weiter zu helfen wissen, ad cessionem
bonorum zu provociren: Weil aber dieses flebile beneficium vielfältig
gemißbraucht zu werden pfleget, so soll es folgendergestalt damit gehalten
werden.
§. 193. Wann ein Schuldner,
sonderlich ein Handelsmann, ehe er von seinen Creditoren gedränget wird, bey
Nachsehung seines Vermögens, oder gezogener Balance (welche er alle Jahre
ziehen muß) dasselbe nicht zureichend befunden; So muß er binnen 6 Wochen nach
gezogenem Calculo (welche Zeit er allenfalls eydlich bestärcken muß) solches in
seinem foro ordinario anzeigen, ein Inventarium seines gantzen Vermögens,
insonderheit der Activ- und Passiv-Schulden übergeben, sich zu dessen eydlichen
Bestärckung erbiethen, alle und jede Unglücks-Fälle specificiren, und solche
bescheinigen, sich zu
M m
138 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
193.-197.)
Edirung seiner Briefschaften und
Handlungs-Bücher offeriren, und bitten, daß seine Creditores edictaliter
citiret werden mögen:
Der Richter muß darauf wie oben
Sect. IV. bey denen Moratoriis versehen, verfahren, die Creditores citiren um
sich zu erklären, eventualiter aber zu liquidiren.
§. 194. Wann die Schuldnere in
Termino in continenti klar und deutlich erweisen, daß sie durch Unglücks-Fälle,
die auch selbst von denen Creditoren nicht geleugnet werden können, in den
Verfall ihrer Nahrung, und gegenwärtiges Unvermögen gerathen, so soll
dergleichen unglücklichen Schuldnern, welche mehr Mitleiden als Strafe
verdienen, dieses beneficium auch als invitis Creditoribus per sententiam
verstattet werden.
§. 195. Wann ein solcher durch
Unglücks-Fälle in Abgang seiner Nahrung gerathene Debitor per sententiam zur
Cession seines Vermögens admittiret wird; So soll dieses folgenden Personen
keinesweges præjudiciren, nemlich:
1.) Denen Wechsel-Inhabern, welche
ihr Recht durch Personal-Arrest verfolgen können.
2.) Denenjenigen, welche eine
Obligation in Händen haben, worin der Cessioni bonorum renunciiret worden.
3.) Wenn jemand einen Erben oder
Vormund belanget, welcher kein Inventarium verfertiget hat.
§. 196. Im Gegentheil sollen zu dem
beneficio cessionis nicht admittiret werden:
1.) Wann die Creditores in dem
Termino dem Schuldner aus seinen producirten Büchern oder sonst überführen, daß
er nicht redlich gehandelt, sondern betrüglich mit ihnen umgegangen.
2.) Wann der Schuldner die
angeführten Unglücks-Fälle, z. E. Wasser-Schaden, Schiffbruch, Raub,
ausstehende Schulden, Bürgschaften etc. nicht in continenti, d. i. binnen 3
Tagen erweiset, und genugsam beybringet.
3.) Wann der Debitor durch seine
Schuld in Unvermögen gerathen, weil er nemlich mehr als er bezahlen kan an Waaren
und Geld aufgeborget, oder mehr als er erwerben können depensiret, oder seine
Frau und Kinder über ihren Stand mit Kleidung und sonst unterhalten, oder
Lust-Häuser und Gärten zu seinem Plaisir erbauet, oder gekaufet (et)c. und
dadurch zurück gekommen.
4.) Wann der Schuldner flüchtig
worden, und abwesend cessionem bonorum offeriret (in welchem Fall, wie oben
Sect. 3. versehen) verfahren werden muß.
5.) Wann der Schuldner wissentlich
etwas von seinem Vermögen bey Seite gebracht oder verhelet hat.
6.) Wann er in fraudem Creditorum
seine Güther alieniret hat. Wann auch solche schon von denen Possessoribus
recuperiret werden können, oder würcklich recuperiret worden.
7.) Wann er schon einmahl bonis
cediret hat, und nachhero neue Schulden machet.
In welchem Fall ihm aber das
Beneficium competentiæ wider die vorige, nicht aber die neue Creditores
zustatten kommt.
8.) Wann der Debitor anfänglich die
Schuld geleugnet, und, nachdem er deren überführet worden, ad cessionem
provociret.
9.) Wann jemand wegen einer Uebelthat
condemniret worden, und sich zur Cession offeriret.
10.) Wann der Schuldner einen
Gläubiger in einen weitläuftigen Process verwickelt, nachher condemniret wird,
und in ipsa executione bonis cediren will.
§. 197. Im Fall nun der Schuldner
die Unglücks-Fälle erwiesen, und per sententiam zur Cession seines Vermögens
admittiret worden, soll derselbe in Gegenwart derer Creditoren nach
vorhergehenden Verwarnung vor den Meineyd, folgenden Eyd abzulegen schuldig
seyn.
139 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
197.-200.)
Ich N. N. schwere zu GOtt dem
Allmächtigen einen leiblichen Eyd, daß ich alle meine Haab und Güther, auch
ausstehende Schulden, so ich zu fordern, in meinem Verzeichniß, so viel mir
wissend, getreulich angegeben, und nichts verschwiegen habe von meinen Güthern
und Vermögen: nichts, es habe Nahmen, wie es wolle, zum Nachtheil und Abbruch
meiner Creditoren veräussert, noch selbst oder durch andere etwas an
Baarschaften, Kostbarkeiten, Briefschaften (im Fall es ein Kaufmann, kan nach
Gelegenheit seiner Handlung conjunctim oder alternative hinzu gethan werden,
Handels-Bücher und Waaren) von Händen und bey andern untergebracht und
verheelet, oder wegbringen und verheelen lassen. Ich will auch, wenn noch etwas
auffinden oder mir beyfallen möchte, so wider Vermuthen vergessen, oder
hienächst etwan erwerben und erlangen, oder ererben möchte, solches jedesmahl
zu Befriedigung meiner Creditoren getreulich und ohne Gefärde anzeigen, und
nicht unterschlagen, sondern nach Vermögen dieselbigen davon bezahlen. So wahr
mir Gott helffe durch (et)c.
Sectio VII.
Von dem Beneficio competentiæ.
§. 198. Weil die Rechte
denenjenigen, welche durch den Concurs oder Execution in den Stand gesetzt
werden daß sie keine Lebens-Mittel übrig behalten, eine gewisse Competentz
ausmachen; So soll es damit folgendergestalt gehalten werden.
§. 199. Wir supponiren vor allen
Dingen, daß diejenige welche sich auf die Competentz berufen, durch bekante
erwiesene Unglücks-Fälle in einen armseligen Zustand gerathen seyn; dahero
diejenige, welche durch ein prächtiges Leben, durch Verschwendung, oder sonst
durch ihre eigene Schuld in diesen Stand gerathen, zu gedachtem Beneficio nicht
zugelassen werden sollen.
§. 200. Dieses Beneficium competentiæ
kommt also in dem vorgeschriebenen Casu zu statten, (1.) denen Eltern ersten
Grades, gegen ihre Kinder: (keinesweges aber denen Stief-Eltern) Worbey auch
auf die Zahl derer noch unerzogenen oder unversorgten Kinder mit reflectiret
werden muß.
(2.) Denen Kindern, welche aus einem
rechtmäßigen Ehebette gezeuget seyn, gegen ihre rechte Eltern:
(3.) Dem Marito, wann er zur
Restitution des Braut-Schatzes, oder Bezahlung andrer seiner Frauen schuldigen
Gelder angehalten werden soll; und solches Schulden währendem Ehestand
contrahiret worden.
Es kommt ihm also dieses Beneficium
nicht zu statten, (a) wann ein dritter, welcher den Braut-Schatz vorgeschossen,
quanitatem dotis zurückfordert. (b) Wann die Schuld soluto matrimonio mit der
Frauen contrahiret wird. (c) Wann die Ehe culpa mariti dissolviret worden.
(4.) Der Ehefrauen, welche den Dotem
versprochen aber nicht inferiret hat, oder welche stante matrimonio ihrem
Ehemann etwas versprochen hat: Keinesweges aber einem Bräutigam und Braut,
vielweniger einer Concubine etc.
(5.) Dem Vater des Ehemanns und der
Ehefrau, so lang diese beyde leben.
(6.) Demjenigen welcher ex pacto
donationis belanget wird, ausser dem aber nicht.
(7.) Einem Socio, welcher aus einem
Societæt-Handel, oder aus einem andern stante Societate errichtetem Contract,
von seinem Socio belangt wird.
(8.) Denen Soldaten welche würcklich
in Kriegs-Diensten stehen, wann das Debitum occasione militiæ gemacht worden.
M m 2
140 Dritter Theil. Tit. IX. (§§.
200.-207.)
(9.) Denen Brüdern und Schwestern
unter sich, sie mögen germani oder uterini seyn.
(10.) Bey denen Geistlichen,
Edelleuten, und Doctoren soll dieses Beneficium blos ob qualitatem personæ
nicht statt haben.
§. 201. Wann also gegen diese
Personen ein Concurs eröfnet, oder eine Execution veranlasset wird, so müssen
ihnen die höchstnöthige Lebens-Mittel gelassen werden, welches nicht allein in
nothdürftigem Essen, Trincken und Wohnung, sondern auch in einem Kleid, einigem
Weiß-Zeug und Bette bestehet: Und können auch diejenige welche in dignitate
constituiret seyn, ein mehreres nicht prætendiren: Allermassen die Competentz
bey diesen niemahlen über 1 bis 2 Rthlr. wöchentlich belaufen soll.
Worbey die Qualitæt der Güther, ob
viele Onera Realia darauf haften, (welchen keineswegs præjudiciret werden muß)
item der Zustand des Creditoris, wann er selber nicht Uberfluß (!) hat, mit in
Consideration gezogen, und dem Debitori destoweniger assigniret werden muß.
§. 202. Wann ratione quanti die
Partheyen sich in der Güther nicht vereinigen können, so soll die Regierung das
Quantum ex æquo et bono determiniren, worbey es lediglich bleiben, und kein
Remedium dargegen, als quoad effectum devolutivum, verstattet werden muß.
§. 203. Zu Hebung dieser Competentz
soll ein gewisses Capital bey dem Concurs ausgesetzet, solches aber keinesweges
denen Creditoribus so zur Perception gelangen, pro rata abgezogen, sondern ex
Massa Concursus noch vor der Distribution genommen, und bey dem Rückfall zu
Befriedigung derer folgenden Gläubiger ihrer Ordnung nach angewandt werden.
§. 204. Es müssen aber dergleichen
Personen sich vermittelst Eydes reversiren, daß wann sie ad meliorem fortunam
kommen werden (welches die Creditores erweisen müssen), sie die Competentz
zurück geben, und die gantze Schuld nebst Interesse nachzahlen wollen.
§. 205. Es können aber zu dem
Beneficio competentiæ nicht gelassen werden (1.) die einen vorsetzlichen und
betrüglichen Banquerout gemacht haben.
(2.) Wann der Creditor selber nichts
zu leben hätte, wenn dem Debitori die Competentz gelassen wird.
(3.) Wann der Debitor des Creditoris
Eigenthum besitzet, und solches herauszugeben condemniret worden.
(4.) Wann der Schuldner dem
Beneficio competentiæ renunciiret hat.
(5.) Wann er sich durch seiner Hände
Arbeit, oder mit seiner Profession ernähren kan.
(6.) In allen übrigen Fällen, wo die
Cessio bonorum nicht statt hat.
NB. Alle diese Exceptionen kön(n)en
zwischen Eltern und Kindern nicht angeführt werden.
§. 206. Wann auch hierüber Streit
entstehet, muß der Richter ex æquo et bono die Sache decidiren, worgegen kein
Remedium, als quoad effectum devolutivum, statt haben soll.
§. 207. Wann dergleichen Debitor von
einem andern beklagt wird, kan keine Execution in diese Competentz geschehen,
weil diese ex beneficio Creditorum et legis dem Schuldner zugewandt wird.
141 Dritter Theil. Beylagen. Lit. A.
Beylagen der Concurs-Ordnung.
Lit. A.
ad §. 9. in fin. p. 103.
Formular, wie Creditores ad
liquidandum edictaliter zu citiren, wann Concurs veranlasset.
Von GOttes Gnaden, Wir Friderich,
König in Preussen (et)c. (et)c. Entbiethen allen und jeden Creditoren, so an N.
N. Vermögen einigen An- und Zuspruch vermeinen zu haben, Unsern Gruß; Und fügen
denenselben hierdurch zu wissen, was massen nach in obgedachten N. N. Vermögen
entstandenem Concurs der von Uns bestätigte Curator N. N. vermittelst ad Acta
gegebenen Supplicati eure gebührende Vorladung ad liquidandum
allerunterthänigst gebeten.
Wann Wir nun solchem Suchen statt
gegeben; Als citiren und laden Wir euch hiermit und in Kraft dieses Proclamatis
(wovon eines hier) (das andere die übrigen) zu N. N. angeschlagen, peremtorie,
daß ihr a dato innerhalb 9 (oder) 12 Wochen, wovon 3 (oder) 4 für den ersten, 3
(oder) 4 für den andern, 3 (oder) 4 für den dritten Termin zu rechnen, eure
Forderungen wie ihr dieselbe mit untadelhaften Documentis, oder auf andere
rechtliche Weise zu verificiren vermöget, ad Acta anzeiget, auch den =
= = vor Unsern (et)c. N. N. N. N. welche Wir
hiermit zu Commissarien der Liquidation bestätiget, auf dem Gericht allhier
euch gestellet, die Documenta zur Justification eurer Forderung in Originali
produciret, eurer Forderung halber mit dem Curatore auch Neben-Creditoren ad
Protocollum verfahret, gütliche Handlung pfleget, und in deren Entstehung
rechtliche Erkäntniß und Locum in abzufassenden Prioritæt-Urthel gewartet. Mit
Ablauf des Termini aber sollen Acta für beschlossen geachtet, und diejenigen so
ihre Forderung ad Acta nicht gemeldet, oder wenn gleich solches geschehen, sie
doch benennten Tages sich nicht gestellet, und ihre Forderungen gebührend
justificiret, nicht weiter gehöret, von dem Vermögen abgewiesen, und ihnen ein
ewiges Stillschweigen auferleget werden. Wornach sich also dieselben zu achten.
Gegeben Berlin den (et)c.
Nota. Daß wenn der Debitor noch am
Leben, der Citation mit zu inseriren, daß Creditores mit dem Curatore, Debitore
etc. ihrer Forderungen halber zu verfahren.
Wann in einem Judicio, nicht Nahmens
Sr. Königl. Majestät die Sachen ausgefertiget werden, wird Citatio nach obigen
Formular nomine Judicii eingerichtet.
N n
142 Dritter Theil. Beylagen. Lit. B. Lit. C.
Lit. B.
ad §. 13. p. 107.
Eyd eines Ausrufers bey den
Auctionen.
Ich N. N. schwere zu GOtt dem
Allmächtigen einen Eyd, daß, nachdem ich zum Ausrufer bey dem öffentlichen
Verkauf beweglicher Güter bestellet und angenommen worden, ich bey solchem Amt
mich nach denen ergangenen Verordnungen wie die jetzo sind oder künftig noch
gemachet werden möchten, allemahl getreulich achten, was mir von dem gesetzten
Auctions-Commissario, oder wem aus dem Gericht derselben Direction aufgetragen,
geheissen wird, getreulich verrichten, wann ich ein Stück ausrufe, auf das
Gebot, so darauf gethan wird, wohl Acht haben, und solches mit vernehmlicher
Stimme, damit alle so zugegen, solches hören können, ausrufen, bey Ausbiethung
eines Stücks, und ehe jemand öffentlich gebothen, vor mich keinen Preiß (!),
als wenn schon von andern so viel gebothen, darauf setzen, wann ich mercke, daß
die Biethenden nichts mehr nachsetzen, den höchsten Preis so gebothen worden,
zum ersten, andern und dritten mahl jedesmahl absonderlich melden, und wann
niemand ein mehrers biethet, alsdann demjenigen, welcher das höchste gebothen,
die Sache zuschlagen, jedoch dabey solches Masse halten, daß die Biethende
nicht übereilet, noch auch der Zuschlag zur Ungebühr verzögert werde, gegen die
anwesende Licitanten gebührende Bescheidenheit, auch keine Gefährlichkeit,
Durchstecherey, und was sonsten einem Menschen zum Nachtheil gereichen möchte,
oder die Käufere abhalten könte, gebrauchen, auch weder für mich selbst
biethen, noch mir etwas zuschlagen, weniger von anderen Commission zu kaufen übernehmen,
oder jemand anders an meine Statt zu meinem Vortheil untersetzen, sondern mich
jederzeit und in allen so verhalten will, wie es einem getreuen
Auctions-Ausrufer eignet, anstehet und gebühret. So wahr mir GOtt helfe (et)c.
Nota. Der Orten, wo nach
Holländischer Manier eine Sache von dem Ausrufer unter gewissem Preise, der ihm
aufgegeben, zum Kauf eingesetzet, und so lang abgelassen, bis jemand mein ruft,
sodann mit diesem Preise zur Höhung ausgerufen und getrieben wird, kan die Form
des Eydes dem Erfordern nach geändert werden.
Lit. C.
ad §. 14. p. 108.
Formular einer Adjudication in
Concursu Creditorum.
Auf vorgegangene gebührende Tax- und
Subhastation des allhier in der N. N. Strasse belegenen, und N. N. zugehörigen
Wohn-Hauses und Pertinentien wird nunmehro solches Haus N. N. als plus
licitanti für die gebothene Summe der
= = =
Rthlr. wie solches mit allen seinen Zubehörungen und Gerechtigkeiten in
der Taxe von = =
= = auf
= = =
Rthlr. gewürdiget, erb- und eigenthümlich zugeschlagen.
143 Dritter Theil. Beylagen. Lit. C.
Lit. D.
Es wird ihm solches sofort von dem
Curatore und Creditoren eingeräumet; Er erleget bey der Tradition das Kauf-Geld
baar, und sind Creditores gehalten, pro rata accepti ihm die Gewehr zu leisten.
Nota. Daß nach obigen Formular die
Adjudicationes in allen Judiciis einzurichten, nur daß wegen des Unterscheids
des Judicii der Stylus observiret werde.
Wo es gebräuchlich, daß der Käufer
etwas ad pias causas erleget, wird am Ende der Adjudication hinzu gethan; auch
erleget der Käufer ad pias causas
= = Rthlr.
Wann auf gewisse Sorten Geldes,
wegen des Kauf-Pretii mit geschlossen, muß solches auch in der Adjudication
ausdrücklich mit bemercket werden.
Beym Verkauf und Adjudication eines
Ritter- oder Lehn-Guths, wann solches widerkäuflich verkauft wird, müssen nicht
nur die Jahre, wie lange der Kauf währen soll, in der Adjudication deutlich
exprimiret werden; sondern auch wer die Confirmation oder Consens-Kosten tragen
soll, auch, daß, wann der Käufer solche zu zahlen übernommen, selbige bey der
Reluition ihm wieder zu erstatten.
Lit. D.
ad. §. 49. p. 114.
Edict von Præferentz der Königl.
Cassen.
Wir Friderich Wilhelm, von GOttes
Gnaden, König in Preussen (et)c. (et)c. Thun kund, und fügen hiemit zu wissen:
Demnach Wir vernehmen, daß ungeachtet Unsern Steuer-Cassen bey ereignenden
Concursibus Creditorum nicht nur nach den allgemeinen beschriebenen Rechten das
Jus prælationis in bonis administrantium vor andern Gläubigern zustehet,
sondern auch Unser in GOtt ruhender Groß-Herr-Vater, Churfürst Friderich
Wilhelm, Glorwürdigen Andenckens, in dem Land-Tages-Abscheide, Unserer
Chur-Marck Brandenburg de anno 1653. ausdrücklich verordnet, daß die
Contributions-Reste allen denen Creditoren, auch denen so ein Jus Separationis
zu haben vermeynen, vorgehen, und solches insonderheit in Executione und bey
den Distributionibus, wann schon aus Unwissenheit solcher Verordnung an fremden
Orten ein anders erkannt seyn möchte, in Acht genommen werden, Unsere Tribunalia
auch in judicando et pronunciando sich darnach achten sollten, welche
Constitution dieselbe nachgehends durch unterschiedene Verordnungen auf Holtz-,
Müntz- und andere dergleichen, fürnemlich aber auch auf solche Gelder, welcher
unser Fiscus von denenjenigen, so Uns ex administratione schuldig blebien, und
mit Unsern Geldern malversiret haben, per pragmaticas sanctiones vom 8ten
Januarii und 30ten Martii 1685. Unserm Hof- und Cammer-Gerichte allhier
gnädigst anbefohlen, dem Fisco ratione solcher Schulden, gleich denen Holtz-,
Schoß- und Contributions-Geldern primum locum in Concursibus Creditorum zu
assigniren, auch keine Gegen-Prætensiones von Ehe-Geldern und dergleichen
dawider zu admittiren, Unsers Höchst-seligsten Herrn Vaters Majestät auch, solch
Vorzugs-Recht, durch ein besonderes Edict vom dato Charlottenburg den 24ten
Julii 1707. welches nachgehends durch unterschiedliche Rescripta und
Verordnungen wiederhohlet worden, mit der Erklärung bestätiget, daß in Unserm
Hertzogthum Madgeburg die Haupt- und andere Steuer-Cassen, wegen der Reste, so
die Receptores schuldig bleiben, vor allen Creditoren, so bey solchen
Receptoren Anspruch haben, auch bey deren beweg- und unbeweglichen Güthern, so
sie nicht in dem Hertzogthum Magdeburg, sondern in andern Unsern Landen
besitzen, bey ereignenden Concursu Creditorum, ungeachtet dieselbe antiquiorem
Hypothecam, Landes-herrlichen und Obrigkeitlichen
N n 2
144 Dritter Theil. Beylagen. Lit. D.
Lit. E.
Consens, oder der Prioritæt halber
andere Privilegia haben, den Vorzug behalten, und daraus vor allen andern
befriediget werden sollen, solch Vorzugs-Recht Unsern Cassen dennoch streitig
gemacht, und darüber weitläuftige Processe geführet worden: Wir aber
dergleichen Disceptationes zu derselben Nachtheil nicht gestatten, sondern
dieselbe bey solchem Jure Prælationis undisputirlich geschützet wissen wollen;
Als declariren, setzen und ordnen
Wir hiemit und Kraft dieses, daß bey denen vorangeführten Verordnungen und
Edicten Unserer in Gott ruhenden Herrn Vaters und Groß-Herrn Vaters, es in
allen Puncten und Clausuln fernerhin unveränderlich verbleiben, und Unsere
Haupt- und Steuer-Cassen, nach derselben Inhalt, nicht nur in Unserer
Chur-Marck Brandenburg und Hertzogthum Magdeburg, wie bisher, sondern auch
hinführo in allen Unsern übrigen Landen, bey entstehenden Concursibus
Creditorum, in der Receptoren beweg- und unbeweglichen Güthern, sie mögen
belegen seyn, wo sie wollen, vor allen Creditoren, es haben dieselben sonst
Privilegia, wie sie mögen, keine ausgenommen, die Præferentz und Vorzug
unstreitig behalten und geniessen sollen. Gestalt Wir dann allen und jeden
Unsern Regierungen, Tribunalen und Commissariaten, auch Beamten und Magistraten
in den Städten und auf dem Lande, in Unsern Chur- und allen übrigen Landen, hiermit
allergnädigst und ernstlich anbefehlen, sich hiernach in judicando et
sententionando allergehorsamst zu achten, dieses Unser Edict, damit es zu
jedermanns Wissenschaft desto besser gelangen möge, öffentlich an gewöhnlichen
Orten zu affigiren, und keinesweges zu gestatten, daß dawider auf einige Weise
gehandelt werde, auch wann an fremden Orten aus Unwissenheit dieser Unser
Verordnung ein anders erkannt werden möchte, solche Sententz nach derselben
sofort ohne alle Weitläuftigkeit zu corrigiren und einzurichten.
Uhrkundlich (!) unter Unserer
eigenhändigen Unterschrift und aufgedruckten Insiegel. Gegeben Berlin den 4ten
Novembr. 1713.
(L. S.) Friderich Wilhelm.
Lit. E.
ad §. 64. p. 117.
Edict von Schulden derer Officiers
und Soldaten.
Wir Friderich von GOttes Gnaden,
König in Preussen (et)c. (et)c. Thun kund und fügen hiermit zu wissen: daß ob
Wir gleich nicht allein, in denen, Unserer Armee ertheilten Reglements, unter
andern denen Officiers das Schuldenmachen, auf das schärfeste verbothen haben,
sondern auch, mittelst eines besondern, unterm 7ten April. 1744. publicirten
Edicts, Unsere hierunter hegende ernsthaftige Intention bekandt machen lassen;
So müssen Wir dennoch zu Unserm besondern Mißfallen wahrnehmen, daß darauf so
wenig gehalten werde, daß Wir sehr oft mit Klagen wider Unsere Officiers, wegen
ihrer gemachten Schulden, behelliget werden. Weilen aber solches gar vielfältig
zum Ruin der Officiers gereichet, und dieselben wohl gar Ehre und Reputation
risquiren, mithin Wir hierunter ferner nachzusehen nicht gemeinet sind; So
haben Wir nicht allein die bereits vorhin ergangene Reglements und Edicte,
insbesondere aber, das, wie obgedacht, unterm 7ten April. 1744. emanirte, und
welches Wir nochmahls hierbey sub A. andrucken lassen, damit sich niemand mit
der Unwissenheit entschuldigen könne, hiermit wiederhohlen wollen; sondern Wir
verordnen auch, und befehlen
145 Dritter Theil. Beylagen. Lit. E.
Beylage A. Edicti præced.
hiermit nochmahls, so gnädigst als
ernstlich, daß sich kein Officier unterstehen solle, die geringsten Schulden zu
machen, noch auch jemand denenselben einiges Geld leihen solle, es sey dann
nach vorheriger Untersuchung, des Chefs oder Commandeurs vom Regiment, und mit
deren schriftlichen Consens, in welchen die Ursachen, wozu das Geld geliehen
worden, mit beygefüget werden müssen. Auf dem Fall aber dem ohngeachtet ein
oder der andere Officier sich unterstehen solte, wider diesen Unsern
ausdrücklichen Befehl, einiges Geld zu borgen, oder Waaren auf Credit zu
nehmen, so soll derselbe darüber zur Verantwortung gezogen und bestrafet
werden, wie die deshalb an die Regimenter ergangene Circulair-Ordre vom
heutigen Dato besaget. Diejenigen aber, so denen Officiers ohne Vorwissen des
Chefs oder Commandeurs des Regiments Geld leihen, oder Waaren verborgen, sollen
nicht nur dessen, oder der Waare, ad pias causas, verlustig seyn, sondern noch
überdem, wenn sie des Vermögens sind, 50 Ducaten zur Invaliden-Casse bezahlen,
sonst aber solches proportionirlich mit Gefängniß absitzen. Gleichwie Wir nun
wollen, daß diesem überall gehörig nachgelebet werde; Also soll dieses Edict
nicht allein bey Unserer Armée, sondern auch und damit es zu jedermanns
Wissenschaft und Achtung kommen möge, in allen Unsern Landen, von denen
Cantzeln öffentlich publiciret, und auf denen Rath-Häusern bey versammleter
Bürgerschaft abgelesen, auch damit alle Viertel-Jahre continuiret werden. Wie
Wir dann Unserm Offico (= Officio) Fisci aufgegeben haben, zu vigiliren, daß
diesem, und insonderheit, daß die Vierteljährige Wiederholung der Publibation (=
Publication) geschehen möge, gehörig nachgelebet werde. Wornach sich also
jedermann, insbesondere die Chefs und Commandeurs derer Regimenter und
Bataillons, Infanterie, Cavallerie, Dragoner, Hussaren und Garnisons, wie auch
die Regierungen, Krieges- und Domainen-Cammern, Magisträte in denen Städten,
und alle Obrigkeiten, genau zu achten haben. Des zu Urkund haben Wir dieses
Edict höchsteigenhändig unterschrieben, und mit Unserm Königl. Insiegel
bedrucken lassen. So geschehen und gegeben Berlin, den 4ten Julii 1746.
(L. S.) Friderich.
Beylage A. Edicti præced.
Wir Friderich von GOttes Gnaden,
König in Preussen (et)c. (et)c. Thun kund und fügen hiemit zu wissen; daß
nachdem wir mißfällig wahrgenommen, was gestalt das von Unsers in GOtt ruhenden
Herrn Vaters Majestät, unterm 6ten April. 1726. zu Verhütung der Schulden bey
den Capitains und Subalternen Officiers, auch Unter-Officiers und gemeinen
Soldaten emanirte Patent, ingleichen die den 31ten Decembr. 1729. darauf
erfolgete Declaration nicht überall gehöirg beobachtet werden, sondern an
theils Orten in Vergessenheit gekommen, Wir nöthig gefunden, solches Patente zu
erneuern, auch noch mehr zu erläutern. Wir setzen, ordnen und befehlen demnach
hiermit anderweit auf das ernstliche und nachdrücklichste,
1.) Daß kein Capitain, vielweniger
ein Subaltern Officier sich unterstehen soll, ohne Vorwissen des Commandeurs
vom Regiment von jemand Geld zu lehnen, auch unter keinerley Prætext Waaren auf
Credit auszunehmen und zu borgen.
2.) Wann aber etwa ein Capitain zum
Besten der Compagnie Geld aufnehmen müste, so soll er sich deshalb bey dem
Commandeur des Regiments melden, und wann dieser findet, daß der Capitain
nothwendig Geld auflehnen muß, so soll der Commandeur zur Sicherheit
desjenigen, welcher das Geld leihen will, über die von dem Capitain
auszustellende Verschreibung, worin die Summa des Anlehns, auch zu was vor
Behuf eigentlich das Geld zum Besten der Compagnie aufgenommen worden, und zu
welcher Zeit die Wieder-Bezahlung erfolgen soll, deutlich ausgedrucket
O o
146 Dritter Theil. Beylagen. Beylage
A. Edicti præced.
seyn muß, seine schriftliche
Einwilligung und Consens ertheilen, auch unter des Capitains Verschreibung,
oder in dem Consens attestiren, daß das gelehnte Geld zu dem erwehnten Behuf
aufgenommen und angewendet worden, welches sodann völlige Kraft eines Beweises
wegen der Anwendung haben, und deshalb kein anderweiter Beweiß gefordert werden
soll, wobey der Commandeur des Regiments sich auch noch von dem Capitain die
Versichung geben zu lassen hat, auf welche Art der letztere das Geld zur
gesetzten Zeit wieder bezahlen wolle.
3.) Wann aber ein Capitain
unbewegliche Güther, als Häuser oder andere Grund-Stücken besitzet, und darauf
Geld lehnen, mithin solche Grund-Stücken zur Hypothec verschreiben will, so ist
dazu der Consens des Commandeurs vom Regiment nicht nöthig, sondern ein solcher
Gläubiger muß sich an die ihm verschriebene Hypothec halten, und soll an des
Capitains übriges Vermögen, oder Tractament und Compagnie-Gelder zum Præjuditz
des oder dererjenigen, welche mit des Commandeurs Consens zum Besten der
Compagnie ohne Hypothec ein Anlehn hergegeben, eher keinen Anspruch haben, bis diese
von dem Commandeur des Regiments consentirte Schulden bezahlet worden.
4.) Wann nun jemand nach dem 2ten
erneuerten Patents einem Capitain mit Consens des Commandeurs vom Regiment ohne
Hypothec Geld leihet, und nach Ablauf der gesetzten Zeit die Wieder-Bezahlung
nicht erfolget, noch der Capitain dazu Anstalt machet, so soll alsdann der
Commandeur des Regiments dem Capitain das Geld monathlich von der Assignation
abziehen, damit der Gläubiger zu seiner Befriedigung gelange.
5.) Im Fall aber der Commandeur
eines Regiments in Schulden, so nicht zum Besten der Compagnie gemachet, noch
dazu angewendet werden, consentirte, und dazu seine Einwilligung ertheilte,
dergestalt, daß der Capitain mit Schulden überladen würde, so soll der
Commandeur sodann allenfalls, wann der Capitain nicht bezahlen könte, selbst
dafür haften.
6.) Kein Subaltern-Officier muß über
acht Rthlr. Schulden machen, wie dann auch der Commandeur vor keinen
Subaltern-Officier, der ein Anlehn aufnehmen will, darüber seine Einwilligung
ertheilen soll, ausser in dem Fall, wann ein neu angenommener Officier zu
Bezahlung der Mundirung Geld gebrauchet, welches diesem hernach entweder
abgezogen, oder von seinen Mitteln, so er von Hause bekommt, bezahlet werden
muß.
7.) Wofern indessen diesem Unsern
ernstlichen Verboth zuwider, ein oder ander Capitain, der keine Grund-Stücken
zur Hypothec zu verschreiben hat, oder ein Subaltern-Officier dennoch
unternehmen würde, ohne Vorwissen und Consens des Commandeur Schulden zu
machen, so sollen dergleichen Capitains sowohl, als Subaltern-Officiers, sie
mögen bezahlen können oder nicht, in Arrest gesetzet, und an Unsere höchste
Person von dem Commandeur solches berichtet werden, da Wir sodenn den Capitain,
weil er wider Unsere Ordre gehandelt hat, dafür bestrafen wollen, und soll ihm
überdas von dem Commandeur das Geld abgezogen werden; Die Subalternen-Officiers
hingegen sollen so lange auf der Haupt-Wache in Arrest sitzen, und dabey doch
ihre Dienste thun, bis sie das betragende Geld wegen ihrer Schulden erleget
haben; Jedoch sollen die Creditores, ob gleich dem Capitaine oder
Subaltern-Officier die Gelder wegen der ohne Consens gemachten Schulden
abgezogen, oder solche sonst von ihnen bezahlet worden, diese Gelder nicht
bekommen, sondern selbige sollen zum Besten der Armen und zu milden Sachen
angewendet, auch die Gläubiger, weil sie wieder dieses Unser erneuertes
ernstliches
147 Dritter Theil. Beylagen. Beylage
A. Edicti præced.
Verboth gehandelt haben, überdas
noch bestrafet werden, immassen Wir keinem, er mag seyn wer er will, darunter
nachgesehen, sondern das Leihen und Borgen an Capitains oder
Subalterne-Officiers ohne des Commandeurs schriftlichen Consens und
Einwilligung, ausser in dem §. 3. dieses erneuerten Patents ausgedruckten Fall,
wann jemand einem Capitaine auf Hypothec leihen will, gäntzlich abgestellet
wissen wollen.
8.) Die Unter-Officiers und gemeinen
Soldaten sollen nicht eines Groschens werth von jemand borgen, widrigenfalls
die Unter-Offriciers auf Schild-Wache gesetzet, und die Gemeinen durch die
Spitz-Ruthen laufen sollen; Auch soll derjenige, welcher creditiret hat, nicht
allein nichts bezahlet bekommen, sondern auch überdas noch bestrafet werden.
9.) Woferne aber jemand sich
unterstehen würde, einem Kaufmann, Brauer, Becker, Wirth oder andern Bürgern
wegen verweigerten Credits übel zu begegnen, oder unter versprochener baaren
Bezahlung an Waaren, Victualien, Bier (et)c. etwas an sich gebracht hätte, so
soll der Commandeur des Regiments, wann solches innerhalb 24. Stunden
angezeiget wird, dem Klagenden schleunige Justitz angedeyhen lassen, auch nach
Befinden der Umstände die dabey gegen den oder diejenigen, welche nicht borgen wollen,
etwa vorgenommene Gewaltthätigkeit oder übeles Betragen ernstlich und
nachdrücklich bestrafen.
Damit nun niemand in den Städten
oder auf dem Lande sich mit der Unwissenheit entschuldigen könne, so soll
dieses Unser erneuertes Patent und ernstliche Ordre von den Cantzeln abgelesen,
auch überdas in den Städten der versammleten Bürgerschaft auf den Rath-Häusern
durch Verlesung publiciret, ingleichen durch Trommelschlag bekandt gemachet,
solches auch alle Viertel-Jahr zu mehrer Warnung vor einen jeden wiederholet,
nicht minder an öffentlichen Orten angeschlagen und ausgehangen werden.
Auch soll derjenige Chef, der
solches quartaliter nicht austrommeln lässet, oder Magistratus, welcher nicht
dafür sorget, daß es quartaliter Vor- oder Nachmittags, oder Wechsels-weise
abgelesen werde, in funfzig Rthlr. unnachläßiger Strafe verfallen seyn.
Urkundlich unter Unserer
höchst-eigenhändigen Unterschrift und beygedrucktem Königl. Insiegel. So
geschehen und gegeben zu Berlin den 7ten April. 1744.
(L. S.) Friderich.
F. v. Görne. A. D. v. Viereck. F. W. v. Happe. A. F. v. Boden. S. v. Marschall.