PROJECT

des CODICIS FRIDERICIANI MARCHICI,

oder eine, nach Sr. Königl. Majestät von Preussen Selbst vorgeschriebenem Plan entworfene Cammergerichts- Ordnung, nach welcher alle Processe in einem Jahr durch drey Instantzen zum Ende gebracht werden sollen und müssen: nebst dem Project einer Sportul-Ordnung und eines Pupillen-Collegii. Es ist auch derselben der Anhang, in welchen alle seit der Publication und Einführung ergangene Ordnungen, Edicten, Mandaten, Rescripten und Resolutionen, wodurch der Cod. Frid. und die Tribunal- und Pupillen-Ordnung eine Erklärung, Abänderung, Erläuterung oder Zusatz erhalten, und wo solche befindlich nach der Ordnung der Tituln und §phorum angeführet sind, beygefüget worden. Nebst einem Register. Königsberg und Mitau, Bey Johann Jacob Kanter, der königl Academie der Wissenschaften, Buchhändler. 1766.

(III) Vorrede. Nachdem Se. Königliche Majestät in Preussen (et)c. wahrgenommen, das eines Theils bey einer jeden Provintz eine besondere Process-Ordnung, und besonderer Modus Procedendi eingeführet sey, welches Anlaß gegeben, daß Dero Ministri, weil Sie so viele verschiedene Ordnungen nicht im Gedächtniß behalten können, wegen der aus denen Provintzen einlaufendenKlagen Rückfragen zu halten, und die Col-legia mit Berichten, die Partheyen abermit unnöthigen Kosten zu beschweren genöthiget worden.

Anderen

Theils auch die Erfahrung gezeiget, daß diese Ordnungen mit so vielen


(IV) Vorrede.

unnöthigen Formalitaeten, auch andern zur Weitläuftigkeit Anlaß gebenden Umständen angefüllet seyn, daß von denen Processen fast kein Ende mehr abzusehen gewesen (et)c.

So haben Se. Königl. Majestät, aus höchst eigener Bewegung, nicht allein allergnädigst gut gefunden in allen Dero Provintzen einen gleichförmigen Process einzuführen, sondern Sie haben auch selbst einen in der Vernunft gegründeten General-Plan formirt, wodurch alle Processe in allen Instantzen in einem Jahr zum Ende gebracht werden können, und müssen ; zugleich auch die Execution dieses Plans Dero Groß-Cantzler von Cocceji anbefohlen und aufgetragen.

Se. Königl. Majestät haben in Pommern, wo die meiste Processe schwebten, und die größte Confusion war, den Anfang der Reforme gemacht, woselbst in 8 Monat an die 2400. alte Processe abgethan worden, von neuen Processen aber keiner, der über ein Jahr alt ist, nunmehro übrig bleibt.

(V) Vorrede.

Se. Königl. Majestät haben ferner befohlen eine Process-Ordnung in Pommern nach Dero Plan zu verfertigen, welches auch in dem Project des Codicis Fridericiani Pomerancini bewerckstelliget worden.

Nachdem nun solchergestalt Se. Königl. Majestät in Pommern Dero allergerechteste Intention , die Processe in einem Jahr in allen Instantzen zum Ende bringen, völlig erreichet, so haben Sie vorgedachten Dero Groß-Cantzler allergnädigst befohlen, die Justitz auch in Dero Chur- und andern Marchen gleichfals nach sothanen Plan einzurichten, welches auch mit so glücklichen Success geschehen, daß bey den Cammer-Gericht in 8. Monaten die mehreste Processe gäntzlich abgethan, und zum Ende gebracht, die wenige übrige mehrentheils zum Spruch instruirt seyn, und in 4. Monat gleichfals ge endigt werden sollen.

Von denen neuen Processen, welche nach der Reforme im Monat September angefangen,


(VI) Vorrede.

und nach dem neuen Königl. Plan tractirt worden, seyn wenig mehr vom Sept. Octob. und November übrig, und ist da her kein Zweifel, daß Ihro Königl. Majestät Dero gerechte Intention alle Processe in ei nem Jahr zu endigen, auch künftig alhier er reichen werden.

Es haben auch dieser Einrichtung die Deputirten der Land-Stände, nemlich der wegen seiner Wissenschaft, Erfahrung und Redlichkeit bekante Land-Rath von Otterstedt, und der gleichfals geschickte Geheimde Rath von Berg, auf Königl. Ordre beygewohnet, den dem Land, und denen Unterthanen, daraus entspringenden Nutzen wahrgenommen, und ihre Approbation schriftlich be zeuget.

Weil aber bey denen Chur- und Märckischen Provintzen besondere Landes-Verfassungen, verschiedene Arten von Jurisdictionen, auch andereInstantzen vorhanden seyn (insonderheit nachdem die Remedia auch aus der Neumarck hieher verwiesen worden: )

(VII) Vorrede.

So haben allerhöchst gedachte Se. Königliche Majestät nöthig gefunden, ein besonderes Projekt eines Codicis Fridericiani Marchici verfertigen zu lassen, worin zwar eben derselbe Modus procedendi beybehalten, aber die Collegia in eine andre Ordnung gebracht, und was bey dem in Eilverfertigtem Codice Pomeranico vergessen, suppliret worden, welcher Codex allen Provintzen künftig zum Modell dienen soll.

Damit aber diese General-Process-Ord nung auf einen soliden, und beständigen Fuß gesetzt werden möge; so haben Se. Königl. Majestät diese Ordnung bloß als ein Project zu drucken befohlen, worüber dem Collegio, denen Land-Ständen, und einem jeden frey stehen soll binnen Jahres-Frist Monita zu verfertigen, und solche einzuschicken, wor auf zu seiner Zeit behörige Reflexion gemacht und dieselbe mit denen Deputirten derer Stände de concert regulirt werden sollen.

([VII = VIII) Vorrede.

Weil aber unterdessen die neue Einrichtung nicht aufgehalten werden kann, so ha ben Sr. Königl. Majestät die Collegia interim, und bis zu Einlaufung und Regulirung derer Monitorum, angewiesen, nach diesem Project zu verfahren.

Berlin, den 3ten April, 1748.

(1) Erster Theil.

Tit. I.

Von Unseres Hof- und Cammer-Ge richts-Bestellung, und vom Richterli chen Amt überhaupt.

§. I. Unser Cammer-Gericht soll aus drey Senaten bestehen: deren Membra bey der mit nächstem zu beschehenden wirklichen Einrichtung ernennt, und zugleich auch deren Berrichtung regulirt werden soll:

§. 2. Bey diesen Senaten sollen auch gewisse Referendarii und Auscultatores gesetzt werden, damit sich junge Leute zur Justitz -Pflege qualificiren, und die Praxin bey dem Collegio erlernen können.

§. 3. Weil alles an denen Praesidenten und Directoren gelegen, und nimmermehr eine gute und redliche Justitz-Pflege zu hoffen ist, wann die Chefs ihre Rathe und Advocaten nicht übersehen, die Unordnungen ändern, auch alle Chicanen coupieren können; So wollen Wir keine andere, als bekannte, solide, und solche Personen, welche schon eine Zeit lang in Justitz-Collegiis gesessen, derer Rechte und Landes-Verfassung kundig, in Praxi geübet, auch nebst der Gelehrsamkeit die gehörige Aktivität und Authorität besitzen, zu diesen wichtigen Aemtern annehmen.

Wir wollen aber bey Vergebung dieser Chargen Uns daran, ob dieser oder jener Vice-Praesident oder Director oder Rath der nächste in der Ordnung sey, gar nicht binden:

(2) Erster Theil. Tit. I.

Allermassen Wir keinem Vice-Praesidenten oder Rath ein Recht in diese Chargen zu ascendiren zugestehen ; sondern Uns nach Gefallen die Besetzung derselben vorbehalten.

Und wann Wir auch schon einem oder dem andern eine Exspectantz auf diese Aemter verleihen, wollen Wir doch daran nicht gebunden seyn, vielmehr soll dieselbe als sub- & obrepirt gehalten werden.

Damit Wir aber auch von der Capacität derer Praesidenten und Directoren völlig versichert seyn mögen ; So sollen dieselben (wann sie nicht schon vorhin die Proben, welche von einem Cammer-Gerichts-Rath erfordert werden und von welchem jetzo gleich gehandelt werden soll, ausgestanden) sich dem examini rigoroso unterwerfen.

Vid. C.C. le a. 1755. N. 82. & 15.

§. 4. Wann eine Raths-Stelle bey dem Cammer-Gericht erledigt worden, und sich einige Candidaten, sie mögen Referendarii oder Fremde seyn, darzu angeben, so sollen dieselben

1) Bey Unserm Cammer-Gericht in Berlin öffentlich Aus denen schwersten Materiis derer Landes-Rechten einen Morgen, und

2) Des andern Tags aus der Proceß-Ordnung examinirt werden. Hiernächst

3) Wann sie wohl bestanden, (dann wann es ihnen an der Theorie oder Praxi fehlet, sollen sie auf erfolgten Bericht ohne weitere Untersuchung abgewiesen werden,) müssen sie überdem eine Probe-Relation aus einer weitläufigen und wichtigen Sache verfertigen: Worbey ihnen zugleich

4)Ein Correferent zugegeben werden soll, welcher des Condidati Relation controlliren muß.

5) Diese beyde Relationes müssen in pleno verlesen, hiernächst über die Capacität des Candidati auf End und Pflicht votirt, und das darüber gehaltene Protocoll dem Ministre, zu dessen Departement die Provintz gehöret, zum ferneren Vortrage eingeschicket


(3) Erster Theil. Tit. I.

werden. Es ist aber nicht genung, daß nach der bisherigen Gewohnheit berichtet werde, daß dergleichen Candidati Hofnung von sich geben, daß sie durch ihre Application sich künftig qualificiren möchten: Weil Wir Unsere Justitz Collegia mit Leuten besetzt wissen wollen, welche die gehörigen Qualitäten schon haben, nicht aber mit solchen, die die Capacität erst erhalten sollen.

6) Es muß aber ein jeder Candidat, welcher sich zu dergleichen Charge angiebt, vor dem Examine 10 Rthlr. erlegen, welche in die Sportul-Casse gebracht Werden sollen.

7) Wenn jemand sich durch einen andern Weg, als Wir hierin vorgeschrieben, in das Cammer-Gericht einschleichen solte, oder wohl gar von dem Examine und der Probe-Relation Dispensation suchen und erhalten würde, muß das Collegium denselben nicht recipiren, sondern den Unsern Ministern, vom Justitz-Departement Vorstellung thun, und, daß es wider den von Uns selbst vorgeschriebenen Plan laufe, berichten.

Solte alsdenn dem ohngeacht dessen Reception dem Collegio anbefohlen werden, so soll der Rath niemahls darbey sicher seyn, sondern das Rescript für sub- & obrepirt gehalten, und derselbe über kurtz oder lang nicht allein dimittirt, sondern auch angehalten werden alles was er an Besoldung und Sporteln erhalten, nebst dem Duplo dem Fisco zu erstatten.

§. 5. Im übrigen wollen Wir zwar bey Besetzung derer erledigten Stellen in denen Justitz-Collegiis Unserer Länder auf die Referendarios vor Fremden reflectiren, wann sie gleiche Capacität mit diesen haben. Wir wol len aber nicht daran gebunden seyn, sondern Uns die Er setzung der ledigen Stellen hierdurch ausdrücklich reserviren, allermassen dieselbe unter dem Vorwand, daß sie schon
(4) Erster Theil. Tit. I.

bey dem Collegio mit gearbeitet, sich daher kein Recht anmassen sollen noch können.

§. 6. Es sollen keine Referendarii angenommen wer den, wann sie nicht zuforderst bey dem Cammer-Gericht , jedoch ohne Kosten, öffentlich examiniret worden, und in Theoria & Praxi eine ziemliche Wissenschaft erlangt, auch eine Probe-Relation abgestattet haben.

Wann das Cammer-Gericht hievon Pflicht-mäßigen Bericht erstattet, und das Protocoll mit denen Votis einschicket, wollen Wir wegen deren Reception nähere Verordnung ergehen lassen.

§. 7. Wir wollen auch keinen Auscultatorem in das Collegium admittiren, als welcher wenigstens 20 Jahre alt, von gutem Herkommen, und guter Conduite ist, auch seine Studia in jure auf einer Königlichen Universität absolviret, und dieserwegen ein gutes von der gantzen Juristen-Facultät, und zwar von Singulis unterschriebenes Zeugniß erhalten, anbey zu seiner Subsistentz einige Mittel hat.

Wann der Candidat diese Umstände bescheiniget, muß derselbe gleichfalls öffentlich bey dem Cammer-Gericht examiniret werden: Und wann sich einige Profectus bey ihm finden, wollen Wir auf erfolgten Bericht Unsere Willens-Meinung wegen dessen Reception eröfnen.

§. 8. Weil Wir auch zu denen Pronotoriat- und Secretariaten künftig keine andere, als gelehrte und geschickte Leute, welche allenfalls die vom Hofe aus erforderte Berichte legaliter und cum rationibus verfertigen können, annehmen wollen; So sollen diejenigen, welche sich zu diesen Chargen melden, eben so wie die Rathe die Probe ausstehen, und überdem die in einem Tag abgefaßte schriftliche Decreta extendiren.

§. 9. Die Registratores müssen gleichfalls etwas vom Jure und dem Process verstehen, daher das Cammer-Gericht dieselben darüber examiniren, und von deren Capacité berichten, auch davor stehen muß.
(5) Erster Theil. Tit. I.

§. 10. Zu Canzellisten sollen keine angenommen noch vorgeschlagen werden, welche nicht von bekannten ehrlichen Eltern gebohren, eine gute Erziehung, und eine ver nünftige Ausführung haben, zugleich aber auch eine gute und leserliche Hand schreiben, und einen lateinischen Terminum verstehen, d. i. die Classen durchgegangen seyn.

§. 11. Es ist aber bey der Bestellung dieser Secretarien, Registratoren, und Canzellisten Unser ernstlicher Wille, daß wenn die Eltern von dieser Profession gewesen, und ihre Kinder darzu angezogen haben, diese jederzeit fremden praeferirt, und Uns in Vorschlag gebracht werden sollen.

§. 12. Die Canzeley-Diener, die Bothenmeister und die Bothen können zwar von dem Präsidenten vorgeschlagen werden, er muß aber keine andere, als abgedanckte, oder blessirte Unter-Officierer, deren gute Conduite von dem Regiment, wo sie gestanden, attestirt wird, und die lesen und schreiben können, in Vorschlag bringen, und wenn sich dergleichen nicht finden, wollen Wir auf erhaltene Nachricht dem Collegio dieselbe zuschicken.

§. 13. Und da in dem Land-Tags-Recess de Anno 1653. enthalten, daß denen Einheimischen billig der Vorzug vor denen Ausländischen im Cammer-Gericht gebühre: (wiewohl die Fremden nicht gnzlich davon ausgeschlossen,) als lassen Wir es nochmals dabey bewenden.

§. 14. Vorgedachtem Unserm Cammer-Gericht ertheilen Wir hierdurch eine vollkommene Macht und Autorität, an Unserer Statt, und in Unserm allerhöchsten Nahmen alle dahin gehörige Justitz-Sachen, (nebst denen dahin verwiesenen Consistorial-Processen,) wie dieselbe beschaffen seyn mögen, zu entscheiden, und zur gebührenden Execution zu bringen (et)c.

Sie müssen aber die Processe, auf ihre theuregeleistete Pflicht auf alle rechtliche Art, und nach dieser Ordnung, zu verkürtzen, und dieselbe durch alle Instantzen in einem Jahr zum Ende zu bringen suchen ; allen Menschen ohne Ansehen der Personen, Grossen und Kleinen, Reichen

(6) Erster Theil. Tit. I.

Armen, gleiche und unpartheyische Justitz administriren, so wie sie gedencken solches vor dem gerechten Richterstuhl GOttes zu verantworten, damit die Seufzer der Wittwen und Waysen, auch anderer Bedrängten, nicht auf ihr und ihrer Kinder Haupt kommen mögen.

§. 15. Sie sollen auf keine Rescripta, wenn sie schon aus Unserm Cabinet herrühren, die geringste Reflexion machen, wann darin etwas wider die offenbare Rechte sub- & obrepirt worden, oder der strenge Lauf Rechtens dadurch gehindert und unterbrochen wird: Sondern sie müssen nach Pflicht und Gewissen weiter verfahren, jedoch von der Sache Bewandniß so fort berichten.

Insbesondere aber soll Unser Cammer-Gericht und andere Gerichte, in allen Sachen und Rechtlichen Handlungen zwischen Unserm Fisco an einem, und zwischen Unsern Vasallen und Unterthanen am andern Theil, es sey der Fiscus selbst Actor, oder einem andern zur Assistentz gegeben, lediglich die Justitz, als auf welche sie geschworen und beeidigt seyn, zum Augenmerck haben, und auf keine wider die Justitz lauffende Verordnungen reflectiren, weil ihnen solche Verordnungen, so wenig als Unser etwa vorgeschütztes Interesse zu keiner Entschuldigung dienen soll. Im übrigen wollen Wir Unsere Gerichte auf die von Uns aus höchsteigener Bewegniß, weiter ergangene Erklärung (wovon in dem Titul von denen Fiscalischen Processen gehandelt werden soll) verweisen.

Conf. pr. oltr. S. 41. 10.

§. 16. Gleichwie Wir von wohlgezogenen und vernünftigen Räthen nicht vermuthen, daß dieselbe ihre GOtt und Uns schuldige Pflicht dergestalt vergessen, und sich durch Geschencke und Versprechungen, oder durch Animosität, Freund- oder Feindschaft werden bewegen lassen, die Justitz zu verkaufen, oder eine offenbare Ungerechtigkeit zu begeben ; als wollen Wir, wann Uns dergleichen vorgebracht würde, Uns sofort nicht zu einigem Mißtrauen, viel weniger zu einer Ungnade gegen sie bewegen lassen, sondern sie zuforderst darüber, zulänglich hören und vernehmen.

(7) Erster Theil. Tit. I.

§. 17. Würde sich aber nach genauer Untersuchung finden, daß jemand sich durch Gift und Gaben habe bestechen lassen, so soll derselbe, er sey hohen oder niedrigen Standes, als infam cassirt werden, und was er empfangen dem Fisco mit Beyfügung des Dupli anheim fallen. Wobey Wir Uns ausdrücklich vorbehalten, nach Beschaffenheit der Sachen und Umstände, den Richter mit Leib, und wohl gar mit Lebens-Strafe zu belegen.

§. 18. Der Advocat oder Procurator, welcher die Geschencke offerirt, oder seiner Parthey solche zu geben anräth, oder das Praesent wircklich einliefert, soll ewig zur Karre gebracht, oder auch, dem Befinden nach, gar am Leben gestraft werden.

§. 19. Wann ein anderer Unterhändler darunter gebraucht wird, derselbe soll mit einer starcken Geld-Busse, oder mit zeitlicher Festungs-Arbeit belegt werden.

§. 20. Wann ein fiscalischer Bedienter davon einige Nachricht erhält, und einige nicht ungegründete Vermuthungen vorhanden seyn, muß er solches dem Präsidenten bey Strafe der Cassation anzeigen, welcher Uns immediate davon, wann die Denunciation einigen Grund hat, berichten soll.

§. 21. Damit aber denen Richtern kein Vorwand übrig bleibe die Corruptiones zu bemänteln, so wollen Wir nicht allein wirckliche angenommene Geschencke darunter begreifen; Sondern wann auch dergleichen nur versprochen, oder pro promovenda Justitia, oder nach ausgesprochenen Urthel pro studio & labore, oder unter was für einem Praetext es geschehe, offeriret und angenommen werden. Ja wann sie auch nur in esculentis & potulentis bestehen.

§. 22. Unter die Corruptionen wollen Wir auch verstehen, wann des Richters Frauen, Kinder, oder nahen Unverwandten, etwas offerirt wird, es mag in Geld, Geldes Werth, oder einigen Beneficiis bestehen.

(8) Erster Theil. Tit. I.

§. 23. Derjenige, welcher die Corruption wircklich angebracht, soll Sachfällig declariret, und nicht weiter gefragt werden, ob die Sache recht oder unrecht sey: Welches auch statt haben soll, wann schon die Sententz zur Execution gebracht, und einige Zeit nachher die Corruption entdecket worden; und soll der gewinnende Theil ohne weiteres Verfahren zur Restitution angehalten werden.

§. 24. Es soll auch demjenigen, der den Process verlohren hat, wann er einige Indicia einer Corruption an die Hand gehen kann, frey stehen, binnen 3 Tagen, nachdem das End-Urthel zu seiner Wissenschaft gekommen, dem Gegentheil und dessen Advocato, praevio juramento calumniae den Eyd dahin zu deferiren, daß er weder durch Gift und Gaben, noch durch Versprechungen einiger Erkenntlichkeit an die Richter, oder derer Angehörige und Freunde, noch durch andere verbotene Wege das obsigliche Urthel erhalten habe.

§. 25. Wann der Regierung und deren Membris, zwar keine Corruption, wohl aber eine aus Animosität begangene offenbahre Justitz imputiret wird, und bey der Untersuchung solches wahr befunden wird, so soll der Richter eben so wie vorhin geordnet ist, als ein Meineidiger bestraft werden. Im Fall aber die Ungerechtigkeit aus einer Ignorantz herrühret, soll der Rath dimittirt werden, und demjenigen, welcher über das Unrecht geklagt, die Kosten des Processes zu erstatten schuldig seyn.

§. 26. Weil aber die Unschuld auch sicher seyn, und von rechtschaffenen und unbefleckten Richtern alle Verunglimpfung abgelehnet werden muß; so soll es mit denen, welche denen Richtern dergleichen Corruption, oder sonst eine andere vorsetzliche offenbahre Ungerechtigkeit ohne Grund imputiren, und dieselbe nicht bescheinigen, folgendergestalt gehalten werden.

Wann es eine bürgerliche und nicht in dignitate constituirte Person ist, die dem Richter einer Corruption oder

(9) Erster Theil. Tit. I.

vorsetzlichen Ungerechtigkeit ohne vorhergehende Bescheinigung beschuldiget, oder demselben ohne dergleichen Indicia das Juramentum victoriae deferiret, so soll dieselbe zur Karren gebracht, deren Advocat, auch der das Memorial unterschrieben, und der Concipient, welcher das Memorial verfertiget, mit gleicher Strafe belegt werden.

Wann es aber ein Edelmann, oder eine andere mit einem vornehmen Amt bekleidete Person ist, soll dieselbe von denen Revisoribus der Acten, wann der Richter unschuldig befunden wird, pro infami declariret werden, folglich ihres Amts verlustig gehen, dem Richter einen öffentlichen Wiederruf thun, und noch darzu nach ihrem Vermögen bis 2000 Rthlr. Geld-Strafe geben; und behalten Wir Uns bevor das Jus talionis befundenen Umständen nach noch weiter zu extendiren.

Allermassen nicht genung(!) ist auf blosse Muthmassungen einen in Eyd und Pflicht stehenden Richter eines Meineides zu beschuldigen, oder demselben den Eyd über seine Ehrlichkeit zu deferiren, wann der Kläger keine Indicia der Corruption und Ungerechtigkeit bey der Hand hat, noch solche vorlegen kan.

§. 27. Wann Fremde dergleichen Ehren-rührige Beschuldigungen in ihren Schriften vorgeben, sollen die Ober und Unter-Gerichte Macht haben, dieselbe, wann sie unter ihrer Bothmäßigkeit anzutreffen seyn, so lange in Person zu arrestiren, bis dasjenige, was wider sie erkannt ist, zur Execution gebracht worden;

Wann sie aber weder unter ihrer Bothmäßigkeit anzutreffen seyn, noch auf richterliche Citation erscheinen, sollen sie in der Haupt-Sache nicht weiter gehöret, und auf des Gegentheils Ansuchen per Requisitoriales verlanget, und wann dieselbe verweigert wird, dem Befinden nach derer Namen an den Galgen geschlagen werden.

(10) Erster Theil. Tit. I. II.

Wie übrigens die wider die Unter-Gerichte geführte ungegründete Klagen zu bestrafen, davon soll unten Part. Tit. §. gehandelt werden.

§. 28. Würde auch jemand Unserm Cammer-Gericht, als welches in so weit Unsere Statt verwaltet, sich widersetzen, oder die dazu verordnete Räthe schmähen, übel angreiffen und austragen, auch sonst den gebührenden Respect ausser Augen setzen, so soll dasselbe befugt seyn gegen die Uebertreter und Frevler fiscum zu excitiren, und durch Urthel und Recht sich selber Recht zu verschaffen.

Wegen Visitation der Justitz Collegien vid. Cont. Constit. de anno 1754 N. 34.

§. 29. Schließlich muß in Abwesenheit des Praesidenten der zweyte oder Vice-Praesident ; in dessen Abwesenheit aber der vositzende Rath das Directorium führen.

Tit. II.

Zu welcher Zeit das Cammer-Gericht gehalten werden soll: und von denen Feriis.

§. 1.

Es soll bey dem Cammer-Gericht viermahl Gerichts-Tag in der Wochen gehalten werden; nemlich den Montag, Mittwoch, Freytag und Sonnabend.

§. 2. In denen drey ersten Tagen, wird alles was gerichtlich verhandelt werden muß, vorgenommen; den vierten Tag, nemlich des Sonnabends, werden die Verhöre, die in der Wochen übrig geblieben, continuiret, und die Verhörs-Bescheide und Urthel, auch andere Sachen, welche in der Wochen nicht haben referiret werden können, vorgetragen und expediret, wovon die Ordnung unten P. II. Tit. vorgeschrieben wird.

§. 3. An denen Sonn- Fest- und Buß-Tagen, sollen keine gerichtliche Handlungen vorgenommen werden, es wäre denn, daß wegen Insinuation der Testamentorum, Interposition und Introduction der Appellationen, oder


(11) Erster Theil. Tit. II. III.

andern Fatalien halber. auch wegen Arreste. und sonst. die Sache keinen Verzug leiden wolte. Wie denn auch Contracte. Gedinge. Verträge und Vergleiche. auch andere willkührliche Handlungen. die keiner gerichtlichen Solennität bedürfen. sonderlich nach verrichtetem Gottesdienst. wohl mögen errichtet und vollzogen werden.

§. 4. Es soll auch das Cammer-Gericht in der Oster- Pfingst- und Christ-Woche jedesmahl 14 Tage. und in der Erndte vier Wochen. nemlich vom 20sten Julii bis den 20sten Augusti. geschlossen seyn.

§. 5. In diesen Ferien können nicht allein schriftliche Supplicata übergeben. sondern auch Tutores und Curatores bestellet. auch in Wechsel- und andern Sachen. welche eine schleunige Expedition erfordern. Verhöre angesetzet. und was Unser Präsident und Räthe sonst vor nöthig erachten. veranlasset werden.

Zu dem Ende müssen die gegenwärtigen Räthe in den Wochen. und zwar des Mittwochs. einmahl zusammen kommen. und die ihnen distribuirte Memorialien. auch ex Actis verfertigte Relationes referiren. und was sonst vorkommen möchte. abthun.

§. 6. Die Erndte-Ferien sollen nicht allein denenjenigen. welche damit wircklich beschäftiget. sondern auch denen. so damit nicht occupirt seyn. zu statten kommen.

§. 7. Die Partheyen können sich auch in andern nicht excipirten Fällen der Ferien begeben. und sich in den Process einlassen.

Tit. III.

Von dem Amt derer Cammer-Gerichts-Präsidenten

§. 1.

Zuforderst haben Wir zu Unsern Präsidenten das feste Vertrauen. dieselben werden sich selbst zum Vorbild und Exempel vorstellen. auf gute Administration der Justitz


(12) Erster Theil. Tit. III.

mit allen Fleiß Acht haben. wo Sie vermercken. daß etwas verordnet aber gehandelt würde. so wider dieselbe liefe. oder zur Zerrüttung dieser Unserer Ordnung und der Land-üblichen Rechte. oder zu Beschwerung Unserer Unterthanen. oder fremden litigirenden Leute. ausschlagen könnte. denselben steuren.

Zu dem Ende müssen die Präsidenten bey dem Vortrage der Memoralien. und Ablesung derer Relationen auf die etwa vorgehende Abusus Achtung geben. solche notiren; mit dem Collegio. wie solchen abzuhelfen. überlegen. auch. wenn es nöthig. durch einen gemeinen Bescheid denen Advocaten solches kund thun-Und wider diese Ordnung durchaus keine Mißbräuche einschleichen lassen. oder Wir werden Uns an sie halten.

§. 2. Und weil künftig bey denen 3 Senaten auch 3 Präsidenten oder Directores bestellet werden sollen. so werden Wir deren Verrichtungen. und wie weit ein Senatus dem andern subordinirt seyn soll. nachher declariren.

§. 3. In denen Gerichts-Tagen muß der erste Präsident des Cammer-Gerichts alle Morgen praecise um 8 Uhr auf dem Cammer-Gericht sich einfinden. denen Audientzen vom Anfange bis zum Ende beywohnen. und sich ausser wichtigen Ursachen nichts davon abhalten lassen; Es sollen auch Unsere Präsidenten niemahls ohne Unsere allergnädigste höchsteigenhändige Permission verreisen. welches Wir ihnen. jedoch nur in denen Ferien so dann verstatten wollen.

§. 4. Der erste Präsident muß ferner auch dahin sehen. daß die Räthe und Subalternen zu rechter Zeit bey der gesetzten Strafe erscheinen; Im übrigen aber in genere darauf Achtung geben. daß ein jeder sein Amt nach Anleitung der vorgeschriebenen Ordnung thue. gestalten er die Säumige privatim. oder. wann es nöthig im Collegio ermahnen; wann dieses aber nicht helfen will. immediate an Uns berichten soll. Immassen Se. Königl. Majestät wann Klage über die Bedienten geführet wird. und


(13) Erster Theil.Tit. III.

der Präsident solche nicht abstellet. oder nicht davon berichtet. sich an ihn halten werden.

§. 5. Er muß das Cammer–Gerichts-Siegel in guter Verwahrung unter seinem Schloß halten. dasselbe in keiner anderen als in denen Cammer-Gerichts-Sachen gebrauchen. oder gebrauchen lassen; die Siegelung aber in seinem Hause durch den Bothenmeiter. Canzellisten. oder die geschworne Canzeley-Diener verrichten lassen; Alles was unter diesem Siegel ausgefertiget wird, muß er unterschreiben. oder. wann er verhindert wird. solches dem zweyten Präsidenten. und in dessen Entstehung dem vorsitzenden Rath nebst dem Siegel anvertrauen.

§. 6. Wann Rescripta oder Cabinets(-)Ordres einlaufen. muß der Präsident dieselbe nicht blos ad Acta legen. sondern solche sofort dem Collegio publiciren. und dahin sehen. daß dasjenige. was Wir darin anbefohlen haben. schleunig expediret und zur Execution gebracht werde. Wann schon kein Memorial darbey übergeben wird.

Wann etwa Bericht darin erfordert wird. muß der Präsident nach beschehener Publication den Referenten sofort benennen. und davor sorgen. daß die Acta demselben noch denselbigen Tag zu Abfassung des Berichts zugestellet werden.

Und damit der Präsident wissen könne. ob das Befohlene zur Execution gebracht. oder der etwa erforderte Bericht abgestattet sey; so muß er sich eine besondere Tabelle der eingelauffenen Refcripten verfertigen. und 1) die Namen der Partheyen. 2) das Datum. und 3) Praesentatum. 4) contenta rescripti. und 5) den Decernenten. oder wann Bericht erfordert wird. den Referenten notiren (et)c.. Diese Tabelle muß er beständig in dem Collegio vor sich liegen haben. und. wann der Bericht verlesen und approbiret worden. vor die Expedition sorgen. auch 6) wenn solches geschehen. und 7) der Bericht gesiegelt und auf die Post gegeben worden. dieses gleichfalls in die Tabelle eintragen.


(14) Erster Theil. Tit. III.

Es muß aber der Präsident darauf Achtung geben. daß auch demjenigen. was vermöge des Decreti anbefohlen worden. nachgelebt werde; maßen nicht genug ist. wenn z. E. von denen Unter-Gerichten Bericht darüber erfordert. oder der Parthey injungirt wird. dem Rescripto ein Genügen zu thun (et)c. sondern er muß dahin sehen. daß allen dergleichen Verordnungen ein Terminus sub poena inferirt werde. binnen welchem Paritio docirt. oder der Bericht eingeschicket werden soll-Bis dahin muß der Präsident die Tabelle nicht weglegen.

Wann die Unter-Richter oder Partheyen hierunter säumig seyn. muß der Präsident die Strafe sofort beytreiben.

§. 7. Wann Klage über das Verfahren des Cammer-Gerichts und dessen Decreta geführet wird. insonderheit wenn es Officier und Soldaten betrift. muß der Präsident Acta selber nachsehen. und die Kläger umständlich mit Rationibus bescheiden; Wann sie sich mit Gleich und Recht nicht begnügen wollen. sondern das Cammer-Gericht weiter importuniren,. muß er dem Commandeur des Regiments davon Nachricht geben. und wann dieser dem Kläger keinen Einhalt thut. an Uns immediate berichten.

§. 8. Wann über eine mündliche oder schriftliche Relation votirt wird. muß der Präsident die Vota darüber colligiren. und bey dem Jüngsten anfangen.

Wann einmahl per majora der Schluß gemacht worden. soll nicht leicht aufs neue votirt werden; es wäre dann. daß der Präsident. oder einer von denen Räthen. einen neuen in votando entweder gar nicht. oder nicht genugsam erörterten Umstand angemercket hätte. welchenfalls. insonderheit wann die Sache wichtig und vota discrepantia seyn. noch einmahl herum gefragt werden kann und soll.

Wann Vota paria seyn. so behält diejenige Meynung. welcher der Präsident beytritt. den Vorzug. Im Fall aber der Präsident bedenklich finden solte. wegen Wichtigkeit


(15) Erster Theil. Tit. III.

und Dunkelheit der Sache. sein Votum decisivum zu ertheilen. steht ihm frey einen dritten Referenten zu benennen. welcher in pleno nochmahl referiren muß-da dann das Urthel als dann juxta majora abgefaßt. bey dem Senat verlesen. und von allen Räthen unterschrieben werden muß.

§. 9. Er muß jedem ein freyes Votum verstatten. und dahin sehen. daß keiner dem anderen in seiner Ordnung obloquire. und in die Rede falle; sondern daß einer gegen den andern sich aller gebührenden Bescheidenheit gebrauche-Würde sich aber jemand unterstehen sich anzüglicher und schimpflicher Reden zu gebrauchen. soll der Präsident dieserwegen. und wer den Anfang dazu gemacht. immediate an Uns berichten.

Wann die Räthe und Gerichts-Bediente unter sich in Streit und Uneinigkeit gerathen. soll keiner mit dem andern in Wortstreit sich einlassen. oder denselben zur Rede stellen. sondern derjenige. welcher sich offendiret zu seyn vermeynet. soll dem Präsidenten solches anmelden. welcher entweder allein. oder mit Zuziehung ein paar Räthe. den Streit in Gute beylegen. oder in deren Entstehung dahin sehen muß. daß kein Scandalum und Verhinderung in denen gerichtlichen Verrichtungen daraus entstehe-Wann solches nicht zu hindern. muß der Präsident die Sache dem Collegio übergeben und rechtlich darüber erkennen lassen.

§. 10. Von Privat-Informationen der Partheyen müssen sowohl der Präsident. als übrige Membra Collegii. sich enthalten-Um so vielmehr. da jetzo die Processe beschleuniget werden sollen. folglich dem Collegio die ohnedem benöthigte Zeit durch dergleichen mündliche Informationes entzogen wird. Dahingegen einer jeden Parthey und deren Sachwalter frey stehet. durch ein pro Memoria über die Protraction der Justitz bey dem Präsident sich zu beschweren. oder sonst seine Nothdurft schriftlich vorzustellen,


(16) Erster Theil. Tit. III.

welcher darauf Acta selber nachsehen. und dem Befinden nach remediren muß.

§. 11. In denen Ferien muß der Präsident die gegenwärtige Räthe anhalten. daß sie einen Tag in der Wochen zusammen kommen. und die unterdessen eingelauffene Sachen (welche in denen Ferien distribuirt werden sollen) vortragen. und decretiren. die fertige Relationes ablesen. auch die Verhöre. worinnen periculum in mora. abwarten müssen.

§. 12. Der Präsident muß das Distributions(-)Buch beständig in der Audientz vor sich liegen haben. und nachsehen. ob auch die Relationes in der gesetzten Zeit verfertiget. und die Urthel publiciret werden. und sodann die Sache durchstreichen; Widrigenfalls aber sich nach der Ursache der Verzögerung erkundigen. und die Säumige zu ihrer Schuldigkeit anhalten.

§. 13. Er muß sich alle Monath die neue eingelaufene Processe. so weit dieselbe noch nicht abgethan seyn. vorlegen lassen. Eine jede Sache besonders nachsehen. und examiniren. ob der Process von denen Advocaten von Anfang recht instruiret worden-ob. und von wem. die Sache verschleppt werde-ob die Sache. insonderheit wann sie eine Kleinigkeit betrift. nicht zu vergleichen sey: (et)c. Er muß dem Befinden nach denen Advocaten und Decernenten. wenn sie etwas versehen haben. solches ex officio anzeigen. und die erstere anweisen. wie sie die Sache beschleunigen. und zum Ende bringen sollen.

§. 14. Er muß vor allen Dingen auf die Depositen-Casse ein wachsames Auge haben. alle Monath dieselbe durch ein paar Räthe visitiren. und darüber ein Protocoll halten lassen. auch nach Anleitung der Constitution von denen Depositis. vor deren Sicherheit sorgen.

§. 15. Der erste Präsident muß weiter davor sorgen. daß die Protonotarii und Secretarii die Sachen denselben oder des andern Tages expediren. und dem decernirenden Rath zur Revision zufertigen. den Aushang der expedirten


(17) Erster Theil. Tit. III.

Sachen richtig verfertigen. und die Insinuationes nicht aufgehalten werden.

Er muß auch die Anstalt machen. daß die einlaufende Memorialien ihm von dem Registratore desselben Tages. nebst denen Distributions-Büchern vorgelegt werden-damit er die eingelaufene Supplicata. und geschlossene Acta ohne Aufenthalt distribuiren könne.

Bey der Distribution muß der erste Präsident einen vor dem andern nicht praegraviren. und wann er wegen besonderer Umstände die Ordnung ändern muß. so ist er schuldig dahin zu sehen. daß bey der folgenden Distribution demjenigen. welcher übergangen worden. eine andere Sache an deren Stelle zugeschrieben werde.

§. 16. Es muß der erste Präsident auch hauptsächlich auf die Advocaten genaue Achtung geben. daß sie in gehörigen Schrancken gehalten werden. und von ihnen dasjenige. worzu Wir die Advocaten unten Tit. 14 §. 1. seq. angewiesen. genau beobachtet. dieselbe auch. wenn sie dagegen handeln. mit denen darauf gesetzten kleinen Strafen belegt werden. allermassen der Präsident davor stehen soll.

Im Fall einer oder der andere von denen Advocaten die ihm vorgeschriebene Pflicht nicht beobachtet. soll der Präsident solches im Collegio vortragen. da dann. wann das Collegium davon berichtet. der Advocat sofort. ohne weitere Untersuchung der Ursache. dimittiret werden soll.

§. 17. Die Advocaten müssen alle Jahr dem ersten Präsidenten eine Tabelle von ihren Processen. und wie weit solche gekommen. einliefern.

§. 18. Es muß auch der erste Präsident der Chicane derer fiscalischen Bedienten Einhalt thun. und dahin sehen. daß sie Unserer Ordnung wegen der Fiscale und derer fiscalischen Processe. überall nachleben.

Er muß auch den Advocatum Fisci anhalten. daß er alle Monath die eingelaufene Listen derer fiscalischen Processe ihm zustellen müsse-Diese Listen muß der Präsident sorgfältig


(18) Erster Theil. Tit. III.

examiniren. und nachsehen. ob nach der Criminal-Ordnung in denen specificirten Sachen verfahren sey.

Im Fall einer oder der ander sein Amt nicht thut. muß der Präsident davon berichten. da dann der säumige Fiscalis gleichfalls dimittiret werden soll.

§. 19. Die Präsidenten müssen auch auf die Unter-Gerichte fleißig Achtung geben. und sich erkundigen. ob die Justitz daselbst kurtz und gut. und ohne grosse Kosten administriret werde. Gestalten die Räthe. wann Sachen per appellationem von denen Unter-Gerichten an das Cammer-Gericht gelangen. bey ihren Relationen solches jederzeit genau anmercken. und dem Präsidenten anzeigen müssen. ob in dem modo procedendi eine Irregularität sich herfür thue; da dann durch ein besonderes Rescript der Unter-Richter zu mehrerer Regularität angewiesen. und nach Befinden gestraft werden soll.

§. 20. Alles was zu Beförderung der Justitz gereichen kan. müssen Unsere Präsidenten bey allen Audientzen fleißig anmercken. insonderheit die Missbräuche. welche bey denen Processen einschleichen. oder welche ihnen von denen Räthen und Subalternen angezeigt werden. notiren. und die Remedur besorgen; allenfalls aber. und wenn sie nicht remediren können. und wann eine Aenderung in einem und andern Punct zu machen. mit dem Collegio solches überlegen. und davon berichten.

§. 21. Es müssen also die Präsidenten in genere Recht und Gerechtigkeit handhaben. alle Passionen und Neben-Absichten bey Seite setzen. den Armen sowohl als denen Reichen. ohne Ansehen des Standes. insonderheit aber gegen die Membra Collegii. prompte Justitz administriren. auch vor Gift und Gaben sich hüten-weshalb dieselbe auf dasjenige. was oben in Tit. 1. §. 18. & seq. versehen ist. verwiesen werden.

§. 22. Weil auch einige Tabellen zu gewissen Zeiten nach der bisherigen Gewohnheit zu verschiedenen Zeiten eingeschickt werden müssen. so muß der Präsident davor sorgen.


(19) Erster Theil. Tit. III.

I. Daß alle Jahr im Januario Uns zugefertiget werden

1) Die gewöhnliche Process-Tabellen.

2) Die Tabelle von denen Depositen.

3) Die Tabelle von denen Getauften und Gestorbenen. Und um Trinitatis

4) Die Liste betreffend die Straf-Gelder.

II.. Alle Quartal

1) Die Liste der abgethanen und verglichenen Processe, wie viel noch vorhanden, und von welchem Jahr, auch wer die Advocaten seyn.

Die Criminal- und Fiscalische Tabellen

Und III. Alle Monath

1)Eine Tabelle von denen in denen Audientz-Tagen erschienenen und abwesenden Räthen.Von denen neu eingelauffenen Processen.

§. 23. Schließlich muß der Präsident bey Antretung seines Amts sich mit nachfolgenden Eyd verbindlich machen

Ich N. N. gelobe und schwere dem Allerdurchlauchtigsten. Großmächtigsten König und Herrn. Herrn Friderich König in Preussen. Marggrafen zu Brandenburg. Obersten Hertzog in Schlesien (et)c. (et)c. Meinem allergnädigsten Könige und Herrn (et)c. Nachdem Seine Königl. Majestät mich zum Präsidenten des Cammer-Gerichts allergnädigst bestellet und angenommen. daß Sr. Königl. Majestät ich will getreu. gehorsam und gewärtig seyn. Dero Bestes wissen und fördern. Schaden und Nachtheil aber nach Vermögen warnen und abwenden; so will ich auch Meinem Präsidenten-Amt Inhalts der neuca Process-Ordnung getreulich und redlich vorstehen. nach gemeinen beschriebenen Rechten. ehrbaren und guten Ordnungen. Begnadungen. Statuten und Gewohnheiten. sofern dieselbe vorkommen und beglaubet werden. meinem besten Verstande nach. männiglichen hohen und niedrigen Standes. ohne Ansehen der Personen. gerne hören. gleich urtheilen,


(20) Erster Theil. Tit. III. IV.

mich weder Furcht, Dräuung, Gewalt, Befehl, eigene Geschäfte. Liebe. Neid. Freund- oder Feindschaft. Gabe oder andere Sachen. in was Nahmen es immer geschehen möchte. nicht bewegen lassen. auch mit niemanden einigerley Anhang im Urtheilen suchen noch machen. von Partheyen. so für Gericht zu handeln oder zu thun haben. oder andern ihrentwegen kein Geschenck. Gabe. Nutzung. durch mich selbst oder andere nehmen. oder in meinem Nahmen nehmen lassen. keiner Parthey rathen oder Warnung thun. die Heimlichkeiten der Rathschläge und Gerichts den Partheyen oder andern. für oder nach der Urthel nicht eröffnen. die Sachen und Urthel böser Meynung nicht verziehen. sonsten auch auf die Mängel bey dem Gerichte fleißige Aufmerckung haben. dieselbe abschaffen. die zum Gerichte und in der Cantzley verordnete Personen zu fleißiger Abwartung ihres Amts fleißig ermahnen. und anhalten. das Siegel. so Seine Königliche Majestät mir anvertrauen. in guter Verwahrung halten. und davor sorgen wolle. daß alle Processe in einem Jahr. so viel es nach menschlichem Vermögen geschehen kan. zum Ende gebracht werden; daß ich auch sonsten alles thun und verrichten will. was einem aufrichtigen getreuen Cammer-Gerichts-Präsidenten gebühret und wohl anstehet; alles getreulich und sonder Gefährde. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum (et)c..

Tit. IV.

Von dem Amt des zweyten Präsidenten.

§. 1.

Der zweyte Präsident führet das Praesidium in dem zweyten Senat. und. wann der erste Präsident abwesend ist. oder sonst verhindert wird. auch in dem ersten Senat.


(21). Erster Theil. Tit. IV.

§. 2. Er muß des Morgens um 8 Uhr auf dem Cammer-Gericht sich einfinden, und ohne Unsere eigenhändige Permission nicht verreisen.

§. 3. Dieser zweyte Präsident muß auch die ihm von dem ersten Präsidenten zugeschriebene Memorialien und Relationes, gleich denen Räthen, mit übernehmen.

§. 4. Wann die schriflichen Memoralien in pleno vorgetragen worden, muß sich der zweyte Präsident nebst seinem Senat in die Neben-Stube verfügen, da dann die in

der vorigen Audientz vorgekommene Sachen referirt, die Bescheide verfertiget, die schrifftliche Relationes verlesen: und die fertige Urthel publicirt werden.

§. 5. Wann die Advocaten mit dem Constitutioniren bey dem ersten Senat fertig, und sich zum mündlichen Vortrag melden, muß der zweyte Präsident dieselbe sofort admittiren, und die Partheyen ad Protocollum verfahren lassen, wie solches unten P. T. §. vorgeschrieben ist.

§. 6. Es muß auch der zweyte Präsident Achtung geben, daß die Räthe seines Senats die ihnen distribuirte Acta zu rechter Zeit referiren, solche mit behörigem Fleiß ausarbeiten, und daß dieselbe, so bald sie fertig, publicirt werden.

§7. Damit aber der Präsident wissen möge, was für Sachen dem zweyten Senat distribuiret worden, und das der Achtung geben könne, daß die Urthel zu gehöriger Zeit referirt werden, so soll ihm alle Woche eine Specification sothaner distribuirten Sachen, und verordneten referenten, von dem Registratore verschlossen zugesandt werden.

§. 8. Der zweyte Präsident muß bey seiner Reception eben den Eyd abschweren, welcher dem ersten Präsidenten Tit. praec. §. fin. vorgeschrieben worden.


(22) Erster Theil. Tit V. VI.

Tit. V.

Von dem Amt des Directoris bey dem dritten Senat.

§. 1.

Weil in dem dritten Senat alle Criminal- Bagatel- und zum Hoff-Gericht gehörige Sachen, tractirt werden, so muß der Director bey diesem Senat alles beobachten, was dem ersten Präsidenten vorgeschrieben worden.

§. 2. Er distribuirt auch die einlauffende Memorialien, wie auch die in prima instantia geschlossene Acta unter die Räthe, welche auf dasjenige was Tit. seq. wegen der Räthe verordnet ist, verwiesen werden.

§. 3. Von diesem Senat gehen die Remedia an den zweyten Senat; worvon unten weiter gehandelt werden soll.

Tit. VI.

Von dem Amt derer Cammer-GerichtsRäthe.

§. 1. Unsere CammerGerichtsRäthe sollen des Morgens praecise um 8 Uhr auf dem KammerGericht erscheinen, oder 8 Gr. in die ArmenBüchse erlegen, zu welchem Ende die Sessions-Listen monathlich eingeschickt werden sollen. Sie müssen auch bis zum Ende in der Audientz bleiben, und währender Session nicht ohne wichtige Ursachen aus der Audientz-Stube gehen, noch sich mit denen Advocaten oder anderen bereden.

Wann sie wegen Kranckheit nothwendiger Weise, oder anderer erheblichen Ursachen nicht erscheinen können, müssen sie die Ursache dem Präsidenten schriftlich anzeigen, und an Eydes statt solche den gleicher Strafe bekräftigen.


(23) Erster Theil. Tit. VI.

Wann sie aus unseren Residentzien verreisen wollen, müssen dieselbe Unsere eigenhändige Permission darüber einholen. In denen Ferien aber können sie solche von Unserem Geheimten Etats-Rath fodern. In beyden Fällen aber müssen sie niemahls verreisen, ehe und bevor sie alle Sachen ausgearbeitet, und die bey sich habende Acta von siche gegeben haben.

§. 2. Die Memorialien, welche ihnen distribuiret werden, müssen die Räthe mit Bedacht zu Hause lesen, mit denen Acten (welche zu dem Ende jederzeit beygefüget werden) conferiren, die Contenta auf einem besonderen Zettel extrahiren, das Decret darunter schreiben, und des anderen Tages in pleno daraus vortragen, die Supplicanten auf alle und jede Puncte klar und deutlich bescheiden, auch, wann sie nach dem angeführten Umständen etwas unrecht bitten, dieselbe was sie thun sollen anweisen, und wann wider die Acta und Jura geschrieben wird, die Partheyen und den Advocaten mit Gelde, oder Gefängniß bestrafen.

§. 3. Insonderheit müssen die Räthe auf die libellos actionum genau Achtung geben, ob die Sache nach der denen Advocaten gethanen Vorschrift instruiret, die Vollmacht besorget, die Documenta beygeleget, und die Conclusion auf die Praemissa recht eingerichtet seyn: Wann solches nicht geschehen, müssen sie den Libellum mit der gewöhnlichen Bestrafung zurück geben, und den Kläger, wie er allenfalls seine Aktion anstellen müsse, anweisen.

§. 4. Auf diejenige Memoralien, worinn die Fiscaele anfragen, ob eine General- oder Special- Inquisition anzustellen, müssen die Räthe mit besonderer Behutsamkeit die Resolutiones abfassen, die Qualitatem denunciationis, und die darin enthaltenen Indicia, genau und gewissenhaftig examiniren, und sich überall nach dem fiscalischen Reglement (vid. Tit. 13. §. 1. seq.) achten.

§. 5. Wann Remedia von denen Unter-Gerichts-Bescheiden gesucht werden, muß der Decernente nicht sofort


(24) Erster Theil. Tit. VI.

 ein Communicetur darauf verordnen, oder die Justification abwarten; sondern, wann nach dieser Ordnung die Remedia nicht statt finden, den Provocanten schlechterdings abweisen, und den Advocaten in 10. bis 20. Rthlr Strafe condemniren.

Wie dann auch, wann die Sache sich zu denen Remediis nur ad effectum devolutivum qualificirt, dem Unterrichter, welcher die Execution fortzusetzen gehalten ist, kein Einhalt geschehen muß.

Gleiche Bewandniß hat es mit denen Appellationen, welche an das Tribunal gelangen: dergestalt, daß wann jemand in verbothenen Fällen, oder welche keinen Effectum devolutivum haben, appellirt, das Collegium non attenta appellatione mit der Execution verfahren, jedoch sofort dem Tribunal die Ursache anzeigen soll.

§. 6. Wann aus denen Memorialien sich hervorthut, daß der Gegentheil dagegen gehöret werden muß, und die Umstände so beschaffen, daß bey einem anzusetzenden Verhör die Sache, als zu weitläufig, loco oralis oder zum schriftlichen Verfahren verwiesen werden dürfte, so soll der Decernente zu Ersparung der Zeit keinen Terminum ansetzen, sondern sofort, nach Beschaffenheit der Sachen, dieselbe loco oralis von 3. zu 3. oder von 8. zu 8. (et)c. Tagen, oder zum schriftlichen Verfahren von 3. zu 3 Wochen verweisen, und zwar mit der Formul:

Communicetur dem Gegentheil, cum mandato wie gebethen, eventualiter aber seine Exceptiones binnen 3. 8. oder 14 Tagen (et)c. a die insinuationis einzubringen, und haben alsdann beyde Theile binnen gleicher Zeit zu schliessen.

§. 7. Bey dem Constitutioniren, oder mündlichen Vorträgen derer zur Instruction des Process gehörigen Memorialien, müssen die Räthe auf den Vortrag der Advocaten genau Achtung geben, auch so viel nöthig davon annotiren, daß die Decerta legaliter darauf verfertiget werden. Vid. Part. II. Tit. 3. §. 1. seq. p. 71


(25) Erster Theil. Tit. VI.

§. 8. Wann die von denen Advocaten geschehene mündliche Propsition alterioris indaginis ist, und eine nähere Untersuchung bedarf, und daher auf Verhör provocirt wird, oder dergleichen ex officio zu veranlassen nöthig ist; So soll (wie vorhin bey denen schriftlichen Decretis versehen) entweder per decretum ein kurtzer Terminus angesetzt, oder, wann sie weitläuftig zu seyn scheinet, loco oralis verwiesen werden, und zwar mit diesem Formular:

Weil die Sache eine nähere Untersuchung bedarf, wird dieselbe loco oralis von 3. zu 3. Tagen (et)c. verwiesen.

§. 9. Hauptsächlich aber müssen bey denen mündlichen Verhören die Räthe desjenigen Senats, wohin die Sache gehöret, das Protocoll mitführen, auch keine allotria tractiren, noch andere Sachen lesen; vielweniger aufstehen, herumgehen, oder mit denen Advocaten und andern sich unterreden.

§. 10. Die Räthe sollen in ihren Votis nicht nach ihrem, vielleicht irrigen, Gewissen und Gutdüncken, sondern auf des Landes Rechte, Constitution, Abschiede, Mandat, Land- und Religions-Frieden und Unsern LandesOrdnungen, LandtagsAbschiede, ehrbare Statuta und Gewohnheiten, auch gemeine und sonderbare Unserer Vorfahren und unsere gegebene Privilegia und Begnadigungen, die für sie gebracht werden, vermöge und nach Weisung ihres Eydes (et)c. Urthel und Bescheide aussprechen, und sollen weder Furcht noch Dräuen, Gewalt, Befehl, Geschäfte oder andere Sachen, von wem und in was Nahmen solches immer geschehen möchte, sich davon verhindern lassen, sondern jedermänniglich, wes Standes oder Condition er sey, Armen und Reichen, ohne Neben-Absichten, nach Eyd und Pflicht gleichmäßiges Recht wiederfahren lassen.

Im Fall einer von den Räthen in Abfassung der Urthel sich nicht nach denen vorgeschriebenen Rechten achten, sondern sich öffentlich in seinen Votis der Singularität oder Eigensinnigkeit gefährlicher Weise und pertinaciter befleissen,


(26) Erster Theil. Tit. VI.

seine Meynung contra majora quovis modo zu behaupten und durchzutreiben suchen, auch Vota zu captiren oder zu erlangen extra judicium sich bemühen, oder auch sonst seinem Amt dieser Unserer Ordnung gemäß nicht genung thun würde, denselben wollen Wir bey Unserem CammerGericht nicht dulden, sondern davon abweisen.

Wann bey dem Constitutioniren, Vehören oder schriftlichen Relationen jemanden eine Strafe dictirt wird, muß derjenige, welchem das Strafbuch aufgetragen wird, solche sofort in das Strafbuch eintragen, auch wann sie wieder aufgehoben oder remittirt wird, solches dabey notiren.

§. 11. Damit auch die wenige Räthe nicht mögen abgehalten werden, alle ihre Application auf die Administration der Justitz zu wenden, so wollen Wir sie mit allen Commissionen, welche nicht loco judicii expediret werden können, verschonen, imgleichen dieselbe mit keinen Vormundschaften, Curateln, Beyständen Unmündiger, Witwen und anderer Personen beladen: Wie Sie sich auch von selbst davon entschlagen müssen, es wäre denn, daß sie vermöge der Rechte angebohrener Verwandschaft halber, sich damit zu beladen schuldig.

§. 12. Welcher Rath einer Parthen mit Bluts-Freundschaft oder Schwägerschaft in quarto gradu, secundum computationem civilem, zugethan, oder wegen eines bey der Sache habenden Interesse, z. B daß er sein Mitbelehnter wäre, oder seine nächste Anverwandten eine gleiche Sache hätten, daß er eventualiter die Eviction praestiren müste, oder wann er mit der Parthey in öffentlicher Feindschaft stünde (et)c. muß sich von selbsten bescheiden, daß er sich seines Voti enthalten, und wann die Sache vorgetragen wird, einen Abtritt nehmen müsse. Dahero denen Parthen und denen Sachwaltern frey stehet bey Zeiten und in Geheim, dem Präsidenten mit Benennung der Ursache solches anzuzeigen, welcher den Rath anweisen soll sich des Voti zu enthalten.


(27) Erster Theil. Tit. VI.

Wann aber der Rath causam recusationis läugnen solte, muß der Präsident die Sache näher untersuchen, und dieselbe allenfalls an das Collegium bringen, welches causas recusationis summarie und in einem praeclusivischen Termino hören, auch den Recusanten, wann das Collegium causas recusationis nicht gegründet finden sollte, nachdrücklich bestrafen muß, wogegen kein Remedium verstattet werden kan.

Es soll aber unter die Causas recusationis die blosse Oblatio ad juramentum perhorrescentiae, oder der Vorwand, daß der Rath ihm vorher nicht nach Gefallen decretiret oder Bescheid ertheilet habe, nicht gerechnet werden.

§. 13. Damit auch allerley Nachrede und erdacht vermieden werden möge, so sollen die Räthe, und andere Verwandte des Gerichts, mit denen Partheyen und Advocaten keine tägliche und verdächtige Gemeinschaft und Familiarität haben; noch sich mit ihnen von rechtshängigen Sachen in Disputation und Rede einlassen, oder von ihnen einige Privat-Information einziehen: auch niemanden, der rechtshängige Sachen hat, in Dienste nehmen.

Es soll auch keinem Rath erlaubt seyn wann von einem Urthel appellirt wird, bey der höhern Instantz die Schriften zu verfertigen, weil er dadurch leicht zu einer in priori instantia vorgegangen Corruption Anlaß geben könte.

§. 14. Die Räthe müssen sich in allen Sachen, welche zu des Cammer-Gerichts Cognition gehören, bey Strafe der Cassation, alles Advocirens und Consulirens enthalten, es wäre dann, daß die Sache sie selbst, oder diejenige, die ihnen mit Bluts-Freundschaft und Schwägerschaft in dem vorhin angesetzten Grad zugethan seyn, angehe, welchenfalls ihnen unverbothen ist, denenselben mit Rath an die Hand zu gehen.

Jedoch daß sie sich alsdann und in solchen Fällen aller Function und Verrichtung in judicio enthalten.


(28) Erster Theil. Tit. VI.

§. 15. Die Räthe und alle andere Gerichts-Personen sollen alles, so im Rath gehandelt, votirt, und beschlossen wird, und zu jemanden Praejustitz gereichet, bis in ihr Grab geheim und verschwiegen halten: Und wann jemand überführet würde, daß er, was einer oder der andere votiret hat, offenbaret hätte, (worüber derjenige, der einige Nachricht davon erhalten und sich dessen geäussert, eydlich vernommen werden soll) so muß der Präsident solches immediate an Uns berichten, und darüber Verhaltungs-Befehle erwarten.

§. 16. Desgleichen sollen sie die Acta und die gerichtliche Händel, so ihnen zu referiren gegeben worden, für ihre Frauen, Diener und Haus-Gesinde nicht liegen lassen, sondern in geheimen Acht- und Verwahrung halten, damit niemand dazu komme, und die Partheyen und Advocaten, wer die Referenten seyn, oder wie das Urthel lauten werde, vor Eröfnung desselben eine Erfahrung und Wissenschaft erlangen mögen.

Sie sollen auch keine Acta über Feld nehmen, wann sie verreisen, sondern dem Registratori alle bey sich habende Acta vermittelst einer Specification bey 5 Rthlr. Strafe einliefern.

Wie dann auch niemand Acta ad referendum ohne vorhergehende Distribution an sich nehmen, auch diejenige, die ihm einmahl distribuiret worden, ehe er sie referiret, nicht wieder weggeben muß.

§. 17. Wann eine Sache, welche zum ordentlichen Schrift-Wechsel verwiesen worden, distribuiret wird, muß der Referent binnen 14 Tagen solche endigen; oder vor jeden Tag 1 Fl. in die Sportul-Casse erlegen; Er wäre dann, daß die Sache ehr weitläuftig und wichtig wäre, auf welchem Fall der Präsident ihm noch 8 Tage Dilation geben kann.

Im Fall die Räthe durch rechtmäßige Vorfälle abgehalten würden, die Relation in der gesetzten Zeit zu verfertigen, müssen sie sofort die Ursachen dem Präsident anzeigen


(29) ErsterTheil. Tit. VI.

und solche an Eydes statt bekräftigen, da ihnen alsdann noch einige Tage verstattet werden sollen.

Wann aber die Verhinderung lang währen solte, muß der Präsident einem von denen Referendariis die Relation zu verfertigen anbefehlen, demselben aber, wann kein Correferent bennenet ist, einen anderen Rath beyfügen.

Die ihnen zugetheilte Acta müssen die Räthe mit Fleiß verlesen, die Acta keinem anderen Assessori, vielweniger einem Fremden zu Verfertigung der Relation hingeben, oder deren Bedencken erfordern.

Diejenige Sachen, welche loco oralis verwiesen seyn, müssen nach geschehener Distribution binnen 8 Tagen sub eadem poena expediret, und das Urthel verfertiget werden.

Mit dem Modo referendi muß es auf die Weise, wie unten Part. II. Tit. 6. §. 6. vorgeschrieben ist, verfahren werden.

So bald die schriftliche Relationes fertig seyn, muß der Rath solche dem Präsidenten zuschicken, um das Praesentatum darauf zu setzen.

§. 18. Die Bescheide und Urthel müssen die Räthe über alle und jede streitige Puncten klar und deutlich abfassen, damit denen Partheyen alle Gelegenheit benommen werde, Declarationem sententiae zu suchen, anbey die Rationes decidendi denselben jederzeit inseriren. Wann aber die Sache zum ordentlichen Schrift-Wechsel verwiesen worden, müssen die Rationes decidendi auf einem besondern Bogen beygefüget, und, im Fall auf einen Eyd erkannt würde, die Formula juramenti jederzeit der Sententz mit inseriret werden.

 

§. 19. Wann aus denen Acten referiret wird, müssen die übrigen Räthe fleißig zuhören, keine andere Sachen vornehmen, das Factum und die Haupt-Rationes dubitandi & decidendi notiren, damit sie auf ihren geleisteten Eyd ihr Votum mit reinem Gewissen ertheilen können; Und muß der Praeses Senatus hauptsächlich darauf Achtung geben.


(30) Erster Theil. Tit. VI.

§. 20. Wann eine Sache zum Votiren herum gehet, muß kein Rath dieselbe über 3 Tage bey sich behalten, oder vor jeden Tag 1 Flr. in die Sportul-Casse erlegen; auch zu dem Ende den Tag, wann er Acta erhalten, und wann er sie wieder weggeschicket, auf das Votum notiren.

§. 21. Die Räthe müssen sich hüten, daß sie Unsere Unterthanen nicht mit unnöthigen Processen fatigiren, oder ihre Creditores und andere Kläger mit ungegründeten Exceptionibus, Incident-Puncten und Chicanen aufhalten: Weil Wir denenjenigen, welche gesetzt seyn andern Recht zu schaffen, die Chicane zu coupiren, und die Processe zu beschleunigen, nimmermehr verstatten werden in ihren eigenen Sachen (wie bisher geschehen) auf eine unerlaubte Art den Gegentheil herum zuführen, sondern, wann Wir Nachricht davon erhalten, sollen dieselbe sofort ihrer Dienste erlassen, und der Präsident, daß er denenselben keinen Einhalt gethan, zur Verantwortung gezogen werden.

Damit aber denen Räthen alle Gelegenheiten zu Chicaniren um desto mehr benommen werden, so stehet einer jeden Parthey frey in dergleichen Sachen die Klage bey Unserm Geheimen Justitz-Rath einzubringen, oder, wann Sie Beklagte ist, um Remission der Klage dahin zu bitten.

§. 22. Wann es aber mit einem Rath (die Präsidenten [et]c. eingeschlossen) dahin kommt, daß er von vielen Schuldnern belanget wird, und derselbe ein Moratorium suchet, oder die Sache sich zum Concurs anlässet, soll es sofort an Uns berichtet, und er dem Befinden nach seines Amtes erlassen werden, weil es so bedencklich als gefährlich ist, dergleichen Leuten die Justitz in Händen zu lassen.

§. 23. Wann ein Rath wahrnimmt, daß ein Process in Confusion oder zur Weitläuftigkeit gerathen möchte, stehet ihm frey die Advocaten oder die Partheyen selbst vorzufordern, denenselben die unvermeidlichen Suiten und Kosten des Processes vorzustellen, sie zur Güte oder wenigstens zum Compromis zu bewegen, allenfalls dieselbe



(31) Erster Theil. Tit. VI.

anzumahnen, daß sie die Incident-Puncte coupiren, und die Sache so viel möglich ad definitivam instruiren sollen.

§24. Die Räthe müssen auf die Unter-Gerichte fleissig Acht haben, und sorgen, daß die Justitz bey denenselben kurtz und ohne grosse Kosten administriret werde. Zu welchem Ende die Räthe bey denen einlaufenden Actis primae instantiae die Mängel anmercken, und wann die Sache daselbst ohne Noth weitläuftig gemacht oder verschleppet worden, die Advocaten und Richter zu besserer Beobachtung ihrer Pflicht anhalten, auch dem Befinden nach mit einer Strafe belegen müssen.

Wann von denen Unter-Gerichten Berichte erfodert werden, müssen die Räthe solche mit Bedacht durchlesen, sich nicht zu viel darauf verlassen, sondern dieselbe mit denen Beschwerden conferiren, und ob diese genugsam elidirt seyn, nach Eyd und Pflicht examiniren, zugleich auch die Kläger cum rationibus bescheiden.

Im Fall auch sonst Klagen gegen die Unter-Gerichte wegen protrahirter oder denegirter Justitz, oder wegen übermäßiger Sportuln geführt werden solten, müssen die Räthe, wann sie es nöthig finden, und die Sache von einiger Wichtigkeit ist, Acta abfodern, solche nachsehen, und entweder den Richter, wann er schuldig, oder den muthwilligen Kläger, wann er zur Ungebühr geklagt, bestrafen.

§25. Weil die Sportuln, welche bishero die Präsidenten, Räthe, und Subalternen bey denen hiesigen Justitz-Collegiis genossen, billig unter die hauptsachliche Ursachen der verfallenen Justitz gerechnet werden können; so finden Wir nöthig, dieselbe alle aufzuheben, und eine besondere Casse zu errichten, worein alle Sportuln, sie mögen Nahmen haben wie so wollen, (als Siegel-Groschen, Succumbentz-Gelder, Urthels- Confirmations- Concessions- Dispensations- Commissions Gebühren, item Arrhae, und was bey Versiegelung, Inventirung, Ueberreichung der Testamenter, Abhörung der Zeugen (et)c. gegeben wird, und alle Expeditions-Gebühren, wie sie in der Sportul-Ordnung


(32) Erster Theil. Tit.VI.

enthalten, kleine Strafen [et]c.) eingebracht werden sollen, weil Wir Unsern Bedienten zulängliche Besoldungen reichen lassen.

Die Copialien müssen nicht mit in den Kasten geleget, sondern denen Cantzellisten bey der Einlieferung der Gelder zugestellet, und die Gebühren von der Rechnung abgeschrieben werden.

Denen fremden Partheyen kan dieses nicht zu statten kommen, sondern dieselbe müssen, ehe von ihnen eine Klage angenommen wird, einen tüchtigen Caventen schaffen, welcher vor die Cantzley-Gebühren stehen muß, und von welchem der Land-Reuter, wann er auf erhaltene Nachricht binnen 14 Tagen die Gebühren nicht bezahlet, dieselbe abfordern kan.

Wann der Advocat sich selbst zum Caventen angiebt, soll er zwar angenommen werden, er muß aber weder Pfand noch baares Geld zur Caution dafür nehmen.

Es stehet auch der fremden Parthey frey eine gewisse Summe, (welche sich aber niemahlen über 20 Rthlr. belaufen soll,) zu deponiren, wovon die Sportuln alle Monath genommen werden können; worüber Rechnung geführet, und das Residuum bey Strafe doppelter Erstattung dem Fremden ohne die geringste Chicane restituiret werden soll.

§26. Schließlich müssen sich die Cammer-Gerichts-Räthe bey Antretung ihres Amts mit folgendem Eyd verbindlich machen:

Ich N. N. gelobe und schwere dem Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten König und Herrn, Herrn Friderich, Könige in Preussen, Marggrafen zu Brandenburg, Obersten Herzog in Schlesien (et)c (et)c. meinem allergnädigsten Könige und Herrn (et)c. Nachdem Se. Königl. Majestät mich zu Dero Cammer-Gerichts-Rath bestellet und angenommen, daß höchstgemeldter Sr. Königl. Majestät will ich getreu, hold und gewärtig seyn, Dero Bestes und Frommen in allen befördern, Schaden und Nachtheil aber warnen,


(33) Erster Theil. Tit. VI.

und nach meinem besten Vermögen abwenden, den gerichtlichen Audientzien beywohnen, wann es die Noth erfordert, und von dem Cammer-Gericht begehret wird, in der Raths-Stube aufwarten, Acta, Supplicationes, und was mir sonsten unter die Hand gegeben, oder vom Präsidenten aufgetragen wird, mit Fleiß lesen, extrahiren, getreulich referiren, dabey alleine Gott, die Gerechtigkeit und Billigkeit für Augen haben, nach denen beschriebenen Rechten, ehrbaren und guten Ordnungen, Begnadigungen, Statuten und Gewohnheiten, sofern dieselben fürkommen und begläubigt werden, meinem besten Verstande nach, männiglichen hohes und niedriges Standes gleich urtheilen, mich weder Furcht, Dräuung, Neid, Gabe, Freundschaft oder andere Sachen, in was Nahmen das immer geschehen möchte, nicht bewegen lassen, auch mit niemand keinerley Anfang oder Beyfall in Urtheilen suchen noch machen, von den Partheyen, so für mir zu Rechten oder zu handeln haben, oder von ihrentwegen keine Geschencke, Gabe, oder Nutzung durch mich selbst oder andere nehmen, oder in meinen Nutz nehmen lassen, unter was Gestalt oder Schein das geschehen möchte: keiner Parthey rathen oder Warnung thun, die Heimlichkeiten oder Rathschläge des Gerichts den Partheyen oder andern, für oder nach dem Urthel aus Vorsatz nicht verzögern, und was mir sonsten von Sr. Königl. Majestät wegen, von denen verordneten Präsidenten und Directoren anbefohlen und committiret wird, mit getreuem Fleiß verrichten, auch dahin mit sehen wolle, dass alle Processe in einem Jahr, so viel es nach menschlichem Vermögen geschehen kan, zum Ende gebracht werden; und sonsten alles das thun, was einem getreuen Cammer-Gerichts-Rath Inhalt der Ordnung oblieget und gebühret, auch sonsten wohl anstehet: alles getreulich und sonder Gefährde. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum (et) c.


(34) Erster Theil. Tit. VII.

Tit. VII.

Vom Amte derer Referendarien und Auscultatoren.

§. 1.

Wir haben nöthig gefunden, wegen der jetzo geringen Zahl der Räthe bey einem jeden Senat zwey Referendarios, halb adelichen halb bürgerlichen Standes zu setzen. (Vid. Tit. I. §. 3)

§. 2. Diese Referendarien sollen bey dem Constitutioniren und denen Verhören die Protocolla führen, und die Decreta darunter schreiben, wovon das eine denen Acten beygelegt werden soll.

Und stehet es lediglich bey dem Präsidenten, wem er dieses aufzutragen gut findet; allermassen derjenige, welcher sich hierunter unwillig erweiset, sofort dimittiret werden soll.

§. 3. Wann die Menge der geschlossenen Sachen zu groß ist, oder einer von denen Referenten durch Kranckheit, oder Abwesenheit, verhindert wird, seine Relation ex actis zu verfertigen, so stehet dem Präsidenten frey die Referendarios mit zur Arbeit zu ziehen, auch die Memorialien denenselben zum Vortrag zuzuschreiben.

§. 4. Weil die Cammer-Gerichts-Räthe mit auswärtigen Commissionen nicht beladen werden sollen, so müssen diese Referendarii (wann in der Nähe des Orts keine Rechtserfahrne Land-Räthe, Bürgermeister, Syndici &c. fürhanden, als welche zu Ersparung der Kosten für andern dazu zu adhibiren seyn) dazu gebraucht werden.

§. 5. Es sollen diese Referendarii kein Votum, auch keinen Carakter noch Rang eines Cammer-Gerichts-Raths (wann sie solche nicht vorher gehabt, oder besonders erhalten) haben. Jedoch soll ihnen der Rang für allen Subalternen verstattet seyn.


(35) Erster Theil. Tit. VII. VIII.

§. 6. Ausser diesen Referendariis haben Wir auch nöthig gefunden, bey einem jeden Senat zwey Auscultatores, halb adelichen halb bürgerlichen Standes, ohne Titul und Rang zu bestellen, welche sich zur künftigen Beförderung qualificiren, und nebst der Theorie auch die Praxin zu lernen suchen müssen: Welche der Präsident auch bey dem Protocolliren oder Eintragung derer Urthel gebrauchen kan.

§. 7. Wann diese Auscultatores sich eine Zeitlang geübet, und das Collegium von deren Capacität versichert ist, stehet dem Präsidenten frey, dieselbe bey geringeren Sachen und Commissionen, auch bey Distribution der Memorialien mit zu gebrauchen.

§. 8. Beyde sowohl die Referendarii als Auscultatores, müssen an Eydes statt versprechen, verschwiegen zu seyn, und in denen ihnen aufgetragenen Sachen nach denen Rechten, und dieser Ordnung, zu handeln und zu verfahren.

Tit. VIII

Von dem Amt derer Protonotarien und Secretarien.

§. 1.

Die Protonotarii und Secretarii müssen alle Morgen um 8 Uhr, bey 1 Fl. Strafe auf dem Cammer-Gericht sich einfinden, und ohne Erlaubniß nicht davon gehen, auch nach geendigter Audientz sich jederzeit in die Verhör-Stube verfügen, und nachsehen, ob noch einige decretirte Sachen vorhanden seyn.

§. 2. Sie müssen was auf die Memorialien decretiret worden, ungesäumt extendiren, sich nach dem Decret richten, darinn aus Gunst oder Mißgunst nicht zu weit gehen, nichts auslassen, auch von dem Ihrigen nichts hinzuthun, die Memorialien mit Fleiß lesen, die Contonta recht erwegen, darnach das Concept formiren, den Punct,


(36) worüber suppliciret wird, deutlich im Rescript benennen, folgends was geschrieben revidiren und nachsehen, denen Partheyen was decretiret ist vor der Ausfertigung nicht zeigen, und die expedirte Sachen verschlossen denen Räthen zur Revision, dem Präsidenten aber zur Versiegelung zusenden.

Erster Theil. Tit. VIII.

§. 3. Die Decreta müssen sie nicht zu Hause, sondern auf dem Cammer-Gericht entweder desselben Morgens, oder wann sie nicht fertig werden können, des Nachmittags expediren, und die Extensiones mit eigener Hand ad acta schreiben; auch die Zeit, wann die Expedition zur Mundirung hingegeben worden, auf die Expedition notiren.

§. 4. Sie müssen sich in Sachen, die sie oder ihre Verwandten angehen, oder worin sie zuvor advocirt haben, alles Expedirens und anderer gerichtlichen Handlungen enthalten, und solche dem anderen Secretario überlassen.

§. 5. Wie sie dann auch bey Strafe der Cassation keine Correspondentz in Process-Sachen mit den Partheyen unterhalten, vielweniger denenselben mit Consiliis an die Hand gehen, Supplicationes machen, vor sie sollicitiren (et)c. vielweniger vor die Räthe Relationes verfertigen, oder deren Vota, und andere Geheimnisse des Cammer-Gerichts, jemand entdecken sollen.

§. 6. Ueber alle expedirte und gesiegelte Verordnungen müssen Sie ein accurates Register halten, und des Morgens vor der Audientz in der Parten-Cammer einen Zettel anheften, und daraus die expidirte Sachen verzeichnen.

Es seyn die Advocaten schuldig solche in continenti auszulösen und an sich zu nehmen: Nach geendigter Audientz aber mussen die unabgelöste Sachen sofort unter die Bothen distribuiret werden, welche solche denen Advocaten auf deren Kosten insinuiren sollen: die expedirte Verordnung aber müssen keinen als recipirten Advocaten, und deren bekandten Bedienten, abgefolget werden. Wann


(37) Erster Theil. Tit. VIII.

auch schon andere ausser denen Partheyen auslösen wollen.

§. 7. Auch müssen sie jederzeit die Taxe der Gerichts-Gebühren auf die Extension setzen; über jede Sache ratione der Gebühren richtige Rechnung halten, alle Wochen die Gelder in Gegenwart des Controlleurs in den Sportul-Kasten legen, und alle Monath denen Deputirten Rechnung darüber ablegen.

§. 8. Wann die Protonotarii und Secretarii finden solten, daß der Decernent nicht über alle Puncten verordnet, oder daß sonst etwas wegen einiger ihnen bekannten Umständen dabey zu erinnern wäre; so stehet ihnen frey dieserwegen bey dem Decernenten anzufragen, und ratrione expeditionis näheren Verhaltungs-Befehl einzuholen.

§. 9. Die Protonotarii und Secretarii müssen sich alle Tage zusammen thun, und diejenige Sachen, welche zum Verhör verwiesen werden, in einen richtigen Tage-Zettul bringen, die Termine, nachdem die Partheyen weit oder nahe wohnen, ansetzen, und niemahls mehr als höchstens 10 Verhöre auf einen Tag verzeichnen, auch kein Verhör über 3 Wochen ohne Noth hinaus setzen. Im übrigen aber die armen, geistliche, und fiscalische Sachen voran setzen.

Wann eine Parthey prorogationem termini bittet, muß die Sache aus dem Tage-Buch sofort gelöschet, und ein ander Verhör, wann es wegen Kürtze der Zeit geschehen kan, an deren Stelle angesetzt werden.

§. 10. Was die Cantzellisten mundiren, müssen die Protonotarii und Secretarii nachsehen, und die Copeyen collationiren, die decretirte Schriften aber denselben Tag in die Registratur remittiren, damit dieselbe sofort ad acta geheftet werden können.

§. 11. Die Protonotarii und Secretarii müssen sich eines geziemenden Cantzeley-Styli gebrauchen, imgleichen die Titulatur wohl in Acht nehmen, und die Aufschriften also einrichten, daß ein jeder wissen könne, ob der Befehl


Erster Theil. Tit. VIII.

(38) ihn angehe, oder an einen andern gerichtet sey: Wie dann die Advocaten angewiesen worden, die Vor- und Zunahmen der Partheyen und ihre Bedienungen, so viel möglich, in ihren Memorialien anzumercken.

§. 12. Wann ihnen von denen Partheyen etwas zu vidimiren oder zu collationiren übergeben wird, müssen sie die Collation mit gehörigem Fleiß verrichten, und unter der Abschrift mit eigener Hand die Richtigkeit attestiren, und dafür stehen; worauf das Regierungs-Siegel beygefüget werden soll.

§. 13. Wann von denen Partheyen Briefe und Siegel oder andere Schriften produciret werden, müssen sie solche wohl verwahren, auch denen Advocaten auf ihr Begehen eine Recognition darüber ertheilen.

§. 14. Die Protonotarii und Secretarii müssen die Deposita in richtiger Ordnung halten, und überall sich nach dem Depositen-Edict achten.

§. 15. Die fiscalische Sachen, müssen an Seiten des Fisci unentgeldlich ausgefertiget werden: Was aber fiscalische Sachen seyn, davon soll unten P. IV. T. 5. §. 12. weiter gehandelt werden. vid. & P. I. Tit. 13. p. 35.

§. 16. Die Protonotarii und Secretarii müssen alle Specificationes, welche eingeschickt werden sollen, und oben P. I. T. 3. §. 22. benannt seyn, verfertigen.

Im übrigen auch alle und jede, wegen erkannter Strafe an die General-Strafe-Casse, oder Haupt-Poenalien-Casse ergehende Original-Ordres, jedesmahl in Copia Unserm General-Fiscal zufertigen, in der Ordre, wo der Debent wohnhaft, deutlich anführen, und die Original-Ordre ohne Entgeld und ex officio dem Rendanten selbst zusenden.

§. 17. Sie müssen auch für die Expeditiones nichts vor sich nehmen, sondern mit ihrem, aus der Sportul-Casse ihnen destinirtem Quanto zufrieden seyn. Und wann sich äussern sollte, daß die Secretrarii hierwider gehandelt, und von Partheyen, welche Processe haben, per directum vel indirectum, unter was für Praetext es sey,


(39) Erster Theil. Tit. VIII.

wann es auch pro promovenda expeditione, oder die Sache zu recommandiren geschicht, ein Geschencke nehmen würden, oder dasjenige, was sie vor Versiegelung, Aufnehmung der Testamente (et)c. bekommen, nicht getreulich zur Sportul-Casse einliefern; sollen dieselbe als Perjuri ohne alle Gnade cassiret, und sie sowohl, als der Donator und die Unterhändler, überdem mit einer ansehnlichen Geld-Strafe belegt werden.

§. 18. Wann wider Vermuthen eine Feuers-Brunst in dem Cammer-Gericht oder dessen Gegend vorfallen solte, müssen die Protonotarii, Secretarii, Registratores, Cantzellisten, und Bothen sich sofort in denen Archiven einfinden, und vor deren Rettung alle mögliche Sorge tragen.

§. 19. Die Protonotarii und Secretarii sollen sich mit nachfolgendem Eyd verbindlich machen:

Ich N. N. gelobe und schwere dem Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten König und Herrn, Herrn Friedrich, Könige in Preussen, Marggrafen zu Brandenburg, obersten Hertzog in Schlesien (et)c. (et)c. meinem allergnädigsten Könige und Herrn (et)c. Nachdem Se. Königl. Majestät mich zu einem Protonotario (Secretario) bey Dero Cammer-Gericht allergnädigst bestellet und angenommen, daß höchtstgemeldter Sr. Königl. Majestät ich will getreu, gewärtig und gehorsam seyn, Dero Königlichen Hauses Nutzen schaffen und befördern, Schaden und Nachtheil aber verhüten, und meinem besten Vermögen nach abwenden. Ich will auch meinem aufgetragenem Amt mit getreuem Fleiß obliegen, der Partheyen Fürträge, Urkunde, Briefe, welche aufzunehmen mir aufgetragen wird, getreulich protocolliren, die Verordnungen, welche zu meinem Departement gehören, mit aller Sorgfalt expediren, und anders so gerichtlich einbracht, bey dem Gerichte wohl verwahren, dieselbige, oder derer Abschriften ohne Befehl des Gerichts-Verwalters, oder so dessen Stelle vertreten


(40) Erster Theil. Tit. VIII. IX.

möchte, niemand geben, noch sonst was die Partheyen angehet, eröfnen noch lesen lassen, alle Heimlichkeiten des Raths und Gerichts gäntzlich verschweigen, keiner Parthey, wider die andere Warnung thun, Nachricht geben noch rathen, von den Partheyen oder von andern ihretwegen in Rechts-hängenden Sachen, oder so meines Wissens bald Recht-hängig werden möchten, kein Geschenck noch Gaben nehmen, oder von den Meinigen, oder anderen für mich oder die Meinigen nehmen lassen, unter was Praetext oder Schein das geschehen möchte, an der Besoldung, so mir verordnet, mich genügen lassen, darüber nichts nehmen, noch jemand entweder selbst oder durch meine Bediente oder Schreiber mit Gerichts-Gebühren übersetzen, und sonsten alles das thun und lassen, was einem getreuen Cammer-Gerichts-Protonotario (Secretario) nach Inhalt der Cammer-Gerichts-Ordnung wohl anstehet und gebühret; Alles getreulich und sonder Gefährde. So wahr mir Gott helffe durch Jesus Christum (et)c.

Tit. IX.

Von dem Amt des Registratoris

§. 1.

Weil Wir nöthig gefunden einen eigenen Registratorem bey dem ersten und zweyten Senat des Cammer-Gerichts zu bestellen, so ist von dessen Qualitaet und wie er beschaffen seyn muß, oben gehandelt worden.

§. 2. Es soll der Registrator über die Acta eine vollständige richtige Registratur halten, auch dieselbe in guter Ordnung verwahren, damit die Acta allemahl, wann sie gefordert werden, so fort bey der Hand seyn können.

§. 3. Auf der Cammer-Gerichts-Cantzeley muß er täglich Vor- und Nachmittags des Morgens vor 8 Uhr und


(41) Erster Theil. Tit. IX.

des Nachmittags von 3 bis 6 Uhr und im Winter bis 5 Uhr, es seyn Gerichts-Tage oder nicht, auch in denen Ferien (die Sonn- Fest- und Buß-Tage allein ausgenommen) aufwarten, und ohne des Präsidenten Erlaubniß, nicht wegbleiben noch verreisen.

§. 4. Alle Memorialien, libelli actionum, und worauf sonst schriftliche Resolutiones erfodert werden, müssen nicht denen Präsidenten und Räthen, sondern dem Registratori allein übergeben werden, welcher sofort den Tag, da die Schrift praesentirt worden, und wann fatalia darinnen lauffen, auch die Stunde darauf notiren, die übergebene Schriften in sein Buch verzeichnen, derer Beylagen eintragen, und was einmahl überschrieben worden, bey der Strafe der Cassation nicht wieder zurück geben muß.

§. 5. Bey Uebergebung derer Memorialien (et)c. muß der Registrator Achtung geben, ob sie aufgehöriges Stempel-Papier geschrieben, oder ob ein recipirter Advocat solche unterschrieben habe: Wann solches nicht geschehen, muß er ersteren Falls die Schrift wieder zurück geben, auf den andern Fall aber dem Präsidenten solche besonders zuschicken: welcher damit wie unten Tit. §. versehen, damit verfahren muss.

$. 6. Zu denen praesentirten Memorialien müssen sie sofort die dahin gehörige Acta aufsuchen, die Memorialien selbst aber dem Präsidenten durch den Bothenmeister zur Distribution zusenden, und wann solche zurück kommen, nebst denen parat liegenden Acten denen Räthen zum decretiren zusenden.

§. 7. Wann die Memorialien von denen Räthen vorgetragen und decretirt, von denen Protonotariis aber expedirt worden, muß der Registrator dieselbe ohnverzüglich ad acta heften, in den Rotulum eintragen und foliiren: Wann Acta manca gefunden werden, und die Schuld an dem Registratore liegt, muß derselbe jedesmahl 2 Rthlr. zur Sportul-Casse bezahlen.


(42) Erster Theil. Tit. IX.

Vor das Heften der Acta aber, weil solches ein Stück seines Amts ist, kann er keine Gebühren fodern.

§. 8. In denenjenigen Sachen, worinn Verhör angesetzt worden, muß der Registrator denen Räthen desselben Senats die dahin einschlagende Acta des Tags vorher zusenden, damit sie nach gehaltenem Verhör mit desto mehrerem Grund von der Sache referiren können.

§. 9. Wann eine Sache loco oralis verwiesen, und darinn geschlossen worden, muß er die Acta denselben Tag dem Präsidenten zur Distribution vorlegen.

§. 10. Wann schriftlich verfahren, und duplicando oder sonst geschlossen worden, auch die inrotulation geschehen, muß er sorgen, daß Acta überall complet noch desselben Tages distribuirt, und zu dem Ende dem Präsidenten vorgelegt werden.

§. 11. In denenjenigen Sachen, welche auf eingebrachte Justification, durch einen Neben-Bescheid zum ferneren Verfahren verwiesen werden, muß der Registrator, wann in causa concludirt ist NB. die Nahmen derer vorigen Referenten in dem Distributions-Buch beyfügen: Weil dieselben Acta denen vorigen Referenten wieder distribuirt werden müssen.

§. 12. Der Registrator muß die Distributions-Bücher alle Montag dem Präsidenten vorlegen, um Nachfrage zu halten, ob alle Sachen zu behöriger Zeit referirt und abgethan worden: Nach der Audientz aber müssen die Bücher dem Registratori wieder verschlossen zurück gegeben werden.

§. 13. Im übrigen muß der Registrator seine Registratur sowohl, als alle und jede Acte in guter Ordnung halten.

Er muß bey dem Anfang seines jeglichen Process eine richtige Rubric darüber verfertigen, und

1) Das Datum der eingelauffenen Klage oben an setzen.

2) Die Nahmen und Zunahmen der Partheyen, nebst ihrer Qualtiät (vid. infr. Tit. §. ) item.

3) Die Nahmen derer Advocaten und Substituten benennen.


(43) Erster Theil. Tit. IX.

4) Das Objectum litis deutlich exprimiren.

5) Das Folium, wo die Vollmachten liegen, wie auch

6) Wo die Bescheide und Urthel zu finden, notiren.

7) Gleich anfangs den Rotulum einrichten.

8) Acta foliiren.

9) Den ersten Decernenten, ( welcher perpetuus decernens bleiben soll,) notiren, auch

10) In was vor einer Instantz die Sache schwebet, nachtragen.

§. 14. Da auch öfters einerley Personen gantz verschiedene Sachen, so gar keine Connexion mit einander haben, vor Unserm Cammer-Gericht verhandeln, so muß der Protonotarius solche gleich anfangs sorgfältig separiren, eine jede Sache besonders heften, und den Punct, worauf die Sache ankommt, mit behöriger Behutsamkeit auf der Rubric notiren.

§. 15. Wann neue Sachen einkommen, welche keinen Process inferiren, als requisitoriales, confirmationes &c. dieselbe müssen nicht auf die Process-Listen gesetzt, sondern in eine besondere Registratur gebracht werden.

§. 16. Würden sich auch Acta dergestalt vergrössern, daß dieselbe nicht wohl in ein Volumen zu heften, so sollen mehrere Volumina, so viel deren nöthig seyn möchten, daraus gemacht, und jedes derselben numerirt werden.

Insonderheit soll in denen Concurs-Processen eines jeden Creditoris liquidation, und darauf folgende Schriften, besonders geheftet, foliirt, und mit einem besondern Rotulo versehen werden.

§. 17. Der Registrator muß bey Strafe der Cassation keinem Advocaten, auch keinem fiscalischen Bedienten einige Acta ohne des Präsidenten schriftliche Permission mit nach Hause geben. Wann sie auf schriftliche Ordre abgefolget werden, muß der Registrator solches, und wie viel Volumina es gewesen, in ein besonderes Buch notiren, den Advocaten der Fiscalem, wie bald er Acta zu remittiren vermeynet, befragen: nach verflossener Zeit die


(44) Erster Theil. Tit. IX.

Acta zurücke fodern, und wann er sie nicht erhalten kan dem Präsidenten solches anzeigen.

Es müssen auch denen Räthen keine Acta ohne Zettel abgefolgt werden, es sey dann, daß ihnen Acta zum decretiren, referiren, oder votiren, zugestellt worden; Wann sie auch auf ihre Zettel, insonderheiten bey Commissionen, Acta erhalten, müssen sie auf ihren geleisteten Eyd nach dem Gebrauch Acta ohnverzüglich wieder in der Registratur remittiren, welches auch vornehmlich die fiscalische Bedienten, wann die ihnen aufgetragene Untersuchung zu Ende, bey 5 Rthlr. Strafe beobachten müssen.

§. 18. Wann die Partheyen oder derer Sachwalter einige Acta, sie mögen alt oder neu seyn, zu ihrer Information vorgelegt zu haben verlangen, soll ihnen ohnverweigerlich darunter gewillfahret werden: doch müssen sothane Acta von ihnen in die Neben-Stube, in Gegenwart eines Cantzley-Bedienten, durchgesehen, und das nöthige daraus extrahirt, oder um die Copey gebethen werden.

§. 19. Weil aber öfters Acta bey dem Constitutioniren oder sonst währender Audientz gefodert werden, so muß der Registrator nach geendigter Session sich selbst in die Audientz-Stube verfügen, und die daselbst befindliche Acta verliehren, dem Präsidenten Nachricht davon ertheilen.

§. 20. Die Abschieds-Bücher derer Präsidenten und Räthe müssen von Jahren zu Jahren wohl verwahrt werden, damit keines abhanden kommen möge, und müssen Unsere Räthe, wann sie dergleichen verlangen, solche gegen einen Schein abholen lassen.

§. 21. Wann von denen Partheyen Briefe, Siegel und andere Schriften, welche bis zum Spruch bey denen Acten behalten werden müssen, producirt werden, muß der Registrator dieselbe so lang in guter Verwahrung halten, auch denen Partheyen, wann sie es verlangen, auf ihr Begehren eine Recognition ertheilen.

§. 22. Der Registrator muß alle Monath seine Registratur nachsehen, die abgethane Sachen reponiren, eine


(45) Erster Theil. Tit. IX.

Specification darüber verfertigen, und solche dem Präsidenten, nebst denen jeden Monath neu eingelauffenen Sachen, wie auch publicirten Sententzen, zusenden.

§. 23. Er muß, wann inrotulatio actorum verordnet wird, solche in seiner Gegenwart geschehen lassen, ein richtiges Protocoll darüber halten, welches die gegenwärtige Advocaten unterschreiben müssen. Wann einer oder der andere, oder beyde, in dem angesetzten Termino ausbleiben, müssen Acta in contumaciam vorgelegt werden.

§. 24. Der Registrator muß keine Attestata oder Copeyen ohne des Präsidenten Vorwissen ertheilen.

§. 25. Er muß auch nicht leiden, daß eine Parthey oder deren Advocaten, vielweniger deren Bediente sich in der Registratur einfinden und Acta nachsuchen dürfen. Im Fall auch diese mit dem Registratore oder mit denen Cantzley-Bedienten zu sprechen hätten, muß solches in der Neben-Stube geschehen.

§. 26. Wann Feuers-Gefahr auf dem Cammer-Gericht oder in der Nachbarschaft vorhanden, muß er auf die Rettung der Registratur bedacht seyn.

§. 27. Schließlich muß der Registrator sich mit folgenden Eyd verbindlich machen:

Ich N. N. gelobe und schwere zu GOtt dem Allmächtigen einen cörperlichen Eyd. Nachdem Se. Königl. Majestät in Preussen mich zu einem Registratore bey denen beyden Senaten des Cammer-Gerichts bestellet und angenommen, daß ich Sr. Königl. Majestät will getreu, gewärtig und gehorsam seyn, Dero, und Dero Königl. Hauses Nutzen und Bestes suchen und befördern, Schaden und Nachtheil nach meinem Vermögen abwenden; will auch meinem Amt treulich vorstehen, die mir anvertraute Registratur in behöriger Ordnung halten, die Acta ohne des Präsidenten oder Collegii Vorwissen niemand extradiren, noch Copeyen davon ertheilen; die einlaufende Memoralien vorgeschriebener maßen praesentiren, und dem Präsidenten


(46) Erster Theil. Tit. IX.

zur Distribution vorlegen, wann sie decretirt und extendirt seyn, so fort ad Acta heften, die Rubriquen richtig verfertigen: die Abschieds-Bücher alle Jahr zusammen suchen und wohl verwahren, keine Sportuln vor mich machen oder Praesenten nehmen, sondern mich an der mir vermachten Besoldung begnügen (et)c. und sonst alles thun, was mir in der Cammer-Gerichts-Ordnung vorgeschrieben worden, und was sonst einem ehrlichen Registratori zu thun oblieget, so wahr (et)c.

Tit. X.

Von denen Cantzellisten.

§. 1.

Die Cantzellisten müssen alle Tage um 8 Uhr bey 8 Sr. Strafe sich auf dem Cammer-Gericht einfinden, und vor geendigter Session nicht weggehen, auch des Nachmittags von 3 bis 4 Uhr wieder herauf kommen.

§. 2. Dieselbe müssen alle Befehle, Citationes, und alles was unter dem Siegel ausgefertiget wird, selber rein und correct schreiben, und solche gebührend collationiren.

§. 3. Sie fertigen auch die Copeyen aus, und schreiben auf jeder Seite 24 Zeilen, und in einer Zeile 12 Syllaben, müssen auch die Buchstaben nicht zur Ungebühr extendiren.

§. 4. Was die Cantzellisten nicht schreiben, müssen sie durch die Uns mit Eyd und Pflicht verwandte Copisten abschreiben lassen: Worzu Leute, welche eine leserliche und correcte Hand schreiben können, und einen lateinischen Terminum verstehen, genommen, und mit Eydes-Pflicht dahin belegt werden sollen, daß sie der Ordnung nachleben, und dasjenige was ihnen zu schreiben anvertrauet, geheim halten wollen.

§. 5. Was die Copisten abschreiben, müssen die Cantzellisten auf ihre Pflicht revidiren, und, daß es collationiret, darunter schreiben.


(47) Erster Theil. Tit. X.

§. 6. Die Cantzellisten und Copisten sollen alles in der Cantzellisten-Stube schreiben, und nichts mit nach hause nehmen. Wann es aber die Nothdurft erfodert, insonderheit bey kurtzen Tagen, daß sie ausserhalb schreiben müssen, sollen ihnen nicht die gantze Acta, sondern allein das Stück so zu copiiren nach Hause zu nehmen verstattet werden.

§. 7. Sie müssen auch denen Partheyen den Inhalt derer Decretorum ohne Veranlassung (außer denen abschläglichen Decretis) vor der Ausfertigung nicht communiciren, noch bey Strafe der Cassation ihnen dergleichen Original-Verordnung in die Hände geben.

Wann der Bothenmeister durch Kranckheit oder sonst behindert wird, daß er die Sieglung nicht abwarten könte, sollen der Protonotariorum jüngste Cantzellisten, und zwar ein jeder diejenige Sachen, so der Protonotarius oder Secretarius expedirt zur Siegelung bringen, und solche verrichten.

§. 8. Wenn die Expedienda mundirt seyn, müssen die Cantzellisten zu ihrer Justification das Datum und die Stunde, wann sie die Sache empfangen, und dem Secretario wieder eingeliefert, unter das Concept notiren.

§. 9. Kein Cantzellist soll über die Schreib-Gebühren einiges Geschencke, es mag Nahmen haben wie es will, wann es ihnen auch gutwillig offeriret wird, nehmen: keiner Parthey dienen, noch vor dieselbe sollcitiren: und wann sich dergleichen Verdacht äußern solte, muß der Präsident sich sorgfältig darnach erkundigen, da dann der Schuldige cassirt, und überdem an Geld oder am Leibe gestraft werden soll.

§. 10. Die Cantzellisten sollen mit folgendem Eyd belegt werden:

Ich N. N. schwere zu Gott (et)c. daß ich meinem Amte mit Lesen, Schreiben, ingrossiren und copiiren, treuen Fleisses obseyn, darinnen keine Gefährde gebrauchen, die Heimlichkeit des Cammer-Gerichts, als abgefassete


(48) Erster Theil. Tit. X.

Urthel, Decrete, Rescripte, dann auch eingebrachte Kundschaft, Protocolle, Cammer-Gerichts-Handlung und Schriften niemand eröfnen, oder anders als der Ordnung gemäß lesen lassen noch ohne Erlaubniß des Cammer-Gerichts davon Copey geben, weniger von den Votis der Beysitzer, so ich deren kundig, Nachricht ertheilen, deswegen und sonst auch kein Geschencke von jemand fodern, heischen oder nehmen, im übrigen alles thun, was einem getreuen Cantzellisten wohl anstehet, getreulich und ohne Gefährde. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum (et)c.Tit. XI..

Von denen Cantzley-Dienern, oder Bothenmeistern.

§. 1.

Die Cantzley-Diener oder Bothenmeister müssen von ehrlichen Herkommen und bekandter guter Aufführung seyn, auch aus abgedanckten Unter-Officieren, welche lesen und schreiben können, gewählet und vorgeschlagen werden. Sie müssen die Cantzley-Stube rein halten, und alle Morgen vor 8 Uhr entweder selbst oder durch einen Bothen sich bey dem Präsidenten melden, ob etwas zu verrichten sey von ihnen vernehmen, auch praecise um 8 Uhr sich auf der Rath-Stube einfinden.

§. 2. Derselbe soll denen zu jederzeit verordneten Cammer-Gerichts-Präsidenten und Räthen insgesammt, mit allem Fleiß, Treue, und Gehorsam gewärtig seyn, sie ehren und respectiren.

§. 3. Die ordinaire und extraordinaire Audientzien, Commissiones, und was sonst vorgehen möchte, muß er von Anfang bis zum Ende abwarten, damit er, wann Acta verlangt werden, bey der Hand seyn möge: bey


(49) Erster Theil. Tit. XI.

Verlesung derer Relationen aber, und votiren derer Räthe, muß er vor der Thüre aufwarten.

§. 4. Die Parthen, oder deren Bothen, soll er aus Vorsatz nicht aufhalten, sondern so viel immer möglich zur Abfertigung befördern.

§. 5. Wann auch gerichtliche Acta, bey Verhören und Commissionen, auf Befehl des Präsidenten und Cammer-Gerichts-Räthe , von denen Protonotariis abzufordern nöthig, soll er solche selbst abholen, und wenn Bescheide darauf ergangen, die Acta denenselben in ihre Cammern wieder bringen.

§. 6. So ofte Proclamata und andere Patente anzuschlagen, soll solches durch ihn bestellet werden, und muß er selbige zu rechter Zeit an gehörige Oerter bringen, auch darauf verzeichnen, wenn dieselbe angeschlagen, und wieder abgenommen worden. Wenn er hierunter etwas versäumet, muß er die dadurch verursachte Kosten ex propriis erstatten.

§. 7. Ferner soll er auch dasjenige, was ihm zugestellet werden möchte, mit Fleiß aufheben und verwahren, und darüber eine richtige Designation verfertigen und halten.

§. 8. Wann ihm auch anbefohlen wird, jemanden vor Unser Cammer-Gericht zu laden, oder sonst etwas Gerichts halber anzuzeigen, soll er dem von Stund an nachkommen, und darunter nichts versäumen: und muß er, was er also bestellet, und auf dem Original Supplicato nebst Bericht, wie, und wann solches verrichtet , auch was er an Gebühren erhalten, verzeichnen, und das Original dem Prozonotario causae sofort ad acta geben, desjenigen Theil aber, welchem etwas befohlen wird, Abschrift von dem Supplicato und der Verordnung lassen.

§. 9. Denen Parthen, und derer Sachbedienten, soll er mit gutem Glimpf und Bescheidenheit begegnen, niemanden mit verdrießlichen harten Worten anfahren, noch abweisen, weniger von denenselben über die ihm gesetzte Gebühren was abfodern, sondern sich daran begnügen lassen.


(50) Erster Theil. Tit. XI.§. 10. Da auf Unserm Cammer-Gericht an Schreibmaterialien, Holtz und dergleichen etwas mangeln wolte, hat er solches bey Zeiten anzumelden, und sich zu bemühen genugsamen Vorrath davon anzuschaffen.

§. 11. Bey Anfange derer Audientzien hat er aus dem Tage-Buch die Parthe laut und vernemlich abzulesen, und welche gegenwärtig anzuzeichnen, auch nach Endigung eines jeden Verhörs die Parthe nach der Ordnung aufzurufen.

§.12. Die Tage-Zettel wegen der in der folgenden Woche angesetzten Verhöre soll er des Sonnabends von denen Protonotariis anfordern.

§. 13. Ben denen Audientzien hat er Acht zu geben, daß durch der Parthen lautes Reden, oder hin und herlaufen, Unser Präsident und Räthe an Aufmercksamkeit, und die Advocati am Vortrag nicht gehindert werden, und wann die Parthe abgetreten, muß er niemanden unangemeldet in das Audientz-Gemach kommen lassen.

§. 14. Er selbst aber muß währendem protocolliren, und Ablesung derer Relationen, Unsern Präsidenten und Räthen durch Vorlegung der Acten ohnerfordert nicht beschwerlich fallen, sondern die Acta, so oft die Parthe abtreten, ihnen zustellen.

§. 15. Nach geendigter Audientz soll er niemand ins Gemach lassen, noch verstatten, daß die auf der Tafel vorhandene Sachen von jemand durchgesehen werden.

§. 16. Weil ihm auch die Decreta am ersten zu Händen kommen, und ihm nicht allein deren Inhalt, sondern auch diejenige Räthe, welche decretiret und contrasignirt, wissend sind, hat er solche Verordnungen sofort dem Protonotario und Secretario, in dessen Expedition sie gehören, zuzustellen, damit solches denen Parthen oder Sach-Bedienten nicht vor der Zeit kund werden möge.

§. 17. Wie er sich denn übrigens alles solicitirens vor ein oder das andere Theil, auch alles correspondirens so wohl selbst als durch die Seinigen enthalten, den Parthen,


(51) Erster Theil. Tit. XI.

von demjenigen, was bey dem Collegio vorgehet, nicht das geringste offenbaren, keiner Parthey der andern zum Schaden rathen, dieselbe warnen, oder sonst ihnen etwas entdecken, keine Geschencke von denen Partheyen, ausser den gesetzten Gebühren nehmen, insonderheit mit den arrestirten Personen keinen Umgang haben, noch ihnen einige Nachricht zubringen muß.

§. 18. Nachdem ihm auch der Schlüssel zur Audientz-Stube anvertrauet, soll er bey Zeiten sich daselbst einfinden, damit, wann die Räthe kommen, solche offen seyn möge, und auf ihn nicht dürfe gewartet werden; auch hat er das Gemach wohl zu verwahren, und auf Feuer und Licht, und was sonst Schaden thun kan, gute Acht zu geben, das Gemach auch reinlich, und in guter Ordnung zu halten.

§. 19. Welches er auch bey denen angesetzten Commissionen dergestalt zu beobachten, und so oft solche zu halten, den Tag vorhero von dem Protonotario causae die zur Commission gehörige Acta, ohne besondere Gebühren deshalb von denen Parthen zu begehren, abzuhohlen, und solche denen Commissariis in Termino vorzulegen hat.

§. 20. Die Acta, welche von Unserm Präsidenten zu Abfassung der Urthel, oder Relationen, zum votiren herum zu tragen ihm übergeben werden, hat er sofort in das Kästlein, wozu ein jeder Rath einen Schlüssel hat, einzuschliessen, und also bestellen zu lassen; auch muß er bey Verlust seines Dienstes von denen Votis derer Räthe, denen Parthen, oder deren Sach-Bedienten, noch sonst jemand nicht die geringste Nachricht ertheilen.

§. 21. Mit denjenigen Sachen, welche die Protonotarii oder Secretarii ausgefertiget, soll er so wohl am Gerichts- und andern Tagen, ausser den Sonn- Fest- und Buß-Tagen um 4 Uhr allemahl bey Unsern Präsidenten sich einfinden, insonderheit aber bey der Siegelung selber erscheinen, und weder Commissiones noch sonsten etwas sich davon abhalten lassen, auch ehe die Siegelung geendiget,


(52) Erster Theil. Tit. XI.

nicht davon gehen, damit selbige nebst der Revision und Subscription ungesäumt erfolgen möge, worauf er solche sofort in die Cantzeley bringen muß, auf daß die Partheyen mit der Ausfertigung nicht aufgehalten werden.

§. 22. Was der Präsident bey der Siegelung ihm befiehlet, soll er sich sofort aufzeichnen, und des andern Tages dem Präsidenten Nachricht von dessen Bestellung geben.

§. 23. In denen Ferien lieget ihm ob, alle einkommende Sachen täglich aus der Cammer-Gerichts-Cantzley abzufordern, und solche selbst, und nicht durch andere, dem Präsidenten zum distribuiren, und denen Räthen zum decretiren ins Haus zu bringen; nach erfolgten Decretis aber, selbige ohne einzige Säumniß in die Cantzley zur Expedition hinwieder zu liefern, und soll ihm wegen dieses extraordinairen Herumtragens vor jedes Supplicatum 3 Gr. gegeben werden.

§. 24. Wann in denen Ferien dem Bothenmeister selbst ein Memorial zugestellet wird, muß er solches zuförderst dem Protonotario übergeben, um es zu praesentiren, und Acta darzu aufzusuchen, hiernechst aber selbiges dem Präsidenten zur Distribution vorlegen. Es muß aber der Bothenmeister die Memorialien deshalb nicht liegen lassen, weil er seine 3 Gr. nicht bekommen, denn es müssen diese, wie andern Gebühren, allenfals von den Patronis Causae beygetrieben werden.

§. 25. Wolte auch jemand sonst in Sachen die keinen Verzug leiden, ausser denen gewöhnlichen Gerichts-Tagen, durch den Bothenmeister eine Verordnung suchen, sollen ihm vor jedes Supplicatum, so er dergestalt herum träget, gleichfals 3 Gr. gereichet werden.

§. 26. Ausser diesem soll der Bothenmeister, wann er nicht selbst die Memorialia zur Verordnung herum trägt, von keinem Supplicato, unter keinerley Vorwand, etwas zu fordern befugt, sondern wann er dawieder handeln solte, jedesmahl 2 Rthlr. Strafe zu erlegen schuldig seyn.


(53) Erster Theil. Tit.XI.

§. 27. Dafern auch, welches Gott abwende, in der Nachbarschaft des Cammer-Gerichts Feuer entstehen solte; muß er sofort daselbst sich einfinden, und auf gute Anstalt, allenfals auch auf Wegbringung derer daselbst vorhandenen Sachen, bey Zeiten bedacht seyn, wobei die Bothen bey unausbleiblicher schwerer Strafe, ihm nach allen ihren Vermögen an die Hand zu gehen schuldig seynd.

§. 28. Schließlich, dafern sich die Bothen, wie es sich gebühret, nicht verhalten, oder einer derselben mit Tode abginge, hat er solches Unsern Präsidenten und Räthen zeitig anzumelden, damit auf dem ersten Fall gehörige Veranstaltung gemachet, auf dem letztern Fall aber die ledige Stelle mit einem tüchtigen Bothen hinwieder von Unserm Cammer-Gericht versehen werden könne.

§. 29. Wann des Morgens die Advocati die decretirte Sachen nicht abfordern sollen, muß der Bothenmeister des Nachmittags die rückständige zu sich nehmen, und durch die Bothen denen Partheyen insinuiren, welche die Gebühren von denen Advocaten fodern müssen.

§. 30. Unser Bothenmeister und Cantzeley-Diener soll geloben und schweren, seinem Amt mit allem treuen Fleisse vorzustehn, die Briefe, wie ihm befohlen, getreulich zu bestellen, auch andere Unseres Cammer-Gerichts Befehle mit Fleiß und getreulich auszurichten, was ausgerichtet wieder anzusagen, auf das Gericht und Audienz gut aufmercken zu haben, Unserm Cammer-Gericht verwandte Personen zu ehren, ihnen gehorsam und gewärtig zu seyn, niemand ohne Befehl in die Raths-Stube über die da liegende Briefe und Acta gehen zu lassen, als dem es Amts halber zustehet. Und, wann er des Raths oder Gerichts Heimlichkeit und Rathschläge erfahren würde, dasselbe zu verschweigen, die Partheyen daraus nicht zu warnen, oder denselben zu rathen, von den Partheyen über seinen gewöhnlichen und gebührlichen Lohn nichts


(54) Erster Theil. Tit. XI. XII.

zu nehmen, und und sonst alles andere zu thun und zu lassen, das einem getreuen Cantzeley-Diener seines Amts halben, Inhalt dieser Ordnung und sonst gebühret, alles ungefährlich. So wahr (et)c..

Tit. XII.

Von den Cammer-Gerichts- und Fiscal-Bothen.

§. 1.

Die bey Unserm Cammer-Gericht bestellte Bothen, deren Vier an der Zahl, sollen ihrer Pflicht gemäß, im Lande, und in hiesigen Residentzien, die Insinuationes derer Befehle getreulich und fleißig verrichten.

§. 2. Was ihnen sonst anbefohlen wird, müssen sie gebührend thun, und zu dem Ende bey Unserm Cammer-Gericht allemal aufwarten, damit sie, wann ihnen etwas anzubefehlen, bey der Hand seyn mögen.

§. 3. Bey denen Insinuationen haben sie sich überall guter Bescheidenheit zu gebrauchen, und um ein Recipisse anzuhalten, bey dessen Verweigerung aber müssen sie ihrem abgestatteten Eyde gemäß, gewissenhaft, davon die Ursach dem Protonotario, oder Secretario Causae bey ihrer Zurückkunft anzeigen, auch zugleich berichten, an welchem Tage, und wem eigentlich die Insinuation geschehen, auch was ihnen geantwortet, und dabey sonst begegnet, imgleichen was sie an Gebühren bekommen, welches dann Unsere Protonotarii und Secretarii mit allen Umständen, unter den Befehls-Copeyen zu verzeichnen haben.

§. 4. Da sie von jemand ausser Unserm Cammer-Gericht wolten verschicket werden. sollen sie gehalten seyn sich deshalb zuförderst bey denen Protonotariis und Bothen-Meister


(55) Erster Theil. Tit. XII.

zu melden, und ohne deren Erlaubniß nicht abzuweichen; auch haben diese dahin zu sehen, daß alllezeit jemand von denen Bothen alhie zur Stelle sey.

§. 5. Ueber ihr Salarium und Lohn soll ihnen vor jede Meile in Unserm hiesigen Landen 3

 Gr. und an Wartgeld täglich 8 Gr. gereicht werden, womit sie sich begnügen müssen.

§. 6. Weil Wir auch zu denen fiscalischen Sachen einen eigenen Bothen bestellet, so muß derselbe auf Erfordern, was in hiesigen Residentzien an dergleichen Sachen zu insinuiren, annehmen, und gehörigen Orts richtig abgeben, auch davon jedesmal dem Protonotario oder Secretario, der die Ausfertigung hat, Bericht abstatten.

§. 7. Wann die Befehle gesiegelt werden, hat der Fiscal Bothe dieselbe aus der Cammer-Gerichts- Cantzley abzuholen, und demjenigen fiscalischen Bedienten, dem die Sache gehöret, ungesaumt zuzubringen, und wegen der Insinuation dessen Veranlassung zu gewärtigen.

§ .8. Möchte der Fiscal-Bothe Kranckheit wegen verhindert werden, so sollen die andere anwesende Bothen desselben Stelle zu vertreten so lange schuldig seyn, damit bey denen fiscalischen Sachen nichts verabsäumet werde.

§. 9. Im übrigen verstehet sich von selbsten, daß der Fiscal-Bothe die fiscalische Sachen von der Post abhohlen, oder zurück tragen, und zu Ende alle Morgen und Mittag sich bey dem General-Fiscal einfinden, auch wann etwas ungebührliches vorfällt, solches treulich melden muß.

Wie er dann auch, wann ihm befohlen wird die Partheyen mündlich zu citiren, solches sofort bewerckstelligen, über die Insinuationes recipisse erfodern, allenfals solches selbst schriftlich unter denen Concepten notiren, bei denen Verhören; und Untersuchungen aufwarten, und was nöthig bestellen, dahingegen, wann Kosten bezahlt werden, keine Gebühren auch mit gewärtigen muß.

§. 10. Sonsten soll täglich, sowohl bey denen Gerichts- als andern wie auch Sonn- und Feyer- Tagen einer von denen


(56) Erster Theil. Tit. XII. XIII.

alhier sich befindenden Bothen, bey Unserm Präsidenten, oder in dessen Abwesenheit bey dem nachsitzenden Rath, in seinem Hause aufwarten, und zur Bestellung derjenigen Sachen so ihm anbefohlen werden sich bereit halten, und haben die Bothen hierunter zu wechseln, worauf der Bothen-Meister fleißige Achtung haben muß.

Insonderheit sollen sie bey entstehendem Feuer auf dem Cammer-Gericht, oder in der Nachbarschaft, sich ohnverzüglich daselbst einfinden, und Hülfe leisten.

§. 11. Wir wollen auch endlich die Cammer-Gerichts-Bothen in Unserm besondern Schutz genommen haben, und wann jemand sich unterfangen solte bey Insinuation, oder andern ihren Amts-Geschäften, sich mit Worten, oder Thätlichkeit an ihnen zu vergreifen, soll Unser Cammer-Gericht solches in summarische Cognition ziehen, und dem Befinden nach diejenige so überführet werden ernstlich bestrafen.

§. 12. Uebrigens sollen dergleichen Bothen geloben und schweren, daß sie ihrem Amte getreulich obliegen, dasjenige was ihnen die Präsidenten, Räthe, Secretarii, und der Bothenmeister, in gerichtlichen Handlungen befehlen werden, treulich ausrichten. Die Insinuationes mit behöriger Sorgfalt verrichten, und an Gebühren nicht das geringste mehr als was ihnen der Ordnung verschrieben worden, fodern und nehmen wollen, so wahr (et)c.

Tit. XIII.

Von dem Amt des Advocati Fisci, und übrigen Fiscaelen.

§. 1. Wir haben zur Beobachtung der fiscaelischen Sachen in Unsern Residentzien, und bey denen daselbst befindlichen Collegiis, unter der Direction eines General-Fiscals,


(57) Erster Theil. Tit. XIII.

einen Adjunctum Fisci, wie auch andere Justitz- und Cammer-Fiscaele allergnädigst bestellet, welchen allerseits oblieget ihren Bestallungen, und was ihnen darinnen vorgeschrieben, auch sonst ihre Pflicht und Amt zu Beförderung Unseres Nutzens und Abwendung allen Schadens und Nachtheils erfodert, aufs treulichste und fleißigste nachzukommen, und auf alle und jede strafbare Unthaten so wieder göttliche und gemeine beschriebene Rechte, wie auch Unsere Landes-Constitutiones ergangene Edicta und Befehle geschehen, sorgfältig acht zu halten.

§. 2. Es sollen aber hinführo keine andere als rechtschaffene, in denen Rechten und Praxi wohlerfahrnen Leute, welche sich zuvor, wie andere Advocati, durch ein Examen qualificirt haben, angenommen, und zu deren Annehmung Unser General-Fiscal innhalts Unserer Verordnung vom 20. Jul. 1733. mitgezogen werden.

§. 3. Wie Wir zu Unserm General-Fiscal das Vertrauen haben, daß er denen andern Fiscaelen ein Vorbild der Legalitaet, des Fleisses, der Moderation, der Unpartheylichkeit, und aller guten Ordnung seyn, und ihnen mit guten Exempel überall vorgehen werde; Also sind schon vorhin, und werden ferner sämtliche Fiscaele, sowohl hier als in den Provintzien, an ihn verwiesen, dergestalt, daß sie seinen Verfassungs-mäßigen Anordnungen ohne alle Weigerung sich unterziehen, was er unter ihnen von fiscalischen Sachen austheilet, oder ihnen aufträget, und von ihnen fodert, treulich und ohne Aufschub ausrichten, und nach deren Vollführung ihm davon ohngefordert Bericht abstatten, auch wenn er sie zu convociren nöthig findet, unausbleiblich erscheinen müssen.

§. 4. Sie sollen auch, da er nach seinem generalen Amt von allen vorfallenden fiscalischen Sachen Wissenschaft haben, und deshalb ihm Communication davon geschehen muß, demselben, wann ihnen von Collegiis immediate eine fiscalische Untersuchung, oder Process, oder Assistentz aufgetragen worden, oder was sie sonst


(58) Erster Theil. Tit. XIII.

auszurichten haben, nicht weniger von allen erheblichen Contraventions-Fällen Unserer Verordnungen, und Gerechtsamen, sonderlich auch, wann sie darinn bey den Provincial-Collegiis und Unter-Gerichten kein Gehör finden könten, und wann sie worüber nach Hofe berichten, von Zeit zu Zeit Nachricht geben; über zweifelhafte und schwere Fälle sich bey ihm Raths erhohlen, und sonst seines Beystandes zu Beobachtung Rechtens und baldiger Endschafft der Sachen bedienen.

§. 5. Alle Unsere Fiscaele sollen hauptsächlich auf die Unsere Landes-Hoheit, höchste geistliche und weltliche Jurisdiction, Gräntzen, Domainen und sämtliche Regalia angehende Sachen, wie auch auf Unsere Jura und Privilegia fiscalia sorgfältige Achtung geben, und dahin sehen, daß solche Uns nicht entrissen und geschmälert, und wann sie jemand anzufechten sich unterstehen solte, bey denen Collegiis, wohin sie gehören, gründlich behauptet und vertheidiget werden; Zu welchem Ende sowohl Unser General-Fiscal beständig darauf bedacht seyn, und, wann es nöthig, bey Uns und Unsern höchsten Collegiis mit keinen Vorstellungen darüber einkommen, und sonst sein erfodert Bedencken jedesmahl prompt abfassen wird; als auch der Adjunctus Fisci, und die ältesten und erfahrensten Fiscaele, den Process in dergleichen wichtigen Sachen bey den Collegiis zu führen, mit dem General-Fiscal davon zu communiciren, und ihm ihre Sätze, Manual-Acten und Bedenken, so oft es nöthig und er es verlanget, vorzulegen, auch ohne sein, oder der Collegiorum Wissen, und ohne es ihnen zu melden, niemahls litem zu contestiren, noch weniger Sachen vor sich abzuthun, und liegen zu lassen haben.

§. 6. Insonderheit muß der Adjunctus Fisci bey denen Sachen, die an das Ober-Appellations-Gericht gedeyhen, Unsere Gerechtsame, und daß dem Privilegio de non appellando nicht zuwieder gehandelt, auch die dazu gelangende fiscaelische Sachen wohl ausgeführet werden, gute


(59) Erster Theil. Tit. XIII.

Obacht haben; und nach Gelegenheit daselbst, wie auch bey dem Cammer-Gericht, und mit dem geschicktesten Cammer-Fiscal die bey dem Geheimen Justiz-Rath vorkommende fiscaelische Prozesse führen, dem General-Fiscal bey grossen und wichtigen Untersuchungen benöthigten Falls assistiren, und sonst in dessen Abwesenheit und Behinderungen die fiscaelische Sachen dirgiren; die anderen Fiscaele aber sollen die übrigen Sachen und die Inquisitiones verrichten, welche ihnen von denen Collegiis oder dem General-Fiscal committiret werden.

§. 7. Alle Fiscaele müssen ferner und zwar von selbsten, ohne zuvor excitatoria deshalb zu erwarten, darauf acht haben, daß, wann Unsern Constitutionen, Ordnungen, Edicten und Patenten nicht gebührend nachgelebet wird, die Contravenienten zur Verantwortung gezogen, und, wann sie es verdienet, in gebührende Strafe genommen werden;

§. 8. Zu welchem Ende dieselbe die Gesetze, Constitutiones, Edicte und Patente sich genau bekannt und ein Register davon zu machen, besonders auch von unsern Rescriptis, welche ihnen vom General-Fiscal communiciret werden, Abschriften zu ihrer Nachricht zu nehmen, und von allen, jedoch ohne die fiscalischen Sachen mit ihren eigenen zu meliren, dienliche Sammlungen zu halten haben; wie dann auch der General-Fiscal mit darauf zu sehen hat, daß nach Unserer Verordnung vom 7ten Jul. 1734. bey denen Collegiis von denen Edicten und Rescripten ordentliche Bücher mit vorangesetzten Designationen fortgeführet werden.

§. 9. Diejenigen Fiscaele, welche bey besondern Collegiis oder zu besondern Sachen bestellet sind, müssen sich auch besonders angelegen seyn lassen, die bey solchen Collegiis vorfallende, oder dergleichen besondere Sachen in Obacht zu halten; und solchemnach die bey Justiz-Collegiis bestellte Fiscaele, die Fiscalia in Civil- Criminal- und Lehens-Sachen und drauf gerichtete Constitutiones


(60) Erster Theil. Tit. XIII.

und Gesetze, sonderlich auch die Vormundschafts- Hypothequen- Concurs- und Wechsel- Ordnungen, Banqueroutier-Stempel- und andere Edicta, als von muthwilligen und unbefugten Supplicanten und Sollicitanten, unzuläßigen Wucher, Geldleihen der Minderjährigen (et)c. fleißig vor Augen haben.

§. 10. Die Cammer-Fiscale müssen auf die Städte- und Ämter-Sachen, und welche die Dominialia, die Steuerbarkeit, das Brau-Wesen, die Forsten und Jagden (so ferne dazu nicht besondere Jagd-Fiscaele angenommen sind, welche sich nach den Jagd- und Forst- Ordnungen und denen besondern wegen Auslegung der Jagden, und was zu hohen und niedrigen, zur Wildbahn, zu Gehägen u. s. w. gehört, ergangene Rescriptis richten müssen) ferner auf die Intraden, Cassen, Cämmereyen, Colonisten, Woll- und andere Manufacturen, die Policey, Vorspann, und andere Generalia, imgleichen die Cautiones der Rendanten, die Contracte mit den Pächtern u. s. w. angehen, samt denen dahin einschlagenden General- und Special- Verordnungen, Privilegien, Reglements &c. ihr Augenmerk halten, und selbigen gehörig nachgehen.

Wann sie wegen Unserer Gerechtsamen, oder Sachen von schleuniger Expedition, etwas vorzustellen, oder ein Gutachten abzugeben haben so schriftlich abzufassen und ad Acta kommen zu lassen bedenklich, oder zu weitläuftig fallen möchte, so sollen sie bey denen Collegiis zum mündlichen Vortrag verstattet, und über bedenkliche Sachen so wohl bey deren Anfang als Fortgang mit Ihnen mündlich conferiret, ein Protocoll darüber gehalten, und solches besonders asserviret werden; massen überhaupt keine fiscaelische Gutachten an jemanden communiciret, noch zu den ordinairen Acten gelegt werden müssen.

§. 11. Die bey den Consistoriis besonders verordnete Fiscaele müssen die in Kirchen- und Schul-Sachen ergangene und sonst zu geistlichen Sachen gehörige Verordnungen,


(61) Erster Theil. Tit.XIII.

als wegen der Stipendien, Residentzien der Canonicorum, ruchloser Schriften, insbesonderheit wegen Administration der piorum corporum, und daß weder die Patroni, Curatores, und Vorsteher, die Gelder derselben selbst zinsbar an sich nehmen, noch die Administratores ohne Caution zugelassen, die Abnahme der jährlichen Rechnungen nicht unterlassen, noch sonst denen darüber abgefaßten Reglements zuwieder gehandelt werde, und was sonst ihnen von denen Consistoriis aufgetragen wird; die Medicinal-Fiscaele aber die Contraventiones wieder die Medicinal-Ordnung, und daß sowohl solche baldigst abgemacht, als auch die deshalb dictierte Strafen beygetrieben und abgegeben werden, fleißig wahrnehmen.

§. 12. Sämtliche Fiscaele müssen im übrigen gemeinschaftlich auf alle Fiscalia und Edicta, sie mögen in vorbenandten oder andern Sachen, als wegen der Müntzen und des Silbers, der Posten, der Zölle, der Trauer, der grossen Hazard Spiele, des Reisens ausser Landes, der Verpflegung der Armen, der fremden Calender u. s. w. sehen, und sonst sonderlich, worin die fiscalische Vigilantz nahmentlich in den Edicten befohlen, ihre Attention richten, auch benöthigten Falls einer dem andern, wann es in dessen Amt, oder Collegium wobey er bestellet ist, besonders einschläget, davon Nachricht ertheilen; keiner aber von Ihnen, vornehmlich in anderer Fiscaele Abwesenheit oder Behinderung, einer fiscalischen Sache, so ihm von Unsere Collegiis oder dem General-Fiscal aufgetragen wird, er mag sonst dazu specialiter bestellt seyn oder nicht, sich entziehen, sondern vielmehr einer den andern, sie seyn allhier oder in denen Provintzien, zu Unserm Dienst behülflich seyn.

§. 13. Die Processe welche die Fiscaele, es sey in Inquisitions- oder Civil Sachen zu führen haben, sollen sie kurz und deutlich, doch daß die Substantialia Processus wohl beobachtet werden, fassen, und solche auf alle Weise beschleunigen. Damit wir aber dessen um so mehr


(62) Erster Theil. Tit. XIII.

versichert seyn, sollen diejenige, welche Inquisitiones und Untersuchungen unter Händen haben, den ersten Tag eines jeden Monaths sowohl dem Collegio committenti, als hier in Loco dem Minister des Justitz-Departements, nach der unterm 7ten Mart. 1745. ergangenen Verordnung, eine Specification von solchen Sachen, und was sie dabey gethan, bey 5 Rthlr. unausbleiblicher Strafe abgeben. Diese Specification soll darauf jedesmahl dem General-Fiscal zugeschickt und von selbigen, was er dabey zu erinnern hat, denen Fiscaelen selbst angedeutet, und von diesen bewürcket, nöthigenfals aber davon an Uns von ihm berichtet werden.

§. 14. Von denen fiscalischen Civil Processen hingegen, sollen sie alle halbe Jahr zu Ende des Monaths Junii, und des Monaths Decembris, dem Collegio vor welchem die Sachen schweben, und dem General-Fiscal eine Process-Tabelle abgeben; sowohl der Präsident des Collegii, oder wem selbiger solches aufträgt, als der General-Fiscal müssen solche nachsehen, und was sie dabey zu erinnern haben den Fiscalen zufertigen; da denn dieser denen Erinnerungen abzuhelfen schuldig: der General-Fiscal aber muß bey den Anfang jeden Jahrs, mit Einsendung einer General-Tabelle der allhier und in denen Provintzien schwebenden fiscalischen Processe an Uns berichten

§. 15. Die Tabelle von denen Inquisitions-Processen und Untersuchungen soll dergestalt eingerichtet seyn, daß nebst generaler Anzeigung vor welchem Collegio, oder wo sonst die Sachen schweben, und welcher Fiscal die Sachen führet, darin unter davon zu machenden Columnen angemercket werden.

1. Wer, und von was vor Condition der Inquisit sey, wieder welchen eine Inquisition oder Untersuchung beranlasset worden.

2. Worin das Verbrechen oder Objectum Inquisitionis, bestehe.


(63) Erster Theil. Tit. XIII.

3. Wann die Inquisition oder Untersuchung ihren Anfang genommen.

4. Was bisher von Zeit zu Zeit dabey geschehen.

5. Wie weit es damit gekommen, und ob sie sich woran aufhalte.

6. Ob und was darin erkannt worden; wovon zugleich Sententia, oder wann sie weitläuftig, ein Exact daraus beyzulegen.

7. Ob und wann Acta zur Confirmation oder fernern Verfügung eingeschickt.

8. Was darauf ergangen, und wie sie gäntzlich zu Ende und zur Execution gebracht seyn.

§. 16. In Civil-Sachen aber muß ausser der gedachten General-Anzeige die Tabelle enthalten:

1. Mit wem Fiscus litigiret.

2. Was das Objectum litis sey; als welches, wann die Sache zum erstenmahl aufgeführet wird, so zulänglich und deutlich exprimiret werden muß, daß davon eine generale Idée zu machen stehet.

3. Wann die Sache angefangen, und was bishero darinn geschehen.

4. Ob und was in der ersten Instantz erkannt; welches copeylich, oder, wann die Sententz weitläufig, in einem Extract daraus beyzulegen.

5. Ob und in was für Instantz sie jetzo schwebet, und wie weit sie gekommen.

6. Was zuletzt erkannt, und wie solches zur Execution gebracht.

Die übrigen aber müssen in den Tabellen die Processe, so bey diesem oder jenem Collegio geführet werden, von einander gesondert werden.

§.17. Wie auf die fiscalische Processe, also ist auch auf die fiscalische Strafen von unserm General-Fiscal genaue Aufmercksamkeit zu führen, und müssen sich die Fiscaele, oder wann einer der andere nach unserer General-Verordnung vom 4ten May 1731. insbesondere


(64) Erster Theil. Tit. XIII.

dazu bestellet wäre, derselbe sich, nach der bereits den 18. May, 1724. geschärften Verordnung, angelegen seyn lassen, daß die verwürckte und erkannte fiscalische Strafen jedesmahl halb bezahlet, oder ohne Ansehen der Person beygetrieben, und gehörigen Orts richtig in Edictmäßigen Münz-Sorten und franco abgeliefert werden, sie selbst aber müssen, wie bereits durch die Declaration vom 22. April 1728. verfüget, keine Geld-Strafen in Empfang nehmen und an sich behalten.

§. 18. Was von Strafen vorfällt, haben sie jährlich zweymahl die Listen, einmahl zu Ende des Decembris, das anderemahl um Trinitatis, eine dem Collegio, wo sie vorgefallen, die andere dem General-Fiscal, bey 10 Rthlr. Strafe, mit Beylegung eines Attestes vom Receptore der Strafe, daß soviel und nicht mehr vorgekommen, ohnerinnert einzuschicken, auch, wann unterdessen eine zur General-Straf-Casse abgegeben oder eingesandt, solches jedesmahl dem General-Fiscal zu melden, damit nicht über bereits bezahlte Sachen von neuen Verordnungen ausgebracht werden.

§.19. Solche Straf-Listen sind nach folgenden Ueberschriften unter abgesonderten Columnen einzurichten, daß nebst generaler Anzeigung des Collegii, wo sie erkannt, verzeichnet werde:

1. Das Quantum der Strafe.

2. Das Datum oder Publicatum der Sententz oder Verordnung, worinn sie festgesetzet.

3. Der Nahme und Condition dessen, dem sie auferleget.

4. Zu was vor Sache, und warum.

5. Ob und wenn sie bezahlet oder remittiret: Wobey das Quantum zu wiederholen; Was aber im Rest bleibet, darf nicht wiederholet werden, weil es schon aus der ersten Numer, wann solcher Rest unter bezahlten oder remittirten nicht abgeschrieben, erhellet.


(65) Erster Theil. Tit. XIII.

6, Die Quota, so der Fiscal erhalten; Und sind zugleich die Latera zu summiren, und hinten abzuschliessen.

7. Zu was vor einer Casse die Strafe geflossen.

§. 20. Keine Strafe muß aus der Liste eher weggelassen werden, als bis sie würcklich abgetragen, und sind deshalb die rückständigen Reste allemahl in der neuen Liste aus den vorigen Jahren bis zur Tilgung mit aufzuführen.

§. 21.Weil einige Strafen zur Renthey in der Provintz, andere aber zur General-Straf-Casse gehören, und zu der letztern Casse Inhalts der Verordnung vom 10. Sept. 1731 und 6. Nov. 1733 diejenige Strafen fliessen, welche bey Hofe erkannt und verordnet, oder wann daselbst eine Leibes-Strafe in Geld-Strafe, (als deren ein Jurisdictionarius sub praetextu fructuum jurisdictionis, weil derselbe kein Jus aggratiandi hat, sich nicht anmassen kan,) verwandelt worden, (et)c. so müssen die zur General-Straf-Casse gehörige Strafen, welche ein Fiscal zu betreiben hat, in seiner Straf-Liste mit aufgeführet, von den übrigen Strafen separiret und voran gesetzet, auch dafür gesorget werden, daß solche Strafen nicht zu den Rentheyen, sondern zur General-Straf-Casse, wie unterm 19. Febr. 1732. schon verordnet, eingeschicket, und wegen Separirung der zu Renthey und zur General-Straf-Casse fliessenden Strafen der Verordnung vom 3. Octobr. 1736. nachgegangen werde.

§. 22. Wie zu denen General-Cassen-Strafen auch die bey Unserm Tribunal erkannte, oder daselbst sonst übliche Strafen gehören; so müssen solche, wann deren Beytreibung einem Fiscal in der Provintz oblieget, oder committiret ist, gleichfalls sowohl fleißig beygetrieben, und franco eingeschickt, als in der Liste mit verzeichner, und davon keine Quota zurück behalten werden.

§. 23. Die Quota gebühret sich nur in denen Sachen, worinn der Fiscal den Process selbst geführet und gearbeitet,


(66) Erster Theil. Tit. XIII.

nicht aber, wenn er nur eine sonsct festgesetzte Strafe beyzutreiben hat; doch soll ihm in diesem Fall der säumige Schuldner, weil er durch seine Saumseligkeit sich solches selbst verursachet, die desfalls zu verfertigende Aufsätze und Sollicitationes bezahlen.

§. 24. Zur Quota wird dem Fiscal regulariter decima zugestanden, es wäre ihm dann in seiner Bestallung ausdrücklich ein mehreres verschrieben, alsdann es dabey sein Bewenden hat.

In Fällen, dadurch ein Denuncianten-Theil statt findet, muß solches, ehe Quota fiscalis gerechnet wird, nach Unserer Declaration vom 16. Mart. 1725. zuförderst abgezogen werden.

§. 25. Damit die Straf-Sachen in richtiger Ordnung gehalten und geführet werden, so ist bey jedem Collegio, wie Wir bereits in dem allgemeinen Edict vom 31. Julii, 1722. und dem fiscaelischen Reglement vom 20. August ej. a.verfügt, ein ordentliches Straf-Buch, welches jederzeit auf dem Sessions-Tische liegen muß, und worinn auf einer Seite die dictirten, auf der anderen die comminirte Strafen aufzuführen, unter folgenden Rubriquen zu halten; und zwar was die dictierten betrift:

1. Das Quantum der Strafe.

2. Wem eine Strafe dictirt.

3. In qua Caula, und warum.

4. Quo dato, und ob per Decretum oder Sententiam solche dictirt.

5. Ob und wem sie hernach remittiret.

6. Wenn sie bezahlert.

Bey den commmirten aber n. 4.statt dictiert, comminirten, und n. 5.statt remittirt, ob und wann sie festgesetzet, verzeichnet; in den obern Senaten aber ein besonders Straf-Buch geführet werden.

§. 26. Solche Strafen muß jedesmahl derjenige Rath, welcher das Decret abgefaßt, wodurch sie dictiret, commmiret, hernach festgesetzt oder auch remittirt worden, in


(67) Erster Theil. Tit. XIII.

das Straf-Buch eintragen; die Strafen aber, so per Sententiam dictirt werden, muß der Protonotarius nach deren Publication hineinschreiben, und derselbe, wenn solches nicht jemand anders specialiter committiret, sowohl die Strafen bey deren Bezahlung in Empfang nehmen, und wann sie eingekommen, ins Straf-Buch notiren, als auch solche gehörigen Orts prompt abliefern, und um Trinitatis dem Rath vom Collegio, welchen die fiscalische Sachen zur Aufsicht untergeben, in Beyseyn des Advocati fisci die Rechnung davon vorlegen, und deren Richtigkeit von beyden unterzeichnen lassen; Im übrigen aber muß sonderlich wegen der Poenal-Mandaten das vorangeführte Edict vom 31. Jul. 1722. befolget werden. Auf eben diese Weise soll es auch mit denen kleinen Strafen, welche wegen nicht gehaltener Ordnung zur Sportul-Casse fliessen, (massen die übrige Strafen dem Fisco anheim fallen und demselben, wie mehrmahls verordnet, zugesprochen werden müssen,) gehalten, und von selbigen ein besonderes Buch geführet werden.

§. 27. Um Trinitatis jeden Jahres aber muß ein Specification der fiscalischen Strafen, sowohl zum Justitz-Department, als an unser General-Directorium, wie auch ein Exemplar davon an Unsern General-Fiscal nach Unsern unterm 24. Mart.1735. abgelassenen und noch den 19. Maji, 1744. renovirten Verordnung eingesandt, auch künftig dahinter notiret werden, was an Abschoß, erblosen Gütern, Confiscationen, u. d. g. das Jahr über gefallen und wohin solches geflossen und abgeliefert worden. Wie Wir es dann ferner dabey lediglich besenden lassen, was Wir wegen Annotirung der Strafen und Abgebung deren Listen vob Unsern geheimten Krieges- und übrigen Cantzeleyen verfüget, und dem General-Fiscal unterm 6. Nov. 1733. per speziale Rescriptum intimiren lassen.

§. 28. Dieses fifealische Straf:Buch muß der Advocatus Fifei und übrige Fifeaele fleißig und wenigstens


(68) Erster Theil. Tit.XIII.

alle Woche nach geendigter letzten Session nachsehen, und, was erkannt ist, einfordern, allenfalls solche ohne langwierige Nachsicht executive beytreiben; nicht weniger darauf fleißig vigiliren, daß die in den Poenal-Mandatis comminirte Strafen entweder festgesetzet und entrichtet, oder durch eine anderweitige rechtliche Verordnung wieder aufgehoben werden.

§. 29. Es ist schon vorhin und noch unterm 18. Febr. 1743.verordnet, daß einem Membro Collegii die Aufsicht auf die Beschleunigung der fiscalischen Sachen, sowohl was die Strafen, als Processe und Abgebung der Tabellen von selbigen betrift, aufgetragen werden solle, wobey es denn ferner sein Bewenden hat; und hat der Präsident mit darauf Acht zu geben, daß, wo es noch nicht geschehen, ein Membrum Collegii dazu und zum beständigen Decernenten ernennet werde, und der Ernannte an seiner Pflicht es hierunter nicht ermangeln lasse, sondern einschleichende Nachläßigkeiten und Unordnungen dem Collegio jedesmahl zu nachdrücklicher Abstellung anzeige, zu dem Ende die abgegebene Process- und Straf-Listen genau examinire, darüber nöthige Monita mache, und davor sorge, daß die noch restirende Starfen beygetrieben werden, auch darauf Acht habe, daß alle Jahr um die geordnete Zeit die Strafe und Depositen-Tabellen nach Hofe richtig eingesandt werden.

Es soll auch allezeit bey Verfertigung der Depositen-Tabellen und Berechnung der Competenz-Gelder der Adjunctus Fisci, oder sonst bey dem Collegio bestellter erster Fiscal mit zugezogen werden, und derselbe sowohl die Acta als sonst mit nachsehen, ob die deponirte Gelder unter der Verordneten sichern Verwahrung gehalten werden, und in dem Depositen-Kasten vorhanden, oder richtig, und wohin sie ausgethan, auch die Competenz-Gelder accurat berechnet, und daß die Depositen-Tabelle nach der erneuerten Verordnung vom 18. Nov. 1743. zu rechter Zeit eingeschickt werden, als davon erwehnter Fiscal


(69 Erster Theil. Tit.XIII.

jedesmahl bey Einsendung seiner Straf-Listen an den General-Fiscal mit zu berichten hat.

§. 30. Wie die fiscalischen Strafen nicht ohne Grund erkannt werden müssen, also sind auch selbige nicht ohne sehr erhebliche Ursach, welche jederzeit beyzufügen, wieder zu erlassen; noch weniger ist darüber ein Verhör oder Verfahren, am wenigsten aber gar ein Remedium oder Appellation zu verstatten, wenn die Strafe nicht über 10. Rthlr. betrift, oder dieselbe wegen nicht beobachteter oder übertretener Ordnung auferleget worden; Wie Wir dann darüber unterm 22. Martii, 1744. mit mehrerem verfüget haben.

§. 31. Wann jemand die ihm dictierte Strafe binnen 4.Wochen nicht selbst, wie er zu thun schuldig seyn soll, erleget, soll dem Executori ein Mandatum zur Executions-Ankündigung zugefertiget, und zugleich darinn aufgegeben werden, daß wann der Debent in der zu bestimmenden Zeit nicht bezahlet, er ohne Rückfrage die würckliche Execution darauf verrichten, und sodann die Strafe abliefern, sich auch die Executions-Gebühr jedesmahl davor bezahlen lassen solle. Und wenn Unter-Gerichte die Strafe beyzutreiben aufgegeben wird, muß solches eben so durch seine Diener verfahren lassen, und die Strafe längstens binnen 6. Wochen einschicken, oder gewärtigen, daß solche von selbigen ex propriis sollen bezahlet, und durch den Land-Reuter des Creyses beygetrieben werden.

Daferne aber eine Strafe inexigible wäre, ist solches sofort anzuzeigen, und per Atteftata oder sonst gehörig zu bescheinigen: worauf sodann dieselbe niedergeschlagen, und wegen deren Aenderung in eine andere Strafe zugleich anderweite Verfügung geschehen soll.

§.32. Ueber die auf die Contravention der Ordnungen gesetzte Strafen und deren Erlegung müssen der Advocatus Fisci und Fiescaele genau vigiliren, Acta selbst zuweilen darüber nachsehen, und wenn sie vermercken, daß


(70) Erster Theil. Tit. XIII.

ein Advocatus und Parthey, oder selbst ein oder anderes Membrum Collegii der Ordnung zuwider handelten, muß der Advocatus Fisci solsches dem Praesidenten zu Remedirung melden.

§. 33. Solten auch andere zu den juribus fiscalibus gehörige Fälle vorkommen, von welches etwas, als von Abschoß und Nachsteuer, Confiscationibus, haereditatibus caducis und dergleichen zu unsern Cassen fliesset; so haben Fiscaele solches hinter ihren fiscaelischen Straf-Listen jedesmahl ordentlich mit anzuzeigen, und die von Uns unterm 27. Martii, 1744. allergnädigst verwilligte Quotam von solchen durch ihren Fleiß betriebenen Sachen nach wie vor zu gewärtigen.

§. 34. Hauptsächlich aber muß der Adjunctus Fisci, oder andere der jedem Collegio bestellter erster Fiscal, sein Augenmerck dahin richten, daß dieser neuen Process-Ordnung nachgelebet werde, zu welchem Ende er sich alle Tage in denen Audientzen einfinden, von Anfang bis zum Ende da bleiben, und Achtung geben muß, ob etwas gegen die Ordnung, und wider ein in Jure fundirtes Interesse Fisci verhandelt oder vorgetragen werde.

§. 35. Insonderheit muß er auch bey Publicirung derer Sententzien Acht haben, ob und weme vom Collegio zugleich nomine Fisci, (wie das Collegium allezeit bey vorkommenden Umständen ex officio zu thun gehalten, und nicht zu übergehen hat,) etwas erkannt, oder dem Fisco vorbehalten worden, oder ob bey dem Vortrag derer Advocaten, oder sonst in Schriften und Acten, etwas vorkomme, so in das fiscalische Interesse einschlägt, worüber sodann dem Fiscali Terminum auszubringen jederzeit freygelassen seyn muß.

§. 36. Wann das Collehium dem Fisco per sententiam, oder andere Verordnung, etwas aufträgt, und es dienen verschiedene Fiscaele bey demselben, soll es allezeit den Fiscal nahmentlich ausdrücken, der die Sache übernehmen, respiciren und ausrichten soll.


(71) Erster Theil. Tit. XIII.

§. 37. Im Fall er etwas Unanständiges von einem Membro Collegii, oder Subalternen, wahrnehmen oder erfahren solte, muß er solches dem Präsidenten in geheim anzeigen, und die Remedur suchen.

§. 38. Wann auf einen oder den andern einiger Verdacht, insonderheit bey fiscalischen  Sachen, einer Corruption fallen solte, muß er dem Präsidenten sofort Nachricht davon geben, welcher die Sache untersuchen, und allenfalls die Partey eydlich darüber befragen muß.

§. 39. Dahingegen wollen Wir Unserm Advocato Fisci Unsern mächtigen Schutz angedeihen lassen, und gegen ihn niemals ohngehörter Sache etwas verfängliches verordnen.

§. 40. Die übrigen Fiscaele müssen gleichfalls auf Unsere Regalien und alle auszustehende Befugnisse und Gerechtsame genaue Achtung geben, Unsern Nutzen und Frommen ihrem äussersten Vermögen nach suchen und befördern, Schaden, Nachtheil und Gefahr verhüten, und demselben überall vorzukommen suchen.

§. 41. Wann jemand von denen Fiscaelen zur Untersuchung, und auf Commission, oder zur Abhörung der Zeugen in Inquisitionibus und fiscalischen Processen, in die Städte und Aemter verschicket wird, muß er darinn nach den vorgeschriebenen Ordnungen legal verfahren, was ihm aufgetragen prompt expediren, und nicht erst einige Wochen damit warten; imgleichen, wann er sich in seinen Acten auf eine nicht überall bekannte  Special-Verordnung bezieht, solche, wie unterm 20. Mart. 1728. befohlen, zur Nachricht des Urthelsfassers selbigen copeylich beylegen, auch die Acta, Rotulos und Berichte, höchstens binnen 8. Tagen nach verrichteter Commission, bey Verlust seiner Gebühren, abgeben; übrigens gemäß Unserer Verordnung vom 22. Aug. 1742. nicht bey den Parteyen selbst, weil daher leicht Verdacht einer Parteylichkeit entstehet, Quartier und Obdach nehmen.


(72) Erster Theil. Tit. XIII.

§. 42. Er soll dabey denen Rathhäusern und in denen Gerichten und Aemtern gelegentlich nachfragen und nachsehen, ob die Justitz nach Vorschrift unserer Ordnungen, und besonders in den Aemtern nach dem Reglement vom 28. Aug. 1728. gebührlich verwaltet, ordentliche Gerichts-Tage gehalten, die Vormundschaften, Deposita, Acta und Registraturen in gehöriger Ordnung geführet, und dasjenige, was Wir dieser letztern halber in dem Reglement vom 21ten Jul. 1723. vorgeschrieben, und darauf Acht zu haben denen Fiscaelen unterm 31ten Jan. 1742. specialiter befohlen haben, überall beobachtet werde; Nicht weniger muß er ob die Edicta und Patente, in Policey- und andern gemeinen Sachen ordentlich in Bücher gesammlet und aufbehalten, ob, wann, und wie sie publiciret, auf selbigen (wie solches allezeit geschehen muß) notiren, und, wie sie befolget werden, anmercken, als worüber, und wie er es gefunden, er ein Memoriale halten, und solches bey seiner Zurückkunft vorlegen, auch ihn unbenommen seyn soll, wider die Unter-Obrigkeiten, so Unsern Edicten nicht nachgehen; Terminum auszubringen.

§. 43. Alle Gerichts-Bediente, und ein jeder Unterthan, ist schuldig, wann sie von denen begangenen Delictis und strafbaren Verbrechen einige Nachricht erhalten, Unserm Officio fisci bey ihrem End und Pflichten, ohne Ansehen der Person, Nachricht davon zu ertheilen.

Doch müssen die Gerichte und Magisträte es nicht erst auf die Fiscaele ankommen lassen, sondern wann die Uebertreter unter ihrer Jurisdiction stehen, selbst ihren Pflichten und Unsern Gesetzen nach gegen selbige verfahren, und nur in andern Fällen, da der Uebertreter ihnen nicht unterworfen, aber es sonst die Umstände erfordern, sich an das Officium fisci wenden; in übrigen aber dem Officio fisci überall hülfliche Hand leisten, und wann der General-Fiscal etwas selbst, oder durch andere, an sie gelangen lässet, oder zu erinnern findet, solches in gebührliche Erwegung nehmen, und das Nöthige sofort remediren.


(73) Erster Theil. Tit. XIII.

§. 44. Wann die denunciirte Verbrechen an solchen Orten begangen werden, wo denen Unter-Gerichten in Criminalibus die Jurisdiction zustehet, müssen die Fiscaele sich der Cognition enthalten, auch, wann ihnen aus Versehen eine Untersuchung an solchen Orten committiret

wird, bey Verlust der Gebühren solches anzeigen, folglich denen von Adel nicht in ihre Gerichte greifen, und wann sie jemand von dessen Unterthanen nöthig haben, dieselbe darum requiriren; es wäre dann, daß aus besondern Ursachen von Uns ein andres verordnet würde. Jedoch müssen sie Achtung geben, daß bey denen Unter-Gerichten rechtlich verfahren, die aus denen Provintzen, imgleichen von denen Alt- und Ucker-Märckischen Ober-Gerichten Quartal wie auch die von denen Unter-Gerichten einlaufende monathliche Listen (welche aber nicht, wie bisher geschehen, so obenhin, sondern deutlich zu fassen, und insonderheit allemahl darin genau zu exprimiren, was erkannt, und wie es zur Execution gebracht werden müssen) dem Officio fisci communiciret, nicht weniger vom hiesigen Hof-Gericht nach wie vor alle Monath, und von dem Stadt-Gericht alle Wochen die Gefangen-Listen an Uns und dem General-Fiscal, vermöge Unserer Verordnung vom 9. Jan. 1733. richtig abgeliefert werden; wie sie dann auch auf solche Processe, Inhalts der Ordre vom 4.Sept. 1737, wohl Acht geben müssen.

Es wird aber denen Unter-Richtern, insonderheit denen adelichen Obrigkeiten auf dem Lande, hierdurch ernstlich anbefohlen, rechtsverstandige, gewissenhafte und geschworne Gerichts-Verwalter zu halten, oder wenigstens in Criminal-Sachen dergleichen Personen zu gebrauchen, wohl verwahrte Gefängnisse zu haben, und die Inquisitions-Processe legaliter instruiren und beschleunigen zu lassen, weil sie sonst nicht allein aller Gebühren verlustig erkannt, sondern dem Befinden nach bestraft, oder ihrer Jurisdiction verlustig erkläret werden sollen.


(74) Erster Theil. Tit. XIII.

§. 45. Kein Officialis Fisci soll in Sachen, welche das Interesse Fisci directe oder indirecte angehen, dem Gegentheil advocando dienen; auch, wenn in einer Sache, die er würcklich bedienet, nachhero ein fiscalisches Interesse sich hervor thäte, muß er alsofort davon abstehen, und sie einem andern überlassen.

§. 46. Officiales fisci müssen auch keinesweges Sachen unter dem Praetext, daß sie fiscalisch seyn, an sich ziehen, und dem Gegentheil dieselbe dadurch schwerer machen.

§. 47. Wann eine Sache, wobey Fiscus interessiret ist, auf Commission gerichtet wird, muß der Fiscalis vigiliren und erinnern, damit sie Fortgang habe, die Commission gehalten, und unverzüglich geendiget werde.

Wann die Commission hierunter säumig ist, muß er solches dem Collegio anzeigen.

§. 48. Wann Acta nachzusehen, so sollen sie denen Fiscaelen von dem Gericht vorgelegt, aber niemahlen mit nach Haus gegeben werden; es wäre dann, daß sie eine ordentliche und weitläuftige Deduction ex Actis verfertigen müsten: Auf solchen Fall sollen ihnen Acta geheftet und foliiret gegen einen Schein abgefolget, und solches von dem Präsidenten befohlen, auch weitläuftige Rotuli Testium, welche nicht sogleich abgeschrieben werden können, auf einige Tage in Originali mitgegeben werden.

§. 49. Nicht weniger sollen den Fiscaelen, nach Unserer Verordnung vom 10. Jul. 1740. wann fiscalische Sachen nach Hofe geschickt, oder davon an Uns berichtet worden, die darauf ergangene Decisa und Resolutiones abschriftlich zugefertiget, und solches bey Einlaufung dergleichen Sachen vom Decernenten mit darauf verordnet, auch, zu was für einen Departement solche eingesandt, angezeigt werden, damit sie solche nöthigenfalls urgiren können; Wie es dann im übrigen dabey bewendet, daß dem General Fiscal nach Unsern bereits unterm 22. Dec. 1716. ergangenen Rescript von Unsern Edicten die nöthige


(75) Erster Theil. Tit. XIII.

Exemplarien, und von General-Ausschreiben eine Abschrift, (wie solches die expedirende Secretarien unter den Concepten zugleich anzumercken haben,) zugestellet, auch was der General-Fiscal sonst zu Unserm Dienst und seinem Amt aus dem Archiv und Cantzeleyen, oder den Registraturen derer Collegiorum, auch Ober- und Unter-Gerichten, nöthig hat, jedesmahl gegen seinen Zettel communiciret, Acta aber zum Nachsehen demselben niemahls verweigert, und denen andern Fiscaelen ebenfalls hierunter nach ihrer Nothdurft an die Hand gegangen werden solle.

§. 50. Wir wollen auch, daß Unsere Collegia, gleich wie sie selbst auf die Aufrechthaltung Unserer Constitutionen und Edicten vornehmlich bedacht, und Custodes legum seyn, und bey deren Contravention die Fiscale selbst excitiren müssen; also auch selbige darinn den Fiscaelen alle gebührende Assistentz leisten, sie auf ihre Vorstellungen jedesmahl deutlich bescheiden, denen juribus & privilegiis fiscalibus sich nicht zuwider bezeigen, noch sich eigenbeliebige Declarationes Unserer Edicten anmassen, ihre Cantzeleyen zu prompter Expedition der fiscaelischen Sachen, Abschriften der Sententzien, und was Fiscus sonst bedarf, anhalten, und denselben unter dem wichtigen Vorwand der Auslösung keine Verzögerung, noch sonst verstatten sollen, daß die Fiscaele von jemand, auch selbst nicht von Räthen des Collegii, und in den Registraturen und Cantzeleyen, ungeziemend angegriffen, denenselben übel begegnet, sie verunglimpfet, und wegen Beobachtung ihres Amts verfolget werden; wie Wir von diesen allen bereits im dem Edict vom 22. Dec. 1716. und der Verordnung vom 7. Jul. 1717. und 8. May 1735. Versehung gethan, und zugleich verordnet haben, daß, wann der General-Fiscal was zu erinnern hat, solchem von denen Collegiis abgeholfen werden solle.


(76) Erster Theil. Tit. XIII.

§. 51. In fiscaelischen Sachen sollen sie mit niemanden transigiren, noch von dem Process abstehen; sondern, wann sie die Sache darnach beschaffen finden, Verhaltungs-Befehle von dem Cammer-Gericht darüber einholen.

§. 52. Wann die Partheyen in Sachen, da der Fiscus interessiret ist, sich vergleichen, so kan solcher dem Interesse Fisci nicht praejudiciren, sondern demselben bleibt sein Recht über kurz oder lang vorbehalten.

§. 53. Die Fiscaele müssen niemahls ohne schriftliche Anzeige der Ursache, und des Präsidenten schriftlicher Einwilligung verreisen, auch sich alsdann jedesmahl, wie bereits in dem vorigen fiscalischen Reglement de Anno 1722. und sonst öfters verordnet, bey dem General-Fiscal melden, ihm ihre Commissoriale vorzeigen, bey der Zurückkunft aber, wie die Sache ausgefallen, anzeigen.

Wann sie die Bewilligung erhalten, müssen sie, bey 2 Rthlr. Strafe, einen Substitutum bestellen, und denselben zulänglich über alle Sachen instruiren, welcher in ihren Nahmen denen Audientzen beywohnen, und bey dem Constitutioniren die Nothdurft beobachten könne, damit der Lauf des Processes dadurch nicht aufgehalten werde.

§. 54. Es sollen aber solche Verschickungen von Unserm Collegiis nicht ohne Noth veranlasset, sondern von selbigen dahin gesehen werden, daß die Magisträte und Beamte tüchtige Justitiarios oder Secretarios und Actuarios halten, welche eine Untersuchung instruiren können, damit es solchergestalt der öftern Verschickung des Fiscaele nicht bedürfe.

Wann die Fiscaele Berichte und andere Sachen einschicken, müssen sie zum Nachtheil Unseres Post-Interesse keine Privat-Sachen mit einschliessen, und unter dem fiscalischen Siegel, nach der Verordnung vom 9. Febr. 1734. niemahls andere, als fiscalische Sachen, bey Vermeidung der nachdrücklichsten Beahndung, Post-Frey abgehen


(77) Erster Theil. Tit. XIII.

lassen, und solches zugleich auf denen Briefen und Paqueten notiren.

§. 55. Im übrigen müssen die Fiscaele alles, was ihnen von Unsern Geheimnissen anvertrauet wird, oder sie sonst erfahren möchten, bis in ihre Grube, ohne Unterscheid, sie bleiben in unsern Diensten, oder nicht, verschwiegen halten.

§. 56. Vor diese ihre Mühwaltung haben Wir ihnen nicht allein eine gewisse Besoldung beygeleget, sondern ihnen zugleich die Freyheit verstattet, in Privat-Sachen zu advociren; Wie sie denn auch von denen erkannten Strafen einen Theil zu hoffen haben, wann auch schon die Strafe ex capite gratiae remittiret werden solte, als in welchem Fall, wann die Strafe über 10 Rthlr. gewesen, der Bestrafte ihm die Quotam bezahlen soll.

Es ist aber dieses von denen caducirten Lehnen, und andern wegen Verbrechen eingezogenen Gütern, auch Strafen, so über 1000 Rthlr. belaufen, nicht zu verstehen, sondern Wir wollen denenselben bloß eine Discretion davon zuwenden.

§. 57. Wann sie in denen Königl. Aemtern die Diaeten und Vorspann erhalten, können sie dieserwegen dem Inquisito nichts anrechnen; Sonst aber haben sie die Bezahlung ihrer Gebühren praevia liquidatione & moderatione per Sententiam von denen Schuldigen, wann sie des Vermögens, zu erheben.

§. 58. Im übrigen wollen Wir auch denen Hof- und übrigen Fiscaelen Unsern Königl. Schutz gegen alle Gewalt und Unrecht angedeihen lassen.

§. 59. Schlußlich müssen sich die Fiscaele mit nachfolgendem Eyd verbindlich machen:

Ich N. N, gelobe und schwere, daß, nachdem der Allerdurchlauchtigste, (et)c. (et)c. mein allergnädigster König und Herr, mich zu Dero Advocato und Hof-Fiscal bey dem Chur-Märckischen Cammer-Gericht bestellet und angenommen, Deroselben ich getreu, gehorsam


(78) Erster Theil. Tit. XIII.

und gewärtig seyn, Dero Bestes wissen und befördern, Schaden und Nachtheil aber warnen, und nach Vermögen abwenden, ferner alle und jede fiscalische Sachen, so mir aus allerhöchstgemeldter Seiner Königl. Majestät Cammer-Gericht anbefohlen, und mir sonst kund werden, mit getreuen Fleisse und meinem besten Verstande nach treiben, fordern und fortsetzen, auch emsig dahin trachten wolle, daß alle Maleficia, Verbrechungen, Criminal- und Poen-Fälle, darin auch ohne einige Anklage der Partheyen, Amts-wegen zu procediren sich gebühret zur gerichtlichen Cognition und Strafe gezogen werden, zu welchen Behuf ich jederzeit, was ich in Erfahrung bringe, dem königlichen Cammer-Gericht getreulich denunciiren und berichten, auch von Ihr desfalls Verordnung erwarten will, auch Inhalt der neuen Cammer-Gerichts-Ordnung und üblichen Rechten verfahren, die verwirckte Strafen zur Execution befördern, daß selbige in die Land-Renthey gebührlich eingeliefert werden, dem Präsidenten auch alle Quartal, oder zum längsten alle halbe Jahre eine richtige Specification der fiscalischen Processe zur Nachricht einhändigen, sonsten aber kein Geschenke, Gift oder Gaben annehmen will, oder durch andere nehmen lassen: in meinem Amte will ich ohne Ansehen der Persohnen, Freund- oder Feindschaft, Gunst oder Ungunst, aufrichtig und gleich durchgehen, auch alles andere thun was einem ehrlichen und getreuen Advocato und insbesondere einem Fiscali gebühret, auch der neuen Cammer-Gerichts-Ordnung gemaß ist. So wahr mir GOtt helfe durch JEsum Christum (et)c.


(79) Erster Theil. Tit. XIV.

Tit. XIV.

Von denen Advocaten.

§. 1.

Es sollen künftig bey Unserm Cammer-Gericht nicht mehr als zwölf Advocaten, inclusive der Fiscaele beybehalten, die andere aber alle von dem Praxi bey diesem neuen Collegio dispensiret werden.

§. 2. Diejenige Advocaten, welche nicht in Berlin, sondern in andern Städten wohnen, und als Cammer-Gerichts-Advocaten vorhin recipirt gewesen, sollen künftig bey dem Cammer-Gericht keine Praxin treiben, und keine Schriften weiter unterschreiben, sondern sie müssen ihre Partheyen anweisen, einen von denen nunmehr bey dem Cammer-Gericht bestellten Advocaten anzunehmen, und durch denselben die Nothdurft schrift- und mündlich vorstellen zu lassen. Und wenn ein Cammer-Gerichts-Advocat die von andern concipirte Schrift unterschreibt, und übergiebt, muß es damit wie unten §. 18. seqq. versehen, gehalten werden.

Es stehet aber denen Provincial-Advocaten bis auf fernere Verordnung frey, in denen Städten und Aemtern, wo es herkommens, den Praxin zu treiben und fortzusetzen.

§. 3. Es müssen auch die Magistraete und andere Corpora, ihre Schriften durch einen Cammer-Gerichts-Advocaten unterschreiben, und durch denselben künftig bey dem constitutioniren die mündliche Vorträge thun, und den Process instruiren lassen: Es bleibt aber dabey, daß die Magistrat-Persohnen, wie bishero gebräuchlich gebräuchlich (!) gewesen, die Satz-Schriften, welche sie durch ihre Syndicos verfertigen lassen, auch selbst unterschreiben müssen.

§. 4. Und weil die Beschleunigung der Processe hauptsächlich auf die Advocaten ankommt, so wollen Wir


(80) Erster Theil. Tit. XIV.

künftig keine als geschickte, gelehrte und in praxi erfahrne Personen, (welche wenigstens 4 Jahr bey einem Unter-Gericht practisiret, oder so viel Jahre bey einem tüchtigen Advocaten gearbeitet, und Schriften verfertiget haben, und ein von dem gantzen Gericht unterschriebenes, oder auf Eyd und Pflicht von dem Advocaten ausgestelltes Attest, von ihrer bisherigen Praxi und guten Conduite, produciren müssen) bey denen Ober-Gerichten annehmen.

Es sollen auch keine Leute von verächtlichen und armseeligen Herkommen, auch nicht leicht Handwercker Kinder zu Advocaten angenommen werden, weil dergleichen Leute keine Mittel haben sich eine gute Theorie zu erwerben.

Diese Canditaten sollen a) in Berlin zwey Tage hinter einander bey Unserm Cammer-Gericht, in Gegenwart aller Räthe, Advocaten, und anderer gelehrten Leute (zu welchem Ende es in denen Zeitungen, und Intelligentz–Blätter kund zu machen) aus der Theoria Juris, und den 3ten Tag aus der Churmärckischen Process-Ordnung examiniret, und zwey Räthe dazu von dem Praeside benannt werden.

b) Soll ihnen eine wichtige Sache zu Verfertigung einer Probe-Relation zugestellet, einer von denen Examinatoren zum Correferenten ernannt, und beyde Relationes in pleno verlesen werden.

c) Und weil es bey einem Advocaten zugleich auf einen guten deutliche, und kurtzen Vortrag ankommt; so soll ihm eine wichtige Sache mündlich vorzutragen, und zu defendiren aufgetragen werden.

d) Wann dieses alles geschehen, muß das Collegium über des Competenten Capacité, und wie er in allen 3en Stückten bestanden, sein Gutachten auf seinen Uns geleisteten Eyd, ohne Ansehung der Persohn abstatten, und das Protocoll, worin die Vota singulorum notirt werden

 


(81) Erster Theil. Tit. XIV.

müssen, beyfügen, da Wir denn wegen dessen Reception oder Abweisung das benöthigte verfügen werden.

c) Wenn jemand zum Examine admittirt werden soll, muß er 10 Rthlr. erlegen, welche, er mag angenommen oder abgewiesen werden, der Sportul-Casse zufliessen sollen.

f) Bey denen Unter-Gerichts-Advokaten brauchet es bloß eines Examinis aus der Theoria Juris, und der Prozess-Ordnung, wie auch, daß er Hofnung von sich gebe, durch längere Uebung sich zur Advocatur tüchtig zu machen. Es werden auch pro examine nicht mehr als 5 Rthlr. zur Sportul-Casse gegeben.

§. 5. Es müssen die Advocati, bey Strafe der Cassation, keine andere Aemter und Handthierungen, in specie aber keine Justitiariate, oder Commissiones auf dem Lande annehmen, auch in keinem anderen Judicio als bey dem Cammer-Gericht denen Partheyen patrociniren.

§. 6. Es soll bey einer jeden Sache nur ein Advocatus (nebst dessen Substituto) gebraucht werden, und wann dieser sich einmahl ad Causam legitimiret, soll kein anderer bey 5 Rthlr. Strafe wissentlich ein Memorial in derselben Sache verfertigen, oder unterschreiben.

§. 7. Es muß auch kein Advocat denen Partheyen sein Patrocinium ohne wichtige Ursache (worunter aber die Furcht vor Menschen nicht gerechnet werden kan) versagen, sondern auf der Parthey Anhalten dazu bey 20. Rthlr. Strafe angehalten werden.

§. 8. Wie dann auch derjenige Advocat, der in prima InstantiaVollmacht angenommen, in allen Instantzen das Patrocinium continuiren, und, wann es nöthig, bey denen Ober-Gerichten einen andern Advocaten substituiren muß.

§. 9. Die Advocaten müssen auch nicht mehr Sachen annehmen, als sie bestreiten können; würden sie sich aber damit überhäufen, und ihren Partheyen dadurch etwas versäumen, sollen sie zur Ersetzung des Schadens angehalten werden.


(82) Erster Theil. Tit. XIV.

Wie denn auch, wann eine Sache zu schwer ist, und über ihre Spehram steiget, solche von sich abweisen müssen, oder wann etwas dabey versehen ist, vor den Schaden stehen.

§. 10. Die Advocaten müssen nicht promiscue alle vo(r)kommende Sachen annehmen, noch sich auf die ihnen zugefertigte Infomation verlassen, sondern 1) von der Parthey selbst, nach denen bey der Sachen vorkommenden Umständen, Erkundigung einziehen, und zu dem Ende

2) Die Documenta und Beweisthümer, worauf sich die Klage gründet, auf das sorgfältigste examiniren.

3) Wann sich die Documenta auf andere Schriften referiren, solche einfodern.

4) Wann der Beweis durch Zeugen geführt werden müste, sich nach deren Zahl, Nahmen, Wohnung und Qualitaet erkundigen. Oder,

5) Der Parthey an die Hand geben, wie sie den Beweis anschaffen solle, und müsse.

6) Die Parthey befragen, was etwa der Gegentheil vor Exceptiones einwenden möchte (et)c. Item

7) Ob mehrere Interessenten seyn, welche zu Anstellung der Klage der Klage concurriren müssen, oder ob

8) Von Seiten des Beklagten mehrere Interessenten vorhanden, welche mit citirt werden müssen, ferner und

9) Ob der Kläger unmündig oder sonst eines Curatoris benöthiget, auch ob unter den Litis Consorten Pupillen und Minores vorhanden, welchenfalls die Tutoria und Curatoria angeschaft werden müssen.

Item, ob der Beklagte und dessen Consorten in solchem Zustand sich befinden: damit die Tutores und Curatores gehörig citirt (?), oder wann sie noch nicht bevormundet seyn, der Kläger um deren Bestellung anhalten könne.


(83) Erster Theil. Tit. XIV.

10) Ob der Kläger zur Caution pro reconventione & expensis oder de judicio sisti &c angehalten werden könne, da dann zu deren Praestierung bey Zeiten Anstalt gemacht werden muß (et)c.

11) Ob das Forum gegründet. Ueber welche Umstände

12) Der Advocat ein richtiges Protocoll halten, oder wann hiernächst durch Versäumung dieser Nachfrage der Process aufgehalten werden solte 2 bis 5 Rthlr. Strafe erlegen.

13) Wann der Advocat solchergestalt die völlige Instruction eingenommen, muß er hauptsächlich eine Vollmacht von allen Interessenten sich anschaffen, und bey 5 Rthlr. keine Action ohne sothane Vollmacht ansteilen. (Vid. Tit. seq. §. 1.) derselben die Tutoria und Curatoria in Copia Vidimata beylegen, und jederzeit einen Substitutum darinn benennen. Und

14) Darauf den Libellum gehörig verfertigen, und mit Beylegung aller Documenten übergeben. Vid. Part. III. Tit. VI. § 3. & seq.

§. 11. Gleichergestalt muß des Beklagten Advocat sich nicht an die ihm zugefertigte Information binden, vielweniger sich auf dieselbe verlassen, sondern so viel möglich die Parthey selber examiniren, und dieselbe befragen

1) Was sie für Exceptiones gegen die Kläger einzuwenden vermeine, auch

2) Wie sie die Exceptiones zu erweisen gedencke, zu dem Ende muß Er die Documenta nachsehen, sich wegen der Zeugen, deren Nahmen, Wohnung und Qualitaet, wann dergleichen vorhanden, erkundigen, und alles, was zum Beweis gehöret, zur Hand schaffen oder der Parthey an die Hand geben. Item

3) Sich nach denen Interessanten, welche etwa adcitiret werden müsten, nicht weniger

4) Ob einem Tertio lis zu denunciren, oder


(84) Erster Theil. Tit. XIV.

4) Gegen den Kläger einer Reconvention anzustellen nöthig, sorgfältig sich erkundigen; Anbey

6) Vor allen Dingen eine richtige Vollmacht sich anzuschaffen, und, wie solche einzurichten, der Parthey an die Hand geben.

§. 12. Wann des Actoris oder Rei Advocat die Parthey nicht mündlich zu examiniren Gelegenheit hat, und in der ihm zugefertigten Information die Sache nicht vorbeschriebner massen instruiret ist, muß er die Action nicht eher anstellen, bis er eine nähere, und völlige Information erhalten.

Beyde Advocati müssen auch die Partheyen befragen, ob sie in Casum einer wiedrigen Sententz Remedia einwenden sollen, weil Se. Königl. Majestät die Remedia pro salvando jure abgeschaft wissen wollen, welche öfters bloß dieserwegen eingewandt werden.

§. 13. Wann die Advocaten in ihrem Gewissen überzeugt seyn, daß die Sache offenbahr unrecht ist, müssen sie dieselbe nicht annehmen, sondern die Partheyen von ihrem Fürnehmen abrathen, ihnen die schwere Process-Kosten, die Verletzung ihres Gewissens, und die Erwerbung des göttlichen Zorns, auch der richterlichen Strafe zu Gemüthe führen; sich selbst aber durch die Hofnung des Salarii nicht zum offenbahren Meineid verleiten lassen.

Wann sie aber auch einigermassen zweifelhaft anscheinen möchte, müssen sie suchen die Sache unter sich zu vergleichen, oder mit Bewilligung der Partheyen auf einen Rath des Collegii compromittiren.

Im Fall ein Advocat einen zweifelhaften, und weit aussehenden Process, ehe er zu der letzten Instanz kommt, vergleichet, sollen demselben so viel als die ganze Instantz austragen würde, dafür in der Rechnung passiret werden.

Es muss aber der Advocat jederzeit, wann die Sache verglichen wird, oder sonst durch Bezahlung der Process geendiget worden, solches bey Verlust seiner Gebühren bey dem Constitutioniren anzeigen, und zugleich seine

 

(85) Erster Theil. Tit. XIV.

Gebühren liquidiren, damit die Acta reponirt, und aus der Process-Liste gelöschet werden können.

§. 14. Weil nun von dieser Instruction die gantze Beschleunigung des Processes dependiret, allermassen die Advocaten, wann sie gleich Anfangs eine völlige Information erhalten, und daher nicht nöthig haben unnöthige Incident-Puncten und daraus folgende interlocutorias zu veranlassen, aber Dilationes zur Einholung einer näheren Instruction, und zu Verfertigung ihrer Schriften, (wozu sie die Materialien schon bey der Hand haben) zu suchen, oder durch Recocta die Schriften in der zweyten und dritten Instantz zu vergrößern; So soll ein jeder Advocat auf des Präsidenten Verlangen, seine Privat Acten zu produciren schuldig seyn, damit dieser daraus ersehen könne, ob der Advocat vor angestellter Klage diese Vorschrift beobachtet, und ein richtiges Protocoll darüber gehalten habe; Wann solches nicht geschehen, und der Process dadurch verzögert worden, muß der Advocat mit 5. bis 10 Rthlr. bestrafet, und dem Befinden nach gar cassiret werden.

§. 15. Weil Wir aber auch wahrgenommen, daß alle Unsere nachdrückliche Edicte, wegen Beschleunigung der Processe, keinen Effect daher gehabt, weil die Advocaten von einer jeden Schrifft und Verhör sich die Gebühren bezahlen lassen, und daher durch unzähliche Memoralien, Incident-Puncten, Verhöre, Restitution-Gesuche, den Process zu verlängern, gesucht haben: so haben Wir kein kräftiger Mittel gefunden, die Advocaten im Zaum zu halten, als deren Gebühren usque ad finem litis auszusetzen.

Wir wollen auch unter solchen Gebühren begreiffen die Cantzeley-Gebühren, welche die Advocaten, besage der oben Tit. VIII. §. 6. gemachten Verordnung, vorzuschiessen schuldig seyn.

§. 16. Wir befehlen also allen und jeden Advocaten, bey Vermeidung der unnachbleiblichen Cassation, keine


(86) Erster Theil. Tit. XVI.

Gebühren, sie mögen Nahmen haben, wie sie wollen wenn es auch unter dem Nahmen eines Anlehns, Geschencks, Caution &c. versteckt werden wolte, von einer Parthey anzunehmen, vielweniger de quota litis zu pacisciren, sondern es soll damit folgendergestalt gehalten werden:

§. 17. Bey einer jeden Instantz muß der Advocat bey Uebergebung seiner letzten Schrift, sub poena amissionis, seine Gebühren, (auch diejenige, die er bey Commissionen, und wegen der immediate eingegebenen Memoralien praetendirt,) specificiren. Der Referent muß diese Specification mit denen Acten conferiren, alle überflüßige und unnöthige Kosten vorbey gehen, und solche in dem Urthel, sowohl erster, zweyter, als dritter Instantz, moderiren; die Bezahlung soll nicht eher, bis nach völlig geendigtem Process, erfolgen.

§. 18. Welcher Advocat seine Gebühren gar nicht specificiret, soll deren verlustig erkläret, die Gebühren aber ex officio taxiret, und der Sportul-Casse zuerkannt werden.

§. 19. Weil aber zu vermuthen, daß der Advocat, welcher seine Gebühren nicht liquidiret, solche schon auf eine oder andere Art musse erhalten haben, so stehet dem Judicio frey, ihm sowohl, als der Partey, den Eyd darüber zu deferiren. Wann also der Advocat, entweder vor oder nach geendigter Sache, sein Honorarium ohne vorhergegangene richterliche Ermeßigung fordern, oder, wann es ihm auch ultro von der Partey finita finita lite offeriret wird, annehmen würde, soll er nicht allein dem Fifco quadruplum erstatten, sondern sofort seines Amts erlassen werden.

§. 20. Im Fall auf die blosse Justifications-Schrift in der zweyten und dritten Instantz confirmatorie gesprochen wird, muß der Richter die Gebühren vor diese Schrift ex officio determiniren.

§. 21. Wann auch die Advocaten über die in der Sportul-Ordnung ferstgesetzte Gebühren etwas fordern, oder


(87) Erster Theil. Tit. XIV.

dasjenige, was sie angeben, nicht verrichtet haben, sollen sie auch derer übrigen Gebühren verlustig gehen.

§. 22. Bey Moderation derer Gebühren muß der Referent in jeder Instantz darauf Achtung geben, ob der Advocat redlich gehandelt, und eine gerechte, oder wenigstens zweifelhafte Sache defendiret habe; oder aber, ob die Sache offenbar ungegründet, ob er die Remedia widerrechtlich ergriffen, und unnöthige Incident-Puncte formiret, auch die Schriften mit vielen Recoctis und unnöthigen Allegationen weitläuftig gemacht habe. Ersternfalls soll dem Advocaten ohne höchstnöthige Moderation das liquidirte Quantum passiret werden; Letzernfalls aber soll dessen Honorarium, nebst dem Duplo, jedesmahl der Sportul-Casse zugesprochen werden, und soll von dergleichen Sententzen kein Remedium statt haben.

§. 23. Weil aber diese Verordnung bloß auf Unsere Unterthanen, gegen welche Executio wegen des Honirarii parat ist, gerichtet ist; also können fremde Kläger sich dieser Beneficii nicht gebrauchen, sondern dieselbe müssen dem Advocaten entweder einen zulänglichen Vorschuß thun, oder einen tüchtigen Caventen bestellen, und ist kein Advocat schuldig, bis solches geschehen, das Patrocinium zu übernehmen.

Wann ein Cavent bestellet worden, muß der Land-Reuter nach Ablauf der vier Wochen, nachdem der Cavent zur Bezahlung ermahnet worden, das schuldige Honorarium von demselben abfordern.

§. 24. In Process- und Justitz-Sachen soll kein Memorial, welches nicht von einem recipirten Advocaten unterschrieben ist, bey dem Cammer-Gericht angenommen, sondern solches sofort von dem Registratore dem Präsidenten zugestellet werden.

§. 25. Und gleichwie Wir aus höchst-eigener Bewegung, besage Unsers Edikts vom 26. Jun. 1747. declariret haben, daß, wann Wir dergleichen nicht unterschriebene Memoralien oder Briefe an Unsere Ministres oder


(88) Erster Theil. Tit. XIV.

Collegia remittiren, nichts darauf resolviret werden solle Also müssen Unsere Justitz-Collegia sich allerdings danach achten; In beyden Fällen aber sich nach dem Concipienten erkundigen, und gegen denselben nach Anleitung des folgenden §. 28. verfahren.

§. 26. Am wenigsten aber soll einige Reflexion gemacht, oder etwas decretiret werden auf Briefe und Vorstellungen, so an die Präsidenten gerichtet werden, wann sie schon auf Stempel-Bogen geschrieben seyn: Wie Wir denn auch Unseren Präsidenten und Räthen hierdurch ernstlich verbieten, auf dergleichen Anschreiben jemanden, es sey wer es wolle, zu antworten.

§. 27. Es ist aber keiner Partey verboten, durch ein Schreiben, oder Billet, bey dem Präsidenten um Beschleunigung der Sachen zu bitten; welchenfalls der Präsident die Acta nachsehen, und ex officio remediren muß.

Wie denn auch der Partey frey stehet, wann sie von denen Räthen, oder anderen Gerichts-Bedienten einen rechtmäßigen Verdacht hätte, solche Ursachen des Verdachts dem Praesidi in geheim, oder, wann es vergeblich, durch ein Memorial dem Collegio mit Glimpf und Bescheidenheit anzuzeigen. Vid. P. I. Tit. VI. §. 12.

§. 28. Weil aber die Supplicanten öfters vorgeben, daß kein Advocat ein Memorial verfertigen, oder ein schon verfertigtes und ihnen vorgelegtes Memorial unterschreiben wolle, (et)c. und aber hart seyn würde, insonderheit arme Parteyen aus Mangel des Patrocinii öfters in justa Causa hülflos zu lassen; so haben Wir folgende Verordnung in dergleichen Fall zu machen nöthig gefunden:

1) Wann ein Supplicant, welcher vorhin einen Advocaten, es sey in der Unter- oder Ober-Instantz, gehabt, klaget, daß dieser nicht weiter dienen, oder kein Memorial verfertigen, oder das ihm vorgelegte nicht unterschreiben wolle, so soll dem Adocaten per Decretum anbefohlen werden, die Ursache das von anzuzeigen; welches Decret ohne Extension


(89) Erster Theil Tit. XIV.

dem Supplicanten zur Bestellung mitgegeben werden muß: Und ist der Advocat schuldig, bey 2. Rthlr. Strafe, dem Collegio die Ursache binnen einer gewissen ihm zu determinirenden Zeit auf Eyd und Pflicht anzuzeigen.

Wann 2) über den Advocaten selbst geklaget wird, deß er die Remedia nicht interponirt, oder sonst etwas bey der Sache versäumet habe, muß der Präsident einen Rath committiren, die klangende Partey zu examiniren, Acta nachzusehen, (welche dem Befinden nach avocirt werden sollen,) und nach Eyd und Pflicht davon zu berichten, da dann, wann die Klage gegründet ist, der Partey ein anderer Advocat ex officio zugegeben werden soll.

3) Wann der Supplicant vorher keinen Advocaten gehabt, und über eine Verordnung oder Zumuthung derer Gerichte, es sey in der Ober- oder Unter-Instanz, sich beschweret, kein Advocat aber dienen, oder das ihm vorgelegte Memorial unterschreiben wolte; so soll der Präsident dem Supplicanten einen Advocaten anweisen, und diesem per Decretum ohne Extension anbefehlen, die Partey gegen die Gebühren zu examiniren, derselben, befundenen Umständen nach, entweder zu dienen, oder Ursache, warum solches nicht geschehen könne, auf Eyd und Pflicht anzuzeigen.

4) Wann eine Parthey solche Umstände anführet, deren Wahrheit der Adavocat nicht wissen kan, sondern dieser, aus Mangel der Information, was ihm die Partey vorsagt, glauben muß, insonderheit wann periculum in mora ist, so wollen wir denen Advocaten erlauben, in dergleichen Sachen (wann nur nichts contra jura notoria, oder zur Verunglimpfung des Richters und der Partey gesucht wird,) gegen die Gebühr Memoralien zu verfertigen; Sie müssen aber alsdenn von dem Supplicanten einen


(90) Erster Theil. Tit. XIV.

eigenhändigen Revers dem Memorial, welches sie auf dessen Vorstellung verfertiget, oder unterschrieben, beyfügen, des Inhalts:

Daß alles, was er dem Advocaten vorgesagt, oder in dem ihm vorgelegten Memorial enthalten, der Wahrheit gemäß sey, und wann er unrecht habe, sich der richterlichen Bestrafung unterwerfen wolle.

Wobey er zugleich den Nahmen des Conicipienten, wann ein anderer das Memorial gemacht, an Eydes statt anzeigen, der Advocat aber ohne diese Anzeigung das Memorial nicht unterschreiben muß.

Worauf das Cammer-Gericht bloß ein Rescriptum justitiae ertheilen, und benöthigten Falls eventualiter Bericht erfordern, niemahlen aber den Lauf der Justitz hemmen muß.

Der Unter-Richter muß dem Querulanten, wann er es verlangt, bey 2 Rthlr. Strafe, ein Recipisse ertheilen, binnen 8 Tage den Bericht, wann er erfodert wird, ex officio abzustatten; sonst aber dem Querulanten cum rationibus beschreiben.

5) Wann das Cammer-Gericht aus denen Berichten derer Advocat oder Unter-Gerichte findet, daß der Supplicant contra Acta & Jura etwas gesucht, oder sich ohne Grund wider die Gerichte beschweret habe, so soll die Partey und der fremde Concipient, jeder mit 10 Rthlr. Strafe, oder 14 tägiger Gefängniß bey Wasser und Brodt, beleget, und die Execution ohne Anstand realisiret, auch nöthigen Falls denen Unter-Gerichten solche zu realisiren anbefohlen werden.

Wann sich 6) jemand, nachdem er mit Grund beschieden worden, wieder meldet, muß er zuforderst das


(91) Erster Theil. Tit. XIV.

letztere Decret produciren, und hiernächst, dem Befinden nach, die vorige Strafe verdoppelt werden.

7) Wann auch das Cammer-Gericht aus einem derselben ohne Unterschrift praesentirtem Memorial wahrnimmt, daß das Suchen offenbar ungerecht, und wider diese Ordnung laufe, braucht es nicht demselben einen Advocaten zuzugeben, oder einem Rath die Untersuchung zu committiren, sondern es soll der Supplicant, wann er gegenwärtig, sofort gefänglich angehalten werden, bis er den Concipienten an Eydes statt benennet, (et)c. worauf das Memorial dem ordentlichen Richter des Concipienten zugefertiget werden soll, um demselben zur eydlichen Recognition anzuhalten, und ihn, wann er es recognosciret, vorbeschriebener massen zu bestrafen.

Wann 8) der Supplicant nicht in Person gegenwärtig ist, muß das Memorial an dessen Richter originaliter zugesandt, und derselbe, nebst den Concipienten vorgeschriebener massen bestrafet werden.

Wann auch 9) ein Soldat, oder Unter-Officier, dergleichen Memorial verfertiget, muß an das Regiment um dessen Bestrafung geschrieben werden.

Würde sich 10) der Supplicante wegern, den Concipienten vermittelst Eydes zu benennen, soll die Strafe an der Partey selbst exequiret werden.

§. 29. Dahingegen befehlen Wir auch Unsern hiesigen Justitz-Collegiis, wann Unsere Unterthanen gegen die Unter-Gerichte klagen, sich nicht bloß auf deren Verantwortung und Berichte zu verlassen, sondern die Berichte mit den Gravaminibus genau zu conferiren, benöthigtenfalls Acta abzufordern und einzusehen, auch die Parteyen jederzeit cum rationibus umständlich zu bescheiden, oder zu gewärtigen, daß wann höhern Orts geklaget wird, und die Gravamina gegründet befunden worden, der Decernente der Partey die oben gesetzte 10 Rthlr. bezahlen solle.


(92) Erster Theil. Tit. XIV.

§. 30. Es ist auch der Mißbrauch eingeschlichen, daß die Partheyen mit Vorbeygehung derer Ober-Gerichte sich an Unsern Geheimden Etats-Rath, oder, mit Vorbeygehung Unsers Geheimden Etats-Raths, immediate bey Unserer allerhöchsten Person melden, und ihre Beschwerden anbringen.

Nun wollen Wir zwar niemanden den Zutritt zu Unserm Thron verwehren; weil wir aber hauptsächlich Unser Cammer-Gericht, und hiernächst Unsern Geheimden Etats-Rath darzu gesetzet und bestellet haben, daß sie in Unserm Nahmen die klagenden Unterthanen hören, und ihnen zu ihrem Recht verhelfen sollen; so müssen auch die Parteyen sich zuförderst an dieselbe halten, folglich, wann gegen die Unter-Gerichte Klage geführet wird, sich an das Cammer-Gericht wenden, und wann gegen diese geklaget wird, bey Unserm Geheimden Etats-Rath Hülfe suchen.

Wann aber wider alles Vermuthen der Geheimde Etats-Rath die rechtliche Hülfe versagen würde, alsdann soll denen Parteyen frey stehen, Uns selbst anzutreten, und in bescheidenen Terminis ihre Klage anzubringen, welche Wir hiernächst mit aller Rigeur untersuchen lassen wollen.

Wann also sich jemand unterstehen solte, per saltum, mit Vorbeygehung Unsers Cammer-Gerichts, oder nächst dem Unsers Geheimden Etats-Raths, Uns selbsten mit seinen Klagen zu behelligen, soll nichts darauf verordnet, sondern das Memorial an den ordentlichen Richter des Supplicanten remittiret werden, cum Mandato von dergleichen muthwilligen Supplicanten und Concipienten der Klage die oben gesetzte Strafe ohne Nachsehen beyzutreiben.

§. 31. Wann aber auch die an Unsern Geheimden Etats-Rath, oder an Uns immediate, nach der Ordnung eingebrachte Klagen ohne Grund befunden werden solten, muß der Supplicant auf gleiche Weise bestrafet werden.


(93) Erster Theil. Tit. XIV.

§. 32. Wann ein Advocat sich vorhin vorgeschriebener massen völlig informiret hat, muß er das Libell seiner anzustellenden Action mit der größten Sorgfalt verfertigen; und dasjenige, was oben §. 1. und unten P. 3. Tit. 6. § 3. hierunter vorgeschrieben worden, wohl beobachten.

§. 33. Was die Advocaten bey dem Constitutioniren, item, bey denen mündlichen Vorträgen, wie auch bey dem schriftlichen Verfahren zu beobachten haben, dieserwegen werden sie auf den zweyten Theil dieser Ordnung verwiesen.

§. 34. Wann eine Sache zum schriftlichen Verfahren verwiesen wird, müssen die Advocaten die Satz-Schriften mit aller Behutsamkeit und Sorgfalt verfertigen. Bei mündlicher oder schriftlicher Production derer Documenten, oder der aufgenommenen Attestatorum, (et)c. müssen sie die Verba formalia derselben, und wie sie eigentlich lauten, ordentlich vortragen, keinesweges aber falsche allegiren, oder aus denen offenbaren und klaren Worten einen andern Verstand erzwingen; imgleichen den Ort, wovon eigentlich gehandelt wird, anzeigen, damit Unser Cammer-Gericht mit unnöthiger Nachlesung des ganzen, zuweilen sehr weitläuftigen Instruments nicht aufgehalten werde.

Bey Verfertigung der Schriften müssen sie sich aller überflüßigen Allegationen enthalten, und allein Landes-Rechte anführen, die Schriften auch nicht leicht über 5 Bogen, ohne die Beylagen extendiren, weil durch die grosse und weitlauftig geschriebene Schriften das Lesen der Acten nur mühsam gemacht wird, daher müssen die Advocaten ihre Schreiber anhalten, sich eine compresse Hand anzugewöhnen, auch die Schriften rein und sauber, mit Unterzeichnung ihres leserlichen Nahmens, geschrieben, und zusammen geheft übergeben.

§. 35. Die Advocaten müssen sich in ihren Schriften und Vorträgen alles Calumniiren, Schmähens, Anzüglichkeiten


(94) Erster Theil. Tit. XIV.

lichkeiten, auch zur Sachen nicht dienlichen Privat-Händeln, wider das Cammer-Gericht und deren Räthe sowohl, als den Gegentheil, und dessen Advocaten, (et)c. gäntzlich enthalten; und da sie dawider handeln, soll die Schrift als eine Schmäh-Schrift angesehen, und der Advocat sowohl, als der Concipient, dem Befinden nach, mit einer Geld-Strafe, oder Remotion, auch, dem Befinden nach, mit einer Leibes-Strafe angesehen werden.

Es soll auch niemand von dieser Strafe, unter dem Vorgeben, daß der Gegentheil den Anfang des unziemlichen Schreibens gemacht habe, befreyet werden, sondern sowohl diese, als die Schrift, so zum Retorquiren Anlaß gegeben, soll mit Dictirung der obbemeldeten Strafe zurückgegeben werden.

§. 36. Es sollen die Advocaten nicht mehr durch eine General-Titulatur, rechtliche Nothdurft, (et)c. ihre Producta rubriciren, sondern mit Terminis juris intituliren, als zum Exempel: Libellus actionis, Appellationis, Revisionis, (et)c. Exceptiones, Replicae, (et)c.

Es muß auch deutlich, und zwar mit Anführung des Vor- und Zunahmens, auch Bedienung derer Parteyen, exprimirt werden, wer Kläger und Beklagter, Wiederkläger oder Wiederbeklagter sey; Wie denn auch der Interveniente und Intervente, Litis denunciant (!) und Litis denunciante (!), wann sich dergleichen finden, mit benennet werden müssen.

Wann über einen Neben-Punct gestritten wird, als zum Exempel in puncto turbationis, cautionis, (et)c. soll auch dieser mit specificiret werden.

Schlüßlich müssen nach Absterben der Parteyen, auch derer Erben, und nach beschehener Cession, auch die Cessionarii mit aufgeführet werden, per formulam: In Sachen N. modo dessen Erben, Cessionarii. (et)c.

§. 37. Alle gerichtliche Producta, Supplicationes und Satz-Schriften können in duplo übergeben werden; Es müssen aber die Advocaten alsdann solche collationiren,


 

(95) Erster Theil. Tit. XIV.

und dafür stehen, daß die Schriften, so sie übergeben, gleichlautend seyn, und wörtlich übereinstimmen.

§. 38. Weil die Erfahrung zeiget, daß die wenigsten Advocaten die Feder in denen Processen geführet, oder dieselbe dirigirt haben, (et)c. sondern die Haupt-Sachen von unvernünftigen Procuratoren dirigirt, die Schriften aber von auswärtigen, und mehrentheils confufen und gewinnsüchtigen Consulenten verfertiget worden, welche weder von dem Recht, noch von dem Praxi Camerali, einen richtigen Begrif haben, folglich nicht im Stande seyn, eine Sache von Anfang recht zu instruiren, und dadurch nicht allein viele unnöthige Incident-Puncte veranlassen, sondern auch nach ihrer Commoditaet unzehlige Dilationes bitten, und solchergestalt die Processe auf eine unverantwortliche Weise (sonderlich wann sie zwischen Obrigkeiten und Unterthanen schweben) verschleppen, und die armen Unterthanen durch unerschwingliche Kosten ruiniren.

Wobey sich auch weiter dieses beschwerliche Inconveniens hervor thut, daß die Advocaten von der Situation dergleichen Processe nicht die geringste Nachricht haben, und daher, wann sie darüber befragt, oder wegen einiger Unordnung zur Rede gestellet werden, sich damit entschuldigen, daß sie nicht selber in der Sache schreiben, sondern nach ihrer Instruction die Vorstellung thun müssen, folglich dieselbe blosse Instrumente seyn, welche die Schriften der unvernünftigen und interessirten Consulenten blindlings unterschreiben.

Nun sind Wir nicht gemeynet, denen Parteyen, welche auf dem Lande wohnen, folglich nicht im Stande seyn, die Advocaten mündlich zu instruiren, zu verbieten, durch vernünftige Unter-Gerichts-Advocaten, Bürgermeister, Syndicos und andere Justitiarios, Instructiones und Informationes aussetzen zu lassen; sondern Unsere Intention gehet nur dahin, daß die Advocaten sich nicht daran


(96) Erster Theil. Tit. XIV.

binden, der Instruction nicht schlechterdings nachgehen, noch die Haupt-Schriften blindlings unterschreiben sollen;

Sondern der Advocat, welchem dergleichen Information zugefertiget wird, muß die Sache, wie oben §. 10. vorgeschrieben worden, selbst examiniren, dasjenige, was zu Anstellung der Action und Verfertigung des Libelli, oder zur Berichtigung derer Exceptionen, annoch fehlen möchte, suppliren, und benöthigten Falls nähere Instruction darüber einholen; Im übrigen aber in der gantzen Sachen die Satz-Schriften und Memorialien selber verfertigen, den Process dirigiren, und vor denselben stehen.

§. 39. Nach diesen Principiis kan der Advocat, wann etwas wider die Acta und Rechte geschrieben wird, sich nicht weiter damit entschuldigen, daß er nicht selber in der Sache schreibe; Er kan auch unter diesem Praetext, oder daß er zuforderst Instruction einholen müsse, nicht leicht eine Dilation fordern.

Wann aber gleichwohl währenden Process einige neue Umstände vorkommen, welche der Advocat nicht vorher sehen kan, stehet ihm frey, von der Partey und der Consulenten eine nähere Instruction einzuholen; Würde der Consulent hierunter säumig seyn, und der Advocat diligentiam adhibitam dociren, soll der Consulent jedesmahl mit 5. bis 10 Rthlr. bestraft werden, weil derselbe, wann er die Information übernimmt, auch den behörigen Fleiß dabey anwenden, die Processe aber wider Unsere Intention durch seine Nachläßigkeit nicht aufhalten muß.

§. 40. Wann eine Sache per appellationem an das Cammer-Gericht gelangt, so kan derjenige Advocat, welcher die Sache daselbst instruirt, auch in der zweyten Instantz die Schriften machen, und durch die Advocaten unterschreiben lassen.

Es müssen aber auch die vorige Advocaten alsdann ihre Nahmen unterschreiben, und vor die Richtigkeit der Sachen, und deren Beschleunigung, stehen.


(97) Erster Theil. Tit. XIV.

Wann sie etwas dabey versehen, sollen nicht die unterschriebene Advocaten, sondern die Concipienten selbst, und zwar doppelt gestraft, und dadurch zur gehörigen Aufmercksamkeit angehalten werden.

Wie dann auch denen Städten, welche ihre bestellte Syndicos haben, frey stehet, ihre Satz-Schriften selber zu verfertigen, und durch recipirte Advocaten unterschreiben und übergeben zu lassen, da dann der Concipiente allein gestraft werden soll.

§. 41. Die Consulenten müssen vor ihre Information, und die Advocaten voriger Instantz vor ihre Schriften, sub poena quadrupli, und, dem Befinden nach, bey Leibes-Strafe, keine Gebühren fordern oder nehmen, sondern solche am Ende einer jeden Instantz liquidiren, da denn die Referenten solche zwar moderiren müssen, sie sollen aber nicht eher, als nach geendigtem gantzen Process, von der Partey bezahlet werden.

Dahingegen beyden, sowohl denen Consulenten, als Advocaten, voriger Instantz, nöthigenfalls ohnentgeldlich durch die Execution zu ihren Gebühren verholfen werden soll.

§. 42. Weil auch die Erfahrung bezeuget, daß die Parteyen öfters Consulenten haben, welche nicht unter der Cammer-Gerichts-Jurisdiction, sondern in einer andern Provintz, oder wohl gar ausser Unsern Landen wohnen, und welche sich wenig oder gar nichts an diese Verfassung kehren; (et)c. So wollen Wir in diesen Fall alle die Strafen, welche denen Consulenten angedrohet worden, auf die Partey selber legen, welche sich imputiren muß, daß, da Wir geschickte Leute, theils an denen Advocaten, theils in denen Städten haben, dieselbe bey solchen Leuten Hülf und Rath suchen, welche sich an die Ordnung nicht gebunden halten.

Daher denen Parteyen unter dem Praetext, daß dergleichen ausser Unsern Landen wohnende Consulenten die Schriften noch nicht verfertiget, oder die Instruction


(98) Erster Theil. Tit. XIV.

nicht eingeschickt, (et)c. niemahls eine Dilation verstattet, sondern jederzeit in Contumaciam verfahren, und denen Parteyen keine Restitutio in integrum dagegen angedeihen soll.

§. 43. Wann einem Advocaten per Sententiam auferlegt worden, etwas zu thun, zu verhandeln, oder beyzubringen, und kein gewisser Terminus dazu angesetzet worden; so muß er höchstens binnen 8. Tagen, sub poena contumaciae, solches befolgen, nicht aber solches auf gantze Monathe und länger aussetzen, sondern allenfalls und wann justa Causa verhanden, Dilation suchen.

§. 44. Die Advocati müssen bey 5. Rthlr. Strafe keine Commissarios vorschlagen und benennen, weil dieselbe künftig ex officio gesetzet werden sollen.

§. 45. Wann Commissarii ex officio gesetzet worden, müssen die Advocaten fleißig vigiliren, daß sie in der vorgeschriebenen Zeit die Commission endigen, nach Abfluß der Zeit aber müssen sie um Excitatoria an die Commissarios anhalten.

§. 46. Es liegt auch denen Advocaten und deren Parteyen ob, bey 2 Rthlr. Strafe, sich jederzeit zu erkundigen, ob und um welche Zeit die Commission vor sich gehen werde, auch sich zur gehörigen Zeit bey derselben einzufinden.

§. 47. Weil Wir denen Räthen verbothen, in Process(-)Sachen Visiten anzunehmen, oder mit denen Parteyen und Advocaten sich darüber mündlich einzulassen, so müssen die Advocaten nicht allein selbst sich dergleichen enthalten, sondern auch die Parteyen davon abrathen, weil gemeiniglich diejenige, die eine ungerechte Sache haben, den Richter, welcher doch bloß und allein nach denen Acten, nicht aber nach derer Parteyen Vorstellung judiciren muß, durch mündliche Vorstellung zu praeoccupiren suchen; zu geschweigen, daß denen Räthen die Zeit, welche sie bey der jetzigen Einrichtung höchst nöthig haben, verdorben wird.


(99) Erster Theil. Tit. XIV.

Wann aber einige Verzögerung bey denen Resolutionen, oder Abfassung der Urthel, (welches bey der jetzigen Einrichtung sich nicht leicht zutragen kann, ) vorgehen solte, stehet denen Parteyen und denen Advocaten frey, durch einen Zettel das Benöthigte mit wenig Worten vorzustellen.

§. 48. Kein Advocat soll, bey 10 Rthlr. Strafe sich unterstehen, den Process durch Extrahirung einer Commission zur Güte aufzuhalten; allermassen Wir zwar die Versuchung der Güte gerne verstatten wollen, es muß aber die Haupt-Sache und der Process fortgesetzet werden, weil diejenige, welche Lust haben sich zu vergleichen, solches auch durante Processu thun können.

§. 49. Die Advocaten können unter dem Praetext, daß die Partey ihnen die Gebühren nicht bezahlen, die Acta und Documenta derselben nicht an sich behalten.

§. 50. Wann ein Advocat in seinem Vortrag einen seiner Partey nachtheiligen Errorem in facto begehet, soll ihm, oder der Partey, freystehen, solchen binnen 3 Tagen zu corrigiren, und dieserwegen, wenn auch schon verabscheidet worden, auf Verhör zu provociren.

§. 51. Die Advocaten müssen sich des Vormittags um 8. Uhr auf dem Cammer-Gericht einfinden, damit dieselbe wann sie in die Audientz gefodert werden, bey der Hand seyn.

Wann die Verhöre abgelesen worden, und die Partey und deren Advocat sich nicht gemeldet, nachhero aber doch gehöret seyn wollen, soll die Partey 1 Rthlr. zur Sportul-Casse bezahlen. vid. P. II. Tit. II. §. 5.

§. 52. Wann ein Advocat gegen diese Ordnung handelt, etwas wider die Acta und Rechte schreibet oder bittet, Judicata verschweigt, Fatalia versaumet, die angesetzte Termine nicht gehörig abwartet, und dadurch Restitutiones in integrum veranlasset: wann er, im Fall Commissarii mit Fortsetzung der Commission saumig seyn, keine Excitatoria extrahiret, des Gegentheils Contumaciam


(100) Erster Theil. Tit. XIV.

nicht bey allen Fällen accusirt, sondern z. E. Praejuditz seiner Clienten dem Gegentheil nachsiehet, oder demselben unnöthige Dilationes verstattet, durch unerlaubte Vorstellung die Execution hindert, frivole Remedia suchet, die Schriften ohne Noth weitläuftig macht, und mit Recoctis überhäufet, (et)c. so soll derselbe jederzeit mit 2. 5. bis 20 Rthlr. bestrafet, und wann er incorrigible ist, auf abzustattenden Bericht, cassiret werden; Wornach sich auch die Consulenten zu richten haben.

Es muß aber ein Advocat niemahls mit der Suspensione ab officio, sondern mit Geld, oder Cassation, bestraft werden, weil sonst die Parteyen am meisten darunter leiden würden.

§. 53. Wann auch in Processu litis sich eine wichtige Anzeige, woraus eine Malitia, oder Animus calumniandi bey dem Advocato erscheinen solte, soll Unser Cammer-Gericht wohl befugt seyn, demselben ex officio das Juramentum malitiae zu imponiren, dessen sich der Advocatus, bey 20. Rthlr. Strafe, niemahls wegern, noch ein Remedium dagegen einwenden kan.

§. 54. Wann der Advocat vorsetzlich etwas läugnet, welches nachhero erwiesen wird, soll die Poena inficationis nach Vorschrift P. 3. Tit. 11. §. 7. auch gegen denselben statt haben.

§. 55. Wann ein Advocat oder Consulent die Unterthanen wieder ihre Obrigkeit; & vice versa, aufwiegelt, und zum Ungehorsam anreitzet, insonderheit wann er wieder die klare Landes-Verfassungen, Recesse, Vergleiche (et)c. einen oder den andern Theil chicaniret, und eine ungerechte Sache durch alle Instantzien durchtreibt, oder sonst im Lande die Leute zum Process beredet, so soll derselbe nicht allein seiner eigenen, sondern auch der gegentheiligen Partey alle Kosten praevio juramento erstatten, und, dem Befinden nach, cassiret, oder sonst am Leibe gestraft werden; zu welchem Ende die Referenten bey dem Cammer-Gericht genau hierauf Achtung geben, und


(101) Erster Theil. Tit. XIV.

wann sich dergleichen Casus findet, das Officium Fisci excitiren, oder an Uns immediate berichten müssen.

Jedoch wird hierdurch ein rechtmäßiges Patrocinium der Bedrängten niemand verboten, oder abgeschnitten.

§. 56. Wann ein Advocat bestraft wird, und innerhalb 8. Tagen die Strafe nicht von selbst erleget; so soll dieselbe absque Monitorio durch den Cantzley-Diener, und wann er solche sofort nicht bezahlet, durch den Land-Reuter abgefodert werden.

§. 57. Es muß auch kein Advocat bey Strafe der Cassation sich unterstehen, diese Strafe von der Parthey wieder zu fordern, oder zu nehmen. Und soll dem Fiscal frey stehen, die Parthey allenfals eydlich darüber zu vernehmen.

§. 58. Wegen der Corruptionen werden die Advocaten auf dasjenige, was oben P. I. T. I. §. 22. versehen, nochmahls verwiesen.

§. 59. Wann schließlich jemand ex incuria, negligentia, vel ignorantia advocati eine an sich gerechte Sache verliehrt, so sollen die Referenten, wann sich solches ex actis äussert, denen Partheyen den Regress gegen die Advocaten Ratione Interesse vorbehalten; und ihnen Assistentiam Fisci verstatten, auch solchenfals die Gerichts-Gebühren-Stunden (= stunden).

§. 60. Schließlich soll ein jeder Advocat seinerseits sich angelegen seyn lassen den Process in einem Jahr in allen Instantzen zu endigen.

Wann bey dem Ende des Jahrs sich finden sollte, dass noch einige Processe übrig geblieben, so Wollen Wir eine Commission veranlassen, welche die übrig gebliebenen Acta examiniren, und wer daran Schuld sey berichten solle; da dann entweder das Cammer-Gericht, oder der decernirende Rath, oder die Parthey und deren Advocat, die Kosten bezahlen, und diejenige, die an der Verzögerung Schuld haben, dimittirt werden sollen.


(102) Erster Theil. Tit. XIV. XV.

§. 61. Damit aber die Advocaten destomehr sich mögen angelegen seyn lassen, diese Unsere gerechte, und zum Soulagement Unserer Unterthanen gereichende Intention zu befolgen, so soll ein jeder Advocat mit folgendem Eyd belegt werden:

Ich N. N. schwere zu Gott einen cörperlichen Eyd, daß ich wissentlich keine offenbahre ungerechte Sache annehmen noch defendiren, auch zu solchem Ende keine Klage, ohne vorher die in dieser Ordnung vorgeschriebene Information und Instruction vornehmen, anfangen, und nichts was der Wahrheit zuwieder ist, anführen, vielweniger vorsetzlich etwas leugnen wolle: daß ich auch in zweifelhaften Sachen denen Partheyen die Güte anrathen, oder dieselbe zu einem Compromiss disponiren wolle. Daß ich ferner keine Gebühren neque directe, neque per indirectum, als wenn der Process völlig zum Ende, und derselbe per Judicata decidiret worden, fordern oder nehmen wolle. Daß ich ohne die höchste Noth keine Dilationes fordern, auch die Prosse (= Processe) durch unnöthige und dilatorische Incident-Puncten nicht verzögern, sondern so viel an mir liegt, dieselbe in einem Jahr zum Ende bringen wolle. Daß ich, wann ich hiergegen vorsetzlich und wissentlich handele, als ein Meyneydiger mich der in denen Rechten darauf gesetzten Strafe unterwerfen, und diese neue Gerichts-Ordnung alle Jahr einmahl mit Bedacht durchlesen wolle. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum (et)c.

Tit. XV.

Von Vollmachten derer Advocaten.

§. 1.

Weil kein Advocatus eine Klage anstellen soll, ehe und bevor er eine richtige Vollmacht erhalten, so hat es dabey sein Bewenden.


(103) Erster Theil. Tit. XV.

Wann aber eine Sache vorkommen solte, wo periculum in mora ist, und der Advocat die Vollmacht nicht sobald beyschaffen kan, so soll die Klage zwar angenommen werden: Es muß aber der Advocat de rato caviren, und in dem ersten Termin eine Vollmacht übergeben, wann er solches nicht thut, soll er mit seiner Klage nicht weiter gehöret, sondern dem Kläger die Kosten ex propriis zu bezahlen angehalten, überdem auch als Falsus procurator angesehen, und bestraft, ihm auch keine weitere Dilation zu Beybringung der Vollmacht ertheilet werden.

Derjenige Advocat, der einmahl eine Vollmacht angenommen, muß den Process in allen Instantzen fortsetzen, und wann die Sache an die höhere Judicia devolviert wird, einen andern Advocaten daselbst bey 10 Rthl. Strafe substituiren, oder gewärtigen, daß ihm einer ex officio, und zwar auf seine Kosten substituirt werde.

§. 2. Es sollen aber bey denen Unter-und Ober-Gerichten, auch Commissionen, keine andre als gedruckte Vollmachten (davon das Stück 6 Gr. kostet, und worinn alle nöthige Clausuln enthalten seyn) bey 10 Rthlr. fiscalischer Straffe angenommen und gebraucht, auch, bey Vermeidung gleichmäßiger Straffe, pro extensione solcher gedruckten Vollmacht von denen Clienten, es sey einer oder mehr litis Consorten, nicht mehr als 4 Gr. gefordert und genommen werden.

§. 3. Wer sich dieser Vollmacht bedienet, muß solche eigenhändig unterschreiben, und mit seinem gewöhnlichen Pettschafft bedrucken, und falls er mit keinem eigenen Pettschafft versehen, oder ein andres gebrauchet, soll er solches bey der Unterschrifft zugleich melden, auch diese, wann vielerley eines Nahmens, mit Ausschreibung des Vornahmens exprimiren.

Wann es Pupillen (et)c. betrifft, müssen auch die tutoria und curatoria in vidimata copia beygelegt werden.


(104) Erster Theil. Tit. XV.

§. 4. Wann einem Advocaten ein Blanquet zur Betreibung einer Sache unterschrieben und gesiegelt zugeschickt wird, ist es genug, wann eine gedruckte Vollmacht dem Blanquet beygelegt wird.

§. 5. Diejenige, so des Schreibens unerfahren, sollen, wie ohne dies auch andern frey stehet, vor dem Richter, wo die Sache angefangen, oder auch vor einem andern Gerichte, daß sie den N. N. zu ihrem Bevollmächtigten bestellet hätten, erklären, darüber unter der geruckten Vollmacht eine Registratur verfertigen lassen, und solche übergeben.

Sie können auch von einem Notario und zwey Zeugen ein Attest, wegen des constituirten Bevollmächtigten, unter der Vollmacht ausstellen lassen.

§. 6. Wann von einem Magistrat Vollmacht zu ertheilen, soll genug seyn, wann solche mit des Raths gewöhnlichen Siegel bestärcket, auch von drey, oder, wann so viel nicht vorhanden, von zwey Raths-Membris unterschrieben wird.

§. 7. Die Syndicate aber, oder Vollmachten, welche von Communen in Städten und Dörfern ausgestellet worden, sollen keine Kraft haben, wo sie nicht von dem meisten Theil, und wenigstens 2/3 der Gemeinde entweder gerichtlich, oder in Beyseyn eines recipirten Notarii unterschrieben worden.

§. 8. Bey denen Stiftern soll das Syndicat mit des Collegii Siegel bedruckt und von dem Decano oder in dessen Abwesenheit von dem Seniore unterschrieben, bey denen Clöstern aber mit deren Siegel befestiget, und von dem Abt oder Probst, nebst denen beyden ältesten Conventualen, unterzeichnet, und alle und jede Syndicate bey Communen in Städten und Dörfern auf der Einwohner Erben und Erbnehmern, bey deren Collegiis aber auf die Nachfolger im Amt gerichtet werden: dagegen aber ist die renunciatio beneficiorum excussionis & divisionis nicht nöthig.


(105) Erster Theil. Tit. XV.

§. 9. Wann Gülden oder Gewercke ein Mandatum geben wollen, müssen die sämtliche Altmeister solches unterschreiben, und der Gewercke Siegel darbey fügen.

§. 10. Wann mehrere Vermünder divisis officiis, oder einer nur ad certas causas bestellt, können sie absonderlich erscheinen, auch Anwälde oder Actores constituiren.

Wann sie aber conjunctim bestellt worden, müssen sie zugleich ihrer Pflegbefohlenen wegen vor Gericht handeln, oder einer dem andern genugsame Vollmacht auftragen, oder zusammen einen Actorem bestellen: Es wäre dann mit Anlegung eines Arrestes, oder sonst, periculum in mora, als in welchem Fall auch, wann einer von denen Vormündern ausserhalb Landes verreiset, oder andre erhebliche Ursachen verfallen, ein Vormund allein, und sub cautione rati wegen seines Neben-Vormunds zugelassen wird.

§. 11. Es sollen die Tutores und Curatores, zu Vermeidung aller Streitigkeiten, für ihre Pupillen und Minderjährige alle Actus specialis mandati, (die gerichtliche Transactiones .allein ausgenommen,) ohne deren Zuziehung vorzunehmen, imgleichen Actores allein.zu constituiren Macht haben: Und wird der Minderjährigen Unterschrift, wann sie gleich majorennitati proximi seyn, hierzu nicht erfodert, jedoch hat dergleichen Actorium,sobald der Vormund verstorben, oder dessen Vormundschaft sich sonst geendiget, weiter keine Kraft.

Gleiche Bewandniß hat es auch in diesem allen mit denen Curatoribus.absentium & furiosorum und dergleichen Personen.

§. 12. Wann ein Advocat ein Mandatum generale erhalten, und die Parthey verschiedene.Processe hat, so muß das Original zu einer Sache, zu denen andern aber copiae vidimatae gelegt, zugleich die Acta, bey welchen sich das Original befindet, benannt.werden.


(106) Erster Theil. Tit. XV.

§. 13. Wenn jemand für seinen Vater, Sohn, Bruder, Schwester, Ehefrau, oder andere im ersten und zweyten Grad cognationis & affinitatis verwandte Personen, im Gericht ohne Vollmacht erscheinen, soll er, wann er de rato caviret, admittirt werden.

Welches auch also zu halten, wenn in einer Klage viele Consortes sich unterschreiben, und einer, der majorenn ist, allein für die abwesende Consorten handeln will: Massen dieser sub cautione de rato ohne Mandat gehöret werden soll. Und ist in beyden Fällen genug, wann der Advocatus sich in deren Nahmen legitimiret.

Welches auch bey denen Syndicaten derer Gemeinden, wann solches etwa nicht zureichend wäre, und Cautio de rata offerirt würde, statt haben soll.

Es wäre denn, daß ein speciale Mandatum erfordert werde; weil in diesen Fällen sowohl von denen Conjunctis personis, als von allen Consorten und Interessenten ein besonderes Mandatum nöthig ist.

Ein Special-Mandat wird zu folgenden Gerichts-Händeln erfodert

a) Einen Real- und Personal-Arrest auszuwürcken.

b) Restitutionem in integrum in der Haupt-Sache, (nicht aber in Incident-Puncten) zu suchen.

c) Zu compromittiren.

d) Juramenta zu remittiren, oder pro praestitis zu halten. item, Eyde in des Pupillen Seele

  abzuschweren.

e) Documenta pro editis oder Pro recognitis zu halten.

f) Copeyen vor Originalien zu recognosciren.

g) Ueber die Haupt-Sache zu transigiren.

h) Liti zu renunciren.

J) Gelder (ausser was Process-Kosten betrift) einzuheben und darüber zu quittiren.

Wann ein Advocat eine Klage über ein Objectum litis anstellt, wo speciale mandatum erfodert wird, und


(107) Erster Theil. Tit. XV.

solche nicht zugleich beygelegt, soll er jederzeit mit 5 bis 10 Rthlr. Strafe belegt werden. In Arrest(-)Sachen kann er, wann periculum in mora ist, sub cautione de rato zugelassen werden.

Für Kinder, die noch unter väterlicher Gewalt seyn, kann ein Vater im Gericht erscheinen, oder auch einen Bevollmächtigten constituiren, auch alle Actus, welche sonst ein speciale Mandatum erfodern, expediren. Es wäre dann, daß ihnen wegen ihres Muttertheils, oder sonst, ein absonderlicher Curator bestellt worden auf welchem Fall dieser seine Pflegbefohlene in Sachen, dazu er verordnet ist, vor Gericht zu vertreten hat.

§. 14. Ein jeder Advocat ist schuldig bey 5 Rthlr. Strafe in der Vollmacht einen Substitutum zu benennen, welcher die Substitution durch seine Unterschrift annehmen und bekräftigen muß, damit bey dem Constitutioniren die Vorträge, oder wann der Advocat verstirbet, die Sache dadurch nicht aufgehalten werde. Es stehet aber denen Partheyen frey diesen Substitutum nach Gefallen zu ändern, wenn sie nur zugleich einen andern benennen.

§. 15. Wann ein Advocat klagt, daß er keinen Substitutum bekommen könne, muß ihm einer ex Officio zugegeben werden, weil dem Publico daran gelegen, daß aus Mangel des Substituti die Processe nicht liegen bleiben.

Es müssen aber diese Substituti eine accurate Liste von denen Processen, worinn sie substituirt seyn, in der Audientz bey sich haben, damit dieselbe, wann bey dem constitutioniren etwas vorgetragen wird, sofort antworten können.

§. 16. Weil die gedruckte Vollmachten zugleich auf die Erben gerichtet seyn, so folget von selbsten, daß bey denen Processen nach Absterben der Parthey keine Reassumtio nöthig sey. (Vid. P. 3. T. 15. §. 1. )

§. 17. Kein Advocat soll seinem Mandato ohne wichtige Ursache, und vorhergehende richterliche Erkänntniß,


(108) Erster Theil. Tit. XV.

wider der Parthey Willen, renunciren, massen, der Renunciation ohngeacht, der Advocat so lange pro Mandatario gehalten werden soll, bis darüber erkannt wird.

Wann die Renunciation vor gültig erkannt wird, muß die Parthey binnen vier Wochen einen andern Mandatarium bestellen, unterdessen aber liegt dem Substituto ob, den Process nach wie vor zu besorgen.

Wann die Parthey binnen vier Wochen keinen neuen Mandatarium bestellet, soll ein anderer ex officio benannt werden.

§. 18. Denen Partheyen ist erlaubt ihr Mandatum zu revociren, sie müssen aber auch zugleich einen andern Mandatarium bevollmächtigen; so lang diesesn nicht geschieht, muß der vorige Mandatarius und dessen Substitus, ohngeacht der Revocation, den Process fortsetzen.

§. 19. Wann ein Advocat solchergestalt sich den Process entschlägt, kann er dem Gegentheil in derselben Sache nicht dienen noch rathen, vielweniger, was ihm an Heimlichkeiten anvertrauet worden, offenbahren. In andern Sachen aber, die mit der vorigen keine Connexion haben, ist ihm wider diejenige, denen er gedienet, oder noch dienet, sich gebrauchen zu lassen unverbothen.

§. 20. Wann ein Falsus Mandatarius, dem die Sache gar nicht, oder doch nicht von allen Interessenten aufgetragen worden, eine falsche Vollmacht producirt, so ist die Sache in den Stand wieder zu setzen, worinne sie in dem Anfang gewesen; dergleichen Falsus Mandatarius aber, wann er nicht ratione futuri eine richtige Vollmacht, und ratione praeteriti völlige Ratihabition herbey schaft, mit einer Geld-Busse von 10 Rthlr. oder sonst Willkührung zu bestrafen, auch zu Erstattung derer dem Gegentheil verursachten Kosten anzuhalten.

§. 21. Wann derjenige, vor welchem de rato cavirt worden, (Vid. supr. §. 13. ) was in dem Gericht geschehen, nicht genehm halten will, muß der Cavente dem Gegentheil alle Unkosten erstatten: die Sacheraber kommt.


(109) Erster Theil. Tit. XVI.

intuitu dessen, vor welchem cavirt worden, in den Stand, wie sie vor angestellter Action gewesen.

Tit. XVI.

Von dem Advocato der Armen und der Soldaten.

§. 1.

Unter die Armen werden diejenige gerechnet, welche über ihren höchst-nöthigen Unterhalt, nicht so viel im Vermögen haben, daß sie die Process-Kosten davon bezahlen können.

§. 2. Und dieses ihr Unvermögen müssen sie vermittelst folgenden Eydes bekräftigen;

Ich N. N. schwere (et)c. daß ich an aller meiner liegenden und fahrenden Haabe, Gütern, oder Schulden so viel nicht vermag, daß ich die zu meiner Sachen gehörige nothdürftige Expeditiones, auch meinen Advocaten und Procuratoren ihre Mühe nicht bezahlen noch belohnen kan, auch um Leistung willen dieses Eydes meine Haab und Güter gefährlicher Weise nicht veräussert, noch andern übergeben habe, und, so ich meine Sachen mit Recht erhalte, oder sonsten zum bessern Vermögen komme, daß ich alsdann einem jeden nach seiner Gebühr ehrliche Zahlung thun will, getreulich und ohngefährlich: Als mir Gott helfe durch sein heiliges Wort. (et)c.

§. 3. Und braucht es also keines weitern Gezeugniß seiner Obrigkeit, oder sonst einer Bescheinigung noch richterlichen Erkänntniß, als wodurch die Sache wieder Unsere Intention nur aufgehalten wird.

§. 4. Bey gemeinen Soldaten und Unter-Officieren braucht es dieses Eydes gar nicht, weil ohndem bekandt daß sie von ihrem Sold keine Processe führen können.


(110) Erster Theil. Tit. XVI.

Es muß aber dieses Beneficium, nebst der Freyheit von Sportuln, denen Soldaten und Unter-Officieren nur alsdann zu statten kommen, wenn sie wegen ihrer eigenen Sachen (nicht aber wegen ihrer Eltern und Anverwandten) Klage führen.

§. 5. Wann jemand zu dem Armen-Recht gelassen zu werden verlanget, soll der Armen-Advocat zuförderst die Sache ausführlich examiniren, die Briefschaften mit Fleiß durchsehen, worauf die Sache ankommt, wohl erwegen, ein Protocoll darüber halten, und, wann er eine völlige Information, wie oben Tit. 14. §. 10. vorgeschrieben, eingenommen, dem Armen, so wie er es vor Gott nach seinem geleisteten Eyd verantworten kan, mit aller Treue assistiren.

§. 6. Dafern auch seine Nachläßigkeit denen armen Partheyen einiger Nachtheil und Schaden zuwachsen möchte, soll er deshalb ihnen gerecht zu werden verbunden seyn.

§. 7. Im Fall der Armen-Advocat die Sache so beschaffen findet, daß er mit gutem Gewissen solche zu defendiren sich nicht getrauet, soll er das gehaltene Protocoll dem Präsidenten nebst seinem Gutachten, (welches er an Eydes stat unterschreiben muß) einliefern: Da dann dieser dem Befinden nach den Supplicanten bedeuten, und zur Ruhe verweisen; oder, wann er noch einen Zweifel dabey findet, durch einen deputirten Rath den armen Kläger selber examiniren, und ob ihm zu helfen sey, untersuchen lassen muß.

§. 8. Würde eine arme Parthey wegen offenbahren Ungrundes ihrer Foderung abgewiesen, dieselbe aber sich nicht mit gleich und Recht begnügen, sondern Unsern Geheimten Etats-Rath, oder Se. königl. Majestät immediat behelligen, so soll dieselbe, wann sie die voran geführte Umstände verschwiegen, mit 14 tägigter bis 4 wöchentlicher Gefängniß halb bey Wasser und Brodt bestraft, und, wann sie abwesend, dessen Judici ordinario die Execution anbefohlen werden.


(111) Erster Theil. Tit. XVI.

§. 9. Wann auch die Sache zweifelhaftig wäre, und der Advocatus pauperum dem Kläger oder Beklagten sein Patrocinium nicht versagen könte, so soll denenselben, wann duae conformes erfolgen, niemahlen die dritte Instantz, in denen Puncten, worin sie conformes seyn, verstattet werden. Wann sich die beyde Urthel contrair seyn, soll die dritte Instantz verstattet werden.

§. 10. Wann auch ein armer in der Instantz succumbirt, und der Armen-Advocat bey seinem geleisteten Eyd dem Gericht anzeigt, daß er die Sache dergestalt beschaffen finde, daß er kein besser Urthel zu erhalten sich getraue, so soll ihm das Armen-Recht, wann es auch ein Soldat ist, sofort entzogen werden, weil Wir zwar denen Armen helfen, aber ihnen keine Gelegenheit geben wollen andre Leute zu chicanniren.

§. 11. Würde der Advocatus pauperum durch Krankheit oder andere erhebliche Verhinderung abgehalten, die Sache vorzutragen oder fortzusetzen, soll die Regierung ad interim die Sache einen andern Advocato auftragen, welcher solche ohnweigerlich anzunehmen schuldig.

§. 12. Wann beyde Theile das Armen-Recht erhalten, hat Unser Cammer-Gericht demjenigen Theil, welchem der Advocatus pauperum nicht bedient ist, einen Advocatum ex officio zu setzen, dessen sich kein Advocat entziehen soll.

§. 13. Damit auch Unser Cammer-Gericht von den Armen-Processen gewisse Nachricht haben möge, und die Sachen nicht liegen bleiben, so soll der Advocat alle drey Monath ein richtiges Verzeichniß aller Armen- und Soldaten-Sachen, und wie weit darinnen verfahren worden, dem Präsidenten bey 2 Rthlr. Strafe einliefern.

§. 14. Demjenigen, so zum Armen-Recht verstattet wird, sollen alle gerichtliche Ausfertigungen, auch bey denen Unter-Gerichten, umsonst, und zwar auf ungestempelt Papier, ertheilet werden.


(112) Erster Theil. Tit. XVI. XVII.

§. 15. Wann der Arme Recht erhält, oder sonst zu besserm Vermögen gelanget, muß er die Gerichts-Gebühren nach dem von ihm geleisteten Eyd begnügen.

Tit XVII.

Von dem Amt des Procuratoris und Actuarii Fisci, wie auch der Soldaten und Armen-Procuratore.

§. 1. Wir haben hiedurch nochmahl declariren wollen, daß kein Procurator künftig mit Processen und gerichtlichen Handlungen weiter etwas zu thun haben, sondern sich dessen enthalten solle.

Allermassen denen Advocaten obliegt die Correspondentzen in ihrem Nahmen durch ihre Schreiber zu führen.

§. 2. Wir sind aber zufrieden, daß die Advocaten die itzo fürhandene Procuratores, bis sie aussterben, als ihre Schreiber zu sothaner Correspondentz, und nicht weiter, gebrauchen können; sie müssen aber die Gebühren vor sothane Correspondentz in ihrem Nahmen liquidiren, und die Procuratores müssen sich mit demjenigen, was ihnen der Advocat nach beschehener Moderation zuwenden will, begnügen.

§. 3. Würde ein Procurator jemanden zu einem Process anrathen, eine Instruction aufsetzen, oder gerichtlich etwas verhandeln, so soll derselbe, insonderheit wann er von denen Partheyen etwas an Geld oder Geldes-Werth dafür genommen, cassirt, und überdem am Leibe gestraft werden.

§. 4. Wir befehlen Unserm Officio Fisci hierauf fleißig Achtung zu geben, und wann sie einen Procuratorem auf dem Gericht betreten, solches sofort dem Präsidenten anzuzeigen, welcher auf seine Uns geleistete Pflicht nach dieser Drohung gegen die Übertre(te)r verfahren soll.


(113) Erster Theil. Tit. XVII.

§. 5. Gleichwie aber bey denen Fiscaelischen Armen und Soldaten-Sachen dergleichen Procuratores unentbehrlich seyn; So wollen Wir zwey Subjecta darzu ernennen, wovon einer die Fiscalische, der andere aber der Soldaten- und Armen-Sachen respiciren soll; welche aber bloß in denen ihnen anvertrauten Sachen procuriren, in andere Justitz-Sachen aber bey Strafe der Cassation sich nicht mischen müssen.

§. 6. Dem Procuratori Fisci liegt ob die fiscaelische Sachen, und die Expeditiones auf die übergebene Sachen und abgestattete Berichte, (welche er zu solchem Ende sich wohl zu notiren hat, (bey denen Collegiis und Cantzeleyen fleißig zu sollicitiren, die Expeditions-Bücher nachzusehen, und in den Registraturen und Cantzeleyen sich darnach zu erkundigen.

§. 7. Was aus denen Provintzien an fiscaelischen Memorialien Schriften und Acten einläufft, hat er dem General(-)Fiscal jedesmahl vorzuzeigen; solches ungesäumt jeden Orts zu übergeben; um prompte Resolutiones und Verabscheidung, bescheidentlich und nöthigenfals wiederholentlich, anzuhalten; wegen der Remitterung nachzufragen, und solche zu urgiren. den auswärtigen Fiscaelen durch fleißige Correspondentz davon Nachricht, dem General(-)Fiscal aber Abschriften davon zu geben, und über solches alles ein ordentliches Journal zu führen.

§. 8. Insonderheit muß derselbe bey dem Ober-Appellations-Gericht, wann Sententzien publiciret werden, allezeit zugegen seyn, und Nahmens der auswärtigen Fiscaele das nöthige alsdenn beobachten, bey allen Cantzeleyen und in den Registraturen fleißig Nachricht einziehen, wann Edicte und Patente, schrifftliche General-Verordnungen, und Straff-Ordres ergeben, und davon jedesmahl in Zeiten die Abgebung der nöthigen Exemplarien und Abschriften an das Officium Fisci besorgen:. wann Acta nöthig, solche aufsuchen lassen, und herbey schaffen, oder was daraus verlanget wird notiren, auch sonst alles,


(114) Erster Theil. Tit. XVII.

was ihm in fiscaelischen Sachen noch besonders aufgetragen wird, fertig ausrichten, und zu dem Ende bey dem General-Fiscal sich fleißig einfinden.

§. 9. Der bey der Cammer besonders bestellte Procurator aber hat die daselbst vorkommende Aemter- und andere fiscaelische Cameral-Sachen, sonderlich ratone der Sollicitationen, Insinuationen, davon zu gebenden Nachrichten an die Cammer(-)Fiscaele, und darüber zu haltenden Journals seiner Bestallung gemäß zu besorgen, und nach vorbemeldtem §. in dienlichen Fällen, und nach Erforderniß des fiscaelischen Interesse, sich gleichfals zu reguliren.

§. 10. Besonders soll der beym General-Fiscalat bestellte Procurator noch eine genaue Liste von hiesigen und den Provincial-Fiscaelen halten; wenn hier einer stirbt sogleich dessen fiscaelische Acten zusammen nehmen und versiegeln, und von den Erben, sowohl hier als in den Provintzien, des Fiscalis Patent und Siegel zurück fodern; auch wegen der neu angekommenen Fiscaele davor sorgen, daß sie copiam von ihrer Bestallung zur General-Fiscalats-Registratur einsenden.

§. 11. Der Actuarius fisci muß alles, was bey dem General-Officio fisci zu expediren vorfällt, so bald es ihm zugestellet wird, ausfertigen; den Tag, wenn es geschehen, darauf notiren; darüber ein richtiges und genugsam deutliches Journal halten; Niemanden davon ohne des General-Fiscals Wissen und Willen, am wenigsten, und bey Cassation, den Innhalt oder gar Abschrifften dessen abgestatteten Bericht communiciren; auch, wenn es von ihm erfordert wird, das Protocoll schreiben, und zu solchem allen sich täglich bey dem General-Fiscal und auf der Registratur einstellen.

§. 12. Die Registratur muß derselben an dem dazu ernannten Ort, wo zugleich die fiscaelische Zusammenkünfte und Untersuchungen zu halten, worzu im Winter das nöthige Holtz gereichet werden soll, in guter und accurater


(115) Erster Theil. Titel XVII.

Ordnung, nach der ihm von dem General(-)Fiscal unterm 31ten Mart. 1740. ertheilten Vorschrifft, welche Wir hiermit in Gnaden bestätigen, führen; folglich die currenten von denen abgethanen Sachen absondern, über generalia eine besondere und wo nöthig subdividirte; und über die specialia wieder eine besondere Abtheilung, und zwar in diesen nach den Provintzien, halten; alle aber nach dem Alphabet des Zunahmens dessen, welchen die Sache angeht, aber wenn es generalia, der Sache wovon etwas handelt, in ein Repertorium von jeder Abtheilung, sofort als etwas einkommt, und ihm abgegeben wird, eintragen.

§. 13. Er soll auch die Acta der fiscaelischen Bestallungen continuiren, die Edicten und General-Rescripten-Bücher von Monath zu Monath fortsetzen, und in selbigen, wann Rescripta so zugleich generalia in sich enthalten bey andern Acten vorkommen, Copeyen davon eintragen; Die Bücher voran mit Designationen versehen; auch wann fiscalische Acten an Uns einzusenden, dergleichen Designation selbigen beyfügen; wann er etwas heraus giebt und wieder zurück bekommt, jederzeit notiren, alle Acten wohl verwahren, nichts davon abhanden kommen lassen, selbige hefften und foliiren, und was ihm im übrigen aufgetragen wird, treulich und sorgfältig zu Wercke richten.

§. 14. Der Soldaten- und Armen-Procurator muß die an ihn adressirte Schriften gehörigen Orts übergeben, für deren Expedition sorgen, denen Soldaten und Armen so oft es nöthig, Nachricht von ihren Processen ertheilen, auch was sie zur Beschleunigung thun sollen, an die Hand geben.

§. 15. Dahingegen müssen die Soldaten sowohl als die Armen die Briefe jederzeit franquiren.

§. 16. Schließlich müssen diese Procuratores durch folgenden Eyd sich verbinden:


(116) Erster Theil. Tit. XVII.

Der Armen-Procurator schweret also:

Ich N. N. schwere zu Gott, daß ich meinen Partheyen getrulich und ohnentgeldlich beystehen, deren Angelegenheiten gehörig besorgen, denenselben fleißig Nachricht von dem Zustand ihrer Sachen geben, und ihnen nach meinem besten Wissen und Gewissen rathen; im übrigen aber mich in keine andere Justitz-Sachen mischen, noch darin procuriren, und, wann die Advocaten sich meiner gebrauchen wollen, nichts weiter als die Correspondentz in deren Nahmen führen, aber auch dieserwegen nichts vor mich fodern, liquidiren, oder nehmen, sondern mit demjenigen zufrieden seyn wolle, was mir die Advocaten zuwenden werden. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum (et)c.

Der Procurator Fisci schweret nach folgendem Formular.

Ich N. N. schwere zu Gott, daß ich dasjenige was mir von dem Officio Fisci aufgetragen wird, fleißig ausrichten, die verfertigte fiscaelische Sachen überall besorgen, die Expeditiones zu rechter Zeit abfodern, und für deren Insinuation sorgen will. Im übrigen aber mich in keine andere Justitz(-)Sachen mischen noch darinn vor mich, und, wann die Advocaten sich meiner gebrauchen wollen, bloß und allein die Correspondentz in deren Nahmen fürhen, nichts aber dafür vor mich fodern, liquidiren, oder nehmen, sondern mit demjenigen zufrieden seyn wolle, was mir die Advocaten zuwenden werden. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum (et)c.


(117) Erster Theil. Tit. XVIII.

Tit. XVIII.

Von denen Notarien.

§. 1.

Nachdem die Erfahrung bishero gezeiget: Daß zum öftern die Verträge, Contracte, Handlungen, Zeugnisse, Rotuli, Instrumenta, testamentarische Dispositiones &c. mangelhaft, dunckel, unförmlich und unvollkommen aufgesetzt, und verfertiget worden; solches aber hauptsächlich von ungelahrten und unerfahrnen Notariis herrühret; so sollen künftig keine Notarii angenommen werden, welche nicht ihr ehrliches Herkommen, und bisheriges gutes Verhalten bescheiniget, und die Jura studirt haben, auch in pleno sowohl daraus, als aus der Notariat-Ordnung examiniret, und von Uns hiernächst bestätiget worden.

§. 2. Damit auch die Partheyen, welche sich derer Notarien gebrauchen, versichert seyn, daß sie zu diesem Amt authorisiret worden, so sollen die Notarii auf allen Instrumenten so sie verfertigen, den Ort ihrer Wohnung, und daß sie immatriculirt seyn, eigenhändig verzeichnen.

§. 3. Die von Uns confirmirte Notarii sollen schuldig seyn bey ihren Pflichten, die sie zum Amt geschworen, einem jeden der sie requirirt, wieder Uns und männiglich zu dienen.

§. 4. Sie müssen aber sich des Advocirens und Procurirens bey Straffe der Cassation enthalten.

§. 5. Alle Instrumenta, als letzte Willen, Codicille, Contracte, und was sie sonsten als Notarii zu verrichten, müssen sie aufrichtig, redlich und ohne Betrug schreiben und nachlesen, auch sich aller zweifelhaften Worte überall enthalten.

§. 6. Desgleichen müssen sie ein Protocollum, darinn alle und jede Handlungen, so vor ihnen ergangen, und


(118) Erster Theil. Tit. XVIII.

worüber sie requiriret worden, sofort eigenhändig halten und von denen offenen Instrumenten, so aus dem Protocoil gegeben werden, von Wort zu Wort gleichlautende Copeyen registriret behalten und verwahren.

§. 7. Bey Verfertigung derer Instrumenten, Contracten (et)c. sollen sie alle Clausuln und Renunciationes in tentscher Sprache setzen, und denen Contrahenten insgesamt die ihnen zustehende Rechts-Wohlthaten deutlich erklären.

§. 8. Wann ihnen etwas zu vidimiren übergeben wird, müssen sie die Abschriften mit denen Originalien fleißig collationiren, auch überdem bey allen ihren Verrichtungen weder auf einige Person, Geschencke noch Gaben, derer sie sich gäntzlich zu äussern, ihr Absehen richten.

§. 9. Wenn sie in Commussionen gebraucht, oder ihnen eine gutliche oder gerichtliche Handlung aufgetragen wird, müssen sie binnen acht Tagen entweder die Ursachen anzeigen warum sie die Sache nicht vornehmen können, oder die Citationes würcklich ergeben lassen, und in vier, höchstens aber in sechs Wochen, ihren Bericht, Rotulum (et)c. bey Verlust der Commissions-Gebühren, und arbitrairer Strafe, einschicken.

§. 10. Wann denen Notariis Zeugen-Verhöre aufgetragen werden (welches in geringen Sachen erlaubt ist) müssen sie dasjenige was wegen Abhörung der Zeugen unten P. 3. T. 28.verordnet ist, genau beobachten.

Weil auch die summariter aufgenommene Zeugnisse, ob gleich dieselbe mit einem Eyd bestärcket worden, in denen Gerichten dennoch nicht mehr als die unbeschworne Attestata beweisen, so wollen Wir, daß kein Notarius hinkünftig bey summarischer Abhörung der Zeugen den gewöhnlichen Zeugen-Eyd abschweren lassen solle, damit der Mißbrauch des Namens Gottes verhütet werde.

§. 11. Der Zeugen Aussage müssen die Notarii geheim halten, davon, bey Straffe der Cassation, so wenig denen Partheyen, als andern das geringste offenbahren,


(119) Erster Theil. Tit. XVIII.vielweniger vor Publicirung des Zeugen-Verhörs jemanden sehen oder lesen lassen, zu welchem Ende sie ihre Protocolla wohl verwahren sollen, damit in ihrer Abwesenheit, oder sonst, niemand darzu kommen könne.

§. 12. Wann sie Documenta insinuationis verfertigen, sollen sie den eigentlichen Tag, darinn Insinuatio geschehen, exprimiren, wie auch umständlich verzeichnen was sonst der Insinuant von demjenigen was bey der Insinuation gesprochen worden und vorgegangen, referiret.

§. 13. Wann ein Notarius verstirbet, sollen dessen Erben selbe Protocolla demjenigen Judicio unter dessen Jurisdiction sich ihr Erblasser aufgehalten, bey zehn Rthlr. Straffe einsenden.

Es liegt auch des Orts Obrigkeit ob, ex officio die Protocolla gegen schrifftliche Recognition mittels richtiger Verzeichniß zu erheben, zu versiegeln, und auf dem Gericht in sichere Verwahrung zu hinterlegen, damit diejenige so daran interessiren, darzu einen Recurs haben, und wegen Mangel solcher Protocollen keinen Nachtheil empfinden, auch, was in geheim gehalten werden soll, als Depositiones testium, Testamenta (et)c. nicht für der Zeit publicirt werden; gestalten dann die Gerichte zu solchem Protocollis ohne genugsame Untersuchung und Erkäntniß niemanden verstatten sollen.

§. 14. Die Notarii müssen, wann ihnen von dem Cammer-Gericht einige Commissiones aufgetragen werden, bey Straffe der Cassation keine Commissions-Gebühren von der Parthey fodern oder nehmen, sondern dieselbe besage der Commissions-Ordnung praevia liquidatione aus der Sportul-Casse erwarten.


(120) Zweyter Theil. Tit. I.

Zweyter Theil.

Tit. I.

Von denen bishero bey dem Cammer-Gericht ratione modi procedendi eingeschlichenen Mißbräuchen und deren Remedirung.

§. 1.

Wir haben bey Untersuchung des Justitz-Wesens in Unserm Cammer-Gericht wahrgenommen:

1. Daß bey denen Sessionen auf eine tumultuarische Art verfahren, die Räthe entweder gar nicht, oder nicht zu rechter Zeit erschienen; keine Ordnung im Proponiren gehalten, und daher wenig Sachen in denen Audientzen haben abgemachet werden können.

2. Daß bey dem Constitutioniren, das ist, bey dey denen mündlichen Vorträgen derer zur Instruction des Processes gehörigen Vorstellungen) worauf hauptsächlich die Beschleunigung der Proccesse beruhet) alles in der grösten Confusion tractiret, dergleichen Sachen durch schriftliche Memorialien gesucht, andere, die zum schriftlichen Vortrag gehören, mündlich vorgetragen, die Decreta darauf ohne Ueberlegung verfertiget, und dadurch unzählige Decreta contra Decreta veranlasset worden.

3. Daß die schriftliche Supplicata denen Räthen, von der Parthey und Advocaten mehrentheils ins Haus zum Decreriren hingegeben, und von denen Räthen ohne Distribution, ohne Nachsehung der Acten, ohne Vortrag im Collegio &c, nach Faveur der


(121) Zweyter Theil. Tit. I.

Persohnen darauf decretiret;  die im Collegio übergebene Memorialien aber mehrentheils zurück geleget, gar keine Resolution darauf ertheilet, und durch die dieserwegen vielfältig geführte Klagen die Acta mit unzähligen Memorialien überhäuft, die Processe verschleppet, und die Partheyen mit unerträglichen Kosten beschweret worden.

4) Daß auf Memorialien, worin einige Incident-Puncten vorgetragen worden, ohne den Gegentheil darüber zu hören durch einen Collegial-Schluß decretirt, und dieses Decretum vim Sententiae erhalten hat, wodurch unzehlige Appellationes entstanden.

5) Daß diejenige Sachen, welche propter periculum in mora ad Protocollum verwiesen worden, viele Jahre verzögert, und wann endlich die Sachen geschlossen gewesen, die Behörs-Bescheide und Urthel in Jahr und Tag nicht publicirt worden.

Endlich und (6) so hat auch dieses eine grosse Verzögerung bey der Justitz verursachet, daß Acta an auswärtige Universitaeten verschicket worden, wo mehrentheils schlechte, und in praxi unerfahrne Professores sich befinden, und von welchen so viel Nullitaet begangen worden, daß man die Urthel ab actis removiren, und Acta mit grossen Kosten der Partheyen, und Verschleppung der Justitz, anderweitig verschicken müssen: zu geschweigen, daß man unterweilen in Jahr und Tag die Urthel nicht zurück erhalten können.

§. 2. Weil nun aus diesen und vielen andern Unordnungen nicht anders erfolgen können, als daß die arme Unterthanen zum Raub der Richter und der Advocaten, folglich durch die unerschwingliche Kosten ruiniret werden müssen; zugeschweigen, daß von denen Processen kein Ende abzusehen gewesen. So haben wir denen unzähligen Klagen einmahl Ziel und Maaß setzen, alle diese


(122) Zweyter Theil. Tit. I. II.

ordnungen abstellen, und zu dem Ende Unserm Cammer-Gericht wegen aller vorbemeldeten Puncte folgende Ordnung vorschreiben wollen.

Tit. II.

Ordnung, wie es bey denen Sessionen in dem Cammer-Gericht gehalten, und was darin verhandelt werden soll.

§. 1.

Nachdem Wir das Cammer-Gericht in drey Senatus vertheilet haben, so müssen diese Senate an denen gesetzten Gerichts-Tagen Morgends früh um 8 Uhr auf dem so genannten Collegien-Haus sich einfinden.

§. 2. Der Erste, oder der unterste Senat versammlet sich in der Hof-Gerichts-Stube, und werden daselbst diejenige Sachen verhandelt welche P. I. Tit. V. demselben beygelegt worden: Es muß auch daselbst bey denen Sessionen, Vorträgen derer Memorialien, Verhören, Ablesung der schriftlichen Relationen (et)c. wie bey denen folgenden Senaten verfahren werden.

§. 3. Der Zweyte und Dritte Senat versammlet sich um gleiche Stunde in dem Audientz-Saal des Cammer-Gerichts. Und macht der erste Präsident den Anfang der Handlung mit Publication derer eingelaufenen Rescripten, und besorget nach der ihm P. I. T. 3. §. 6. ertheilten Vorschrift die Expedition.

§. 4. Wann solches geschehen, werden die schriftliche Memorialien, welche des Tags vorher denen Räthen dieser beyden Senaten distribuirt worden, in der Tit. seq. IV. vorgeschriebenen Ordnung vorgetragen.

§. 5. Gegen 9 Uhr müssen die Advocaten herein gefodert werden, und der Cantzley-Diener lieset den Tage-Zettel, worin die Sachen die denselben Tag tractiret werden, sollen enthalten seyn, ab, nemlich:


(123) Zweyter Theil. Tit. II.

1. Die Verhöre.

2. Die Eydes-Leistungen.

3. Die Relationes commissariorum, Rotulus testium, Testamenta &c. welche zu publiciren seyn.

4. Die Inrotulationes actorum.

5. Die fertige Behörs-Bescheide und Urthel, so publiciret werden sollen.

6. Güther und Häuser die gerichtlich verkauft werden.

§. 6. Wann ein Advocat bey dem Ablesen der Verhöre sich nicht meldet, soll er in diesem Termino nicht weiter gehöret werden, sondern er muß einen andern Terminum ausbringen, und dem Gegentheil die Contumacial-Kosten erstatten; Es wäre denn, daß er 1 Rthlr. In die Sportul-Casse erlegen wolte. Vid. P. 1. Tit. 13. §. 32.

§. 7. Nach abgelesenem Tage-Zettel wird contumacia derer ausgebliebenen Partheyen accusiret.

§. 8. Wann solches geschehen, werden diejenige Decreta, welche auf die Constitutions-Protocolla in der vorigen Session verfertiget worden, vorlesen (= verlesen).

§. 9. Nach Verlesung derer Decreten tragen die Advocaten diejenige Memoralien welche zum Constitutioniren, das ist, zur Instruction des Process gehören, mündlich vor, wovon Tit. seq. die Ordnung vorgeschrieben wird.

Unterdessen verfüget sich der zweyte Senat in die Neben-Stube, um die schriftliche Relationes welche zu dessen Departement gehören, zu verlesen, und die Bescheide oder Urthel darüber abzufassen.

§. 10. So bald die Advocaten mit dem Constitutioniren fertig seyn, muß der dritte Senat die Decreta darauf, nach Anleitung des Tit. seq. §. 6. verfertigen, auch nachher, wann noch einige Zeit übrig ist, die zu diesem Senat gehörige schriftliche Relationes verlesen und abthun.


(124) Zweyter Theil. Tit. II. III.

Die Advocaten aber verfügen sich zu dem zweyten Senat in die Neben-Stube, wo ihnen die fertige Bescheide und Urthel publicirt werden: wann solches geschehen, warten sie die mündlichen Behöre ab welche auf den Tag angesetzet worden, und worauf der zweyte Senat die Behörs-Bescheide entweder sofort, oder in der nächsten Audientz verfertigen und publiciren muß. Vid. Tit. seq. V.

§. 11. Bey dem Constitutioniren führet ein Rath oder Referendarius das Haupt-Protocoll und ein andrer Referendarius das Neben-Protocoll: welches Neben-Protocoll denen Acten beygeheftet werden soll.

§. 12. Des Sonnabends müssen der zweyte und dritte Senat, und zwar jeder in seinem Zimmer, die in der Woche übrig gebliebene Re- und Correlationes verlesen, und die Urthel verfertigen, auch was in der Wochen noch übrig geblieben, abthun. Vid. Part. 1. Tit. 2. §. 2.

Tit. III.

Von dem Constitutioniren oder mündlichen Verträgen derer Memorialien, welche zur Instruction des Process gehören.

§. 1.

Es hat die Erfahrung gezeiget, daß die Acta bey Unsern Justitz-Collegiis (a) mit unzähligen Memorialien überhäuffet worden, welche (b) die Partheyen öfters von Leuten so die Rechte und Praxin nicht verstehen, noch die Acta gelesen, verfertigen lassen, dahero die Petita mehrentheils contra jura & acta eingerichtet, und nachhero von geringen und elenden oder malitieusen Advocaten unterschrieben, auch solche (c) diesem oder jenem Rath zugestecket worden, welcher (d) öfters ohne genugsame Ueberlegung, oder aus Absichten darauf decretiret, da dann (e) nicht anders seyn können, als daß diese


(125) Zweyter Theil. Tit. III.

Decreta auf des Gegentheils Vorstellung wieder aufgehoben, und solchergestalt (f) Decreta contra Decreta ertheilet werden müssen: zu geschweigen, daß (g) die Verfertigung, Praesentirung, Expedirung und Insinuation eines jeden Memorials viele Zeit und Kosten erfordert,und daß (h) durch die unendliche Menge sothaner kostbaren Memorialien die Processe verewiget, und die Unterthanen durch die unerschwingliche Kosten ruiniret worden, insonderheit da (i) einige gewinnsüchtige Advocaten durch diesen Kunstgrif alle Verhöre wendig zu machen, und durch allerhand ungegründete Vorstellungen den Lauf der Justitz zu hemmen, und das Ende der Processe zu hindern gesucht haben.

§. 2. Diesem Unfug nun abzuhelfen, ordnen und wollen Wir, daß hinkünftig kein Memorial, welches zur Instruction des Processus gehöret, weiter schriftlich übergeben werden, sondern von denen Advocaten die Nothdurft in Gegenwart derer Räthe und übrigen Advocaten mündlich vorgetragen, und sochergestalt cum causae cognitione decretiret werden solle.

§. 3. Weil aber solches nicht geschehen kan bis beyde Theile ihre Mandatarios ad acta bestellet haben, so verstehet sich von selbsten, daß, ehe und bevor diese bestellet werden, alles schriftlich gesuchet, und dahero der Libellus actionis, und, wann der Gegentheil nicht erscheinet, oder das Verhör nicht abwartet, die Accusationes contumaciae schriftlich übergeben werden müssen.

§. 4. Wann aber der Gegentheil von seiner Seiten gleichsfalls einen Advocaten bestellet, so können beyde Advocati nichts weiter schriftlich übergeben, sondern sie müssen z. E. die Dilationes, Publicationes sententiarum & rotulorum testium, Executiones, und alles was zur Instruction des Processus gehöret, mündlich bitten, in specie müssen sie die Haupt-Schriften, wann loco oralis oder schriftlich verfahren wird, bey dem mündlichen Vortrag in duplo übergeben, auch das Original


(126) Zweyter Theil. Tit. III.

dem Collegio, die Copey aber dem Gegentheil zustellen.

§. 5. Wann ein Advocat etwas gegen den mündlichen Vortrag seines Gegentheils einzuwenden hat, muß er solches in continenti vorstellen, und die Ursachen, warum dem Petito nicht deferiret werden könne, kurtz anführen. Worauf der Implorante, wenn er es nöthig findet, mit wenigen repliciren, und der Implorante dupliciren kan.

§. 6. Wann der Vortrag von allen Advocaten geschehen, und dieselbe abgetreten, werden die Decreta von der ersten Senat, welcher die Vorträge ad protocollum genommen, verfertiget.

Er muß aber damit behutsam verfahren, und, wo das geringste Dubium darbey ist, Acta nachsehen: insonderheit muß allezeit, wann die Advocaten Dilation fordern, gefragt und nachgesehen werden ob es prima oder secunda sey. Weil die Dilationes, nachdem die Advocaten keinen Process ohne völlige Information zu haben annehmen sollen, nicht leicht verstattet werden müssen, wann auch schon der gegenseitige Advocat, und zwar öfters wider seine Pflicht, consentiret.

Wann sich auch nachhero finden solte, daß ein Advocat etwas wider die Rechte und Ordnung vorgetragen und erlanget hätte, so soll sowohl dieser, als der gegenseitige Advocat, welcher nicht contradiciret, mit 2 bis 5 Rthlr. Strafe belegt werden. Und liegt dem Präsidenten ob, bey monatlicher Revision der Acten darauf Achtung zu geben.

Die verfertigte Decreta werden in der nächsten Session publiciret. Vid. Tit. praec. §. 6.

§. 7. Das Haupt-Protocoll wird des Nachmittags denen Partheyen in der Parthey-Stube öffentlich in Gegenwart eines Cantzelisten vorgelegt, da dann einem jeden Advocaten frey stehet, Copiam von denen publicirten Decretis ohnentgeldlich zu nehmen, und seine Privat-Acte zu completiren.


(127) Zweyter Theil. Tit. III.

Wann sich aber ein Advocat des Decreti in seinen Schriften bedienen, und solches als eine Beylage anführen will, muß er es bey dem Protonotario suchen, und unter dessen Hand, gegen zwey zur Sportuln-Cassa zu erlegende Groschen, ausfertigen lassen.

§. 8. Da sich auch wohl zuträget, daß der Advocatus nicht in continenti auf des andern mündlichen Vortrag zu antworten vermag, weil er nöthig findet vorhero Acta nachzusehen, oder Information ratione novi facti von seinem Clienten einzuhohlen, oder der Substitutus in Abwesenheit des Advocati, eine Dilation zu antworten ad proximam bittet (et)c. So stehet bey dem Collegio, NB. wann die Decision sich nicht ex ipsis actis ergiebet, (welchenfalls das Collegium auf den Vortrag, ohne Erwartung der gegentheiligen Antwort, decretiren kan und muß,) demselben auf einen, zwey, oder mehr Gerichts-Tage Dilation zu geben.

Es verstehet sich also von selbsten daß kein Advocat sich in genere auf die Acta beziehen müsse.

§. 9. Wann auch bey dem Constitutioniren Sachen vorgetragen werden, welche weitläuftig und altioris indaginis seyn, wogegen viele Facta oder Exceptiones vorgestellet werden müssen (et)c. So stehet sowohl dem Kläger als dem Beklagten frey, auf Verhör, oder auf ein Verfahren loco oralis zu provociren; welches auch, wann die Sache ex ipsis actis nicht ihre abhelfliche Masse findet, nicht versagt werden kan. Wanu sich aber finden solte, daß der Advocat freventlicher Weise  auf Verhör provocirt, und dadurch die Sache aufgehalten hätte, soll derselbe jedesmahl mit 2 bis 5 Rthlr. Strafe belegt werden.

§. 10. Wann sich jemand gegen das publicirte Decret graviret befindet, kan er in der nächsten Audientz nochmahlige Vorstellung dagegen thun, was aber alsdann resolviret wird, dabey soll es lediglich sein Bewenden haben, und solches vim judicati haben.


(128) Zweyter Theil. Tit. III.

§. 11. Weil nun bey diesem Constitutioniren nothwendig Acta bey der Hand seyn müssen, damit die Verordnungen, welche eine Nachsehung der Acten bedurfen, durch deren Mangel nicht ausgesetzet, und dadurch die von Uns intendirte Beschleunigung der Justitz nicht gehindert werden möge; So befehlen Wir Unsern Räthen, bey Vermeidung Unserer Ungnade, keine Acta mit nach Hause zu nehmen, und, wann ihnen ja einige zugeschrieben werden, jederzeit die Specification von denen Acten so sie bey sich haben, mit auf das Cammer-Gericht zu bringen, da ihnen dann das Protocoll, worauf decretiret werden soll, mitgegeben werden muß, damit sie in der nächsten Audientz den Vortrag daraus thun, und mit Publication des Decreti verfahren werden könne. Wie dann auch denen Secretarien und Cantzelisten hierdurch, bey willkührlicher Strafe, verbothen wird, einige Acta in ihrem Hause zu behalten, allermassen sie alles in der Cammer-Gerichts-Cantzeley expediren sollen und müssen. (Vid. supr. Part. I. Tit. 9. §. 3.)

Insonderheit müssen die Räthe welche die Güthe versuchen sollen, oder denen sonst Commission aufgetragen worden, keine Acta bey sich behalten, sondern, wann sie ja bey Versuchung der Güthe (et)c. die Acta nöthig haben, solche jederzeit aus der Registratur abfordern.

Denen Fiscaelen wird gleichfalls bey Strafe der Cassation verbothen, einige Acta aus der Registratur an sich zu nehmen; Wann aber ein Actus inquisitionis würcklich von ihnen verrichtet wird, und sie die Acta nothwendig dazu haben müssen; oder ihnen eine Deduction ex Actis zu verfertigen aufgetragen worden, sollen ihnen solche, praescitu Praesidis, gegen einen Schein auf eine kurtze und gewisse Zeit abgefolget werden, sie müssen aber sofort, wann der Actus vorbey, die Acta wieder in die Registratur bey 2 Rthlr. Strafe einliefern. (Vid. Part. I. Tit. 13. §. 42.)


(129) Zweyter Theil. Tit. III.

§. 12. Weil nun solchergestalt alle Memorialien, welche zur Instruction des Processus gehören, in einem Tag mündlich vorgetragen, decretiret, und ohne daß es denen Partheyen das Geringste kostet, publiciret werden; folglich keine Decreta contra Decreta, auch kein Aufenthalt durch die viele und kostbare Vorstellungen zu fürchten; So müssen Unsere Räthe bey der Pflicht, womit sie Uns verwandt seyn, auf diese Einrichtung genau halten, und nichts was derselben zuwieder ist verstatten.

§. 13. Gleichwie aber in denen Ferien die schriftliche Supplicata nothwendig verstattet werden müssen, also sollen dieselbe alsdann zugelassen, und es mit deren Distribution, Vortrag und Expedition, wie Tit. seq. versehen, gehalten werden.

§. 14. Damit es aber mit der Expedition derer in denen Feriis einlaufenden Sachen desto geschwinder zugehen möge, so sollen in denen grossen und kleinen Ferien die alsdann gegenwärtige Räthe alle Woche einmahl zusammen kommen, alle Memorialia nach der Tit. seq. vorgeschriebenen Ordnung vortragen, darauf decretiren, auch solche expediren und insinuiren lassen: In Wechsel- wie auch Arrest- und anderen Sachen wo periculum in mora, auch wann Declatio Sententiae gesucht wird, können in denen Ferien Verhöre angesetzet, die Executiones auch nach Anleitung Unserer in P. 1. Tit. 2. §. 5. geschehenen Declaration veranlasset werden.

Wie dann auch die Räthe, welche Relationes fertig haben, solche in denen Ferien verlesen müssen.

§. 15. Und weil diese Einrichtung erfordert, daß die sämtliche Advocati nothwendig an denen zum Constitutioniren verordneten Tagen auf der Regierung beysammen seyn müssen; Als ordnen und wollen Wir weiter, daß dieselbe in denen bemeldeten Tagen des Morgens um 8 Uhr, bey 1 Rthlr. Strafe zur Sportul-Casse, sich auf dem Cammer-Gericht einfinden, und ohne die höchste Noth nichts durch die Substitutos (welche wenige Information


(130) Zweyter Theil. Tit. III. IV.

von den Sachen zu haben pflegen) vortragen lassen.

Unterdessen stehet dem Collegio dennoch frey auf einseitigen Vortrag, wann sich die Resolution aus denen Actis ergiebet, ohnerwartet des Advocati oder Substituti Antwort, inspectis actis zu decretiren.

§. 16. Es müssen auch die Advocati für diesen mündlichen Vortrag keine Gebühren anrechnen, weil ihnen vor die Verhöre mehr als gebräuchlich gewesen passiret worden.

§. 17. Es verstehet sich im übrigen von selbsten, daß die ausser Berlin wohnende Advocaten und Fiscaele (wann sie nicht in prima Instantia in der Sache patrocinirt Vid. P. 1. T. 14. §. 40.) sich mit der Direction der Processe weiter nicht bemengen, sondern solche bey Strafe der Cassation denen in Unserer Residentz wohnenden Advocaten lediglich überlassen müssen. Wie denn auch die Räthe und andere Justitz-Bediente, it. die Magisträte und Unte-Gerichts-Advocaten, wann sie in ihren eigenen Sachen Processe führen, die Nothdurft bey dem Constitutioniren vortragen lassen müssen. Vid. Part. I. tit. 14. §. 2. (et) 3.

Tit. IV.

Von denen schriftlichen Memorialien, und wie es mit deren Distribution, Vortragung, Expedition, und Insinuation gehalten werden soll.

§. 1.

Weil viele Sachen vorfallen, welche nicht zur Instruction des Processes gehören, sondern auf Neben-Puncten ankommen; als editionem documentorum, praestationem cautionis, sequestrationem, attentata & c.


(131) Zweyter Theil. Tit. IV.

oder wann es auf interpositionem fatalium, Beweißführung (et)c. ankommt, oder der Vortrag (wann auch derselbe zur Instruction des Processes gehörte) wegen der dabey vorkommenden Umstände zu weitläuftig fallen solte, oder wann von einem Theile noch kein Advocatus bestellet worden, (et)c. so verstehet sich von selbsten, daß dergleichen Sachen durch schriftliche Memorialien vorgestellet werden müssen.

§. 2. Alle Supplicata, so schriftlich übergeben werden, müssen dem Registratori eingehändigt werden um das Praesentatum darauf zu schreiben. Vid. supr. Part. 1. Tit. 9. §. 4.

§. 3. So bald ein Memorial praesentiret worden, müssen die Registratores die Acta dazu anschaffen, und parat legen; auch eine Specification von allen Sachen, so denselben Tag einlaufen, verfertigen, und diese dem Präsidenten zur Distribution des Nachmittags um 4. Uhr zusenden. Vid. P. 1. Tit. 9. §. 4. seq.

Da dann der Präsident den Nahmen derer Räthe, welche decretiren sollen, ad marginem setzet. Vid. P. 1. Tit. 3. §. 15. Tit. 9. §. 6.

§. 4. Wann der Cantzeley-Diener die Specification zurücke bringet, müssen die Registratores die Acta zu jedem Memorial legen, welche der Diener noch denselben Tag denen ernannten Decernenten hinbringen soll, damit die Räthe gehörige Zeit haben mögen die Memorialien mit denen Acten zu conferiren, und in der nächsten Session daraus zu referiren. Vid. P. 1. Tit. 19. §. 6.

§. 5. Derjenige Rath der zum ersten mahl decretiret hat, (welches der Registrator auf die Specification zugleich notiren muß) soll perpetuus decernens bleiben, und vor die Richtigkeit des Vortrags stehen. Wann über dessen Decret geklaget wird, soll der Präsident ihm einen Correferenten zugeben, welcher in pleno daraus den Vortrag thun muß.

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(132) Zweyter Theil. Tit. IV.

§. 6. Die Räthe müssen die Decreta nach der Vorschrift Part. 1. Tit. VI. §. 2. seq. verfertigen, und in der nächsten Audientz vortragen.

§. 7. Damit aber der Präsident wissen möge ob alle Memorialien vorgetragen werden, so müssen demselben die Specificationes in der Audientz vorgelegt werden, da er dann, wann der Vortrag geschehen, den Nahmen der Partheyen durchstreichen, die Specification aber nicht eher bis alle Sachen vorgetragen worden weglegen muß.

§. 8. Sobald die Sache decretiret seyn, müssen sie denen Secretariis, zu deren Departement dieselbe gehören zur Expedition zugestellet werden. Vid. P. 1. T. 8. §. 2. seq.

§. 9. Die expedirte Sachen müssen desselbigen Tages des Abends um vier Uhr denen Räthen welche decretiret haben zur Revision zugesandt, und von dem Cantzeley-Diener, wann die Revision geschehen, denen Cantzelisten zu mundiren hingebracht werden. Vid. Part. 1. Tit. 8. §. 21.

§. 10. Die Cantzelisten müssen des folgenden Tags früh mit der Mundirung fertig seyn, damit die mundirte Sachen dem Präsidenten des Nachmittags zur Unterschrift und Siegelung zugestellet werden können. Vid. P. 1. Tit. 10. §. 8.

§. 11. Von denen unterschriebenen und gesiegelten Sachen wird eine Specification verfertiget, welche in der Parthey-Stube ausgehangen wird, damit ein jeder Advocat die ihn angehende Verordnungen auslösen können. vid. P. 1. T. 8. §. 6. Wann des Vormittags dieselbe nicht abgefordert und ausgelöst werden, muß der Bothenmeister die übrig gebliebene Verordnungen des Nachmittags durch die Bothen denen Advocaten ex officio insinuiren, diese aber die Insinuations-Gebühren ex propriis bezahlen. d. §. 6.

§. 12. Weil nun durch diese Veranstaltung alle Decreta den ersten Tag expedirt, den andern Tag mundirt,


(133) Zweyter Theil. Tit. IV. V.

unterschrieben und gesiegelt, den dritten Tag aber abgefordert werden müssen; so fallen alle unnöthige und kostbare Sollicitatur- und Insinuations-Gebühren von selbsten hinweg.

Tit. V.

Wie bey denen mündlichen Verhören zu verfahren.

§. 1. Mündliche Verhöre sollen bloß in denenjenigen Sachen angesetzet werden, welche keine weitläuftige Ausführung erfodern, und von keiner sonderbaren Wichtigkeit seyn, oder wo periculum in mora fürhanden. Vid. P. 3. T. 1. §. 3. & T. 5. §. 3.

Als z. E. in Wechsel- und klarer Schuld- Aliment- auch Injurien-, Turbations-, Arrest- und andern dergleichen Sachen.

§. 2. Wann eine Sache zum mündlichen Vortrag kommt, muß der Präsident, nebst denen Räthen, das Protocoll mitführen, auf den Vortrag genau Achtung geben, folglich alle andre Sachen beyseite legen, und solchergestalt sich völlig von der Sachen informiren. Vid. P. 1. T. 3. §. 20. & T. 6. §. 9. &. §. 19.

§. 3. Die Advocaten müssen den Vortrag kurtz fassen, und sich zu Hause darzu praepariren.

Conf. pr. Instr. p. 18. §. 79.

§. 4. Wann der Beklagte im ersten Termino nicht erscheinet, und des Klägers Advocat dessen contumaciam nicht accusirt, noch einen andern Terminum extrahirt, soll dieser 2. bis 5. Rthlr. Strafe geben. Vid. supra P. 1. T. 14. §. 52.

§. 5. Derjenige Rath, welchen die Termins-Acta zu der Sache distribuiret worden, (Vid. Part. 1. Tit. 9. §. 8.) muß den Vortrag entweder in ipso termino oder in der

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(134) Zweyter Theil. Tit. V. VI.

nächsten Audientz daraus thun, und den Bescheid juxta majora abfassen, auch die Haupt-Rationes decidendi mit inseriren, welcher Bescheid ohne weitere Citation publicirt werden muß.

§. 6. Die Bescheide müssen von allen Räthen des Senats unterschrieben werden.

§. 7. Bey denen mündlichen Verhören führet das Haupt-Protocoll der jüngste Rath, oder, wann derselbige gehindert wird, einer von denen Referendariis: das Neben-Protocoll aber welches ad Acta gelegt wird, führet allezeit ein Referendarius.

Tit. VI.

Von denen Sachen worinn Loco Oralis, oder schriftlich verfahren worden, wie solche distribuiret, die Urthel darinn abgefaßt, und publiciret werden sollen.

§. 1. Wann der Richter findet daß eine Klage dergestalt beschaffen, daß, wann auch schon ein Terminus eventualis angesetzt wird, dennoch die Sache in Termino wegen ihrer Weitläuftigkeit nicht mündlich vorgetragen werden könte: So kan der Richter, zur Gewinnung der Zeit, gleich Anfangs die Sache von 3. zu 3. oder von 8. zu 8. oder von 14. zu 14. Tagen; oder zum Schrifft-Wechsel von 3. zu 3. oder von 4. zu 4. Wochen verweisen. Vid. Part. 1. Tit. 6. §. 7. Und weil Wir supponiren daß der libellus actionis völlig instruirt ist, muß der Beklagte angewiesen werden excipiendo den Anfang zu machen.

Conf. pr. Instr. p. 18. §. 86.

§. 2. Wann eine Sache Rechtshängig ist, und einige Incident-Puncten darbey vorfallen welche eine nähere Einsicht und Ausführung erfordern, so kan der Richter dem


(135) Zweyter Theil. Tit. VI.

Decreto entweder einen eventualen Terminum ansetzen, oder die Sache sofort loco oralis von 3. zu 3. oder von 8. zu 8. Tagen verweisen. Vid. Part. 1. Tit. 6. §. 7.

§. 3. Diejenige Sachen welche loco oralis verwiesen werden, können nicht anders als mündliche Vorträge angesehen werden, welche das Collegium wegen Enge der Zeit zum schrifftlichen Verfahren aussetzet.

Dahero kein Stempel-Papier dabey nöthig ist, keine Dilationes verstattet, keine Termini Inrotulationis angesetzt, auch denen Advocaten blos die Termins(-)Gebühren dafür bezahlet werden. Es wäre dann daß die Sache schwer, und eine weitläuftige Ausführung erfordere, welchenfals vor beyde Schrifften 3. bis 4. Rthlr. passiren sollen.

§. 4. Wann in dergleichen Sachen duplicando geschlossen worden, müssen die Registratores denselben, oder höchstens den folgenden Tag, die Acta heften und foliiren, solche in das Distributions(-)Buch einschreiben, und dieses dem Präsidenten, zu Benennung eines Referenten, durch einen Cantzley-Diener in einer verschlossenen Lade zusenden. Vid. Part. 1. T. 9. & 10.

§. 5. Wann der Präsident den Referenten benennet, muß der Cantzley Diener die Lade sofort dem Registratori zurücke bringen, dieser aber die Acta ohnverzüglich dem benannten Referenten durch einen auf die Acta geklebten Zettul, mit Beyfügung des Tages, wohl verwahrt zufertigen, damit niemand des Referenten Nahmen erfahren möge. Vid. P. 1. T. 11. §. 20.

§. 6. Der Referente muß höchstens binnen 8 Tagen eine schriftliche Relation cum rationibus dubitandi & decidendi ex actis verfertigen, und solche in der nächsten Session, oder wann die Zeit zu kurtz fällt, den nächsten Sonnabend in seinem Senat referiren, die Urthel juxta majora abfassen, und NB. die Haupt-Rationes decidendi

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(136) Zweyter Theil. Tit. VI.

dem Behörs-Bescheid einfliessen lassen. Vid. P. 1. T. 6. §. 17.

§. 7. Der Bescheid muß dem Präsidenten verschlossen zugestellet werden, um solchen in der nächsten Session, absque citatione partium, zu publiciren.

§. 8. Wann eine Sache zum ordentlichen Schrift-Wechsel verwiesen, und duplicando darin geschlossen worden, muß der Richter bey Uebergebung der Duplic terminum inrotulationis ad proximam ansetzen, welcher Terminus niemahls prorogirt werden soll.

§. 9. Wann die Inrotulation geschehen, muß der Registrator denselben Tag Acta in das Distributions(-)Buch eines Re- und Correferenten, durch den Cantzley-Diener verschlossen zusenden, dieser aber wie oben §. 5. verordnet, die Sache weiter befodern. Vid. P. 1. Tit. 11. §. 20.

§. 10. Der Referent muß eine umständliche schriftliche Relation cum rationibus dubitandi & decidendi verfertigen, solche höchstens binnen 14 Tagen fertig machen, oder vor jeden Tag 1 Fl. in die Sportuln(-)Casse erlegen; es wäre denn daß die Sache sehr weitläuftig, oder ein anderes unvermeidliches Impedimentum sich herfür thäte, und dem Präsidenten solches angezeiget würde; in welchem Fall dem Referenten noch 8. Tage zu Verfertigung seiner Relation verstattet werden können. Vid. P. 1. T. 6. §. 17.

§. 11. Wann der Rath mit seiner Relation fertig, muß er dieselbe dem Präsidenten (welcher das Datum darauf notiren soll) einliefern, die Acta dem Correferenten mit Beyfügung des Dati zusenden, sich aber gegen denselben nicht das geringste von seiner Meynung oder Voto mercken lassen. Vid. P. 1. T. 6. §. 17. in fin.

§. 12. Der Correferent muß binnen gleicher Zeit, und unter eben derselben Condition, seine Correlation verfertigen, dieselbe gleichfalls dem Präsidenten verschlossen zusenden, die Acta aber der Registratur wieder einliefern.


(137) Zweyter Theil. Tit. VI.

§. 13. Der Präsident muß dafür sorgen, daß beyde Relationes in demjenigen Senat, wohin die Sache gehöret, ohnverzüglich verlesen, das Urthel juxta majora abgefaßt, und ohne weitere Citation der Partheyen sofort publicirt werde.

Es müssen in allen dergleichen Sachen besondere rationes decidendi abgefaßt, und dem Urthel beygelegt werden, damit, wann Remedia ergriffen werden, der Judex Superior mit desto besserem Grund in der Sache erkennen möge.

§. 14. Wann ein Re- oder Correferent durch eine langwierige Kranckheit, oder andern Zufall verhindert wird seine Relation zu verfertigen, muß der Präsident einen andern Referenten bestellen. Vid. P. 1. T. 6. §. 17.

§. 15. Damit aber der Präsident auch versichert seyn möge, daß mit denen Re- und Correlationen richtig eingehalten werde, so muß er sich alle Montage die Distributions(-)Bücher in pleno vorlegen lassen, sich bey einer jeden Sache, ob sie abgethan sey, erkundigen, die abgethane Sachen auslöschen, von denen Räthen aber so im Rückstand geblieben den 1 Fl. für jeden Tag beytreiben lassen. (Vid. P. 1. Tit. 3. §. 12.) Und soll dem Collegio nicht frey stehen davon zu dispensiren.

§. 16. Und weil die Wohlfahrt Unserer Unterthanen von einer vernünftigen, redlichen und gewissenhaften Entscheidung derer Rechts-Sachen dependiret, so haben Wir Unsern Präsidenten und Räthen nochmahls auf ihr Gewissen binden wollen, alle ihre Attention bey Abfassung derer Re- und Correlationen anzuwenden, währender Relation nicht aufzustehn, und herumzugehen, auch keine andere Sachen währender Ablesung vorzunehmen, sondern die Haupt-Umstände und Rationes zu notiren, damit sie mit völliger Ueberzeugung, und ruhigem Gewissen ihr Votum ertheilen können. (Vid. Part. I. Tit. 6. §. 9. &. 19. & P. 3. T. 5. §. 2.)

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(138) Zweyter Theil. Tit. VII.

Tit. VII.

Wie es künftig mit denen Instantzen bey Unserm Cammer-Gericht gehalten werden solle.

§. 1. Nachdem Wir aus eigener Bewegung, und höchstdringender Ursachen, die Verschickung der Acten aufgehoben haben, so finden Wir nöthig wegen derer Instantzen bey Unserm Cammer-Gericht, der Neumärckischen Regierung wie auch Alten- und Ucker-Marck eine neue und besondere Verfassung zu machen.

§. 2. Worbey Wir voraus setzen, daß künftig alle Processe durch drey Instantzen, und zwar in einem Jahr, finaliter decidiret werden sollen und müssen. Vid. infr. §. 8. & Tit. 39. §. 5.

§. 3. Wir setzen auch weiter voraus, daß die Remedia, welche Wir in diesen Instantzen verstatten werden, in allen Unsern Provintzen mit einerley Nahmen benennet werden sollen, dergestalt, daß die Instantz die Appellations(-)Instantz, die dritte Instantz die Revisions-Instantz heissen soll.

§. 4. Hiernächst haben Wir oben P. 1. T. §. 1. declariret, daß Wir Unser Cammer-Gericht in drey Senaten eingetheilet haben, in deren erstem die zu dem ehemaligen Hof-Gericht gehörige, wie auch die Criminal(-) und Bagatel(-)Sachen tractirt, in dem zweyten und dritten Senat aber alle übrige sowohl geist- als weltliche Processe verhandelt werden sollen.

§. 5. Wann also bey diesem aus dreyen Senaten bestehendem Cammer-Gericht Remedia gesucht werden, so soll es folgenderstalt gehalten werden:


(139) Zweyter Theil. Tit. VII.

I. Wann bey dem ersten oder untersten Senat geklagt worden, und die Partheyen gegen dessen Urthel Remedia ergreiffen,

So gehet in Civil-Sachen die Appellation an den zweyten Senat.

Die Revision aber an den dritten Senat, und nicht weiter.

In Criminal-Sachen gehet die ulterior defensio an den zweyten Senat. Und dabey muß es schlechterdings bleiben.

II. Wann Bauren, Bürger, und andere nicht Eximirte, bey denen Unter-Gerichten geklagt worden, und von denen Bescheiden derer Unter-Gerichte Remedia gesucht werden,

So ist die Appellations-Instantz bey dem zweyten Senat.

Wann aber gegen die Urtheln der zweyten Instantz gravaminirt wird, muß Revisio Actorum bey dem dritten Senat gesucht werden.

III. Wann Eximirte, welche in der ersten Instantz bey dem Cammer-Gericht belangt worden, von dem erhaltenen Urthel ein Remedium ergreifen.

So gehet die Appellation an dem dritten Senat des Cammer-Gerichts.

Von dem Appellations-Bescheid gehet die Revision an das Tribunal.

§. 6. So viel die Neumärckische Regierung betrift, so seyn die Fälle wohl zu unterscheiden:

I. Wann bey denen incorporirten Creysen, und deren Unter-Gerichten gesprochen, und dargegen Remedia gesucht worden,

So gehet die Appellation an das Verweser-Amt.


(140) Zweyter Theil. Tit. VII.

Die Revision aber an die Neumärckische Regierung, und nicht weiter.

II. Wann die erste Instantz bey den incorporirten Creysen ist, oder bey denen der Regierung immediate subordinirten Unter-Gerichten geklagt, und gegen deren Urthel gravaminirt wird,

So ist die Appellations-Instantz bey der Neumärckischen Regierung.

Die Revisio aber gehet per modum Commissionis an den zweyten Senat des Cammer-Gerichts in Berlin.

III. Wann Eximirten bey der Regierung in der ersten Instantz belangt werden, und sich durch deren Urthel gravirt zu seyn befinden.

So gehet die Appellation per modum Commissionis an den zweyten Senat des Cammer-Gerichts.

Die Revisio Actorum aber an dem dritten Senat eben gedachten Cammer-Gerichts, und nicht weiter.

§. 7. In der Alte-Marck und Ucker-Marck soll

I. Wann Bauren, Bürger und andere nicht Eximirte gegen derer Unter-Gerichte Urthel sich beschweren,

Die Appellation an das Ober-Gericht ergehen.

Die Revisio aber von des Ober-Gerichts Urthel gehet an den zweyten Senat des Cammer-Gerichts, worbey es lediglich gelassen werden muß.

II. Wann Eximirte in prima instantia bey dem Ober-Gericht belangt werden, und Remedia gegen dessen Urthel suchen,

So gehet die Appellation an den zweyten Senat des Cammer-Gerichts.


(141) Zweyter Theil. Tit. VII.

Die Revisio Actorum aber von denen Urtheln des zweyten Senats, an den dritten Senat: Und nicht weiter.

§. 8. Ueber diese drey Instantzien soll keine weitere Instantz, folglich auch kein weiteres Remedium, (auch nicht unter dem Praetext einer insanablen Nullitaet,) verstattet, sondern der dritte Sententz, wann sie auch reformatoria derer beyden vorigen Sententzen ist, schlechterdings pro judicato gehalten, und nicht weiter gefragt werden, ob recht oder unrecht geurtheilet worden. Vid. supr. §. 2.

Es müssen aber in diesem letztern Fall Singuli ihr Votum schriftlich ad Acta geben, und dem Präsidenten verschlossen einliefern. (Vid. infr. T. 40. §. 10.)

Allermassen dem Publico mehr daran gelegen, daß (wann auch der verliehrende Theil vermeynen solte daß ihm zuviel geschehe) eine particulier Sache darunter leide, als daß unter dem Praetext einer Nullitaet denen Litiganten Gelegenheit gegeben werde, durch Verstattung weiterer Instantzen den Process zu verewigen.

In mehrerer Erwegung  da Wir nunmehro die drey Senatus des Cammer-Gerichts, und Unser Tribunal mit solchen gelahrten und ehrlichen Leuten besetzet haben, daß keine Vermuthung einer Ungerechtigkeit bey denenselben statt finden kan, auch alle Urthel bey dem Cammer-Gericht nunmehro mit rationibus ausgefertiget werden.


(142) Dritter Theil. Tit. I. II.

Dritter Theil.

Tit. I.

Von dem Processu summario & ordinario in genere.

§. 1.

Es werden in genere die Processe getheilet in summarios und ordinarios.

§. 2. Summarische Processe seyn, wann dieselbe eine Kleinigkeit betreffen, oder periculum in mora ist, oder die Sache auf klaren Briefen und Siegeln beruhet: und worinn von Mund aus in die Feder, oder wann die Zeit bey dem Gericht zu kurtz fällt loco oralis von 3 zu 3, oder von 8 zu 8 oder von 14 zu 14 Tagen verfahren wird. Vid. infr. Tit. IV.

§. 3. Processus ordinarii seyn, wann die Sache wichtig und weitläuftig ist, insonderheit wann dieselbe auf viele Documenta beruhet; und worinn schriftlich von 3 zu 3, oder von 4 zu 4 Wochen gehandelt werden muß. Vid. infr. Tit.

Tit. II.

Was vor Personen und Sachen zu Unserm Cammer-Gericht gehören.

§. 1.

Ehe und bevor Wir die Ordnung, wie bey denen Processen zu verfahren, vorgeschrieben, finden Wir zuforderst nöthig zu praemittiren, was vor Personen und Sachen zu Unseres Cammer-Gerichts cognition gehören, und was vor Sachen nicht dahin gehören.


(143) Dritter Theil. Tit. II.

§. 2. Anfänglich setzen und ordnen Wir dass Unsere Räthe und Hoff- auch Titular-Bediente, imgleichen die diesseits der Oder wohnende Praelaten, Capitula, Grafen, worunter die Grafen zu Wernigerode gehören, die von der Ritterschaft, Haupt- und Amt-Leute, Magistrate in denen Stäten, Gemeinde in denen Dörfern, wie auch alle andere Personen, die in der ersten Instantz keienn besondern Richter haben, vor Unser Cammer-Gericht geladen werden, und daselbst zu recht zu antworten schludig seyn sollen.

§. 3. Wie dann auch vor Unserm Cammer-Gerichte auswärtige Standes, auch andere wohl conditionirte Personen, so sich als fremde in hiesigen Residentzien aufhalten möchten, dem Befinden nach zu belangen; geringere fremde Leute aber, so sich in Bürger-Häusern befinden möchten, bleiben sub jurisdictione Senatus, wie nicht weniger die Königl. und Marggräfl. erlassene Unter-Bediente, so unter des Magistrats Jurisdiction wohnen.

§. 4. In actione reali bleibet dem Kläger unbenommen, den Beklagten, ohnerachtet dieser seiner Person nach unterm Cammer-Gericht stehet, vor den Gerichten zu belangen, darunter die angesprochene Güter gelegen.

§. 5. Weil der Fiscus seine Sachen vor das höchste Gericht zu ziehen befugt; so sollen die fiscaelische Sachen in Unserm Cammer-Gericht vorgenommen, und ausgemacht werden, welches auch geschehen muß, wenn Fiscus wegen seines Interesse interveniendo bey einer Sache sich anzugeben hat, und haben sich dabey Fiscales nach demjenigen was Part. IV. Tit. 5. ferner verordnet zu achten.

§. 6. Es ist auch Unsers Cammer-Gerichts-Jurisdiction fundirt in denen Sachen, da an gewissen Orten dem Kläger frey stehet, seine Klage entweder immediate vor dasselbe, oder vor ein Unter-Gericht anzustellen, als in welchem Fall die Praeventio hergebrachter massen statt haben soll. „Wann aber Jurisdictio ratione personae“


(144) Dritter Theil. Tit. II.

vel rei Contraversa ist, solchenfalls bleibet die Sache billig bey dem Cammer-Gericht: ausserdem aber, da eine Sache durch erhobene Klage, auch an das Gegentheil ergangene, insinuirte, auch angenommene Verordnung, anhängig gemacht ist, wann gleich der Beklagte, oder dessen Erben, nach angenommenem Rechts-Streit ihre Wohnung verändert, soll selbiger in foro litis pendentiae ausgeübet werden.

§. 7. Imgleichen müssen die Lehns-Sachen, sowohl zwischen Uns und Unsere Vasallen, als auch unter diesen letztern allein, vor Unserm Cammer-Gericht erörtert, auch von demselbigen nach nunmehriger Lehns-Veränderung die Sententzien in solchen Lehns-Sachen nicht mehr an Uns eingesandt. sondern ohne Anfrage ertheilet, und publicirt werden.

§. 8. Diejenige, so die gesamte Hand an einem in hiesigem Lande belegenen Lehn-Guth in einer fremden Provintz aber ihr Domicilium haben, können in Personalibus vor Unserm Cammer-Gericht belanget werden, ob sie gleich mit Immobilien unter demselben nicht angesessen, noch sonst unter dessen Jurisdiction gehören.

§. 9. Da jemand in Unserer Chur-Marck einige Güter administriret, und in Verwaltung gehabt, davon er Rechnung zu thun verbunden, und wendete sich vor Justification derselben unter eine andere Obrigkeit oder in fremde Lande, soll er die Rechnung an dem Ort, wo er die Administration und Verwaltung in der Churmarck gehabt, abzulegen, und die Obrigkeit unter welcher er wohnhaft, wann sie desfalls zur Hülfe der Rechte ersuchet worden, ihn vor die Gerichte, unter welchen er administriret, zu stellen pflichtig seyn; Gestalt denn dieselbe im Fall er etwas schuldig bliebe, oder vor oder nach abgelegter Rechnung betrüglich erfunden worden, den Process wider ihn führen, und bis er sattsame Caution bestellet, in gefänglicher Haft behalten soll. Da aber die Obrigkeit in fremden, und andern Gebieten sich weigerte


(145) Dritter Theil. Tit. II.

den Schuldner zu stellen, sollen Unsere Gerichte auf Imploration des Klägers Repressalien verordnen.

§. 10. Der Commendator zu Lietzen und übrige Johanniter-Ordens-Vasallen, so diesseits der Oder und Elbe wohnen, sind schuldig vor Unserm Cammer-Gerichte, sowohl in personalibus als realibus, auf an sie gelassene Citation sich zu stellen, und haben sich mit der Exception der ersten Instantz, und daß sie zuförderst vor der Ordens-Regierung zu Sonnenburg zu belangen, nicht zu behelfen.

§, 11. Wie dann auch die Appelationes, so wieder die von vorgedachten Ordens-Commendatore und Vasallen ertheilete Abscheide, eingewandt werden, unmittelbar an Unser Cammer-Gericht ergeben, und daselbst rechtlich abgethan werden sollen.

§. 12. Ferner haben auch die Membra Unserer Academie der Künste und Mechanischen Wissenschaften allhie, vermöge der unterm 31. August 1707. ertheileten Verordnung, ihr Forum vor Unserm Cammer-Gericht, und sind daselbst zu belangen.

§. 13. Die Judenschaft allhiesiger Residentzien soll Inhalts Unserer Verordnung, vom 23. Nov. 1708. in Geld und andern Sachen, deren Werth sich über Ein hundert Rthlr. nicht erstrecket, bey dem ersten Senat in Anspruch genommen werden.

§. 14. In andern Civil-Sachen aber, deren Werth sich über  Ein hundert Rthlr. beläuft, wie nicht weniger in Wechsel-Sachen, ohne Ansehen der Summe indistincte, behält die Judenschaft, wie bishero, also auch noch ferner ihr Forum bey Unserm Cammer-Gerichte und dessen zweyten Senat.

§. 15. Auf dem Fall, da einige Captur wider allhiesige Juden vorzunehmen, mag solche auch von dem zweyten Senat veranlasset, hernach aber die Sache in senatu competente ausgeführet werden.


(146) Dritter Theil. Tit. II.

§. 16. Die übrige in Unsern Chur-Landen wohnende Juden, sind vor eines jeden Orts ordentlicher Obrigkeit in prima instantia, ohne Unterscheid der Sachen, zu belangen.

§. 17. Und weil Se. Königl. Majest. aus bewegenden Ursachen diejenige geistliche Civil-Sachen welche bishero bey dem Consistorio tractirt worden, in specie die Ehe-Sachen, Absetzung der Prediger, Delicta derer geistlichen (et)c. dem Cammer-Gericht beygelegt wissen wollen, so sollen künftig von dem 1. Maji an, alle geistlichen Personen, als Prediger, Schulmeister und Kuster, item alle pia corpora, wann es zur Contradiction oder einen ordentlichen Process kommt, vor dem Cammer-Gericht und dessen zweyten Senat Recht nehmen.

Die Causae mere ecclesiasticae aber als die Examina und Ordinationes derer Prediger, Abnahme der Kirchen-Rechnungen, Besorgung der Kirchen, Hospitäler und andrer piorum Corporum, bleiben bey dem Consistorio: Gestalten dieserwegen eine besondere Consistorial-Ordnung publicirt werden soll.

Wann es aber, auch in diesen Sachen zur Contradiction kommen, und ein Verhör darüber anzusetzen nöthig seyn solte, so muß das Consistorium die Sache sofort von sich ab(-), und an den zweyten Senat des Cammer-Gerichts verweisen.

Es verstehet sich aber von selbsten, daß die von denen von Adel und andren privatis bestelte Kirchenbediente als Schulmeister, Kuster (et)c. in causis & delictis mere civilibus, vor jeden Jurisdictionarium des Orts wo die Kirche stehet, gehören.

§. 18. Es gehören auch vor Unser Cammer-Gericht causae denegatae vel protractae justitiae, wann wegen versagter oder verzögerter Justitz über die Unter-Gerichte geklagt wird.

Es müssen aber solchenfals nicht sofort acta avocirt, sondern das Cammer-Gericht muß in dorso des Memorials per decretum dem Unter-Richter anbefehlen,


(147) Dritter Theil. Tit. II.

daß er dem Supplicanten rechtliche Hülfe angedeyen lassen solle, damit nicht nöthig sey acta zu avociren. Und dieses Original muß dem Kläger zur Insinuation zugestellet werden Der Unterrichter muß bey 2. Rthlr. Strafe das Praesentatum darauf setzen, und den Kläger nach denen Rechten und Acten bescheiden, auch wann ihm nicht geholffen werden kan, die Ursache dem Memorial beyfügen, oder auf einem besondern aufgeklebten Blat anführen.

Wann der Kläger mit seiner Klage fortfährt, muß der Kläger das vorige Memorial mit des Richters seinem Decret zugleich übergeben: Wann die Rationes nicht zulänglich zu seyn scheinen, soll dem Richter anbefohlen werden, acta ex officio einzusenden, unterdessen aber mit allem Verfahren still zu stehen. Wann die Parthey arm ist, und die Postgebühren nicht bezahlen kan, muß derselben der Bericht nebst denen Acten zur Bestellung eingeliefert werden.

Würde sich bey Nachsehen derer Acten finden, daß sich der Kläger zur Ungebühr beschweret, so soll gegen denselben wie in P. I. Tit. I . §. 18. usque ad §. 23 & Tit. 13. §. 18. vorgeschrieben, verfahren, und der Concipient mit gleicher Strafe belegt, auch die Expeditions-Gebühren von demselben beygetrieben werden.

Wann aber der Unterrichter dem Kläger zu klagen befugte Ursache gegeben, soll dieser gleichfals nebst Erlegung derer Expeditions-Gebühren nach Anleitung des P. 1. Tit. 1. §. 18 usque ad §. 23. bestraft; auch, dem Befinden nach, der Jurisdiction vor verlustig erklärt, oder von seinem Amt dimittirt, und einen fiscalischen Bedienten anbefohlen werden sein Amt gegen den Unterrichter zu thun.

Wann auch Berichte von denen Unter-Gerichten erfordert werden, müssen dieselbe unter dem Vorwand nicht beschehener Auslösung nicht zurück gehalten werden, sondern bey 10 Rthlr. Strafe ex officio eingesandt, die Gebühren


(148) Dritter Theil. Tit. II.

aber hienechst von der Parthey beygetrieben werden.

§.19. Dergleichen avocatio actorum hat auch ferner statt, wann der Unterrichter mit dem Gegentheil in denen oben P. I. T. 6. §. 12. beschriebenen Graden verwandt, oder derselbe sich sonst verdächtig gemacht hat, und die Parthey solches eydlich erhärtet.

Wann aber ausser denen solchergestalt verdächtigen Membris noch ein oder zwey Membra, welche zur Justitz geschworen, vorhanden, so müssen diese in der Sache verfahren, die übrige aber abtreten.

§. 20. Es können aber keine Sachen avocirt werden, welche durch Urthel und Recht entschieden seyn: Sondern es muß der gravirte Theil in causis appellabilibus die gewöhnliche Remedia dargegen ergreifen: die Parthey aber nebst dem Concipienten, wann sie hiergegen handeln, nach dieser Ordnung bestraft werden.

§. 21. Es gehören auch zu Unser Cammer-Gericht causae miserabilium personarum: allermassen diese, sie mögen Kläger oder Beklagte seyn, mit Vorbeygehen derer Untergerichte bey dem Judice immediate superiore Recht nehmen können.

Unter die miserabiles personas aber soll niemand gerechnet werden, als Witwen, Pupilllen, (wann sie schon einen Vormund haben) blinde, aussätzige, blödsinnige, und rasende Personen, sie mögen arm oder reich, Klägere oder Beklagte seyn.

Es hat aber dieses Beneficium nicht statt 1) Wann der Process von der miserabili persona einmahl bey dem Unter-Gericht angefangen: 2) wann die persona miserabilis wegen Injurien, oder sonst ex delicto & crimine belanget wird: 3) In Lehn-Sachen: 4) Wann der Gegentheil eben eine solche miserable Person ist: 5) Wann die miseria nach angefangenen Process sich hervor thut: 6) Wann die erste Instantz bey denen Ober-Gerichten ist.


(149) Dritter Theil. Tit. II. III.

§. 22. Wann mehrere Personen, in verschiedenen Jurisdictionen wohnhaft, in Anspruch genommen werden müssen, sollen dieselbe vor Unserem Cammer-Gericht als dem gemeinen Ober-Gericht und höchsten Tribunal Unserer Chur-Lande belanget werden.

§. 23. Es gehören weiter zu des Cammer-Gerichts Cognition diejenige Sachen welche ob connexitatem causae nicht wohl separirt werden können, es mag causa civilis, criminalis, oder feudalis seyn.

Als: a) Wann actio universalis v.g. petitio haereditatis angestellet wird.

b) Item in concursu creditorum.

c) Wann eine Actio der andern ein Praejuditz macht.

d) Das Possessorium zieht das Petitorium nach sich.

e) In reconventione muß der reconventus bey dem Judice conventionis Recht nehmen, ob er schon ein andres forum hat.

§. 24. Es wird auch des Cammer-Gerichts Jurisdiction fundirt per prorogationem, wann jemand, welcher der Cammer-Gerichts-Jurisdiction nicht unterworfen, dahin citirt wird, von freyen Stücken daselbst erscheinet, und Recht nimmt.

Es wäre dann daß dergleichen Prorogation ausdrücklich verboten sey, als in Cammer(-), Bau(-), Medicinal(-), und Colonie-Sachen (et)c.

Tit. III.

Was vor Sachen zu des Cammer-Gerichts Cognition nicht gehören.

§. 1.

Es ist I. das Cammer-Gericht nicht befugt, Sachen die Wir in des ersten Instantz an die Unter-Gerichte verwiesen, anzuehmen; sondern Wir wollen die Prälaten
(150) Dritter Theil. Tit. III.

laten, von Adel, und Magisträte in denen Städten, dabey schützen.

Wann also, mit Vorbeygehung der ersten Instantz, Klagen bey dem Cammer-Gericht einkommen, müssen solche so fort dahin verwiesen, der Advocat oder Concipient aber jedesmahl mit 2. bis 5. Rthlr. Straffe belegt werden. Es wäre dann daß die Sache personas miserabiles beträfe, oder der Unter-Richter einem Theil verwandt, oder sich sonst verdächtig gemacht hätte, oder die Sache ex continentia causae an die Ober-Gerichte gezogen werde. Vid. tit. praeced.

§. 2. Ferner und II. so muß das Cammer-Gericht sich aller Cognition enthalten in denen Fällen welche der Cammer privative zugelegt worden, und welche vor Publication dieses Projects, mit nächsten specifice determinirt werden sollen.

§. 3. Wegen der Militair-Personen soll es III. folgender Gestalt gehalten werden:

Wann 1) jemand eine Klage wieder einen Unserer Ober-Officier, es sey in was vor einer Personal(-) Sache es wolle, anzubringen hat, soll derselbe sich deshalb nach Maßgebung des Edicts vom 1. Nov. 1729. bey dem Commandeur des Regiments in der ersten Instantz unfehlbar melden, und von selbigem Hülffe und Recht suchen; in Entstehung dessen aber, und wenn ihm nicht geholfen werden solte, alsdenn in Justitz-Sachen bey dem Cammer-Gericht seine Noth klagen, und dessen Assistentz begehren, da dann Unser Cammer-Gericht oder Krieges- und Domainen-Cammer, sogleich mit dem Commandeur deshalb correspondiren, und die Endschaft, und rechtliche Abthuung der Sache unnachläßig urgiren muß. Fals diese aber von Commandeurs keine, oder doch nicht zulängliche Antwort, und Rechts-Hülfe erhalten solten; so muß Unser-Cammer-Gericht, oder Kriegs- und Domainen-Cammer, davon umständlich, mit Beyfügung ihres gründlichen Gutachtens, auf ihre Pflichten


(151) Dritter Theil. Tit. III.

allerunterthänigst  an Uns berichten, und bey schwerer Verantwortung darunter nicht saumen, vielweniger sich etwas davon abhalten lassen, damit einem jedem scheunige Justitz administriret werde.

Wann 2) der Beklagte ein Unter-Officier oder gemeiner Soldat, so ist die erste Instantz in personalibus bey dem Capitain der Companie, unter welcher solcher Beklagte steht; und die zweyte Instanz bey dem Commandeur des Regiments. Fals aber einem Kläger auch dasellbst nicht geholffen werden möchte; kann derselbe, wie vorhin verordnet, in Justitz-Sachen bey dem Cammer-Gericht sich melden, welche dann, wie vorgebracht, darinn unnachlässige  Beförderung durch Schreiben und Vorstellungen an die Commadeurs bestens zu thun, und auf das schleunigste weiter zu verfahren hat.

So viel 3) insbesondere die Wechsel-Sachen anbetrift, deshalb lassen Wir es bey demjenigen, was in dem §. 60. des verbesserten allgemeinen Wechsel-Rechts, von 25ten Sept. 1724. verordnet ist, daß nehmlich Unsere Ober-Officiers und Soldaten bey dem Commandeur darüber belanget und besprochen werden sollen.

Daferne aber wegen der letzt gedachten nicht Justitz administriret werden wolte, alsdann sollen dieselbe auf der Kläger Supplicieren entweder bey Uns, oder bey denen Gerichten, wohin Wir die Wechsel-Sachen verwiesen haben, in Cognition gezogen, und die Ober-und Unter-Officirer auch Soldaten schuldig seyn vor solchen Gerichten auf Erfordern zu erscheinen, und derselben Erkäntnis nach Inhalt des publicirten Wechsel-Edicts sich gebührend submittiren.

4) In Realibus bleibet indistincte für alle Militair- und Civil-Personen, von was Rang und Condition dieselben immer seyn mögen, die erste Instantz bey dem ordentlichen Richter, worunter die angesprochene, oder unter Vormundschaftlicher Administration und Berechnung stehende Lehn- und Allodial(-)Güter, Häuser, Effecten,


(152) Dritter Theil. Tit. III.

unbewegliche Stücke, und denenselben anklebende Jura und Gerechtigkeiten, gelegen oder verhanden sind, und also bey ihrem ordentlichen foro rei sitae.

Wann aber 5) jemand von denen Chefs, Commandeurs, übrigen Officiers und Soldaten, über einen Unserer Bedienten, oder andere von Adel, gantze Corporn, Beamte, Magisträte, Bürger oder Bauren zu klagen, oder etwas zu denunciren hat, so muß derselbe solches in der ersten Instanz, in personalibus bey dem ordentlichen Richter, oder Collegio worunter der Beklagte stehet; in realibus aber, wie abgedacht, in dem ordentlichen foro rei sitae anbringen, und in Justitz-Sachen die zweyte oder dritte Instanz bey Unserem Cammer-Gericht; in andern Sachen aber bey der Kriegs- und Domainen-Cammer suchen und ausführen.

6) In solchen Fällen, da bey einer Sache rei oder complices von beyden Seiten, nemlich von denen so bey Unserer Armée engagiret seynd, und zugleich von denen so unter eine Civil-Jurisdiction gehören, vorhanden, und concurriren, und die Sache dergestalt beschaffen daß darüber ein judicium mixtum nöthig; so soll selbiges in Justitz-Sachen von dem Cammer-Gericht, und von dem Commandeur des Regiments, darunter die zusammen beklagte oder complices stehen, angestellet, auch dazu jedesmahl eine gleiche Anzahl der Personen von beyden Theilen, mit Zuziechung eines Auditeurs von Seiten des Regiments genommen, und dabey dem ersten von den Militair-Persohnen das Praesidium aufzutragen seyn.

Was nun 7) von sothanem Judicio mixto erkannt wird, solches bringet der Commandeur des Regiments wieder die Militair-Persohnen, das Cammer-Gericht aber wieder die Civil-Persohnen zur behörigen Execution; Es wäre dann, daß die Beschaffenheit der Sachen erfordere die Acta vorhero zu Unserer allerhöchsten Confirmation einzusenden, da Wir solchenfals, nach befundenen Umständen, auch allhier zu Revision solcher einkommenden


(153) Dritter Theil. Tit. III.

Urtheile und Akten entweder ein judicium mixtum bey Unsern Krieges- und Justitz-Departements, in derselben Maasse der Ordnung, und des Praesidii, wie bey den ersten Instantzien, verordnen, oder von einem jeden Department die Beförderung des Final Decisi, über die darunter gehörende Personen, separatim und Successive besorgen lassen werden.

§. 4. Da Wir auch III. durch die denen Frantzösischen Colonien vorgesetzte Richter nicht nur über die Colonien überhaupt, sondern auch über einen jeden Colonisten insbesondere ihre Gerichtsbarkeit exerciren lassen, und die Appellationes hievon lediglich an das Frantzösische Ober-Gericht nachgegeben haben; so hat die Regierung sich zu enthalten an diejenige so unter Frantzösischer Jurisdiktion stehen Monitoria oder Verordnungen, wie sie Nahmen haben mögen, ergehen zu lassen: wie denn auch zwischen Deutschen und Frantzösischen Gerichten keine prorogationes statt finden sollen.

§. 5. Weil Wir IV. in Unserm neuen Medicinal-Edict vom 27ten Sept. 1725. allergnädist verordnet, daß Unser in Berlin aufgerichtetes Collegium Medicum alle Sachen, welche die vorkommende Medicinalia, imgleichen die davon dependirende medico legalia, auch Inquisitionalia betreffen, allein erörtern, untersuchen, verabscheiden, Strafen dictiren, und Arreste decretiren, auch sich der Execution der Land-Reuter ohne Requisition des Cammer-Gerichts, oder anderer Judiciorum bedienen solle; so muß von keinem Judicio hiewieder gehandelt, sondern bemeldete Sachen lediglich an besagtes Collegium Medicum verwiesen werden.


(154) Dritter Theil. Tit. IV.

Tit. IV.

Von Appellations-Sachen, die von denen Unter-Gerichten an Unser Cammer-Gericht gebracht werden: Und wie darbey zu verfahren.

§. 1.

Weil Wir mißfällig wahrnehmen, daß die Unter-Gerichte in Unserer Chur-Marck mehrentheils mit schlechten, unerfahrenen, und gewinnsüchtigen Personen bestellet seyn durch deren Bescheide und Urthel die armen Unterthanen gravirt, und daher gezwungen werden durch kostbare Appelationes bey denen Ober-Gerichten Recht zu suchen, so wollen wir auch diesem Misbrauch durch folgende Ordnung abhelfen.

§. 2. Die Obrigkeiten welche die Gerichte haben, insonderheit in denen Städten, sollen die zu bestellende Justitiarios, Bürgermeister, Syndicos, (et)c. wo es nicht Personen seyn die in Officiis publicis vorher gestanden oder noch stehen, Unserm Cammer-Gericht allemahl und bey Vermeidung nachdrücklicher Strafe vorhero sistiren, damit Unsere Gerichte von solchen Personen verwaltet werden, welche dazu tüchtig und genugsam geschickt, auch in Gegenwart der Unterthanen vereydet und verpflichtet seyn.

Immassen keiner vor geschehener Verpflichtung bey 5 Rthlr. Strafe etwas zu expediren sich anmassen soll. Und wann ein oder der andere Theil Schaden dadurch erleidet, kann derselbe sich an dem Gerichts-Herrn, oder dem Justitiario, oder an beyden erhohlen, und soll ihm assistentia fisci gegeben werden.

Damit Wir aber vor der Capacitaet derer jetzigen Unter-Richter versichert seyn mögen, so werden Wir mit nächsten eine General-Revision aller Unter-Gerichte anstellen, die Personen welche die Justitz respicieren examiniren


(155) Dritter Theil. Tit. IV.

lassen, und wann sie die behörige Capacité nicht haben, oder wegen übler Administration der Justitz verdächtig seyn, dieselbe sofort dimittiren.

§. 3. Es soll insbesondere kein Burgemeister, Syndicus, Richter oder Actuarius, welche die Justitz respiciren sollen, angenommen werden, wann sie nicht vorher von dem Cammer-Gericht in pleno aus der Theoria juris, und Process-Ordnung, examiniret worden, und eine Probe-Relation verfertiget haben.

Würde ein solcher Richter sich unterstehen Dispensation darüber zu suchen, so soll dieselbe vor erschlichen gehalten, und er nicht allein über kurtz oder lang cassirt werden, sondern alles er an Besoldung oder Sportuln erhalten, wieder herausgeben.

§. 4. Wann ein Justitiarius gehörig bestellet, und solches ad Acta registrirt worden, so kann ein Gerichtshalter alles dasjenige was der Gerichts-Herr nicht ausdrücklich reservirt, und denen Unterthanen zugleich  bekannt gemacht hat, auch ohne denselben verrichten: und muß alsdann der Gerichtsherr seine Unterthanen vor demselben in personalibus, realibus , und feudalibus causis belangen, auch niemahlen etwas executivisches gegen dieselbe eigenmächtig veranlassen: Nicht weniger kan er seine eigene in seiner Jurisdiction gelegene Güter seinen Creditoribus vor demselben verpfänden, und die Gläubiger darauf beständig versichern, allerley Contracte erichten, Verzicht leisten, Testament machen, oder Hinterlegen und dergleichen.

§. 5. Ein gleiches ist auch zu beobachten, wann die Magisträte in denen Städten ihre eigene Sachen wider die Bürger klagen.

§. 6. In denen Städten und auf dem Lande, müssen nach Beschaffenheit der Oerter gewisse Gerichts-Tage ausser der Saat- und Erndte-Zeit, an gewöhnlicher ordentlicher Gerichts-Stelle gehalten, der Tag des Sonntags vorher, ( wann nicht schon ein gewisser und beständiger


(156) Dritter Theil. Tit. IV.

Tag festgesetzt ist) von der Cantzel angekündiget und alle gerichtliche Handlungen, so viel die Actus contentiosae- jurisdictionis betrift, nirgend anders als daselbst vorgenommen werden. Alles was dem zuwider in fremden Gerichten, ob es gleich ex compressio partium geschicht, zuwider, wollen Wir hiedurch vor null und nichtig declariren.

§. 7. Hingegen mögen die Richter in denen Städten, wie auch die Gerichts-Verwalter auf dem Lande, in ihren Häusern, oder wo sich sonst ausser denen Gerichten befinden, Klage, Beweis, Schriften, Appellationes, annehmen und praesentiren, eines Parths Anbringen, Denunciation, Relationes derer Bothen, auch ohne Gegenwart derer Schöppen und Assessoren registriren, imgleichen Citationes, Notificationes, Patente, Attestata, Scheine und Berichte ausfertigen.

§. 8. Sie mögen auch diejenige Sachen welche ad actus voluntariae jurisdictionis gehören, ohne Beyseyn des Actuarii, der Schöppen, oder eines Notarii verrichten, die Aufnehmung der Testamenten und anderer letzten Willen aber, ( welche ihnen auch extra fines jurisdictionis insinuirt werden können) in zweyer Schöppen, oder andrer Zeugen, Gegenwart verrichten.

§. 9. Bey denen Unter-Gerichten müssen alle vorkommende Sachen, ohne einige Weitläuftigkeit, in denen ordentlichen Gerichts-Tagen (welche genau observiret, und nicht ausgesetzet werden sollen) gehört, und denen Rechten nach verabschiedet werden.

§. 10. Die Unter-Gerichte müssen alle geklagte Sachen welche vor sie gehören annehmen, und davon keine, bevor sie darüber cognosciret, an die Ober-Gerichte verweisen, damit denen Partheyen die erste Instantz nicht entzogen werde.

§. 11. Sie müssen so viel möglich die Partheyen  ohne Advocaten vornehmen, die Güte unter ihnen versuchen, in deren Entstehung aber beyder Theile Vorbringen ad


(157) Dritter Theil. Tit. IV.Protocollum nehmen, und insbesondere den Kläger, wann ihm an der Klage etwas abgeleugnet wird, wie er den Beweis führen wolle, umständlich befragen, auch, nach beschehener Erklärung, demselben was er beweisen müsse deutlich vorschreiben.

Welches der Richter auch bey denen von dem Beklagten zu erweisenden Exceptionen beobachten, und solchergestalt beyder Theile Jura in das gehörige Licht setzen, und den gantzen Process ex Officio dergestalt instruiren muß, daß, wann die Güte nicht verfangen will, definitive darinn erkannt werden könnte.

§. 12. Wann die Sache aber wichtig und weitläuftig ist, und Advocaten dabey gebraucht werden müssen, soll der Unter-Richter die Sache nicht zum ordentlichen schriftlichen Process, sondern loco oralis von 8 zu 8, oder von 14 zu 14 Tagen verweisen, denen Advocaten nicht die geringste Weitläuftigkeit verstatten, um so viel  möglich den schriftlichen Process binnen 4 bis 6 Wochen zu Ende bringen.

§. 13. Es muß dadurch, daß der eine Theil einen Advocaten mitgebracht, der andre nicht, das Verhör nicht aufgehoben werden, sondern der Richter muß den Advocaten abweisen, und den Process nach Pflicht und Gewissen ex Officio instruiren, und rechtlichen Bescheid darüber ertheilen.

Massen wann Wir schon an einigen Orten einen oder etliche Advocaten geordnet, solches keineswegs in der Absicht geschehen, daselbst ordentliche Processe zu führen, sondern bey Errichtung wichtiger Contracte, Theilungen, und dergleichen, oder da Einwohner an andere Orten Processe führen, und Supplicata übergeben müssen, denenselben Rath mitzutheilen, oder auch als Justitiarios sich gebrauchen zu lassen.

§. 14.Wann aber Fremde, Krancke, oder weit entfernte Partheyen, etwas vor dem Gericht zu suchen hätten, und dazu Advocaten als Mandatarien abschickten,


(158) Dritter Theil. Tit. IV.

sollen diese zwar admittiret werden; wann aber der eine Theil keinen Advocaten bey sich hat, muß der Richter sich von dessen Gerechtsamen umstandlich informiren, solche treulich ad Protocollum nehmen, und solchergestalt die Sache ex Officio zum Spruch instruiren.

§. 15. Weil die Beschleunigung der Unter-Gerichts-Processe, wann Advocaten adhibiret werden müssen, hauptsächlich von diesen dependiret, so müssen sie alles beobachten, was oben Part. I. tit. 13. denen Advocaten vorgeschrieben worden; Dahero denn auch kein Unter-Gerichts-Advocat bey Strafe der Cassation einige Gebühren vor geendigten Process fordern, oder nehmen soll; sondern er muß in seinem letzten Satz solche specificiren, und deren Moderation von dem Richter erwarten, die Execution aber soll bis zum Ende des Processes ausgesetzt werden.

§. 16. Im übrigen ist der Unter-Richter schuldig bey der Publication des Bescheides, oder Urthels, denen Partheyen kund zu machen, a) daß sie (wann sich sonst die Sache zu einer zweyten Instantz qualificiret) an das Cammer-Gericht appelliren können, aber sothane Appellation innerhalb 10 Tagen interponiren. b) Bey dem Hof-Gericht einen Advocaten bestellen, c) demselben eine gedruckte Vollmacht überschicken; und d) binnen 4 Wochen ihre Justifications-Schrift ohne weitere Verordnung dasselbst sub poena desertionis eingeben müssen: und daß d) solche Erinnerung gethan worden, muß der Richter auch Pflicht und Gewissen unter dem Bescheid notiren.

§. 17. Damit aber denen Registraturen über allerhand gerichtliche Handlungen völliger Glaube beyzulegen; so  sind selbige bey Vermeidung willkührlicher Strafe, von denen zu deren Verfertigung, und zu den Actis verpflichteteten Actuariis, oder Justitiaris, mit Beyfügung der Zeit, und des Orts, wann und wo es geschichet, deutlich und ordentlich, ohne daß darin in essentialibus etwas


(159) Dritter Theil. Tit. IV.radiret, ausgestrichen, und ad marginem gesetzet werde, zu verfertigen, denen Partheyen wieder vorzulesen, und wie es geschehen, zugleich mit anzumercken, auch da bey dem Vorlesen noch etwas erinnert würde, solches durch eine besondere Registratur nachzutragen, sodann aber so wohl von dem Actuario, als auch, nach Ermessen und Beschaffenheit der Sache, entweder von denen Interessenten selbst, wann sie schreiben können, (als in welchem Fall es in causis civilibus der Gegenwart der Schöppen, oder Gerichts-Personen eben nicht gebrauchet, ) oder da sie des Schreibens unerfahren, oder der Unterschrift zur Ungebühr sich verweigerten, von den gegenwärtigen Gerichts-Personen mit signiren zu lassen. Jedoch ind, wegen des blossen Mangels der Unterschrift der Schöppen dieselben nicht gleich vor ungültig zu halten, wann nur sonst die übrige unentbehrliche Requisita dabey anzutreffen. Woferne aber ja über die Beständigkeit einer von dem Actuario allein verfertigen Registratur Zweifel entstünde, ist nach Gelegenheit der dabey vorkommenden Umstände, oder des hervorscheinenden Verdachts, entweder von dem Parth, was darinn enthalten, annoch in Supplementum zu beschweren, oder auch von dem Actuario selbst die beygemessene Unrichtigkeit per purgatorium abzulegen. Uebrigens lassen Wir geschehen, daß in Causis civilibus das Amt eines Gerichts-Verwalters und Actuarii in einer Person bestehe.

§. 18. Von denen Unter-Gerichten gehen alle Appellationes immediate an Unser Cammer-Gericht.

§. 19. Wann jemand durch der Unter-Gerichte Bescheid oder Urthel gravirt zu seyn vermeynet, und die Sache sich zu zweyten Instanz qualificirt, muß er intra decendium a die publicatae sententiae die Appelation bey dem judice a quo interponiren.

Zu welchem Ende der Richter das verliehrende Theil, was es dabey zu beobachten hat, nach Anleitung des vorhergehenden §. 16. zu instruiren schuldig ist.


(160). Dritter Theil. Tit. IV.

Welches Wir nicht allein von denen Beschwerden so im Gericht vorgehen, sondern auch von denen gravaminibus extrajudicialibus, so Unsern Vasallen und Unterthanen zugefügt werden, verstanden wissen wollen.

§. 20. Es soll aber keine Appelation viva voce, & stante pede, in judicio, noch coram Notario angenommen, sondern dieselbe schriftlich eingegeben werden.

§. 21. Im Fall der Kläger oder Beklagte einer angewandten Appellation zu adhaeriren vermeinet, muß er binnen 10 Tagen seine Adhaesion interponiren, auch an den Orten wo es hergebracht die Succumbentz-Gelder erlegen.

Wann der Appelante seiner Appellation renunciiret, und acta ad judicem a quo zu remittiren bittet, muß solches zwar geschehen: Es bleibet aber dem Adhaerenten frey, sein Recht in denen Puncten welchen er adhaeriret, in der zweyten Instantz gegen den Appellanten zu prosequiren.

§. 22. Es stehet auch einem Tertio frey von einem ertheilten Abschied, ob derselbe gleich nicht darinn benennet worden, seines darbey etwa habende Interesse wegen, in gehöriger Zeit, nehmlich innerhalb 10 Tagen a momento ritae facte publicationis, ( nicht aber a tempore scientiae) zu appelliren. Er muß aber, wo es hergebracht, gleichfalls die Succumbentz-Gelder erlegen.

Wann demnach (a) ein Erbe einen Process allein geführt, und das End-Urthel wider ihn ausgefallen, mag dessen Miterbe oder Substitutus ob er gleich in solchem Procefs und Urthel nicht begriffen gewesen, für sein Interesse von solchem Urthel wohl appelliren.

Gleicherstalt und so ein Testament angefochten, und der instituirte Erbe von der Erbschaft abgewiesen wird, und davon nicht appelirte, mögen nichts destoweniger die in solchem Testament benannte fidei Commissarii und Legatarii sich der Appellations-Wohlthat gebrauchen:

 


(161) Dritter Theil. Tit. IV.

Im Fall nehmlich die Cassation des Testaments ihren Legatis und Fideicommissis nachtbeilig seyn könte. Eben dieses hat (c.) auch statt, wann gefährliche Transactiones und Verträge, die denen Fideicommissariis und Legatariis zum Nachteil und Abbruch gereichen, errichtet, und darauf erkannt worden. Desgleichen (d so der Principal-Schuldner zur Zahlung comdemnirt worden, und nicht appellirt hätte, mögen seine Fidejussores und Bürgen (welche eventualiter davor haften) wohl appelliren;

Welches dann ebenmäßig (e.) beim Prinicipal-Schuldner frey stehet. Wann der Bürge der eingewandten Exeption ohngeacht condemnirt wird.

Nicht weniger mögen (f.) die Agnati und Mitbelehnte, wann der besitzende Vasall; irem die Guths#Herren, wann die Unterthanen condemnirt worden, wegen ihres etwa darbey habenden Interesse (sonst aber nicht) sich der Appellation bedienen.

§. 23. In denen Fällen da ein Dritter seines Interesse halber appellirt, und ein obsieglich Urthel erhält, soll es auch dem Principalen, welcher zuvor den Process verlohren, zu gute kommen. Es muß aber auch der Principal die Gerichts- und Process-Kosten mit tragen helfen.

Es kann aber, wann der Principal die Appellation versäumt hat, aber seiner Seits die Sache judicat werden lassen, die Execution durch die von einem Dritten verfolgte Appellation nicht aufgehalten, sondern dieselbe muß gegen den Principalen vollstreckt, jedoch dem Arbitrio judictis überlassen werden, ob er den gewinnenden Theil zur Cauton anhalten, oder das streitige Guth bis zur Endigung der Haupt-Sache sequestriren, oder ad depositum nehmen wolle.

§. 24. Wann mehrere Litis Consortes seyn, welche in dem gesprochenen Urthel codemniret worden, so mägen dieselbe insgemein, oder aber ein jeder für sich allein, wofern er darinn beschwert zu seyn vermeinet, appelliren.


(162) Dritter Theil. Tit. IV.

Wann aber die Sache ihrer aller Person insgemeib, und nicht insonderheit beträfe, ist es an einer Appellation genug; und kommt in solchem Fall, wann nur einer appelliret, die Sache und die Defension einerley, auch der Appellante kein besonderes Recht hat, die Appellation denen übrigen Confortibus litis, die nicht appelliret haben, zu gute, wann schon Causa dividua ist, oder der Appellante protestiret., daß er nur seines Interesse halber die Appellationen eingewandt habe.

Wann also z. E. nach erfolgtem Classifications-Urthel ein Creditor, welcher in der dritten Classe locirt worden, gegen einen in der zweyten Classe locirten Creditorem appellirt, und victricem sententiam erhält, so kommt diese Sententz allen denen Creditoren welche in der dritten Classe locirt seyn zu statten, ob sie schon nicht appellirt haben; weil alle mit dem Appellanten einerley Recht haben, und eadem defensionis ratio bey denenselben vorhanden ist, folglich was einen Recht ist, dem anderen auch Recht seyn muß.

§. 25. Die Appellation soll sein beneficium commune seyn , und des actoris appellation niemahlen dem reo, nec contra, zu statten kommen.

§. 26. Es seyn einige Fälle wo derjenige welcher von dem Unter-Richter gravirt wird, keine Appellationen nöthig hat, sondern per modum simplicis querelae Hülffe suchen muß.

Hierunter gehören 1) Wann jemand durch die von seiner ordentlichen Obrigkeit in dessen eigener Sache ergangene Verordnung sich beschwehrt zu seyn erachtet: Solchenfals hat seine Appellation statt, sondern er muß seine Klage per modum simplicis querelae bey dem Ober-Richter gegen seine Obrigkeit anbringen.

Wie denn auch  2) derjenige welcher von seiner Obrigkeit zum Vormund bestellet wird, hiervon nicht appelliren kan, sondern er muß seine causas excusationis bey eben dieser Obrigkeit vorstellen, und dieselbe, wann sie nicht notorisch bescheinigen.


(163) Dritter Theil. Tit. IV.

Wann die causae durch einen Bescheid verworffen werden, soll ihm alsdann erst das Beneficium appellationis angedeyhen: Es muß aber solchenfals ein Curator bestellet werden, welcher unterdessen des Pupilli Güther und Jura zu beobachten schuldig ist; Wann der Vormund in der Appellations-Instantz condemniret wird, muß er alles periculum ratione curatoris übernehmen, und die auf dem Curatorem verwandte kosten ex propriis erstatten.

Woferne 3) in dem Bescheid oder Urthel ein error in den Worten, Nahmen, Zahlen, Blätter, oder dergleichen, so ex actis offenbahr, begangen worden, ist deswegen keine Appellation zu gestatten, sondern demselben durch eine von dem Richter ad acta gebrachte Rigistratur abzuhelffen, und der error ohne weiteres Verfahren und ohne Entgeld zu corrigiren.

§. 27. Der Unterrichter, bey welchem die Appellation übergeben wird, muß sofort das Praesentratum mit Bestimmung des Tages, des Monaths, und so viel möglich auch der Stunde, darauf setzen, und daferne dieselbe an einem Gerichts-Tage eingewandt wir, solche noch an selbigem Tag anzunehmen und darauf zu verordnen schuldig.

Würde aber die Appellation an einem andern Tag praesentiret, muß darauf den nechstfolgenden Gerichts-Tag unverzüglich verordnet werden.

Wann der Richter abwesend, sollen die Rathsverwandten oder die Schöppen, wie auch der Stadtschreiber und Actuarii selbigen Ortes, schuldig seyn das Praesenratum auf den Libell zu schreiben, und selbigen dem Richter nach dessen Zurückkunft sofort vorzulegen.

§. 28. Der Unter-Richter muß den Libellum appellations dem Gegentheil communiciren, acta aber ex officio den nächsten Posttag dem judici superiori einsenden, und die Post-Gebühren, wann der Appellanze solche binnen der Zeit nicht mit der Post richtig macht, mediante executione beytreiben.


(164) Dritter Theil. Tit. IV.

Wann die Parthey sich zum Armen-Recht qualificiret und das Juramentum paupertatis abgeschworen, müssen Acta, und was sonst auf deren Instantz expedirt wird, nach denen Edicten ex Officio auf der Post angenommen, und Porto frey bestellet, zur Nachricht des Postmeisters aber aus solchen Expeditionen, Relationen und Acten, von dem Directore des Collegii, oder dem Referenten, auf ihre Pflicht auf dem Couvert notirt werden, daß es würcklich eine Armen(-)Sache sey, worbey solche Expedition mit einem Königlichen oder andern publiquen Siegeln zu versehen ist.

Wann aber dergleichen Arme entweder den Process gewinnen, oder sonst in den Stande kommen die Gebühren bezahlen zu konnen, so müssen die Gerichte, und in specie die Protonotarii und Secretarii judiciorum, in solchen Fällen denen Post-Aemtern Nachricht davon geben, und sich mit denenselben berechnen, (et)c.

Unter die Armen-Sachen aber können die Kirchen, und andre Pia Corpora (die reformirte Kirchen-Sachen ausgenommen) nicht gerechnet werden, sondern sie müssen das Porto bezahlen.

§. 29. Der Unter-Richter muß nach eingewandter Appellation in der Haupt-Sache nicht ferner verordnen: Vielweniger die Sententz durch Abnehmung der etwa erkannten Eyde, oder sonst, zur Execution bringen.

Wie denn auch die streitende Partheyen gehalten, währendem Appellations-Process alles in dem Stand, wie es zur Zeit der ertheilten Sententz gewesen, zu lassen.

§. 30. Solten diesem zuwider einige Neuerungen oder Attentata vorgenommen, und selbige sofort bescheiniget werden, muß der Judex ad quem solche ohnverzüglich, allenfals durch eine ex officio anzuordnende Commission, aufheben: Es muß aber dadurch, insonderheit wann die vorgebene Attentata nicht gnugsam bescheiniget seyn, die Haupt-Sache niemahls aufgehalten werden. Es stehet


(165) Dritter Theil. Tit. IV.

auch in des Richters Arbitrio dem Kläger Auflage zu thun die Haupt- und Attentaten-Sache zugleich zu treiben. §. 31. In der Schedula appellationis sollen alle und jede Gravamina zwar summariter, aber deutlich, specificirt, und die Appellation an den Richter, der die Sententz ertheilet, gerichtet werden.

Wann also jemand das in genere gegen eine Sententz, welche verschiedene Puncten in sich begreifft, appellirt, soll dem ohngeacht mit der Execution sofort verfahren werden; wie dann auch der Unter-Richter diejenige Puncte worvon nicht specifice appellirt worden, sofort zur Execution bringen muß.

§. 32. Es liegt aber denen Unter-Richtern ob, allen und jeden Appellationen, so Wieder(-) End(-) oder solche bey-Urthel die vim definitivae haben eingewand werden zu deferiren. Vid. Part. 3. tit. 39. p.188.

Es wäre dann daß durch diese Ordnung die Remedia ausdrücklich verbothen seyn; welchen Fals der Unter-Richter auf die Appellation nicht reflectiren muß. Vid. dict. tit. 39.

 §. 33. Un denen Orten wo die Succumbentz-Gelder mit Unserm Consens hergebracht seyn, sollen dieselbe zwar bleiben; es muß aber der Process dadurch nicht aufgehalten, noch unter dem Pratext nicht erlegter Succumbentz-Gelder die Einschickung der Akten verzögert, sondern dergleichen Selber müssen erst nach erfolgter Confirmatoria erlegt und beygetrieben werden.

§. 34. Die Appellanten müssen binnen 4. Wochen a die interpositae appellationis ihre Justification bey dem Ober-Gericht sub poena desertionis einbringen.

Beyde Theile aber vor Ablauff der 4. Wochen einen Advocaten bey dem Ober-Gericht mit behöriger Vollmacht ad audiendum publicari sententiam versehen, und denselben zugleich, ob er allenfals Remedia einwenden solle, instruiren.


(166) Dritter Theil. Tit. IV.

Gestalten dann dem Advocaten davor, und vor die der Parthey zugebende Nachricht 1. Rthlr. passirt werden soll.

Es muß aber der Consulent und Concipient die Justifications-Schrifft unterschreiben, damit derselbe, wann er etwas wider die Rechte, Ordnung, und Acta schreibet, nach denen Edicten davor angesehen werden könne; und soll der Advocat der zweyten Instantz, wann er nicht selber in der Sache schreibt, mit der Straffe verschonet werden. Vid. P. I. Tit.14 §. 40. & 41.

Wenn der Appellant seine Justifications-Schrift übergeben, muß der Präsident dieselbe nebst den Acten (welche vorher ex officio eingeschickt werden müssen) dem ersten Senat ohne weiteres Verfahren sistribuiren. Findet der Senat daß die gravamina ungegründet, und ex actis primae Instantiae sich erledigen, so muß sententia a quo jure confirmiret werden.

Wenn aber die gravamina altioris indaginis seyn, oder die Sententz per majora reformiret werden müste, in solchen Fall muß die Justifications-Schrift dem Appellato durch ein Interlocut communicirt werden, cum mandato loco oralis von 8 zu 8 oder von 14 zu 14 Tagen, wenn aber schriftlich vorhin gehandelt worden, von 3 zu 3, oder von 4 zu 4 Wochen weiter zu verfahren und duplicando zu schliessen, worauf Acta zum Spruch vorgeleget werden.

Wenn jemand durch diesen zweyte Urthel gravirt wird, und die Sache sich zur dritten Instantz qualificirt, geht die Revision an den dritten Senat, und wird in dieser Instantz &c. excipiendo geschlossen.

§. 35. Wann der Debitor in der ersten Instantz die Schuld zum Theil als richtig und liquit agnoscirt, muß die zugestandene Summe auf des Creditoris Begehren sofort executive beygetrieben werden. Obgleich wegen des Ueberrestes eine Appellation eingewandt worden.


(167) Dritter Theil. Tit. IV.

§. 36. Wie es mit der Declaration einer dunckeln Sententz zu halten, davon soll unten Tit. XXXVIII. gehandelt werden.

§. 37. Wann die Sache per appellationem zur zweyten Instantz sich qualificirt, soll die querela nullitatis unter derselben allerzeit begriffen seyn; und nachher niemahlen separatim von dem Appellanten angestellt werden.

§. 38. Wann confirmatoria erfolget, und solche ein Judicatum worden, muß die Sache, auf derer Parten anhalten, an den Richter erster Instantz zur Execution remittirt werden.

Daferne aber sententia a qua reformirt wird, verbleibt die fernere Ausübung der Sache bey der zweyten Instantz; und zwar ohne Unterscheid ob interlocutorio oder definitive erkant wird.

§. 39. Wann jemand frivole appellirt hat, soll derselbige nicht allein in die nothwendige aufgewandte Zehrung und Kosten, auch erlittene Schäden; sondern auch in 5. bis 10. Rthlr. Strafe (wann keine Succumbentz-Gelder erlegt werden müssen) vertheilet werden.

§. 40. Im übrigen soll es bey denen Unter-Gerichten wegen der litis contestation, intervention, reconvention, litis denunciation, liitis reassumtion, dilationen, contumacirung, restirutio in integrum, Beweis (et)c.. Wie in processu summario & ordinario gehalten werden; Worvon in denen folgenden Tituln gehandelt werden wird.

§. 41. In welchen Sachen gar keine Appellationes statt finden, und in welchen dieselbe bloß quoad effectum devolutivum angenommen werden können, davon soll unten P. III. Tit. 39. p. 188. gehandelt werden, worauf Wir uns lediglich beziehen.

§. 42. Schließlich haben Wir die Advocaten hierbey nochmahls verwarnen wollen, daß sie ohne wichtige Ursachen keine Remedia suchen, sondern wann sie in ihrem Gewissen überzeugt seyn, daß die Sache ungerecht, und keine bessere Sententz zu hoffen sey, die Partheyen abmahnen,


(168) Dritter Theil. Tit. IV. V.

und zur Ruhe verweisen, oder gewärtigen müssen, daß sie eben so wie die Parthey gestrafft werden sollen. (Vid §. 24.)

Weil aber die Partheyen öfters aller von denen Advocaten beschehenen Vorstellung ohngeacht darauf bestehen, daß Remedia gesucht werden sollen, so müssen die Partheyen sochens durch ihre eigenhändige Unterschrift attestiren, da dann zwar die Advocaten von der Strafe befreiet werden, die Partheyen aber selbst das Duplum der Strafe erlegen sollen. Vid. P. I. T. 14. §. 28. p.50.

Tit. 5.

Von dem Processu Summario.

§.1.

Bey Unserem Cammer-Gericht sollen alle vorkommende Sachen summariter gehöret, und keine, ohne besondere Erkäntniß, ad processum ordinarium verwiesen werden.

§.2. Daher muß in allen neuen Klagen denen Mandatis (wann dergleichen zu erkennen nöthig) jderzeit eventualis Terminus zum Verhör angesetzet, und bei dem Verhör determiniret werden, ob die Sache summariter oder per modum processus orinarii verhandelt werden solle. Es wäre dann daß die Umstände so beschaffen, daß der Decernent voraus siehet, daß die Sache in termino loco oralis, oder zum schriftlichen Verfahren vermiesen werden müsse(et)c. solchenfalls kann die Sacher sofort ad excipiendum verwiesen werden. Vid. P. I. Tit. 6 §.6.

§. 3. Wann die Sache sich zum summarischen Process qualificirt (vid. supr. Tit. 1.) so  muß dieselbe mündlich vorgetragen, und darinn nach der Vorschrift des P. 2. Tit. 5. & 6. verfahren werden, dergestalt, daß, wann die Sache gering, aber periculum in mora ist, oder solche


(169) Dritter Theil.Tit. V.VI.

wegen Vielheit der Partheyen in Termino nicht füglich gehöret werden kann, dieselbe loco oralis von 3 zu 3, oder von 8 zu 8, oder von 14 zu 14 Tagen verwiesen werden muß.

Wann aber die Sache schwer, weitläufig, und auf viele Documenta ankommt, alsdenn erst muß die Sache zum schriftlichen Verfahren, und zwar, nach Beschaffenheit der Sachen, und Entlegenheit des Orts, von 3 zu 3, oder von 4 zu 4 Wochen gerichtet werden, von welchem processu ordinario unten mit mehrem gehandelt werden soll.

Tit. VI.

Von dem Kläger, und dessen Libello actionis.

§. 1.

Es ist einem jeden erlaubt sein Recht durch Anstellung einer Action zu verfolgen; so, daß auch ein Kind gegen seine Eltern agiren kann. Es werden aber von dieser Regel ausgenommen:

I.) Unsinnige und blödsinnige Personen, item Kinder, Pupillen, und diejenige so in die Acht erklärt worden. In deren Sachen die Tutores und Curatores allein agiren können.

II.) Minderjährige, und die pro Prodigis declarirt worden, können ohne ihre Vormünder und Curatoren Consens keine Action anstellen. Es wäre dann in causis momentaneae possessionis.

III.) Es kann auch ein Sohn keine Action anstellen wann von dem Peculio Profectitio die Frage ist: Es wäre dann daß der Vater abwesend sey, oder sonst verhindert werde, und zum Besten des Peculii geklaget wird.

Wegen des Peculii adventitii, worin der Vater den Usumfructum hat, kann der Vater nicht anders als mit Consens


(170) Dritter Theil. Tit. VI.

des Sohnes, Klage anstellen. Wann aber der Vater verhindert wird, kann der Sohn, wann er de rato caviret, auch ratione adventitii allein agiren.

Wann von dem Peculio adventitio irregulari, oder castrensi, die Frage ist, kann der Sohn auch wieder des Vaters Willen, ja wider ihn selbst, Klage anstellen. §. 2. Derjenige welcher eine Klage anstellen will, muß sich nicht muthwilliger und unbedachtsamer Weise in den Process einlassen, auch seinem eigenen Gutdünden nicht zuviel indulgiren und nachgeben, noch denen öfters eigennützigen Rathgebern folgen, sondern die Sache vorher wohl überlegen, ob er zulänglichen Beweis bey der Handhabe die Klage in casum negati zu behaupten, auch ob es rathsam sey wegen einer Kleinigkeit einen Process anzufangen, wo die Kosten den Werth der Sachen leicht übersteigen könten; den Kummer, Verdruß, Haß und Feindschaft, welchen die Processe nach sich ziehen, zu geschweigen.

§. 3. Wer für Unserem Cammer-Gericht zu klagen nöthig hat, derselbe soll in seinem Klag-Libell das Factum oder die Sache kurtz, jedoch klar und deutlich vorstellen, seinen Titulum oder Fundamentum actionis exprimiren, keine unnöthige und zur Haupt-Sache nicht dienende Umstände anführen, und wann die Sache auf Documenten und Briefen beruhet, dieselbe in Originali, oder vidimata Copia beylegen, und ein Legales dem vorhergehenden Facto conformes petitum formiren, niemahls aber eine Clausulam salutarem, als welche jederzeit ipso jure in dem Libell begriffen seyn soll, beyfügen: wobey. Wir Uns auf dasjenige, was denen Advocaen oben P. I. Tit. 14. §. 10. & seq. bey Verfertigung des Libelli vorgeschrieben worden, beziehen.

§. 4. In dem Libello sowohl, als in dem Petito, muß nebst der Haupt-Sache zugleich derer Schäden, Unkosten, Früchte, Abnutzung, Zinsen, Interesse, und dergleichen, ausdrückliche Meldung geschehen; da aber dieselbe in dem


(171) Dritter Theil. Tit. VI.

Libello übergangen, und nicht gebeten worden, soll zwar der Richter ex Officio darüber mit erkennen, der Advocat aber, welcher solches unterlassen, jederzeit mit 5 Rthlr. Strafe belegt werden.

§. 5. Wann das Klage-Libell obscur oder inept wäre, soll es dem Advocaten wieder zurück gegeben, oder doch in dem gesetzten Termino verworfen, und in beyden Fällen der Advocat mit 2 bis 5 Rthlr. Strafe belegt, zugleich aber auch angewiesen werden, wie er die Action nach Beschaffenheit des Facti anstellen müsse.

Würde die Exceptio Libelli inepti und obscuri übergangen, und selbem ohngeachtet auf die Einlassung und Litis contestation erkannt, soll zwar keine Appellation davon statt haben, jedoch dem künftigen Referenten frey gelassen seyn, dasjenige was sich pro qualitate facti & negotii gebührt, und nach Beschaffenheit der Sache Rechtens ist, zu erkennen.

§. 6. Wann in Schuld-Sachen der Kläger etwas auf die eingeklagte Schuld bezahlt erhalten, muß er solches specifice, wie viel nehmlich an Capital und Zinsen bezahlt sey, so viel ihm erinnerlich angeben, oder 4 Rthlr. Strafe erlegen.

§. 7. Wann viele Interessenten bey einer Klage concurriren, muß der Actor von allen denjenigen, welche zur Sache nothwendig gehören, und daran Antheil haben, Vollmacht beybringen. Vid. supr. P. I. tit. 14. §. 10. n. 7. & P. 3. tit 10. §. 23.

§. 8. Wann ein Vormund oder Curator eine Klage anstellen will, muß er Copiam Tutorii vel Curatorii dem Libell beylegen. Vid. P. I. T. 19. §. 10. n. 9.

Wann ein Unmündiger oder Furiosus beklagt wird, muß die Klage auf den Vormund oder Curatorem gerichtet werden, diese aber müssen in Termino sich durch Production des Tutorii oder Curatorii legitimiren.

Wann der Beklagte noch nicht bevormundet ist, muß der Kläger vor Anstellung der Action um Bestellung eines Vormundes (et)c. anhalten.


(172) Dritter Theil. Tit. VI.

§. 9. Wann jemand als ein Cessionarius, wegen einer Sache so ihm von einem andern abgetreten: belanget wird, so soll er in dem Libello seine Cession genugsam bescheinigen. Im übrigen wollen Wir die Disposition des Legis Anastasianae, welche zu vielen unnöthigen Weitläuftigkeiten Anlaß gegeben, hiedurch gäntzlich aufgehoben haben.

§. 10. Es muß der Kläger auch in dem Libello anführen, ob die Sache rechtshängig sey, und wie weit darin verfahren worden: Insonderheit seyn die etwa darin ergangene Abschiede, so viel ihm davon bekannt, bey 5 Rthl. Strafe nicht zu verschweigen.

§. 11. Wann in dem Klag-Libell Arrest gesucht, ad divisionem provocirt, Decretum alienandi, oder sonst etwas gesucht wird worin speciale Mandatum nöthig ist, so muß der Advocat sothanes Mandat originaliter beylegen, oder den Libell von der Parthey selber unterschreiben lassen, ehe aber keine Action anstellen; Vid. P. I. T. 15. §. 13. Es wäre dann, daß in Causis repentinis, als Arrest-Sachen, (et)c. der Advocat de rato cavirte: wiewohl er in Termino justificationis die Special-Vollmacht beybringen, oder gewärtigen muß daß der Arrest mit Erstattung der Kosten wieder aufgehoben werde. Vid. Tit. XV. §. 13. p. 60.

§. 12. Damit auch Unser Cammer-Gericht wissen möge, ob der Beklagte unter dessen Jurisdiction stehe; so sollen in dem Libello nicht allein dessen Vor- und Zunahmen gesetzt, sondern auch der Ort wo er sich aufhält, und dessen Stand, Condition, und Bedienung angezeigt werden, welches auch geschehen muß wenn etwa verschiedene Beklagte wären: und soll ohne solche Anzeige der Libell nicht angenommen werden. Vid. supr. Part. I. Tit. 14. §. 36.

§. 13. Wann mehrere Personen aus verschiedenen Forderungen einem Kläger schuldig seyn, können dieselbe


(173) Dritter Theil. Tit. VI.

nicht durch eine Action belanget werden, sondern es ist ein jeder Schuldner separata actione zu besprechen.

Wann aber im Gegentheil verschiedene Creditores seyn, welche geringe Summen bis 20 Rthl. jede, oder weniger, von eben demselben Debitore fodern; so können diese zu Ersparung der Kosten communem causam machen, und in einem Klag-Libell ihre Forderungen cumuliren.

§. 14. Wolte jemand ein unbewegliches Stück in Anspruch nehmen, muß er solches genau beschreiben, an welchen Ort, und zwischen welchen Nachbahren es belegen.

§. 15. In denen Injurien- Sachen müssen die Umstände wann, wo, und von wem das Geklagte geschehen, als das Jahr, Monat, Tag, Ort und Personen, auch wer gegenwärtig gewesen, so viel möglich deutlich ausgedrucket werden. Vid. die Constitution von Injurien.

§. 16. Unter dem Klag-Libell muß sowohl derer Supplicanten Nahmen, als auch des Advocati Vor- und Zunahmen gantz ausgeschrieben, und das richtige Datum beygefügt werden. Wann kein recipirter Advocat das Memorial unterschrieben, muß es zurück gegeben, und damit wie oben Part. 1. Tit. 14. §. 28. versehen verfahren werden.

Wann auswärtig geschrieben wird, muß nebst des Advocati auch des Concipienten Nahmen darunter notirt werden. Vid. dict. §. 28. n. 4. & §. 40.

§. 17. Die Libelli, Supplicata, Relationes, Mandata, Arrestat, und was sonst von dem Raths-Collegio nomine collectivo übergeben wird, müssen von dem Syndico und zweyen Raths-Herrn oder Gerichts-Personen unterschrieben, und mit dem gewöhnlichen Insiegel bedruckt werden.

Wann Capitula und Stifter dergleichen übergeben, müssen neben dem Syndico zwey Capitularen die Schriften unterschreiben.


(174) Dritter Theil. Tit. VI.

Wann aber von diesen Corporibus ein Bevollmächtigter einmahl in Rechtshängigen Sachen bestellet ist, so können die Memorialien, wann sie von ihm unterschrieben seyn, angenommen werden.

§. 18. Es müssen auch die Partheyen die Klagen in duplo übergeben, wovon das eine nebst dem Decreto ad acta gelegt, das andere dem Gegentheil, nebst dem ausgefertigten Befehl, communicirt werden soll. P. 1. T. 14. §. 27 & P. 2. Tit. 3. §. 4.

§. 19. Es stehet auch der Parthy frey ihren Klag-Libell zu ändern. Es muß aber solches tempestive ante terminum geschehen, und dem Beklagten auch ante terminum notificiret werden.

Wenn also der Kläger nach dieser Zeit Libellum ändern wolte, soll das Gegentheil darauf sich einzulassen nicht schuldig seyn, sondern es muß der Kläger demselben zuforderst die Expensas termini erstatten.

Würde aber der Kläger post litem contestatum Libellum ändern, soll ihm solches nicht eher gestattet werden, bis er dem Gegentheil die völlig causirte Unkosten ersetzet: und wann der Advocat von Anfang nicht die behörige Information eingezogen, und dadurch zu Aenderung des Libelli Anlaß gegeben, soll er jederzeit in 2 bis 3 Rthl. Strafe condemnirt werden.

Jedoch ist für keine Aenderung des Libelli zu halten, wann jemand selbigen so wohl vor, als nach der Litis-Contestation, mit mehren Umständen declariren, oder einen darinn begangenen Irrthum oder obscuritaet corrigiren, und erlautern, oder an statt des libellirten Quanti ein höheres oder geringeres fordern wolte; als welches ihm auch nach der litis contestation bey Führung des Beweises, oder bis zur würcklichen Eydes-Leistung annoch frey stehet.

Wolte Kläger die vorige Action fallen lassen, und eine neue übergeben, welche von der vorigen ratione actionis vel objecti different ist, soll ihm solches bis zur Antretung


(175) Dritter Theil. Tit. VI.

des Beweises erlaubt seyn. Er muß aber zuforderst, und ehe der Beklagte sich darauf einlassen darf die sämtliche Unkosten erstatten: wann aber der Beweiß angetreten worden, muß der Kläger und der Advocat über dem 5 Rthl. zur Sportul-Casse erlegen.

§. 20. Es finden sich auch Leute, insonderheit wann sie mit ihren Obrigkeiten, oder Unterthanen, zu thun haben, welche alle Gradus der Chicanne durchgehen, von dem Summariissimo anfangen, und wann sie solches durch 2 oder 3 Instantzen durchgetrieben, das Possessorium ergreifen, und wann sie auch damit einige Jahre den Process aufgehalten, alsdann erst das Petitorium anstellen, und dadurch den Process unsterblich machen: diesem Mißbrauch vorzukommen, ordnen und wollen Wir daß derjenige welcher in summariissimo nach der von Uns vorgeschriebenen Ordnung durch 2 Urthel condemniret wird, kein Possessorium ordinarium anstellen, sondern das Petitorium ergreifen, und den Beweis übernehmen müsse.

Es stehet aber einem so wohl als dem andern frey, bey dem Summariissimo die Possession auch per Actus antiquos zu erweisen, oder wohl gar das Petitorium agendo vel excipiendo zu cumuliren, und muß der Richter dem Befinden nach auf beydes reflectiren: Wann schon die Partheyen protestiren, daß sie bloß in Summariissimo geklagt, und auf die Actus antiquiores, oder das Petitorium, sich nicht einlassen wollen.

Wann der Kläger das Possessorium ordinarium anstellet, und zugleich seinen titulum bescheiniget, oder der Beklagte excipiendo titulum docirt, so soll der Richter gleichfalls befugt seyn in petitorio zu sprechen.

Es verstehet sich aber von selbsten daß diese cumulatio petitorii nicht statt haben könne, wann jemand de retinenda possessione Klage anstellet.

§. 21. Bey Bagatell-Sachen, welche nicht über 20 Rthl. betragen, braucht es keines ordentlichen Libelli,


(176) Dritter Theil. Tit. VI. VII.

sondern es ist genug, wann die Klage durch mündliche Imploration ad acta registriret, oder das Factum in der Schrift richtig praemittirt wird, das übrige muß der Richter suppliren. Vid. Constit. von Bagatel-Sachen.

§. 22. Wann alternative ein Petitum formirt wird, muß der Richter bloß auf dasjenige in Sententionando reflectiren, was denen Rechten nach eigentlich zu bitten gewesen.

§. 23. Wann jemand restitutionem rei oder dessen Werth bittet, muß das Richter auf die Restitution der eingeklagten Sache, wann sie noch vorhanden, und ohne grosse Beschwerde des Beklagten wieder gegeben werden kan, erkennen: Wiedrigenfals muß der Richter auf die Erstattung des Werths erkennen.

§. 24. Wenn Unterthanen gegen ihre Obrigkeiten Actionem anstellen, müssen die Advocaten den Beweis sorgfältig zur Hand schaffen, die Beyträge oder Documenta woraus sie ihre Freyheit zu dociren vermeinen, und in deren Ermangelung summaria attestata beylegen (et)c. Dahero dann auch das Gericht auf dergleichen nicht bescheinigte Klagen keine Citation veranlassen, sondern dieselbe wieder zurück geben, die Bescheinigung erforderen, und den Advocaten, daß er solches unterlassen, bestrafen soll.

Tit. VII.

Von der Diffamations-Klage, und wann jemand zum Praejuditz eines dritten, seine Klage nicht anstellet.

§. 1.

Es ist zwar eine General(-) Regul daß niemand gezwungen werden kann wider seinen Willen zu klagen, es leidet aber diese Regul einen Abfall:


(177) Dritter Theil. VII.

Erstlich, wann jemand sich berühmt, daß er eine Praejudicial- Real- oder Personal-Action gegen einen andern habe: oder jemanden diffamirt, daß er sich ein Recht anmasse welches nicht ihm, sondern den Diffamaten zustehe.

In diesem Fall stehet dem Diffamato frey, den Diffamanten in dessen Foro ordinario zu belangen, und ihre anzuhalten, daß, wann er einige Action gegen den Kläger, oder einiges Recht an die Sache zu haben vermeinet, in des Diffamati Foro ordinario Klage dieserhalb in gewisser Zeit anstellen, oder gewärtigen solle, daß ihm ein ewiges Stillschweigen auferlegt werde.

§. 2. Es hat aber diese Diffamations- Klage nicht statt, wann jemand einem anderen ein Crimen, oder sonst eine schändliche, injurieuse und unehrliche That imputirt, und denselben dadurch diffamirt; allermassen in diesen Fällen nach der Constitution von Injurien verfahren werden muß.

§. 3. Wer dergleichen Diffamations-Klage anstellen will, muß solche durch Beylegung beglaubter Uhrkunden, so der Provocation schriftlich beyzulegen, bescheinigen.

§. 4. Wann der Diffamante in dem angesetzten Termino die Diffamation läugnet, und der Diffamatus solche nicht erweiset (welches er auch per delationem juramenti thun kann) so soll der angegebene Diffamante von der angestellten Klage mit Erstattung der Unkosten absolvirt werden.

Würde aber der Diffamant in Termino declariren, daß er aus Irrthum dergleichen Reden sich verlauten lassen, oder daß es eine andere Meinung gehabt, so ist kein Process weiter zu verstatten, weil Provocant durch solch Erklären dasjenige erhält, was er durch die Diffamations-Klage erhalten würde. Jedoch ist der Diffamate den Befinden nach in die Kosten zu condemniren.

Wann der Diffamant der Rede und Diffamation geständig, auch daß dieselbe wahr sey bekräftiget, muß demselben


(178) Dritter Theil. Tit. VII.

anbefohlen werden, binnen 4 Wochen seine Klage in des Provocanten Foro anzustellen: Wann er solches nicht thut, muß ihm ein ewiges Stillschweigen per Sententiam auferlegt, derselbe in die Kosten condemniret, und zugleich arbitrarie bestraft werden.

Im Fall auch der Provocante vermeinet, daß sein Credit und guter Leumuth dadurch gelitten, stehet ihm frey in separato eine Injurien-Klage gegen denselben anzustellen.

§. 5. Wann der Provocate und Diffamante nicht nicht erscheinet, soll ein anderweitiger terminus judicialis (welcher nicht prorogiret werden kann, noch soll) angesetzt, und, wann er alsdann nicht erscheinet, demselben Perpetuum silentium auferlegt, und er in die Kosten condemniret werden: Dem Provocanten aber wird die Injurien-Klage in dem vorangeführten Falle vorbehalten.

§. 6. Hieraus ergiebt sich von selbsten daß allhier zwey Judicia, und zweyerley actiones vorhanden seyn.

In dem Judicio diffamatorio ist der Provocant und Diffamatus Actor, weil er den Diffamanten ad agendum provocirt, der Diffamante aber ist Beklagter.

Wann der Diffamante die Diffamation gestehet, solche als wahr angiebt, und seine Klage in des Provocanten foro anstellet, so ist er in der Haupt-Sache Actor, und der Diffamatus Beklagter.

§. 7. Es kann auch Zweytens jemand ad agendum gezwungen werden, wann dem Reo daran gelegen, daß der Creditor seine Action anstelle, und solche nicht länger aussetze.

Wann also jemand vor einen fidejubirt hat, und gerne von der Bürgschaft loß seyn wolte, weil der Haupt-Debitor in Abnahme seiner Nahrung und Credits verfällt, so kann der Bürge den Creditorem gerichtlich anhalten, daß er dem Debitori das Capital aufkündigen, und nach Ablauf des in der Obligation gesetzten Zahlungs-Termin den Debitorem zur Zahlung zwingen, und solchergestalt


(179) Dritter Theil. VII. VIII.

den Bürgen liberiren, oder gewärtigen müsse, daß dieser von der Bürgschaft losgesprochen werde.

Wann der Creditor dieses unterlässet, und auf des Richters Befehl nicht agiret, oder die Sache nicht gehörig betreibet, und dadurch Anlaß giebt daß der Debitor seinen Zustand verschlimmert, so muß der Bürge in contumaciam von der Bürgschaft befreyet werden.

§. 8. Dieses Beneficium wird Drittens auf alle Debitores extendirt, welche gegen ihre Creditores eine Exception haben die mit der Zeit expiriren, oder schwerer gemacht werden könnte als wann z. E. jemand mit seinem Creditore eine Abrechnung hätte, der Creditor aber die Action anzustellen verzögerte, in der Hofnung daß der Debitor welcher allein Nachricht von der Sache hat, unterdessen versterben möchte.

§. 9.Wann jemand per sententiam zu Anstellung der Action in allen diesen Fällen condemnirt wird, so soll kein Remedium, auch nicht nullitatis, dargegen verstattet werden.

Tit. VIII.

Von der Citation oder Vorladung.

§. 1.

Auf des Klägers Klag-Libell muß nach der oben P. I. T. 6. §. 2. seq. ertheilten Vorschrift decretirt, und regulariter denen darauf zu ertheilenden Mandatis eventualis terminus beygefügt werden. Vid. sup. T. 5. §. 2.

§. 2. Das Klag-Libell muß denen Beylagen in copia der Citation eingeschlossen, und dem Beklagten zugleich anbefohlen werden bey Zeiten einen Advocaten zu bevollmächtigen, und gehörig zu instruiren, damit der Verhörs-Termin durch diesen Mangel nicht wendig gemacht werden möge; mit der Verwarnung, daß, in Verbleibung dessen, einer (welcher zugleich in der Citation zu


(180) Dritter Theil. Tit. VIII.

benennen) ex officio verordnet, und dem selben die gerichtliche Processe insinuirt werden sollen.

Wann der Beklagte in termino keinen Anwald constituirt, und die insinuatio docirt wird, soll der benannte Advocat per decretum ex officio zum Sachwalter constituirt, und dem selben dasjenige, was in processu hiernechst ergehet, insinuirt werden.

§. 3. Die Ansetzung der Termine wird nach Entlegenheit des Ort, und Wichtigkeit der Sache, dem Arbitrio der Regierung überlassen.

Wann der Beklagte ausserhalb Unsern Ländern an einem weit entfernten Ort sich aufhält, soll der Termin auf 6. Wochen angesetzt und bloß eine Dilation auf andere 2, 4 biß 6. Wochen aus erheblichen Ursachen verstattet, nach deren Ablauff aber in contumaciam erkannt, und das Verhör niemahl über drey Monath ausgesetzt, auch keine Restitutio dargegen verstattet werden.

§. 4. Da den Citato ein Tag bestimmet war an dem sein Gerichts-Tag gehalten würde, soll dieser Tag auf den nachfolgenden Gerichts-Tag erstrecket, und solchergestalt verstanden werden.

§. 5. Wann auch sonst in processu litis Verhörs(-)termine anzusetzen nöthig, müssen die Supplicata jederzeit denen Citations-Befehlen beygefügt werden, in Ermanglung dessen aber citati zu erscheinen nicht schuldig, jedoch solches ante terminum anzuzeigen gehalten seyn.

Die Secretarii aber, welche solches versaumt, müssen den Kläger die Kosten bezahlen, und 5. Rthlr. zur Sportuln Casse erlegen.

§. 6. Ausser denen schrifftlichen Citationen überlassen Wir Unsers Cammer-Gerichts Gutbefinden, auch vermöge offener Decretorum nicht allein diejenige so in hiesiger Residenz wohnen, sondern auch die Auswärtige, wann sie sich allhier aufhalten, insonderheit wann periculum in mora ist, durch den Cantzley-Diener vermöge ihm mitgegebener schriftlichen Ordre citiren zu lassen,


(181) Dritter Theil. Tit. VIII.

und muß derselbe die Original-Verordnung, (wann er solche dem Citando selbst Persönlich vorgezeigt, und durch klare Worte den Tag und Zeit, auf welche er erscheinen soll, und das solches geschehen in Documento insinuationis ausdrücklich erwehnt) nebst seinem Bericht sofort wieder ad Acta geben, dem Citato aber Copiam sowohl von der Verordnung, als dem Supplicato, zustellen.

§. 7. Es kan auch ein dritter, den die streitige Sache mit angehet, auf Anhalten des Klägers oder des Beklagten, oder auch ex officio wann es das Judicium nöthig findet, vorgeladen werden. Es muß aber alsdann die Citation an alle Interessenten die zur Sache gehören ergehen, und muß der Citatus allenfalls solche benennen: Da aber der Dritte sich darauf nicht einliesse, und seine Nothdurft nicht ausführte, soll nichts destoweniger zwischen denen andern Partheyen in der Sache rechtlich verfahren werden.

§. 8. Wie die Ediktal-Citationes bey denen Concurs-Processen, moratoriis, auch cessione bonorum geschehen sollen, davon ist in der Concurs-Ordnung gehandelt worden.

§. 9. Die Citatio Edictalis soll auch statt haben wann ein Vagabundus, oder einer von dessen Ort des Aufenthalts man keine gewisse Nachricht hat, vorzuladen: und müssen dergleichen Edictal-Citationes zu dreyen unterschiedenen mahlen, und zwar von 4 zu 4 Wochen wiederholet, in der letztern Citation die gewöhnliche Commination beygefügt, und solche in dreyer Herren Lande, sonderlich aber an dem Ort wo der Vagabundus sich zuweilen aufzuhalten pflegt, angeschlagen werden.

Sonsten verstehet sich von selbsten, daß Vagabundi, die hin und wieder im Land herumlauffen, und keine bleibende Stette haben, in allen Gerichten und Oertern, worin sie betreten werden, belangt, auch daselbst zu antworten und Caution zu bestellen schuldig seyn.


(182) Dritter Theil. Tit. VIII.

§. 10. Diese Edictal-Citation hat auch statt, wann der Ort wo die vorgeladene Person sich aufhält, wegen Krieges, Feindschaft, oder auch sonst, nicht sicher ist.

§. 11. Wann jemand unter einer fremden Jurisdiction wohnet, muß er per Subsidiales citirt werden.

§. 12. Wann ein Magistrat oder Collegium, oder sonst eine gantze Gemeinde, vorzuladen, soll es genung seyn wann Citatio nomine collectivo entweder an den Magistrat, oder das Collegium, oder die Gemeine gerichtet wird.

§. 13. Wann ein Minderjähriger oder Prodigus vorzuladen, sollen dieselbe nebst ihrem Curatore citirt werden. Daferne aber die Sache einen Pupillum, Furiosum, oder blöde Person betrift, ist die Citation an dessen Vormund, und wann er unter väterlicher Gewalt stehet, an den Vater allein zu richten.

§. 14. Was die Würckung der Vorladung anlanget, so operirt dieselbe, wann sie recht instruiret worden, 1) die Praevention des Gerichts-Zwanges, dergestalt, daß, wann eine Sache vor verschiedene Richter könte gezogen werden, dasjenige Judicium welches die Citation zuerst angegeben, die Sache erörtern und entscheiden solle.

2) Hat die Citation effectum litis pendentiae, daß nemlich vor einem andern Gericht in die Sache nicht verfahren, sondern allenfals solches per viam attentati wiederrufen werden solle.

3) Wird durch die Citation die Verjährung interrumpirt, also daß der Citatus, wann die Praescription noch nicht vollbracht, nach ausgegangener und insinuirter Citation dieselbe von neuen ausgehen muß. Jedoch wird in diesem dritten Fall auch erfordert, daß Litis contestirt, oder, wann der Beklagte aussenbleibet, dessen Contumacia accusirt worden.

Wann aber 4) das Klag-Libell propter ineptitudinem vel obscuritatem verworfen worden, soll die vorhergegangene Citation nur bemeldete Würckung nicht haben:


(183) Dritter Theil. Tit. IX.

solches auch auf den Fall, da ohne rechtmäßige Prorogation coram judice incompetente geklagt worden, hiemit erstreckt seyn.

Tit. IX.

Welchergestalt die Citationes, Verordnungen, und andere Gerichtliche Sachen, gehörig zu insinuiren.

§. 1.

Die Citationes und andere Verordnungen sollen so viel möglich an denen Wochen- nicht aber an denen Sonn- und Fest-Tagen; auch denen, an welche sie gerichtet, eigenhändig insinuiret werden.

Wann sie nicht anzutreffen, müssen sie in dem Haus wo sie ordentlich wohnen, oder in denen Cram-Läden, ihren Ehe-Gatten, Eltern, erwachsenen Kindern, und Bedienten, so in ihrem Lohn und Brod seyn, (welche bey der Registratur der beschehenen Insinuation mit Nahmen zu benennen) keinesweges aber fremden und unbekandten Personen zugestellet werden.

§. 2. Daferne aber niemand von denen vorgenandten Personen, denen die Citation insinuirt werden könte, vorhanden wäre, oder keiner solche annehmen wolte, ist dieselbe an die Stuben- oder Haus-Thüre anzunageln, oder den Wirth bey welchen sie wohnen zuzustellen.

Es stehet auch dem Insinuanten frey, solchenfals sich in denen Städten bey denen Magisträten, auf dem Lande aber, bey denen Schultzen zu melden, denenselben die Citation einzuhändigen, welche bey 2. Rthle. Strafe gehalten seyn sollen, die Insinuation zu befördern, und dem Insinuanten inzwischen ein Arrest zu ertheilen.

§. 3. Wann der Citatus nach der Praejudicial-Citation nicht erscheinet, muß gegen ihn in contumaciam


(184) Dritter Theil. Tit. IX.

verfahren werden, weil niemand von Hause reisen soll, ohne denen Angehörigen, und seinen Domestiquen, oder dem Wirth, Nachricht zu hinterlassen, wo er anzutreffen.

Welches insonderheit bey denen Membris Collegiorum, welche unter dem Praetext der herrschaftlichen Commissionen, die Wechsel- und andere Executiones zu eludiren suchen, statt haben soll.

§. 4. Wann ein Befehl an eine Stadt, Commun, oder Collegium, gerichtet wird, soll die Insinuation respective dem Wort haltenden Bürgermeister, Verordneten, und Gewercken derer Städte, oder dem Altmeistere derer Zünfte, in denen Dörfern aber denen Schultzen geschehen.

Und liegt denenselben ob, der gantzen Commun, oder andern Interessenten, davon behörige Nachricht zu geben.

§. 5. Hüffner, Coßäthen, Handfröhner und andere Consorten aber, welche pro universitate nicht geachtet werden, soll man absonderlich, und zwar durch einen Umlauff citiren und vorladen, auch auf jedem Dorf davon eine Abschrift, so dem Bothen zu dem Ende mitzugeben ist, zurück lassen.

§. 6. Auf den Fall da ihrer viele in einer Sache interessiren, folglich alle citirt werden müssen, soll derjenige welchem der Original-Befehl insinuiret wird sich gegen den Boten sofort erklären, ob er selbiges seinen Litis-Consorten zusenden wolle, alsdenn ihm der Original-Befehl zu lassen, und muß er in dem Recipisse, oder der Bote in der abzustattenden Relation, dessen Erwehnung thun. Wolte er aber den Original-Befehl seinen Interessenten nicht communiciren, muß die Original-Citation allen Interessenten vorgezeigt, und bey dem letzten gelassen werden: Es stehet auch einem jeden frey Copiam davon zu nehmen, jedoch soll er das Original über 2 Stunden nicht bey sich behalten.

§. 7. Weil aber dem Kläger sowohl als dem Beklagten nicht zugemuthet werden kan, mit einem jeden Debitore oder Creditore besonders zu handeln, so stehet


(185) Dritter Theil. Tit. IX.

denenselben frey in dem Libello zu bitten, daß die sämtliche Interessenten in dem anzusetzenden Termino einen communem Mandatarium bestellen oder gewärtigen müssen, daß in Termino des Gegentheils Advocatus auch denen nicht erschienenen zum Mandatario bestellet werden solle; welches auch der Citation mit inserirt werden muß.

Wann in dem Termino von den sämtlichen Interessenten kein Communis Mandatarius bestellet wird, soll des Gegentheils Advocatus ex Officio darzu constituirt werden, welchem die Insinuation derer Befehle geschehen muß. Und solche Insinuation muß vor zulänglich gehalten werden.

§. 8. Wann von denen Interessenten niemand vorhanden wäre, oder keiner die Citation annehmen wolte, auf diesen Fall soll die Insinuation wie oben §. 2. versehen, geschehen, und können die übrige, zur Verzögerung der Sache, sich damit nicht behelfen.

Wie denn auch denen Consorten, welche in fremden Landen wohnen, und deren Aufenthalt unbekant, auf des Gegentheils Begehren ein Advocatus ex Officio bestellet, und des gegenwärtigen Consorten Mandatarius dazu benennet werden soll.

§. 9. Da ein Befehl an verschiedene Erben, so die Erbschaft noch nicht getheilet, gerichtet wäre, ist genug wann dessen Insinuation im Sterb-Hause geschicht.

Wann aber die Erbschaft getheilet ist, und Kläger keine Nachricht hat, welche, und wie viel Erben jemand hinterlassen, so ist genug wann in dem Libello ein Erbe benannt wird; und ist dieser, daferne er Miterben hätte, und allein zu antworten bedenklich hielte, schuldig seine Neben-Erben zeitlich ante Terminum zu benennen, und um deren Adcitation anzuhalten, oder zu gewärtigen, daß er nach Befinden mit der Exceptione plurium cohaeredum, ohne des Klägers Einwilligung, in Termino nicht gehöret werden solle. Wann der Erbe den Aufenthalt der Miterben nicht weiß, und solches eidlich zu


(186) Dritter Theil. Tit. IX.erhärten sich erbietet, muß, wie vorhin verordnet, ein communis Mandatarius ex Officio bestellet werden.

Wann auch die Absentes sich nachher wieder einfinden, und contra Sententiam latam, Restitutionem in integrum suchen, sollen sie damit nicht gehöret werden, weil ihnen obgelegen, bey ihrer Abreise, Nachricht wo sie anzutreffen, zu hinterlassen.

§. 10. Wann der Kläger actionem realem anstellet, stehet ihm zwar frey in loco domicilii die Citation dem Beklagten zu insinuiren: Es stehet aber auch in dessen arbitrio, ob er dieselbe auf dem Guth, darauf die Forderung haftet, insinuiren lassen wolle, mithin ist Kläger nicht schuldig dieselbe ad domicilium rei zu schicken; Weil ein jeder Dominus fundi gehalten ist in seinen Gütern die Anstalt zu machen, daß, wann daselbst in seiner Abwesenheit Citationes wieder ihn insinuiret werden, sie ihm von seinen Bedienten, Verwaltern (et)c. zugeschickt werden müssen.

§. 11. Solchemnach sollen auch diejenige, die auf Rechnung oder Arrende in einem Guth oder Haus sich befinden, verbunden seyn, die an die Eigenthümer gerichtete Befehle anzunehmen, und auf deren Kosten ihnen zuzuschicken.

Solte aber jemand ein Guth wiederkäuflich, oder als einen Pfand-Schilling besitzen, kan er zu Annehmung dergleichen Befehle nicht angehalten werden, sondern der Kläger muß die Insinuation in loco domicilii thun lassen.

§. 12. Wann jemand nicht allein in diesen, sondern auch auswärtigen Landen mit unbeweglichen Gütern angesessen, und actione reali vel personali bey dem Cammer-Gericht belanget würde, er auch litem contestirt hätte, so soll nach dessen Absterben die Insinuation derer Befehle allein auf den hiesigen Gütern geschehen, und deren Besitzer, es sey gleich die Erbschaft getheilet oder nicht, schuldig seyn, solche seinen Mitinteressenten


(187) Dritter Theil. Tit. IX.

zuzusenden, oder denenselben, wann etwas durch dessen Unterlassung versäumet wird, gerecht zu werden.

§. 13. So dürfen auch die Befehle, da verschiedene Tutores oder Curatores zugleich bestellet wären, nur einem allein insinuiret werden, und ist derselbe gehalten, solche seinem Neben- Vormund, sub eadem comminatione, zu communiciren, welches auch bey denen Kirchen- Vorstehern und Provisoren derer Schulen, Hospitäler und anderer piorum corporum statt haben soll.

§. 14. Wann ein Mandatarius ad acta entweder von denen Partheyen, oder ex officio, bestellet worden, so sollen demselben alle in der Sachen ergehende Verordnungen insinuirt werden, und er solche unweigerlich anzunehmen schuldig seyn.

§. 15. Damit auch die Insinuationes desto richtiger geschehen mögen, so können in denen Städten denen immatriculirten Notariis, Richtern, Stadt-Schreibern; und auf dem Lande

denen Schultzen die Citationes zugeschickt werden, welche die Insinuation vor die gesetzte Gebühren verrichten, und ein Documentum factae insinuationis darüber ausstellen sollen und müssen.

Es kan auch dergleichen Insinuation durch eigene Bothen geschehen: Ein blosser Post-Schein aber, daß nehmlich die Citation auf die Post gegeben worden, soll nicht pro Documento ritae factae insinuationis gehalten werden, wann nicht der Post-Meister des Orts wo der Citatus wohnet in specie attestirt, daß die Citatio, die ihm zur Insinuation zugefertiget worden, der Parthey insinuirt sey.

§. 16. Alle und jede welchen dergleichen gerichtliche Befehle (worunter auch die von denen Commissarien gemachte Verordnungen zu verstehen) insinuiret werden, seyn gehalten solche anzunehmen, und sich dessen unter dem Praetext, ob wäre die Titulatur, oder sonst etwas auf der Aufschrift nicht recht eingerichtet, keinesweges bey arbitrairer Strafe zu weigern, sondern solches nach


(188) Dritter Theil. Tit. IX.

Erhaltung der Citation anzuzeigen, damit es künftig bey der Cantzeley geändert werden könne.

Desgleichen haben sie auch, wann sie Schreibens kundig, oder andre die es verrichten können bey der Hand haben, ein Recipisse über den Empfang der Verordnung bey Vermeidung, nach Beschaffenheit der Person und Umstände, 2 bis 10 Rthlr. Strafe selbst zu ertheilen, oder in ihrem Nahmen ertheilen zu lassen.

§. 17. Wann dem Bothen das Documentum insinuationis verweigert wird, muß er sich bey des Orts Notario, Magistrat oder Schultzen melden, und vor denenselben an Eydesstatt aussagen, und referiren, zu welcher Zeit, und an welchen Ort die Insinuation geschehen, wer dabey gewesen, was darauf geantwortet, oder sonst dabey fürgelaufen, welche Insinuation vor zureichend gehalten werden soll.

Wann der Bothe bey dem Cammer-Gericht beeydiget ist, so muß er diese Umstände auf seinen Eyd und Pflicht ad acta referiren, welches gleichfalls zulänglich ist die Insinuation zu dociren.

§. 18. Wann in derselben Sache ein anderer Terminus angesetzt werden muß; so soll demjenigen, der sich vorher geweigert ein Documentum insinuationis zu ertheilen, die anderweitige Citation durch den Land-Reuter auf des wiederspenstigen Parth Kosten insinuiret, zugleich aber auch die verwirckte Strafe beygetrieben werden.

§. 19 Wann derjenige, welchen dergleichen Verordnung insinuiret wird, den Insinuanten mit harten und injurieusen Worten anfährt, oder wohl gar einige Thätlichkeit an ihm ausübet, so soll gegen denselben sofort Fiscus excitirt werden.

§. 20. Was ein solcher Notarius oder Bothe an Eydes-Statt der von ihm beschehenen Insinuation halber berichtet, demselben soll so lange Glauben zugestellet werden, bis derjenige dem die Insinuation geschicht das


(189) Dritter Theil. Tit. IX. X.Contrarium durch Zeugen, oder allenfalls, wann es eine Persona fide digna ist, durch seinen Eyd darthut; wann er sich wegern solte den Eyd zu praestiren, soll der Insinuant zum Eyd verstattet werden.

§. 21. Da sich befinden würde daß der Insinuant falsch referirt; so soll derselbe von seinem Dienst abgesetzt, und überdem mit zwey monathlicher Gefängniß, halb bey Wasser und Brod, wie auch die Parthey welche solches gewust arbitraire bestraft werden.

§. 22. Wann der Citandus unter Unserer Gerichts-Gewalt nicht gesessen, und derselbe per subsidiales citirt wird, muß die fremde Obrigkeit ersucht werden die Citation und Beylagen demjenigen der unter ihrer Bothmäßigkeit gesessen insinuiren zu lassen, auch demselben ernstlich anzubefehlen, sich in dem angesetzten Termino entweder in Person, oder durch einen Bevollmächtigten in Unsern Gericht zugestellen; im übrigen auch ein Documentum factae insinuationis ante terminum zurück zu senden: es muß aber auch Kläger selbst davor sorgen daß dieses Document gegen den Terminum angeschaft werde.

§. 23. Wann ein Vagabundus, oder einer von dessen Ort des Aufenhalts man keine Nachricht hat, vorgeladen wird, ist die citatio edictalis loco insinuationis.

Tit. X.

Von dem Beklagten, und wie es mit dessen sowohl dilatorischen als peremtorischen Exceptionen zu halten.

§. 1.

Gleichwie Wir die Klägere oben P. 4. T. 6. §. 2. gewarnet haben, keine Action ohne die höchste Nothwendigkeit anzustellen, also wollen Wir auch die Beklagte treulich erinnert und ermahnet haben, daß sie, ehe und


(190) Dritter Theil. Tit. X.

bevor sie sich auf die Klage einlassen, sich bey vernünftigen und desinteressirten, auch derer Rechte erfahrnen Leuthen Raths erholen, und ponderiren sollen, ob sie die Klage mit Grund zu entkräften, und zu Fundirung ihrer Exceptionen genugsamen Beweis an der Hand haben, damit sie nicht ohne Noth sich Verdruß und Kosten auf den Hals laden.

§. 2. Zuforderst aber ist nöthig zu wissen, was vor Personen rechtlich belanget, und gegen welche keine Actiones angestellet werden können. Dann es kann kein Rasender, Blödsinniger, oder Unmündiger zu Recht gefordert, sondern es muß allein der Vormund und Curator belanget werden.

§. 3. Die Minderjährige und diejenigen so pro Prodigis declarirt worden, können zwar belanget werden, es muß aber der Curator jederzeit mit citirt werden. In Causis delictorum aber müssen sie ohne Curatore antworten.

§. 4. Es können auch die Filiifamilias wegen des Peculii profictutii und Adventitii irregularis nicht belanget werden, sondern der Vater allein: wegen des Peculii castrensis & quasi aber, item wegen des Adventitii ordinarii, kann die Actio gegen den Sohn allein angestellt werden.

§. 5. Demjenigen so vorgeladen ist stehet frey entweder in Persohn, oder durch einen Gevollmächtigten, sich zu stellen, dafern aber jemand persönlich zu erscheinen citirt wäre, muß solchem ein Genügen geschehen.

§. 6. Wann der Beklagte auf die angegebene Citation erscheinet, muß er zuförderst alle seine Exceptiones dilatorias, auch Litis finitae, wann er dergleichen zu haben vermeinet, auf einmahl anbringen; zugleicht (!) aber eventualiter sub poena confessi & convicti litem contestiren; und dieser eventual Litis-Constation (!) muß er zugleich alle seine Exceptiones peremtorias sub Poena praeclusi beyfügen, die dazu gehörige Documenta beylegen, und das Fundament derselben kurtzlich und deutlich anzeigen.

 


(191) Dritter Theil. Tit. X.

§. 7 Nach dieser Litis Contestation werden keine Exceptiones, weder dilatoriae noch peremtoriae oder litis finitae, weiter zugelassen, es wäre dann daß solche erst nach der Krieges-Befestigung zu des Beklagten Wissenschaft gelangt, oder von neuen entstanden, welches Beklagter jedesmahl eydlich erhalten muß.

Wollte aber jemand die exceptiones litis ingressum impedientes & litis finitae vor der litis Contestation opponiren, stehet ihm solches frey; wenn sie aber in dem darüber angesetztem termino nicht in continenti erwiesen, und daher verworffen werden, so soll dawieder kein remedium statt haben, es kan aber Beklagter solche bey der litis Contestation unter den exceptionibus peremtoriis mit an- und ausführen. Dafern aber der Beklagte sothane exceptiones genugsam ausgeführet hätte, muß derselbe von der Instantz absolviret, und zugleich erkannt werden, daß er auf die Klage sich einzulassen nicht schuldig sey.

Wie dann auch die Exceptio erroris calculi nicht allein währendem Process, sondern innerhalb 30 Jahr opponirt werden kan. Es wäre dann daß super Errore Calculi erkannt worden, und das Urthel in Rem judicatam erwachsen.

§. 8. Wann Exceptiones Dilatoriae eingewandt werden, soll auf dieselbe nicht weiter, als in soweit dieselben in continenti liquid sind, reflectirt, und deswegen weder auf Beweis noch auf die Eydes-Delation interloquiret; hingegen auch wann sie liquid und erheblich, der in Eventum beschehenen Litis Contestation ohngeachtet, darauf erkannt werden.

§. 9. Wann auf dilatorische Exceptionen, und die eventualiter beschehene Litis Contestation zugleich erkannt wird, sollen die Fatalia des etwa erkannten Beweises oder der Eydes-Leistung um deswillen, daß denen exceptionibus dilatoriis v. g. ratione cautionis, legitimationis personae &c. noch nicht abgeholffen, keinesweges suspendiret


(192) Dritter Theil. Tit. X.

werden, sondern nichts destoweniger, sobald das Urthel seine Rechts-Kraft erreichet, ihren Fortgang haben. Hingegen muß derjenige, welchem, vermöge des Urtheils, ratione der Exceptionum dilatoriarum etwas zu praestiren oblieget, solchem in der ihm jedesmahl anzusetzenden Frist bey 5. Rthl. Strafe Folge leisten.

Wann aber auf bessere Legitimationem ad Causam erkannt wird, muß, bis dieser Punct erörtert, mit fernerem Verfahren in der Haupt-Sache angestanden werden.

§. 11. Würde sich finden, daß der Advocat unnöthige und ungegründete Exceptiones Dilatorias eingewandt, so soll er jederzeit, nebst Verlust seiner Gebühren, in 5 Rthlr. Strafe vertheilet werden.

§. 12. Damit aber ein jeder wissen könne, welche Exceptiones dilatoriae oder peremtoriae seyn, und welche unter diesen Litis Finitae genannt werden, so wollen Wir die vornehmsten allhier anführen.

SECTIO I.

Von denen Exceptionibus dilatoriis, oder von denen verzüglichen Exceptionen.

§. 13.

Unter die Exceptiones dilatorias werden hauptsächlich gerechnet:

1. EXCEPTIO FORI, wodurch der Beklagte behauptet daß er vor dem Gerichte, wohin er citirt worden, zu erscheinen nicht schudlig sey.

Er muß aber Citatus sofort nach erhaltener Citation, und wenigstens 4 Tage vor dem Termino, diese Exception bey dem Gericht schriftlich einbringen; oder in dem ersten Termino erscheinen, und die Exceptionem fori vorstellen, auch in beyden Fällen solche bescheinigen: Wann es damit seine Richtigkeit hat, so soll in dem ersteren Fall das Judicium die angesetzte Verhör per Decretum aufheben,


(193) Dritter Theil. Tit. X.

und solches zu Ersparung der Kosten dem Extrahenten durch den Cantzley:Diener notificiren; in dem letzten Fall aber den Kläger refusis expensis a limine judicii durch einen Bescheid abweisen, und zugleich des Klägers Advocaten, daß er vor Anstellung der Klage die gehörige Information nicht eingezogen, mit 5 Rthlr. bestrafen.

Wann die ante Terminum eingewandte Exceptio fori, per Decretum verworfen, oder zu dem angesetzten Termin verwiesen wird, muß der Advocatus, welcher das Memorial unterschrieben, der Exception ohngeacht in Termino erscheinen, und stehet ihm frey, diese Exception unter andern Exceptionibus Dilatoriis annoch an(-) und auszuführen.

Wann also der Beklagte mit seiner Exceptione Fori ante Terminum nicht einkömmt, oder in dem angesetzten Termino nicht erscheinet, so soll das Judicium quamvis incompetens, pro prorogato gehalten werden.

Wann die Exceptio Fori in dem angesetzten Termino verworffen wird, muß zugleich über die eventualiter geschehene Litis-Contestation erkannt; und ratione Exceptionis Fori kein Remedium verstattet werden.

Würde auch des Beklagten Advocat die Exceptionem Fori frivole, und ohne erfoderte Information opponiren, soll er gleichfals mit 5 Rthlr. bestraft werden.

§. 14. II. EXCEPTIO FERIARUM: wann nemlich der Kläger in denen determinirten Tagen, worin Gericht zu halten verboten ist, vorgeladen wird: Und werden bloß die oben P. 2. T. 3. §. 14. specificirte Fälle ausgenommen.

Und ob wohl sonst eine jede Parthey derer Ferien sich verzeihen, und sich in den Process gutwillig einlassen kann, so soll doch solches nicht statt haben in denen Feyer-Tagen, die zu Gottes Ehre und Diensten angenommen seyn. Vid. P. 1. Tit. 2.

Was sonst in denen Ferien geschehen kann, davon ist oben P. 1. Tit. 2. und P. 2. Tit. 3. §. 14. gehandelt worden.

N
(194) Dritter Theil. Tit. X.

§. 15. III. EXCEPTIO JUDICIS SUSPECTI: wie aber in diesem Fall zu verfahren, ist oben P. 1. Tit. 6. §. 12. T. 13. §. 23. verordnet worden.

§. 16. IV. EXCEPTIO LEGITIMATIONIS AD CAUSAM: als a) daß der Kläger blödsinnig, minoren, oder b) anderer gerichtlichen Handlungen untüchtig, und absque Curatore nicht handeln könne.

§. 17. V. EXCEPTIO LEGITIMATIONIS ADVOCATI: daß nemlich dessen Vollmacht nicht zulänglich sey.

§. 18. VI. EXCEPTIO PRAEVENTIONIS: diese Exceptio hat statt, wann die Sache bey einem andern competente Judice durch Citation, und NB. insinuirte Ladung anhängig gemacht worden: In welchem Fall der Kläger a limine judicii abgewiesen werden muß.

§. 19. VII. EXCEPTIO OBSCURI AUT INEPTI LIBELLI: Es müssen aber die Mängel, und warum es zu verwerffen, specifice und mit klahren Worten gemeldet werden.

§. 20. VIII. EXCEPTIO PLUS PETITIONIS TEMPORE: wann nemlich der Kläger die Bezahlung der Schuld auf einen gewissen Tag gesetzet, und der Kläger vor Ablauf des Termini die Klage anstellet, so kann er durch diese Exception abgewiesen werden.

§. 21. IX. EXCEPTIO LOCI NON TUTI: wann eine Parthey an einem unsichern Ort oder Stelle des Gerichts, wegen der Feinde, Räuber, Pestilentz (et)c. in Person zu erscheinen vorgeladen wird: Welche Exception, ob sie schon dilatoria ist, auch nach der Litis-Contestation opponirt werden kann.

§. 22. X. EXCEPTIO EXCUSSIONIS: daß nemlich der Principal Debitor zuförderst belanget und exequirt werden müsse (et)c. wovon in dem Land-Recht gehandelt wird.

§. 23. XI. EXCEPTIO DIVISIONIS: wann nemlich viele Fidejussores seyn, und einer allein belanget wird,


(195) Dritter Theil. Tit. X.

kann der Citatus excipiren daß der Actor auch die Confidejussores citiren müsse, wovon gleichfalls in dem Land-Recht gehandelt wird.

§. 24. XII. EXCEPTIO PLURIUM INTERESSENTIUM: wodurch der Beklagte vorgiebet, daß er nicht gehalten sey in solidum zu antworten, weil mehrere Interessenten, entweder von Seiten des Klägers, oder des Beklagten, zu der Sache gehören.

Wann also 1) von Seiten des Klägers verschiedene Personen seyn welche an den Objectio litis Theil haben, so kann der Kläger die Action nicht in solidum anstellen, sondern er muß von allen Interessenten Vollmacht haben, und ehe und bevor solches geschehen, ist der Beklagte ob defectum legitimationis ad causam zu antworten nicht schuldig.

Es soll auch 2) der Advocatus, welcher dieserwegen bey dem Anfang des Processus keine Nachfrage gehalten, jederzeit in 5 Rthlr. Strafe die Parthey aber in die Termins-Kosten, condemniret werden.

Es kann aber 3) der Beklagte sich dieser Exception nicht gegen den Kläger gebrauchen (a) wann die Objectum litis seiner Natur nach nicht getheilet werden kann, als z. E. wann der Kläger servitutem viae, itineris &c. praetendirt: item wann er den Beklagten zum Verkauff eines dem Kläger und dessen Consorten versetzten Pfandes citiren lasset (et)c. weil der Kläger nicht pro Rata gehen, auch nicht einen Theil des Pfandes verkauffen kann.

Und in diesem Fall kömmt die erfolgte Sententz bloß dem Actori, nicht aber Consorten zu statten; daher der Kläger sich nur pro sua rata von dem verkauften Pfand bezahlt machen kann, daß übrige aber bleibt denen Consorten pignoris loco.

Es kann auch (b) dem Kläger diese Exceptio nicht opponirt werden, wann er in denen Fällen, worin cautio de rato denen Rechten nach admittirt wird, de rato cavirt, oder

N 2


(196) Dritter Theil. Tit. X.

Wann der Kläger (c) sich (auch in Termino) erklähret, daß er nur pro sua Rata agiren wolle; welches ein Kläger thun kann wann schon die Klage einmahl von denen sämtlichen Interessenten angestellet, nachhero aber von denenselben ausser dem einen Kläger, deferirt worden.

Weil aber 4) hart seyn würde den Beklagten (obschon der Actor mit pro rata zu agiren sich erklähret) in verschiedenen Processe wegen eines Debiti zu verwickeln, so ist dieserwegen in dem vorhergehenden Tit. 9. §. 7. & seq. zureichende Versehung geschehen.

Unterdessen aber kann der Beklagte sich nicht entbrechen, dieser eingewanten Exception ohngeacht, dem Actori pro Rata zu antworten.

Wann 5) von Seiten des Beklagten verschiedene Personen seyn welche bey der Sache interessiren (et)c. z. E. wann der Beklagte Mit-Erben hat, so kann derselbe wann er allein, und in solidum, von dem Kläger belanget wird, diesem Exceptionem plurimum haeredum vel interessentium opponiren, und bitten daß er dieselbe sämtlich mit vorladen müsse.

Es muß aber 6) der Beklagte solchenfals alle Mit-Interessenten mit Nahmen, Zunahmen und Bedienungen, deutlich benennen, welche alsdann der Kläger, wann die Exceptio gegründet ist, in alio Termino dergestalt adcitiren lassen muß, daß sie einen communen Mandatarium bestellen, oder gewärtigen müssen, daß ihnen ein Mandatarius ex Officio constituirt werden solle. Vid. Tit. praeced. §. 9.

Wann die Adcitati in diesem Termino ausbleiben, und der Kläger insinuationem rite factam dociret, muß der Richter in ipso Termino des Beklagten Advocatum ex Officio denen Abwesenden zum Mandatario bestellen, und der Kläger ist schuldig demselben zu antworten.

Es fällt aber 7) auch diese Exceptio in denen §. 4. n. 3. angeführten Fällen hinweg:
(197) Dritter Theil. Tit. X.

Wie 8) die Insinuation deren Befehle an die Interessenten geschehen solle, davon ist oben Tit. IX. §. 6. 7. 8. & 9. gehandelt worden.

§. 25. XIV. EXCEPTIO SUB ET OBREPTIONIS: Wenn jemand einwendet daß ein Rescript, oder Befehl, zu seinem Praejuditz ad falsa narrata erschlichen, und er daher demselben zu gehorchen nicht schuldig sey.

Wann solches klar und deutlich gezeiget wird, muß der Befehl aufgehoben, und der Extrahent in die Kosten condemnirt werden.

§. 26. XV. Hierunter gehören auch EXCEPTIONES NONDUM CONFECTI INVENTARII: wann ein Erbe in Anspruch genommen wird ehe er das Inventarium in der vorgeschriebenen Zeit verfertiget. Item

§. 27. XVI. EXCEPTIO INDULTI MORATORII, CESSIONIS BONORUM, BENEFICII COMPETENTIAE &c. Vid. die Concurs-Ordnung.

§. 28. XVII. Weil EXCEPTIO SPOLII vielfältig, und zum blossen Verschleif der Sachen, eingewannt zu werden pflegt, so wollen Wir daß dieselbe, wie die übrigen Exceptiones peremtoriae, in ipso Termino mit der Litis Contestation opponirt, und gleich denenselben ausgeführt werden sollen, und muß das Gerichte darauf nach denen Rechten reflectiren.

Es stehet aber auch dem Spoliato frey in separato die Spolien-Klage anzustellen.

§. 29. Gleichergestalt soll auch XVIII. durch die Exceptionem ATTENTATORUM die Haupt-Sache nicht aufgehalten, sondern diese entweder per modum peremtoriae opponirt, oder in separato geklagt werden. Vid. supr. Tit. 4. §. 30.

N 3


(198) Dritter Theil. Tit. X. XI.

Sectio II.

Von denen Exceptionibus peremtoriis oder von denen zerstörlichen Schutz-Reden.

§. 30.

Exceptiones peremtoriae seyn solche Einreden und Auszüge so die Haupt-Sache angreiffen, und die Klage umstossen, auslöschen, und also die Sache ganz und gar perimiren, aufheben und endigen.

Dergleichen Exceptiones Litis-Finitae seyn: 1) EXCEPTIO SOLUTIONIS: 2) REI JUDICATAE: 3) TRANSACTIONIS: 4) COMPENSATIONIS: 5) PRAESCRIPTIONIS: 6) LEGITIMATIONIS AD CAUSAM 7) daß es eine Spiel-Schuld sey, oder die Schuld daher rühre: von welchen Exceptionibus in dem Land-Recht gehandelt wird.

§. 32 Unter die übrigen Exceptiones peremtorias gehören hauptsächlich EXCEPTIO VIS ET METUS; ERRORIS, NON NUMERATAE PECUNIAE, NON SOLUTAE DOTIS, PACTI DE NON PETENDO, CONFESSIONIS, SCTI. VELLEJANI & MACEDONIANI, DIVISIONIS, EXCUSSIONIS, PRETII NON SOLUTI, RENUNCIATIONIS; COLLATIONIS, NON CONFECTI INVENTARII, SIMULATIONIS, DE JURE TERTII &c. von welchen Exceptionibus insgesamt in dem Land-Recht gehandelt werden soll.

Tit XI.

Von der Litis-Contestation.

§. 1.

Es ist in dem vorhergehenden Titul angeführt worden, daß der Beklagte in dem angesetzten Termino alle seine Exceptiones dilatorias auf einmahl opponiren,


(199) Dritter Theil. Tit. X. XI.

eventualiter Litem contestiren, und seiner Litis-Contestation alle Exceptiones peremtorias & Litis finitae zugleich anhängen müsse.

§. 2. Durch die Litis-Contestation verstehen Wir, daß der Beklagte klar und deutlich auf die Haupt-Sache antworten müsse, dergestalt, daß man daraus vernehmen könne, ob er der Klage geständig sey oder nicht.

§. 3. Diesem zufolge muß der Beklagte auf alle und jede Stücke der Klage, so ihren Grund belangen, auch da in einem Punct unterschiedene Umstände enthalten auf jeden besonders, jedoch so kurtz es geschehen kann, antworten, und solchergestalt was er an dem Facto selbst, der Klage, imgleichen an denen darneben angezogenen Qualitaeten und Umständen gestehet, oder verneinet, den Krieg Rechtens befestigen. Worüber des Beklagten Advocat zulängliche Instruction ante Terminum einhohlen, und wie solches geschehen in seinen Instructions-Protocoll notiren muß. Vid. P. 1. Tit. 13. §. 8.

§. 4. Allermassen alle dunckle Worte, e. gr. nego narrata prout narrantur, ich weiß nicht, ich glaube (et)c. wann es nehmlich daß eigene Factum des Beklagten betrift, nicht verstattet, sondern in diesen und dergleichen Fällen, wann entweder derselbe sich dunckler und zweydeutiger Antwort bedienet, oder aber nicht vorgeschriebener massen Punct vor Punct litem contestirt, er nicht nur in die Expensas Termini oder des Schrift-Wechsels, sondern auch der Advocat oder Concipient in 5 Rthlr. Strafe verurtheilet, und ihnen, worauf sie eigentlich antworten sollen, sub Poena Confessi & Convicti auferlegt, auch bey fernerem Ungehorsam Lis pro negative contestata per Sententiam geachtet werden soll.

Es stehet auch bey denen mündlichen Verhören einem jeden Richter frey ex Officio den Beklagten, wann er nicht mit klaren und deutlichen Worten sich erkläret, oder einen Haupt-Punct, worauf es mit ankommt, vorbey gehet, anzuhalten, daß er deutlich Litem contestiren


(200) Dritter Theil. Tit. XI.

solle und müsse: welches insonderheit von denen Unter-Gerichten zu beobachten.

§. 5. Wann bey der Litis-Contestation ein Mangel vorgegangen, gleichwohl solcher von dem Kläger nicht attendirt, noch dargegen excipirt worden, muß das richterliche Amt solches suppliren, und dadurch allen besorglichen Weitläuftigkeiten vorkommen.

§. 6. Im Fall zwey oder mehr Litis-Consorten zugleich beklagt, und von einem derselben der Krieg rechtens befestiget wäre, die andere aber sich darauf bezögen, und dem Vortrag adhaerirten, so soll diese Litis-Contestation vor zulänglich gehalten werden.

§. 7. Gleichwie nun an einer klaren, deutlichen, und aufrichtigen Litis-Contestation ein vieles gelegen, also können Wir nicht zugeben, daß die Partheyen und deren Advocaten durch Angebung falscher Umstände, oder vorsetzliches verneinen, die Processe verzögern, und den Gegentheil in unnöthige Kosten bringen. Zu geschweigen daß es wieder den Respect des Gerichts läuft in dessen Angesicht Unwahrheiten vorzuschützen (et)c. daher ordnen und wollen Wir, daß, wann ein Kläger dergleichen FALSA angeben, und der Advocat solche willentlich vortragen würde; die Parthey sowohl als der Advocat gestraft werden solle.

Ein gleiches soll auch statt haben, wann der Beklagte oder dessen Advocat oder Consulent vorsetzlich etwas bey der Litis-Contestation verneint, und dessen dennoch nachher überführt wird.

Und damit diesem unverantwortlichen, und so sehr eingerissenen Laster, mit Nachdrucke abgeholfen werden möge; So wollen Wir alle in denen Rechten constituirte Paenas (=Poenas) inficiationis hierdurch nochmahls wiederhohlen; Ordnen und wollen daher, daß

Erstlich, derjenige welcher läugnet, daß er diejenige Sache, welche in Anspruch genommen wird, besitze; oder, daß das Negotium, worüber Klage angestellet,


(201) Dritter Theil. Tit. XI. XII.

vorgegangen; oder daß er den Schaden, dessen Ersetzung  gefordert wird, verursachet; oder daß  die Schrift welche producirt wird, seine Hand sey; oder wann er gegen die Landes-Observantz, insonderheit ratione der Dienste, oder wider klare Recesse etwas negirt, (et)c. und dennoch nachher dessen überführt wird, das Duplum des Werths dem Gegentheil erlegen solle: Und wann er nicht solvendo oder Executio difficilis ist, muß der Advocat, wann er solches gewust, (worüber er sich eydlich purgiren muß) das Duplum bezahlen, und überdem cassirt werden.

Zweytens, wann jemand den Besitz eines eingeklagten unbeweglichen Stücke Guths läugnet, und dessen nachher überführt wird, muß dem Kläger das streitige Stück sofort tradirt, und derselbe, ob er schon nicht das geringste Recht erwiesen, sofort in die Possession gesetzet, der Negans aber angehalten werden, sein Recht zu erweisen.

Drittens, ein gleiches soll auch statt finden, wann der Kläger und dessen Sachwalter sich unterstehen solten auf die von den Beklagten, vor und nach der Litis Contestation, eingewandte peremtorische Exceptiones, wider besser Wissen und Gewissen ein Factum, oder gewisse Umstände zu verneinen.

Tit. XII.

Von der Litis-Denunciation.

§. 1.

Wer einem Dritten wegen des an ihn gemachten gerichtlichen Anspruchs Litem zu denunciren vermeinet, kann zwar solches sowohl ante als post Litem contestatum thun: Jedoch  muß er in dem ersten Fall vor dem angesetzten  Verhörs-Termin solches bewerckstelligen, und den Litis-Denunciatum adcitiren lassen:

Worauf die Citatio sofort expedirt, und der Litis-Denunciatus zur gütlichen Handlung zugleich gezogen


(202) Dritter Theil. Tit. XII.

und darzu citirt, auch, wann der in der Haupt-Sache angesezte Termin zu kurtz, ein anderweitiger ex Officio anberaumet werden soll.

§. 2. Wäre aber die Litis-Denunciatio in der ersten Instantz nicht beobachtet worden, soll selbige annoch in den Appellations-Instantz vestattet werden.

Wann die Litis-Denunciation in der ersten Instantz geschehen, darf solche in denen folgenden Instantzen nicht wiederhohlt werden, sondern es muß der Litis Denunciatus die Nothdurft selber beobachten.

§. 3. In der dritten Instantz soll keine Litis-Denunciatio statt haben; weil dem Litis-Denunciato dadurch die Defension benommen, und dessen gantzes Recht von dem Hazard einer Instantz dependiren würde.

§. 4. Die Litis-Denunciatio hat in Summariissimo, inngleichen in Mandato Rei illicitae, da nemlich jemand auf eines andern Gcheiß etwas unerlaubtes freywillig übernommen und ausgerichtet hat, nicht statt.

§. 5. Alle Litis Denunciationes müssen gerichtlich geschehen, und soll auf dasjenige was ausser gerichtlich vorgenommen, nicht reflectirt werden; Wann auch schon der Auctor auf beschehene ausser gerichtliche Denunciation sich zur Leistung der Gewehr verbunden hätte.

§. 6. Wann ein Kläger nicht allein den Beklagten, sondern auch dessen Auctorem zugleich vorladen lassen, dieser aber sich nicht gestellet, so muß der Beklagte dennoch dem Auctori besonders Litem denunciren, und denselben adcitiren lassen, daferne er wider denselben seinen Regress zu nehmen vermeinet.

§. 7. Wann derjenige welcher zur Eviction verbunden verstorben seyn möchte, so soll die Litis-Denunciation einem jeden dessen hinterlassenen Erben insbesondere geschehen: vid. P. 4 Tit. 8. §. 7. Es wäre dann ihm ( 1) eine Hypothec der Eviction halber verschrieben worden, in welchem Fall dem Possessori allein Lis denuncirt werden darf, welchem aber frey stehet, suis Sumtibus seine


(203) Dritter Theil. Tit. XII.

Miterben adcitiren zu lassen: Wie dann auch  (2) wann die Causa individua ist, als z. E. wann de servitute itineris &c. gefragt wird, genung (!) ist, wann dem Possessori allein Lis denuncirt wird. Vid(.) tit. praec. X. §. 16. Wie in diesem Fall die Insinuation geschehen solle, ist vorhin Tit. IX. §. 9. versehen.

§. 8. Wann eine Erbschaft noch liegend und unangetreten ist, muß dem Curatori Lis denuncirt werden, und daferne ein solcher noch nicht verordnet, soll der Litis-Denunciant um dessen Bestelluug zuförderst Ansuchung thun.

§. 9. Gleichergestalt muß es auch mit denen Tutoribus gehalten, auch wann einem Minderjährigen Lis denuncirt wird, dessen Curator mit citirt werden.

§. 10. Wann mehrere Domini oder Interessenten bey einer streitigen Sache seyn, welchen der Beklagte Litem denunciren will, so muß er alle und jede besonders adcitiren lassen, ausser in denen oben §. 7. angeführten Fällen.

§. 11. Damit aber der Litis-Denunciatus in dem angesezten Termino um so viel mehr gefast seyn könne, soll der Denunciante auf seine Kosten ihm Copiam von dem übergebenen Libello, und was sonst den Grund der Sachen betrift, communiciren lassen.

§. 12. Bey der Litis-Denunciation muß Litis-Denunciatus, ohne Ansehen des etwa sonst habenden Fori Privilegiati, in dem Gericht wo die Haupt-Sache rechtshängig ist, sich einlassen.

§. 13. Wann der Litis-Denunciatus sich in dem an gesezten Termino nicht gestellet, ist der Beklagte und Denunciant, dessen ohngeacht, schuldig sich auf die angestellte Klage hauptsachlich einzulassen: Und hat er sich hiernächst kraft der beschehenen Litis-Denunciation an seinen Auctorem zu halten.

§. 14. Wann der Denunciant condemnirt wird, und derselbe die Sache dergestalt beschaffen befindet, daß er glaubet in der zweyten Instantz fortkommen zu können,


(204) Dritter Theil. Tit. XII.

auch zu Ersparung der Kosten keine Remedia einwendet, so stehet dem Litis-Denunciatio (!) frey die Remedia fortzusetzen.

wann er solches nicht thut, und der Litis-Denunciante zur Bezahlung, oder zur Abtretung des streitigen Guths angehalten wird, kann dieser zu gleicher Zeit ein Monitorium auf den Litis-Denunciatum wegen Capitals, Zinsen, und Kosten suchen; und kann dieser sich dadurch nicht loshalftern, daß der Litis-Denunciante die HauptExceptiones nicht eingewannt, oder die Remedia versäumt habe; weil er sich impuriren muß, daß er den Beklagten auf beschehene Adcitation entweder nicht vertreten, oder die Mängel nicht supplirt, oder die Remedia wegen seines darbey habenden Interesse nicht ergriffen habe.

§. 15. Wann der Litis-Denunciatus erscheinet, wird der Denunciant von dem Process nicht befreyet, sondern derselbe ist schuldig solchen gehörig fortzusetzen: zu welchem Ende ihm unbenommen bleibet, zum Behuf der Sachen von dem Litis-Denuncianten Editionem Documentorum duch Requisitoriales oder Compulsoriales gebührend zu fordern.

§. 16. Wann der Litis-Denunciatus den ganzen Process über sich nehmen, und den Litis-Denuncianten vertreten wolte, soll der Kläger sich mit demselben einzulassen schuldig seyn: Es muß aber das Urthel zugleich wider den Denuncianten mit gerichtet, und die Exceution entweder gegen denselben, oder gegen den Litis-Denunciatum, nach der Wahl des Klägers, bewerckstelliget werden.

§. 17. Wolte aber der Kläger den Denuncianten nach geschehener Denunciation gar ex Lite lassen, und sein Recht allein wider den Litis-Denunciatum ausführen, soll ihm solches zwar frey stehen, jedoch muß er nachher ohne einzige Variation darbey bleiben.

§. 18. So viel die von dem Litis-Denuncianten aufgewante Process-Kosten betrift, kann er auf den Fall, da


(205) Dritter Theil. Tit. XII.

er in der Haupt-Sache absolvirt wird, dieselbe von dem Litis-Denunciato nicht fodern: Es wäre dann, daß der Denunciatus ihn nicht vertreten wollen da er gleichwohl dazu verbunden gewesen, oder, daß zwischen beyden Theilen wäre verglichen worden daß der Denunciatus den Denuncianten auf seine Kosten vertreten wolle.

Wann der Beklagte und Litis-Denunciatus condemnirt worden, ist der Beklagte die Kosten von dem Litis-Denunciato allezeit wieder zu fodern befugt; dagegen soll Litis-Denunciant, wann er in der ersten und zweyten Instantz die Litis-Denunciation unterlässet, und in der Sache succumbirt, keinen Regress wieder seinen Auctorem, so wenig Ratione des Capitals als der Kosten, zu nehmen befugt seyn.

§. 19. Wann der Beklagte dasjenige warum er belangt wird nicht für sich selbst, sondern wegen eines andern inne hat, ist er schuldig solches vor dem Termino anzuzeigen: Worauf dem Nominato (wann die Actio in Foro Rei sitae angestellet worden) die Klage nebst der Nominatione Auctoris zugefertiget, und Terminus zum Verhör angesetzet; oder da in Foro Domicilii des Beklagten geklagt wird, der Kläger an des Nominati ordentliches Forum verwiesen werden soll.

Wann aber derjenige welcher alieno Nomine besitzet ex proprio facto belanget wird, kann er sich durch die Nomination des wahren Possessoris nicht schützen; wann also z. E. ein Pächter ohne Befehl und Vorbewust des Guths-Herren ex Spolio &c. belanget wird, kann die Nomination des Guths-Herren den Pächster von der Actione Spolii nicht befreyen.

Würde der angegebene wahre Besitzer verneinen daß ihm die geklagte Sache zugehöre, ist er in Poenam inficitationis zu vertheilen, worvon oben Tit. §. 7. p. 114. gehandelt worden.


(206) Dritter Theil. Tit. XIII.

Tit. XIII.

Von der Reconvention oder Wieder-Klage.

§. 1.

Wann der Beklagte einige Gegenforderung gegen den Kläger hat, so kann er solche in denen Gerichten wo er belanget wird per modum reconventionis vorbringen.

Welches auch statt haben soll, wann jemand vor einer Commission oder einem Arbitro belanget wird. Und diese Reconvention kann geschehen es mögen die Sachen eine Verwandniß haben, und auseinander fliessen, oder nicht.

§. 2. Es muß die Wieder-Klage ante Litem contestam angestellet werden, massen dieselbe post litem contestatam ad effectum sinultanei processus keinesweges statt hat, sondern es muß der Beklagte und Wiederkläger per Decretum ad separatum verwiesen werden.

§. 3. So kann auch die Reconvention bey dem Richter der Appellations-Instantz nicht restituirt werden, es wäre dann daß von einem Interlocut appellirt, und in der Haupt-Sache Lis entweder gar nicht, oder nur eventualiter contestirt, und das Interlocut in Appellatorio reformirt worden; weil in diesem Fall die Haupt-Sache folglich auch Reconventio, bey dem Richter der Appellations-Instantz verhandelt werden muß.

§. 4. Es stehet dem Beklagten auch frey, den Reconventions-Punct bey der Litis-Contestation per modum exceptionis peremitoriae anführen: Wann solches geschehen, und nachhero versäumt, oder in dem Urtheil nicht darauf reflectirt, noch der Beklagte ausdrücklich ad separatum verwiesen worden, kann solche Reconvention weder separato, noch sonst weiter angeführt werden.


(207) Dritter Theil. Tit. XIII.

§. 5. Wann der Beklagte und Wiederkläger eine solche Reconvention anstellete welche aus der Haupt-Sache fliesset, und von deren Decision dependiret; so ist der Klager sich darauf einzulassen nicht schuldig, bis die Haupt-Sache ihre Endschaft gänzlich erreichet.

§. 6. Weil, zu Vermeidung aller Weitläufigkeit, die Con- und Reconvention zugleich simultaneo processu fortgeführt werden sollen, so muß Beklagter nach erhaltener Citation seine Reconvention, und worin solche eigentlich bestehet, schriftlich übergeben, und dem Gegentheil selbige nebst deren Haupt-Documenten, worauf er dieselbe fundirt, ante Terminum insinuiren, und bitten, daß der Kläger in Termino darauf antworten, oder, wann der Beklagte cautionem pro reconventione & expensis zu fodern vermeinet, daß der Kläger solche in Termino bestellen müsse.

§. 7. Solchemnach soll zwar die Reconvention auch in Processu executivo zugelassen seyn, und der Wiederkläger das Beneficium Simultanei Processus geniessen, jedoch nicht anders, als wenn die Wiederklage gleichfalls klare Briefe und Siegel, welche schleunige Execution nach sich ziehen, zum Fundament hat.

§. 8. In dem Termino muß der Wiederkläger sich auf die gefoderte Caution, und der Wiederbeklagte eventualiter auf die Wiederklage einlassen.

§. 9. Es kann auch der Kläger und Wiederbeklagte keine Exceptionem Fori opponiren, sondern er muß ohngeacht seines Fori privilegiati in dem Foro conventionis antworten, ausser wann derselbe Reconveniendo ex Causa Criminali, wegen fiscaelicher Strafe, oder ex Lege Diffamari, oder ex Judicato, oder ex Capite Spolii, oder ex causa depositi, alimentorum, &   momentaneae possessionis, belanget wird, oder wann der Kläger sich von dem Personal-Arrest zu befreyen Cautionem de Judicio sisti & judicatum folvi bestellet: Dann in diesen Fällen muß die Reconvention zu absonderlichen


(208) Dritter Theil. Tit. XIII.

Ausführung an eines jeden ordentliches Forum verwiesen werden.

§. 10. Wann der Kläger und Wiederbeklagte sich in Termino auf die Wiederklage nicht einlassen wolte, muß dem Kläger dem Befinden nach die Einlassung sub Poena Consessi & Conficti anbefohlen, derselbe auch in Expensas condemnirt werden.

§. 11. Wäre causa des Klägers und Wiederbeklagten klar und liquid und reconventio illiquida, vel alitoris indaginis, so kann die richtige Sache durch die Reconvention nicht aufgehalten, noch Simultaneus Processus darin verstattet, sondern der Wiederkläger muß damit ad separatum verwiesen werden. Worvon kein Remedium als quoad effectum devolutivum statt haben soll. Wenn also der Beklagte und Wiederkläger ad separatum verwiesen wird, so ist ein Unterscheid zu machen, ob der Kläger und Wiederbeklagte Unser Unterthan oder ein Fremder sey. Ersterenfalls verstehet sich von selbsten, daß der Wiederkläger das separatum in des Wiederbeklagten Foro ordinario aufstellen müsse. Auf den andern Fall muß der Kläger und Wiederbeklagte das separatum vor eben denselben Richter anstellen, weil dieser den Richter gegen sich nicht recusiren kann, welchen er vor sich angenommen.

§. 12. Auf den Fall da die Reconvention nicht pari passu fortgesetzet, sondern in separato verhandelt wird, ist dennoch die Reconvention möglichst zu beschleunigen, und sind die angesetzte ordentliche Fristen, imgleichen alles was in Ansehung der Convention selbst in dieser Process-Ordnung vorgeschrieben, dabey zu beobachten.

§. 13. Wie es denn auch sich von selbsten verstehet, daß der Klager und Wiederbeklagte, es mag die Wiederklage zugleich mit der Klage angestellet werden, oder nicht, eben die Rechte habe welche dem Wiederkläger und Beklagten verstattet werden, mithin sowohl verzögerliche als zerstörliche Schutz-Reden dem Wiederbeklagten


(209) Dritter Theil. Tit. XIII.

entgegen setzen, und also auch vorkommenden Umständen nach, Cautionem pro Expensis fodern könne.

§. 14. Es soll aber die Reconvention nur wider diejenige statt haben, welche in ihrem eigenen Nahmen klagen, oder wegen welcher die Convention angestellet worden; und solchemnach wider die Vormünder, Curatores, Administratores piorum Corporum, Syndicos, und Mandatarios, so viel ihre eigene Person betrift, nicht zugelassen seyn, sondern ad separatum & Forum competens verwiesen werden.

§. 15. So kann auch, wann eine gantze Gemeine klaget, wider ein Mitglied derselben wegen einer besondern Gegenforderung keine Wiederklage statt finden.

§. 16. Wann der Kläger seiner Actio renuncirt, stehet ihm zwar solches Restitutis expensis frey: Er kann sich aber nicht entbrechen die Reconvention mit dem Beklagten auszumachen.

§. 17. Endlich wollen Wir das Reconventio Reconventionis gar nicht verstattet werden solle.

§. 18. Wie es damit, wann der Beklagte super reconventione, damnis, ex expensis, Caution fordert, gehalten werden solle, davon soll unten Tit. XVII. gehandelt werderden.

Wenn der Wiederbeklagte die von dem Beklagten und Wiederklägern gefoderte Caution bestellet, muß diesem in dem Bescheid wodurch die Caution a(n)genommen wird, eine praeclusivische Frist von 14 Tagen festgesetzet werden, binnen welcher er auf die Widerklage litem contestiren muß: Wann er solches nicht thut, kann er nach deren Verlauf mit seinen Exceptionen nicht weiter gehört, noch der Wiederkläger per modum separati processus von ihm weder in diesem noch in einem andern Foro belanget werden.


(210) Dritter Theil. Tit. XIV.

Tit. XIV.

Von der Intervention.

§. 1.

Es trift sich öfters, daß bey einer schon intendirten Klage sich ein Tertius meldet, welcher bey der Sache interessirt zu seyn vermeinet. Diesem nun kann nicht verwehret werden, sich interveniendo anzugeben. Solches kann auf zweyerley Art geschehen, wann nehmlich 1) ein Tertius Jure Proprio intervenirt, da ist, wann er behauptet, daß weder der Kläger noch der Beklagte ein Recht an der im Process befindlichen Sache habe. 2) Wann der Interveniente, wegen seines bey der Sache habenden Interesse, einem oder dem anderen Theil assistirt.

§. 2. In dem ersten Fall ist dieses ein neuer Process, welcher mit dem zwischen dem Actore & Reo bisher geführten Process keine Connexion hat, folglich als ein gantz neuer Process instruirt werden muß, und worin sowohl der Actor als der Reus Beklagte seyn.

§. 3. In dem andern Fall muß der Intervenient den Process in dem Stand annehmen wie er Tempore Interventionis stehet, weil er bloß des einen Theils seiner rechthängigen Sache assistirt und beytritt.

§. 4. Wann also jemand in dem ersten Fall Jure Proprio intervenirt, muß er einen ordentlichen Libell übergeben, seine Jura klar und deutlich ausführen ( et)c.

§. 5. Wann er in der zweyten oder dritten Instantz intervenirt; ist es doch in Ansehung der Intervention die erste Instantz, worinnen auch Exceptiones dilatoriae opponirt, Beweis geführt, und alles verstattet wird was sonst in Prima Instantia geschehen kann.

§. 6. Es kann daher auch dieser Intervenient, wenn inter Actionem & Reum allein gesprochen wird, von dem


(211) Dritter Theil. Tit. XIV.

Urtheil nicht appelliren, noch der Appellation inhaeriren, weil ihm dieser Process nicht angehet.

§. 7. Es muß auch durch diese Intervention die Haupt-Sache zwischen dem Actore und Reo nicht ausgesetzt, noch die Execution suspendirt werden.

Es wäre dann daß der Intervenient sein Interesse sofort, und binnen dem Termino so zur Execution verordnet Liquido darthun, und darneben eydlich erhärten könte, daß er vorher von dem Haupt-Process oder von seinem Jure interveniendi keine Wissenschaft gehabt; wiedrigenfalls wird dessen Vorwendens ohngeacht mit der Execution billig verfahren, und derselbe ad separatum verwiesen.

Jedoch kan der Richter nach Beschaffenheit der Umstände, und wann die Causa Reconventionis nothdürftig bescheiniget worden, insonderheit wann es bewegliche Güter betrift, welche leichtlich ausser Landes gebracht werden können, oder sonsten an Seiten des Intervenienten ein Damnum irreparibile vorhanden, den Kläger zu Bestellung zulänglicher Caution anhalten.

§. 8. Welches auch bey denen Tutoribus, Curatoribus, Administratoribus, Parentibus pro Liberis, & Maritis pro Uxoribus Intervenientibus statt haben soll.

§. 9. In dem andern Fall stehet zwar dem Intervenienten frey ante vel post Litem contestatam, auch sogar in der zweyten und dritten Instantz zu interveniren. Wann es aber zum Schluß kommen, soll dieser Invention wegen der Spruch und die Execution nicht aufgehalten, noch ein Verhör angesetzt werden.

Es kann aber der Intervenient der von dem Beklagten eingewandten Appellation inhaeriren, aber wegen seines Interesse die Appellation, wann der Beklagte solche versäumet, einwenden.

§. 10. Gleichwie nun dergleichen Intervenienten den Process in dem Stande annehmen müssen wie sie solchen finden, also können dieselbe keine Exceptiones dilatorias


(212) Dritter Theil. Tit. XIV.

weiter opponiren, vielweniger post publicata attestata weiteren Beweis führen.

§. 11. Wann in der Haupt-Sache ein Terminus angesetzt worden, muß der Intervenient, welcher einem Theil zu assistiren vermeinet, den Gegentheil zu der Intervention gehörig citiren, und worin dieselbe bestehe deutlich anzeigen, wiedrigenfals, und da er sich erst bey dem Verhör angeben sollte, das Gegentheil sich mit demselben sofort einzulassen, wieder seinen Willen nicht verbunden ist.

§. 12. Dafern auch die Gerichte aus wohlgegründeter Praesumtion wahrnehmen mögten, daß eine Intervention, es sey solche Principalis oder Accessoria, etwa per Collusionem oder zu eines oder des anderen Theils Hinderung, und zu Veranlassung vergeblicher Weitläuftigkeiten, calumniose gesuchet würde; so ist ein solcher Intervenient gar abzuweisen, oder auch nach Gelegenheit der Umstände mit dem Juramento, nemlich, daß sein Suchen nicht gefährlicher Weise sondern seines Interesse halber geschehe, ex Officio zu belegen, und zu dessen Abschwerung bevor in der Sache weiter verfahren werde anzuhalten.

§. 13. Würde sich auch hernachmahls finden daß die Intervention etwa aus Colusion, oder sonsten calumniose zum Aufhalt der Sachen gesuchet worden: soll sowohl der Interessent, als das Theil so daran mit Schuld hat, mit gebührender Strafe angesehen werden.

§. 14. Wann derjenige, welcher proprio Jure intervenirt, sein Interesse beyzubringen und auszuführen nicht vermöchte, und also in Causa succumbirte, soll er, dem Befinden nach, beyden Theilen die verursachte Unkosten erstatten.


(213) Dritter Theil. Tit. XV.

Tit. XV.

Von der Litis-Reassumtion, auch von der Zeit darin einer sich declariren muß ob er Erbe seyn wolle, oder nicht.

§. 1.

Es seyn bishero die Sachen dadurch sehr aufgehalten worden, weil der Advocat wann eine Parthey verstorben vorgegeben, daß die Erben sich noch nicht erkläret, oder daß dieselbe noch nicht bevormündet (et)c. und dahero nöthig sey die Reassumtion des Processes abzuwarten: wie dann auch in diesen Fällen der Advocat öfters vorschützet, daß er nähere Instruction von denen Erben, oder von dem Vormund einholen müsse (et)c.

Weil aber in denen gedruckten Vollmachten in specie auch derer Erben gedacht werden, so braucht es derentwegen keiner Reassumtion, und kann daher der Process unter dem Praetext, daß der Erbe noch nicht bevormundet, oder sich noch nicht erkläret habe, nicht aufgehalten werden.

Da auch ferner supponiret wird, daß die Advocaten keinen Process annehmen dürfen, ohne vorher, und gleich anfangs, eine völlige Information von denen Partheyen zu erfordern, folglich dieselbe nicht nöthig haben, nach Absterben der Parthey eine weitere Instruction einzuholen; so kann auch der Process unter dem Praetext, daß der Advocat Nachricht einziehen müsse, nicht aufgehalten werden.

§. 2. Weil aber gleichwohl sich zutragen kann, daß die Advocaten wegen einiger neuen sich eräugnenden Umstände den Process nicht fortsetzen können, sondern genöthiget werden eine nähere Information einzuholen (welches sie allenfals auf ihren Eyd nehmen müssen:) So kommen die Advocaten in denen vorangeführten Fällen entweder die Information von denen nächsten Anverwandten,


(214) Dritter Theil. Tit. XV.

welche ex Lege Vormünder seyn, oder bey denen, welche Vormünder auszubitten schuldig seyn, einziehen, welche solche nach ihrem besten Wissen ertheilen, und benöthigtenfals die Briefschaften in Gegenwart der Gerichte des Orts eröfnen und durchsuchen müssen.

Wie dann auch der Erbe, welcher das Spatium deliberandi sich ausgebeten, auf gleiche Weise die erfoderte Nachricht ohne Praejuditz zu ertheilen schuldig ist.

Wann aber der Advocat solchergestalt die nöthige Nachricht nicht erhalten kann, muß er einen Befehl an den Magistrat des Orts auswircken, daß derselbe ex Officio, mit Zuziehung derer benandten Persohnen und Interessen, die verlangte Nachrichten einziehen, zu dem Ende die Briefschaften entsiegeln, und solche nachsehen solle.

Wann keine Nachricht näher erfolget, muß der Process dem ohngeachtet fortgesetzet werden. Und wann die benannte Personen säumig gewesen die Nachricht zu ertheilen, und Schaden daher entstehet, müssen sie in Solidum davor haften.

§. 3. Weil durch das in denen Rechten verstattete Spatium deliberandi die Processe sehr aufgehalten werden können, so haben Wir hiedurch festsetzen wollen, daß derjenige welchem eine Erbschaft ex quocunque Titulo zufallt, binnen 6 Wochen (von dem Tag des Erblassers Absterben anzurechnen,) entweder ein solennes Inventarium über dessen Vermögen, oder an statt dessen eine Specification, so wie sich solche auf Erfordern endlich bestärcken könne, conscribiren solle und müsse.

Nach Ablauf dieser 6 Wochen sollen sich die Erben binnen 14 Tagen gerichtlich erklären, ob sie die Erbschaft ohne Beding, oder cum Beneficio Legis & Inventarii antreten wollen.

§. 4. Würde jemand binnen den gesetzten 6 Wochen das Inventarium nicht conscribiren und Gerichtlich übergeben, oder wann er auch solches gethan, binnen 14 Tagen nachhero sich nicht erklären, soll derselbe nachgehends


(215) Dritter Theil. Tit. XV. XVI.

mit keiner weitern Declaration gehört, sondern pro Haerede, jedoch bloß cum Beneficii Legis & Inventarii, gehalten werden.

§. 5. Weil nun demjenigen, welcher in Contumaciam pro Haerede cum Beneficio Legis & Inventarii declarirt worden, hiedurch kein sonderliches Praejuditz zugezogen wird, so soll ihm niemahlen ein weiteres Spatium deliberandi, noch jemahls Restitutio in integrum ob neglectam declarationem verstattet werden.

§. 6. Wann jemand verstürbe, und dessen Erben wären abwesend, oder unbekandt; so sollen die Gerichte des Orts der Haereditati Jacenti unterdessen einen Curatorem bestellen, welcher schuldig binnen der gesetzten Zeit bey arbitrairer Strafe das Inventarium zu conscribiren, und wann binnen der Zeit sich kein Erbe meldet, entweder die Erbschaft cum Beneficio Legis & Inventarii antreten, oder, wenn der Verstorbene notorie nicht solvendo ist, denen Creditoribus die Erbschaft überlassen.

Und dieser Curator ist alsdann gleichfals schuldig dem Advocato die verlangte Nachricht zu ertheilen.

Tit. XVI.

Von dem Juramento Calumniae.

§. 1.

Der Erfahrung hat gezeigt, daß die Processe auch durch das Juramentum Calumniae, tum generale tum speciale, sehr aufgehalten werden: allermassen wann ein Theil von dem andern diesen Eyd fordert, nicht allein der Haupt-Eyd etliche Monath dadurch ausgesetzet, sondern öfters gar ein Process darüber erreget wird, ob er den Eyd vor Gefehrde zu praestiren schuldig sey: zu geschweigen daß dergleichen Eyde öfters bloß aus Gewohnheit gefodert und sonder Erwegung der Seelen-Gefahr abgeschworen werden (et)c.


(216) Dritter Theil. Tit. XVI.

§. 2. Diesem Misbrauch nun abzuhelfen, ordnen und wollen Wir, daß künftig kein Theil befugt seyn soll dem andern Theil das Juramentum Calumniae, sive generale sive speciale zu deferiren.

§. 3. Wir ordnen auch weiter, daß, wann ein Juramentum judiciale deferirt, und von dem Gegentheil acceptirt wird, dieser den deferirten Eyd abschweren müsse, ohne daß der Deferens das Juramentum Malitiae abzuschweren schuldig.

§. 4. Und aus eben dieser Ursache wollen Wir alle Appellations-Eyde bey denen Unter- und Ober-Gerichten abgeschafft wissen.

§. 5. Damit aber der Partheyen Bosheit dennoch gesteuret werden; So ordnen und setzen Wir hiermit, daß, wenn Unsere Ober- und Unter-Gerichte bey Pflegung der Güte, und sonst durante processu wahrnehmen, daß die Partheyen oder deren Advocaten die Wahrheit vorsetzlich verschweigen, oder verkehren, wieder die Acta reden und schreiben, in einer klaren Sache ohne Grund processiren, undienliche Weitläuftigkeit suchen, oder die Sache verschleiffen (et)c. Sie dieselben mit dem Juramento Calumniae, und zwar zu jeder Zeit, es werde die Bosheit vor oder nach der Litis-Contestation offenbahr, ex Officio, auch nur per Decretum, oder per Resolutionem belegen sollen; von welchem Erkentniß niemahls einiges Remedium verstattet werden soll. Es muß aber die Haupt-Sache dadurch nicht aufgehalten werden.

§. 6. Wann besagter Eyd ex Officio jemanden auferleget worden, ist der Gegner nicht gehalten vorher de Malitia zu schweren, und stehet auch diesem nicht frey den Eyd zu erlassen.

§. 7. Würde der Kläger sich weigern das wegen seiner angestellten Klage ihm zuerkandte Juramentum Calumniae in Termino abzuschweren, soll er mit seiner Klage abgewiesen, und der Beklagte absolviret werden.


(217) Dritter Theil. Tit. XVI.

Weigerte er sich aber in Fortgang des Processes wegen eines und des andern Puncts gedachtes Jurament abzulegen, soll er dieses Puncts halber nicht weiter gehöret werden: welches dann in Ansehung des verweigernden Beklagten gleichfals statt findet, derselbe auch dem Befinden nach bey angehenden Process, wegen desjenigen worüber ihm das Juramentum Calumniae speciale von dem Gericht auferlegt worden, pro confesso & convicto zu halten, und darnach ohne Weiterung zu condemniren ist.

§. 8. Würde bey Ausgang des Processes sich finden, daß eine Parthey oder ein Advocat, ohngeacht dieses Eydes calumniose gehandelt, und er dessen ex Actis oder sonst überführt werden könte; so soll bey denen Ober-Gerichten der Advocatus Fisci, bey denen Unter-Gerichten aber der Richter selbst, denselben also fort in die Inquisition nehmen, und der Übertreter als ein Meyneidiger nach Urtheil und Recht bestraft werden.

§. 9. So soll auch das Juramentum Calumniae, wann solches gleich würcklich abgeschworen, das succumbirende Theil von Erstattung der Unkosten nicht befreyen.

§. 10. Von Ablegung des Juramenti calumniae aber soll der Advocatus Fisci, und die übrigen fiscaelischen Bedienten, wann sie wegen ihres Amts agiren oder belanget werden, zwar befreyet seyn, aber doch nach Vorschrifft des fiscalischen Reglements angesehen werden.

§. 11. Auf den Fall da ein Advocatus einem Theile ex Officio zugegeben, oder in Concursu Creditorum zum Litis Curatore bestellet worden, soll er gleichfals von Ablegung solcher Eyde gäntzlich befreyet, jedoch seinem Advocaten-Eyd überall nachzuleben schuldig seyn.

§. 12. So wollen Wir auch, daß, wenn zwischen leiblichen Kindern und Eltern Streit ist, die Juramenta Malitiae und Calumniae nicht statt haben sollen. Zwischen Stieff-Eltern und Stieff-Kindern auch übrigen Verwandten aber, sollen dieselbe zugelassen seyn.


(218) Dritter Theil. Tit. XVI. XVII.

§. 13. Wie es mit dem Juramento Calumniae wann es Communen, Minoren, Litis-Consorten (et)c. auferlegt wird, gehalten werden solle, dieserwegen beziehen Wir uns auf dasjenige was unten Tit. 30. §. 6. & 7. verordnet ist.

Tit. XVII.

Von der Caution oder vom Vorstand.

§. 1.

Es pflegen die Beklagte von denen Klägerin öfters Cautionem de Lite prosequenda, de judicio sisti, & judicatum solvi, item super reconventione, damnis, & expensis zu fordern, und den Process dadurch aufzuhalten.

Es pflegen auch im Gegentheil die Kläger von denen Beklagten cautionem de judicio sisti & judicatum solvi zu verlangen, wann dieselbe wegen der Verschwendung ihrer Güter, oder der Flucht halber, oder anderer Umstände wegen, sich verdächtig machen: Dann ausser diesen Fällen ist der Kläger von dem Beklagten Caution zu fordern nicht befugt.

Damit nun die Cautiones nicht calumniose, und zu Verzögerung der Sachen mögen gesucht werden; so soll es künftig folgendergestalt damit gehalten werden.

§. 2. Wann der Beklagte fürchtet daß der Kläger, insonderheit wann es ein fremder ist, ihm calumniose einen Process anhängen, nach einiger Zeit aber solchen deferiren, oder, wann er künftig succumbirte, wegen seines Unvermögens keine Erstattung der Kosten thun möchte, so kan er bitten den Kläger anzuhalten, daß er Cautionem dahin bestellen müsse, daß er das Ende des Processus abwarten, sich jederzeit auf Erfordern vor Gericht stellen, und, im Fall er der Sache verlustig erkannt würde, dem Beklagten


(219) Dritter Theil. Tit. XVII.

alle verursachte und zuerkannte Kosten und Schäden erstatten wolle.

§. 3. Wann auch ferner der Beklagte eine Gegenforderung gegen den Kläger zu haben vermeinet; so stehet dem Beklagten frey cautionem pro reconventione damnis & expensis zu fordern. Vid. supr. T. XIII. §. 18. & infra §. 7. & 23.

§. 4. Dergleichen Caution kann sowohl in causis summariis als ordinariis gefordert werden.

§. 5. Es muß die Caution bald anfangs, und ante Litem Contestatam gesucht werden: Es wäre dann, daß stante Lite jemand seine Güter verkauft, oder der Flucht und anderer Umstände halber sich verdächtig machte.

Welches auch von der Caution so von einem Bürgen bestellet worden, zu verstehen; wann nemlich derselbe stante Processu seine Immobilia distrahirt, oder gar Inidoneus wird, als auf welchem Fall neue Caution zu bestellen.

§. 6. Wann diese Cautio ante Terminum gefodert wird, so muß Unser Cammer-Gericht das Gesuch dem Gegentheil communiciren; welcher in dem in der Haupt-Sache angesetzten Termino mit seiner Nothdurft gehöret werden soll: und muß gedachtes Cammer-Gericht darüber, und wie weit solche gegründet, ohne Zulassung einer Weitläuftigkeit erkennen.

Es muß aber die eventualis Litis contestatio dadurch nicht aufgehalten werden.

§. 7. Derjenige welcher von seinem Gegentheil Bestellung gewisser Caution verlanget, muß dessen Ursachen anzeigen.

Wann der Cautionem super reconventione begehret, muß er, insonderheit wann der Kläger klare Hand und Siegel produciret, specifice worinn dieselbe bestehe anzeigen, und solche mit Beylegung aller seiner Documenten und Nachrichten bescheinigen, oder gewärtigen, daß er


(220) Dritter Theil. Tit. XVII.

nicht damit gehört, sondern ad separatum verwiesen werde. Add. P. 3. Tit. 13. §. 11.

§. 8. Wann derjenige von welchem Cautio gefordert wird, unter Unserer Cammer-Gerichts-Jurisdiction mit unbeweglichen Gütern angesessen ist, so kann keine besondere Caution von ihm gefordert werden; wann auch schon einige nicht gar übermäßige Schulden darauf haften.

Er muß aber gleichwohl seinem Foro, daferne er deshalb einiges Privilegium und sonst anderswo als vor Unserm Cammer-Gericht primam Instantiam hätte, zu renunciren schuldig seyn; auf welchen Fall derjenige welcher die Caution gefordert hat in des Gegentheils Güter jus tacitae hypothecae a tempore der erkannten Cautions-Leistung überkommet.

§. 9. So sind auch ferner die Besitzer jährlicher Hebungen von liegenden Gründen, ingleichen welche Güter als Pfand-Schillinge besitzen, mit keiner Caution zu belegen.

§. 10. Was aber die Creditores betrift so eine blosse Hypothec haben, wie auch die welche kostbare bewegliche Sachen besitzen; Item diejenige welche in vornehmen Ämtern und Dignitaeten stehen, (worunter auch Prediger und andere vornehme Geistliche gehören) oder sonst guten Vermögens seyn, offenen Laden halten, ansehnliche Kaufmannschaft treiben, deshalb hat Unser Cammer-Gericht, wann von dergleichen Personen Caution gefordert wird, dem Befinden nach zu verordnen.

§. 11. So soll auch eine Ehe-Frau, welche einen Fundum Dotalem ihrem Ehe-Manne zugebracht, imgleichen der Maritus der solchen besitzet, von der Caution befreyet seyn.

§. 12. Desgleichen sollen die Kirchen, Schulen, Hospitäler, und andere Pia Corpora mit Leistung der Caution, sie sind Klagere oder Beklagte, unbeschweret bleiben.


(221) Dritter Theil. Tit. XVII.

§. 13. Es sollen auch diejenige welche Alimenta, Lohn, und Besoldungen fodern, imgleichen diejenige die das Armen-Recht haben, Caution zu leisten  nicht schuldig seyn.

§. 14. In Processu Legis Diffamari soll der Diffamator wann er obgedachter massen nicht possessionirt ist, und nicht der Diffamatus, Caution zu bestellen schuldig seyn.

§. 15. Da auch jemand in Diem vel sub Conditione die Zahlung zu thun versprochen, kann derselbe, ob gleich die Condition noch nicht existirt, noch der Zahlungs-Termin gekommen, wann derselbe de Fuga, oder wegen Verschwendung seiner Güter suspect ist, zur Caution angehalten werden.

§. 16. Die zu leistende Caution muß entweder mit liegenden Gründen, tüchtigen Bürgen, oder Pfänden bestellet werden.

§. 17. Es sind aber diejenigen Bürgen für tüchtig zu halten, welche unter Unser Cammer-Gerichts-Jurisdiction angesessen, und sowohl ihrem Foro auf bedürfenden Fall, als auch dem Beneficio Excussionis, und, wann deren mehr, der Exceptioni Divisionis ausdrücklich renunciren.

§. 18. Hingegen werden dieselben nicht vor tüchtig gehalten, welche, wann sie gleich unbewegliche Güter besitzen, selbige aber zu veräussern oder zu verpfänden nicht Macht haben, oder solche allbereit mit schweren Schulden beladen haben.

§. 19. Imgleichen überlassen Wir, nach der Sachen Beschaffenheit, der Cammer-Gerichts-Verordnung wie hoch die Caution einzurichten.

§. 20. Dafern jemand weder mit Pfänden noch mit Bürgen, nach allem angewandten Fleiß, den geforderten und von Unserm Cammer-Gericht vorhero determinirten Vorstand aufzubringen vermöchte, soll er, wann er guten Leumuths, und de Fuga nicht suspectus ist, zur juratorischen Caution zugelassen werden.


(222) Dritter Theil. Tit. XVII.

Auf solche juratorische Caution aber sind eines Abwesenden, noch nicht siebenzig Jahr alt seyenden, Güter desselben nächsten Erben nicht abzufolgen.

§. 21. Derjenige welcher per Sententiam zur juratorischen Caution verstattet worden, nachhero aber, vor würcklicher Ablegung des Eydes, andern tüchtigen Verstand in continenti zu leisten sich offeriren möchte, ist dazu zu admittiren.

§. 22. Die Caution so ein Bürger allein super Reconventione vor jemand bestellet, soll bloß als eine Cautio de Judicio sisti geachtet, und ad Cautionem de Judicato solvendo nicht extendiret werden; Es wäre dann, daß dieses leztere ausdrücklich bedungen, oder erkannt worden.

§. 23. Wäre aber die Caution zugleich super reconventione & expensis bestellet, soll der Bürge wegen aller bey dem gantzen Process in allen Instantzen verursachten Unkosten haften.

§. 24. Dafern die Caution in prima Instantia nicht gefordet worden, kann solche in Appellationis Instantia nicht exigiret werden, es wäre dann daß in continenti könte dargethan werden, daß das Gegentheil ad inopiam vergirte, oder andere erhebliche Ursachen (wesfalls cum causae cognitione zu verordnen,) sich hervor thäten.

§. 25. Wann super Cautione etwas erkannt worden, soll es lediglich dabey gelassen, und kein Remedium dagegen verstattet werden.

§. 26. Wann Unsere Chur-Märckische Unterthanen in einigen auswärtigen Judiciis ohne Bestellung gewisser Caution nicht zugelassen werden, so wollen Wir, daß diejenige, so unter solchen fremden Gerichten sind und wohnen, und bey Unserm Cammer-Gericht wieder Unsere hiesige Unterthanen einige Klage anstellen wollen, Jure Retorsionis zu Leistung gleicher Caution angehalten, und bevor solche bestellt, ad Agendum nicht zugelassen werden sollen.


(223) Dritter Theil. Tit. XVIII.

Tit. XVIII.

Von Contumacien, derer Purgation, und eventualiter gesuchten Restutione in Integrum.

§. 1. Wann der Kläger auf die ausgebrachte Ladung in dem angesezten Termino selbst nicht erscheinet, und einen andern Terminum extrahiret, darf der Citatus nicht antworten bis der Kläger  ihm expensas termini circumducti erstattet.

Es stehet  aber dem Beklagten frey, (wann ihm an Fortsezung der Sache gelegen) accusata contumacia selbst Terminum praejudicialem auszuwürcken, welchenfalls der Kläger ihm auch diese Kosten erstatten muß.

§. 2. Wann der Kläger in dem zweyten Termino ausbleibt, so kann der Citatus in ipso Termino in Contumaciam vortragen: Worauf der Kläger seiner ganzen Forderung in contumaciam vor verlustig erkläret, und Citatus von des Klägers Anspruch restitutis  expensis gänzlich absolviret werden muß.

§. 3. Im Fall der Kläger zwar im ersten Termino erscheinet, der Beklagte aber ausbleibet; hingegen in dem zweyten Termino der Beklagte erscheinet, und der Kläger ausbleibt, soll es dennoch eben wie in dem §. Praecedente versehen, gehalten werden.

§. 4. Wann der Beklagte in dem ersten Termino nicht erscheinet, und der Kläger dessen contumaciam accusiret, kann dieser, mit Vorbehalt der Kosten, Terminum praejudicialem extrahiren.

§. 5. Wann der Beklagte in diesem zweyten Termino erscheinet, muß er zuforderst Contumaciam purgiren, zugleich aber auf die Klage antworten. Weil jederzeit mit auf die Haupt-Sache gesprochen werden muß.


(224) Dritter Theil. Tit. XVIII.

Wann er Contumaciam nicht purgiret, muß er in Erstattung der Contumacial-Kosten, wann er auch schon in der Haupt-Sache gewinnet, condemiret werden.

§. 6. Wann der Beklagte auch in dem zweyten Termino ausbleibt, so kann der Kläger in der nächsten Audientz in Contumaciam vortragen; Wann aber der Contumax sich bey diesem Vortrag meldet, und annoch gehört seyn will, so soll ihm zwar solches verstattet werden: Es muß aber alsdann wie in dem vorhergehenden §. 5. versehen ist, verfahren werden.

§.7. Wann der Beklagte weder in dem zweyten Termino erscheinet, noch sich bey dem Vortrag in der nächsten Audientz meldet, muß der Citatus, nach Beschaffenheit der Sache, entweder pro confesso & convicto, oder lis pro negative contestata gehalten, oder der Kläger, wann die Actio offenbahr ungegründet ist, abgewiesen werden.

§. 8. Es muß sich aber kein Advocatus unterstehen, in Contumaciam vorzutragen, er könne dann, daß die Insinuatio zu rechter Zeit und legaliter geschehen, in Termino dociren, wiedrigenfals er mit 5 Rthlr. Strafe beleget werden soll.

§. 9. Wann ein Advocat seines aussenbleibenden Gegentheils cotumaciam nicht accusirt, und das Benöthigte nicht weiter verhandelt, soll er jederzeit ex officio mit 5 Rthlr. Straffe belegt werden. Vid. P. 2. T. 5. §. 4.

§. 10. Wann gegen jemand ein Urthel in Contumaciam ergangen, kann er weder terminum ad purgandam contumaciam auswürcken, noch restitutionem in integrum suchen, sondern es muß das Contumacial-Urthel vim sententiae behalten, weil der Contumax, wann er schon nicht in Culpa ist, dennoch Causam gegeben, dass wieder ihn in Contumaciam verfahren werden.

Damit aber der Contumax wegen eines solchen Fehlers nicht sofort um sein gantzes Recht gebracht werde, so so (!) stehet demselben frey intra decendium von sothanem


(225) Dritter Theil. Tit. XVIII.

Urthel die Remedia zu ergreifen, und nebst denen Ehhaften, welche ihn verhindert in dem zweyten Termin zu erscheinen, auch die Haupt-Sache zu deduciren.

Wann duplicando geschlossen, müssen Acta distribuirt werden.

Findet der Referent dass die Haupt-Sache nicht gegründet, so muß auch darüber, und zwar mit folgender Clausul, erkant werden:

„Daß wann auch der Appellante (et)c. moram purgirt hätte, dennoch materialia (et)c.(“)

Würde aber der Referente finden, daß die Haupt-Sache einigen Grund habe, so muß er erkennen:

„Daß wann auch der Appellante Moram nicht purgirt hätte, dennoch Ratione der Haupt-Sache nunmehr so viel erhelle (et)c.(“)

Es verstehet sich aber von selbsten, daß der Contumax, er mag gewinnen oder verlieren, dem Gegentheil jederzeit die Contumacial-Kosten erstatten müsse.

Wann einer oder der andre gegen dieses zweyte Urtheil die dritten Instantz ergreifet, soll darin wie bey andern Processen verfahren, und Acta auf die blosse Justification zum Spruch vorgelegt werden.

§. 11. II. Wann jemand sich an einem fatali introducendae vel justificandae versäumet, und daher restitutionem in integrum contra lapsum fatalium bittet, so soll ihm solches binnen 4 Wochen  zu suchen frey stehen. Er muß aber (a) bey dem Restitutions-Gesuch an Eydesstatt erhärten, daß er von dem Urthel eher keine Nachricht erhalten: (b) muß er zugleich die Haupt-Sache verhandeln, und zu dem Ende die Gravamina mit samt der Justification beylegen.

Worauf Acta primae Instantiae mit dieser Schrift distribuirt, und entweder das Urthel voriger Instantz confirmirt, oder dem Befinden nach, die Sache zu weiterm Verfahren verwiesen: der Contumax aber jederzeit in die Contumacial-Kosten vertheilet werden soll.


(226) Dritter Theil. Tit. XVIII.

§. 12. III. Wann jemand sich an dem Beweis verspätet, und solchen zu rechter Zeit nicht angetreten, so muß der Gegentheil Contumaciam des Beweisführers accusiren, und Terminum zur Praeklusion ausbitten: (dann wann er solches nicht thut, bleibt dem andern die Führung des Beweises noch vorbehalten)

In diesem Termino stehet dem Contumaci frey, die Ehhaften, die ihn verhindert den Beweis anzutreten, anzuführen, er muß aber auch sub Poena desertionis zugleich die Beweis-Articuln übergeben, da dann, wie sonst im Beweis gebräuchlich, weiter verfahren, und wann in probatorio geschlossen, rechtlich in der Haupt-Sache erkant werden soll: jedoch muß der Contumax, er mag gewinnen oder verliehren, die Contumaciam-Kosten dem andern erstatten.

Wenn der Contumax in dem zur Praeclusion angesetztem Termino nicht erscheinet, muß derselbe per Sententiam praecludirt, und unter keinem Praetext weiter gehört werden, sondern die Sache beruhet in judicato.

Wann der Advocat versäumt die Praeclusion zu urgiren, und der Contumax nachhero noch seinen Beweis beybringt, so soll der Advocat nicht allein aller seiner Gebühren in Probatorio verlustig declarirt werden, sondern er soll auch die Cantzley-Gebuhren vor seine Parthey bezahlen, und überdem 5 Rthlr. zur Sportuln-Casse erlegen. Vid. Part. 2. Tit. 4. §. 4.

§.13. IV. Wann sich jemand bloß an einer Replic oder Duplic versaumt, soll niemahls terminus ad purgandam moram, odr eventualiter ad obtinendam restitutionem angesetzt, sondern auf die Klage und Exception gesprochen werden: Weil der Contumax, wann er in prima Instantia sothane Schriften versäumt, in der zweyten Instantz seine Nothdurft weiter vorstellen kann. Wann er aber in der zweyten Instantz die Replic oder Duplic versäumt, so ist keine weitere Ausführung nöthig, weil supponirt wird, daß die Advocaten, weil sie keinen Process


(227) Dritter Theil. Tit. XVIII.ohne völlige Instruction anfangen dürfen, die Sache mit allen Umständen in der ersten Instantz, und in denen beyden Schriften der zweyten Instantz, genugsam werden ausgeführt haben.

§. 14. V. Wann nach der Litis Conteflation der Kläger oder Beklagte, bey einem über einen Incident-Punct angesetztem Verhör, ausbleibet, so muß der Richter, auf eines oder des andern Theils Ungehorsams-Beschuldigung, bloß auf den Punct worvon gehandelt wird rechtlich und actenmäßig in contumaciam erkennen.

Und von diesem Erkäntniß soll kein Remedium statt haben; Es wäre dann daß der Incident-Punct der Haupt-Sache ein irreparables Praejuditz mache, und ohne diesen Punct die Haupt-Sache selbst verlohren gehen könte: welchenfals wie vorhin §. 9. versehen, verfahren werden muß.

§. 15. Dafern durch des Advocati eigene Schuld ein Fatale, oder ein Verhörs-Termin, oder die Einbringung einer Satz-Schrift versäumt werden solte, so muß der Advocat beyden Theilen die Kosten der ganzen Instantz vergütigen, und uberdem 5. Rthlr. zur Sportuln-Casse erlegen.

§. 16. Wann Restitutio in integrum erkannt wird, komt solche auch denen etwa darbey interessirten Majorennen, wann nemlich causa connexa & individua ist, mit zu statten.

§. 17. Weil aber öfters wegen der Contumacial-Kosten, welche nemlich darunter begriffen seyn, gestritten wird, so sollen selbige wann die Parthey nicht in Person zu erscheinen in specie vorgeladen worden, anders nicht determiniret werden als was die Cantzley, Advocatur, Correspondentz, und Insinuations-Gebühren austragen möchten.

Wann aber die Partheyen in Person sich sistiren citirt worden, sollen auch die Reise- und Zehrungs-Kosten nach eines jeden Stand in Consideration gezogen, und das


(228) Dritter Theil. Tit. XVIII. XIX.

Quantum darnach determinirt werden, von welcher Determination kein Remendium statt haben soll.

§. 18. Wann von denen Ober-Gerichten die Contumacial-Urthel der Unter-Instantz reformirt worden, muß die Haupt-Sache bey der Obern-Instanz beybehalten, sonst aber an den judicem a quo zu fernerer Ausführung verwiesen werden.

Tit. XIX.

Von Dilationen.

§. 1.

Alle Termini, sie mögen durch diese Ordnung, per Decretum festgesetzt werden (ausser dem Termino probatorio Vid. Tit. praec. §. 10.) seyn praejudiciales: daher wann jemand die gesetzte Termine aus rechtlichen Ursachen nicht abwarten kann, und die Contumacial-Klage vermeiden will, muß er Dilation suchen; welche aber künftig und desto mehr eingeschrenckt werden soll, weil die Advocaten angewiesen worden keine Sachen, als nach völlig erhaltener Information, und wann sie den Beweis bey der Hand, folglich nicht leicht ein Dilation zu suchen nöthig haben, vorzutragen.

§. 2. Wann aber justa perendae dilationis causa würcklich vorhanden, so soll die Erste Dilation nicht leicht versagt werden: welches insbesonderheit alsdann statt hat, wann des Beklagte in dem ersten Termino seine Advocaten nicht so geschwinde instruiren kann, oder dessen Advocat nöthig findet eine nähere Instruction einzuholen.

§. 3. Wann die Zweyte Dilation gesucht wird, so muß der Impetrant die Causas nicht allein specifice anführen, sondern auch sich offeriren in dem nächsten Termino vermittelst Eydes zu erhalten, daß dieselbe ihn ausser den Stand setzen in Termino zu erscheinen, die Satzschriften


(229) Dritter Theil. Tit. XIX.

einzubringen: (et)c. worauf der Richter, dem Befinden nach, die zweyte Dilation verstatten kann, aber in Termino den Eyd von ihm, oder seinem specialiter dazu Bevollmächtigten, abnehmen muß.

§. 4. Die Dritte Dilation muß niemahlen verstattet werden als wann causae gravissimae vorhanden: worunter hauptsächlich zu rechnen wann ein Officier an entfernten Oertern im Quartier liegt, oder auf Werbung gegangen, und der Advocat eydlich erhärtet, daß aus Mangel der besonderen Information und Nachricht die Sache verlohren gehen, und daher ohne seiner Parthey zu praejudiciren nicht weiter verfahren werden könne. Es müssen aber dergleichen Dilationes niehmalen über 4 bis 6 Wochen extendirt werden.

§. 5. Solte aber hernach sich befinden, daß die allegirte causae dilationis ungegründet, folglich die Regierung hintergangen worden, so soll das Part nebst Advocaten nach Befinden arbitrarie, und das Part, wann es falsch geschworen, als ein Meyneidiger gestraft werden.

§. 6. Nach der Dritten Dilation soll keine mehr verstattet, sondern in dem Dritten Termino in contumaciam aller Protestation, Appellation (et)c. ohngeachtet, was Rechtens erkannt werden. Es wäre dann, daß solche Ursachen vorhanden wären, welche die Fortsetzung des Processes an sich unmöglich machen: Als wann ein Officier auf Werbung abwesend, und dessen Auffenthalt unbekannt ist (et)c.

§. 7. Es muß aber in Ansehung der Unmündigen, und anderer denen das Beneficium restitutionis nach denen Rechten zukommt, bey Ertheilung der Dritten Dilation die Verwarnung beygefüget werden, bey Verlust des Beneficii restitutionis in integrum: und fället sodann, wann sie mit ihrer Nothdurft einkommen, sothanes Beneficium hinweg; und haben sie sich solchenfalls, wann sie hierunter laediret werden, an ihre Vormunder und Administratores, oder die Advocaten wann diese etwas


(230) Dritter Theil. Tit. XIX.

versäumet, zu halten, wozu ihnen assistentia fisci ohnentgeldlich ertheilet werden soll.

§. 8. Es muß derjenige der die Dilation sucht solches bey Zeiten thun, und dem Gegentheil wenigstens drey Tage ante Terminum das Decret insinuiren, wann er solches unterläst, muß er jederzeit, wann er auch in der Haupt-Sache gewinnet, expensas termini circumducti erstatten.

§. 9. Würde ein Advocat sich unterstehen eine Dilation anders, und weiter als in dieser Ordnung enthalten, zu suchen, soll er jedesmahl in 5 Rthlr. nnd Dercenent, welcher solche verstattet, gleichfals in 5 Rthlr. Strafe condemniret werden.

§. 10. Damit aber auch determiniret was Ehehaften, das ist solche Ursachen seyn, warum eine Dilation gesucht werden könne, so seyn darunter zu rechnen

I. Abwesenheit ausser Landes, wo jemand wegen gemeinen Nuzens etwas verrichten hat: Wann z. E. ein Civil-Bedienter ausser Landes verschicket ist, oder ein Kaufmann auf Jahr-Märckte verreiset, oder in denen oben §. 4. angeführten Fällen (et)c. Wann Sie nehmlich in Personen zu erscheinen citirt worden, oder sonst einige Information von ihnen einzuziehen nöthig.

II. Kranckheit des Citati, oder dessen Ehefrau, Kinder und Eltern in eben denenselben Fällen: Es muß aber der Citatus durch ein Attest des Medici, ( welches dieser an Eydes statt ausstellen muß, ) nicht allein die Kranckheit, sondern daß auch die Kranckheit ihn ausser Standes setze zu erscheinen, bescheinigen.

III. Wann in denen vorangeführten Fällen eine andere unvermeidliche Hinderung als Feuer- und Wassers-Noth, feindlichen Einfall, Pest, und andre dergleichen Casus vorkommen, welche nach des Richters Ermäßigung vor legal zu halten.

§. 11. Es können aber die Abwesenheit, Kranckheit, und andere Impedimenta derer Advocaten vor keine Ehehaften


(231) Dritter Theil. Tit. XIX.

gehalten werden, weil der Substitutus an dessen Stelle erscheinen, und derselbe wann das Impedimentum dauret, sich ex actis informiren, die Schriften verfertigen , oder sonst das benöthigte besorgen muß.

§. 12. Vielweniger kann vor eine Ehehafte gehalten werden, wann ein Rath oder andre Bediente auf Commission gehet, weil ein jeder Abwesende in seinem Haus die Anstalt zu machen schuldig ist, daß ihm die Briefschaften nachgeschicket werden müssen: dahero pro fundanda contumacia genug ist wann die Insinuatio ad domum geschicht.

Wann also der Citatus in dem Termino, worinn die Haupt-Sache  in contumaciam vorgetragen werden kan, nicht erscheinet, und derselbe condemniret  wird, muß dem Abwesenden der Land-Reuter, eben als wenn er gegenwärtig wäre, ins Haus gelegt werden.

Es stehet aber auch dem gewinnenden Theil frey, an statt des Landreuters, Arrest auf dessen Besoldung per requisitoriales bey demjenigen Collegio, woher der Citatus seine Besoldung ziehet, zu legen: welchen sothanes Collegium, wann es sich nicht selbst responsable machen will, sofort veranlassen, und dem Citato nach Ablauf des Quartals, aller vorhin geschehenen, und ohne schriftlichen Consens des Collegii acceptirten Assignationen ohngeacht, abfolgen lassen muß.

§. 13. In allen Verhörs-Terminen, deren Prorogationen, und andere Fristen müssen die Feyertage und Vacantzen mit gezählet werden: die verstattete Fristen aber nehmen allemahl, es mag dilatio oder prorogatio gebeten werden, nach Ablauf des vorigen Termin ihren Anfang, und wird der dies ad quem nicht mit unter der Dilation begriffen

§. 14. Es seyn aber gewisse Sachen wo die erste Citatio preclusiva ist, folglich keine Dilation verstattet, sondern gleich in dem ersten Termino in contumaciam verfahren werden kan, als


(232) Dritter Theil. Tit. XIX.. XX.

1) Wann einem Theil auferleget wird gewisse Briefschaften zu recognosciren, aber eydlich zu diffitiren.

2) Wann Eyde abzulegen.

3) Alle Citationes monitoriae z. E. zu Anhörung erkannter Eyde, zu Beywohnung derer gerichtlich veranlaßten Depositionen, zur Inrotulation der Acten (et)c.

4) Wann jemand der einen Arrest ausgebracht selbst in dem ad justificandum angesetzten Termino aussen bleibt, soll auf  des Gegentheils Anhalten der Arrest sofort in contumaciam relaxiret werden.

5) In Aliment-Sachen, worunter auch die Zinsen, und Salaria derer Piorum Corporum, und derer Geistlichen zu rechnen.

6) Wann der Contumax in dem zur Praelusion angesetztem Termin nicht erscheint, und moram nicht purgirt. Vid. Tit. praec. §. 10.

7) In Wechselsachen, und andern Fällen welche in dieser Verordnung exprimirt seyn.

Tit. XX.

Von dem Processu ordinario

§. 1.

Wir haben in dem vorhergehenden Tit. V. §. 1. verordnet, daß bey Unserem Camme-Gericht in allen Sachen summariter verfahren; und keine ohne besondere Erkänntniß ad processum ordinarium verwiesen werden sollen.

§. 2. Wann also auf die eingebrachte Klage ein Terminus angesetzet wird, und die Partheyen bitten, oder das Gerichte findet, daß die Sache, weil sie wichtig und weitläuftig ist, zum Schrift- Wechsel verwiesen werden müsse, so kann das Cammer-Gericht solches verstatten, die Sache zum schriftlichen Verfahren von 3 zu 3, oder von 4 zu 4 Wochen verweisen.


(233) Dritter Theil. Tit. XX..

§. 3. Die einmahl per Decretum gesetzte Fristen sollen auch wegen der übrigen Sätze praejudiciales und peremtorisch seyn. Es müssen auch die Ferien mit eingerechnet werden.

§. 4. Weil bey dem Defectiren und Verfahren über Inventaria und eydliche Specificationes die Irrung sich ereignet, daß ein Theil die Defecte Loco Propositionis, der andere aber Loco Exceptionis rubricirt hat ; Folglich von einem oder dem anderen Theil wegen Verkürtzung der Sätze geklagt worden (et)c. So ordnen und wollen Wir, daß in dergleichen Fällen die Defecten jederzeit Loco Exceptionis angenommen, und sodann weiter ad duplicas usque verfahren werden solle.

§. 5. Es soll in dem Schrift-Wechsel niemahls ultra duplicas gehandelt, auch die Sätze zu Verkürtzung der Processe jederzeit in duplo übergeben werden.

§. 6. Wann über Zeugen Verhör verfahren wird, und der Producente seine Deduction übergeben, so soll exipiendo geschlossen, und kein weiteres Verfahren darüber veranlasset werden.

§. 7. Weil die Advocaten angewiesen worden in ihrem Libell das gantze Factum umständlich mit Beylegung aller Documenten und Beweisthümer vorzustellen, so muß des Klägers Advocat, in ipso Termino bloß auf das Libell submittiren, und der Beklagte excipiendo in der vorgeschriebenen Zeit weiter verfahren.

§. 8. Wann ein Theil auf des anderen Exceptiones, oder Replicas; oder in der zweyten und dritten Instantz ad acta priora pure submittirt, müssen die Acta ohne weitere Handlung vor beschlossen angenommen, introtulirt, und zum Spruch vorgelegt werden.

§. 9. Es wird bey dem Schrift-Wechsel vielfältig geklagt, daß in der Schluß-Schrift nova enthalten seyn, worüber die Partheyen zufodert gehört werden sollen: oder daß neue Documenta beygelegt worden, welche zu removiren gebethen wird: oder daß ein Theil verlanget


(234) Dritter Theil. Tit. XX.

andre Acta bey Distributionen der Acten mit vorzulegen. Dieserwegen soll es folgendergestalt gehalten werden.

§. 10. Wann 1) einer oder der andere in seiner Schlußschrift etwas neues in facto anführt, soll darüber kein Verhör gehalten werden, sondern es muß es muß der Implorante die nova bloß specificiren , worauf entweder bey dem Constitutioniren, oder in Termino inrotulationis denen Referenten per Decretum mitgegeben werden soll, wann es würcklich nova seyn, nicht darauf zu reflectiren.

In Fall 2) jemand in einem Schlußsatz nova Documenta beygelegt, und daraus etwas in der Schlußschrift deducirt hätte, muß der Gegentheil solches bey dem Constitutioniren specifice anzeigen, und dem Gericht den Extract zustellen.

Es müssen aber dem ohngeacht Acta vorgelegt, und wenn der Referent finden solte daß das Document würcklich ein novum ist, und eine Aenderung in der Haupt-Sache machen könte, soll bloß dahin interloquiret werden, daß der Producent in einem kurtzen Praejudicial-Termino schuldig sey zu schweren, daß er vorher keine Wsslenschaft von diesem Document gehabt; worauf dem Producenten erlaubet werden soll intra terminum ordinis auf dieses neue Document zu antworten, und soll nicht weiter darüber verfahren werden.

Wann 3) von einem Theil gebeten wird andere Acta adhibenda mit vorzulegen, der Gegentheil aber dargegen protestirt, muß ein Terminus in proxima darüber zu erkennen anberaumet, und durch einen Bescheid die Sache decidirt werden, wogegen kein Remedium verstattet werden soll.

Wann sich 4) einige Schriften bey denen Acten finden welche der Haupt-Sache ein Praejuditz machen, und vorhin dem anderen Theil zu Beobachtung seiner Gegen-Nothdurft communicirt werden: Wann dieser seine Gegen-Nothdurft eingebracht, soll nicht weiter darüber verfahren werden.


(235) Dritter Theil. Tit. XX.

Würde 5) ein oder der andre Theil würcklich einige nova welche die Sache gar nicht angehen, oder doch keinen Grund haben, sondern bloß den Process verzögern, in der Schluß-Schrift beybringen, soll die Parthey und der Advocat jeder mit 5 Rthlr. Strafe belegt werden. Dahingegen auch, wann es keine nova seyn, derjenige welcher nova angiebt, und sein Advocat jeder 5 Rthlr. Strafe erlegen muß.

Würde jemand 6) neue Documenta beylegen wovon er vorhin Wissenschaft gehabt, so soll die Parthey sowohl als der Advocat (wann er gleichfals Nachricht davon gehabt ) jeder mit 10 Rthlr. Strafe belegt werden.

§. 11. Wann der Kläger in seinen Replicis neue Facta angiebt, oder neue Documenta beyleget, stehet dem Beklagten gleichfals frey, solche in denen Duplicis durch neue Facta und Documenta zu elidiren: Und soll kein  weiteres Verfahren darüber verstattet werden.

§. 12. Denen etwa bey einem Process vorkommenden Incident-Puncten so die Haupt-Sache nicht betreffen, soll bey einem deshalb anzusetzenden Verhör ohne alle Weitläuftigkeit abgeholffen, die Sache aber nicht leicht Loco Oralis verwiesen werden.

Wann aber jemand ohne Noth durch dergleichen Incident-Puncten die Haupt-Sache aufhalten würde, soll die Parthey sowohl als der Advocat jeder mit 5 Rthlr. bestraft werden, und überdem die Gebühren des letztern der Sportul- Casse anheim fallen.

Von dergleichen Interioeuten soll kein Remedium statt haben. Vid. infr. T. 39. §. 3. n. 13. p. 189.

§. 13. Es stehet einem jeden Theil frey dem Process zu renunciren, er ist aber schuldig dem Gegentheil alle verursachte Kosten praevia moderatione zu erstatten.

Da jedoch der Beklagte eine Reconventions-Klage vor der beschehenen Renunciation bereits würcklich angestellet hätte, und sich derselben nicht begeben wolte, so ist der Renunciant solche Wiederklage ferner mit ihm auszumachen gehalten.


(236) Dritter Theil. Tit. XX. XXI.

§. 14. Im übrigen muß in diesem Processu ordinario alles was wegen der Citationen, Insinuationen, Litis-Contestation, Exception, Dilationen, Contumacirung, Reconvention, Litis-Denunciatiion, und Reassumtion des Processes &c. oben verordnet worden, genau beobachtet werden.

Tit. XXI.

Von dem Beweisthum insgemein

§. 1.

Zu Führung des Beweises soll niemand zugelassen werden, ehe derselbe ihm per Sententiam auferlegt worden.

Es wäre dann daß der Kläger, wann er vorher siehet daß er keinen völligen Beweis bey der Hand habe, gleich anfangs in dem Libello Actionis dem Beklagten in Casum Negati den Eyd deferirte: welchenfalls in dem ersten Verhörs-Termin super acceptatione vel relatione juramenti gehandelt und erkannt werden soll.

§. 2. Es soll auch niemahlen, und unter keinem Praetext, einige Dilation zu Antretung des Beweises gesucht oder verstattet werden; Weil die Partheyen bey dem Anfang des Processes den Beweis, die Zahl, den Nahmen, und Qualitaet der Zeugen (et)c. bei der Hand haben müssen. Vid. P. 1. Tit. XIII.. §. 8.

Weil die Partheyen, wann der Beweis jemanden auferlegt wird, öfters Remedia dagegen einzuwenden, und eines theils vorzugeben pflegen, daß sie zu beweisen nicht schuldig seyn, andern theils behaupten, daß der Beweis irrelevant und überflüssig, folgends der andere zu dem Beweis nicht zugelassen sey (et)c. Und aber andere Intention die Processe in einem Jahre zu endigen, durch diese Incident-Puncten, wann sie durch alle Instantzen durchgetrieben werden solten, nicht erreichet


(237) Dritter Theil. Tit. XXI.

werden dürfte, so soll es folgendergestalt damit gehalten werden.

Wann 1) derjenige welchem durch einen Bescheid der Beweis auferlegt werden behaupten wolte, daß er nicht schuldig sey den Beweis zu übernehmen, so soll demselben zwar frey stehen Remedia dargegen einzuwenden, aber nur quoad effectum devolutivum: dahero unterdessen salvo jure mit Aufnehmung des Beweises und Gegen-Beweises verfahren, mit Publication desselben aber bis zu Austrag der zweyten Instantz angestanden werden soll.

Wann in der zweyten Instantz das vorige Urthel confirmirt wird, so soll niemahls die dritte Instantz verstattet, sondern mit Publication des Beweises und sonst weiter verfahren werden.

Wann Reformatoria erfolget, soll es gleichfals lediglich darbey gelassen, und, wann der Beweis noch nicht vollführt ist, damit angestanden; oder, wann er vollführt ist, Relatio Commissariorum mit dem Rotulo restitutis expensis cassirt werden.

Wann 2) jemanden per sententiam der Beweis auferlegt worden, oder jemand sich zum Beweis offeriret, der Gegentheil aber vorgibt, daß der Beweis irrevelant oder überflüßig sey (et)c. So soll gleichfals kein Remedium quoad effectum suspensivum verstattet, sondern salvo iure mit Aufnehmung des Beweises und Gegenbeweises verfahren, aber mit Publication desselben, und mit der Deduction bis zu Ausführung der zweyten Instantz angestanden, und auf erfolgte Con- oder Reformator-Urthel es eben wie vorher gehalten werden.

§. 4. Es soll aber niemand mit überflüßigem, noch weniger aber mit einem unmöglichen Beweis beschweret, noch dasjenige welches, wann es gleich erwiesen wird, dennoch nicht releviren würde, zur Probation veranlasset werden.


(238) Dritter Theil. Tit. XXI.

§. 5. Wann also jemand von seinem Gegentheil dergleichen Beweis fodern würde, soll der  Richter nicht darauf reflectiren, sondern Acta ohne Beweis vor beschlossen annehmen, und erkennen was Rechtens ist.

§. 6. Wann aber der Beweis erheblich ist, muß der Richter das Probandum specifice dem Bescheid einrucken, und solches klahr und deutlich exprimiren.

§. 7. Es ist in der Vernunft gegründet, daß der Kläger den Grund seiner Klage , was er nemlich wahr zu seyn affirmiret, wann ihm solches gantz oder zum Theil geläugnet wird, gehörig darthun und erweisen müsse.

§. 8. Es ist daher der Kläger nicht schuldig negativam zu erweisen; Es wäre dann daß eine praesumtio juris gegen ihn militire.

Solchergestalt haben Wir oben verordnet, daß derjenige welcher bey einer servitut in re aliena ia summariilfimo geschützt worden, in petitorio negativam erweisen müsse, weil praesumtio libertatis vor dem Dominum rei streitet.

§. 9. Der Beklagte ist gleichfals schuldig dasjenige was er in seinen Exceptionibus asseriret, und worin er dieselbe fundiret, gebührend zu erweisen und beyzubringen.

§. 10. Wann der Kläger seiner Klage die Documenta, worin er sein Fundamentum actionis setzet, wie er zu thun schuldig, beyleget, so muß auf keinen Beweis interloquiret, sondern praevia citatione ad recognoscendum über die Haupt-Sache, entweder loco oralis, oder schrifftlich weiter verfahren werden.

§. 11. Daferne der Beklagte einen Beweis von selbsten übernehmen wolte (wozu er eigentlich nicht verbunden) und bey solchen Beweis succumbirte, soll der  Kläger nicht aufgehalten werden seine Klage zu erweisen, weil sich der Beklagte imputiren muß, daß er vices ucturis das ist, den Beweis ultro übernommen.

§. 12. Auf dem Fall da beyde Theile zum Beweis einer Sache zugelassen wurden, sollen sie schuldig seyn solchen zu gleicher Zeit zu führen.


(239) Dritter Theil. Tit. XXI. XXII.

§. 13. Es soll niemahlen, wann jemand den ihm auferlegten Beweis durch Documenta oder Zeugen zu führen übernommen, auf einen bessern Beweis erkannt werden; weil der Beweisführer wann er einen bessern Beweis in Händen hat, solchen gleich anfangs mit hätte anführen sollen.

§. 14. Wann jemand dem der Eyd deferiret, folglich zum Richter in seiner eigenen Sache gesetzt worden, sein Gewissen mit Beweis vertreten wolte, soll er dazu nicht gelassen werden, sondern er muß entweder den Eyd referiren, oder pro jurare nolente gehalten werden.

§. 15. Gleichergestalt stehet demjenigen welcher den Eyd einem anderen deferiret nicht frey, solchen unter dem Praetext eines zu befürchtenden Perjurii, zu revociren. NB. Wann der andre solchen Eyd acceptiret hat, und der Deferente ihn nicht in continenti, und durch klare Documenta, eines Perijurii überführen könte.

§. 16. Wann jemand den Modum probandi ändern, und dem Zeugen-Verhör renunciren wollte, soll ihm zwar solches ante Publicationem Rotuli unbenommen seyn, jedoch ist er gehalten, dem Gegentheil die durch den vorigen Beweis verursachte Kosten zu erstatten.

Nach Publication des aufgenommenen Zeugnisses aber soll es bey dem einmahl ergriffenen modo probandi bleiben, und dem Producenten weiter zu variiren, und den Beweis per Documenta, oder Delationen Juramenti zu führen nicht erlaubet seyn.

Tit. XXII.

Von dem Beweis durch Zugeständniß.

§. 1.

Die Zugeständniß so ein oder ander Theil münd- oder schriftlich vor Gericht thut, soll vor einen vollkommenen Beweis, oder vielmehr Befreyung von


(240) Dritter Theil. Tit. XXII.

demselben gehalten, und solcher zufolge, ohngeachtet sie auch von dem Gegentheil nicht ausdrücklich acceptiret worden, sofort erkannt oder verordnet werden.

§. 2. Es muß aber ein gerichtliches Geständniß, damit es gültig und beständig sey, klar, deutlich und gemäß seyn: wann das Geständnis dunkel und zweydeutig ist, muß der

kläger oder Beklagte zu einer deutlichen Antwort bey der Exception oder Replic, allenfalls ex officio, sub poena confessi & convicti angehalten werden.

§. 3. Da nun diese Art des Beweises durch Geständniß alle andere, sie geschehen durch Instrumenta oder Zeugen, übertrift, so soll darwider kein Beweis in contrarium, noch einige Appellation von der darauf ertheilten Sententz zugelassen werden.

§. 4. Wann ein Bekänntniß vor einem willkührlichen Richter geschehen, ingleichen coram incompetente judice, soll selbiges nichts destoweniger, wenn es nur umständlich und ungezweifelt ist, für genugsam und für nachtheilig in Ansehung des Bekenners gehalten werden, weshalb dann der Gegner sich derselben in und vor ordentlichen Gerichten gebrauchen mag.

§. 5. Anlangend die ausser gerichtliche Bekänntnisse, sollen selbige, wann sie in bürgerlichen Sachen ungezwungen, ungezweifelt, und umständlich über einige bereits vorhin geschlossene Contracte, Händel und Verbindungen geschehen, bündig und kräftig seyn, mithin dem Befinden nach halb oder voll erweisen, wofern nur dergleichen extra judiciales confessiones durch Zeugen die dabey gewesen, oder durch briefliche Urkunden dargethan werden.

§. 6. So ist es auch nicht nöthig, daß bey nur besagten Confessionen über bereits geschlossene Händel der andere Theil zugegen sey, und solch Bekänntniß annehme, als welches nur zu Schliessungen des Handels selbst, mithin zur Gültigkeit und Verbindlichkeit, nicht aber zum Beweis desselben erfordert wird. Solchemnach ist die


(241) Dritter Theil. Tit. XXII.

Anwesenheit des Wiederparts und desselben Acceptation gleichfalls nicht vonnöthen, wann die Confession jemanden zu entledigen, oder zu quitiren, oder ledig zu sprechen gereichet.

§. 7. Es muß aber alle und jede Confession, wann sie als ein Beweis gelten soll, von demjenigen geschehen welcher Dominus Causae, oder bey derselben hauptsächlich interessiret ist; Eines Tertii Zugeständniß aber kann einem andern nicht praejudiciren.

§. 8. So muß auch der Confitent in dem Stande seyn daß er sich verbindlich machen könne; weshalb dann der Pupillen, und blöden Personen Aussage, welche ohne ihres Resp. Tutoris und Curatoris Genehmhaltung geschiehet, von seiner Würkung seyn soll.

§. 9. Wann aber ein Minderjähriger einige Bekänntniß entweder in- oder ausserhalb Gerichts thut, soll solche ihn zwar verbinden; Allein im Fall er dadurch lädirt wäre, soll er dagegen restituiret werden.

§. 10. Da Turores oder Curatores in- oder ausserhalb Gericht, in ihrer Pflegbefohlnen Sachen etwas zugestehen solten, kann solches denen Unmündigen, soweit ihnen Schaden und Unheil daraus erwachsen möchte, nicht verfänglich seyn.

§. 11. Gleichergestalt soll die Zugeständniß eines Advocati oder Mandatarii, wann solcher die ihm ertheilte Instruction überschritte, dem Principal keinen Nachtheil zuziehen, sondern diesen frey stehen sothane Confession vor dem End-Urthel zu wiederrufen, sofern er nur bescheinigen kann daß die Sachwalter geirret, und daß Schade und Nachtbeil daraus entstanden sey.

Wann aber der Prinical in Person zugegen gewesen, und den Irrthum intra triduum nicht corrigiret hätte, soll ihn des Sachwalters Confession verbinden.

§. 12. Es soll aber die etwa aus Irrthum einer eigenen oder fremden Sache selbst, oder in deren wichtigen Umständen geschehene Confession, wann selbige gleich eydlich,


(242) Dritter Theil. Tit. XXII. XXIII.

denjenigen so solche gethan keinesweges nachtheilig seyn: Jedoch muß solcher Irrthum deutlich angezeiget und beweislich ausgeführet, auch dieses, nach ausgesprochenen Urthel, in der Appellations-Instantz bewerckstelliget werden.

§. 13. So viel den Errorem Juris betrift, lassen Wir es bey der allgemeinen Rechts-Regul bewenden, nach welcher solcher in damno rei admittendae nicht nachtheilig ist; und ordnen daneben, daß in den Processen, wann Advocat, einen wiederrechtlichen und irrigen Satz vor(-) oder zugiebt, die Gerichte und Urthelsfasser nichts destoweniger den Rechten gemäß sprechen sollen.

Tit. XXIII.

Vom Beweis durch briefliche Urkunden.

§. 1.

Derjenige Kläger so den Grund seiner Klage, imgleichen der Beklagte so seine Exception, mit brieflichen Urkunden, es wären publica oder privata, ganz oder zum Theil erweisen wolte, soll sothane Documenta entweder dem Libello selbst, wie Tit. von Beweis ingemein §. 8. vorgeschrieben, beyfügen, oder aber, wann auf Beweis erkannt wird, es binnen der dazu in nur gedachtem Titul bestimten, oder von dem Richter angesetzten Frist bewerckstelligen, die Abschrift des Documenti, dessen er sich zu bedienen gesonnen, bey dem Gericht übergeben, und dem Gegentheil zufertigen, auch dasselbe zur Recognition des Originals, citiren lassen.

§. 2. Wann also jemand innerhalb der gesetzten Beweis-Frist entweder die Urkunden in Abschrift nicht übergiebt, oder aber in den zu deren Production anberaumten Termin solche originaliter nicht producirt, ist der Beweis vor erloschen zu halten: jedoch ist auch nach

 


(243) Dritter Theil. Tit. XXIII.

verflossenem Termin die Productio Documentorum zu verstatten; wann der Producent solche vorher nicht erlangen können; und gleichwohl intra Terminum probatorium sich darauf berufen, und um Compulsoriales oder Requisitoriales gebührend angesuchet hat.

§. 3. Wolte auch jemand nebst denen Documentis zugleich durch Zeugen einen Beweis führen, muß er die deshalb abzufassende Articul in dem gesetzten Termino probatorio mit einbringen.

§. 4. Die Abschrifften der Brieflichen Urkunden so der Procedent originaliter in Händen hat, müssen regulariter, bey deren Verlust, nicht Stückweise, sondern vollständig übergeben werden, und wann solches einmahl geschehn, stehet ihm nicht frey, selbige wieder des andern Theils Willen zu wiederruffen, oder fallen zu lassen; Jedoch ist es nicht nöthig von denenjenigen Documenten, so schon bey dem in diesen Process verhandelten Acten befindlich sind, die Abschrifften anderweit zu übergehen, sondern es ist erlaubt sich desfals auf die Acta zu beziehen, wobey jedoch die Folia, wo sie in Actis anzutreffen, jedesmahl mit zu allegiren sind, gestalt der Advcocat so solche Folia gar nicht, oder nicht richtig angiebt, deswegen um 2 Reblr. jedesmahl bestraft werden soll.

§. 5. Wann in einem Document andere und mehr Dinge, so die streitige Sache nicht angeben, befindlich sind, muß zwar das Original dem Judicio zur Information vorgelegt werden, damit dasselbe dem Befinden nach wegen der Communication an das Gegentheil judiciren könne: Es stehet auch den Producenten frey, solches zugleich innerhalb der Beweis-Frist, bloß Auszugs-weise, jedoch nebst dem Eingange, Schluß und Unterschrift, copeylich zu übergeben, er kann aber auch sodann solches für sich weiter als der Extract gehet nicht gebrauchen.

§. 6. Wann jemand seynen Beweis oder Gegen-Beweis durch briefliche Urkunden zu führen sich anmasset, darf derselbe seine Documenta, deren Abschrift er vor


(244) Dritter Theil. Tit. XXIII.

Ablauf des dazu bestimmten Termins nicht eingebracht, nachhero produciren, es wäre dann daß derselbe eydlich erhalten könne, wie er zur Zeit des führenden Beweises entweder gar keine Nachricht gehabt, oder doch wo solche anzutreffen nicht gewust habe, wann er nur in dem letzern Fall intra terminum probatorium sich darauf beruffen hat; diejenigen aber so den Rechten und restitutionem in integrum haben, werden mit solchem Eyde billig verschonet, wann sonst sein Verdacht sich dabey ereignet, daß hierunter dolose und zur Verzögerung der Sache gehandelt worden.

§. 7. Es sollen alle gerichtliche Instrumenta pro publicis gehalten, und folglich dadurch ein vollkommener Beweis geführet werden: jedoch, wann solche aus erheblichen Ursachen angefochten werden, den Gerichten ihr Erkäntnis darüber vorbehalten bleiben.

§. 8. Wann auch zwischen contrahirenden Partheyen ein Instrument schriftlich aufgerichtet, und solches sowohl von denen Contrahenten, als zwey dazu adhibirten Zeugen, unterschrieben worden, soll selbiges mit dem Instrumento Publico gleiche Krafft des Beweises haben.

§. 9. Die Haupt- Zins- Steuer- und Rechen-Bücher, ingleichen alte Schriften, die in Unsern oder in Unserer Collegiorum Cantzeleyen: wie auch in Städten und Aemtern, auf den Rathhäusern, Gewölben und Kasten verwahret werden; desgleichen die Bücher so bey den Kirchen wegen Trauung, Geburt, und Absterben gehalten werden, diese alle sollen gleichfals zum völligen Beweis zugänglich seyn, jedoch den Gerichten, wann Einrede geschiehet, darüber den Befinden nach zu erkennen vorbehalten bleiben.

§. 10. Wann die Tauff- Trauungs- und Begräbnis-Bücher oder Register verlohren, oder dergleichen niemahls gehalten worden, können besagte Actus entweder aus den Haus-Büchern der verstorbenen Eltern, oder mit andern Documenten, oder auch mit Zeugen bewiesen werden.


(245) Dritter Theil. Tit. XXIII.

§. 11. Die Privat-Instrumenta und Schreiben beweisen allein auf den Fall, wenn selbige von dem Scribente recognoseirt werden.

§. 12. Weilen auch öfters, an statt derer Rechnungen, so wohl in denen Städten als auf dem Lande, Kerbhöltzer gebraucht werden, so sollen dieselbe wenn beyde Stücke mit einander überein kommen, völligen Beweis machen; da aber jemand das eine Stück davon verlohren hätte, oder zurück behielte, so soll das annoch vorhandene befundenen Umständen nach, einen halben Beweis machen, und sodann ratione juramenti suppletorii erkannt werden.

§. 13. Anlangend die Handels-Bücher der Kaufleute, Krähmer, und andere so zu offenem Krahm und Laden sitzen, wann sie nach Kaufmanns-Art eingerichtet, das ist, mit Benennung der Personen so die Waaren ausgenommen, und durch wem, auch um welchen Preis, mit Vermeldung des Jahrs, Monaths, und Tages, leserlich und verständlich geschrieben, auch die Kaufleute oder Gläubiger sonst guten Leumuths sind, so sollen besagte Bücher, woferne nur die Schuld binnen 3 Monathen, von der Zeit an da solche contrahiret, von dem Debitore eingeklagt wird, semi plene probiren: nach sechs Monath hat das Handels-Buch keinen weitern fidem, sondern der Kaufmann muß durch Zeugen, oder durch des Käuffers Hand und unterschriebenen Rechnung, die Lieferung erweisen, und soll die Delatio juramenti nicht statt haben. Würden die Bücher die erforderte Requisita nicht haben, oder dargethan werden daß ein Kaufmann vorher jemand in Anspruch genommen hätte, der doch die Zahlung durch producirte Quittung erwiesen hat, so soll auch ratione futuri dergleichen Handels-Buch keinen fidem haben.

§. 14. Da auch zuweilen Streit darüber entstanden, daß Herren-Diener, Mägde, Schneider, oder auch andere,


(246)Dritter Theil. Tit. XXIII.

bey denen Kauff- und Handels-Leuthen allerhand Waaren ausgenommen, und auf ihrer Herren, Frauen oder dererjenigen, welchen sie gearbeitet, Nahmen und Rechnung Schreiben lassen, diese hingegen, wie sie dergleichen weder befohlen, noch dasjenige, so dergestalt abgeholet, empfangen, vorgeschützt haben; so ordnen Wir, daß, wenn hinführo durch Dienstbothen, Schneider, oder andere Personen, etwas auf die Herren und Frauen bey einem Kauff- und Handelsmann, oder auch Krähmer abgefolget würde, die Herrschaften und andere, auf deren Nahmen es ohne ihren Befehl abgeholet und geschrieben worden, solches wieder ihren Willen zu bezahlen nicht schuldig seyn, noch, wenn es zur Klage kommt dazu, ob auch gleich die geschehene Lieferung in des Verkäuffers Handels-Buch eingeschrieben und dieses beschworen wäre, aber noch beschworen werden wolte, angehalten werden sollen. Hingegen bleibet denenselben unverwehret auf andere Art darzuthun, daß der, auf welchem die Waaren abgeholet, dazu Commission oder Befehl ertheilet, oder aber solche würcklich empfangen habe.

§. 15. Solchemnach haben die Kauf- und Handels-Leute, auch Krähmer, so von ihren Waaren etwas an andere auf Credit überlassen, die Vorsichtigkeit und Sicherheit zu gebrauchen, daß sie zuförderst über den Preis sich eines gewissen vergleichen, und sodann durch eigenhändiges unterschriebenes Bekäntniß oder Rechnung demjenigen, dem solche eigentlich zukommen, sich verbinden lassen sollen: dahingegen auch die Kaufleute, wenn sie bezahlet worden, hierüber schriftlichen Schein von sich geben sollen.

§. 16. Daher wann jemand seine Waaren länger als 3 Monathe borgen wolte, alsdann soll er seine Forderung, wenn sie ihm bey entstehender Zahlung nicht gestanden werden solte, entweder durch unterschriebene Rechnungen, Obligationes, oder andern rechtlichen Beweis,


(247) Dritter Theil. Tit. XXIII.

ausser der Eydes-Dilation, (als welche niemahls statt haben soll) so gut er kann behaupten.

§. 17. Wir wollen jedoch, daß dieses wegen obgesetzter 3 monathlichen Frist allein in Sachen, so zwischen denen Unterthonen Unserer Chur-Lande vorkommen, statt haben, nicht aber auf die einheimische Handels-Leute, wann einer mit dem andern zu thun, gezogen werden solle, sondern derselben beschworne Handels-Bücher, wann sie die gehörige Requisita haben, sollen wie sonsten Rechtens, gelten; Wie dann auch hinwiederum, wann Unserer Handels-Leute Bücher die erforderte Requisita haben, dieselbe wieder solche auswärtige von gleicher Gültigkeit und Würckung seyn, wiedrigenfals aber das Jus retorsionis beobachtet werden solle.

§. 18. Was die Handels-Bücher der Juden betreffen, sollen zwar dieselben, wann sie die gehörigen Requisita haben, und ein Jude mit dem andern zu thun hat, semiplene probiren; wann aber Christen daraus belanget werden, sind die Juden wieder die Christen wegen der angeblichen Schuld nicht zu dem Erfüllungs-Eyd, sondern vielmehr diese zu dem Reinigungs-Eyd binnen denen gesetzten 3 Monathen zu verstatten.

§. 19. Gleichwie nun die Kauf- und Handels-Leute zu Bestärckung ihrer Handels-Bücher, wann in obgesetzten 3 monathlichen Frist von ihnen geklaget worden, ad Juramentum veritatis in supplementum hinkünftig zugelassen; Also sollen dero Erben ad juramentum credulitatis gleichfalls gestattet werden.

§. 20. Derer Handwerks-Leute Bücher oder Rechnungen aber sollen allein vor Privat-Verzeichnungen gehalten werden, und können keinen Beweis machen.

§. 21. Was nun obgedachter massen, von dem Beweis durch Instrumenta verordnet, soll allein von denen Originalien verstanden werden, die vidimirte Copeyen und Abschriften könen (!)keinen Beweis würden, es wäre dann, daß die Originalia vorhero im Gerichte produciret,


(248) Dritter Theil. Tit. XXIII.

und davon eine Abschrift in Beyseyn des Gegentheils, oder in Abwesenheit desselben, wann er dazu gehörig citirt worden, gerichtlich genommen worden.

§. 22. So seynd auch die Copeyen welche aus denen gerichtlichen Protocollen unter dem Gerichts-Siegel ertheilet, wie auch die Abschriften, so aus einen von einem Notario gehaltenen und von denen Contrahenten und zwey Zeugen unterschriebenen Protocoll genommen, vor gültig zu halten, es wäre dann, daß das Gegentheil falsitatem transunti erweisen wolte.

§. 23. Die briefliche Urkunden, so Alters oder anderer Ursachen halber unleserlich werden wollen, kann der Innhaber dieselben gerichtlich erneuern lassen, jedoch daß zu solcher Renovation alle diejenigen, denen daran gelegen, peremtorie citiret werden.

§. 24. Dafern jemand auf eine Instrument sich beziehet, dabey aber vorgiebt, daß es in Krieges- Feuers- und anderen Nöthen von Handen kommen, lieget ihm ob diesen seinen Vorwand zu erweisen, oder befundenen Umständen nach eydlich zu erhalten.

§. 25. Wann solches geschehen, muß er sodann den eigentlich Inhalt des verlohrnen Documents durch zween Zeugen oder sonst rechtlich darthun.

§. 26. Würde ein Theil dem andern seine Documenta entwenden, oder zerreissen, so soll derjenige, welchem selbige zugehöret, zur eydlichen Bestärckung deren Inhalts zugelassen werden.

§. 27. Möchte aber sonst ein Instrument zerrissen, oder durchschnitten seyn, kann selbiges seinen Glauben haben, es wäre denn, daß der Inhaber desselben darthun könte, daß solches ungefehr, und also Casu geschehen.

§. 28. Sonsten probiret ein jedes Documentum regulariter vollkömmlich wieder denjenigen, der solches gerichtlich produciret, nicht allein was den Inhalt des Instrumenti selbst anlanget, sondern auch was etwa darunter von den Inhabern des Briefes, oder dessen Authore,


(249) Dritter Theil. Tit. XXIII.XXIV.

an Quitungen und sonsten verzeichnet, oder von denselben in dorso geschrieben. Wowieder dann keine Protestation gültig ist, daß der Producent das Document nur allein in so weit, daß es ihm dienlich sey, approbiret und produciret haben wolle.

§. 29. Wann demnach aus denen von dem Beklagten selbst producirten Documenten der Grund der Klage, welche er verneinen wolte, deutlich wahrzunehmen, so ist er pro convicto zu halten, und wider klare Documenta weiter nicht zu hören.

§. 30. Dahingegen welcher ein Instrumentum gantz oder zum Theil anzufechten sich unternommen, kann sich desselben nochmahls zu seinem Vortheil, in so weit er solches impugniret, nicht weiter bedienen.

§. 31. Im Fall in einem Documento Rasurae in einem Substantial-Stück vorhanden, soll solches Instrument keinen Beweis machen: Wäre aber die Rasura an einem andern Ort, worauf eigentlich die Sache nicht ankäme, soll dadurch dem Documento der Glaube nicht benommen seyn, auch hat Unser Cammer-Gericht zu erkennen, wie weit dasjenige zu attendiren, so zwischen den Linien eingerücket, oder in Margine verzeichnet: imgleichen wenn etwas mit verschiedener Tinte geschrieben.

§. 32. Schließlich solte jemand sich unterstehen eine falsches Instrument wissentlich zu produciren, soll derselbe dem Gegentheil die Unkosten erstatten, und nicht allein abgewiesen, sondern auch überdem nachdrücklich bestrafet werden.

Tit. XXIV.

Von Edirung der brieflichen Urkunden.

§. 1. Ein jeder Kläger ist insgemein schuldig in allen Sachen die an sich habende briefliche Urkunden dem


(250) Dritter Theil. Tit. XXIV

Beklagten auf sein Ansuchen und Specificiren zu ediren um seine Defension und Exception daraus zu formiren.

§. 2. Welche Edirung auch zu solchen Behuf statt haben soll, wann gleich der Kläger die von ihm geforderte Documenta in dem schwebenden Procefs zu gebrauchen nicht Vorhabens wäre.

§. 3. Was aber den Beklagen betrift, so ist derselbe regulariter den Kläger keine andere Documenta zu ediren schuldig, als worinn er seine Defension fundiret, damit der Kläger seine Responsion darnach einrichten könne: Imgleichen kann er sich dessen nicht entbrechen, wann die geforderte Documenta dem Kläger selbst gehörig, oder beyden Theilen in Ansehung des Eigenthums, Gebrauchs, auch sonst eines gewissen Interesse halber gemein wären: auch im Falle die Wahrheit der Sachen anderer gestalt nicht entdecket worden könte; als wann nehmlich der Kläger durch einen Zufall die in Händen gehabte Instrumenta verlohren, oder die Originalia von Händen kommen, oder sonst erhebliche Ursachen bey einer allenfalls anzusetzenden Verhör beygebracht werden möchten, wobey, wann die Edirung der Communication solchergestalt erkannt oder versagt wird, es ohne Appellation zu lassen.

§. 4. Gleichergestalt muß der Beklagte dem Fisco oder dessen Cessionario, wann derselbe civiliter agiret, die verlangte Documenta herausgeben, welches auch in denen Sachen, die pias causae betreffen, statt haben soll.

§. 5. Da aber derjenige, von dem die Edirung begehret wird, vorgeben möchte, daß er die verlangte Documenta nicht habe, so ist derselbe auf Gegentheiles Begehren zu schweren schuldig, daß er solche Documenta weder bey sich, noch in seinem Gewehrsam (!) habe, noch wisse wo selbige seyn, vielweniger solche gefährlicher Weise abhanden gebracht habe: welchen Eyd er dann selber abschweren muß, massen er ihn weder referiren, noch sein


(251) Dritter Theil. Tit. XXIV.

Gewissen mit Beweiß vertreten, auch von dem Gegentheil keinen Eyd vor Gefährde fordern kan; sondern solches dem Arbitrio judicis überlassen muß.

§. 6. Wolte aber jemand vor Abstattung des Eydes die gefoderte Documenta vermittelst einer Specification dem Gegentheil, um sich daraus zu ersehen, communiciren, soll ihm solches zwar zugelassen seyn, jedoch kann er sich nicht entbrechen, auf ferneres Anhalten, wenn mehr Documenta gefordert würden, vorgedachten Eyd, auch nach übergebener Specification, und zwar noch in dem zur Production angesetzten Termin, abzuschweren.

§. 7. Und obwohl auch die Erben verbunden, die von ihnen obgedachter massen gesuchte Documenta, vermittelst Eydes heraus zu geben, so sollen sie dennoch mit dem Juramento verschonet werden, wann sie das über ihres Erblassers Vermögen conscribirte Inventarium, oder die beschworne Specification, in originali produciren, und darinn die Briefschaften, wie es sich gebühret, ordentlich und specifice verzeichnet sind, oder daß keine vorhanden gewesen, ausdrücklich angemerckt worden.

§. 8. Ein gleiches findet auch statt bey geführten Vormundschaften, in mandato administrationis omnium bonorum, negotiorum gestione, societate, communione bonorum, und überhaupt in allen Administrations-Begebenheiten.

§. 9. Wann die verlangte Urkunden in Büchern, Briefen, oder dergleichen weitläuftigen Schriften bestehen, sollen die Articul oder Stücke, so gemein sind, oder nur den Process angehen, von Gerichts-Personen, welche dazu verordnet, aus dem Original gezogen; auch dabey, wie wegen Vidimirung der Documenten P. I. Tit. 8. §. 12. vorgeschrieben ist, verfahren, und alsdann solchen Auszügen so viel Glauben als dem Original selbst gegeben werden.

§. 10. Würde aber der Gegentheil mit den Extracten nicht zufrieden seyn, sondern gantze und vollständige


(252) Dritter Theil. Tit. XXIV.

Abschriften haben wollen; sollen die Judicia dem Befinden nach dieserhalb erkennen, und allenfalls denselben zu Ablegung des Eydes vor Gefährde oder Bosheit anhalten.

§. 11. Dafern ein Kläger sich der bey einer Verhör erkannten Edirung derer Documenten weigern würde, soll derselbe mit seiner Klage ferner nicht gehöret, sondern damit abgewiesen werden.

§. 12. Wann der Kläger bey dem Gegentheil, oder auch bey einem tertio, editionem documentorum zu suchen gemeynet; muß er solches, bey deren Verlust, vor Anstellung seiner Action, oder in ipso libello suchen; worauf denn der Gegentheil in dem darüber angesetztem Termino die begehrten Documenten zu ediren, oder den §. 5. vorgeschriebenen Eyd abzuschweren, oder aber, wann er ein Erbe oder Administrator ist, das conscribirte Inventarium, oder die beschworne Specification, in originali zu produciren gehalten ist.

Wie dann auch im Gegentheil Beklagter, wann er dergleichen Edition fodert, solches bey der Litis contestation thun, nachhero aber nicht weiter damit gehöret werden soll.

§. 13. Im Fall nun keines von diesem erfolget, oder auch der Product oder Reproduct gäntzlich aussen bleibet, sollen, wann von dem Gegentheil, bey Antretung seines Beweises, von den geforderten Urkunden Abschriften produciret worden, diese statt der Originalien, mithin pro editis & recognitis gehalten; da aber dergleichen Copeyen nicht vorhanden, besagter Gegentheil den angegebenen Inhalt solcher Documenten eydlich zu erhalten, zugelassen werden: weshalb dann der Product oder Reproduct hierzu unter dergleichen Commination jedesmahl gleich Anfangs, oder da wegen der streitigen Edition zuförderst erkannt werden müssen, nach dem Erkänntniß, wovon keine Appellation statt findet, ausdrücklich vorzuladen ist.


(253) Dritter Theil. Tit. XXIV.

§. 14. So ist auch derjenige, welcher nicht schuldig zu seyn vermeynet, seinem Gegner die gefoderte Urkunden zu ediren, solches vor dem zur Production derselben angesetzten Termin anzuzeigen verbunden, wiedrigenfalls aber soll derselbe nachhero, auch in besagten Termin selbst, mit seiner deshalb habenden Einwendung nicht mehr gehört werden.

§. 15. Wann jemand, von dem die Edition gefordert wird, vorhin verordneter massen eydlich erhält, daß er die begehrten Urkunden nicht bey sich habe, wird er zwar mit der Edition verschonet, er kann aber dadurch der Recognition sich nicht entbrechen, da der Producent solche Documenta anderswoher erlanget hätte, und sie ad Recognitionem vorlegte.

§. 16. Dafern die Edition von einem dritten Besitzer gefordert wird, und deshalb einige Vermuthung vorhanden, soll ihm alsofort auf des Producenten Ansuchen, mit Einräumung einer hinlänglichen Frist, die begehrte Edition auferleget, auch hierzu die Compulsoriales, ohne ohne (!) daß vorhero erst darüber zu erkennen, ertheilet werden; gestalten dann derselbe hierauf in Termino die geforderte Documenten zu ediren, oder daß er solches nicht habe, wie §. 5. versehen, zu schweren schuldig; auch da er ohne erhebliche Ursache sich dessen wegerte, in eine willkührliche Geld- oder andere Strafe zu vertheilen, und zugleich auf arctiores compulsoriales zu erkennen ist.

§. 17. Ausserdem soll wieder einen Contumacem Actio ad Interesse wegen ungebührlicher Vorenthaltung derer Documenten statt haben, es mag der Gegentheil selbst oder ein Tertius seyn.

§. 18. Was endlich die Kosten anlanget, welche zur Edirung oder Communication der Documenten erfordert werden, wollen Wir daß sowohl Kläger als Beklagter, und zwar ein jeder pro fundanda intentione sua, auf seine Unkosten einander die allegirte Documenta communiciren müssen; Wie dennn auch ein Tertius die briefliche


(254) Dritter Theil. Tit. XXV.

Urkunden auf dessen Kosten, so selbige verlanget, ediret.

Tit. XXV.

Von Recognition der brieflichen Urkunden.

§. 1.

Alle gerichtliche Acta und Instrumenta, so entweder über einen vor Gericht getroffenen Handel gefertiget und abgefasset, oder auch denen Gerichten von denen contrahirenden Theilen gebührend vorgetragen, und daselbst entweder confirmiret, oder den Actis Publicis einverleibet worden; ingleichen Documenta, so bereits gerichtlich recognosciret, wann es auch gleich gegen einen Tertium, oder in alia Causa, oder vor einem andern als nem (= einem?) ordentlichen Richter geschehen, dürfen weder recognosciret noch eydlich diffitiret werden.

§. 2. Diejenige Documenta aber, welche ausser gerichtlich errichtet, und von denen Contrahenten vollzogen worden, ob sie gleich auf eines oder des andern Theils Anhalten allein gerichtlich confirmiret worden, können pro Documentis judicialibus, so keiner Recognition beürfen, nicht geachtet werden, es wäre dann, daß beyde Theile im Gericht gegenwärtig bey der Uebergabe Hand und Siegel recognosciret, und das Judicium solches attestiret hätte.

§. 3. So sollen auch die Instrumenta, welche vor einem bey Unserem Cammer-Gericht immatriculirten Notario, in Gegenwart der Partheyen und zweyer Zeugen, in gebührlicher Form aufgerichtet sind, den Instrumentis Publicis gleich geachtet werden.

§. 4. Ob zwar die Instrumenta Publica, so viel die Unterschrift betrift, eigentlich keine Recognition bedurfen:


(255) Dritter Theil. Tit. XXV.

So müssen dennoch dieselbe dem Gegner vorgeleget werden, um dawieder die etwa habende Nothdurft zu beobachten.

§. 5. Alle übrige Documenta, so pro privatis & recognoscibilibus zu achten, wann auch gleich darin der Recognition renunciiret, sollen von dem Product oder Reproduct sogleich in dem dazu gesetzten Termin recognosciret, oder in Contumaciam, ohne vorhergehende weitere Verwarnung, jedoch mit Vorbehalt der im übrigen dawieder habenden Einreden, pro Recognitis angenommen, und zu dem Ende die Partheyen dazu, unter dieser ausdrücklichen Verwarnung, vorgeladen werden; Es verstehet sich auch von selbsten, daß das ausbleibende Theil wegen seines Ungehorsams dem Producenten die verursachte Unkosten erstatten müsse.

§. 6. Wann auch Instrumenta Privata wieder jemand bey Verhören produciret werden, muß derselbe solche sofort entweder agnosciren, oder diffitiren, oder warum er dazu nicht gehalten zu seyn vermeinte, anzeigen, und darüber Erkänntniß leiden, worvon keine Appellation statt haben soll.

§. 7. Vermeinte jemand wieder das Instrument einige Exceptiones zu haben, soll dennoch Recognition geschehen, und ihm solche Exceptiones nach vorgegangener Recognition vorzutragen frey stehen: Wie denn insgemein alle Recognitiones salvis Exceptionibus, wenn gleich der Recognoscent sich dieserwegen nichts reserviret hätte, anzunehmen.

§. 8. Die Recognition derer Documenten an sich selbst muß entweder von dem Principal, oder durch einen darzu mit Special-Vollmacht versehenen Mandatarium geschehen.

§. 9. Die in fremden, denen Partheyen unbekannten Sprachen producirte Documenta sollen durch einen oder zween Dollmetscher, deren sich die Partheyen zu vergleichen haben, oder welche allenfalls ex officio zu benennen,


(256) Dritter Theil. Tit. XXV.

in die Teutsche Sprache übersetzet, und sodann die Recognition des Originalis von demjenigen, welchen solche zu thun oblieget, verrichtet werden.

§. 10. Wann das producirte Document sich noch auf ein anderes beziehen solte, müssen beyde Instrumenta zugleich zur Recognition vorgeleget, oder in Ermangelung dessen, wenn dennoch das producirte zureichend wäre, darüber erkannt, und darwider keine Appellation zugelassen werden.

§. 11. Würde ein Documentum produciret, welches das Gegentheil selbst nicht unterschrieben, sondern von einem andern unterschreiben lassen, soll demselben das gantze Instrument vorgelesen, und er vernommen werden, ob dessen Inhalt sein Wille und Meinung gewesen.

§. 12. Würde hingegen Product sich in Termino zur eydlichen Diffension (als welche unter der injungirten Recognition jederzeit mit zu verstehen,) anbieten, soll er dazu ohne vorhergehendes interlocut verstattet, und zu deren Bewerckstelligung fordersamst ein anderweitiger kurtzer Termin von 8 bis 14 Tagen per resolutionem, und also sine nova citatione, anberaumet, das juramentum diffensionis selbst aber dahin, und zwar bey documentis propriis, daß er selbige weder geschrieben noch unterschrieben habe, und solches mit seinen Wissen und Willen nicht geschrieben noch unterschrieben worden; bey alienis aber, daß er nicht glaube noch dafür halte, daß der Austeller selbige geschrieben oder unterschrieben habe, oder solche mit seinen Wissen und Willen durch einen andern geschrieben oder unterschrieben worden, eingerichtet werden.

§. 13. Die eydliche Diffension aber müssen die streitende Personen selbst verrichten, und soll dazu kein Gevollmächtigter verstattet werden, welches auch in denen Fällen, wann verschiedene Erben oder andere Consortes Litis vorhanden, statt haben, und durch eines oder des


(257) Dritter Theil. Tit. XXV.

andern Abwesenheit die Sache nicht aufgehalten, sondern von denen gegenwärtigen die erforderte Recognition geschehen muß.

§. 14. Im Fall nun in dem zur eydlichen Diffession angesetztem Termino der Part, (wann auch gleich der andere Theil ausbleibet,) angeregte Diffession wircklich nicht leistet, oder auch davon wieder abstehet, sollen die Documenta pro recognitis gehalten, und derselbe daneben, (wann er nicht eydlich erhalten kan, daß, als er zu der Diffession sich erbothen, er die Documenta wircklich vor unrichtig gehalten, und also darunter keine Gefehrde gebrauchet,) seiner sonst darwider gehabten Exception für verlustig erkläret, und darüber in eine willkührliche Geld- und Leibes-Strafe verurtheilet werden.

§. 15. Anlangend die eydliche diffession quoad contenta in den Privat-Instrumenten, soll dieselbe in Ansehung eines documenti alieni de crudelitate gar nicht, wegen eines proprii aber nur in dem Fall zugelassen werden, da der Product eydlich erhalten kan, daß die Extension wieder sein Wissen und Willen geschehen, dagegen  ist derjenige, welcher zustehet ein bereits extendirt gewesenes Document unterschrieben zu haben, darwider aber vorschützet, daß er es vorhero nicht gelesen, zu solcher Diffession gar nicht zu admittiren; hingegen stehet ihm frey, wenn dergleichen Document bey dem Beweise produciret worden, die darwider habende Exceptiones durch den Gegen-Beweis, und, wann besagte Documenta erst bey dem Gegen-Beweis vorgekommen, seine Nothdurft in der Reconvention auszuführen.

§. 16. Wenn der Producent auf des Gegners eydliche Diffession es nicht ankommen lassen wolte, stehet jenem frey entweder durch Zeugen, oder per comparationem litterarum, (wovon Tit. seq. gehandelt werden soll) zu erweisen, daß es desselben Hand sey.

§. 17. Die Articul, worüber diesenfals Zeugen abzuhören, müssen nicht auf die Sache selbst, und auf den


(258) Dritter Theil. Tit. XXV.

Inhalt der Instrumenten, sondern allein auf die Frage, ob die streitige Hand und Siegel ihre Richtigkeit habe, gestellet seyn, und ist dem Gegetheil sich der Interrogatorien dawider zu gebrauchen unbenommen.

§. 18. Wann jemand durch zwey unverwerfliche Zeugen, so bey Subscription des Documents zugegen gewesen, oder, daß der Product sich zu solchem Document bekant habe von ihm selbst gehöret, die Richtigkeit desselben erweisen könnte, soll auf deren eydliche Bekräfftigung (wobey jedoch dem Gegetheil die Interrogatoria quoad personas testium  & quoad merita causae zu gestatten,) dieser zur Diffession nicht admittiret, sondern das Document selbst pro recognito angenommen, und der Negans zu Erstattung des Dupli des Werths angehalten (vid. P. IV. T. II. §. 7.) oder auch allenfalls, und wann hierunter kein völliger Beweis verhanden, der Gegentheil nach Befinden, und auf vorhergehendes Erkenntniß, zum suppletorio admittiret und kein Remedium dargegen verstattet werden.

§. 19. Wie dann gleicher Beweis auch nach bereits geschehener Diffession dem Producenti, innerhalb der gewöhnlichen Frist des Beweises, verstattet seyn, und wann der Meineyd dadurch genungsam erwiesen worden, der Producent dieserhalb den Rechten nach zu verdienter Strafe gezogen werden soll.

§. 20. Daferne auch ein Instrument von zweyen Zeugen unterschrieben wäre, und dieselbe ihre Hand eydlich recognoscirten, soll die vom Gegentheil offerirte eydliche Diffession sothanen Instruments nicht zulänglich seyn.

§. 21. Ein Vormund oder Curator ist die wider seine Pupillen oder Unmündige producirte Documenta ihrer Erblasser zu recognosciren oder eydlich zu diffitiren gehalten, wiewohl das letztere nur de crudelitate zu verstehen: ein Minorennis aber, so das 18te Jahr erreichet, muß die eydliche Diffession dem Befinden nach de veritate praestiren.


(259) Dritter Theil. Tit. XXV.

§. 22. Wann denen Erben ihres Erblassers Hand nicht bekannt ist, sollen dieselbe gleichfalls solche de credulitate jurato diffitiren.

§. 23. Weil Copeyen, Concepte, und Documenta aliena auf gewisse Maasse, und befundenen Umständen nach, zu dem Beweise etwas beytragen können, so ist auch Product selbige in ihrer Qualitaet, wie sie beschaffen, zu recognosciren schuldig: Wann sie aber dergestalt beschaffen seyn, daß sie an sich nichts erweisen, noch einiger massen adminiculiren können, ist der Gegentheil mit der vergeblichen Recognition nicht zu beschweren, als welches insonderheit alsdenn zu beobachten, wann die Documenta von demselben schon agnosciret und comprobiret worden.

§. 24. Nach geschehener Recognition oder Diffession, und darüber gefertigten Registratur, sollen die Instrumenta, Brief und Siegel, auch andere Urkunden, so in Originali produciret, denen Partheyen gegen Zurücklassung der von dem Secretario, oder Actuario vindimirten Abschriften zurück gestellet werden. Wann aber an der Formalität der Originalien selbst etwas erinnert, und darüber gestritten würde, müssen selbige gegen einen Schein vom Secretario oder Actuario bey denen Acten gelassen, und erst nach vorgegangenen rechtlichen Erkänntniß wieder abgefolget werden.

§. 25. Uebrigens sollen alle Productiones, Recognitiones, eydliche Diffessiones der Documenten in der Audientz, oder, dafern bey Ober-Gerichten andere viele Verrichtungen es nicht gestatten wollen, vor zwey deputirten Räthen und dem Protonotario oder Secretario an demselben Gerichts-Tage, ohne alle Prorogation, bewerckstelliget werden: Wann aber das Original an einem andern Ort befindlich ist, und nicht füglich überschickt werden kan, muß an solchem Ort vermittelst einer Commission oder Requisition die Recognition bewerckstelliget werden.


(260) Dritter Theil. Tit. XXVI.

Tit. XXVI.

Von dem Beweiß per Comparationem Literarum.

§. 1.

Wann derjenige, welcher die Documenta recognosciren soll, läugnet, daß die Unterschrift seine Hand sey, auch sich zur eydlichen Diffession erbietet, so stehet dem Producenten frey, wann er es auf des Prodicti (!) eydliche Diffession nicht ankommen lassen will, per Comparationem Litterarum den Beweis anzutreten.

§. 2. Weil aber dieser Modus Probandi sehr mißlich und öfters verdächtig ist, so muß derjenige, welcher Comparationem Manus anstellet, zuforderst schweren, daß er weder aus Hofnung eines unbilligen Gewinstes, noch aus Feindschaft, noch aus Faveur eines Dritten die Comparation antrete, sondern weil er keine andere Beweis-Mittel an der Hand habe, und daß er nichts bey diesen producirten Schriften vorgenommen, wodurch die Wahrheit verdunckelt werden könne.

§. 3. Ferner haben die Rechte mit gutem Bedacht verordnet, daß es nicht genug sey, wann der Producent aus des Producti Briefen, Chirographo, oder andern dessen Privat-Schriften, die Comparation anstellen wolte, weil die Hände leicht nachgemacht werden können; Sondern er muß solche Schriften vorzeigen, welche entweder der Product selbst vor seine Hand recognoscirt, oder, daß es dessen Hand sey, sonst dargethan wird.

Als wann a) der Product die Schrift, wodurch Producente dessen Hand erweisen will, selbst bey einer andern Gelegenheit producirt hat.

b) Wann der Product die Schrift vorher gerichtlich übergeben, und diese aus der Registratur producirt wird.


(261) Dritter Theil. Tit. XXVI.

c) Wann das Instrument, woraus die Comperatio Literarum genommen werden soll, von dreyen Zeugen unterschrieben, oder

d) Von einem Notario in Gegenwart zweyer Zeugen verfertiget worden, folglich Fidem Publicam hat. §. 4. Es verstehet sich also von selbsten, daß aus einer blossen Unterschrift des Nahmens keine Comparatio Literarum angestellet werden könne, weil die Erfahrung zeiget, daß nichts leichters sey als andre Nahmen nachzumahlen. Und kann in diesem Fall derjenige, welcher seinen Nahmen und Unterschrifft diffitiret, zu nichts weiter als ad juramentum Purgatorium angehalten werden. Dahero derjenige, welcher wegen künftiger Comparation sich prospiciren will, den andern anhalten muß die Obligation oder den Wechsel selber zu schreiben.

§. 5. Wann der Product läugnet, daß die unter dem Instrument befindliche Unterschrift der Zeugen ihre Hand sey, müssen dieselbe zur Recognition oder Diffession ihrer Hand angehalten werden. Wann sie aber sich zur Diffession ihrer Hand offeriren, oder verstorben seyn, kann die Comparatio Literarum gleichfals aus andern Schriften der Zeugen geschehen.

Gleichergestalt muß es gehalten werden, wann der Notarius, der das Instrument verfertiget, nicht mehr am Leben ist, oder derselbe seine Hand diffitirt; alsdann muß der Producent durch eine anderweitige Comparationem Literarum erweisen, daß das Instrument des Notarii Hand sey.

§. 6. Wann der Producent ein instrumentum Tertii producirt, und daraus etwas erweisen will, der Productus aber läugnet, daß es Manus Tertii sey, oder vorgiebt, daß er die Hand nicht kenne, ist der Producente gehalten solche per Comparationem Literarum dieses Tertii zu erweisen.

§. 7. Derjenige, welcher per Comparationem Literarum dem Beweis antreten will, muß binnen 8 Tagen,


(262) Dritter Theil. Tit. XXVI. XXVII.

von dem Tag, da der Productus sich zur eydlichen Diffession offerirt, einen Schreib-Meister vorschlagen, und um dessen Vereydung bitten, welchem der Producent seiner Seits gleichfals einen beyfügen, und um dessen Beyndung anhalten kann.

Wann aber wegen der Capacitaet derer Schreib-Meister einiger Streit unter beyden Theilen entstehet, soll dem Cammer-Gericht frey stehen entweder dieselbe zu confirmiren, oder dem Befinden nach ex Officio einen oder zwey andre Artis Peritos zu ernennen.

§. 8. In allen diesen Fällen stehet auch in des Richters Arbitrio, denen Partheyen das Juramentum Suppletorium oder Purgatorium aufzulegen.

§. 9. Wann der Productus ein Instrument eydlich diffitirt hat, kann der Producent nicht weiter ad Comparationem Manus gelassen werden, weil er dadurch, daß er den Productum zum Eyd zugelassen, gleichsam traniigirt hat.

Es stehet ihm aber frey diesen in separato eines Perjurii zu überführen, da dann derselbe als ein Meineydiger bestraft werden muß.

§. 10. Wie dann auch derjenige, welcher das von einem Notario und zween Zeugen unterschriebene, oder andres Instrumentum Publicum, pro falso angeben will, den Beweis in separato führen muß.

Tit. XXVII. Von dem Beweiß durch Ocular-Inspection

§. 1. Wann die Sache eine Ocular(-)Inspection erfodert, und und der Beweis nicht anders geführt werden kann als durch Besichtigung, so muß entweder auf des


(263) Dritter Theil. Tit. XXVII.

Gegentheils Anhalten, oder ex Officio eine Commission darzu ernennet werden.

§. 2. Es muß also derjenige, welcher des Augenscheins zur Behauptung seiner Intention nöthig hat, binnen 8 Tagen nach beschehener Litis Contestation darum Ansuchung thun, nachhero aber kann er nicht weiter damit gehört werden.

§. 3. Wann aber in Processu Causae sich findet, daß die Sache ohne dergleichen Besichtigung nicht erörtert werden kann, und daher der Richter selbst nöthig findet zu seiner Information dieselber zu veranlassen, so kann ex Officio ein Commissarius darzu ernennet werden.

§. 4. Der Commissarius muß mit der Citation, wie in dem Tit. von Commissarien vorgeschrieben worden, verfahren, den streitigen Ort mit Fleiß besichtigen, und wo nicht einen gründlichen Abriß, doch eine ungefehre Zeichnung und umständliche Beschreibung des Orts seinem Bericht beylegen.

Wann durch einen Landmesser den streitigen Ort aufzunehmen nöthig, mus der Commissarius darbey gegenwärtig seyn, und wann ratione der Gräntzen oder Benennung der Oerter die Partheyen oder Zeugen uneinig seyn, den Landmesser behörig instruiren.

§. 5. Wann Zeugen abzuhören, muß der Commissarius solche in Rem praesentem führen, und nach allerseits genommenen Augenschein dieselbe abhören. In seinem Bericht auch sich niemahls der General- Beschreibung, zur rechten oder zur lincken Hand bedienen, sondern zugleich die streitige Oerter überall mit Numern oder Buchstaben bezeichnen, und sich daran beziehen.

§. 6. Es verstehet sich aber von selbsten, daß der Commissarios (!), ehe er die Commission endiget, die Güte versuchen müsse.


(264) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

Tit. XXVIII.

Von dem Beweis durch Zeugen.

§. 1.

Wann einem oder dem anderen Theil der Beweis auferlegt worden, kann er in Ermangelung brieflicher Urkunden die vollkommene Probation durch Zeugen führen.

§. 2. Weil aber von dem Beweis das Weh und Wohl derer Partheyen dependirt, und die Erfahrung bezeuget, daß mit Abhörung der Zeugen nicht allezeit legaliter verfahren werde, hauptsächlich auch durch die zu Abhörung der Zeugen verordnete Commissarios die würckliche Abhörung ungemein aufgehalten und verzögert zu werden pflegt; So haben Wir nöthig gefunden diese wichtige Sache in gewisse Sätze einzutheilen, und dadurch alle bishero eingeschlichene Misbräuche auf einmahl zu coupiren.

§. 3. Zu dem Ende soll nunmehro deutlich verhandelt werden.

1) Wie und wann der Beweis durch Zeugen anzutreten.

2) Wie viel Zeugen zu einem völligen Beweis erfodert werden; und wann nur ein Zeuge zureichend sey.

3) Welche Personen Zeugen seyn können, und welche vom Gezeugniß excludirt werden.

4) Von denen Articula und Interrogatoriis, wie auch denen Additionalibus, und Aenderung der Articuln. item von Production neuer Zeugen.

5) Von denen Exceptionibus, welche gegen die Personen und Articuln eingewandt werden, und wie dabey zu verfahren.

6) Von denen zu Abhörung der Zeugen benannten Commissariis.


(265) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

7) Wie die Zeugen zu citiren, und wie es zu halten, wann sie nicht erscheinen.

8) Von dem Examine und Aussage der Zeugen.

9) Von Verfertigung des Rotuli, dessen Publication, und wie ferner darauf zu verhandeln.

10) Wie bey Abhörung fremder Zeugen zu verfahren.

11) Vom Gezeugniß zum ewigen Gedächtnis.

Sectio I.

Von Antretung des Beweises.

§. 4.

Derjenige, welcher den Beweis durch Zeugen zu führen übenommen, muß binnen 14 Tagen a die Judicati (weil supponirt wird, daß der Advocat, wie er zu thun schuldig ist, den Beweis und insbesondere die Zahl, Nahmen, Qualitaet und Wohnung der Zeugen bey der Hand haben, und den Process nicht eher annehmen muß) seine Articul mit deutlicher Benennung der Zeugen samt dem Directorio in duplo schriftlich übergeben, und bitten dieselbe dem Gegentheil ad dandum interrogatorin zu communiciren, und einen Commissarium zur Abhörung der Zeugen ex Officio zu benennen.

§. 5. Dieser Terminus (worin die Ferien mit einzurechnen, ) soll niemahl prorogirt, noch jemahlen zur Antretung des Beweises eine Dilation verstattet werden.

§. 6. Würde also jemand innerhalb solcher Frist von 4 Wochen den Beweis vorgeschriebenermassen nicht antreten, soll er nachhero damit nicht gehört werden.

Wann aber der Beweisführer Restitutionem in integrum ex justa causa suchen, oder sonst Contumaciam purgiren wollte, und per Sententiam damit zugelassen oder abgewiesen, der eine oder der andere Theil aber Remedia dagegen einwenden würde; so sollen dieselbe quoad effectum suspensivum nicht verstattet, sondern salvo Jure der Beweis aufgenommen, und damit wie unten §. 26. vorgeschrieben ist, verfahren werden.


(266) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

§. 7. Der Gegentheil muß seine Interrogatoria entweder vor dem Termino Commissionis, oder in ipso Termino, dem Commissario einliefern, allermassen nachhero, und wann die Zeugen abgehört seyn, nicht mehr darauf reflectirt, noch dieselbe angenommen werden sollen. Vielweniger kann zu deren Einbringung eine Dilation gesucht oder verstattet, noch restitutio in integrum wider die Versäumniß ertheilet werden.

Sectio II.

Wie viel Zeugen zu einen völligen Beweis gehören, und wann durch einen Zeugen ein völliger Beweis geführet werde.

§. 8.

Es werden zu einer vollkommenen Probation wenigstens zwey Zeugen erfordert, welche omni exceptione majores, das ist, deren Person, Nahme, Stand, und Wesen in allen Stücken untadelhaft, und ganz unverwerflich seyn muß.

§. 9. Dergleichen zwey Zeugen seyn in allen Fällen zureichend einen völligen Beweis zu machen, wann nicht die Rechte insbesondere mehrere oder wenigere Zeugen erfodern.

§. 10. Es kann also regulariter ein Zeuge keinen völligen Beweis ausmachen, sondern er macht, wann Er omni exceptione major ist, bloß semiplenam probationem, wovon der Effect dieser ist, daß der Producente ad Juramentum suppletorium gelassen wird.

§. 11 Es hat aber diese Regul ihren Abfall, und kann auch ein Zeuge einen völligen Beweis ausmachen.

1) Wann jemand den Tod eines Abwesenden erweisen soll, und z. E. der Officier unter dessen Commando der Abwesende gestanden attestiret, daß derselbe in einer Rencontre geblieben, oder an einer Kranckheit gestorben sey oder wann


(267) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

2) Jemand eydlich bezeuget, daß der Abwesende würcklich todt sey, weil er z. E. die Leiche gesehen, oder dem Begräbniß beygewohnet habe.

3) Wann ein Zeuge in summariissimo attestiret, daß der eine oder andere Theil tempore turbationis in der Possession gewesen, und pars adversa das Gegentheil nicht erweiset.

4) Wann ein Zeuge pro probanda innocentia producirt wird, und ein anderer das Contrarium aussagt, wird dem ersten mehr Glauben beygemessen.

5) Wann ein geschworener Bothe die rite facta insinuatione docirt, und das Gegentheil nicht erwiesen wird.

6) Wann ein Notarius, oder Richter, oder Actuarius, in Sachen, welche zu ihrem Amt gehören attestiren, daß der Actus vor ihnen legitime verhandelt worden: z. E. Wann ein Notarius attestiret, daß das Instrument, welches in Gegenwart zweyer Zeugen aufgenommen worden, seine Richtigkeit habe: Wann also der Notarius ein Zeugenverhör aufgenommen, und nachher ein Zeuge eydlich aussaget, daß er dasjenige, was der Notarius niedergeschrieben, nicht ausgesagt habe, so bleibet dennoch die Praesumtion pro Notario.

Wann auch ein Richter oder Actuarius attestiren, daß z. E. bey Uebergebung des Testaments der Testator persönlich gegenwärtig gewesen oder daß das Protocoll, welches producirt wird, bey ihnen gehalten worden; so macht dieses Zeugniß so lang einen völligen Beweis aus, bis das Gegentheil erwiesen wird.

7) Wann derjenige, welchem eine Aussicht aufgetragen, und der darauf beeydiget worden, von Sachen, die in sein Amt einschlagen, attestirt, zum Exempel, wann ein Feld-Hüter , Land-Reuter, Förster (et)c. denuncirt, daß er diesen oder jenen auf einer verbothenen Hütung, Hausirung, Holtz-Diebstahl (et)c. betroffen habe: so wird das Factum vor plene erwiesen gehalten, so lange nicht das Gegentheil dargethan wird.


(268) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

8) Wann ein artis peritus in seiner Profession attestirt, z. E. wann ein Landmesser von der Grösse des Ackers, ein Chirurgus de lethalitate vulneris, eine Heb-Amme von der Schwangerschaft, ein Goldschmid von der Qualitaet des Goldes und des Silbers (et)c. sein Gutachten erstattet.

Es ist aber in diesen Fällen dem anderen Theil erlaubt zu bitten, daß diesen Leuten andere von gleicher Profession adjungirt werden möchten.

9) Wann beyde Theile auf die Aussage eines Zeugen compromittiren; In welchem Fall aber der Zeuge gleichwohl de veritate dicenda schweren muß, wann die Partheyen ihn dessen nicht in specie erlassen.

Sectio III.

Welche Personen Zeugen seyn können, und welche zum Zeugniß nicht admittirt werden?

§. 12.

Es sollen zu Ablegung eines Gezeugnisses schlechterdings nicht zugelassen werden,

1) Rasende und mente capti; Es wäre denn daß sie zur Zeit der Deposition dilucida intervalla haben.

2) Diejenige, welche stumm und taub zugleich von Natur seyn.

3) Kinder unter 14 Jahren, weiblichen und männlichen Geschlechts.

Wann sie über 7 Jahr alt seyn, und von selbst freywillig etwas aussagen von Dingen, die ihren Verstand nicht übersteigen, macht solches keinen Beweis, sondern ein blosses Indicium.

Ferner werden von dem Gezeugniß ausgeschlossen:

4) Diejenige, welche ex delicto & crimine famoso condemnirt worden, als wegen Ehebruch, Diebstahls, ob crimen repetundarum &c.


(269) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

5) Wann jemand wegen einer Schandthat seines Dienstes entsetzet worden.

6) Wann einer des Landes verwiesen worden.

7) Alle diejenige, welche infamia juris vel facti laboriren: als z. E. Huren; item welche Geld empfangen ein Zeugniß abzulegen oder nicht abzulegen; welche ex Mandato deposito, tutelae & societate condemniret, folglich einer offenbahren Untreu überwiesen worden.

§. 13. Einige Zeugen werden nur in gewissen Sachen a testimonio dicendo excludirt, als

8) Diejenigen, so pro prodigis erklärt worden, massen diese in keinem Testament zum Zeugniß admittirt werden; Im andern Sachen werden sie admittirt, sie seyn aber nicht omni exceptione majores.

9) Minores, die unter 20 Jahren seyn in causis criminalibus; Es wäre dann daß keine andere Zeugen vorhanden oder gegenwärtig gewesen, oder daß sie zu Zeugen der Unschuld angegeben werden, oder die Sache ein Crimen laesae Majestatis betreffe.

10) Die Weiber in einem solennen Testament, wie auch

11) In Lehns-Sachen.

§. 14. Andere Zeugen werden wegen der Qualitaet ihrer Person gehindert ein Zeugniß abzulegen, als

12) Wann sie in ihrer eigenen Sache zeugen wollen: das ist, wann sie einen Zeugen abgeben wollen in Sachen, wovon sie einen Nutzen zu hoffen, oder Schaden zu befürchten haben.

13) Ein Erbe, welcher im Testament, worüber er zeugen soll, instituirt worden.

14) Fideicommissarius in causa fideicommissi.

15) Diejenige, welche mit einander in societaet stehen, wann de causa communi Zeugniß gefodert wird.

16) Ein Verkäufer, wann von der Gewehr die Frage ist.

17) Ein Correus in causa correali.


(270) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

18) Die Glieder in einer Commun und Universitaet wann singuli einen Nutzen davon haben, z. E. wann ein Bauer oder Bürger von dem streitigen Ort protestirt.

Wider die Commun und Universitaet aber können sie, wann sie wollen, zu Zeugen admittirt werden.

19) Debitor in causa creditoris, & contra: wann z. E. die Frage ist von dem versetzten Pfand, kann weder der Creditor noch der Debitor Zeuge seyn.

20) Der Richter in einer Sache, worinn er das Urthel gesprochen, wann von der Gerechtigkeit der Urthel die Frage ist. Item

21) Wann die Solennitaet eines von ihm verfertigten Testaments angefochten wird: Welches auch

22) Bey denen Notariis statt hat, wann über die Solennitaet eines von ihm verfertigten Testaments gestritten wird.

23) Conscii criminis.

§. 15. Es werden auch vom Zeugniß excludirt wegen einer besondern zu der Sachen habenden Affection.

24) Die Advocaten in denen Sachen, worinnen sie ihr Patrocinium ertheilet.

25) Wann auch eine Bluts-Freundschaft zwischen dem Zeugenführer und dem Zeugen vorhanden, kann dieser nicht admittirt werden, als

26) Eltern und Kinder in infinitum, welche weder vor, noch wieder sich ein Zeugniß abgeben können.

Es werden aber folgende Fälle ausgenommen: a) wann der Kinder ihr Alter erwiesen werden soll. b) Wann von einem Ehe-Versprechen die Frage ist, weil solches gemeiniglich in der Eltern Gegenwart allein vorzugehen pflegt: c) Wann ein Sohn de castrensi peculio testirt, und die Frage ist, ob es ein solches peculium sey: d) Wann die Wahrheit nicht anders ausgemittelt werden kann, das ist, wann die Sache ihrer Natur nach dergestalt beschaffen, daß keine Zeugen dazu gesetzt zu werden pflegen, als in Ehbruch, Todtschlag, falscher Müntze, Sodomie.


(271) Dritter Theil. Tit. VVVIII.

27) Brüder und andre Verwandten werden in causis criminalibus zwar zugelassen, sie seyn aber nicht omni exceptione majores, und machen nur ein Indicium.

§. 16. Diejenige, welche unter des Zeugenführers Gewalt stehen, werden gleichfalls nicht zum Zeugniß gelassen, als

28) Eine Ehe-Frau vor ihrem Ehe-Mann, und im Gegentheil ein Ehe-Mann vor seine Ehe-Frau: gegen den Ehegatten können sie zeugen, aber nicht dazu gezwungen werden: Es wäre dann, daß die Sache so beschaffen, daß die Wahrheit, insonderheit in Criminal-Sachen, auf andre Art nicht ausfündig gemacht werden könne. (Vid. n. 26.)

29) Bedienten, die in des Zeugenführers Brod und Lohn stehen:

Es werden aber folgende Fälle ausgenommen: wann der Domestique sowohl dem Actori als Reo bedient ist; oder wann das Negotium Domesticum ist, als wann Streit zwischen denen Eheleuten vorfällt; Oder, wann der Zeugenführer denselben wieder einen andern Bedienten zum Zeugen angiebt; Oder, wann man nicht anders auf den Grund der Sachen kommen kann.

30) Unterthanen vor ihre Obrigkeit:

Gegen ihre Obrigkeit aber können und müssen sie zeugen, wann sie zuvor ihres Eydes, womit sie der Obrigkeit verwandt seyn, erlassen worden.

31) Wann der Zeuge verdächtig ist, als

a) Wann zwischen dem Producto und dem Zeugen eine capitale Feindschaft schwebet, z. E. wann der Zeuge den Productum ehemahls eines Criminis beschuldiget, oder in Casu Criminali vorher einen Zeugen gegen ihn abgegeben hat: Wann er auch schon ein Feind von beyden Theilen seyn möchte.

b) Wann der Zeuge aus dem geringsten Stande ist, und gegen eine Person, welche honoratioris Conditionis ist, producirt wird.


(272) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

Sectio 4.

Von denen Articuln und Interrogationen, wie auch von denen Additionalibus, und Aenderung derer Articuln, auch Production neuer Zeugen.

§. 17.

Weil durch die Formirung unnöthiger Articuln und Interrogatorien die Acta gehäufet, dem Gerichte und dem Examinanten unnöthige Mühe, und denen Partheyen vergebliche Kosten verursachet werden; so müssen die Advocaten dahin sehen, daß die Articul auf das Probandum eigentlich und deutlich in möglichster Kürtze eingerichtet, auch darinn keine zur Sachen nicht dienende Umstände angeführt, noch dieselbe auf das Jus, als welches der Richter von selbst wissen muß, und überdem zur Deduction gehöret, gerichtet werden.

§. 18. Jeder Articul soll soviel möglich nur ein Membrum in sich halten, wann aber ein Articul unumgänglich mehrere Membra begreifen müste, sollen dieselbe wohl unterschieden werden.

§. 19. Es soll keinem erlaubt seyn nach übergebenen Articuln Additionales zu übergeben, vielweniger die einmahl übergebene zu ändern, oder wohl gar neue zu produciren; dann da dem Producenten oblieget, ehe er den Process anfängt, den völligen Beweis an der Hand zu haben, so kann durch dergleichen Aenderung die Haupt-Sache nicht aufgehalten werden.

Es stehet aber dem Producenten hiernächst frey, in der zweyten Instanz neue Articuln zu formiren, und neue Zeugen zu produciren: auch die vorige Zeugen darüber (nicht aber über alte Articul) abhören zu lassen: Die neue Zeugen aber können sowohl über die vorige als neue Articuln vernommen werden.


(273) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

§. 20. Die Interrogatoria müssen gleichfalls kurtz und deutlich gefast, und mit keinen überflüßigen und unnöthigen Fragen überhäuft werden, auch nur so viel möglich ein Membrum in sich halten.

§. 21. Am wenigsten sollen dieselbe eine Execration z. E. ob den Zeugen der Teufel holen soll wann er nicht wahr redet (et)c. in sich halten.

§. 22. Sie sollen auch nicht captios oder sonst general, zweifelhaft, und impertinent seyn, vielweniger eine Infamiam des Producenten, oder des Zeugen selbst, oder des Neben-Zeugens begreifen; Allermassen der Commissarius auf dergleichen Fragen zu attendiren, der Zeuge auch darauf zu antworten nicht schuldig seyn soll.

Vielmehr muß der künftige Referent, wann dergleichen infamante Articuln oder Interrogatoria formirt worden, nicht allein die Advocaten ihrer Gebühren verlustig erklären, sondern überdem mit 2 Rthlr. vor jeden dergleichen Articul bestrafen.

§. 23. Wann der Productus keine Special-Interrogatoria in der gesetzten Zeit übergiebt, können dieselbe zwar nicht weiter angenommen werden; Es müssen aber die Zeugen ex officio über einige General-Fragen vernommen werden.

§. 24. Und weilen ein schädlicher Mißbrauch bey Verfassung derer General(-)Interrogatorien eingeschlichen; so sollen hinkünftig die auf der Zeugen Personen gerichtete Generalia nicht übermäßig gehäufet, sondern allein nachgesetzte und keine mehr gebrauchet werden, als nemlich:

1) Wie Zeuge mit seinem Tauf- und Zunahmen heisse?

2) Wie alt er sey?

3) Wer Zeugens Eltern gewesen?

4) Womit er sich ernähre?

5) Wie er zu diesem Zeugniß komme?

6) Ob er einem oder dem andern Theile mit Blut-Freundschaft, oder Schwägerschaft verwandt sey?


(274) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

7) Ob er etwa Nutzen bey dieser Sache zu hoffen, oder Schaden zu befürchten habe?

8) Ob er die Articul oder Interrogatoria vorhero gelesen, oder lesen hören?

9) Ob er von jemand unterrichtet sey, wie er die Aussage thun solle?

10) Ob er mit seinem Neben-Zeugen dieserwegen sich besprochen habe?

11) Ob er einem oder anderm Theil in der Sachen vorhero beyräthig gewesen?

12) Ob ihm nicht wegen des Zeugnisses etwas versprochen, aber würcklich gegeben sey.

§. 25. Was bishero von Formirung derer Articuln und Fragstücken disponirt worden, solches soll allein von einem ordentlichen Beweis verstanden werden;

Wann aber nach denen Rechten nur eine summarische Bescheinigung erfodert wird, stehet dem Beweisführer frey solches auch mit Attestatis summariis der Zeugen zu thun.

Sectio V.

Von denen Exceptionen, welche wieder die Zeugen und Articul eingewandt werden, und wie dabey zu verfahren.

§. 26.

Wann der Productus, nach Uebergebung der Articuln und deren Directorio, vermeinet daß die Zeugen zum Gezeugniß nicht zu admittiren, oder die Articul impertinent seyn, so stehet ihm frey, binnen 8 Tagen nach erhaltenen Articuln, causas recusationis bey dem Constitutioniren schriftlich und in duplo zu übergeben.

§. 37. Worauf Terminus von 14 Tagen darüber zu verfahren anberaumt, und keine Prorogatio verstattet, sondern in Termino allenfals in Contumaciam darüber erkannt werden soll.


(275) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

§. 28. Wann der Zeuge per sententiam admittirt wird, muß der Commissarius in dem etwa angesetzten Termino mit Abhörung des Zeugen, jedoch salvis exceptionibus contra personas & dicta testium verfahren, allermassen kein Remedium gegen dergleichen Interlocut statt haben soll.

§. 29. Wann der Zeuge verworfen, und zum Zeugniß inhabil declarirt wird, stehet zwar dem Producenten frey, intra decendium Remedia dargegen zu ergreifen, damit aber die Haupt-Sache dadurch nicht aufgehalten werden möge, muß Einwendens ohngeacht in dem angesetzten Termino auch mit Abhörung dieses verworfenen Zeugen verfahren werden; zu welchem Ende dem Producenten obliegt in ipso Termino seine Interrogatoria dem Commissario zu übergeben.

Es muß aber der Commissarius über des Zeugens Aussage ein besonderes Protocoll halten, auch einen besondern Rotulum über die Articul und Interrogatoria verfertigen, und solche nebst dem Protocoll sorgfältig verschliessen.

Wann Confirmatoria erfolget, soll der Rotulus cassirt, und auf Verlangen des Producti verbrannt werden: In casu Reformatoriae aber muß auch dieser Special-Rotulus mit dem andern General(-)Rotulo publicirt, und kein weiteres Remedium verstattet werden.

§. 30. Wann eine Parthey, oder derer Advocat, einige Zeugen wissentlich, daß dieselbe unter den oben verbotenen abzuhörenden Zeugen begriffen, produciren würde, soll ein jeder von ihnen mit 5 Rthlr. zur Sportul-Casse bestraft werden.

§. 31. Wann aber auch eine Parthey, oder deren Advocat, einige Exceptiones contra personas testium frivole einwendet, soll ein jeder gleichfals mit 5 Rthlr. Strafe belegt werden.


(276) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

Welches um desto billiger ist, weil dem Producten frey gelassen ist, bey Beeydigung der Zeugen die Exceptiones contra personas & dicta testium zu reserviren.

Wann der Productus ohne dergleichen Reservation in die Abhörung des Zeugen williget, kann er nachhero sich wieder dessen Person keiner Exception bedienen; Es wäre dann, daß nach der Abhörung, sich eine neue erweisliche Ursache hervor thäte, weshalb solcher Zeuge vor untüchtig zu halten; welche aber der Product bey seiner Exception mit ausführen muß.

Sectio VI.

Von Ernennung des Commissarii, und Citation der Zeugen?

§. 32.

Wann die Zeugen in Loco Judicii gegenwärtig sey, müssen sie von denen Protonotariis abgehört werden, und braucht es keiner Commission. Wann aber die Zeugen abwesend seyn, sollen künftig die Commissarii zu Abhörung der Zeugen ex Officio benennet, niemahlen aber von denen Partheyen vorgeschlagen werden.

§. 33. Wie dann auch keine Notarii, noch andere welche derer Rechte nicht kundig seyn, zu diesem wichtigen Werck gebraucht werden sollen, sondern Unser Cammer-Gericht muß dazu bloß solche Subjecta aussuchen, welche nicht allein gute Studia, auch einigen Praxin haben, sondern auch bekannte ehrliche und vernünftige Leute seyn, welche nicht weit von dem Ort gesessen, und durch viele andere Amts-Geschäfte an schleuniger Expedition nicht gehindert werden.

§. 34. Es ist an der Capacität derer Commissarien um so viel mehr gelegen, da dieselbe judiciren müssen ob die Antwort auf die Articul concludent, oder dieselbe eine nähere Erläuterung bedürfe: wie sie dann auch occasione dieser Antwort oftmahls andere Neben-Fragen thun, und


(277) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

die Wahrheit dadurch ans Licht bringen müssen: zugeschweigen, daß es auf ihr Urtheil ankommt, ob die Interrogatoria captiös, impertinent, oder criminosa, und daher auszulassen. So, daß das Weh und Wohl derer streitigen Partheyen von einem richtigen Zeugen-Verhör dependirt.

§. 35. Weil nun bey Setzung derer Referendarien unsere hauptsächliche Intention dahin gegangen, daß diese Leute zu dergleichen Commissionen mit gebraucht werden sollen, so muß auf dieselbe, wann sie sonst die gehörige Capacität haben, und die Zeugen in der Nähe wohnen, vor andern reflectirt werden; sonst aber muß das Cammer-Gericht andere benachbahrte derer Rechte erfahrne Burgermeister, Syndicos, Richter (et)c. dazu ernennen.

§. 36. Ein dergleichen ex officio gesetzter Commissarius soll niemahls als verdächtig recusirt werden: Sondern wann der Product justas suspicionis causas allegirt, soll dem Commissario jemand aus denen Referendarien, oder ein anderer, auf des Recusanten Kosten ex officio zugegeben werden.

§. 37. Es soll kein Commissarius bey arbitrairer Strafe ohne erhebliche Ursache sich der Commission entziehen: Wann er aber aus einigen rechtmäßigen Ursachen (welche er an Eydes statt bestärcken muß) dieselbe zu depreciren vermeinet, muß er solches binnen 3 Tagen nach erhaltenem Commissoriali Unser Cammer-Gericht anzeigen, damit sofort ein anderer an seine Stelle ernannt werden könne; würde er solches unterlassen, soll er jedesmahl mit 10. Rthlr. Strafe belegt werden.

§.38. Es muß Unser Cammer-Gericht denen ernannten Commissariis, nebst dem Commissariali aber jederzeit mit einrücken, binnen welcher Zeit sie mit der Commission fertig seyn, und ihren Bericht einschicken müssen. Mit der Verwarnung, daß sie nach verflossener Zeit


(278) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

ihrer Gebühren vor verlustig erklärt, und überdem dem Befinden nach gestraft werden sollen.

§. 39. Der Commissarius muß bey Verlust seiner Gebühren binnen 3 Tagen nach erhaltenem Commissoriali die Citation an die Zeugen expediren und abschicken.

Wann mehrere Commissarii zu Abhörung der Zeugen benannt werden, müssen dieselbe, wann sie in loco seyn, sich binnen 3 Tagen eines Termins vereinigen, die Citation unterschreiben, und abgehen lassen: Wann sie an verschiedenen Orten wohnen, muß solches binnen 8 Tagen geschehen.

Wann einer derer Commissarien, welcher einmahl den Terminum beliebet, in Termino ausbleibt; so soll der andre Commissarius dem ohngeacht mit Abhörung der Zeugen verfahren, und soll die Clausula samt und sonders jederzeit ipso jure darunter verstanden werden.

Sectio VII.

Von Citation der Zeugen, und wie es zu halten wenn sie nicht erscheinen:

§. 40.

Alle und jede Persohnen, sie seyn männ- oder weiblichen Geschlechts, auch von was Stand, Würde und Alter sie wollen, seyn gehalten ihr Gezeugniß abzulegen, und soll also niemand erlaubt seyn dieserwegen auf Verhör zu provociren. Es wäre dann daß es solche Zeugen seyn welche in denen Rechten wieder ihren Willen zu zeugen nicht schuldig seyn.

§. 41. Wir geben auch denen ernannten Commissariis frey, insonderheit wann die Sache celeris expeditionis ist, gleich die erste Citation bey 2. bis 10 Rthlr. Straffe ergehen zu lassen.

§. 42. Würde ein Zeuge zurück bleiben, oder sich weigern ein Gezeugniß abzulegen, soll derselbe, wann er honoratioris


(279) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

conditionis ist, mit Vorbehalt der verwürckten Straffe bey 50 bis 100 Rthlr. anderweitiger Strafe; die übrigen aber sub comminatione realis citationis, auf einen andern Terminum auf ihre Kosten citirt werden.

§. 43. Wann der Zeuge alsdann nicht erscheinet, muß auf den ersten Fall an Unser Cammer-Gericht zu fernern Verordnung berichtet, in dem letztern Fall aber der Zeuge durch den Land-Reuter abgehohlt werden.

Unterdessen können die übrigen Zeugen welche erschienen, abgehört werden.

§. 44. Es soll auch kein Zeuge unter dem Vorwand, als ob er vorher eydlich angelobt oder geschworen hätte keinen Eyd in keiner Sache abzulegen, sich der eydlichen Deposition entziehen. Angesehen solcher Eyd nichtig und keiner Verbindlichkeit ist.

§. 45. Es kann auch kein Geistlicher sich bloß auf sein Gewissen beziehen, sondern er muß den Zeugen-Eyd unweigerlich abstatten.

§. 46. Weil die Zeugen sich nicht auf ihre Kosten ausser dem Ort ihres Aufenthalts zugestellen schuldig seyn, so muß der Producent ihnen die nothdürftige Zehrung nebst der Fuhr (wann sie Alters, Schwachheit, Standes, oder Ferne des Wegs halber, Fuhren gebrauchen müssen) erstatten. Damit aber das Zeugen-Verhör hiedurch nicht aufgehalten werde, so muß der Zeuge in Termino seine Gebühren liquidiren, der Commissarius muß solche ex aequo & bono determiniren, und wann der Producente die Gebühren nicht in continenti erlegt, davon an das Cammer-Gericht berichten, welche dem Zeugen das determinirte Quantum sofort aus der Sportuln-Casse bezahlen, hingegen dieses Quantum nebst dem Duplo dem Producenten wieder in Rechnung bringen lassen muß.

Wann aber die Zeugen sich anfänglich geweigert das Gezeugniß vor Gericht, oder vor dem Commissario abzulegen, oder contumaciter aussen geblieben, und durch Zwangs-Mittel dazu haben angehalten werden müssen,


(280) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

können sie keine Gebühren, weder an Fuhren und Zehrungs-Kosten, noch sonst fordern.

Sectio VIII.

Von dem Examine und Aussage der Zeugen, auch ob und wann das Zeugen-Verhör repetirt werden könne?

§. 47.

In dem zum Zeugen-Verhör angesetzten Termin muß der Commissarius denen Partheyen und Zeugen sein erhaltenes Commissoriale öffentlich vorlesen, und darauf in beyder Theile Gegenwart von denen producirten Zeugen den gewöhnlichen Eyd abnehmen; Es wäre dann daß beyde Theile den Zeugen des Eydes erlassen wolten.

§. 48. Vor Ablegung des Eydes muß der Commissarius denen Zeugen die schwere Strafe des Meyn-Eydes ausführlich und beweglich zu Gemüthe führen.

§. 49. Wann Zeugen gegen ihre Obrigkeit zeugen sollen, müssen sie allezeit ihrer Pflicht, womit sie der Obrigtkeit verwandt seyn, erlassen werden.

§. 50. Bey Abhörung der Zeugen müssen diejenige die von ferne kommen, oder kränckliche, zuerst vorgenommen werden.

§. 51. Der Commissarius muß die Zeugen auf jeden Articul und dessen Fragstücke deutlich befragen.

Die Zeugen aber ihre Deposition darauf vernehmlich, und mit klaren Worten thun, und solche eigentlich auf dasjenige, worüber sie befragt werden richten, keinesweges aber fremde und zur Sachen nicht dienende Umstände mit einmischen.

§. 52. Es kann auch ein jeder Zeuge ex officio befraget werden woher er den Articul wahrsagen könne, wann solches in denen Interrogatoriis schon nicht angemercket worden.


(281) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

§. 53. Der Commissarius muß die eigene Worte der Zeugen ad Protocollum nehmen: Wann ein Articul oder Fragstück undeutlich ist, oder viele Membra hat, muß er den Articul deutlich erklären, und die Puncte separiren.

§. 54. Wann die Antwort der Zeugen dunckel oder zweifelhaftig ist, oder auf die Frage sich nicht schicket, muß der Commissarius zuforderst, und ehe er die Aussage schreibet, des Zeugen bedeuten worauf es ankomme, und ihn anmahnen deutlicher und näher zu antworten.

§. 55. Wann ein Zeuge bey einem oder andern Articul vorwenden will, daß er dasjenige worüber er befragt wird nicht wisse, oder daß er es vergessen, so muß derselbe seines Eydes erinnert, und eine anderweitige positive Erklärung von ihm erfordert werden.

Wann er dabey verharret, muß er dem ohngeacht über die Interrogatoria dieses Articuls befragt werden.

§. 56. Wann sich in der Aussage eine Contradiction mit denen vorhergehenden Depositionen finden solte, muß der Commissarius dem Zeugen solche vorhalten, und dessen Erläuterung von ihm erfordern.

§. 57. Es muß auch der Commissarius dem Befinden nach, und, wann es zu Eruirung der Wahrheit nöthig, durch Neben-Fragen und Special-Interrogatoria auf den Grund der Sachen zu kommen suchen; und z. E. ihn befragen, zu welcher Zeit, Jahr und Stunde, an welchem Ort, und von wem dieses oder jenes geschehen, und was eigentlich vor Worte darbey vorgefallen (et)c.

§. 58. Schließlich muß der Examinant, insonderheit in delictis, genau Achtung geben und verzeichnen, bey welchem Articul und Frage er haesitirt, oder unbeständig, furchtsam, und sich sonst verdächtig erzeiget; ihn darüber zu Rede stellen, und die Wahrheit zu sagen ermahnen.

§. 59. Im übrigen ist oben schon versehen, daß der Commissarius auf Interrogatoria welche eine Turpitudinem des Gegentheils, oder des Zeugens, oder des Mitzeugens


(282) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

inferiren, den Zeugen nicht befragen könne, noch der Zeuge darauf zu antworten schuldig sey.

§. 60. Nach geschlossenen Zeugen-Verhör muß der Commissarius dem Zeugen seine Aussage langsam und deutlich wieder vorlesen, und bey jedem Articul ihn befragen, ob dieses wie verzeichnet seine Aussage und Meinung gewesen.

Bey solcher Fürlesung soll der Commissarius adjunctus (wann einer dazu benannt ist) auf sein Protocoll, damit es mit des ersten Commissarii seinem richtig übereinkomme, und durchaus gleichstimmig seyn möge, fleißig Achtung geben.

§. 61. Wann der Zeuge seine Aussage bey der Wiederhohlung und Vorlesung ändern und corrigiren solte, muß der Commissarius solches fleißig notiren, und diese Aenderung von dem Zeugen vor der Dimission unterschreiben lassen.

§. 62. Wann wegen eines streitigen Orts die Zeugen abgehört werden sollen, muß solches an dem Ort quaestionis geschehen.

§. 63. Vor der Dimission haben Commissarii denen Zeugen mitzugeben, daß sie bey Strafe des Meyn-Eydes ihr abgestattetes Gezeugniß verschwiegen halten, und dasselbe keinem Theil, noch einigen Fremden, offenbahren sollen: Und daß diese Verwarnung geschehen, muß dem Protocoll beygefügt werden.

§. 64. Würden einige Zeugen durch Geschenck, oder sonst, zu Verhelung der Wahrheit, und Abstattung falschen Gezeugniß sich verleiten lassen, sollen dieselbe mit der Strafe des Falsi belegt, folglich vor infam gehalten, und zur Ablegung ferneren Gezeugniß vor untüchtig declarirt werden; auch dem Gegentheil, wann der Zeugenführer nicht solvendo oder difficilis conventu ist, das erweisliche Interesse praevio juramento in litem zu erstatten schuldig seyn. Derjenige welcher die Zeugen corrumpirt hat, und dessen überführt wird, soll nicht allein mit


(283) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

der Strafe des Falsi belegt, sondern auch Sachfällig declarirt werden, und dem Gegentheil Schaden und Kosten praevio juramento in litem erstatten.

§. 65. Wann die Zeugen einmahl abgehört seyn, so kann kein fernerer Beweis zugelassen, vielweniger die Repetition des Zeugen-Verhörs gesucht oder verstattet werden.

Es wäre denn I) daß nach Erlassung und Dimission der Zeugen, oder sogar nach Publication derer Attestorum, der Zeugen Aussage so dunckel oder zweifelhaft befunden würde, daß ihre Meinung nicht zu verstehen, oder daß sie auf die gegebene Interrogatoria nicht befragt wären (et)c. In diesem Fall sollen sie in eadem Instantia, nach Ermäßigung des Cammer-Gerichts, durch einen anderen Commissarium auf des vorigen Commissarii Kosten nochmahls befragt, und deren fernere Deposition umständlich von Wort zu Wort verzeichnet worden (!).

Im Fall auch II) ein Theil incontinenti erweisen könte, daß mit dem Zeugen-Verhör nulliter verfahren, oder die Zeugen durch Geschencke sich corrumpiren lassen; so soll das Zeugen-Verhör cassirt, und in dem ersten Fall der Commissarius nicht allein seiner Gebühren verlustig erklärt werden, sondern auch die Kosten beyden Theilen erstatten, und die Zeugen auf das neue durch eine andere Commission, auf des vorigen Commissarii Kosten verhört, folglich das Zeugen-Verhör wiederholt werden.

Wann die Nichtigkeit der Verfahrens oder die Corruption nicht incontinent, klar und deutlich erwiesen wird, müssen die Partheyen diese Exceptiones in der Deduction ausführen.

Würde auch III) die aufgenommene Kundschaft, in oder ausserhalb Gerichts, durch jemands Unfleiß oder Unachtsamkeit verlohren, oder sonst wegkommen, müssen die vormahls verhörte Zeugen aufs neue produciret, und diese auf dessen Unkosten der die Zeugnisse verlohren, mit Erinnerung auf den geleisteten Eyd, wieder verhöret werden.


(284) Dritter Theil. Tit. XXXVIII.

Im Fall auch mittler Zeit etliche Zeugen gestorben, und das Part aus Mangel ihrer Aussage mercklich verletzt würde, soll der Verliehrer nach rechtlicher Ermäßigung Unsers Cammer-Gerichts den Schaden erstatten, oder sonst gestraft werden. Vid. supra §. 19. p. 272 Sectio IV.

Sectio IX.

Von Verfertigung des Rotuli und dessen Publication, auch wie ferner darauf zu verfahren.

§. 66. Nach geschlossenem Protocoll muß der Commissarius einen ordentlichen Rotulum daraus verfertigen, dergestalt daß nach einem jeden Beweis-Articul aller und jeden Zeugen Aussage in ihrer Ordnung ordentlich subnectirt, auch in solcher Ordnung durch alle Articuln, wie auch bey denen Interrogatoriis, verfahren werde, damit der Richter aller Zeugen Aussage für Augen habe, und des mühsamen Aufsuchens und Extrahirens überhoben bleibe.

§. 67. Wann der Rotulus verfertiget, müssen die sämtliche Commissarii denselben mit eigner Hand unterschreiben und versiegeln, auch ihre Gebühren zugleich liquidiren, und nebst der Relation expeditae commissionis dem Cammer-Gericht einsenden; auf das Couvert aber den Nahmen der Partheyen und der Sache notiren, damit nicht aus Versehen der Bericht ante Terminum eröfnet werde.

§. 68. Wann der Commissarius den Rotulum binnen der ihm vorgeschriebnenen Zeit nicht einschicket, muß er seiner Gebühren vor verlustig erklärt, und dieselbe der Sportul-Casse zuerkannt werden.

§. 58. Und weil dem Beweisführer obliegt in dem Fall da der Rotulus nicht eingeschicket wird ein Excitatorium


(285) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

auszubringen, so soll dessen Advocat, wann er solches unterläßt, seiner Gebühren des gantzen Beweis verlustigen declarirt, solche der Sportul-Casse zuerkannt, und er überdem mit 5 Rthlr. bestraft werden.

§. 70. Wann der Rotulus nebst der commissarischen Relation an das Cammer-Gericht eingeschickt wird, muß der Praesident den Bericht dem Protonotario zustellen, um denselben auf den nächsten Tage-Zertul (!) ad effectum publicationis setzen.

Es stehet aber auch den Partheyen frey durch ihre Sachwalter dergleichen Relation Commissariorum bey den Constitutioniren übergeben.

§. 71. In beyden Fällen müssen die Patroni causae bey dem Constitutioniren um dessen Publication und Communication anhalten, zugleich aber bitten ein Verfahren loco oralis, oder ein Schrift-Wechsel, darin zu veranlassen:

Der Rotulus muß aber denen Partheyen niemahls originaliter mit nach Haus gegeben werden.

§. 72. Der Praesident muß davor sorgen daß die Commissions-Gebühren, praevio moderatione, aus der Sportuln-Casse dem Commissario assignirt, und von denen Producenten wieder beygetrieben werden.

§. 73. Im übrigen bleibt es bey der bisherigen Verfassung, daß in probatorio nicht weiter als bis zur Exception verfahren werde.

Wolte aber Producent pure auf den Rotulum submittiren, so stehet dennoch dem Producenten frey seine Jura aus dem Rotulus zu deduciren, und seine Exceptiones contra personas & dicta testium einzubringen.


(286) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

Sectio X.

Von Abhörung fremder Zeugen und wie damit zu verfahren?

§. 74.

Wann ein Theil vor Anstellung der Klage vorher siehet, daß er den Beweis durch Zeugen die ausser Landes, oder in einer andern weit entlegenen Jurisdiction, wohnen, oder abwesend bey denen Regimentern stehn, führen müsse, soll er die Action nicht eher anstellen bis er diese Zeugen per Requisitoriales in perpetuam rei memoriam abhören lassen: und solchenfalls ist er schuldig wie Sect. seq. versehen zu verfahren.

Wann jemand dieses unterlassen und dergleichen Zeugen post Actionem institutam angeben würde, dieselbe aber in Termino welcher nie prorogirt werden soll, nicht erscheinen, soll nicht darauf reflectirt, sonder bloß auf der gegenwärtigen Zeugen Aussage gesprochen, oder, wann keine andere Zeugen angegeben worden, sofort in der Haupt-Sache erkannt, und der Beweisführer mit einem Verweis ad separatum verwiesen werden.

Es muß auch in Concursu Creditorum dieses beobachtet werden, allermassen derjenige welcher durch auswärtige Zeugen seine Forderung erweisen will, binnen 8 Tagen nach erhaltener Citation ad liquidandum diese Praecaution zu gebrauchen schuldig ist.

§. 75. Die Requirenten müssen den fremden Richter ersuchen die Zeugen über die beyzufügende Articuln und verschlossene Interrogatoria legaliter abzuhören, deren Aussage wohl zu notiren, dieselbe in einem Rotulum zu verfassen, unde solchen verschlossen zu remittiren; mit dem Beyfügen, daß die Abhörung beschleuniget werde möge, weil der Beweis, wann er binnen 6 Wochen nicht vollendet wird, nach der jetzigen Verfassung vor desert gehalten werde, folglich der Rotulus keinen Nutzen haben


(287) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

würde; dahingegen man erböthig wäre die Expeditions- und Commissions- auch der Zeugen- Reise- und Zehrungs-Gebühren auf erhaltene Nachricht sofort zu übermachen.

§. 76. Der Extrahente muß diese Requisitoriales nicht bloß auf die Post geben, sondern die Insinuation in Loco besorgen, und daselbst jemand bestellen, welcher die Citation der Zeugen, und die Abhörung derselben, auch die Einsendung des Rotuli sollicitiren muß.

§. 77. Wenn er an dem Ort, wo die Requisitorialis (!) hingehen, niemand kennet durch welchen dieses geschehen könne, muß er bitten denenen (!) Requisitorialibus mit beyzufügen, daß in Loco ein Mandatarius ex officio bestellet werden möchte, mit dem Extrahenten darüber correspondiren, und die Einsendung des Rotuli sollicitiren müsse, mit der Versicherung, daß demselben seine Gebühren gleichfalls praevia Liquidatione, nebst denen andern Kosten übermacht werden sollen.

§. 78. Weil nun der Rotulus binnen 6 Wochen von dem fremden Richter eingeschicket werden soll, so versteht sich von selbsten daß es weder möglich noch nöthig sey, daß der Judex Requisitus beyde Theile ad videndum jurari citiren lassen könne, und daß die Abhörung der Zeugen bloß der Legalität des Richters überlassen, und solches bey dem Requisitoriali mit angeführt werden müsse.

Wolte aber einer oder andere an sothanem Ort einem Bevollmächtigten bestellen welcher der Vereydigung der Zeugen beywohnen solle, so kann der fremde Richter sich nicht entbrechen denselben auf Vorzeigung seiner Vollmacht zu admittiren.


(288) Dritter Theil. Tit. XXVVIII.

Sectio XI.

Vom Gezeugniß zum ewigen Gedächtniß.

§. 79.

Es soll regulariter niemand zum Beweis durch Zeugen admittirt werden als nach der Litis(-)Contestation, und wann jemand per Sententiam dazu gelassen wird.

Weil aber öfters gewisse Umstände sich eräugnen, warum auch ante Litis Contestationem, so wohl von Seiten der Klägers als des Beklagten, nöthig ist Zeugen ad perpetuam rei memoriam abhören zu lassen, so soll es damit folgender Gestalt gehalten werden.

§. 80. Wann der künftige Beklagte sich befürchtet, daß er von wegen Güther, Obligation, oder von einem andern möchte beschuldiget oder belanget werden, und besorget daß die ihm zustehende Exceptiones, wodurch er die besorgende künftige Klage zu elidiren vermeint, nach Verfliessung der Zeit entgehen, oder daß er versterben, und seine Kinder aus Unwissenheit der Umstände die Rechtfertigung nicht geschicklich ausüben möchten, und er daher nöthig findet Zeugniß ad perpetuam rei memoriam aufzunehmen, so soll er die Ursachen, warum er vor der Litis-Constestation zum ewigen Gedächtniß Zeugen abhören zu lassen bewogen, dem Gerichte vorstellen, und seine Probatorial-Articul übergeben, auch bitten solche dem Gegentheil ad dandum Interrogatoria zu übergeben, welches auch cum eventuali Termino zum Verhör veranlasset werden muß.

Wann der Citatus in dem ersten Termino nicht erscheinet, die Insinuatio aber gehörig docirt wird, muß der Extrahente ohne weitere Erkäntniß zum Beweis ad ad (!) perpetuam rei memoriam gelassen werden: Wann er aber erscheinet, müssen die angegebene Ursachen untersucht, darüber erkannt, und kein Remedium gegen dergleichen Bescheid verstattet werden.


(289) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

§. 81. Im Fall der Kläger sich offerirt seine Klage sogleich anzustellen, muß solches Zeugniß nicht verstattet, sondern die Sache selbst sofort gehöret, und dem Befinden nach darin rechtlich verordnet werden.

§. 82. Hingegen kann der künftige Kläger, wann er dergleichen Gezeugniß in perpetuam rei memoriam aufnehmen lassen will, darzu regulariter nicht gelassen werden, weil er seine Klage zu allen Zeiten, wann er nur will, anstellen kan. Allenfalls, und wann ihm an dergleichen Beweis gelegen, muß er die Ursachen so ihn dazu bewegen vorstellen, und nicht anders als citata parte adversa bey einem summarischen Verhör per Sententiam (wovon gleichfals keine Appellation statt haben soll, ) zugelassen, oder damit abgewiesen werden.

§. 83. Bey solchem Verhör hat der Kläger, wann er diesen Beweis vor erhobener Klage führen will, fürnemlich eine von folgenden, oder doch gleich wichtigen Ursachen zu bescheinigen: als wann etwa die vorgeschlagene Zeugen welche die beste Wissenschaft von der Sache haben mit sehr hohem Alter, oder sonst gefährlichen Zufällen und Kranckheiten beladen, worunter auch die schwangere Frauen so der Geburt nahe seyn, zu rechnen; Ingleichen da der Zeuge in weit entlegene oder gefährliche Oerter, oder auf lange Zeit verreisete; oder ausser Landes; oder in einer andern weit entlegenen Jurisdiction wohnte (et)c. als welchenfals der Kläger Zeugen vor Anstellung der Action in perpetuam rei memoriam abhören zu lassen wohl befugt ist. Vid. Sect. I. §.74.

Also auch, wann ein Creditor seine Klage sogleich anzustellen nicht vermöchte: als da derselbe einen Schuldener hätte welcher sub conditione oder in diem zu bezahlen schuldig. Oder auch, wann nach erhobener Klage der Beklagte die Litis Contestation vorsetzlich aufhielte, oder andere Verhinderungen verursachte.


(290) Dritter Theil. Tit. XXVIII.

Solchergestalt ist es auch zu halten wann schwere sterbliche, oder Krieges-Läufte einfielen.

§. 84. Wann der Kläger nach aufgenommenen Beweis innerhalb Jahres-Frist, vom Tage des angetretenen Beweises an zu rechnen, seine Klage nicht fürbringt; soll solches Gezeugniß vor erloschen gehalten, und niemahls publiciret werden. Auch keine restitutio in integrum, nec ex justa causa, statt haben.

§. 85. Wolte der Productus ante Litis Contestationem auch seinen Gegen-Beweis in perpetuam rei memoriam führen, soll er solchen binnen 14 Tagen nachdem ihm die Beweis-Articuln communiciret und insinuiret worden, beybringen.

§. 86. Da der Producent vor Publication des Gezeugnisses zum ewigen Gedächtnis, nebst diesem, noch mehreren Beweis beybringen, und die darin abgehörte Zeugen, oder auch andere, von neuen examiniren lassen wolte, soll ihm solches frey stehen; Es müssen aber auf diesem Fall beyde Gezeugnisse zugleich, und keines vor dem andern geöfnet werden.

§. 87. Im Fall der Producent sich erklährte das ad perpetuam rei memoriam aufgenommene Gezeugniß gar fallen zu lassen, und anderwärtigen Beweis zu führen, soll ihm solches zwar erlaubt seyn; Es kann aber sodann das erste Gezeugnis nicht publiciret werden, sondern es ist selbiges verschlossen in dem Gerichte beyzubehalten, und solches oben darauf zu registriren: er muß auch dem Producten die Kosten bezahlen.

§. 88. Nach vollführtem Gezeugnisse soll der Rotulus bey Unserm Cammer-Gericht eingebracht, und dem Producenten von dem Protonotario darüber ein Schein ohne Entgeld ertheilet werden, und ist solcher Rotulus nicht eher zu eröfnen, bis Litis contestiret, einem oder dem andern Theil der Beweis auferleget, und der Gegentheil zu dessen Publication vorgeladen worden.


(291) Dritter Theil. Tit. XXVIII. XXIX.

§. 89. Wann dieses Gezeugnis eröfnet, soll über dieselbe, oder gantz contraire Articul, kein fernerer Beweis weder in der erstern noch in der andern Instantz zugelassen werden.

§. 90. Post litem contestatam soll weder dem Beklagten noch dem Kläger erlaubt seyn dergleichen Gezeugnis aufnehmen zu lassen, sondern sie müssen angewiesen werden den Process zu beschleunigen: Allenfalls und wann sehr wichtige Umstände angegeben werden, muß solches cum causae cognitione, wovon keine Remedia statt haben sollen, geschehen.

§. 91. Dafern der Kläger nach erhabener Klage, und darauf erfolgter Litis Contestation, zu Führung des Gezeugnisses ad perpetuam rei memoriam admittiret werden solte, und er solches aufgenommen hätte, soll dasselbe zu jederzeit, auch nach Ablauf des Jahrs, vim probandi behalten.

§. 92. Wie dann auch, was den Beklagten anbetrift, dergleichen vor oder nach der Litis Contestation geführter Beweis allstets seine Kraft behalten, und zu keiner Zeit erloschen seyn soll.

§. 93. Im übrigen muß bey dieser Art des Beweises überall wie bey andern Probationen verfahren werden.

Tit. XXIX.

Vom Gegen-Beweis.

conf. in his materiis Anhang zum Cod. & C. C. de an. 1762. 52.

it. de an. 1763. n. 81.

§. 1. Zum Gegen-Beweis ist sowohl der Kläger als Beklagte, er habe sich vor dem Bescheide, worin der Beweis veranlasset, dazu erbothen oder nicht; oder wann auch der Gegen-Beweis per sententiam ihm nicht reserviret worden, zuzulassen.

§. 2. Es soll auch dem Gegen-Beweis in allen Processen, sie seyn ordinarii oder summarii, zu führen

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(292) Dritter Theil. Tit. XXIX.

erlaubet seyn, wovon jedoch diejenige Sachen worinn executive geklagt wird auszuschliessen.

§. 3. Wann der Beklagte, der einen Gegen-Beweis führen will, bey der Litis Contestation einige Exceptiones peremtorias opponiret, welche gleichergestalt einen Beweis erfordern, soll er seinen Gegen-Beweis zugleich auf sothane Exceptiones richten, darnach aber nicht weiter damit gehöret werden.

§. 4. Da der Productus Vorhabens ist ein Gegenzeugniß zu führen, hat er binnen 14 Tagen, von dem Tage da ihm die Beweis-Articul zugekommen, seine Reprobatorial-Articul in duplo sub poena praeclusi zu übergeben, und alles dasjenige zu beobachten was dem Zeugenführer zu thun oblieget, damit der Beweis und Gegen-Beweis zu gleicher Zeit, und vor eben demselben Commissario, geführet werden mögen.

§. 5. Der Reproductus soll wieder die Reprobation mit keinem fernerem Gegen-Beweis gehöret, sondern die Articuli Reprobatorii Reprobatoriorum gäntzlich verworfen werden; Es kann aber dem Reproducten nicht verwehret werden binnen 14 Tagen Interrogatoria über die Reprobatorial-Articul zu übergeben: Und muß, wann solches geschehen, weiter wie bey dem Beweis durch Zeugen verordnet ist verfahren werden.

§. 6. Im übrigen, obgleich eben die Zeugen so bey der Probation produciret worden auch bey der Reprobation vorgeschlagen und gebraucht werden können, so sollen dieselbe anoch bey dem Gegen-Beweis anderweit mit dem Zeugen-Eyde beleget werden.

§. 7. Wann jemand eine Sache, deren Beweis er übernommen, plenarie erwiesen, so kann derjenige, welcher den Gegen-Beweis führet, reprobando demselben keinen Eyd deferiren.


(293) Dritter Theil. Tit. XXX.

Tit. XXX.

Von dem Juramento judiciali, oder Haupt-Eyd, desselben Delation, Relation, Revocation, und Leistung.

§. 1. Der Beweis welcher per Delationem Juramenti führet wird, soll in allen Sachen, auch Famosis, und Criminalibus da civiliter agiret wird, es geschehe solches in processu ordinario oder summario, und ohne Unterscheid ersterer und anderer Instantz, statt haben.

§. 2. Diese Art des Beweises mag sowohl der Kläger als Beklagte gebrauchen, ohngeacht sie dasjenige, was sie beweisen wollen, vorhero nicht bescheiniget, jedoch muß solcher Eyd allezeit per Sententiam veranlasset werden.

Es hat dieses letztere einen Abfall, wann eine Parthey gleich anfangs bey der Instruction des Processes findet, daß sie den Grund ihrer Klage oder Exception nicht anders als per Juramenti Dilationem zu erweisen vermöge. In diesem Fall kann die Parthey in ipso Libello den Eyd dem andern Theil deferiren, welcher in Termino super acceptione vel relatione sich zu erklären schuldig ist. Quo facto der Richter darüber erkennen, und Formulam juramenti eventualiter dem Urthel inseriren muß. (Vid. supr. Tit. XXI. §. 2.)

§. 3. Es können aber allein diejenige, so ihre Sachen selbst zu administriren und zu transigiren Macht haben den Haupt-Eyd dem Gegentheil deferiren: denen Cohaeredibus, Sociis, Syndicis und Mandatariis aber ist ohne Special-Vollmacht solches zu thun nicht erlaubet, es wäre dann daß die beyde erstere das Juramentum allein ihres eigenen Interesse halber deferiren wolten.

§. 4. Wegen der Unmündigen werden deren Vormündere und Curatores, wann dieselbe ad Delationem

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(294) Dritter Theil. Tit. XXX.

Juramenti zu schreiten nöthig finden, auch ohne Special-Vollmacht von denen Minoribus zugelassen.

Welches auch von denen Curatoribus derer Blöden, Wahnwitzigen, Abwesenden und andern dergleichen Personen zu verstehen. Die Prodigi aber müssen, ohngeacht sie Curatores haben, die erkannte Eyde selber abschweren.

§. 5. Dieses Juramentum mag auch denen nächsten Anverwandten, ja so gar denen Eltern, ingleichen den Magisträten und Obrigkeiten, deferiret werden.

§. 6. Würde solches einem Tutori oder Curatori deferiret, müssen diese de credulitate schweren, es wäre dann, daß es Dinge so ihr proprium Factum angingen, beträfe.

Foderte aber jemand diesen Eyd von denen Pupillen, oder Minorennen selbst, müssen diese wann sie das 18te Jahr, oder auch in Ehe- und Schwängerungs-Sachen das 16te Jahr ihres Alters erfüllet, nach vorhergegangener genugsamer Erklärung und Erinnerung, dem Befinden nach, solchen entweder acceptiren und selbst abschweren, oder referiren; die Pupillen und andere Minores aber sollen so lange damit verschonet bleiben, bis sie ihr 18tes Jahr erlanget, welches auch bey andern Juramentis also zu halten.

Im Fall der Vormund oder Curator den Eyd abzulegen nicht vermöchte, oder sich daran versäumete, soll in contumaciam erkannt, und dem Pflegbefohlnen hiernechst, wann er dadurch laedirt zu seyn glaubet, bloß der Regress an den Vormund vorbehalten bleiben. Weil dem Gegentheil nicht zuzumuthen, daß er den Process bis zu dem gehörigen Alter desjenigen dem der Eyd deferirt worden aussetzen solle: der Curator aber sich imputiren muß, daß er einen Eyd, welchen er salva Conscientia abschweren kann, zu praestiren, sich weigert, nachdemmahlen nichts weiter von ihm gefodert wird als zu schweren, daß er unter denen Vormundschaftlichen


(295) Dritter Theil. Tit. XXX.

Briefschaften keine Nachricht von der Sache gefunden, und daher glaube; daß dasjenige was gegentheil vorgiebt sich in der That nicht also verhalte.

§. 7. Wann der Eyd mehreren Litis-Consorten über einen sie allerseits betreffenden Punct deferirt wird, und einer oder mehr unter ihnen vorhanden so über 18 Jahr alt, soll der(-) oder dieselbe für sich, und an statt der übrigen so das 18te Jahr nicht erreichet haben, das erkannte Jurament zu praestiren zugelassen werden.

Es stehet aber dem Deferenten frey, wann er noch einigen Zweifel bey der Sache hat, nach dem 18ten Jahr auch von diesen die würckliche Praestirung des Eydes zu fordern.

Im Fall einige derer Consorten ausser Landes seyn, soll, wann die Anwesenden den Eyd abgeschworen, wegen der Anwesenden der Process nicht aufgehalten werden. Wann aber diese wieder nach Haus kommen, sollen solche Eyde auf Erfordern von ihnen gleichfalls abgenommen werden.

§. 8. Wann einem Erben über dasjenige was mit dem Erblasser in Streit gewesen, und davon er, der Erbe selbst, keine zureichende Wissenschaft hätte, das Juramentum Judiciale deferirt wird, darf derselbe nur super credulitate schweren.

§. 9. Wann jemand ein Debitum cediret, und dem Cedenten der Eyd deferirt wird, kann der Cedens sich nicht entbrechen den Eyd (soweit es nicht des Cessionarii eigene Facta betrift) abzuschweren, und kann der Cessionarius wider des Cedenten Willen dazu nicht gelassen werden; Es wäre dann daß der Cedens ausser Landes, oder auch verstorben; als in welchen Fällen dem Cessionario allenfalls auch de credulitate zu schweren gestattet wird. Des Cedenten Erben aber wann sie nach Gelegenheit der Sachen nicht de veritate schweren können, sollen mit solchem Eyd gäntzlich verschonet werden.

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(296) Dritter Theil. Tit. XXX.

§. 10. Der Haupt-Eyd an sich selbst muß eigentlich über das proprium Factum dessen welchem solcher deferiret wird gerichtet, und demselben alle nöthige und relevante Umstande und Qualitates der Sachen beygefüget, auch die Formula Juramenti der Sententz inseriret, und wann es Facta aliena oder communia seyn, das Erkäntniß ex Officio darnach eingerichtet werden.

Es muß auch sothane Formula des Eydes dem Bescheid inseriret werden, wann auf das Juramentum Suppletorium, Purgatorium, oder in Litem erkannt wird.

§. 11. Wann ein gewisses Quantum libelliret, und der Eyd darüber deferiret worden, muß der Richter, alle Reservationes mentales zu vermeiden, die Formulam juramenti ex officio dahin einrichten,

daß er dem Kläger das libellirte Quantum nicht,

auch nicht mehr noch weniger schuldig sey.

Würde der Beklagte sich weigern diesen Eyd abzuschweren, muß er in das gantze Quantum condemniret, und weil er das Quantum nicht gleich Anfangs eingeräumt, zu Erstattung der Kosten des gantzen Process angehalten werden.

Wie dann auch der Kläger, wann Beklagter das Minus, so er gleich Anfangs zugestanden und zu zahlen offeriret, eydlich erhärtet, diesem die Kosten des Processes erstatten muß.

§. 12. Derjenige dem der Eyd deferiret wird, ist schuldig solchen binnen binnen (!) 14 Tagen a die judicati zu acceptiren oder zu referiren, worauf dann Terminus ad praestandum juramentum angesetzt werden soll.

Wann er den Eyd acceptiret, muß er solchen, wie er erkannt worden, entweder selbst, oder durch seinen per speciale mandatum bevollmächtigten Advocatum, in des Deferenten Gegenwart in ipso Termino abschweren; welches auch derjenige dem der Eyd referirt wird zu thun schuldig ist: und ist der deferente nicht schuldig das juramentum malitiae abzuschweren. vid. p. 217. §. 3. Würde


(297) Dritter Theil. Tit. XXX.

einer oder der andre in einem von diesem Stücke säumig seyn, soll er nach Ablauf solcher Zeit pro jurare nolente gehalten, und in contumaciam wider ihn ferner erkannt werden.

Er kann auch, da er zum Richter seiner eigenen Sache gesetzet wird, zur Vertretung seines Gewissens mit Beweis nicht zugelassen wrden.

§. 13. Es ist aber niemand schuldig den von einer infamen Person deferirten Eyd zu acceptiren, weil ihm effectus relationis des Eydes dadurch benommen wird: Ein anders ist wann die Relatio nicht statt hat.

§. 14. Wann jemand seinen Gegentheil gleich Anfangs den Eyd deferirt, stehet ihm frey solchen zu revociren, und eine andere Art von Beweis anzutreten, so lang der andere den Eyd nicht acceptiret hat.

§. 15. Im Fall aber der Eyd einmahl acceptiret worden, hat keine Revocatio statt; Es wäre dann daß nach der Acception neue Instrumenta oder Probationes von dem Deferenten gefunden worden, und derselbe eydlich erhalten könte daß er vorhin keine Wissenschaft davon gehabt.

§. 16. Es pflegen diejenige welche sich der Eydes-Delation bedienet, wann sie sehen daß der Acceptante solchen abzuschweren parat ist, solche Eydes-Delation unter dem Praetext eines zu befürchtenden perjurii zu revociren; In diesem Fall muß der Deferente die indicia perjurii zugleich gerichtlich vorstellen, und wann dieselbe durch vorhin ihm unbekannte (welches er eydlich erhalten muß) Briefschaften, Zeugen (et)c. bescheiniget weren, soll ein kurtzer Terminus zum Verhör darüber veranlasset werden.

Wann der Acceptante in Termino (welcher nie prorogiret werden soll) klar und deutlich eines Meyneydes überführet werden solte, muß er dem Gegentheil nicht allein das Duplum des Objecti litis, wie auch die verursachte Kosten erstatten, sondern es sollen auch dem

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(298) Dritter Theil. Tit. XXX.

Befinden nach die andre poena inficationis gegen ihn statuirt, und fiscus ratione perjurii gegen denselben excitirt werden.

§. 17. Dahingegen derjenige welcher den andern freventlich eines zu begehenden Meyneydes beschuldiget, und solches in Termino nicht in continenti erweiset, nicht allein dem Acceptanten eine gerichtliche Abbitte ohne Vorbehalt seiner Ehren thun, sondern ihm auch zu seiner Satisfaction das Duplum des Objecti litis, mit denen sämtlichen Process-Kosten erstatten, der Advocat aber mit 100 Rthlr. bestraft werden soll.

Und von diesem Erkänntniß soll kein Remedium statt haben, sondern mit Abnahm des deferirten und acceptirten Eydes verfahren werden; Wegen der Satisfaction und Strafe aber können die remedia cum pleno effectu nicht versagt werden.

§. 18. Wann der Deferente nach beschehener Revocation in der ergriffenen andern Art vom Beweis deficirt, steht ihm nicht frey denselben Eyd noch einmahl zu deferiren.

§. 19. Wann derjenige dem der Eyd deferiret wird, Bedencken hat solchen abzuschweren, so steht ihm frey solchen zu referiren.

Es hat aber diese Relatio nicht statt, wenn ihm wegen seines eigenen Facti der Eyd deferiret worden: Es wäre denn daß er den Eyd de credulitate referirte.

§. 20. Derjenige der den Eyd referiret hat, kann solchen vor der gegenseitigen Acceptation revociren. Es hat auch alles dasjenige, was oben ratione revocationis juramenti delati verordnet worden, auch hier statt. Wie dann auch der Revocante, wann er einen andere Art von Beweis ergriffen und darinn succumbiret, den Eyd nicht weiter referiren kan.

§. 21. Wann der Haupt-Eyd referiret wird, muß derjenige welchem er referiret worden solchen binnen 14 Tagen a die relationis, und unter eben derselben Commination,


(299) Dritter Theil. Tit. XXX.

acceptiren, und stehet ihm nicht frey solchen weiter zu referiren, oder sein Gewissen mit Beweis zu vertreten.

§. 22. Gleichwie auch dem Deferenten frey stehet über einen Punct oder Membrum der streitigen Sache den Haupt-Eyd zu deferiren, und die übrige Puncte oder Membra ordentlich zu beweisen; also soll gleichergestalt dem Gegentheil erlaubet seyn nur ein Membrum des juramenti zu acceptiren, und darüber den Eyd abzulegen, oder solchen zu referiren.

§. 23. So hat auch Relatio des Haupt-Eydes statt, wann ein Erbe einem andern Erben super credulitate denselben deferiret hat.

Ausser vorgesetztem Fall aber mag das Juramentum super credulitate nicht referirt werden.

§. 24. Was sonsten die Remission des Haupt-Eydes anlanget, stehet solche allein denen frey welche in der Sache, darinn das Jurament deferiret worden, zu transigiren Macht haben: weshalb denen Curatoribus, Administrationibus publicorum redituum, Syndicis, und andern Mandatariis, ohne Special Vollmacht derer Principalen, oder Interessenten, solches zu thun nicht erlaubet ist.

§. 25. Wann der Haupt-Eyd aber einmahl remittiret; soll derselbe als würcklich abgeschworen gehalten, und darwieder keine Variation, noch vermeinte Poenitentz verstattet werden.

§. 26. Würde einer Gemeinde, oder einem gewissen Collegio, der Haupt- oder ein anderer Eyd deferiret, stehet dem Deferenten frey einige Membra, und unter denenselben auch den Syndicum und Stadtschreiber, zu Ablegung solches Juramenti zu erwählen.

Weil aber der Deferente öfters diejenige welche die wenigste Wissenschaft von der Sache haben, folglich den Eyd abzuschweren Bedencken tragen, zu wählen pfleget,


(300) Dritter Theil. Tit. XXX.

so stehet dem Richter frey praevia causae cognitione andere ex Officio darzu zu benennen.

Wann der Deferente keine gewisse Membra benennet, müssen die Aelteste, oder diejenige die meiste Wissenschaft von der Sache haben, darzu deputirt werden, welches der Pflicht und Gewissen derer Communen (et)c. überlassen wird.

§. 27. Wann Hufnern, Gärtnern, Handfrohnern, oder andern dergleichen Personen so keine Gemeine constituiren, der Eyd deferirt wird, sollen dieselbe auf gleiche Weise durch 2 oder 3 ihres Mittels so die beste Wissenschaft haben den erkannten Eyd ablegen. Wenn sie aber an verschiedenen Oertern wohnen, können aus jedem Ort 2 oder 3 Personen gewählt werden.

§. 28. Wann derjenige dem ein Eyd von der Parthey deferirt, oder von dem Richter auferlegt worden, ante praestationem verstirbt, so pflegt gestritten zu werden ob der Eyd pro praestito gehalten werden müsse? In diesem Fall wollen Wir es folgendergestalt gehalten wissen:

1) Wann derselbe ante acceptationem verstirbt, ist er nicht pro praestito zu halten.

2) Wann er den Eyd acceptiret, und ohne seine Schuld durch den Tod verhindert wird solchen abzuschweren ist er pro praestito zu halten.

Wann aber jemand von dem Erkäntniß, wodurch dem andern der Eyd deferirt worden, appelliret, und solchergestalt Causa ist daß der Eyd nicht abgeschworen werden kann, so stehet dem Impedito frey pendente Lite den Eyd zu acceptiren, und sich zu dessen Praestation gerichtlich zu offeriren. Da dann, wann nach Absterben des Acceptanten Confirmatoria erfolget, der Eyd pro praestito gehalten werden soll. Und ist in diesem Fall nicht nöthig daß die Erben de credulitate schweren.

Wann hingegen derjenige, welchem der Eyd deferiret worden, von dem Urthel appellirt, pendente Appellatione aber verstirbt, so ist derselbe Schuld an der


(301) Dritter Theil. Tit. XXX. XXXL

Verzögerung, daher der Eyd nicht pro praestito gehalten werden kann, wann er auch schon declariret daß er ihn mit gutem Gewissen abschweren könne. Es wäre dann daß er eventualiter, und auf den Fall da die vorige Urthel confirmiret werden solte, den Eyd zu  acceptiren sich gerichtlich erklärete.

§. 29. Dafern ein oder anderes Theil ausser hiesigen Landen, oder sonst weit entfernet sich befinden, und zu Leistung der erkannten Eyde in Person nicht erscheinen könte, soll auf dessen Ansuchen, dafern deshalb kein erhebliches Bedencken wäre, die Obrigkeit des Ortes wo derselbe sich aufhält requiriret werden, den Eyd von ihm in Gegenwart des Gegentheils, oder dessen Mandatarii, wozu er die Unkosten auf des Judicii Determination geben muß, abzunehmen.

Auf solchen Fall nun soll das Judicium Formulam des abzustattenden Eydes entwerfen, dem requirirten Judici zufertigen, und demselben zugleich mitgeben, wann das Gegentheil in dem anzusetzenden Termin etwa nicht erschiene, ex Officio einen Anwald welcher der

Eydes-Leistung beywohne, in Loco zu constituiren; im übrigen aber wie alles vollstrecket Nachricht einzusenden.

§. 30. Sie mögen auch die Eyde von denen welche wegen bescheinigter Kranckheit, oder sehr hohen  Alters, solche Persönlich im Gericht nicht abschweren können, in ihren Häusern von einem oder zweyen Deputirten, mit Zuziehung des Sekretarii, in Gegenwart des Gegentheils oder dessen Mandatarii, abgenommen werden.

Dritter Theil. Tit. XXXI.

Von dem Juramento Suppletorio oder Erfüllungs-Eyd.

§. 1.

Es ist eine in der Vernunft gegründete Regul, daß derjenige, welcher eine Klage anstellet, sein Fundamentum


(302) Dritter Theil. Tit. XXXI.

actionis ordentlich und völlig erweisen müsse, und der Beklagte wann solches nicht geschicht zu absolviren sey.

Es ist aber zum Besten der Societät eingeführt, daß wann schon kein völliger oder ordentlicher Beweis geführet worden, dieser dennoch einigen  Effect nach sich ziehe; dergestalt, daß wann das Juramentum Suppletorium, Purgatorium, oder in Litem darzu kommt, ein völliger Beweis dadurch ausgemacht werde: von welchen Eyden in diesen und folgendem Titul gehandelt werden soll.

§. 2. Das Juramentum Suppletorium, worzu einer in quacunque Judicii parte, auch in jeder Instantz, sich offeriren kann, soll alsdann statt haben, wann jemand den Grund seiner Klage, oder Exception, vorher semiplene probirt hat.

Es mag auch Unser Cammer-Gericht in allen Sachen welche nicht von soderlicher Wichtigkeit seyn, nach fleißiger Betrachtung aller Umstände der Person und des Handels, dem Kläger oder dem Beklagten solchen Eyd auflegen.

§. 3. Es hat aber dieser Eyd in gantz wichtigen Sachen nicht statt, als in Ehrenrührigen Sachen, in causis famosis, in actione doli, furti, und allen andern Sachen in welchen der Beklagte entweder Kraft der Rechte, oder durch das ausgesprochene Urthel, verläumdet und ehrlos wird, obgleich nur civiliter nicht criminaliter geklagt wird. Massen in dergleichen Fällen ein völliger Beweis geführet, oder dem Beklagten das Juramentum Purgatorium auferlegt werden muß.

§.4. Ob und welchergestalt aber etwas semiplene probirt sey, solches überlassen Wir Unseres Cammer-Gericht rechtlicher Erkänntniß, welche alle vorkommende Umstände wohl und reiflich zu erwegen hat. Fürnemlich ist vor einen halben Beweis zu halten die eydliche Aussage eines glaubwürdigen und unverwerflichen Zeugen. Item ein legales Handels-Buch (et)c.


(303) Dritter Thewil. Tit. XXXI.

§. 5. Insonderheit hat unser Cammer-Gericht bey Erkennung dieses Eydes dahin zu sehen, daß solches demjenigen Theil für dem andern auferlegt werde, welchem die eigentliche Beschaffenheit der Sachen bewust, und der darbey guten Leumuths und Gerüchts ist.

§. 6. Annoch stellen Wir zu Unser Cammer-Gerichts-Erkäntniß, wann auf den Fall, da beyde Theile vermeynen entweder semiplene oder gar plene probirt zu haben, das Juramentum Suppletorium zu zuerkennen; oder ob nicht, wann beyde Probationen von gleicher Wichtigkeit seyn, die streitige Sache zu theilen sey.

§. 7. Diejenige die schon eines perjurii, falsi, oder eines andern infamanten criminis überführt worden, können zu diesem Eyd nicht zugelassen, sondern es muß vielmehr dem Gegentheil das Juramentum Suppletorium, oder das Purgatorium auferlegt werden.

§. 8. Ein Jude soll wider einen Christen ad Juramentum Suppletorium nicht gelassen, wohl aber dieser wider jenen: wie dann auch ein Jude wider den andern darzu admittirt werden kann.

§. 9. Das Juramentum Suppletorium muß von demjenigen, dessen eigenes Factum dasselbe betrift, allezeit super veritate, von denen Erben aber, oder welche sonst gegründeter Vermuthen nach von der Sachen keine eigentliche Wissenschaft haben, nur super credulitate abgeschworen worden.

§. 10. Derjenige dem dieser Eyd per sententiam zuerkannt wird, muß binnen 14 Tagen a tempore judicati terminum zu Ablegung des Eydes ausbringen, (welches auch in juramento purgatorio & in litem also zu halten) und auch solchen bey Verlust der Sachen in Termino abschweren, und kann er sein Gewissen mit Beweiß nicht vertreten.

§. 11. Wann das Juramentum Suppletorium würcklich abgelegt, auch darauf definitive erkannt wird, und


(304) Dritter Theil. Tit. XXXI. XXXII.

solche Sententz ein Judicatum worden, soll die rechtmässige Sententz zur Execution gebracht werden.

§. 12. Wann der verlierende Theil nach abgestattetem Eyd und beschehener Execution das Perjurium erweisen wolte, soll ihm solches frey gelassen, und darunter, wie oben Tit. 30. §. 16. versehen, verfahren werden.

Tit. XXXII.

Von dem Juramento Purgatorio.

§. 1.

Wann jemand, er mag Kläger oder Beklagter seyn, eines Handels, That, und Verbrechen berüchtiget, verdächtig, und mit vielen Praesumtionem graviret ist, solche aber nicht zureichend seyn den Beklagten zu condemniren, zur Tortur zu bringen, zu bestrafen, oder den Kläger ad juramentum suppletorium zu lassen, so soll demselben das Juramentum Purgatorium auferlegt werden.

§. 2. Es können aber zu dem Purgatorio diejenige Person welche Tit. praeced. §. 3. 7. 8. benannt seyn, nicht zugelassen werden, sondern es soll damit wie daselbst vesehen gehalten werden.

§.3. Dieser Eyd hat in allen causis civilibus & criminalibus statt, und muß derjenige dem solcher zuerkannt worden denselben schlechterdings abstatten, folglich kann er kein Juramentum malitiae von dem Gegentheil fodern; Vielweniger den Eyd referiren, am wenigsten aber sein Gewissen mit Beweis vertreten.

§. 4. Wann er sich wegert, wird er pro confesso & convicto  gehalten gehalten (!): Schwehrt er aber den Eyd ab, muß er völlig absolvirt, jedoch, wann er in criminalibus causam suspicionis gegeben, in Erstattung der Kosten condemniret werden: Im übrigen aber wird er nach erhaltener Absolution in den vorigen Stand und sein Amt restituiret.


(305) Dritter Theil. Tit. XXXII. XXXIII.

§. 5. Wolte ein Kläger, nach dem sein Gegentheil den Reinigungs-Eyd abgelegt, durch neue und vorhin ihm unbekannte Beweisthümer (welches er eydlich erhärten muß) den Grund seiner Klage und zugleich den Meineyd darthun, so soll es wie bey dem Juramento Suppletorio versehen, gehalten werden. Vid. Tit. praeced. §. fin.                  

Tit. XXXIII.

Von dem Juramento in Litem.

§. 1.

Das Juramentum in Litem hat alsdann statt, wann jemand die ihm zugehörigen Sachen ob dolum, contumaciam, vel culpam des Gegentheils, nicht wieder erlangen könte, und den Werth derselben anderergestalt, als durch sothanen Eyd, beyzubringen nicht vermöchte.

Dieser Eyd muß nach vorhergehendem Erkäntnis von dem Richter deferirt werden, welches in allen causis civilibus & criminalibus, wann jemand eine Sache die ihm eigentlich zugehöret, zurück fordert, geschehen kann.

§. 2. Ob nun zwar zu diesem Eyde eigentlich die Eigenthümer vorbesagter Sachen zuzulassen, so sollen dennoch Vormünder und Tutores, wann sie sich dazu erbiethen, in ihrer Unmündigen Sachen gleichfals admittiret, wieder ihren Willen aber zu Ablegung dergleichen Eydes nicht angehalten werden.

Welches auch also mit denen Negotiorum gestoribus, und Procuratoren in rem suam zu halten.

§. 3. Da auch Vormünder, Curatores, oder andere Administratores, über ihre Unmündigen oder andern ihnen anvertrauete Sachen keine Inventarien oder zureichende specificationes conscribiret, mag der dadurch verursachte Schaden und Verlust von demjenigen so solchen


(306) Dritter Theil. Tit. XXXIII.

erlitten, nach vohergehangener (!) Erkäntniß, per Juramentum in litem beygebracht, und erhärtet werden.

§. 4. Desgleichen mag ein Erbe von seinem Cohaerede, oder ein Creditor von seines Debitoris hinterlassenen Erben, oder auch der Erbschaft bestellten Curatore, wann dieselbe kein solennes Inventarium conscribiret, noch eine eydliche Specification zu ediren vermöchten, vermittelst des Juramenti in Litem ihr darunter versirendes Interesse fordern.

§. 5. Würden auch Eltern ihren Kindern über eine Verlassenschaft, wobey diese interessiret, eine Designation hinterhalten oder versagen, so mögen die Kinder gleich denen Extrancis, zu diesem Eyd wieder ihre Eltern admittiret werden.

§. 6. Es hat auch dieser Eyd statt, wann schon die Person die den Schaden zugefügt persona Illustris ist.

§. 7. Es ist dem Kläger erlaubt nicht allein den wahren Werth der Sache, sondern auch das Pretium Affectionis zu liquidiren: daher bey Verfertigung des Juramenti in Litem fürnehmlich zu erwegen, ob auf das Juramentum veritatis oder affectionis zu erkennen.

§. 8. In beyden Fällen soll Unser Cammer-Gericht die von dem Kläger über den angegebenen Schaden eingebrachte Liquidation, nach voher wohlerwogenen Umständen der Sache, auf ein gewisses Quantum richten, und, soviel insonderheit das Pretium Affectionis betrift, acht haben, daß dasselbe  nicht zu excessiv sey, auch folglich über solche determinirte Summe, welche der Liqidant im Schweren nicht zu erhöhen hat, das Juramentum in Litem abnehmen.

§. 9. Wann jemand Bedencken hat den Eyd ratione affectionis abzuschweren, muß dennoch der Gegentheil condemniret werden quanti res revera est; In welchem Fall der Richter den wahren und gemeinen Werth der Sache, und des würcklichen verursachten Schadens determiniren, auch den Culpa Levi verursachten Schaden zur Aestimation bringen muß.


(307) Dritter Theil. Tit. XXXIII. XXXIV.

Und dieses Juramentum veritatis müssen auch Tutores, Curatores und Negotiorum gestores abschweren.

Wie aber das wahre Interesse zu aestimiren, davon soll unten Tit. mit mehrern gehandelt werden.

§. 10. Wann jemand gewaltsamer Weise depossediret oder sonst beraubet wird, soll keine Moderation statt haben, sondern der blossen Aestimation des Beraubten, insonderheit wann es auf Mobilia ankommt, und er solchen Schaden vermittelst Eydes bestärcket, geglaubet werden.

§. 11. Gegen die Erben desjenigen welcher die Schäden verursachet, hat das Juramentum in Litem nicht statt; ausser wann Lis mit dem Defuncto contestiret, oder die Erben Theil an dessen Dolo genommen, oder nur das wahre Interesse praevia determinatione de veritate beschworen werden soll.

§. 12. Wann das Juramentum in Litem würcklich abgeschworen, soll das Gegentheil zur Erstattung derjenigen Summa, welche dadurch erhärtet  und liquid  gemachet worden, angehalten werden.

§. 13. Gegen diesen Eyd soll keine probatio in contrarium statt finden, auch kein Remedium gegen das Erkänntnis verstattet, vielweniger ob laesionem enormen dasselbe rescindirt werden.

§. 14. Sonsten soll das in einigen Judiciis übliche Juramentum minorationis bey Unserem Cammer-Gericht nach wie vor nicht admittiret werden.

Tit. XXXIV.

Von der Bescheinigung.

§. 1.

Es seyn einige Sachen dergestalt beschaffen daß darinne kein ordentlicher Beweis geführt werden darf, sondern genug ist, wann der Kläger seine Klage bescheiniget.


(308) Dritter Theil. Tit. XXXIV.

Wann der Richter auf eine Beybringung erkennet, wird dadurch eine blosse Bescheinigung, wann er aber das Wort darthun gebraucht, ein ordentlicher Beweis verstanden.

§. 2. Diese Bescheinigung kann von dem Richter alsdann nur erkannt werden, wann periculum in mora ist, oder die Sache eine Kleinigkeit betrifft, oder in dieser Ordnung nichts weiter zum Beweis erfodert wird.

Daher dergleichen Bescheinigung in Summariissimo, in injurien-Sachen, in Bagatel-Sachen (et)c. zureichend ist.

§. 3. Diese Bescheinigung kann per Documenta oder durch Zeugen geschehen.

§. 4. Wann bey der Bescheinigung Documenta produciret werden, braucht es nicht solche in gewisse Articulos zu bringen, wann nicht der Producent zu mehrer Deutlichkeit solches zu thun nöthig findet, oder der Richter, wann er in denenselben keine vernünftige Conclusion finden kann, denselben darzu anweiset.

§. 5. Wann die Bescheinigung durch Zeugen geschicht, ist gleichfals nicht nöthig Articulos cum Directiorio zu verfertigen. Es werden auch keine Interrogatoria übergeben, und kein Rotulus über die Aussage gemacht; Sondern es ist genug wann der Producent die Zeugen entweder von dem ordentlichen Richter, oder von einem Notario, oder ausgebethenen Commissario, summariter jedoch eydlich abhören lassen, und das Protocoll ad Acta gegeben wird; oder wann der Producent bloß eydliche Attestata von denen Zeugen beylegt. Es braucht auch keine Publikation des Rotuli, sondern es ist genug wann das Protocoll oder die Attestata als Beylage ad Acta gelegt werden.

§. 6. Es werden auch zu einer wichtigen Bescheinigung zwey Zeugen welche nicht omni Exceptione majores seyn, und ihre Aussage mit einen Eyd bestärcken müssen, erfodert.


 

(309) Dritter Theil. Tit. XXXIV. XXXV.

Und ob zwar vor Abhörung der Zeugen die Exceptiones contra Personas & Dicta Testium wegfallen, so stehet doch dem Producto frey bey dem Vefahren die Nothdurft dargegen zu verhandeln. Und muß auf diejenige Zeugen welche ipso jure repellirt werden, nicht reflectirt werden.

§. 7. Wann die Zeugen coram Notario & Testibus nicht wollen erscheinen, kann derjenige welcher die Bescheinigung führt die Gerichte des Zeugen antreten, und diese solchergestalt zur Aussage anhalten.

§. 8. Bey dem summarischen Beweis kann auch der Richter, nach Beschaffenheit der Sachen und deren Umstände, auch Gelegenheit der Partheyen, den Terminum legalem verkürtzen, und bestimmen welchen Gerichts-Tag der Producent sothane Bescheinigung führen solle.

Wann er keinen  besonderen Terminum bestimmet, muß der Producent den Terminum legalem beobachten, oder nachhero nicht weiter damit gehört werden.

§. 9. Wie dann auch im übrigen, wie bey dem ordentlichen Beweis also auch hier verfahren, und excipiendo geschlossen werden soll.

§. 10. Dem Producto stehet auch frey eine Gegen-Bescheinigung in dem bestimmten, oder, wann er nicht bestimmt ist, Legali Termino zu führen, da er dann auch die von dem Producenten angeführte Zeugen abhören lassen kann.

Tit. XXXV.

Von dem Beschluß der Sachen, deren Inrotulation, und von der Distribution der Acten.

§. 1.

Wann in Causa concludirt ist, soll keinem Theil vergönnet seyn etwas mehr ad Acta zu bringen;


(310) Dritter Theilo. Tit. XXXV.

daferne dergleichen angenommen würde, soll solche auf des Gegentheils Anhalten davon removirt werden.

§. 2. Es kann aber als etwas neues nicht angesehen werden, wann eine Parthey die vorhin ad Acta gebrachte Copeyen entweder in der letzten Schrift, oder bey der Inrotulation mit denen Originalien bestärcket.

§. 3. Hingegen soll niemahls ein Responsum  weder vor noch nach dem Beschluß der Sache ad acta zu legen verstattet werden.

§. 4. Es ist auch eine Sache vor beschlossen anzunehmen, wann ein Theil entweder excipiendo oder replicando pure ad acta submittirt, und kann alsdann der andere nicht weiter gehört werden.

§. 5. Wann jemand in der Schluß-Schrift Nova beybringen und verhandeln wolte, soll dieserwegen kein Verhör angesetzt werden, sondern es muß der Gegentheil durch eine bey dem Constitutioniren zu übergebene Specification, oder bey der Inrotulation, die Nova anführen und vorstellen: Worauf dem künftigen Referenten per Decretum aufgegeben werden soll, auf die Nova, in so weit es Nova seyn, nicht zu reflectiren.

§. 6. Im Fall aber jemand in seiner Schluß-Schrift neue Documenta beylegen wolte, muß er zugleich einen förmlichen mit eigener Hand unterschriebenen Eyd beyfügen, daß er vorhin und bey angefangenem Process keine Wissenschaft davon gehabt habe (et)c. Worauf der Gegentheil mit einer Schrift dargegen gehört werden soll: welchem alsdann frey stehet zu Eledirung der neuen Documenten gleichfals Nova Documenta beyzubringen: Und soll gegen diese Schrift kein weiteres Verfahren verstattet, sondern Acta zum Spruch in der Haupt-Sache vorgelegt werden.

Würde jemand dergleichen Eyd der Schluß-Schrift nicht beylegen, soll das Document von der Schrift weggenommen, und auf dasjenige was daraus deducirt worden nicht allein nicht reflectirt werden, sondern auch die


(311) Dritter Theil. Tit. XXXV.

Parthey und deren Sachwalter jeder mit 5 Rthlr. bestraft werden.

Wann aber jemand dergleichen neue Documenta in der letzten Instanz beyfügen wolte, sollen dieselbe nicht allein sofort zurück gegeben, und der Producent damit ad separatum verwiesen, sondern auch dieser überdem nebst dem Advocato mit 10. Rthlr. bestraft werden.

§. 7. Würde auch der Referent finden daß in der Schluß-Schrift würcklich Nova eingeflicket worden, muß er nicht allein nach Anleitung des §. 5. nicht darauf reflectiren, sondern die Parthey und deren Advocato jeden mit 2 Rthlr. und, wann die Nova contra Acta laufen, jeden mit 5 Rthlr. bestrafen.

§. 8. Wann jemand die Combininirung anderer Acten verlangete, solchem aber von dem Gegentheil wiedersprochen würde, sollen zwar Acta beygelegt werden: Es muß aber, wann der Referente finden solte, daß solche der Sache worüber gestritten wird kein Licht geben, die Parthey und deren Advocat welche solches gesucht, mit gleicher Strafe belegt werden.

§. 9. In denen Sachen worinn in der ersten Instantz Loco Oralis verfahren wird, braucht es keiner Inrotulation.

Wann aber die Sache zum schriftlichen Verfahren verwiesen, oder in der Appellations(-)Instantz ordentlich verfahren wird, muß die Inrotulation geschehen: Worzu bey Uebergebung der letzten Schrift Terminus ad Proximam angesetzt werden muß.

§. 10. Die Inrotulatio muß in Gegenwart des Protonotarii geschehen, und die Advocati müssen vor die Richtigkeit der Acten stehen, und das Inrotulations-Protocollum unterschreiben.

Wann ein Advocat in dem Termino nicht inrotulirt, kann er nachher nicht weiter zugelassen werden: Es kann auch der nicht erscheinende Advocat die Inrolutations(-)Gebühren alsdann nicht fordern.


(312) Dritter Theil. Tit. XXXVI.

Tit. XXXVI.

Von Verfassung und Publicirung der Urthel.

§. 1.

In denen Sachen welche bey denen mündlichen Verhören vorgetragen, oder in Termino loco oralis verwiesen werden, wird regulariter nur ein Referente bestellet: In wichtigen Sachen aber welche zum schriftlichen Verfahren verwiesen werden, muß der Praesident einen Correferenten bennen.

§. 2. Diejenige Referenten, welchen Acta distribuiret worden, müssen eine umständliche schriftliche Relation binnen der ihnen vorgeschriebenen Zeit verfertigen, die Facti Speciem und das Genus actionis vor allen Dingen deutlich vorstellen, die rationes dubitandi praemittiren, demnächst die rationes decidendi anführen, darauf die Dubia resolviren, und nach dem Voto zugleich Formulam der gantzen Urthel beyfügen.

§. 3. Bey Verfassung der Urthel und Abschiede sollen die Richter und Referenten insonderheit auf die prodacirte (!) klare Briefe und Siegel, Pacta und Vergleiche, Landtags-Abschiede, und übrige Constitutiones, hergebrachte Landes-Observantz, Privilegia, und insbesondere auf diese Unsere Process-Ordnung, genau sehen, im übrigen aber nach Unserm zu publicirenden Land-Recht sprechen.

§. 4. Es müssen aber diejenige so sich in besondern Landes-Gebräuchen und Observantz fundiren jedesmahl sich in Actis darauf ausdrücklich beziehen, auch im Fall dabey einiger Zweifel obwalten könte, beglaubte Attestata beylegen: Gestalten dann, wann die Observantz nicht offenbahr und in Actis klärlich dargethan worden, die Räthe nicht darauf reflectiren, sondern das darwider gesprochene Urthel für rechtmäßig gehalten werden soll.


(313) Dritter Theil. Tit. XXXVI.

§. 5. Die Bescheide und Urthel müssen klar und deutlich, mit Benennung des Objecti Litis abgefaßt, und alle und jede Puncten wohl separiret, auch die Gravamina jederzeit exprimiret, und nicht Remissive ad Grav. 1. (et)c. erkannt werden.

Es muß auch nicht vergessen werden auf die verfallene Succumbentz-Gelder mit zu reflectiren: Wann aber solches vergessen wird, sollen dieselbe dennoch ipso jure vor verfassen gehalten, und per executionem beygetrieben werden.

§. 6. Wann eine Sache in facto, insonderheit antiquo, dergestalt dunckel und zweifelhaft ist, daß man nicht gewiß ausfinden kan, wer Recht ode Unrecht hat, und z. E. die hinc inde angegebene Zeugen oder Actus &c. mehrentheils von gleichem Werth seyn, so wollen Wir daß das streitige Object, jedoch nach Proportion daß einer mehr oder weniger Praesumtion vor sich hat, getheilet werde.

§. 7. Denen Räthen muß ihr freyes Votum gelassen, denenselben extra ordinem nicht obloquirt, vielweniger sie von dem Präsidenten hart angefahren werden, allermassen einem jeden frey stehet, solchenfalls sich immediate bey Uns zu melden.

§. 8. In wichtigen Sachen müssen singuli ihr Votum cum rationibus eröfnen: bey Kleinigkeiten aber ist genug wenn der Praesident in genere frägt, ob jemand bey dem Bescheid etwas zu erinnern habe.

§. 9. Das Urtheil muß juxta majora abgefaßt werden: Wann der Praesident vota paria ausmacht, giebt er der Sachen den Ausschlag; es stehet aber einem jeden frey, wann er andere Meinung ist, sein Votum schriftlich aufzusetzen, und solches ad Acta zu geben: und muß das Collegium, ohne darauf zu antworten, solches ad Acta legen.

§. 10. Wann Incident- und Praejudicial-Puncten bey der Sachen vorkommen, müssen diese zwar zuförderst decidiret,


(314) Dritter Theil. Tit. XXXVI.

zugleich aber auch eventualiter, so viel es thunlich, in der Haupt-Sache erkannt werden.

§. 11. Denen Bescheiden welche über die mündliche Verhöre, oder Loco Oralis aufgenommene Protocolia abgefaßt werden, müssen die rationes decidendi jederzeit mit inseriret; in denen zum Schrift-Wechsel verwiesenen Sachen aber separatim abgefaßt, und nebst der Sententz ad Acta gelegt werden.

§. 12. Was liquide ist soll, anerwartet der Ausführung desjenigen so nicht sofort liquit (!) gemacht werden kan, decidiret werden.

§. 13. Die Sententz soll allezeit auf die Principalen und nicht auf ihre Anwalde gerichtet werden.

§. 14. Wann ein Urtheil auf eines Theils Ungehorsam gegeben wird, muß solches ausdrücklich darinn gemeldet werden.

§. 15. Alle Sententzen werden ohne vorhergehende Citation auf den Tage-Zettul gesetzt, in Gegenwart alles Advocaten verlesen und publicirt, und muß der Rath oder Protonotarius das Publicatum darunter verzeichnen.

§. 16. Würde ein Theil vor Publication der Sententz versterben, und dessen Tod dem Gericht nicht bekannt gemacht werden, soll die Publication sowohl des Defuncti Erben als Confortes litis verbinden.

§. 17. Da ein Minderjähriger die ohne Curatore gegebene Sententz, binnen 4 Jahren nach erlangter Majorennitaet, nicht impugniret, er mag Wissenschaft davon erlangt haben oder nicht, soll dieselbe vor Rechtskräftig gehalten, und er nachmahls darwieder nicht gehört werden.

§. 18. Da wider einen Vormund, oder Minderjährigen dem sein Curator assistirt, eine Sententz ergangen, soll solche, wann davon nicht appelliret wird, ihre Rechtskraft ergreifen, und folglich zur Execution gebracht werden.


(315) Dritter Theil. Tit. XXXVI. XXXVII.

§. 19. Wann auch sonst ein Urthel oder Bescheid seine Rechtskraft erlanget, sollen Unsere Praesidenten und Räthe solche zur Execution bringen, und davon keine fernere Provocation und andere Verzögerung verstatten.

§. 20. Im Fall aber jemand eine Judicatum unter dem Vorwand daß solches ex falsis instrumentis, testimoniis, oder sonst ex falsa causa gegeben, impugniren wolte, muß zuförderst die Execution geschehen, nachhero aber bey einer Verhör darüber erkannt werden.

§. 21. Wofern in einem Urthel ein Error in den Worten, Nahmen, Zahlen, Blättern, und dergleichen, so ex Actis offenbar, begangen wäre, kann kein Remedium dieserwegen verstatten werden, sondern der Richter muß durch eine ad Acta gebrachte Registratur dem Errori abhelfen.

§. 22. Schließlich soll derjenige, welcher das Haupt-Protocoll hält, alle darauf erfolgte Bescheide demselben beyschreiben. In denen Sachen aber welche zum Schrift-Wechsel verwiesen worden, müssen die Relationes mit dem Urthel sorgfältig verschlossen verwahret, und ein besonders Register nach dem Alphabet darüber gehalten werden.

Tit. XXXVII

Von Gerichts-Kosten, derselben Taxa und Moderation, wie auch von Schäden und Abnutzungen.

§. 1.

Unser Cammer-Gericht soll in Verfassung der Urthel auch der Expensen, Schäden, Früchte, Abnutzungen, irem Zinsen und Renten ausdrücklich und ex Officio gedencken, dieselbe ab- oder zusprechen, und wann dieserwegen schon nichts von denen Partheyen gebethen worden.


(316) Dritter Theil. Tit. XXXVII.

Wann aber der Richter solche übergehet, und der Parth kein Remedium dagegen einwendet, ist er weiter solche zu fordern nicht befugt.

§. 2. Auf die Unkosten muß sowohl bey denen Interlocutor- als Definitiv-Sententzen reflectiret, und dieselbe nicht leicht compensiret werden, sondern alsdann nur wann klärlich zu spüren daß der verlustige Theil zu litigiren ansehnliche und gute Ursach gehabt; Worunter aber nicht zu rechnen, daß derselbe ein Responsum Facultatis, oder einiger Doctorum Meynung vor sich hat, oder daß die Partheyen nahe verwandt, oder der Process zwischen Obrigkeit und Unterthanen, dem Patrono und Pfarr-Kindern (et)c. geführet werde.

Wann jemand die Haupt-Sache frivole und pertinaciter gestritten, und nachher condemnirt wird, kann derselbe nicht von denen Kosten befreyet werden, wann er schon in einem Neben-Punct z. E. wegen der Zinsen, Kosten, (et)c. gewinnet, sondern es muß auf die Erstattung der Kosten entweder in totum oder in tantum erkant werden.

§. 3. Wann jemand wegen seines ungehorsamen Aussenbleibens in die Unkosten zu verurtheilen, müssen solche sofort bey dem Interlocut mit erkannt, und das Quantum zugleich determiniret, auch auf Erfordern durch die Execution beygetrieben, nicht aber bis zum End-Urthel ausgesetzet werden.

§. 5. Würde aber Sententia a qua reformiret, sollen die Unkosten beyder Instantzen gegen einander compensiret werden: Welches auch zu beobachten, wann in der dritten Instantz die beyde vorhergehende conforme Urthel reformiret werden.

§. 6. Wann der Kläger Liti renunciret, muß er dem Beklagten allezeit die Kosten erstatten: Wann aber Successores in Officio, oder Singulares sich von dem Process lossagen, muß der Gegentheil sich an den, der den Process geführet oder dessen Erben, und wann es ein Officialis gewesen, an die auf deren Veranlassung es geschehen und deren Erben halten.


(317) Dritter Theil. Tit. XXXVII.

§. 7. Wann einen Inquisito der Reinigungs-Eyd zuerkandt wird, muß er auch die Inquisitions-Kosten bezahlen, wie denn auch derjenige der einen ihm deferirten Eyd abzuschweren nicht vermag, oder das Juramentum Malitiae abzuschweren sich wegert.

§. 8. Wann jemand vom Anfang eine gute Sache zu haben nicht ohne Grund vermeinet, hernach aber im Fortgang des Processes, da er des Gegentheils überführet worden, von dem Process abgestanden, soll derselbe mit denen Unkosten verschonet werden.

§. 9. Wann die Unkosten einem Theil zuerkannt worden, daß er solche gebührend liquidiren, und die Liquidation bey dem Constitutioniren in duplo übergeben und um deren Moderation anhalten; da denn dem Gegentheil per Decretum anbefohlen werden muß, binnen 8 Tagen zu excipiren, worauf Acta, es komme die Exception ein oder nicht, ohne weitere Handelung zur Moderation vorgelegt werden sollen.

Wann die zu moderirende Kosten nur eine Summe von 20 Rthlr. betragen, soll deren Moderation per Decretum, sonst aber per Sententiam geschehen, wovon keine Remedia, statt haben sollen.

Wann die Kosten per decretum moderiret werden, muß das moderirte Quantum dem Gegentheil notificiret werden, mit Befehl solches binnen 4 Wochen bey Vermeidung der würklichen Execution zu bezahlen, nach deren Ablauf ist solche ohne vorhergegangene Ankündigung zu veranlassen.

§. 10. In der Liquidation müssen die Judicial- von denen Extrajudicial-Kosten separiret, und alle und jede specifice gesetzet, auch zu welcher Zeit, und wie viel gegeben worden, genau verzeichnet, und solches Angeben so viel möglich bescheiniget werden.

Der Referente muß jeden Punct mit denen Acten conferiren, und in seinem Decret oder Relation die Ursache der Moderation anführen.
(318) Dritter Theil. Tit. XXXVII.

§. 11. Bey der Moderation der Unkosten, sollen die Gerichts- und andere nöthige Gebühren nach der Sporul-Taxe (= Sportul-Taxe)) ohne einige Erhöhung oder Verminderung eingegerichtet werden.

§. 12. Es müssen aber die Unkosten eine richterliche Moderation leiden, wann schon der Debitor in der ausgestellten Obligation sich eydlich verbunden, daß, wann er zu gesetzter Zeit die Schuld nicht bezahlen, und der Creditor gerichtliche Hülfe zu suchen würde genöthiget werden, er alle Kosten wie sie der Creditor liquidiren wird, ohne Moderation erstatten wolle.

§.13. Wann durch einen Bescheid in der ersten Instantz jemand in die Kosten condemniret worden, und in der zweyten Instantz confirmatoria cum expensis erfolget, oder die remedia desert declariret werden, muß der Richter zweyter Instantz blos die expensas secundae instantiae moderiren; so viel aber die Unkosten voriger Instantz betrifft, Acta zur Moderation an dem Judicem a quo remittiren.

§. 14. Der Richter muß bey Moderation der Kosten einen jeden Punct besonders nach Eyd und Pflicht untersuchen.

§. 15. Unter die Judicial-Expensen gehöret alles was aus dem Gericht gelöset oder bezahlet wird, auch das Stempel-Papier, Boten-Lohn, und Insinuations-Gebühren, derer Notarien-Belohnung zur Verfertigung der Instrumenten und Kundschafften, item derer Commissarien, welche die Zeugen abgehöret, Besichtigung vorgenommen (et)c. und der Zeugen Kosten.

Wann bey Abfassung eines Interlocuts aus billigen Ursachen die condemnatio in expensas usque ad finem litis ausgesetzt, und in definitiva dasselbe Parth in die Kosten condemniret wird, kann der gewinnende Theil auch die Occasione des Interlocuts verursachte Kosten liquidiren.


(319) Dritter Theil. Tit. XXXVII.

§. 16. Unter die extra Judicial-Expensen gehören die Schriften und Gebühren der Advocaten: welche bey Verlust derselben bey einer jeden Instantz liquidirt, und in dem Urthel moderirt werden müssen.

Und weil ein Streit unter denen Doctoren entstanden ob auch die Schrifften mit in die Liquidation kommen können welche die Parthey selbst, oder der Advocat in propria causa verfertiget? so haben Wir diese Frage dahin decidiren wollen, daß, wann jemand in causa propria die Schrifften verfertiget die Gebühren in der Liquidation passiren sollen.

Wie dann auch einem Tutori und Curatori, welcher in seiner Pflegbefohlnen Angelegenheit Schriften verfertiget, ein billigmäßiges Honorarium bey Erstattung der Kosten zu liquidiren vergönnet ist.

So kann auch ein Cohaeres, oder Litis Consors, von seinen Neben-Erben oder Consorten dergleichen vor seine Mühe und Arbeit fordern.

Ferner gehören hierunter nothwendige Reise- Zehrungs- und dergleichen Kosten, welche die Partheyen selbst, oder deren Anwälde bey Commissionen, Abhörung der Zeugen, (et)c. anwenden müssen; und muß bey deren Moderation sowohl auf derer streitenden Partheyen Vermögen, und derer sowohl, als abzuhörender Zeugen Condition, und andere vorkommende Umstände, gesehen, und die richterliche Ermäßigung darnach eingerichtet werden.

Nothwendige Reisen werden geachtet, wenn der Kläger oder Beklagte gleich anfangs zu angesetzter gütlichen und eventualiter rechtlichen Handlung und Verhör der gantzen Sache in Person zu erscheinen vorgeladen wird, oder, wo er nach der Ordnung in Person zu erscheinen schuldig ist, als in Injurien-Sachen, in causa stupri , promissi matrimonii, &c. item wann er den Eyd für Gefährde in eigener Person schweret, oder vom Gegentheil anhören soll, oder wann er wegen Fürstellung der Zeugen erscheinet.


(320) Dritter Theil. Tit. XXXVII.

Wann aber die Sache zum Process gediehen, und ein Mandatarius einmahl bestellet worden, soll er vor die Reisen keine Erstattung fodern; es wäre dann, daß er, wie vorhin gedacht, nach der Ordnung in Person zu erscheinen schuldig wäre.

Es soll aber einem jeden, welcher den Weg zu Fuß zu thun nicht schuldig, oder wegen seines Zustandes zu thun nicht vermögend ist: zur Zehrungs-Kost angerechnet werden vor jeden Tag mit Pferd und Wagen 2 Fl. und werden auf jeden Tag von Ostern bis Michaelis sechs Meilen, von Michaelis bis Ostern fünf Meilen gerechnet.

§. 17. Hingegen soll pro arrha, vor Einholung eines Responsi, und Extrahirung eines unnöthigen Rescripts nichts gefordert, vielweniger bey de Moderation darauf reflectiret werden.

Wann auch jemand wegen eines Incident-Puncts, oder propter contumaciam, in die Unkosten condemniret worden, nachhero aber in der Haupt-Sache cum expensis gewinnet, so kann derselbe die erstere Unkosten, die er ob contumaciam bezahlen müssen, und worüber einmahl erkannt worden, nicht mit in die Liquidation bringen.

§. 18. Nach publicirten Expensen-Urthel, als wogegen keine Appellation zu verstatten, soll es bey dem darin moderirten Quanto, ohne Abschwerung des bishero gewöhnlichen Juraments minorationis, welches Wir in diesem Fall, als unnöthig, auch zu Erspahrung mehrerer Unkosten, hiermit gäntzlich abgeschaffet haben wollen, sein Verbleiben haben; und ist solchemnach die erkannte Summe durch die würckliche Execution beyzutreiben.

Es wäre dann, daß in sententia condemnatoria auf Damna oder Interesse mit erkannt, und diese zugleich nebst den Unkosten von dem siegenden Theil mit liquidiret, und zur Moderation übergeben worden, welchenfals das Juramentum zu erkennen unbenommen wäre.

§. 19. Dafern derjenige, so in Erstattung der Unkosten vertheilet worden, solche zu ersetzen nicht vermöchte,


(321) Dritter Theil Tit. XXXVII.

soll er andern frevelhaften Litiganten zum Abscheu mit Gefängniß bey Wasser und Brodt, nach Proportion derer verursachten Expensen, bestraffet werden.

§. 20. Wann dem Kläger auch Schaden zuerkannt worden, muß er binnen 14 Tagen die Liquidation davon bey dem Constitutioniren in duplo übergeben, und der Gegentheil binnen 14 Tagen darauf antworten; weiter aber soll nicht verfahren, sondern rechtlich darüber erkannt werden.

§. 21. Derjenige, der zu Erstattung genossener Früchte condemniret worden, oder deren Erben, seyn schuldie (= schuldig), die jährliche öconomische Rechnungen, worin die Einnahme und Ausgabe nach denen Datis richtig verzeichnet, und ein richtiger Abschluß gemacht worden, zu produciren, und den Wehrt der gehobenen Früchte nach dem Marcktgängigen Preiß der nächsten Stadt anzusetzen.

Wann seine öconomische Wirthschafts-Bücher vorhanden; so stehet dem gewinnenden Theil frey, auf die Verfertigung eines nach der Landes-Verfasung einzurichtenden Anschlags auf des Gegentheils Kosten zu provociren, und solchergestalt dem Ertrag des Guthes ausfündig zu machen.

§. 22. Wann einem Theil auch Interesse zuerkannt worden. So soll damit gleichfalls wie oben §. 20. versehen, verfahren werden.

Wann die Sache, wovon der Schade ersetzt werden soll, ihren gewissen Werth hat, wie z. E. in venditione, locatione, und anderen Contracten. (et)c. so kan das Interesse niemahlen das Duplum dieses Werths übersteigen.

Wann aber der Werth der Sachen ungewiß ist, so muß der Richter nach seinem besten Wissen und Gewissen den wahren Schaden, und das wahre Interesse determiniren, auf des Liquidanten ausschweiffende Prätensiones aber keinesweges reflectiren.


(322) Dritter Theil. Tit. XXXVII. XXXVIII.

Es wird aber unter dem Interesse auch das lucrum cessans begriffen, und muß auf solches bey der Determination des Quanti mit reflectiret werden.

Wann der Schaden dolo adversarii verursachet worden, muß der liquidante ad juramentum in litem gelassen werden.

§. 23. Damit aber wegen Berichtigung der zuerkannten Schäden und Interesse kein neuer Process, wie bisher geschehen, entstehen möge, so soll, wann die Liquidation und darüber verstattete Exception eingekommen, sofort ein Commissarius ex officio ernannt werden, welcher beyde Theile in Person, oder deren Bevollmächtigte, vorladen, Punct vor Punct mit ihnen durchgehen, die Güte tentiren, und in deren Entstehung ein gewisses Quantum nach denen vor angeführten Principiis fest setzen muß; wovon kein Remedium verstattet werden soll.

Tit. XXXVIII.

Von der Declaration eines dunckeln Bescheids oder Urtheils.

§. 1.

Sollte auch eine Sententz einem Theil zweifelhaftig scheinen, mag derselbe deren Declaration intra decendium suchen. Er muß aber causas, warum die Declaration nöthig, deutlich ex Actis anführen.

§. 2. Wann sich die Causae aus denen Actis offenbahr ergeben, kann die Declaration ohne weiteres Verfahren per Decretum ertheilet werden.

§. 3. Wann sie altioris indaginis seyn, muß praevia communicatione ein kurtzer Terminus (welcher nie prorogiert werden soll) zum Verhör angesetzt, und rechtlich darüber erkannt werden.

§. 4. Wann die gesuchte Declaratio entweder eversionem sententiae inserirt, oder notorie frivola ist, muß


(323) Dritter Theil. Tit. XXXVIII

der Implorante sofort per Decretum abgewiesen und die Parthey sowohl als der Advocat jeder mit 5. Rthlr. bestrafet werden.

§. 5. Wann die Declaratio per Decretum oder per sententiam abgeschlagen wird, hat kein Remedium dargegen statt.

§. 6. Wann Declaratio cum eventuali appellatione gesucht, und bloß der letzteren deferirt wird, so bleibt es wegen der Bestrafung bey dem was §. 4. verordnet ist: weil dadurch, daß der Richter der Appellation deferirt, supponirt wird, daß Eversio sendentiae gesucht werde.

§.7. Wann in der dritten Instantz (wo keine Eventual-Appellation statt haben kann) Declaratio sententiae gesucht wird, sollen Acta sofort dem vorigen Referenten vorgelegt, und in proxima daraus vorgetragen werden.

Wann sich die gesuchte Declaratio ex ipsis Actis ergiebt, muß solche per Decretum ertheilet, und das Decret dem Gegentheil communicirt werden: Worbey es lediglich bleiben muß.

Wann die gesuchte Declaration altioris indaginis ist, soll die Schrift dem Gegentheil coummunicirt werden, um binnen 14 Tagen darauf zu antworten: Worauf Acta ohne weiteres Verfahren zum Spruch vorgelegt werden sollen, und was alsdann erkannt wird, darbey soll es lediglich gelassen werden.

Im Fall die nach der dritten Instantz gesuchte Declaration eversionem sententiae inserirte, oder notorie frivola wäre, soll die Parthey und deren Advocat, sie mag per Decretum oder per Sententiam verworfen werden, gleichfalls jeder mit 5 Rthlr. bestraft werden.


(324) Dritter Theil. Tit. XXXIX.

Tit. XXXIX.

Von denen Appellationen, so an Uns erhoben werden.

§. 1.

Wann durch die Abschiebe oder Urthel, welche von Unserm Cammer:Gericht und dessen zweyten Senat ertheilet werden, ein Theil beschwert zu seyn vermeinet, stehet demselben frey an den folgenden dritten Senat zu appelliren.

§. 2. Es müssen auch alle Appellationes, welche nicht unter die ausdrücklich benannte Fälle gehören, schlechterdings angenommen werden: Gestalten wir daher die Appellations–Eyde, Apostolos, compulsoriales &c. gäntzlich abgeschaft wissen wollen.

§. 3. Damit aber auch eine Gewißheit seyn möge, in was Sachen und Fällen eigentlich die Appellation vor unzuläßig achten, so haben Wir hiermit folgendes festsetzen und ordnen wollen:

1) Wann das Gravamen wider die klare Jura und bekannte Landes-Verfassung läuft, soll keine Appellation verstattet werden.

2) Wann jemand auf gerichtliche Erfoderung und ausgegangene Citation ungehorsamlich ausbleibet, und solchergestalt sich einer Verordnung des Judicis competentis vorsetzlicher Weise wiedersetzt, derselbe kann gegen ein Erkäntniß, so in seiner Abwesenheit ergangen, nicht appelliren.

Hingegen bleibt denenjenigen, welche durch rechtmäßige Verhinderungen abgehalten werden, unbenommen, solche Impedimenta bey der Appellation (allermassen keine Rectitution gegen dergleichen Contumacial-Urtheil künftig gesetzt werden soll) auszuführen.

Vid. Part. 3. T. 28. §. 10.


(325) Dritter Theil. Tit. XXXIX.

Wann aber in Sachen, welche nach dieser Verfassung blos durch eine Instantz abgemacht werden sollen, in contumaciam gesprochen worden, kann die Sache dennoch per appellationem zur zweyten Instantz gebracht werden.

3) Wann ein Urthel einmahl von beyden Theilen angenommen worden: kann gleichfalls nachher keine Appellation verstattet werden. Auch nicht

4) In offenbaren und unstrittigen Schuld-Sachen, worgegen nichts erhebliches in der vorigen Instantz eingewandt worden. P. 3. Tit. 23. §. 29.

5) Wann die Räumung eines gemietheten, und nach Ablauf der Pacht-Jahre zu räumenden Haus aber Gartens erkannt wird.

Und muß allenfalls der Pächter in separato ad id quod interest agiren.

6) Von einer einmahl vi Judieati angeordneten Execution kann gleichfalls nicht appellirt werden: sondern es muß allenfalls, und insonderheit wann super excessu in executione geklagt wird, der Kläger stante executione, eaque salva, die Nothdurft bey dem Judice exequente vorstellen, und darüber rechtliche Verordnung erwarten.

7) Wann in Personal(-) und Civil-Sachen ein Personal- oder Real-Arrest erkannt wird, hat keine Appellation statt: sondern der Arrestante muß in dem Termino Justificationis seine Nothdurft dargegen vorstellen.

8) Wann Caution zu bestellen, oder dieselbe per sententiam regulirt und das Quantum cautionis festgesetzt worden. P. 3. T. 17. §. 25.

9) Wann ein Stück Guths legaliter taxirt worden.

P. 3(.) Tit. 41. §. 47.

10) Wann jemand in ein Quantum, welches per Juramentum in litem festgesetzet ist, condemnirt worden. P. 3. Tit. 33. §. 13.


(326) Dritter Theil. Tit. XXXIX.

11) Wann jemand, der sich an dem Beweis versuchtet (?), auch in dem zur Praeclusion angesetztenmTermino nicht erscheinet. P. 3. Tit. 18. pag. 129. §. 10.

12) Wann jemand sich an einer Re- oder Duplic versäumet, und damit per Decretum praecludirt worden. P.3. Tit. 18. p. 129. §. 11.

13) Wann über einen Incident-Punct, welchen der Causae Principal kein Praejuditz macht, erkannt worden. P. 2. T. 18. p. 130. §. 12. & Tit. 20. §. 12.

14) Wann drey Dilationen verstattet, und nachhero in contumaciam gesprochen worden. P. 3. Tit. 19. §. 6.

15) Wann darüber, ob acta adhibenda mit vorzulegen, erkannt worden. P. 3. Tit. 20. §. 10.

16) Wann die editio documentorum erkannt oder oder (!) versagt wird. P. 3. Tit. 24. §. 3. 4. 13. 14.

17) Wann super recognitione vel diffessione documentorum erkannt wird. P. 3. Tit. 25. §. 6. & 10.

18) Wann ein Zeuge per sententiam pro habili declarirt wird. P. 3. Tit. 28. §. 28.

19) Wann erkannt wird, daß post litem contestatam annoch ein Gezeugnis zum ewigen Gedächtniß aufzunehmen. P. 3. Tit. 28. §. 90.

20) Wann darüber, ob der Kläger mit dem Gezeugnis zum ewigen Gedächtnis zuzulassen oder damit abzuweisen sey, erkannt worden. P. 3. Tit. 28. §. 80. §. 81.

21) Wann Gerichts:Kosten, Advocatur, Reise- und andere dergleichen Gebühren per Decretum oder durch ein Urtheil moderirt worden. p. 3. Tit. 18. §. 12. §. 17. Tit. 37. §. 9. & §. 16.

Item wann der Advocaten Gebühren dieserwegen, weil sie solche nicht specificirt der Sportul(-)Cassen zuerkannt werden. P. 2. Tit 14. §. 22.

22) Wann super declaratione sententiae per decretum, oder per sententiam erkannt worden. P. 3. Tit. 38. §. 5. & 7.


(327) Dritter Theil. Tit. XXXIX.

23) Wann über die Justification eines Arrestes, oder dessen Relation erkannt worden. P. 3. Tit. 42. §. 25.

24) Wann die Sache nur 10 Rthlr. und darunter betrifft. P. 4. Tit. 2. §. 11.

25) In Injurien-Sachen, welche von keiner Erheblichkeit seyn, oder geringere Leute angehen. P. 4. Tit. 4. §. 3.

26) Wann in denen P. 4. Tit. 9. §. 7. seq. benannten fünf Fällen der Concurs per Decretum oder Sentemiam eröfnet worden.

27) Wann jemand zu dem gesuchten Moratorio P. 4. Tit. 9. §. 283. oder

28) Zu der offerirten Cessione bonorum per sententiam entweder admittirt, oder damit abgewiesen wird. ibid. §. 194- & 197.

29) Wann interimistice und provisionalite (!) bis rechtlich erkannt wird, (insbesonderheit in Gräntz- Spolien- Pacht- und Dienst-Sachen) etwas verordnet wird. P. 4. T. 8. §. 17. & 40.

30) Wann exexceptio fori per sententiam verworfen worden. P. 3. Tit. 10. §. 13.

31) Wann super exceptione inepti libelli erkannt worden. P. 3. Tit. 6. §. 5.

32) Wann die Partheyen oder Advocaten in kleine Straffen von 2 bis 5 Rthlr. condemniret werden.

33) Wann die Reconventio als illiquida ad separatum verwiesen wird. P. 3. Tit. 17. §. 2.

34) Wann der Richter jemand das Juramentum Calumniae ex officio auferlegt. P. 2. Tit. 14. §. 53. Tit. 16. §. 5.

35) Wann jemand per sententiam ad agendum angehalten worden. P(.) 3. Tit. 7. §. 9.

36) In allen Fällen, welche etwa in dieser Process-Ordnung noch weiter angemercket seyn.


(328) Dritter Theil. Tit. XXXIX.

§. 4. In allen diesen Fällen muß der Richter, der eingewandten Appellation ohngeacht, die Execution vollstrecken, oder er macht litem suam.

Im Fall eine Parthey wieder die Ordnung in dergleichen Fällen die Appellation ergreifft, soll dieselbe, nebst dem Advocato oder Concipienten der Schrifft, jeder mit 5 Rthlr. oder mit Gefängnis bestrafft werden.

§. 5. Es seyn einige Fälle, worunter eines theils Remedia nicht wohl versagt werden können: Dahero in diesen Fällen der Appellation bloß quoad effectum devolutivam deferirt werden soll. Hierunter gehören

1) Wann ein Wechsel als richtig, und die Bezahlung nach Wechsel-Recht erkannt wird.

In diesem Fall muß der Beklagte entweder bezahlen oder mit Arrest belegt werden; Würde das Collegium hierunter säumig seyn, und aus unzeitigen Mitleiden, oder aus Consideration, mit der Execution anstehen, so soll der Debitor aus des Decernenten Besoldung und Güthern befriediget werden:

Es soll auch auf gleiche Weise verfahren werden, wann schon der Debiton leugnet, daß es ein Wechsel sey, oder das Wechsel-Recht in diesem Casu statt habe; weil genung ist, daß die Schrifft per Sententiam vor einem Wechsel erkannt worden.

Es stehet also dem Debitori zwar frey von der Sententz zu appelliren, allenfals auch die Deponierung der Gelder, und Caution ratione reconventionis zu suchen; Es muß aber alles dieses ex carcere geschehen.

Es soll auch künfftig kein Debitor in Wechsel-Sachen mit dem Land-Reuther belegt, sondern von was vor Condition er sey in ein öffentliches Gefängnis bis zur Bezahlung gebracht werden; weil die Land-Reuther, durch die schweren Executions-Gebühren, das wenige, was der Debitor noch hat, wegzunehmen pflegen, andere Inconvenientzien zu geschweigen.


(329) Dritter Theil. Tit. XXXIX.

Es hat auch 2) die Appellation blos quoad effectum devolutivum in Aliment-Sachen statt. Item

3) In Fällen, wo periculum in mora ist, und das collegium solche vor billig findet.

4) Wann in Summariissimo gesprochen worden. P. 4. T. 3 §. 19.

5) Wann jemand, dem der Beweis auferlegt worden, davon appellirt. P. 3. Tit. 21. §. 3.

6) Wann ein Zeuge pro inhabili declarirt und verworffen wird. P. 3. Tit. 28. §. 29.

7) Wann derjenige, welcher, nachdem der Gegentheil den Eyd acceptirt, praetextu perjurii solchen revociret, und damit abgewiesen wird. P. 3. Tit. 30. §. 16. & 17.

8) Wann das Guth, worinne die Execution vorzunehmen nicht vorhanden, und auf den Werth der Sachen erkannt wird P. 3. Tit. 41. §. 25.

9) Wann über die Bestellung eines Sequestri erkannt worden. P. 3. Tit. 43. §. 1.

10) Wann in Pachtungs- und Rechnungs-Sachen, super liquido gesprochen oder Schaden und Unkosten determiniret worden P. 3. T. 37. §. 24. P. 4. Tit. 8. §. 10. & 11.

11) Wann der Mißwachs, Vieh-Sterben und andere Casus fortuiti per sententiam determinirt worden. P. 4. Tit. 8. §. 36.

12) Wann zwischen Obrigkeiten und Unterthanen wegen Dienste und Praestationen gestritten wird. P. 4. Tit. 8. §. 37.

13) Wann super beneficio competentiae gesprochen, oder ein gewisses Quantum determiniret worden. P. 4. Tit. 9. §. 202. 206.

14) In allen Fällen, welchen etwa sonst in dieser Ordnung nur effectus devolutivus beygelegt worden.

Wann also von dergleichen Fällen, worinn denen Remediis bloß quoad effectum devolutivum deferirt


(330) Dritter Theil. Tit. XL.

Werden soll, appellirt wird, muß der Richter die Execution nicht suspendiren, sondern er ist solche zu verrichten schuldig, wann schon per Rescriptum ein Bericht darüber erfodert und mit der Execution anzustehen befohlen wird.

Tit. XL.

Von der Revision bey dem Tribunal.

§. 1.

Von denen Urtheln, welche in instantia appellationis bey Unserm Cammer-Gericht und dessen dritten Senat ausgesprochen worden, gehet die Revision an das Tribunal, an den vierten Senat, (wann die Sache sich sonst an der dritten Instantz qualificiret,) und braucht es weiter keinen Revisions(-)Eyd, Apostolorum &c.

§ 2. Es soll aber diese dritte oder Revisions-Instantz nicht verstattet werden.

1) In Bagatel-Sachen, welche unter 50 Rthlr. und darunter betragen. Vid. P. 4. Tit. 2. §. 13. & 14.

2) Wann über einen Incident-Punct, welcher der Haupt-Sache ein Praejuditz macht, in zweyen Instantzen gesprochen werden.

3) Wann jemand eine Tutel oder Curatel durch zwey Conformes aufgetragen, oder jemand davon befreyet worden.

4) Wann in Injurien-Sachen die Personas honoratioris conditionis angehen, item in Criminal-Sachen, in ulteriori defensione erkannt worden. P. 4. Tit. 4. §. 16. & 17. Tit. 5. §. 11. lit. f.

5) Wann in Summariisiimo oder in possessorio ordinatio in zweyen Instantzen gesprochen worden.

6) Wann durch zweyUrthel erkannt worden, daß jemand einen Beweis zu übernehmen schuldig oder nicht schuldig sey. P. 3. Tit. 21. §. 3. oder


(331) Dritter Theil. Tit.XL.

7) Daß der offerirte Beweis relevant sey oder nicht sey, ibid.

8) Daß der Zeuge zum Zeugnis untüchtig sey. P. 3. Tit. 28. §. 29.

9) Wann durch zwey Urthel aber ein Liquidum oder errorem calculi gesprochen worden.

Not. In allen diesen Fällen hat die dritte oder Revisions-Instanz nicht statt, wann auch schon die beyde Urtel nicht conform, sondern einander zuwieder seyn.

10) Wann sonst in dieser Ordnung die Sache durch zwey Instantzien abgemacht werden muß.

§. 3. Der Revidente muß intra decendium die Revision, mit Specificierung aller und jeden Gravaminum bey dem Cammergericht interponiren. Welche schedula interpositionis dem Gegentheil communiciret werden muß.

Er muß auch entweder in ipsa schedula interpositionis die Gravamina justificiren oder solche binnen 4 Wochen bey obgemeldtem Gericht in duplo übergeben.

$. 4. Wann der Revidente in Schedula appellationis zugleich die Gravamina justificirt, und sich keine ulteriorem deductionem reservirt, muss bey der Communication dem Reviso zugleich anbefohlen werden binnen 4 Wochen darauf zu excipiren.

§. 5. Wann der Revidente die Gravamina nicht zugleich justificirt, muss er binnen 4 Wochen praeclusivischer Frist die Justification bey dem Constitutioniren in duplo übergeben: Und der Revisus angewiesen werden binnen 4 Wochen darauf zu excipiren.

§. 6. Ultra exceptiones soll nicht weiter verfahren werden, weil supponirt wird, daß der Advoent die Sache in denen beyden vorigen Instanzen seiner Pflicht nach völlig werde instruirt haben, in der dritten oder Revisions-Instantz aber nichts neues vorgebracht werden kann.

§. 7. Wann excipiendo geschlossen, muß das Cammer-Gericht ohnverzüglich ex Officio Acta an das Tribunal verschlossen einschiden.


 

(332) Dritter Theil. Tit. XL.

§. 8. Der Praesident des Tribunals muß Acta sofort und ohne einen Terminum reclusionis anzusetzen, Acta distibuiren, einen Re- und Correferenten benennen, (deren jeder binnen 14 Tagen mit seiner Re- oder Correlation fertig seyn muß, ) und wann das Urthel per majora abgefast worden, solches, es mag definitiva oder interlocutoria seyn, dem Cammer-Gericht zur Publication remittiren.

Und weil sochergestalt keine Advocaten bey dem Tribunal nöthig seyn, so wollen Wir dieselbe hiedurch in Gnaden dimittiren.

§. 9. Im übrign ist oben P. 2. Tit. 7. §. 8. Schon verordnet, daß gegen ein in der dritten Instantz ausgesprochenes Urthel ein weiteres Remedium unter dem Praetext einer Nullität verstattet weren solle, wann schon durch dieses dritte Urthel zwey vorhergehende Conformos reformiret werden.

§. 10. Es müssen aber in diesem letztem Fall, alle Räthe ohne Adhibirung derer von denen Referenten verfertigten Relationen Acta nachgesehen, ein jeder sein Votum cum rationibus nach Eyd und Pflicht besonders aufsetzen, dem Praesidi verschlossen einliefern, und, wann dieselbe sämtlich in plento verlesen worden, muß das Urthel juxta majora abgefaßt werden.

Es muß das Tribunal allezeit mit auf die Succumbentz-Gelder (welche Wir ein vor allemahl auf 20 Rthl. festgesetzt) erkennen.

§. 11. Wann sich die Partheyen erst in der dritten Instantz, es sey bey dem Cammer-Gericht oder bey dem Tribunal, vergleichen, soll die Helffte der Succumbentz-Gelder erlegt werden. Und wann die Parthey oder deren Advocat den getroffenen Vergleich nicht anzeigt, soll ein oder der andere in solidum das gantze Quantum erlegen.


 

(333) Dritter Theil. Tit. XLI.

Tit. XLI.

Von Execution und Vollstreckung der gesprochenen Urthel.

§. 1.

Nachdem ein Abschied oder Urthel seine Rechts-Krafft erhalten, soll dasselbe zur gebührenden Execution gebracht, und hergestalt einem jeden zu seiner Satisfaction geholfen werden.

Damit aber hierunter die behörige Ordnung beobachtet werde, so wird nöthig seyn Unsern Gerichten deutlich vorzuschreiben.

1. Wer die Execution veranlassen könne, und was der Richter dabey zu beobachten habe.

2. Wieder wem die Execution zu verrichten sey.

3. Worinn das Amt des Executoris bestehe.

4. Wie die Execution in actionibus realibus zu verrichten.

5. Wie die Execution in actionibus personalibus in denen beweglichen Güthern zu verrichten.

6. Wie die Executuion in actionibus personalibus in denen unbeweglichen Güthern, und (wann dieselbe nicht vorhanden, oder nicht zureichen) in die ausstehende Schulden zu verrichten.

Sectio I.

Wer die Execution veranlassen könne, und was der Richter dabey zu beobachten habe?

§. 1.

Wann in denen Unter-Gerichten eine Sache bis zur Execution geenbiget, muß das obliegende Theil damit nicht aufgehalten, sondern mit der Execution schleunig verfahren werden; Wiedrigenfals Unser Cammer-Gericht befugt seyn soll die Execution immediate zu veranlassen;


 

(334) Dritter Theil. Tit. XLI.

Auch ist solcher Unter-Richter gehalten dem Kläger, ratione Interesse und verursachter Unkosten, wegen verzögerter Execution gerecht zu werden.

§. 2. Die Urtheile, so durch einen delegierten Richter und Commissarium gesprochen, sollen zwar dem Ausspruch gemäß befolget, aber doch nicht durch dieselben, sondern durch den ordentlichen Richter, nach vorher gegangener Ankündigung, exequirt und vollzogen werden. Also hat auch ein Arbiter und willkührlicher Richter, welchen die Partheyen erwählet, nicht Macht seyn Urhtel zu exequiren oder zu vollstrecken, am allerwenigsten aber eine Parthey sich selber eigenmächtig in die Possession zu setzen, und Hülffe zu schaffen, wann gleich solches per pactum speciale auch beliebet worden wäre, sondern es muß solches durch den ordentlichen Richter des Beklagten geschehen.

§. 3. Da aber der succumbirende Theil nicht unter des Richters, so das Urtheil gesprochen, Gerichts-Zwang oder Jurisdiction gesessen, oder begütert wäre, so soll desselben Obrigkeit durch Compas-Briefe und Requisitorial-Schreiben, wie sich gebühret, um Execution der Urthel ersuchet werden.

Wie dann auch Unser Cammer-Gericht auf Requisition auswärtiger Richter die verlangte Execution nach Inhalt der daselbst ergangenen Judicatorum, und zwar ohne Untersuchung ob wohl oder übel anderwärts verfahren, wieder Unsere Unterthanen vollstrecken zu lassen haben: es wäre dann daß an dem Orthe, aus welcher die Requisition geschiehet, ein anderes observiret, und vor Veranlassung der Execution in der Sache cognosciret würde; welchenfals Unser Cammer-Gericht wieder ein solches Judicatum des Juris retorsionis sich zu gebrauchen unbenommen seyn soll.

§. 4. Die Executiones sollen regulariter in denen Ferien nicht angeordnet werden, es sey dann in denen oben Part. Tit. §. excipirten Fällen.


 

(335) Dritter Theil. Tit. LXI.

§. 5. Vor allen Dingen ist zu wissen, daß keine Execution geschehen mag, es sey dann die Sache cum causae cognitione und per rem judicatam ausgemacht; Daher solche niemahlen auf einseitiges Gesuch in Civil-Sachen, und ohne Vernehmung des Gegentheils zu veranlassen; Es wäre dann daß in Wechsel-Sachen oder peinlichen Fällen, die Sache in continenti fescheiniget, und nach richterliche Ermäßigung darüber von dem Executions-Sucher NB. Genugsame Caution bestellt werde.

Damit aber die Execution desto promter geschehe, und der Credit im Lande erhalten werde, so ordnen und wollen Wir, daß die sententia loeo monitorii seyn solle: Wann also der Schuldner binnen 14 Tagen a die judicati nicht bezahlet, oder der Sententz kein Genügen thut, muß auf des Gegentheils Anhalten dem verliehrenden Theil befohlen werden, binnen 14 Tagen dem Judicato ein Genügen zu thun, oder der Execution (welche eventualiter dem Land-Reuther anbefohlen wäre) zu gewärtigen, worbey zugleich Mandatum an den Land-Reuther ausgefertiget werden muß, daß er, wann der Condemnatus vor dem Tag der Execution keine andere Ordre von dem Richter, oder ein Billet, Quittung (et)c. von dem Creditore insinuiret, nach Verlauff der anderweitigen 14 Tage die Execution würdlich und ohne Rückfrage bewerckstelligen solle.

§. 6. Es müssen die Richter in ihren Decretis, Urtheilen, und Mandatis alles, was der Debitor zu thun, zu leisten, zu bezahlen, oder zu restituiren schuldig ist, umständlich ausdrücken, damit der Executor eigentlich wissen möge worauf er die Execution richten soll. Dahero auch die Advocaten, welche nicht specifice das Quantum an Capital und Zinsen, worauf die Execution geschehen soll, anführen, oder wieder die Judicata ein mehreres begehren, gestraft werden und die Executionskosten bezahlen sollen.


 

(236 = 336) Dritter Theil. Tit. XLI.

§. 7. Es soll auch sothane Execution so wenig in denen Unter- als Ober-Gerichten durch literas moratorias, mandata, oder durch einige Rescripta aufgehalten werden; Welcher Richter solche Mandata (et)c. ertheilet, oder denenselben, wann sie ertheilet werden, nachlebet, und die Justitz remorirt, der soll litem suam machen, und von Unsern fiscalischen Bedienten in Anspruch genommen werden; Und welche Parth solche Rescripta oder Mandata, durch welche der cursus justitiae, es sey in executione, oder sonst in Processu und Cognitione retardiret werden könnte, von Unserm Cammer-Gericht auswürcken würden, dasselbe soll jedesmahl deswegen nachdrücklich gestraffet werden, und dem Gegentheil die expensas retardati Processus zu erstatten schuldig seyn.

Wann aus Unserm Hoflager per referiptum executio rerum judicatarum aufgehoben oder suspendirt wird, soll sothanes Rescript vor sub(-) & obrepirt gehalten werden, und muß das Cammer-Gericht bey gleicher Strafe nicht darauf reflectiren, jedoch so sort salva executione, die Ursachen, warum dem Rescript nicht nachgelebet werden könne, ex officio anzeigen.

Wann Wir aber aus bewegenden Ursachen aus Unserm Cabinet dergleichen Ordres suspendenda executione ergehen liessen, muß die Execution zwar aufgehoben, jedoch ex officio von Bewandniß der Sachen berichtet, und fernerer Verhaltungs-Befehl erwartet werden.

Wann die Parthey zur Ungebühr aus Unserm Cabinet dergleichen Ordre sub(-) & obrepiret hätte, soll dieselbe, wann sie das Memorial selber verfertiget, mit 50 Rthlr. Strafe, oder 6 wochentlicher Gefängniß bey Wasser und Brod bestraft, wann ein andrer es concipirt hat, derselbe mit gleicher Strafe belegt, und wenn ein Advocat solches gemacht oder unterschrieben, dieser über dem ohne Gnade cassirt werden.

Wann aber der gewinnende Theil selbst dem Schuldner aus freyen Stücken Dilation giebt, und diese Dilation


 

(337) Dritter Theil. Tit. XLI.

sich über das Jahr, welches Wir zu Endigung derer Processe festgesetzet haben, erstrecket, so kann der Creditor hernach keine Renovationem executionis bitten, sondern er muß eine neue Action ex capite judicati anstellen, worauf, wie in andern neuen Processen, nichts anders als mandatum cum evatuali Termino ertheilet werden soll.

Sectio II.

Wieder welche Personen die Execution zu veranlassen sey?

§. 8. Wann auf die Person oder ein Guth geklaget worden, so soll allerwege die Execution wieder den Principalen selbst, (und nicht wieder seinen Anwald) oder aber das Guth, dazu der Beklagte condemniret, fürgenommen werden.

Wann aber jemand ohne habenden Befehl und Vollmacht sich in eine Sache und Rechtfertigung eingedrungen, oder sich liti offeriret hätte, und also Procurator in rem suam worden, in solchem Fall soll wieder einen solchen frevelhaften Anwalden oder Procuratoren mit der Execution verfahren werden.

§. 9. Wann auch jemand für einen anderen Caution gemacht, dasjenige, was geurtheilet werden möchte, zu bezahlen, der Principal aber non solvendo wäre, so ordnen Wir in diesem Falle, daß der Richter wieder einen solchen Bürgen ohne einigen neuen Process mit der Execution zu procediren schuldig seyn solle.

Was aber einem fidejussorem ex contractu betrifft, derselbe soll von neuem besprochen, und wieder ihn vermöge der Rechte verfahren werden, es sey dann daß der Principal allbereits executiret, und nicht zu zahlen hätte: Dann in diesem Fall soll der Executor die fürgenommene Execution praevio monitorio von 8 Tagen wieder den Bürgen zu richten und zu vollziehen Macht haben.


 

(338) Dritter Theil. Tit. XLI.

§. 10. Desgleichen wann der Principal bonis cediret, oder vor gethaner Bezahlung mit Tode abgienge, die Erben aber der Verlassenschaft sich nicht annehmen noch unterfangen wollen, so sollen die Creditores zu solcher Haeredität einen Curatorem zu verordnen bitten, und alsdann der Richter solchen Executions-Process wieder denselben anstellen, und vollenziehen.

§. 11. Hätten aber die Erben sich der Haeredität angemasset, so sind sie allerdings pro rata schuldig die Facta ihres Erblassers zu vertreten, und seine Schulden zu bezahlen, dahero die Creditores sich an die Mobiliar- und Immobiliar-Stücke des Erblassers zu halten wohl befugt seyn.

§. 12. Wann der verliehrende Theil in ipsa executionis verstirbt, so soll dadurch die Execution nicht aufgehoben, sonder weil die Erben in die jura defuncti succediren, gegen dieselbe die Execution, ohne neue Citation, nach 14 Tagen a tempore mortis fortgesetzt werden.

§. 13. Wäre eine Sententz wieder verschiedene Erben, oder Interessenten, ertheilet, muß die Execution wieder einen jeden nur pro rata ergehen; Dafern aber einer derselben die verschriebene Hypothec allein besässe, oder die Litis Conforten dem beneficio divisionis renunciiret hätten, oder causa individua wäre, solchenfals ist die Execution wieder den Besitzer des Unterpfandes, oder einen dergleichen Interessenten zu vollstrecken.

§. 14. Würde aber ein Fundus pupillaris, oder eine dem Unmündigen gehörige Mobiliar-Verlassenschaft, a Creditoribus angesprochen, so haben die Tutores bey Allenirung der Grundstücke, durch ein auszubittendes Decret de alienando sich vor künftiger Verantwortung sicher zu stellen.

§. 15. Es können aber dergleichen Creditores sich niemahlen an das Vermögen der Vormünder und Administratoren halten, noch die Immission in derselben Güter nehmen, sondern sie müssen sich an der Pupillen Vermögen


 

(339) Dritter Theil. Tit. XLI.

halten, und daraus praevia causae cognitione contentiret werden.

§. 16. Wegen der wortlichen Injurien, so sey der Execution  vorlauffen möchten, stehet einen jedwegen frey sein Recht nach der Criminal-Ordnung, und nachdem in dieser Ordnung vorgeschriebenem modo procedenti zu verfolgen.

Sectio III.

Von dem Amt der Executoren.

§. 17. Der Executor, dem die Vollziehung der Execution befohlen ist, muß bey respective empfindlicher Strafe, oder der  Cassation, das Decretum oder die Urtheile nach dem litterlichen Inhalt exequireri, auch sofort des andern Tages nach insinuirten Mandato die Citation oder Insinuation abgehen lassen, und entweder den in Decreto angesetzten Terminum zur Parition praefigiren, und kundmachen; oder, wann keiner vorgeschrieben worden, nach Beschaffenheit der Sachen einen andern, welcher aber nicht über 14 Tage bis höchstens 4 Wochen extendiret werden muß, ansetzen.

§. 18. Wann der Executor die geordnete Termine nicht abwartet, so soll er vor jedesmahl, so er säumig ist, 50 Rthlr. (davon das halbe Theil Unserm Fisco, der andere halbe Theil der gewinnenden Parth zukommen soll:) oder aber so viel das gewinnende Theil Schaden leiden möchte, demselben zu erlegen schuldig seyn; und stehet desfalls bey dem laedirten Theil entweder die verfallene Mulctam, oder das Interesse, seines Gefallens zu erwählen; Und da auch endlich solches nicht helfen wolte, sondern dem verliehrenden Theil zu gefallen die Zeit vom Executore ohne Verwilligung des gewinnenden verlängert, und die Execution verschleppet würde, so soll die Execution von Unserm Cammer-Gericht durch einen andern


 

(340) Dritter Theil. Tit. XLI.

Executorem auf des vorigen Kosten verrichtet, und dieser als ein Reus regiae authoritatis bey Uns angeklaget werden, damit er also nach denen Rechten gestrafet, und zu Erstattung aller Schäden und Unkosten angehalten werden möge.

§. 19 Würde der verliehrende Theil binnen dem angesetzten Termino paritionem, nicht dociren, so soll die Execution auf des Gegentheils Anhalten nach verflossenem Termin decretirter massen würcklich vollstrecket werden.

Wobey auch die Behutsamkeit gebraucht werden muß, daß, wann die Execution gegen einen Officier, welcher ausserhalb der Provintz bey seinem Regiment stehet, bewerckstelliget wird, zuförderst dem Officier selbst Notification davon gegeben, und ein Terminus von Sechs Wochen angesetzt, auch solches Schreiben an den Commandeur des Regiments geschickt werden soll: Nach Verfliessung sothanes Termini soll der Richter, es melde sich der Officier oder nicht, mit der Execution verfahren.

§. 20. Die Executores müssen bey der Execution überall legaliter verfahren, alles umständlich protocolliren, um das Protocoll, wann Klage geführet wird einschicken zu können.

§. 21. Wann derjenige, gegen den die Execution geschehen soll, sich derselben wiedersetzen solte, so hat der Executor, wann er auf keinerley Weise dem gewinnenden Theil die ruhige Possession zu überantworten vermag, solches sogleich dem Judicio zu hinterbringen, dem es an Mitteln nicht mangeln wird, durch militairische, und andere Zwangs-Mittel, dem gewinnenden Theil vacuam possessionem zu verschaffen, die Helffer und Complices aber, so sich in executione mit Worten oder der That freventlich verhalten, gefangen zu nehmen, und dieselbe praevia causae cognitione mit Landes-Verweisung oder sonst gebührlichen zu bestraffen.


(341) Dritter Theil. Tit. XLI.

§. 22. Würde aber der jure victus sich unterstehen den Besitzer de facto zu depossediren, oder ihm in seinem Besitz einige Gewalt zu thun, so soll das Cammer-Gericht den Immissum mit gestärckter Hand schützen, der Beleidiger aber in Arrest genommen, und als reus fractae pacis publicae angeklaget werden, deswegen er dann auf des gewinnenden Theils Ansuchen, von Unserm Cammer-Gericht überall, wo er anzutreffen wäre, aufzuheben, aber innerhalb 3 Wochen, nebst allen seinen Gehülffen, zu citiren, und in eodem Termino, sofern er überführt wird, zu condemniren. Erscheinet er auch nicht, so wird in contumaciam gegen denselben verfahren, und soll Unser Fiscal, so lange der Flüchtige lebet, alle andere dessen Güther (salvo tamen Jure dotis & creditorum) einziehen: nach seinem Absterben aber werden sie den Kindern und rechtmäßigen Erben wiederum zugestellet, jedoch auf genugsame Caution solches seinesweges zu rächen, und da sie daran künftig im geringsten ermangeln würden, sollen sie gleichfals pari confiscatione gestraft werden, salvis femper damnis & expensis actori & parti restituendis.

§. 23. Würde auch der Jure victus durch seine Wiedersetzlichkeit den Gegentheil, aber wer dazu gehörig, durch sich, oder jemand anders, ante, in, & post executionem, an Leib oder Guth beschädigen, oder sonst auch in Geldsplitterung und Unkosten setzen; soll er solches alles von seinen anderen Güthern, die seyn gelegen wo sie wollen, vollkömmlich zu refundiren und zu erstatten schuldig seyn.

Sectio IV.

Wie die Execution in actionibus realibus zu verrichten.

§. 24.

In Vollstreckung der Hülffe soll nachfolgende Maaß und Ordnung gehalten werden, und zwar:


(342) Dritter Theil. Tit. XLI.

In Actione Reali soll der Executor das gewinnende Theil in dasjenige Guth, welches ihm per sententiam adjudiciret worden, so dasselbe unbeweglich, immittiren, oder, da es beweglich, von Beklagten nehmen, und Klägern zustellen, und solche Immission und Tradition gebührlich, und wann immer möglich, in Gegenwart des verliehrenden Theils verzeichnen.

§. 25. Im Fall auch der Ungehorsame sich durch Betrug, und zu Versang (!) des obsiegenden Theils, der Possession entschlagen hätte, und dadurch die Restitution zu thun nicht vermöchte, so soll dem Gegentheil sein Interesse wegen nicht vollzogener Execution mit dem Juramento in Litem zu erhalten zugelassen seyn: welches doch der Judex dergestalt einrichten muß, daß er vor Leistung desselben die Parthen über den Werth des abhändig gewordenen Guths summariter  gegen einander höre, folglich ex partium deductionibus ein vermuthliches Quantum des Werths denominire, und alsdann das obsiegende Theil, daß das Guth nicht weniger werth gewesen, Juramento erhalten lasse.

Wäre aber das Guth, darin die Execution fürzunehmen, ohne des verlustigen Theils Schuld und Verursachung nicht mehr vorhanden, so soll derselbe weiter nicht als auf den Wehrt desselben, und was sonst dem gewinnenden Theil deswegen durch Urtheile und Recht zuerkannt, condemniret, und darauf mit der Execution verfahren; in beyden Fällen aber keine Remedia quoad effectum suspensivum verstattet werden.

§. 26. Wann der Schuldner dem Gläubiger in der Verschreibung Possessorium constituiret, soll derselbe dabey dergestalt geschützet werden, daß der Schuldner auf die nicht leistende Zahlung sich des sub Possessorio verpfändeten unbeweglichen Guths zu enthalten, und den Glaubiger (welcher, wenn er währendem seinem Besitz aus dem liegenden Grund etwas erhebet, davon Rechnung zu thun hat, ) in dessen Besitz nicht zu beeinträchtigen


(343) Dritter Theil. Tit. XLI.

habe, bis derselbe seines angeliehenen Capitals, Zinsen, und Unkosten, so zugleich in dem Bescheide zu moderiren, befriediget. Wann aber der Schuldner sich solches verpfändeten Stückes darauf nicht sofort äusserte, und den Gläubiger dasselbe ohngehindert überliesse, soll er auf dieses Anzeigen sofort durch jedes Orts gesetzte Executores heraus geworfen, und durch zulängliche Zwangs-Mittel von aller Turbation abgehalten werden.

§. 27. Wann jemand sein unbewegliches Guth zur Hypothec verschrieben, oder jemanden eine stillschweigende Hypothec zustehet, und der Schuldner in der ihm vom Gerichte gesetzten Zeit nicht bezahlet, ist der Creditor, wenn er solches begehret, in das verpfändete Stück zu immittiren, oder dasselbe taxiren, und subhastiren zu lassen befugt; welches auch alsdann statt haben soll, wenn der Creditor sich immittiren lassen, der Schuldner aber innerhalb drey Monathe keine Zahlung gethan, noch sich von der geschehenen Immission liberiret, und der Creditor auf die Tax- und Subhastation dringet. Worauf mit der Tax(-) und Subhastation wie unten §.43. seq. versehen, verfahren werden soll.

Sectio V.

Wie die Execution in actionibus personalibus in die bewegliche Güther zu verrichten.

§. 28.

In Actione Personali soll der Executor bestimmten Tages die Hülffe folgender Gestalt ergehen lassen.

Erstlich: Wann dem Beklagten in specie ein gewiß Ding dem Kläger zu geben durch Urthel und Recht auferleget worden, soll die Execution in dasselbe geschehen, und es damit wie in actione reali gehalten werden.

§. 29. Zweytens: wann dem verliehrenden Theil etwas zu thun auferleget worden, so muß er per captionem


(344) Dritter Theil. Tit. XLI.

pignorum, oder durch Gefängniß, dazu, oder zu Praestirung des Interesse, welches der gewinnende Theil Juramento in litem erhalten muß, angehalten, und darin einem jeden, und absonderlich denen von Adel, und auf dem Lande, schleunig Recht mitgetheilet werden.

§. 30. Drittens: wann die Condemnation nicht ad dandum rem certam, auch nicht ad aliquid faciendum, sondern sonst generaliter concipiret ist, also, daß die Execution nach Gestalt und Gelegenheit der Sachen an andern seinen Güthern geschehen muß, sollen vor allen

a) Die bewegliche Güther angegriffen, und dem gewinnenden Theil die Wahl gelassen werden, aus was vor Mobilien er befriediget werden wolle, und ist der Executor schuldig, die Execution darnach zu verrichten, der Debitor aber solches zu leiden.

b) Würde er aber das Objectum executionis lediglich dem Executori überlassen, so soll zuförderst die Execution auf das baare Geld, und wann kein baar Geld vorhanden, auf das Silber-Geschirr, Kleinodien, Zinn, Kupfer, Kleider, Bette und Hausgeräth geschehen.

Es muß aber das Silber, Kleinodien, und andere kostbare Meubles, gleich denen Grundstücken in dreyen Terminen praevia taxatione ausgebothen, und veralieniret, die geringere aber nach vorhergehender Taxation dem Creditori (wann er nicht lieber aus andern Mobilien seine Befriedigung zu haben verlanget, ) sogleich in solutum angegeben, und dem Debitori frey gelassen werden, solche binnen 4 Wochen vor das taxirte Pretium zu reluiren.

c) Wann dieses nicht zureicht, muß der Executor das tüchtige und gesunde Vieh angreiffen, jedoch dergestalt, daß er das Zug-Vieh, und, da das übrige zureichend, die Helfte Milch-Vieh bey dem Guthe, oder dem Schuldener lasse, das abgepfändete auf einem öffentlichen Marckte in Städten auf einen Tage feil biethe, und da es nicht verkauffet werden kann, durch zwey unpartheyische geschworne


(345) Dritter Theil. Tit. XLI.

Leute in Städten, auf den Dörffern aber durch die Gerichts-Personen, aestimiren lassen, und so es der Debitor alsdann 3 Tage hernach nicht reluiret, in dem aestimirten Werth dem Creditori in solutum hingeben soll.

d) Wann kein tüchtig oder gesund Vieh vorhanden, so soll die Execution in die Scheune auf das Korn geschehen, dasselbe durch vereydete Dröscher, die den Schlüssel dazu haben sollen, um jedes Orts gewöhnlichen Scheffel, gedroschen, und zuförderst nothdürftig Brod- und Saat-Korn abgezogen, das übrige aber in Beyseyn des Debitoris, oder wen er dazu benennet, ausgemessen, durch des Debitoris Vorspann in die Stadt und zu Marckte gebracht und verkauffet, oder, wo kein Käufer vorhanden, wie es des Orts am theuresten gilt, dem Creditori in solutum hingegeben werden.

§. 31. Ob nur zwar die Execution von denen beweglichen Güthern anzufangen, so seynd doch etzliche in Rechten gefreyet, die bis auf das allerletzte zu sparen; nemlich einem Bauer oder Ackermann sollen seine Pferde und Ochsen, die er zum Ackerwerck benöthiget, nicht ausgespannet, auch sein Pflug und anderes, so zum Ackerwerck gehöret, nicht genommen werden.

Desgleichen seynd die Handwerks-Leuthe gefreyet, daß ihnen ihr Werckzeug, damit sie ihre Nahrung gewinnen müssen, auch keinesweges genommen werde, sie hätten dann ausserhalb denselben gar nichts zu bezahlen.

§. 32. Also können auch der Kindbetterinnen oder krancken Leute, so lang sie kranck, ihre nothwendige Polster, Betten, Bettücher, nicht angegriffen werden.

§. 33. Item den Gelehrten sollen ihre Bücher in der Auspfändung zum allerletzten gesparet werden.

§. 34. Dieweil auch sonst in unser Landen gebräuchlich, daß denen Bauren Hofwehr gegeben wird, so soll an denselbigen Orthen die Hofwehre, weil sie nicht den Bauren, sondern der Herrschaft gehöret, in die Execution nicht geschlagen werden, wann gleich der gewinnende


(346) Dritter Theil. Tit. XLI.

Theil auf andere Wege von den Bauren nicht könte Erstattung erlangen; Es wäre dann, daß der Bauer mit der Herrschafft Vorbewust und Consens die Schuld gemachet.

§. 35. Erschiene jemand Zeit der Pfändung, und könte gnugsamen Schein fürbringen, daß die Güther, so bey dem Schuldner gefunden, sein wären, sollen ihm dieselbige abgefolgt werden, und in die Pfändung nicht kommen: wäre aber der Beweis zweifelhaftig, und der Herr der Güther, samt dem Schuldner, an Eydesstatt bey ihrem Christlichen Gewissen betheureten, daß jenem die Güther zuständig, alsdann sollen sie ihm wegzunehmen vergönnet werden, und da hernach befunden würde, daß hierin gefährlicher Weise gehandelt wäre, soll nach rechtlicher Ermäßigung mit Gefängniß, oder anderer Strafe, dupli, tripli, aut quadrupli wieder sie verfahren werden.

§. 36. Da aber nach vollzogener Pfändung jemand erschiene, und die Güter bey dem gewinnenden Theil anspräche, soll er darüber für Unser Cammer-Gericht endliches Austrages gewarten: und da befunden, daß der Schuldener gefährlicher Weise solche Pfändung in fremden Güthern stillschweigend zugelassen, soll er deshalb nach Gelegenheit der Sachen und Persohnen gestraffet werden.

Sectio VI.

Wie die Executio in actionibus personalibus in die unbewegliche Güther, und (wann diese nicht zureichend, oder dergleichen nicht vorhanden) in die ausstehende Schulden zu verrichten.

§. 37.

Da nun an beweglichen Güthern und fahrenden Haabe nichts, so zu Zahlung des Creditores ersprießlich, oder so viel, daß die erkannte Summa damit erreicht werden


(347) Dritter Theil. Tit. XLI.

kan, nicht vorhanden, so müssen die unbewegliche und liegende Güther (doch den Sitz und Wohnung des Ueberwundenen ausgenommen, in welchen die Execution anders nicht als in Mangel anderer zureichenden Güther geschehen soll) angegriffen, und es folgendergestalt damit gehalten werden.

§. 38. Erstlich: Muß der gewinnende Theil ein Stück Guths, welches unverschuldet und ihm am gelegensten ist, in Vorschlag bringen, und bitten, daß die Immission darinnen geschehen möge, wozu denn der Judex executionis sofort Terminum ansetzen muß.

§. 39. Zweytens: Der Executor muß in dem zur würcklichen Execution angesetzten Termino das vorgeschlagene Guth in Gegenwart des Debitoris (wenn nemlich derselbe erscheinet) durch die hierzu verordnete Commissarios taxiren lassen, oder doch in Termino darum einkommen.

§. 40. Drittens: Facta taxatione muß der Executor dem überwindenden Theil so viel zuschlagen, daß er von jedem 100 Rthlr. seines Capitals, wie auch von dem bis zur Zeit der Execution zusammen aufgelauffenen Zinsen (als welche nebst denen Unkosten ebenfals nach der Immission zum Capital geschlagen werden) die Landübliche Zinsen habe; aber, im Fall das Guth nicht füglich getheilet werden könnte, den überwindenden Theil in das gantze Guth immittiren, und demselben auf Rechnung übergeben.

Wolte aber der Creditor sich von solcher Rechnung losmachen, und die Güther durch einen gerichtlichen Sequestrum oder Curatorem administriren lassen, soll dieser sowohl zur Administration der Güther, als auch ablegender Rechnung angewiesen werden.

§. 41. Sobald die Immission geschehen, oder der Debitor den Creditorem pro immisso declarirt, muß der Debitor und bisherige Eigenthümer sich sogleich von dem Fundo mit allen den Seinigen wegbegeben, und weder


(348) Dritter Theil. Tit. XLI.

den immittirten Gläubiger, noch dessen Sequester und Beamten beunruhigen.

Würde der Creditor immissus binnen 3 Monath keine Bezahlung erhalten, soll demselben frey stehen, das Guth mit der vorhero aufgenommenen Landüblichen Taxa subhastiren zu lassen.

§. 42. Bey der Immission sollen alle vorhandene Inventarien-Stücke, sie bestehen worinn sie wollen, gerichtlich specificirt, alle Revenüen des Guths wohl verzeichnet, und die Bauern und Unterthanen dem Immisso durch einen Handschlag zum Gehorsam, Leistung der Dienste, und anderen Schuldigkeiten, angewiesen werden: was aber dem Inventario naturaliter oder casu abgehet, das gehet über den verliehrenden Theil, welcher Ursach zu solcher schweren Execution gegeben, und keine andere modos solvendi an die Hand schaffen will.

Wann der Creditor es bey der Immission beruhen läst, muß alle Jahr die Rechnung von dem immittirten Gläubiger abgenommen werden. Welches der Creditor selbst zu suchen, oder zu gewärtigen hat, daß ehe und bevor ein richtiges Liquidum wegen der genossenen Früchte constituirt werde, er mit der nachher gesuchten Taxation und Subhastation nicht gehöret werden solle.

§. 43. Damit aber mit der Taxe der zur Subhastation gediehenen Güther richtig verfahren werden möge; So sollen die Gerichte

Erstlich, und vor allen Dingen, dem Debitori anheim stellen, ob er selber eine Taxe von seinem zu subhastirenden Guth übergeben, und alle und jede Stücke, welche vermöge Inventarii zum Guth gehören, in einen Anschlag bringen, und der Taxations-Commission in dem zur Aestimation angesetzten Termino (denn nachdem wird er nicht weiter gehöret) einliefern wolle, damit er sich nicht beschweren könne, als ob einige Stücke ausgelassen, und nicht alle Pertinentzien taxiret worden.

Sothane Commission muß.


(349) Dritter Theil. Tit. XLI.

Zweytens, vernünftige, und derjenigen Sachen, welche taxiret werden sollen, kundige Leute darzu nehmen, und denenselben eine ausführliche Instruction, was sie thun sollen, ertheilen. Diese Taxatores müssen

Drittens, mit einem besondern Eyd in Gegenwart des Schuldners und Gläubigers, wann dieselbe auf vorhergegangene Notification darbey erschienen; oder, wo nicht, in deren Abwesenheit beleget werden.

Viertens, müssen Commissarii Taxae in dem angesetzten Termino bey Verlust ihrer Gebühren die Taxation zu Ende bringen, und soll so wenig dem Debitori als denen Creditoren einige Dilation verstattet werden. Sothane Taxe muß

Fünftens, nach dem Gebrauch, Nutzen, und gegenwärtigen wahren Werth dieses Orts gesetzet werden, und zwar mit Beschreibung der Situation, Breite und Tiefe des Grundes, oder Morgenzahl des Ackers, oder Garten, und mit besonderm Anschlag der Mauer- Zimmer- Tischler- Schlösser- und Glaser-Arbeit (et)c. welche ad Acta, sowohl von dem Gericht oder Commissariis, als Werckmeistern unterschrieben, beygelegt werden soll: worbey zugleich das Gericht oder Commissarii Taxae gründliche und genaue Erkundigung einzuziehen, was das taxirte Haus, oder andre Grund-Stück, bis daher in Nutzung getragen, oder wie es nach Gelegenheit der Zeit in Nutzung gebracht werden könne: desgleichen was für Servitut und Onera darauf haften. Welches alles gleichfals mit allen Umständen zur Nachricht derer Käuffer ad Acta zu registriren, auch einem jeden, der es zu seiner Nachricht einzusehen verlanget, ohnentgeldlich vorzuzeigen. Wann

Sechstens, über den Werth einer Sache, insonderbei wegen der Aussaat, der Viehes (et)c. einige Zeugen abzuhören, oder Briefschaften nachzusehen, soll solches in Gegenwart der Taxatorum geschehen, und hat Commissarius denen Taxatoren dasjenige, was die Zeugen ausgesaget, und warum dieselbe befraget worden, umständlich


(350) Dritter Theil. Tit. XLI.

zu erklähren, worauf dann die Taxatores (deren nicht mehr als drey bey einem jeden zu taxirenden Stück seyn sollen) zusammen treten, die Aussaat, das Vieh (et)c. aestimiren, und durch einen Durchschnitt das Quantum festsetzen sollen: es müssen aber

Siebentens, diese Taxatores die von dem Debitore verfertigte Taxam, und ob sie etwann einige von demselben specificirte Stücke übergangen, genau nachsehen, und allenfals die Ursache, warum solches geschehen, anzeigen. Wann

Achtens, keine dergleichen Taxatores sich finden solten, müssen Commissarii, der Ordnung zufolge, selbst verfahren. Von dieser Taxa ist

Neuntens, so wenig dem Schuldner als denen Gläubigern einiges Remedium unter dem Praetext, daß solche zu hoch oder zu niedrig gesetzet, zu verstatten, sondern es soll Einwendens ungeachtet, mit der Subhastation und Adjudication der taxirten Stücke verfahren werden.

§. 44. Und da bey denen Taxen der Ritter- und anderen Land-Güther jeder Provintz, Creyses, oder Amts, gewöhnliche Anschläge, und was sonst der Sachen Verständige nach Gelegenheit des Orts und andrer Umstände auf ihren geleisteten Eyd an die Hand geben, zur Form und Richtschnur dienen muß, so haben Wir, was überhaupt bey solchen Anschlägen wahrzunehmen, auch die auf Unser Special-Befehl von Unserer Ritterschaft der Alt- Mittel- und Ucker-Marck, auch der Neu-Marck eingesandte Güther-Anschläge sub Lit. A. n. 1. 2. 3. 4. 5. in fine h. t. beydrucken lassen, nach welchen die Güther sowohl in Fällen der Execution, als in Concursu, geschätzt und in Anschlag gebracht werden sollen.

§. 45.  Nach vollbrachter Immission und Taxation soll das Guth sofort nach dem in fine h. tit. sub Lit. B. beygedrucktem Formular, öffentlich mit dem taxirten Quanto in der Cantzley, oder in Städten und Dörffern


(351) Dritter Theil. Tit. XLI.

an den Kirchthüren, oder wann es bey höhern Judiciis geschicht, daselbst angeschlagen, und drey Termine, jeder von vier Wochen, mit ausdrücklicher Benennung der Tage zur Licitation anberaumet, auch solches in zweyen Gerichts-Städten intimiret, und öffentlich affigiret, zugleich auch in die Intelligentz-Zettel gesetzt, die bekannte Creditores aber per Patentum ad domum citiret werden.

§. 46. Wann in dem ersten Termino jemand biethet, und beyde Theile damit zufrieden seyn, und andere Creditores nicht concurriren, so soll das Geboth angenommen, und mit weiterer Subhastation nicht verfahren werden, wann schon das Licitum zu Befriedigung des Creditoris nicht zureichet.

Wann aber von einem derer Interessenten contradicirt wird, soll das Licitum, wie es registrirt, unter das angeschlagene Patent verzeichnet, und mit fernerer Kaufhandlung in denen angesetzten Terminis verfahren werden.

§. 47. In dem letzten Termino soll demjenigen, welcher das meiste darauf biethen würde, ohne die geringste Prorogation, auch aller Protestation, Apellation (!) und gesuchter Restitution in integrum &c. ohngeachtet, das subhastirte Guth zugeschlagen werden: welches auch also zu befolgen ist, wann auch nur ein eintziger Käufer und Licitant sich in denen angesetzten Terminen gemeldet und derselbe infra dimidium des aestimirten Quanti gebothen hat. Und ist die Form dergleichen Adjudication in fine h. tit. sub Lit. C. hiebey gesetzt.

§. 48. Es muß der Käufer gleich des  andern Tages nach geschehener Adjudication in die vacuam possessionem, wann er es verlanget, gerichtlich gesetzet werden, aber in demselben Termino das Geld baar bezahlen, oder an sichern und annehmlichen Obligationen einliefern, oder, wann privilegirte Schulden vorhanden seyn, (worüber der Käufer bey dem Amt aus den Hypothequen- und Consens-Büchern Erkundigung einziehen mus) das


(352) Drtitter Theil. Tit. XLI.

Geld deponiren. Die Adjudication ist folgender massen zum Effect zu bringen.

Das Haus oder Grundstück räumet der immittirte Creditor, oder (wann der Debitor noch darinn ist) der Besitzer dem Käufer ein, welcher auch zugleich das Kauf-Pretium bey der Tradition erleget, und wird ihm, so weit bey dergleichen gerichtlichen Adjudicationen noch eine Gewehrs-Leistung vonnöthen, selbige von denen Gläubigern, zuforderst aber von dem Eigenthümer, wann er noch etwas herausbekommt, geleistet.

Bis zu erfolgter Tradition hat der Käufer wegen des erkauften Stücks keine Gefahr über sich, sondern selbige bleibt auf denen Verkäufern.

§. 49. Es muß aber kein Richter nach geschehener Adjudication einen besondern Actum traditionis, zu Gewinnung einiger Gebühren, vornehmen, sondern, wann der Innhaber, nicht sofort räumet, muß derselbe allenfalls mediante executione ohne allen Process exmittirt, und der Käufer mit Ueberantwortung der Schlüssel, oder Einreichung anderer gewöhnlichen Zeichen, und zwar auf der wiedersetzlichen Kosten, eingesetzt werden.

§. 50. Von dem Kauf-Pretio soll dem Creditori, so hoch sich die zuerkannte Summa nebst denen Interessen und Unkosten, so auf die Hülfe ergangen, erstrecket, gezahlet, das übrige aber dem Debitori restituiret werden. Da aber die Kauf-Summa das Quantum des zuerkannten Debiti nicht erreichte, soll dem Creditori in andere des Schuldners Güther gleichermassen verholfen, oder er, in Ermangelung derselben, an des Debitoris Person verwiesen werden.

§. 51. Worbey wir auch mit gutem Bedacht verordnen, daß, wann jemand in Termino adjudicationis die Gelder nicht erlegen, noch die Creditores mit ihrem guten Willen befriedigen könte, das Guth mit der vorhin gemachten Taxe alsofort noch einmahl, auf des Licitanten Kosten, öffentlich angeschlagen, und, wann weniger


(353) Dritter Theil. Tit. XLI.

darauf gebothen wird, das übrige auf des Licitanten Güthern mediante executione sofort suppliret, und derselbe, wenn er nichts im Vermögen hat, auf ein Jahr zur Vestung, oder ander Gefängniß, gebracht werden soll.

§. 52. Gleichergestalt soll es auch mit denenjenigen, die bey der Subhastation andere überbiethen, und in Termino adjudicationis das licitirte Quantum nicht bezahlen, oder keine sufficiente Caution wegen der promten Bezahlung bestellen können, gehalten werden.

§. 53. Welchen wir auch noch dieses beyfügen, daß derjenige, der von einem andern überbothen ist, nicht weiter an sein Geboth gehalten sey, wann auch schon der Ueberbiethende nachhero das licitirte Quantum nicht bezahlen wolte noch könte.

§. 54. Wobey Wir aber auch noch gestatten, daß die Judicia nicht bloß auf die plus offeretes, sondern auf diejenige, welchen wegen andrer Neben-Conditionen die Praeferentz gebühret, als z. E. wann der eine die Bezahlung des Kauf-Pretii auf Termine setzet, der Minus-Offerens aber baar Geld offerirt, sehen, und diesem jedoch mit Vernehmung des grösten Theils derer Creditoren, das subhaftirte Guth adjudiciren können.

§. 55. Es kann auch der Creditor selbst in Termino auf das Stück Guth biethen, und wann er das Guth erstehet, so mag er es ad rationes Debiti annehmen; Im Fall aber einige anteriores Creditores auf das Guth versichert seyn, so bleibt denenselben ihr Recht vorbehalten, quia res transit cum suo onere. Und muß alsdann der Käuffer das Kauf-Pretium, wann noch über die Präferentz gestritten wird, gerichtlich deponiren.

§. 56. Es stehet aber dem Creditori frey sich vorher, und ehe er sich in das Guth immittiren lässet, aus denen Amts- Consens- und Hypothequen-Büchern zu erkundigen, ob andere mehr privilegirte Schulden auf dem Guthe haften; massen ihm, wenn er solches durch ein
(354) Dritter Theil. Tit. XLI.

Attestat dociret, oder die ihm verschriebene Hypothec generaliter auf alles Vermögen gefasset ist, auf die sämtliche Güther die Immission zu suchen, und dieselbe subhaftiren zu lassen, auch gar, dem Befinden nach, zum Concurs zu provociren, verstattet seyn soll.

§. 57. Findet sich in denen dreyen Terminis kein Käufer, so soll das Guth nicht weiter angeschlagen, sondern es muß dem Creditori das subhastirte Guth vor zwey Drittheil des taxirten Pretii zugeschlagen, und ihm, wann er seine völige Befriedigung daraus nicht erhalten hätte, ein ander Stück Guths anzugreifen frey gelassen werden.

§. 58. In beyden Fällen aber, es mag sich ein Käufer finden oder nicht, soll dem Debitori verstattet werden, binnen 6 Monath (und, wann es ein Haus, Garten, oder Weinberg betrift, binnen 6 Wochen) von dem Tage der Adjudication anzurechnen, das Guth mit einigem oder fremden Gelde zu reluiren, oder auch einen andern Käuffer zu verschaffen, der ein mehrers dafür gebe: wann aber das Geboth ⅔ und drüber ausmacht, oder der Creditor das Guth vor ⅔ der Taxa annehmen muß, soll das Jus reluendi nur auf 3 Monath zugelassen seyn.

§. 59. Es muß aber der Schuldner binnen 14 Tagen nach beschehener Adjudication solches dem Käufer gerichtlich bekannt machen, massen er nach deren Ablauf mit keiner Relution weiter gehöret werden soll.

Der Reluent muß solchenfals dem Besitzer das gantze schuldige Capital, nebst Zinsen, so weit solche nicht aus dem adjudicirten Stück gehoben, mit allen verursachten Unkosten, wie auch nöthigen und in continenti erwiesenen Meliorationen (worunter aber die zu bequemer Wohnung angewendete Spesen nicht zu rechnen sind) zuförderst zurück geben, und ist dieser, ehe solches geschehen, zu weichen nicht schuldig. Wie aber die Meliorationes zu erweisen, ist Part. 4. Tit. 9. Class. 4. angewiesen worden. Wann dieselbe per sententiam festgesetzt worden hat kein Remedium dargegen statt.


(355) Dritter Theil. Tit. XLI.

Wolten auch die Creditores, so wegen des geringen Kauf-Geldes ihre Befriedigung nicht erhalten, sich dieses Reluitions-Recht gebrauchen, soll ihnen solches ebenmäßig binnen 3 Monathen unter vorstehenden Conditionen, wann sie nehmlich solches binnen 14 Tagen a die adjudicationis dem Käufer gerichtlich denunciren, das gantze Kauf-Pretium, nebst Zinsen von allen rückständigen Jahren, auch verursachten Process- und Subhastations-Kosten, nebst denen erweislichen Meliorationen, wie auch, im Fall der Creditor ein mehres zu fodern hätte, als der Preis des erstandenen oder angenommenen Guths ausgetragen, ihm seine gantze Foderungen erstatten.

Es stehet aber dem Käufer frey, ob er die Uebermaß selber herausgeben, und das Guth behalten wolle, worüber er sich a die latae sententiae binnen 4 Wochen praeclusivischer Frist positive erklähren muß.

§. 60. Es soll keinem Judici frey stehen, die bey vorhergehendem Execution-Immissions- und Subhastations-Process gesetzte Terminos ohne Consens des gewinnenden Theils zu erlängern, oder einzuschräncken.

§. 61. Wie Wir dann auch propter laesionem enormen, oder weil ein Pupillus, pia causa &c. per negligentiam Tutoris vel Administratoris darbey laedirt worden, dergleichen Subhastationes nicht rescindiren lassen wollen.

§. 62. So der Schuldner nichts übriges, oder gar nichts hätte, davon der obsiegende Theil sich erholen möchte, da mag der Schuldner, wann er nicht bonis cediret, noch das Beneficium competentiae zu geniessen hat, auf seines Gegentheils Begehren am Leib, und also persönlich angegriffen, in ein Gefängniß gebracht, und darin auf des Begehrenden Unkosten (der doch ihm täglich über 4 Gr. und wenn es geringe Leuthe über 2 Gr. nach Richterlicher Erkäntniß zu erlegen nicht verpflichtet seyn soll) so lange gehalten werden, bis er die obsiegende


(356) Dritter Theil. Tit. XLI.Parthey zufrieden stellet, oder sonst sich mit ihm verträget und abfindet.

§. 63. So auch der verlustige Theil begütert wäre, und der obsiegende an jenem begehrete gerichtlich anzugeloben, daß er, mitler Zeit die Execution in ein Stück Guths geschicht, zum Abbruch und Nachtheil derselben seine andere Güther nicht veralieniren wolle, soll er es zu thun schuldig seyn, auch dazu angehalten werden.

§. 64. Uebrigens ist zwar Unser allergnädigster und ernster Wille, daß diese geschärfte Executions-Ordnung aufs genaueste beobachhtet, dadurch jedem Creditori zu dem Seinigen geholffen, und der Landes-Credit erhalten werden solle.

Wir versehen Uns aber auch allergnädigst, daß die Creditores, oder deren Advocaten, ihre Schuldener, welche NB. vor dem Process um einige Nachsicht bitten, nicht ohne Noth drücken, ruiniren, und wann sie die Interessen abführen, und notorie genugsame Sicherheit vorhanden, aus ihren Güthern zu vertreiben sochen, oder gar sich gelüsten lassen werden dadurch mehrere Interessen an wucherlichen Gewinst zu erzwingen.

Allermassen Wir dergleichen ohne Noth gedruckten Schuldnern, nicht allein mit Moratoriis nach der Vorschrift P. IV, Tit. 9. §. 170. seq. an die Hand gehen wollen; sondern auch dem Cammer-Gericht anbefehlen, den Creditorem, wann etwa die Schuld zu groß und in einem mahl nicht aufzubringen, oder kein annehmlicher Käuffer sich finden möchte, durch christliche Ermahnungen und vernünftiges Zureden, dahin zu bereden, daß, wofern sein Zustand nicht auch so beschaffen, daß er,  wann er seine Bezahlung nicht auf einmahl erhielte, in seinem Handel oder anderen Zustand zu Grund gienge, billige Termine der Zahlung halber annehmen.

In denen verglichenen Terminen muß der Schuldner das Capital samt restirenden und lauffenden Zinsen und Kosten richtig abtragen, oder gewarten, daß sofort,


(357) Dritter Theil. Tit. XLI.

wann er mit der Zahlung nicht einhält, auf Ansuchen des Klägers mit der Subhastation verfahren, und das Haus oder Grund wie vorher verkauft werde.

Beylagen zu dem Tit. XLI.

Lit. A.

ad §. 44.

Anmerckungen, was bey einer aufzunehmenden Taxe eines Guths insgeheim zu beobachten.

1.

Die Taxen, so wegen vorseyenden Verkaufs in concurso Creditorum gemachet werden, sind nicht auf gleiche Weise zu machen, als wann Brüder oder Vettern, sich auf Sie devolvirter Güther halber aus einander setzen; weniger ist bey einem freywilligen Verkauf oder Tausch dergleichen Taxe zum Fundament zu nehmen; da in jenen Fällen nach jedes Orts üblichen Gewohnheiten und Landes-Gesetzen, ein vieles entweder gar nicht oder doch weit geringer, als zum Verkauf angeschlagen wird; In diesen aber die Partheyen unter einander des Preises halber sich vereinigen, oder ihre Güther gegen einander in Anschlag bringen wollen, von ihrem freyen Willen dependirt.

2. Solchemnach sind die Gebäude auf einem Ritter-Guthe bey der Taxe in Venditione necessaria allemahl nach dem wahren Werth, wie solchen die dazu vereydete Werckmeister zur Zeit der Taxe angeben, anzusetzen.

3. Bey allen übrigen aber, wann gleich überhaupt gewisse Reguln gesetzet, wornach in einer Provintz die Commissarii Taxae den Unterscheid der vorkommenden Umstände, als der Fruchtbarkeit des Ortes, der Güte des zu gewinnenden Getreydes, der Situation des Orts,


(358) Dritter Theil. Tit. XLI.

und wie etwas, so daselbst gewonnen wird, durch den Verkauf zum würcklichen Genuß gebracht werden kan, wohl erwegen, und darnach die Taxe mit einrichten; Inmassen keine so allgemeine Reguln von abzufassender Taxe gegeben werden können, die nicht, wegen sonst unvermeidlicher Unbilligkeit, an einigen Oertern ihren Abfall leiden.

4. So ist bey dem Anschlag der Gärten die Frucht und Nutzbarkeit, was sie an Baum-Früchten, und neben diesen an Erd-Gewächsen, oder sonst bringen können, und wie es zu Nuthe zu machen in Consideration zu ziehen, und was über dasjenige, so wegen der Unkosten, und nothwenig zur Haushaltung bleiben muß, zur Taxe zu bringen; und etwa ein drey(-) oder 6(-)jähriger Ertrag zum Fundament zu nehmen und der dritte oder 6te Theil davon anzuschlagen, die Grasung aber bey dem Anschlag des Wiesewachses in Consideration zu ziehen.

5. Bey der Aussaat ist zu erwegen, wie viel, ob das 3te, 4te oder 6te Korn, und ob reine Frucht gewonnen werde, ob die Bracke abgerechnet, oder alle drey Felder gewöhnlich anzuschlagen, und nach solchen Umständen ist die Taxe mit zu richten.

6. Sind Wiesewachs und Grasungen nicht anders, als was zum Verkauf übrig bleibt, nach Fudern besonders anzuschlagen, und das übrige bey der Vieh-Zucht und Schäferey mit in Consideration zu ziehen.

7. Wann Fischereyen nach der Nutzung in Anschlag zu bringen, muß dabey erwogen und in Abgang gebracht werden, was auf des Fischer-Zeugs Unterhaltung, auch nach Gelegenheit des Orts, einen zu haltenden Fischer zu verwenden.

8. Wo Holtzung in Unschlag zu bringen, ist bey dem Mast-Holtz mit zu consideriren, was an jungem Holtz verhanden, so in wenig Jahren tragbar werden kan: Was ohne Ruin der Holtzung und Mastung davon jährlich an Bau(-) und andern Holtz zu verkauffen; auch ob


(359) Dritter Theil. Tit. XLI.

nach Gelegenheit des Grundes an einem Orte besser als am andern, und öfter die Mast geräth, was in der Nachbarschaft an Mast-Geld für ein Schwein, auch, wann allein Buch Mast fället, gegeben werde. Sonst aber wenn aus verhandenen Rechnungen von dem Mast-Ertrag gnugsame Nachricht zu haben, solcher nach Befinden von 6 Jahren oder 9 zusammen zu nehmen, und der 6te oder 9te Theil davon in Anschlag zu bringen. Bey dem Buch(-)Holtz ist in Consideration zu ziehen, was nach Gelegenheit des Orts zu Brenn- oder Nutz-Holtz verkauffet werden kann. Wie denn ein gleiches auch bey den Kiehnen-Heyden, auch anderer Weich-Holtzung nicht ausser Acht zu lassen; dabey jedoch nicht zu vergessen, dasjenige, was etwa auf einem besondern Holtz-Vogt oder Heyde-Läuffer zu wenden, abzuziehen.

9. Wann Ziegel- oder Theer-Ofen-Nutzung (die sich von selbst nicht anders als nach Abzug der dazu erforderten Holtz- und Arbeits-Kosten verstehet) in Anschlag zu bringen, muß der Ertrag von etwa 6 Jahren zum Fundament genommen werden,  wobey aber, wann etwa in einer benachbarten Stadt ein grosser Brand gewesen, und dahin die Ziegel- oder Mauer-Steine zum wieder(-)Anbau verkauffet worden, auf solche Zeit nicht zu sehen.

10. Der Orten, wo die Unterthanen Geld-Zinsen und andere Praestationes geben müssen, ist auf ihren Zustand und Condition zu sehen, ob sie solche richtig abzugeben vermögend oder nicht; und jenenfalls der Aschlag, insonderheit der Geld-Zinsen à 4 pro Cent, sonst aber à 5 pro Cent, und also weniger im Capital anzuschlagen.

11. Bey denen Diensten der Unterthanen ist zwar zuvorderst auf jeden Creyses oder Amts hergebrachte Gewohnheit zu sehen, also wo es Herkommens, daß die Dienste gar nicht in Anschlag gebracht, sondern zu Bestellung des Guths und Ackerbau gerechnet werden, es dabey zu lassen; sonst aber sind die Dienste alle mit in


(360) Dritter Theil. Tit. XLI.

Anschlag zu bringen. Und ob wohl einiger massen mit in Consideration zu ziehen, ob der Eigenthümer die Unterthanen vorher in Dienst-Geld gesetzet gehabt, oder was in der Nachbarschaft die Unterthanen, so gleiche Dienste, bey gleicher Verpflegung, leisten, an Dienst(-)Geld geben, und darnach ein Anschlag gemacht werden könnte. So ist doch solches sehr ungewiß, weil das Dienst-Geld keine allgemeine Grund-Regul hat, wornach es zu setzen, sondern grössesten theils von der Bewilligung beydes der Obrigkeit und Unterthanen dependiret. Die Commissarii Taxae haben demnach bey dem Anschlag der Dienste genau zu untersuchen, ob ungemessene oder determinirte Dienste geleistet werden müssen; und auf diesen Fall, was für extraordinaire Dienste, als in der Erndte, oder andere so genannten Bey-Tagen auch an Korn, Mühlen, Schiff oder andern Fuhren ausserordentlich gethan, auch ob die Bau-Dienste besonders praestirt werden müssen, und wozu: Sie haben zu examiniren, wie Spann- und Hande-Dienste geleistet werden müssen. Ob jene mit 2. 3. 4 Pferden bestellet, und bey den Spann ein oder 2 Personen zum Dienst geschicket, ob eigene Wagen oder ander Geräthe die Unterthanen zum Diest mitbringen und unterhalten müssen: Ob sie bey der Unterthanen Kost geschehen; oder ob die Herrschaft sie speisen oder ihnen Deputat reichen muß, und wie hoch dieses zu nehmen: Sodann muß erforschet werden, wie viel in der Gegend auf dem Lande für eine dergleichen Tage-Arbeit, Reise, oder andere Fuhre, als die Unterthanen leisten müssen, an andere, so dieselbe nicht im Hofe-Dienst thun, bezahlet werde. Nach allen solchen erwogenen Umständen ist endlich der Anschlag der zu leistenden Dienste, mit Abzug der dabey zu verordneten Speise- oder Deputat-Kosten, zu machen; auch wo ein anderes nicht eingeführet, oder vorkommende Umstände erfordern, ein Hand(-)Dienst jedesmahl halb so viel, als ein Spann-Dienst mit zwey Pferden zu schätzen.


(361) Dritter Theil. Tit. XLI.

12. Wann ein Commissarius aestimationis bey einem Guthe mehr oder andere Capita findet, als in denen entworffenen Taxen der Königl. Chur-Lande enthalten, sind solche nichts destoweniger in billigen Anschlag zu bringen, und davon der jährliche Ertrag zum Grunde der Taxe zu nehmen, dergestalt, daß die gehabte Nutzung etwa 6 Jahr, eins dem andern zum besten gerechnet, consideriret, und aus solcher gantzen Summe der 6te Theil in Capital zum Anschlag gebracht werden.

13. Im Fall bey einem zu taxirenden Guth auch die bestellete Winter- oder Sommer-Saat mit verkauffet werden soll, wird selbige besonders taxirt und das ausgesäete Getrayde nach dem zur Zeit der geschehenen Aussaat Marcktgängigem Preise angesetzet, und für die Bestellung, nachdem es zwey- oder dreyfährig bestellet, die Fahre jedes Orts Landüblich angeschlagen.

14. Wann nun solchergestalt der Anschlag fertig, müssen alle Onera, und der Orten, wo nunmehro an statt des Roß-Dienstes vom Pferde 40 Rthlr. gegeben werden, solche à 5 pro Cent gerechnet, 800. Rthlr. dafür von der Summe abgezogen worden. Alle anderen Real-Abgaben an baarem Gelde sind gleichfalls à 5 pro Cent anzuschlagen, Korn und andere Praestationes aber, so abgegeben werden müssen, in solchem Wehrt, wie dergleichen in der Taxe angesetzet, auch wieder abzurechnen.

Lit. A. 2

ad §. 44.

Ohngefehrliches Projekt der Taxe der Güther, so auf Befehl Sr. Königl. Majestät von der Alten-Marck gemachet worden.

1.

Die Gebäude müssen nach dem Zustand, wie sie sich Tempore der Taxe befinden, von Handwercksverständigen taxiret werden.


(362) Dritter Theil. Tit. XLI.

2. Die Gärten können füglich in keine gewisse Taxe gebracht werden, weilen man auf die Consumption der Haushaltung, item ob ein Gärtner darauf gehalten werden muß, auch auf die Situation, an was für Städte das Guth lieget, zu reflectiren hat.

3. Die Fischereyen können ebenfals in keinen ohngefehrlichen Anschlag gebracht werden, weil sie bey denen Güthern different.

4. Die Holtzung ebenfals nicht aus vorangeführten Ursachen.

5. Die Jagdten und Jurisdictionen auch deshalb nicht.

6. Jus patronatus ist in Matre zu 100. anzuschlagen, die Filialen seynd nicht zu rechnen, wo in Matre & Filia ein Patronus ist.

7. Ziegel-Scheuren, Theer- und Kalck-Ofen, Kohlen- und Potasch-Brennen, it. Weinberg, Krug-Verlag und Krug-Gerechtigkeit seynd nach der Nutzung anzuschlagen.

8. Aussaat würde nach Abzug der Braack zu rechnen seyn: Der Winspel Weitzen im guten Lande zu 300 Thlr.

im Mittel-Lande à 250 Thlr.

Der Winspel Rocken im guten Lande zu 200 Thlr.

Im Mittel-Lande à 175 Thlr.

Der Winspel Gersten im guten Lande zu 200 Thlr.

Im Mittel-Lande à 175 Thlr.

Im schlechten Lande à 150 Thlr.

Der Winspel Haber im guten Lande zu 125 Thlr.

Im Mittlern à 100 Thlr.

Im schlechten à 75 Thlr.

Der Winspel Buch-Weitzen durchgehends à 75 Thlr.

Erbsen, Wicken und dergleichen wird nicht gerechnet, weilen solches meistens in der Haushaltung consumiret, auch gemeiniglich in die Braack gesaet wird, dadurch aber der Weyde ein vieles abgehet.

9. Viehzucht vom Rind-Vieh muß so viel gerechnet werden als die Weyde ertragen mag, und man mit eigenen gewonnenen Futter auswintern kan, und ist der dritte Theil nur zur Nutzung anzuschlagen.


(363) Dritter Theil. Tit. XLI.

10. Schwein-Zucht muß nach Proprotion (= Proportion) eines jeden Orths Nutzung in Anschlag gebracht werden.

11. Schäffereyen können das 100. inclusive des Schäfers  5ten Theil, nachdem die Weyde und Ausfutterung ist, auch der Woll-Preiß steiget und fället, à 8. 10. bis 12. Thlr. in jährlicher Nutzung gerechnet werden.

12. Das Feder-Vieh kann nicht gerechnet werden.

13. Das Wiesewachs kan füglich nicht wohl in einen gewissen Anschlag gebracht werden, weilen 1. die Consumption nicht alle Jahre gleich, auch 2. auf die Güte des Heues jedes Orths reflectiret werden muß, auch ob die Oerther des Wasser-Schaden unterworffen sind.

14. Die Wasser-Mühlen müssen nach ihrer Nutzung angeschlagen werden.

15. Korn-Pächte würden zu rechnen seyn nach der kleinen Maasse,

Der Winspel Weitzen à 250 Thlr.

Ein Winspel Rocken à 200 Thlr.

Ein Winspel Gersten à                         150 Thlr.

Ein Winspel gelben Haber à                             100 Thlr.

Ein Winspel bunt oder Rauch-Haber à   75 Thlr.

Ein Winspel Erbsen dem Rocken gleich          

16. Geld-Zinsen wären à 5 pro Cent anzuschlagen.

17. Ein Pacht-Schwein à1 Thlr. 12 Gr., 2 Thlr., auch 2 Thlr. 12 Gr. nachdem selbiges Guth ist.

18. Ein Pacht-Hammel à 20 Gr. bis 1 Thlr.

19. Ein Pacht-Lamm à 8 Gr.

20. Eine Pacht-Gansz à 4 Gr.

21. Ein Pacht-Huhn 1 Gr. 6 Pf. bis 2 Gr.

22. Ein Schock Pacht-Eyer à 4 Gr. bis 6 Gr.

23. Der Korn- und Fleisch-Zehend ist steigend und fallend, kann dahero auf nichts gewisses gesetzet werden.

24. Wegen der Spann-Dienste würde zu rechnen seyn,

Ein 4 tägiger Dienst in jeder Woche à              250 Rthlr.

Ein 3 tägiger zu                                                200 Rthlr.

Ein 2 tägiger zu                                                150 Rthlr.


(364) Dritter Theil. Tit XLI.

Ein 1 tägiger à  100 Rthlr.

25. Die Cossäten- oder Hand-Dienste werden jedesmahl zur Hälfte gerechnet.

Die Reise- und Korn-Fuhren nach der Weite und Last, so gefahren wird.

Notata Generalia.

1. Die Onera realia, wie sie Namen haben, müssen von der Taxe abgezogen werden.

2. Bey Taxe der Güther ist hauptsächlich zu observiren, daß selbige bey einen Erb- oder Wiederkauf, oder wenn  sie ad concursum kommen, oder wenn selbige an die Vettern verfallen, in ganz andere Taxe zu bringen sind, als wenn selbige unter Brüder im Anschlag gebracht werden, da man ordinair sich sodann ex aequo & bono vergleichet; wornach der Anschlag der Gebäude auch zu reguliren ist.

3. Muß nicht weniger beobachtet werden, ob die Güther nahe oder weit von grossen Volkreichen Städten belegen, weilen die Ersteren ihren Zuwachs besser  verlosen können als die andern. Saltzwedel, d. 22. Feb. 1720.

Lit. A 3.

ad § 44.

Projekt der Taxe, so auf Befehl Sr. Königl. Majestät von der Mittel-Marck, wie auch den Storck- und Beeßkowischen Creyß gemachet worden.

1.

Die Gebäude müssen nach dem Zustand, wie sie sich tempore der Taxe befinden, von Handwercks-Verständigen, welche zu dem Ende zu vereyden sind, taxiret werden.

2. Die Gärten müssen taxiret werden nach ihrer Grösse und Güte, und wird solches dem Arbitrio Taxatorum anheim gegeben.


(365) Dritter Theil. Tit. XLI.

3. Bey der Aussaat sind gewisse Classen zu formiren.

Ein Winspel Weitzen im guten Lande wird

angeschlagen 400 Rthlr.

Im mittlern Lande 300 Rthlr.

Im schlechten Lande 250 Rthlr.

Ein Winspel Rocken im guten Lande 300 Rthlr.

Im mittlern 250 Rthlr.

Im schlechtern Lande 200 Rthlr.

Das gute Land wird davor gehalten, welches das 6te Korn und drüber bringet.

Das Mittlere, welches das 4te und 5te bringet.

Das Schlechte, welches das 8te Korn bringet.

Solte sich aber noch schlechtere Land finden, welches nicht das dritte Korn tragen könte,

wird solches nicht höher als 150 Rthlr. zu taxiren seyn.

Ein Winspel Gersten Aussaat im guten Lande 300 Rthlr.

Im mittlern 250 Rthlr.

Im schlechtern 200 Rthlr.

Ein Winspel Haber-Aussaat im guten Haber-Lande 150 Rthlr.

Im mittlern 100 Rthlr.

Im schlechten 75 Rthlr.

Welches der Taxator nach vorkommenden Umständen, insonderheit nach dem Eintrag des Rockens, und der dabey gemachten Classen, zu determiniren hat.          

Buchweitzen wird den Haber gleich taxiret.

Ein Winspel Erbsen oder Wicken, so in denen ordentlichen Saat-Feldern gesäet wird, ist der Gerste gleich anzuschlagen.

In denen Brachfeldern aber wird er durchgehends zu 200 Rthlr. taxiret.

Ein Scheffel Lein-Saamen 20 Rthlr.

Ein Scheffel Hanf-Körner 20 Rthlr.

Ein Scheffel Hirse 160 Rthlr.

Wüste und bewachsene Acker werden zur Helfte angeschlagen.


Dritter Theil. Tit. XLI.

Imgleichen wüste Bauer- und Cossäthen-Höfe.

4. Anlangend die Vieh-Zucht, wird à l’ordinaire von dem Rind-Vieh die Helfte zu Mulcken, und die andere Helfte zu Güsten-Vieh gerechnet: Es wäre dann, daß zu Bestellung des Ackers viel Zug-Vieh gehalten werden müste, alsdenn nach dem Arbitrio Taxatorum auch wohl das dritte oder vierte Theil zu Mulcken-Vieh angeschlagen werden könte.

Das Mulcken-Vieh soll nach Beschaffenheit der Hütung, zu 2. 3. bis 4 Thlr. angeschlagen, und das Heu besonders taxiret werden.

Das Güste-Vieh, so ausser dem Zug-Vieh und den Einjährigen Kälbern zu verstehen, als welche in keine Taxe gebracht werden, soll das Haupt zu 8. bis 12. gr. angeschlagen werden.

5. Bey der Schweine-Zucht wird wenigstens die Mandel zu 2. Thlr. Abnutzung angeschlagen, jedoch wird hierbey dem Arbitrio Taxatorum überlassen, daß sie pro varietate circumstantiarum, wann zum Exempel Brau-Krüge oder gute Brücher verhanden, oder sonst gute Nutzung von der Schweine-Zucht zu hoffen, in der Taxe höher gehen können.

Die Ferckel so kein Jahr alt, werden hierunter nicht verstanden.

6. Wo Stuttereyen verhanden, kommt, nach Abzug der darauf anzuwendenden Unkosten, der jährl. Zuwachs davon in Anschlag.

7. Schaaf-Vieh wird das hundert zu 6. 8. bis 10. Thlr. angeschlagen, und das Heu besonders taxiret.

8. An denen Orten, wo zuläßig, Ziegen zu halten, ist nicht unbillig, daß drey mülckende Ziegen gleich einer Kuh angeschlagen; Die Böcke aber und der Zuwachs das Stück à 6 Gr. taxiret werden, worunter doch die Häcken nicht mit zu rechnen.

9. Das Wiesewachs muß distinguiret werden, nach seine Güte und Nutzbarkeit, das beste könnte taxiret werden.


(367) Dritter Theil. Tit. LXI.

Ein gemeines Fuder ungemähet zu 1 Thlr. 8 gr.

und das grobe Futter zu 116 gr.

Wann aber wegen verhandenen Wassers guter Nutzen daraus zu nehmen, können dieselben nach Gutfinden der Taxatorum höher in Anschlag gebracht werden.

10. Die Gänse-Zucht wird angeschlagen die Mandel zu 8 gr.

11. Wegen des übrigen Feder-Viehes an Kalkunen, Endten und Hüner, wie auch wegen des Taubenschlages wird Taxator zu consideriren haben, wie hoch es jährlich genutzet, und folgbar in Anschlag gebracht werden kann.

12. Der Bienen-Stand wird von Einem in 6. nach einander folgenden Jahren genommenen Ertrage in Anschlag gebracht.

13. Ein Spann-Dienst, so nicht gespeiset wird, es sey mit 2. oder 4 Pferden ist vor jeden Tag wochentlich zu 100 Thlr. angeschlagen, und wird solche Taxe nach Proportion von 2. 3. 4. 5. bis 6 Tagen um so viel höher gesetzet.

Wann nun von denen Unterthanen nur gewisse Tage durchs gantze Jahr gedienet werden, kan die Taxe nach eben dieser Proportion leicht ausgefunden werden.

14. Ein Hand-Dienst, so nicht gespeiset wird, wird halb so hoch angeschlagen.

Sollte aber ein Cossäthe schuldig seyn, selb ander zu dienen, muß solches billig consideriret werden.

Heede-Spinnen, wo solches ausser Hofe-Dienste gethan wird, ist zu taxiren nach jedes Orts Oblervantz.

15. Wegen der Speisung wird wenigstens der fünfte Theil vom Hand-Dienst abgezogen, wenn der Untherthan die Speisung durch den gantzen Tag geniesset: Und nach gleicher Proportion wird der zehende Theil bey den Spann-Diensten wegen der Speisung abgezogen.

16. Die Korn-Pächte werden nach ietzigen Maaß der Winspel Weitzen zu 15 Thlr.


(368) Dritter Theil. Tit. XLI.

Der Winspel Rocken und Gerste 12 Thlr.

Der Winspel Haber zu 6 Thlr.

angeschlagen.

Erbsen werden den Rocken gleich, und

der Scheffel Rüben zu 8 gr. taxiret.

17. Die Geld-Zinsen, worunter auch Zappen-Zinß gehöret, werden zu 4. pro Cent angeschlagen.

18. Ein mageres Pacht-Schwein 2. bis 1 Thlr.

Ein fettes Müllen-Schwein wird nach der Observantz jedes Orts angeschlagen.

Ein Pacht-Hammel 20 gr. bis 1 Thlr.

Ein Pacht-Lamm 8 bis 12 gr.

Eine Pacht-Gantz 4 bis 5 gr.

Ein Pacht-Huhn 1 ½ bis 2 gr.

Eine Mandel Pacht-Eyer 2 gr.

19. Der Korn-Zehend an Rocken und Gersten, wird

Eine Mandel à 12 bis 16 gr. angeschlagen.

An Weitzen zu 16 bis 20 gr.

An Haber zu 6 bis 8 gr.

20. Fleisch-Zehend wird angeschlagen, nachdem er tragen kan.

21. Reise- und Korn-Fuhren, so ausser Hofe-Dienst geschehen, werden à 3 gr. par Meile vor einen halben Winspel schwerer Last angeschlagen, jedoch wird denen Taxatoribus frey gelassen, nach vorkommenden Umständen bey dieser Taxe zu variiren.

22. Die Harthöltzung, wird nach dem Ertrag von 9. Jahren in Anschlag gebracht, sowol nach der Mastung als Holtzung.

Kiehnen, Elsen, Bircken und übriges Weichholtz wird angeschlagen nach Beschaffenheit der  jährlichen Abnutzung.

Sind es aber bewachsene Ländereyen, so zum Acker-Felde gehören, kommet solche mit zum Acker und zur Aussaat im Anschlage, und wird nur abgezogen, was die Räumung kostet.

23. Fischerey wird nach dem Ertrag angeschlagen.


(369) Dritter Theil. Tit. XLI.

24. Hohe Jagten, werden 200 Thlr. und Nieder-Jagten 50 bis 100 Thlr. angeschlagen.

25. Jurisdiction wird zu 50 bis 100 Thlr. angeschlagen.

26. Jus Patronatus in Matre 100 Thlr.

in Filia  50 Thlr.

27. Ziegel-Scheune, Theer-Ofen, wie Krug-Lage und Brau-Gerechtigkeit wird nach der Nutzung angeschlagen.

28. Die Onera Realia, als Lehn-Pferde, und was sonst an baaren Gelde entrichtet werden muß, werden à 4 pro Cent angeschlagen, und von der Taxe abgezogen.

Wenn aber Korn oder andere Früchte von einem Guthe Jährlich entrichtet werden müssen, wird solches auf gleicher Weise in Abzug gebracht, wie es zuvor in Taxe gekommen.

29. Hierbey ist zu erinnern, daß überhaupt der Anschlag à 5 pro Cent zu machen, ausser denen Geld-Zinsen, welche à 4 pro Cent angeschlagen werden.

30. Die Taxe soll eigentlich pro norma dienen, wenn ein Concursus Creditorum entstehet, als wohin wir durch die allergnädigste Königl. Verordnung vom 25. Oktobr. 1718. verwiesen sind; Jedoch kann solche gleichfals gebrauchet werden, wenn Brüder und Schwestern sich auseinander setzen wollen, wiewol mit der Exception, daß die Gebäude und andere Stücke, so in der Constitution ausgenommen worden, sodann nicht mit in Anschlag gebracht werden.

Berlin den 15. Jnn. 1719,

Sämtl. Land-Räthe der Mittel-Marck, wie auch Storckow und Beeßkow (et)c.


(370) Dritter Theil. Tit. XLI.

Lit. A. 4.

ad § 44.

Project der Taxe, so auf allergnädigsten Königl. Befehl von der Uckermarck gemachet.

Bey dem fundamento regulativo, wornach die Taxen des Landes künftig formiret werden sollen, würde generaliter zuvorderst zu notiren seyn: daß bey diesen Werck nur lediglich

die Absicht dahin gehe, dass bey denen Concursibus Creditorum, da propter urgens aes alienum ein Guth distrahiret werden muß, oder auch bey Brüderlicher und Vetterlicher Theilung, da die Erben ratione pretii sich in Güte nicht aus einander setzen können, solche, jedoch vorbehaltlich desjenigen, was die neue Constitution desfals in gewissen Fällen disponiret, nur statt finden könne: keinesweges aber bey freyer Verkauffung der Güther jemanden binnen oder nach solchen Anschlage das Seinige abzutreten obligiren solle. Wann dieses feste gestellet, würde die Land-Taxe in der Uckermarck folgendergestalt zu reguliren seyn.

1. Die Gebäude müssen in dem Zustande, in welchen sie sich befinden, von Handwerckers verständigen taxiret werden.

2. Gärten müssen gleichmäßig nach ihrer Grösse, Güte, it. nach ihrer Anlage und Einrichtung angeschlagen und von Artis Peritis taxiret werden. Dabey dann in Concursibus nichts vor die Wirthschafft abzuziehen, sondern alles, was der Garten geschätzet werden kan, billig anzuschlagen: massen die Wirthschaffts-Führung denen Creditoribus nicht angehet, überdem solche auch sehr different, und pro varietate circumstantiarum bald mehr bald weniger erfordert.

3. Bey der Aussaat würde zu arrendiren seyn, ob nur bloß das Land, oder auch die würcklich bestellete Saat nebst dem Lande in Anschlag zu bringen. Da denn


(371) Dritter Theil. Tit. XLI.

4. Ein Winspel Weitzen ohne bestellete Saat, das blosse Land nur gerechnet, anzuschlagen 250. Thlr.; solte aber an einigen Oertern nur Mittel-Land seyn, auch nur wenig Weitzen gesäet werden können, würde darauf Reflexion zu nehmen, und der Anschlag etwas weniger zu machen seyn. I. Winspel Weitzen, so würcklich bestellet, wird, ausser obiger Taxe, nach billigem Preise, nebst dem Acker-Lohn à Morgen 1 Thlr. à parte angeschlagen.

5. Ein Winspel Rocken ohne Saat - 200 Thlr. ist aber die würckliche Saat dabey wird solche à parte, imgleichen das Acker-Lohn à Fahre 4 Gr. angeschlagen. Hiebey würde aber ein Unterscheid zu machen, und in dem rechten guten Acker obige 200 Thlr., in den schlechtern nur 150. auf einen Winspel zu rechnen seyn, welches alles der vernünftigen Beurtheilung des Taxatoris zu überlassen.

6. Ein Winspel grosse Gerste - 200 Thlr.

Im schlechtern Lande - 150 Thlr.

Wobey aber auch der Einfall, wann das Land würcklich besäet ist, nach billigem Preise, und das Acker-Lohn à Fahre 4 Gr. absonderlich zu taxiren.

7. Haber im guten Lande - 125 Thlr.

Im schlechtern - 100 Thlr.

Ratio, warum der Haber so hoch angeschlagen, ist, daß zu solchem annoch mehr Land als zur Gerste erfordert wird, auch in Haber-Land, wann solches nur guten Grund hat, und gemistet wird, Gerste gesäet werden kann; Solte es aber so schlecht seyn, daß es auch durch Mistung zur Gerste nicht wohl zu adaptiren, würde der Winspel nur anzuschlagen seyn zu 70 Thlr. Wegen der Saat ist eben dasjenige, was bey der Gerste erinnert, zu attendiren.

8. Bey den Erbsen ist ein Unterscheid zu machen, ob solche in den Sommer-Feldern oder in die Bracke gesäet werden; auf den ersteren Fall würden dieselbe dem harten Korn gleich zu halten seyn; auf dem letzteren würden solche gar in keinen Anschlag kommen, weil die Bracke

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(372) Dritter Theil. Tit. XLI.

zur Hütung gehöret, auch im selbigen Jahre in selbiges Land wieder Rocken gesäet wird. Dafern aber an einigen Oertern Weyde genug, und man gewohnet in die Bracke die Erbsen zu säen, würde daselbst nach Billigkeit was anzusetzen seyn.

9. Buchweitzen wird dem Haber gleich geachtet.

10. Wegen der Vieh-Zucht würde ein Unterscheid zu machen seyn, ob viel Weyde an einem Ort verhanden, und man den Numerum des zu haltenden mülckenden Viehes gewiß wissen könne; auf solchen Fall dabey zu bleiben. Solte man aber nicht gewiß wissen, wie viel mülckendes und güstes Vieh zu halten; So würde an den Oertern, da gute Weyde ist, die Helffte von dem Vieh, was ausgewintert werden kann, zum Mulckenden, die andere Helffte zum güsten Vieh; an den Oertern, da schlechtere, das dritte Theil, da noch schlechtere das vierte Theil zu mülckenden Vieh, das übrige aber vor güsten anzurechnen, und auf das Mulckende 1. 2. 3. 4. Thlr. anzuschlagen seyn; von den güsten Vieh würde an den Oertern, da gute und mittelmäßige Vieh-Zucht und Weyde ist hinwieder 1/3 oder 1/4 à 1. 2. 3. Thlr. anzuschlagen seyn. Wann aber keine Weide sonderlich verhanden, bleibet solches ausser Anschlag: Welches alles Beurtheilung des Taxatoris anheim zu lassen.

11. Die Schweine werden nach Beschaffenheit der Güter angeschlagen: wo Heyden vorhanden, kann auf die Schweine-Zucht nicht reflectiret werden, weilen solche in der Taxe der Heyden schon mit begriffen; Wann aber gute Bruch-Mast sich findet, als bey denen Oder-Dörffern, wird nach dem Nutzen, so daraus zu ziehen, auch der Anschlag formiret; ausserdem aber wird insgemein von dem zuhaltenden Quanto der Schweine 1/3 zur Abnützung gerechnet, und à Stück 12. 16. bis 18. gr. geschlagen; Ist aber die Condition des Orts sehr schlecht, so daß im Winter und Sommer die Schweine mit Korn unterhalten werden müssen, wird darauf entweder gar


(373) Dritter Theil. Tit. XLI.

nicht reflectiret, oder auch nur ein sehr weniges angesetzet.

12. Bey denen Schäffereien ist ein Unterscheid zu machen, ob gute Weyde vor die Schaafe verhanden, oder ob solche nur schlecht; ingleichen ob das Heu zur Auswinterung auf dem Felde zu werben, oder ob solches erkauffet werden müsse, in den beyden ersteren Fällen, kann das 100. Schaafe angeschlagen werden auf 12. à 14. Thlr. auf den letzteren 10. à 12. Thlr.

Dieses aber ist zu verstehen von Schäffereyen so auf Ritter-Acker gehalten werden, auf Bauer-Acker werden solche weniger im Anschlag kommen.

13. Der Heuschlag stecket schon unter der Taxe des Viehes, solte aber an einigen Orten so viel seyn daß etwa verkauffet werden könnte, würde das Futter so annoch nicht geworben, anzuschlagen seyn auf : 1 Thlr.

14. Die Dienste müssen nach denen Aeckern und dabey gegebenen Hofwehr consideriret werden: da denn ein Bauer im guten Acker, so drey Hufen und völlige Bewehrung nebst den Pächten hat, anzuschlagen zu 600 Thlr.

In denen geringern Aeckern, da die Dienste nicht so considerabel seyn können, würde ein Bauer mit Hufen und Hofwehr auf : : 500 Thlr.

auch wohl : : 4. bis 300. Thlr.

Wiewol auch dieses nicht so gewiß gesetzet werden kann, sondern das sicherste ist, daß die Qualität und Quantität der Hufen wol überleget, die Hoffwehr taxiret, und darnach die Dienste und Anschlag reguliret werden. Bey wüsten Höfen würde nur blosser Dinge auf den Acker zu reflectiren, und anzuschlagen seyn wie viel in statu praesenti solcher tragen könte.

15. Wegen der Hand-Dienste und Cossäten würde auch schwerlich was gewisses zu setzen seyn, sondern alles darauf ankommen, ob der Cossäthe Land im Felde oder nur Achter-Höfe hat: Ob er Hoffwehr erhalten oder nicht: imgleichen ob er gespeiset wird oder bey seiner Kost

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(374) Dritter Theil. Tit. XLI.

diene; da dann nach dem Nutzen auch der Anschlag billig zu machen, auch solches alles auf das Arbitrium vernünftiger und erfahrner Taxatorum ankommen müste. Mit denen wüsten Höfen wird es so, wie bey den Bauer-Höfen erwehnet, gehalten.

16. Die Geld-Pächte werden 4 pro Cent angeschlagen.

17. Ein Pacht-Schwein 2. bis 3 Thlr.

18. Ein Pacht-Hammel 20. gr. bis 1. Thlr.

19. Ein Pacht-Lamm 8. gr.

20. Eine Ganß : 4. à 5. gr.

21. Ein Huhn 1 1/2. gr.

22. Fleisch-Zehenden wird nach dem was es träget angeschlagen.

23. Reise- und Korn-Fuhren werden angeschlagen nach der Weite und Last der zuthuenden Fuhren.

24. Wegen der Holtzung ist zu consideriren, ob es hartes und Mast-tragendes Holtz, oder ob es nur weiches und Brenn-Holtz ist: auf dem ersteren Fall wird der Ort und Morgen-Zahl übermessen, und nachdem die Mastung und Holtz sich tragsam und gut befindet die Morgen 5. 6. 7. bis 10. Thlr. angeschlagen: und den letzteren Fall ist darauf zu reflectiren; ob aus dem Ort viel oder weniges Jahrl. zu verlösen? ob es theuer oder wohlfeil verkauffet werden könne? da denn, pro varietate circumstantiarum, auch auf die Morgen ein billiges gesetzet, und nach dem jährlichen Ertrag reguliret wird. Sind es aber Ländereyen so zum Acker-Felde gehören, kommet solches mit zum Acker und zur Aussaat im Anschlage, und wird nur abgezogen was die Räumung kostet.

25. Fischerey wird nach dem Nutzen angeschlagen, it. die Jagden.

26. Jus patronatus in matre : 100 Thlr.

in filia : 50 Thlr.

27. Jurisdiction wird nach der Grösse der Dörffer und nach dem Nutzen angeschlagen.

28. Ziegel-Scheune nach dem Nutzen.


(375) Dritter Theil. Tit. XLI.

29. Brau- und Krug-Gerechtigkeit nach der Abnützung.

30. Ein Lehn-Pferd wird taxiret 1000. Thlr. und 4 pro Cent angeschlagen.

Prentzlau, den 12. Febr. 1719.

Lit. A. 5.

ad §. 44.

Project zu der Güter-Taxe in denen Sieben Neumärckischen und Sternbergischen Creysen.

Die Einrichtung dieses Projects ist in V. Theile, und jeder derselben hinwieder in gewisse Titulos abgetheilet, und dabey dem AEstimatori deutliche Anweisung gegeben worden, nicht nur was er bey jedem Stücke zu observiren, sondern auch wie er ein Guth förmlich zu taxiren habe, und hat man unnöthig gehalten weitläuftige Meldung zu thun, auf was Art der AEstimator von demjenigen Orte, so er in Anschlag bringen soll, die Wissenschaft erlangen könne und möge; Massen praesupponiret wird, daß hierzu gute und erfahrne Wirthe müssen gebrauchet werden, welche dann der Haus-Bücher und Register der Unterthanen und Dienst-Bothen eydlicher Aussage, der alten Anschläge und Pensions-Contracten, und was dergleichen Nachrichten mehr seyn, nebst der Ocular-Inspection und guter tüchtiger Handwercks-Leuthe, bey Anschlägen der Gebäude, sich jedes mahl pro re nata schon selbst sonder Vorschrift bedienen werden.

Die I. Abtheilung.

Handelt vom Unterscheid der Anschläge, so in 3. Casibus oder Classen bestehen.

Die II. Abtheilung.

Disponiret von denen Abnutzungen der Güter, welche in gewisse Titul gebracht sind.

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(376) Dritter Theil. Tit. XLI.

Die III. Abtheilung.

Zeiget an diejenige Stücke, so zum Capital bey Anschlägen und nicht zur jährlichen Abnutzung müssen gesetzet werden.

Die IV. Abtheilung.

Was vor Abzüge und Abgänge sich insgemein bey Gütern finden, worauf der Taxator allerdings zu sehen hat, und welche er dem pretio aestimato, ehe und bevor er die Summam der Taxae ziehet, abkürtzen muß.

Die V. Abtheilung.

Stellet vor ein Exempel, wie der Anschlag von einem Guthe auszuarbeiten sey, unter einem fingirten Guthe, deme man fast alle Regalien zugeeignet hat.

Die I. Abtheilung.

Vom Unterscheid der Anschläge.

Dieselbe bestehen in drey Casibus oder Classen, nach welcher der AEstimator das taxirende Guth in Summam zu bringen hat.

Casus Imus, oder die erste Classe ist, wenn Güther zu taxiren, da Brüder und Schwestern aus einander gesetzet, und letztern dos constituiret werden muß; hiebey werden nun

(a) Billig diejenigen Stücke, so keinen usum-fructum bringen, nur gar geringe oder gar nicht angeschlagen, damit erstere, welche den Namen der Familie weiter fortpflantzen, dabey auch ihr Conto finden, und nicht in tiefe Schulden gesetzet, auch dadurch Familiae einigermassen prospiciret werden möge.


(377) Dritter Theil. Tit. XLI.

(b) Müssen die Einkünfte derer Güter mit 6 pro Cent zum Capital gerechnet werden, massen selbige vielen Casibus fortuitis unterworffen, welche post traditionem auf die Brüder allein fallen.

(c) Dienet AEstimatori zur specialen Nachricht, daß sodann das Wohn-Haus und die Jagten nur gar leidlich, die Summe von Hof-Lagen, Jurisdiction und Jus Patronatus aber nur wie ein todtes Capital anzusehen, und blos dem Namen nach der Taxae zu inseriren seynd.

Casus II. oder die zweyte Classe Güther zu taxiren wäre.

(a) Wenn Brüder under sich selbst ihre Väterliche und Groß-Väterliche adeliche Güther theilen wollten.

(b) Oder wenn ein Guth per aperturam an einem proximiorem Agnatum secundum provisionem primi acquirentis geöfnet wird, und auch

(c) Wenn das Guth bey Aufhebung der Lehnbarkeit zwischen Ihro Königl. Majestät und Dero Vasallen einen Possessorem gehabt, dessen Familie auf zwo Augen bestanden und Ihro Königl. Majestät jemand darauf expectiviret hätten, und denen Land-Erben ihre Abfindung aus denen geöfneten Güthern nach Provision Ihro Königl. Majestät allergnädigsten Assecurations(-)Recessus, und der neuen Landes-Constitution müste gegeben werden.

In allen diesen dreyen Fällen wird sodann die Abnützungs-Summa mit 5 pro Centum zum Capital gerechnet, und werden auch diejenigen Stücke, so bey dem ersten Casu sub (c) gar nicht, oder nur zum Theil, allhier der Billigkeit nach vollkommen angeschrieben und zum Capital angeschlagen.

Casus III. Oder die dritte Classe, so bey der AEstimation zu beobachten, ist dieser, wenn Güther ob concursum Creditorum in Anschlag zu bringen, und der Wittwen und Kinder ihr Mütterliches heraus zu zahlen wäre, wozu der Possessor durch Armuth, Unglücks-Fälle, oder übele Disposition seiner Vor-Eltern und Administratoren gar leichte

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(378) Dritter Theil. Tit. XLI.

gedeyen könnte: Auf solchen Fall soll AEstimator den Anschlag zu 4 pro Cent reguliren, damit dem Possessori oder seinen Erben noch etwas zu Dero Unterhaltung übrig gelassen, auch denen Creditoribus selbst dadurch geholfen werden möge.

Es seynd auch sodann alle und jede bey einer AEstimation vorfallende Stücke nach ihrem Werth zu arbitriren, und muß sowohl auf die Regalien als auf die Abnutzung, was selbige gewehren können, vollkommen ihren Wehrt nach reflectiret werden.

Die II. Abtheilung.

Tit. I.

Von denen jährlichen Gefällen und Abnutzungen.

Hierbey wird pro fundamento gesetzet, daß 1. Ein

Scheffel Weitzen angeschlagen wird à 20 Gr.

2. Ein Scheffel Rocken à - 12 Gr.

3. Ein Scheffel grosse Gersten à - 12 Gr.

4. Ein Scheffel kleine Gersten à - 10 Gr.

5. Ein Scheffel Erbsen à - 12 Gr.

6. Ein Scheffel Haber à - 8 Gr.

7. Ein Scheffel Buchweitzen à - 8 Gr.

8. Ein Scheffel Wicken und Bohnen à - 12 Gr.

9. Ein Scheffel Lein-Saamen so jährlich (ausgesäet werden können) à 2 Thlr.

10. Ein Scheffel Hanffkörner (so jährlich) ausgesäet (werden können) 1 Thlr.

11. Eine Metze Hirse (so jährlich ausgesäet) werden können. à 1 Thlr.

Wie solche Stücke aber anzuschlagen, davon disponiret die V. Abtheilung mit mehrerm.

Tit. II.

Abnutzung vom Rind-Vieh.

Es würde der AEstimator sich in loco erkundigen müssen, wie viel Haupt in dem zu aestimirenden Guthe zu gemeinen Jahren ausgefuttert werden könnten, in was


(379) Dritter Theil. Tit. XLI.

vor Pöste solche bestehen, und ob selbiges guten Stand daselbsten habe oder nicht, da denn eine trächtige Kuh an Orten, wo gute Weyde und nahe Trifften verhanden zu 3 bis 4 Thlr. wo mittlere Weyde 2 bis 3 Thlr. 12 Gr. und wo nur schlechte Weyde 1 Thlr. 12 Gr. zur jährlichen Abnutzung zu rechnen; jedoch müssen vorhero so viel Stück als zur Wirthschaft nöthig, wie auch die Zug-Ochsen und ein Viertel Güste von der Zahl abgezogen werden, so der Taxator nach des Ortes Beschaffenheit zu arbitriren hat, als wovon auch noch hinten unter denen Abzügen mehrere Anweisung gegeben worden. Der übrige Zuwachs, inclusive dem güsten Vieh, ist nach Bonität der Weyde des Haupt von 8 bis 16 Groschen anzuschlagen, das Zug-Vieh aber kan gar nicht in Anschlag gebracht werden, vielmehr ist dieserwegen an Oertern, wo kein jung Vieh zugezogen werden kan, ein gewisses Geld jährlich hierzu auszusetzen, und von denen Proventibus des Guthes abzuziehen, es muß aber sothanes Quantum nur in wenigen bestehen, denn hauptsächlich ein bonus pater familias dahin zu sehen hat, daß er sein Zug-Vieh nicht zu alt werden lasse, sondern vielmehr zu rechter Zeit solches verlose und an dessen Stelle jüngeres wiederum ankauffe.

Tit. III.

Von der Schäferey und deren Abnutzung.

Hierbey ist zu attendiren, ob die Schaafe an dem zu aestimirenden Orte guten Stand haben, oder nicht: Ob gute Trifften und Heyde-Kraut daselbst vorhanden, wie viel zu gemeinen Jahren ausgefuttert werden können, und ob zureichender Heuschlag bey sothanem Guthe befindlich sey, oder noch etwas und wie viel angekauft werden müsse: ob des Sommers zureichende Weyde verhanden, und ob die Wolle in der Schäferey sein oder schlecht falle. Bey sothaner vorgenommenen Erwegung und darauf erhaltenen sichern Nachricht, würde diesemnach der aequitabelste Modus eines Anschlages seyn, daß nach


(380) Dritter Theil. Tit. XLI.

Abzug des Schäfers und Knecht Gehalt-Vieh des Deputats, und des auf der Schäferey zureichenden Saltzes und zu kauffenden Heues die Abnutzung inclusive der Mulcken-Pacht, davon folgenderstalt in denen Städten Soldin, Königsberg, Landsberg, Friedeberg und zum Theil Arenswaldischen Creysen ein Stück Schaaf zu 8 bis 9 Gr. In dem übrigen Theil des Arenswaldischen Creyses, item denen Dramburg- und Schievelbeinischen Creysen das Stück zu 6 bis 7 Gr. In dem Sternbergischen und Crossenschen zu 9 bis 10 Gr. In denen Züllichow(-)und Cottbusischen Creysen zu 11 bis 12 G. nach der Bonität der Wolle angeschlagen werde. Das Weyde-Geld vor des Schäfers und Knechts Schaafe, auch wo von Schäfern an theils Orten Hufen-Schoß gegeben wird, hat der AEstimator mit zu der Abnutzungs-Summa zu setzen, und ein solches derselben, jedoch sub speciali nomine, zu addiren.

Tit. IV.

Von den Ziegen.

An denen Orten, wo zuläßig Ziegen zu halten, ist nicht unbillig daß drey Mülcke Ziegen gleich einer Kuhe gerechnet, die Böcke aber und der Zuwachs das Stück 8 Gr. angeschlagen und davon dasjenige abgezogen werde, was denen Hirten gegeben werden muß, davon AEstimatori beym II. Tit. bereits die benöthigte Anweisung gegeben.

Tit. V.

Von der Schweine-Zucht.

Was dieselbe anbetrift, so ist solche nach eines jeden Ortes Situation und Gelegenheit zu arbitriren, und kommt solche in höhern Werth und Anschlag, wenn entweder bey Güthern gute Brau-Krüge verhanden, oder aber selbige an Eich- und Buchhöltzer oder sonst an guten Gebrüchen belegen, als wenn solche mit puren Getreyde unterhalten werden müssen, auf erstern Fall und absonderlich wo gute Brau-Krüge seyn, könnte die Mandel zu


(381) Dritter Theil. Tit. XLI.

3 bis 4 Thlr., auf letztern Fall aber nur zu 1 Thlr. 12 Gr. bis 2 Thlr. geschätzet werden, wovon doch diejenige Stücke, so zur Wirthschaft von Noth, vorher abzuziehen.

Tit. VI.

Von der Gänse-Zucht.

Weil dieses Vieh viele Wartung und auch zu seinem Unterhalt ein grosses gebrauchet, als ist es eben nicht in grosse Consideration zu ziehen, zumahlen auch selbige aus der Wirthschaft nicht wohl zu entrathen; jedennoch ist an Oertern, wo Wasser vorhanden, die Mandel à 16 Gr. bis 1 Thlr. in Anschlag zu bringen und nicht gäntzlich zu praeteriren.

Tit. VII.

Von allerhand Feder-Vieh.

Weil zu dero Futterung ein vieles erfordert wird, die Abnutzung davon auch ungewiß und mißlich ist, so wird selbiges billig mässig in keinen Anschlag gebracht, sondern zur Wirthschaft gerechnet.

Tit. VIII.

Von dem Bienen-Stand.

Derselbe wird von einem in sechs nach einander folgenden Jahren genommene Ertrage, ein Jahr dem andern zu Hülfe gerechnet, und ein sechsten Theil zu eines Jahres Abnutzung angeschlagen.

Tit. IX.

Von Stutereyen.

Wo solche verhanden, kommt nach Abzug der daraus anzuwendenden Unkosten, der jährliche Zuwachs davon in Anschlage.

Tit. X.

Von den Mühlen.

Die Mühlen-Pächte, imgleichen das Weide-Korn, was aus diesen Gefällen dem Possessori zufällt, wird vor


(382) Dritter Theil. Tit. XLI.

den Preis angeschlagen, wie die I. Abtheilung Tit. I. davon disponiret. Mühlen-Gerechtigkeit aber, wo Mühlen noch anzulegen stehen, können nach des Ortes Gelegenheit und der Mahl-Gäste so dazu gehören, 1. 2. bis 300 Thlr. angeschlagen werden.

Tit. XI.

Von Schneide-Mühlen.

Die Schneide-Mühlen können nicht anders angeschlagen werden, als was selbige ertragen können, was aber zur jährlichen Unterhaltung derselben erfordert wird, davor wird zuvor etwas gewisses ausgesetzet, imgleichen was etwan dem Müller an Deputat-Korn und Gelde jährlich gereichet werden muß. Ein Sage-Block aber, so der Herrschaft frey geschnitten wird, wird mit 8 Gr. angeschlagen.

Tit. XII.

Von Gärten.

Dieselben seynd indistincte nicht anders als nach ihrem Ertrage anzuschlagen, und muß vom Aestimatore genau indagiret werden, was solche etwa in 6 Jahren nach Abzug dessen, was zu Unterhaltung derselben jährlich angewandt werden muß, genutzet, und davon 1/6 Theil zu eines Jahres Abnutzung in Anschlag gebracht werden, worunter auch nicht unbillig die in dieser Provintz an einigen Orten gelegene Weinberge mit zu rechnen sind.

Tit. XIII.

Von denen Krügen.

Bey dem Anschlage der Krüge ist ein Unterscheid zu machen unter Erb-Brau- und Schanck-Krügen. Bey erstern, worauf die Possessores selbst brauen lassen, ist nicht unbillig, daß jede Tonne auf 8 gute Groschen angeschlagen werde; jedoch müssen sodann 1. keine Gerste ferner in Anschlag gebracht und zum Brauen ausgesetzet, auch 2.


(383) Dritter Theil. Tit. XLI.

das Brau-Geräthe nicht abgezogen werden, imgleichen 3. seynd wegen des Holtzes, so zum Brauen nöthig, noch 4. wegen des erfordernden Gesinde-Lohns, und 5. wegen der anitzo abzufuhrenden Krug-Ziese, so sehr hoch gestiegen, keine fernere Abzüge zu machen: und hat man in Consideration gezogen, daß 6. beym Brauen so viel übrig seyn muß, als zum taglichen Getranck im Hause ausserhalb der Erndte von nöthen, und daß demnach hierzu nichts ausgesetzet werden darf. Bey letzteren denen Schanck-Krugen, so von denen Städten verleget werden, ist zu attendiren, was von denen Städten dem Grundherren zum Grund-Zins jährlich entrichtet wird, als welches nur eintzig und allein ratione dieser Krüge in Anschlag gebracht werden kann.

Tit. XIV.

Von der Fischerey.

Dieselbe erfordert an einigen Orten viel Unkosten, theils Orten trägt sie ein grosses; per Exempel wo Ströme und dergleichen grosse Seen befindlich, woraus die Fischer selbst sich bezahlt machen können. Wannenhero dero Abnutzung secundum arbitrium aestimationis deductis deducendis in Anschlag zu bringen ist. An denen Orten aber wo die Fischerey nur bloß allein zur Wirthschaft zureichend, auch ein vieles zu unterhalten kostet, kan solche nicht sonderlich attendiret, sondern nur bloß allein im Erbkauf ratione Regulis, secundum bonitatem auf etwan 50, 100 bis 300 pro Capitali in Anschlag gebracht werden.

Tit. XV.

Von Karpen-Teichen.

Wegen derselben hat sich Taxator zu erkundigen, ob die Karpen alle 3. oder 6. Jahr zuwachsen, solche wohl stehen, und gut zu verkauffen; Also nach Grösse der Teich-Lagen und wie viel darein gezogen werden kön-


(384) Dritter Theil. Tit. XLI.

nen, eine Jährliche Abnutzung daraus zu formiren, da dann das Schock Karpen so daraus verkauft werden können Jährlich zu 5 Rthlr. anzuschlagen: Die Wartung der Teiche aber würde bey diesem Anschlage nicht unter die Abzüge zu bringen seyn.

Tit. XVI.

Von Heyden und Wäldern

Was dieselben und dero Anschlag betrift, so seynd selbige auch unter Masttragende und unter Weich-Höltzer zu unterscheiden. Ratione der ersteren würde zu observiren seyn, ob selbige tragbar wären oder nicht, bey ersteren Fall würde man hauptsächlich auf die jährliche Anzahl Schweine, so in Mast genommen werden können, zu sehen, und der Taxator den Anschlag dergestalt zu machen haben, daß aus einer 3 oder 6 Jährigen Abnützung der Anschlag von einem Jahr gemachet, und das Schwein mit 1 Rthlr. angeschlagen werde; Bey dem andern Casu aber, würde nach dem arbitrio aestimatoris, ob die Holtzung darauf zu Klap-Holtz oder Plaht-Eichen brauchbar, item ob solche in grosser Quantität verhanden oder nicht, imgleichen ob sie an selbige Oerter theuer zu verlosen seyn oder nicht, die Morgen zu 5. 6. 7. 8. 9. bis 10 Rthlr. zu aestimiren stehen. Das Weich-Holtz anbelangend, so würde auch unter Bau- und Brenn-Holtz ein Unterscheid zu machen, und die Morgen von erstern nach der Güte des Holtzes und Situation des Ortes auf etwan 4. 5. bis 6 Rthlr. von letztern aber, wenn etwas zum Verkauf übrig, die Morgen zu 2. bis 3. Rthlr. zu aestimiren, und das Quantum von diesen gesamten Morgen-Zahlen beym Anschlage als ein Capital, die Abnützung aber von den Mastungen als ein Interesse des Guthes zu regardiren seyn.


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Tit. XVII.

Von den Eisen-Hammern, Theer- Kalck- Pott-Asche und Ziegel-Ofen.

Dieselben werden nach Abzug dessen, was darauf verwandt werden muß, angeschlagen, jedennoch ist hauptsächlich dabey zu consideriren, ob dasjenige was darauf gemachet wird, zulänglich, und mit was für Kosten solches zu Gelde gemachet werden kann; Solten bey Ziegel-Ofen die Steine nicht zu verlosen, sondern nur zur Conservation der Gebäude zu emploiren seyn, so würde bey so gestalten Sachen nichts mehr als der Ziegel-Ofen an ihm selber, und die dabey benöthigte Gebäude und Geräthe in Taxam zu bringen seyn.

Tit. XVIII.

Von der Weyde und Heuschlag.

Hat der Taxator allein zu consideriren, wann von fremden Vieh oder Hammel jährlich eine gewisse Anzahl kan feiste gemachet, und auf die Weyde genommen werden, imgleichen wann auswärtige Oerter einen gewissen Canonem davon entrichten, alsdenn solche Einkünfte zur jährlichen Abnützung ebenmäßig zu rechnen, und da auch der Heuschlag so considerabel wäre, daß jährlich davon etwas verkauft werden könte, würde dieses Fuder, wo die Unterthanen solches nebst dem Acker-Bau beschicken und bearbeiten können, nach Gelegenheit des Ortes zu 2. Rthlr. zu schätzen, wo es aber durch Mieths-Leute geworben werden muß, nach der Güte des Heues, und wie solches geworben wird, zu 12. 16 bis 24 Gr. zu aestimiren seyn.

Tit. XIX.

Von Brüchen und Gelüchen.

Wann dergleichen beym Gute verhanden so süglich zu Wiesen aptiret werden könten, kommen solche an denen Orten, wo noch Heu zugekaufet werden muß, so


(386) Dritter Theil. Tit. XLI.

weit in Consideration, daß dagegen was jährlich zum Ankauf ausgesetzet werden müste, hinweg fällt; An denjenigen Orten aber wo solche zum Verkauf uhrbahr zu machen, würde man selbige nach Beschaffenheit des Gelages, wie sie bewachsen, und ob sie mit wenig oder grossen Unkosten in guten Stande gesetzt werden konnten zu  1/3 oder 1/4 des davon zu hoffenden Abnutzes billig anzuschlagen haben.

Tit. XX.

Von denen annoch bewachsenen Aeckern so von der Hütung zu entrathen.

Selbige seynd nach letzterm Fuß auch beym Anschlage zu arbitriren und zu aestimiren.

Tit. XXI.

Von der Unterthanen Dienste und Zehenden.

Dieselben bleiben zu Bestellung des Guthes und des dabey befindlichen Acker-Baues billig ausgesetzt.

Was aber selbige an Zehenden, Hüner, Eyer, Spinnen, auch sonst an baaren Gelde (et)c. der Herrschafft entrichten müssen; kommt folgender gestalt noch in Anschlag.

Ein Füllen 2 bis 3 Thlr.

Ein abgesogen Kalb 1bis 16 gr.

Ein Lamm 4 gr.

Ein Spanfärckel 3 gr.

Eine Ganß 3 bis 4 gr.

Ein Huhn 18 pf.  bis 1 gr.

Eine Mandel Eyer 18 pf.

Ein Stück Garn 4 bis 6 pf.

Nachdem die Herrschafft denen Unterthanen davor gut kommen muß.

NB. Wegen des Zehenden von Füllen und Kälber, Färckel und Lämmer würde Taxator fleißig aus denen Hauß-Registern oder von denen Einwohnern zu indagiren haben, was hievon in etwa 3. oder 6 Jahren an die


(387) Dritter Theil. Tit. XLI.

Herrschafft fallen könte, und darnach eines Jahres Ertrag zu reguliren belieben.

Tit. XXII.

Von stehenden Hebungen.

Was die Haus-Leuthe, imgleichen Schmiede, Hirten und deren Knechte, item die auf dem Lande recipirte Handwercker, nicht minder auch die Müller, und dergleichen Leuthe, an Mieth- und Weyde-Geld an ihre Herrschaften jährlich entrichten müssen, ein solches hat Aestimator als gewisse und baare Einkünfte abzuzeichnen.

Imgleichen wann die Unterthanen Geld-Pächte entrichten solten.

Die III. Abtheilung.

Zeiget an diejenigen Stücke, so zum Capital bey Anschlägen und nicht zur jährlichen Abnutzung müssen gesetzet werden.

Tit. I.

Mühlen-Gerechtigkeit so noch anzulegen.

Hievon ist bereits in der II. Abtheilung Tit. X. Erwehnung geschehen, daß nach des Orts Gelegenheit und der Mahl-Gäste, so dazu gehören 1. 2. bis 300 Rthlr. angeschlagen werden.

Tit. II.

Von der Fischerey so als ein Regale zu consideriren.

In der II. Abtheilung Tit. XIV. lautet hievon in fine also, an denen Orten aber, wo die Fischerey nur bloß allein zur Wirthschaft  zureichend, auch ein vieles zu unterhalten kostet, kan solche nicht sonderlich attendiret, sondern nur bloß allein im Erkauf ratione regalis secundum bonitatem auf etwan 50. 100 bis 300 pro Capitali in Anschlag gebracht werden.


(388) Dritter Theil. Tit. XLI.

Tit. III.

Von der Holtzung so keinen Nutzen bringet.

Titulo XVI. in der II. Abtheilung ist hievon in fine dero Gestalt Meldung geschehen, daß nach dem arbitrio aestimatoris ob die Holtzung darauf zu Klapp-Holtz oder Plaht-Eichen brauchbar, item ob selbige in grosser Quantité verhanden oder nicht, ob sie an solchen Orte theuer zu verlosen seyn oder nicht, die Morgen zu 5. 6. 7. 8. 9. bis 10 Rthlr. zu aestimiren stehen: Das Weich-Holtz anbelangend, so würde auch unter Bau- und Brenn-Holtz ein Unterscheid zu machen, und die Morgen vom erstern nach der Güte des Holtzes und Situation des Orts auf etwan 4. 5 bis 6 Rthlr. von letztern aber, wenn etwas zum Verkauf übrig die Morgen zu 2 bis 3 Rthlr. zu aestimiren, und das Quantum von diesen gesamten Morgen- Zahlen beym Anschlage als ein Capital, die Abnutzung aber von denen Mastungen als ein Interesse des Guthes zu regardiren seyn.

Tit. IV.

Von denen Ziegel-Ofen so nur zur Conservation der Gebäude zu gebrauchen.

Davon ist bereits in der II. Abtheilung Tit. XVII. dergestalt erinnert worden, daß, wann bey Ziegel-Ofen die Steine nicht zu verlosen, sondern nur zur Conservation der Gebäude zu emploiren seyn, so würde bey so gestalten Sachen nichts mehr als der Ziegel-Ofen an ihm selber, und die dabey benöthigte Gebäude und Geräthe in Taxam zu bringen seyn.

Tit. V.

Von der Jagd-Gerechtigkeit.

Solches wird folgender gestalt aestimiret: wo die hohe Jagd und dabey grosse Heyden und

Feld-Marcken verhanden, wird solche nach vorher beschriebener Beschaffenheit


(389) Dritter Theil. Tit. XLI.

bey einem gantzen Dorffe auf 500 Rthlr. als ein Capital angesetzt; Bey kleinen Feld- Marcken und Heyden aber und wo man wenig zu schaffen, kann solche wohl nicht höher, als zur Helfte vorgesetzten Quanti gerechnet werden: Die Nieder-Jagd aber, wo viel Reh und schwartz Wilprett zu schaffen ist, würde solche bey einem gantzen Dorfe nach dem Arbitrio des Aestimatoris nicht nur über 2. aufs höchste 300 Rthlr. und wo dergleichen gar nicht verhanden das Regale an sich nur vor 50 Rthlr. als ein Capital können angeschlagen werden.

Tit. VI.

Von den Gebäuden.

Was solche anbetreffen, davon kommen die aedificia praedialia in keinen Anschlag, sondern es wird nur bloß allein etwas billiges zu ihrer Conservation nach Gelegenheit des Orts von dem Aestimatore ausgesetzet. Was aber die Adeliche Wohn-Häuser anbelanget, so kan ein Haus so aus Holtz ausgebauet, mit Stein ausgeflochten und gedeckt ist, und massive Schornsteine hat, auch annoch in recht guten Würden ist, nicht über 3. 4 bis 500 Rthlr. angeschlagen werden, diejenige aber, so geringer oder aber auch nur mit Stroh und Rohr gedecket, und dabey geklicket seyn, kommen in geringere Anschläge als zu 50. 100 bis 200 Rthlr. Hingegen massive Häuser die mit vielen Logiamentern und Gewölben auch in guten Würden seyn, kommen in höhere Taxe; jedennoch können selbige nicht über 1000. aufs höchste 2000 Rthlr. aestimiret werden, weil der Possessor keinen usum fructum davon hat:

Ausser in dem dritten Casu Tit. I. da so dann ein mehres darauf, als bey dem zweyten Casu zu sehen ist.


(390) Dritter Theil. Tit. XLI.

Tit. VII.

Von denen Hof-Lagen.

Solche können in keinen Anschlag gesetzet werden, wenn Brüder und Schwestern mit einander theilen, wenn aber nur Brüder alleine unter sich zu thun haben oder Vettern concurriren, oder Güther in Concurs gerathen, so seynd solche billig nach ihrer Beschaffenheit und Situation nach dem Arbitrio Aestimatoris in eine Taxe zu bringen, jedennoch würden selbige nicht über 1. 2. bis 300 Rthlr. aufs höchste zu consideriren seyn.

Tit. VIII.

Von der Jurisdiction und Jure Patronatus.

Mit denselben hat es gleiche Bewandniß, daß solche bey Theilung zwischen Brüdern und Schwestern nicht attendiret, bey andern Theilungen aber bey einem gantzen Dorfe nur 100. aufs höchste 200 Rthlr. angeschlagen werden.

Die IV. Abtheilung

Was vor Abzüge und Abgänge sich insgemein bey Güthern finden, worauf der Taxator allerdings zu sehen hat, und welche er dem praetio aestimato, ehe und bevor er die Summam der Taxae ziehet, decourtiren muß.

Wenn nun vorgedachter massen alle Abnutzungen eines Guthes vom Aestimatore in Consideration gezogen, und der Anschlag davon zu Papier gebracht worden, so werden hiernechst folgende Abzüge auch der Billigkeit nach gemachet.

I.

Der jährliche von dem Guthe zu entrichtende Lehns-Canon.


(391) Dritter Theil Tit. XLI.

II.

Die Contribution und andere Onera publica.

III.

Das Gesinde-Lohn auf einen Haushalter, dessen Frau, imgleichen Knecht, Mägde, Jungens, auch Meyer, Fischer und Holtz-Wärter, die unumgänglich bey einem Guthe gebraucht werden müssen.

Als das Lohn am Gelde, nemlich:

1. Dem Haushalter und dessen Frau 16 bis 20 Thlr.

2. Einem grossen Knecht 12 (Thlr.)

3. Einem Mittel-Knecht 8 bis 9 (Thlr.)

4. Einem Jungen 4 (Thlr.)

5. Einer Magd inclusive Leinen (4 Thlr.)

6. Dem Meyer, Fischer und Holtz-Wärter, Ziegler, nach der Provision von ihrem Mieths-Contracten.

IV.

Das benöthigte Getreyde auf vorerwehnte Leute, als

a)An Rocken einen Haushalter und seiner Frau 1Wspl.

Einem Knecht nach itziger Maasse 10 Schfl.

Einer Magd oder Jungen 8 Schfl.

b) An Grütz-Korn auf jede Person 2 Schfl.

nemlich ½ Schfl. Erbsen, ½ Schfl. Gersten, ½ Schfl. Buchweitzen und ½ Schfl. Haber

c) An Trink-Gerste auf jede Manns-Person 3-4 Schfl.

Auf einer Magd oder Jungen, jeder Person 1 Schfl.

NB. An Orten aber wo von denen Höfen Krüge verleget werden, kan keine Trinck-Gerste abgezogen werden, wie §. 13. bereits davon disponiret hat.

d) Was die übrigen benannten Deputanten anbetrift, muß Taxator sich nach dero Mieths-Contracte richten.

V.

An denen Orten wo gebräuchlich, daß denen Unterthanen jährlich etwas gegen der Erndte oder sonsten ein gewisses an Rocken, Trinck-Gersten oder Bier, imgleichen an Butter, Käse, Saltz und Speck gereichet werden muß, ist solches gleichfalls abzuziehen, jedennoch daß eine Tonne


(392) Dritter Theil. Tit. XLI.

dergleichen Bier nicht über 1 Thlr. gesetzet werde, und die andern Stücke auch in einem billigen und civilen Preise.

VI.

Das Futter-Korn auf die benöthigte Acker-Pferde secundum arbitrium aestimatoris, ob sothane Pferde des Sommers gleichfalls im Stalle gehalten und mit Futter versehen werden müssen, oder ob selbige zureichende Grasung haben; da dann auf erstern Fall auf ein paar Pferde wöchentlich 2 Scheffel Haber oder Gerste gerechnet werden, welches das Jahr 4 Winspel macht, auf letztern Fall aber würde der Abzug nur auf 2 Winspel zu machen seyn.

VII.

Zur Speisung des Gesindes hat Taxator abzuziehen und anzuschlagen auf zwey Personen

1.Ein fett Schwein, wozu 3 Scheffel Rocken oder Erbsen, wo keine Mast verhanden,

abgezogen werden.

2. ½ Achtel Schaaf- und ½ Achtel Kuh-Butter.

3. Ein Viertel halb Schaaf- halb Kuh-Käse.

4. Zwey Mertz-Schaafe, als auf jede Person eines.

5. An denen Orten wo keine Fische verhanden, auf zwey Personen ¼ Tonne Heringe.

6. Ein Scheffel Salz.

Auf die gantze Wirtschaft.

7. Ein fetter Ochse, oder fette Kuhe, nachdem die Wirthschaft groß und klein ist,

davon ersterer zu 12 Thlr. und letztere zu 6 Thlr. anzuschlagen; dahingegen hierauf kein Mast-Korn gerechnet werden darf.

8. Ein bis 2 Pfund Pfeffer, das Pfund à 8 Gr.

Was an eisern, höltzern und irdenen Geräthe, Kessel, Sielen, Stränge, Kopfstücke und andern dergleichen in der Wirtschaft unentbehrlichen Stücken erfordert wird, muß Taxator nach der Grösse der Wirthschaft und Ackerwerks arbitriren und abziehen.


(393) Dritter Theil. Tit. XLI.

VIII.

An den Orten, wo kein Holtz verhanden, sondern solches aus den Königl. Heyden gekauffet werden muß, hat Taxator die Summan nach dem Einkauf zu determiniren.

IX.

An Qertern, woselbsten wegen Ermangelung der Unterthanen in der Heu(-) und Korn-Erndte Dienst-Leute angenommen werden müssen, seynd selbige mit anzuschlagen, als auf eine Manns-Person inclusive der Speisung 6 Gr.

auf eine Frauens-Person 3 Gr.

X.

An Saltz ist wegen des Viehes abzuziehen

1. Auf jede trächtige Kuh 3 Metzen.

2. Auf ein güstes Haupt oder Ochsen 1 Metze.

3. Auf die Schäferey wie es an jedem Orte gebräuchlich ist.

XI.

Des Predigers und Küsters Decem, imgleichen Schmiede- und Hirten-Deputat, was ein jeder Ort dieserhalben abzuführen hat.

XII.

Zoll- und Weyde-Haber, wann solcher von einem und anderen Orte gegeben werden muß, nachdem pretio secundum §. 1mum.

XIII.

Was an Vieh, es bestehe in Posten worin es wolle, in Anschlag gebracht, und nicht effective verhanden ist, solches hat Taxator von dem Capital der Taxae folgendergestalt abzuziehen.

1.An denen Orten, wo Stutereyen angeschlagen, vor einen Bescheler 30 bis 40 Thlr.

Vor eine Stute 20 bis 30 Thlr.

2. Vor ein ermangelndes Zug-Pferd 20 bis 24 Thlr.

3. Vor einen Ochsen 8. 12 bis 16 Thlr.

4. Vor eine Mülcke(-)Kuh 6 bis 8 Thlr.


(394) Dritter Theil. Tit. XLI.

5. Vor ein Haupt güst Vieh 3. 4. bis 5 Thlr.

6. Vor fehlende Schaafe, Einen Hammel 1 Thlr.

Ein Schaaf 16 Gr.

Ein Jährling 8 Gr.

Vor fehlende Schweine das Stück 1 bis 2 Thlr.

XIV.

Das zur Conservation derer Gebäude jährlich erfodert wird, solches muß Taxator nach Beschaffenheit derselben in loco judiciren, es muß aber dieser Abzug nur in wenigen bestehen, weil ein jeder Einwohner schuldig ist sein Haus und Hof in Würden zu halten

XV.

Sollte aber ein oder ander Gebäude tempore taxae den Einfall dräuen, und unumbgänglich wieder aufgebauet werden müssen hat Taxator dasjenige zu indagiren, was nach Beschaffenheit des Ortes vor das benöthigte Bau-Holtz und Latten, wenn solches angekauft werden müste, imgleichen was denen Handwercks-Leuten an baaren Gelde, Bier und Brod zu geben, und solches vom Capital der Taxae abzurechnen.

Die V. Abtheilung.

Stellet vor einen Exempel, wie der Anschlag von einem Guthe auszuarbeiten sey, unter einem fingirten Guth, deme man, fast alle Regalien zugeeignet hat.

Dem Taxatori nun von vorerwehntem allem vollkommenes Licht zu geben, so ist nachstehendes Project pro exemplo in allen drey zu Anfangs benannten Casibus ausgearbeitet, hinten angehangen worden.

Das Dorf N.N. hat besage der Haus-Bücher, oder der eydlichen Deponenten-Aussage.


(395) Dritter Theil. Tit. XLI.

I.Von allerhand Aussaat Getreyde.

1) An Weitzen,

In den grösten Felde 1 Winsp.

In dem mitteln Felde 20 Schfl.

In dem kleinesten 16 Schfl.

In Summa 2 Winspl. 12 Schfl.

Hiervon

Ein Feld dem andern zu Hülffe gerechnet, so machet die Aussaat am Weitzen in einem Felde 20 Schfl.

Trägt in gemeinen Jahren das 4te Korn

facit 80 (Schfl.)

Hievon gehet ab

Die Aussaat 20 Schfl.

Drescher-Lohn zum 18 Schfl. 4 – 2 Viert.

Summa 24 – 2 24 Schfl. 2 V.

Bleiben zum Verkauff 55 Schfl. 2 V.

Den Schfl. à 20 gr. macht an Gelde 46 Thlr. 6 Gr.

2) An Rocken.

Ein Feld dem andern zu Hülffe gerechnet,

macht 288 Schfl.

Davon das 4te Korn 1152 (Schfl.)

Hievon gehet ab

1. Die Aussaat 288

2. Drescher-Lohn zum 18 Schfl. 64

3. In der Wirthschafft

vor den Haushalter u. dessen Frau 24

Zween Knechte 20

Drey Mägde 24

Einen Meyer und Jungen 24

Dem Fischer 12

Dem Holtz-Wärter 12

4. Des Predigers und Küsters Decem 24

Denen Hirten und Schmieden 24


(396) Dritter Theil. Tit. XLI.

Dem Schäfer 60

Denen 12. Unterthanen Deputat Rocken 24 (Schfl.)

Summa 600 Schfl.

Bleiben zum Verkauff 552 Schfl.

den Schfl. zu 12 gr. 256 Thl.

3) An grosser Gerste.

Im Somer- und Winter-Felde 96 Schfl.

Davon das 4te Korn Zuwachs 384 Schfl.

Hievon gehet ab

1. Die Aussaat 96 Schfl.

2. Drescher-Lohn 21 (Schfl.) 117 Schfl.

Bleiben zum Verkauff 267 Schfl.

Beträgt an Gelde 133 Thl. 12 Gr.

4) An kleiner Gersten.

96 Schefl.

Davon das 4te Korn 384 Schfl.

Hievon gehet ab

1. Die Aussaat 96 Schfl. V.

2. Drescher-Lohn wird nicht abgezogen, weil es mit denen Unterthanen kan ausgedroschen werden

3. An Grütz-Korn auf 7 Personen 3 2

4. Auf den Meyer, Fischer und Holtz-Wärter nach ihren Contracte 6

5. Trinck-Gerste vors Gesinde wird nicht angeschlagen, weil ein Krug von Hofe verlegt wird


(397) Dritter Theil. Tit. XLI.

6. Was denen Unterthanen noch sonst gereichet werden muß,

wird hinten bey den Geld- Abzügen zu finden seyn

Summa Abzüge 105 Schfl. 2 V.

Bleiben zum Verkauff 278 Schfl..

Solche thun an Gelde 116 Thl. 1 Gr.

5) An Erbsen

16 Schfl.

Davon das dritte Korn 48 (Schfl.)

Hievon gehet ab Schfl. V.

1. Die Aussaat 16

2. Drescher-Lohn wie bey der kleinen Gerste gedacht.

3. Grütz- Korn auf 7 Personen 3 (Schfl.) - 2 (V.)

4. Denen übrigen Deputanten

à 1 Schfl. 3 (Schfl.)

5. Dem Schäfer 1 (Schfl.)

6. Zu Mastung der Schweine so wol in der Wirthschafft als Deputanten wird nichts angerechnet, weil Mastung verhanden 23 (Schfl.) 2 (V.)

Bleiben ubrig 24 (Schfl.) 2 (V.)

Thut an Gelde 12 (Thl.) 6 (Gr.)

6) An Haber

144 Schfl.

Davon 3 ½ Korn Zuwachs 504 (Schfl.)

Hievon gehet ab Schfl. V.

Die Aussaat 144 (Schfl.)

Drescher-Lohn wie bey vorigten

Grütz- Korn 3 (Schfl.) 2 (V.)

Dem Schäfer und Deputanten 4 (Schfl.)


(398) Dritter Theil. Tit. XLI.

5. Zur Fütterung vor 4 Pferde, weil sie im Sommer Grasung haben, wie sub Tit. Abgang (et)c. §. 6. gedacht 96

Summa Abzug 247 (Schfl.) 2 (V.)

Bleiben zum Verkauf 256 (Schfl.) 2 (V.)

Thut an Gelde 85 (Thl.) 12 (Gr.)

7) An Buchweitzen

12 Schfl.

Davon das 3te Korn thut 36 (Schfl.)

Hievon abgezogen

1. Die Aussaat 12 Schfl. V.

2. In der Wirthschafft 3 (Schfl.) 2 (V.)

3. Den Deputanten 4 (Schfl.) 19 Schfl. 2 (V.)

Bleiben zum Verkauff 16 (Schfl.) 2 (V.)

Thun an Gelde 5 Thl. 12 Gr.

8) An Wicken

8 Schfl.

Davon das 3te Korn 24 (Schfl.)

Hievon gehet ab die Aussaat (8 Schfl.)

Bleiben zum Verkauff (16 Schfl.)

Thut 8 (Thl.)

9) An Lein- Saamen.

4 Schfl. à 2 Thlr. 8 (Thl.)

10.) Hanff- Körner.

4 Schfl. à 1 Thlr. 4 (Thl.)

11) Hirse.

1 Viert. à 4 Thlr. 4 (Thl.)


(399) Dritter Theil Tit. LXI.

Ist demnach der gantze Ertrag an Korn

Der Weitzen 46 Thlr. 6 Gr.

An Rocken 276 Thlr.

An grosse Gersten 133 Thlr. 12 Gr.

An kleine Gersten 116 Thlr. 1 Gr.

An Erbsen 12 Thlr. 6 Gr.

An Haber 85 Thlr. 12 Gr.

An Buchweitzen 5 Thlr. 12 Gr.

An Wicken 8 Thlr.

An Lein- Saamen 8 Thlr.

Hanff- Körner 4 Thlr.

Hirse 4 Thlr.

Summa 699 Thlr. 1 Gr.

II. Die Vieh- Zucht.

An Kühen können gehalten werden 30 (Stück)

Davon ¼ Güste, nehmlich 7 Stück, bleiben 23

Mulcken, bey mittler Weyde à 3 Thlr. 69 (Thl.)

Noch 30 Stück Zuwachs incl. dem güsten Vieh

a 12 gr. 15 (Thl.)

Summa 84 (Thl.)

III. Die Schäffery.

Es können beym Guthe gehalten werden 650 (Stück)

Davon abgezogen

Knecht, Vieh 150 Stück.

Des Schäffers 5te 100 (Stück) 250 (Stück)Stück

Bleiben der Herrschafft 400 (Stück)

Das Stück à 8 gr. 133 (Thl.) 8 (Gr.)

Das Weyde- und Futter-Geld von vorerwehnte 250. Stück, Schäffer- und Knecht- Vieh à 1 gr. 10 (Thl.) 10 (Gr.)

Summa 143 (Thl.) 18 (Gr.)

IV. Ziegen.

Weil beym Guthe Mast-Höltzer verhanden, und dannenhero sonder Schaden der Heyden nicht wohl gehütet werden können, kommen dieselbe allhie nicht in Anschlag weil keine vorhanden.


(400) Dritter Theil Tit. XLI.

V. Schweine-Zucht.

Weil ein Brau-Krug beym Guthe varhanden, auch dann und wann die Mastung zuträgt, so werden nach Abzug der Zucht-Sauen und Säu-Börge und derjenigen Schweine, so wegen der Wirthschafft consumiret worden, annoch angeschlagen 4 Mandel à 4 Rthlr. facit 16 (Rthlr.)

IV. Die Gänse-Zucht.

Weil solche wegen des in der Nähe verhandenen Wasseres ziemlich gedylich ist, als werden 6 Mandel angeschlagen 6 (Rthlr).

VII. Das übrige Feder-Vieh cessat.

VIII. Der Bienen-Stand.

Man findet aus denen Haus-Büchern , daß derselbe hieselbst in 6. nach einander folgenden Jahren zugetragen habe 60. Thlr. facit zu einem Jahre 10 (Rthlr).

IX. Stutereyen.

Solche ist hier nicht verhanden.

X. Mühlen-Pächte

Diese bestehet aus 4. Winsp. thut an Gelde 46 (Rthlr.)

Weil es eine Erb-Mühle, und darauf keine Kosten verwandt werden dürffen.

XI.

Solche schneidet der Herrschafft frey 12. Blöcke, sonder daß dieselbe einige Kosten darauf wenden darf, dem Block à 8 gr. 4 (Rthl.)

XII. Die Gärten.

Besage der Haus-Bücher befindet es sich, daß man aus selbigen in 6. Jahren nach Abzug des Gärtners Gehalt, Bestellung mit fremden Leuthen und dessen Conservation des Geheges vor Obst, Kohl, Hopfen und Toback eingenommen habe 150 Thlr. thut in einem Jahr 25 (Rthlr.)


(401) Dritter Theil. Tit. XLI.

XIII. Krug-Lage.

Bey diesem Guthe ist ein mittelmäßiger Braukrug, und können jährlich ausgeschencket werden 50 Tonnen, die Tonne à 8 gr. facit. 16 Rthlr. 16 Gr

XIV. Die Fischerey.

Solche ist nur zur Wirthschafft nothdürftig, und kann nicht mehr verkaufft werden als was zur Unterhaltung des Fischer-Zeuges erfodert wird: Propter Regale wird solche noch hinten in Anschlag gebracht werden.

XV. Karpen-Teiche.

Ist einer verhanden, kann alle 6 Jahr abgelassen und daraus 4 Schock verkaufft werden, das Schock à 5 Thlr. thut 20 Thlr. facit zu einem Jahr 3 Rthlr. 12 Gr

XVI. Heyden und Holtzung.

Es tragen die Eichen meistentheils um das dritte Jahr zu, da denn 3 Schock Schweine feist werden können, trifft auf 1 Jahr 1 Schock so angeschlagen wird mit         60 Rthlr.

Noch seynd an 5 Morgen Eichen(-)Holtz verhanden, so nicht tragbar seynd, weil aber das Guth nicht weit vom Strohm entlegen und das Holtz wohl darauf zu verkauffen steht, ist der Morgen angeschlagen 10. Thl. facit 50. Thlr. pro Capital so hinten bey dem Capital gesetzt worden.

XVII. Eisen-Hammer, Tehr, Kalck, Pottasche und Ziegel-Ofen.

Es ist nur bloß 1. Ziegel-Ofen und dabey wenig Ziegel-Erde verhanden, wannenhero nur Jährlich 20000 Dachsteine und 30000 Mauer-Steine können gebrant werden, hievon die Helffte zu Gelde geschlagen und die andere Helffte auf die Unkosten und Ziegler gerechnet, bleiben zum Verkauff 10000 Dach-Steine, pro 1000 5 Thlr. facit 50 Rthlr.

15000 Mauer-Steine, pro 1000 4 Thlr. facit 60 Rthlr.

110 Rthlr.


(402) Dritter Theil. Tit. XLI.

XVIII. Weyde und Heuschlag.

Von der Weyde wird von fremden angrentzenden Winspel Weyde-Haber gegeben à 8 Thlr. 8 Rthlr.

An Heu ist nichts zum Verkauff übrig.

XIX. An Brücher und Gelüchen.

Es ist hieselbst ein Gelüch von 12. Morgen verhanden, so trocken und uhrbar gemacht werden kan, da nun bey diesem Guthe zulänglicher Heuschlag verhanden, und das Heu von diesem Gelüche zum Verkauff übrig; Als werden 3 Morgen, weil es sehr bewachsen, angeschlagen, und auf jeden Morgen 2 Fuder gerechnet, facit 6 Fuder à 2 Thlr. 12 Rthlr.

XX. An bewachsenen Aeckern.

Es seynd auch 12. Morgen davon verhanden, so gleichfals starck bewachsen, davon 1/4 Theil zum Anschlag gebracht, facit 3. Morgen, in jeder Morgen der Einfall zu 3. Schfl. Rocken gerechnet, facit 9. Schfl. à 12 gr. zur jährlichen Abnützung. 4 Rthlr. 12 Gr

XXI. Unterthanen(-)Zehenden.

Man findet in den Hauß-Büchern daß der Zehende an Füllen, Kälbern, Span-Färckeln und Lämmern sich in 6 Jahren nicht höher als 12. Thlr. betragen habe, wannenhero zur Jährlichen Abnutzung hieher gesetzt worden 2 Thlr. jeder Bauer giebt eine Ganß, thut von 12 Bauren 1 Thlr. 12 gr. jeder Bauer giebt 2 Hüner gleich im Früh-Jahr, facit pro 24 Hüner

à 1 gr. 1 Thlr.

2 Thlr. 12 gr.

12 Mandel Eyer kommen im Anschlage 18 gr.

Spinnen 36 Stück Garn überhaupt bey ihrer Kost à 4 pf. 18gr. 6 Rthlr.


(403) Dritter Theil. Tit. XLI.

XXII. Milch- und Weyde-Geld.

Zwey Paar Hausleute geben jedes Paar 3 Thlr.

thut 6 Thlr.

Der Schmidt vor sich, sein Haus und Vieh 3 (Thlr.)

Zwey Hirten vor sich und ihr Vieh 2 (Thlr.)

Ein Schneider, ein Garn-Weber, ein Rademacher, geben Haus-Miethe jeder jährlich 4 Thlr.

facit 12 Thlr. 23 Rthlr.

XXIII. Die Jagd-Gerechtigkeit.

Es ist bey dem Guthe auch die hohe Jagd-Gerechtigkeit vorhanden, und wird solche, weil sie nicht sehr important, nebst der Nieder-Jagd als ein Capital angeschlagen 300 Thlr.

XXIV. Die Gebäude.

Ein Wohn-Haus so massiv, und noch in ziemlich Würden, wird angeschlagen als ein Capital zu

1000 Thlr.

XXV. Die Hof-Lage.

Selbige ist gut, liegt auch in einer lustigen Gegend, und hat einen guten Mist-Hof, wird angeschlagen zum Capital à 300 Thlr.

XXVI. Jurisdiction und Jus Patronatus.

Beydes ist obiger Ursachen wegen zu 100 Thlr. Capital angeschlagen.

Recapitulatio.

Derer Abnutzung-Summen.

No. 1. 699 Rthlr. 1 Gr

No. 2. 84 Rthlr.

No. 3. 143 Rthlr. 18 Gr

No. 4. Cessat

No. 5. 16 Rthlr.

Summa 942 Rthlr. 19 Gr


(404) Dritter Theil. Tit. XLVI.

Transport Abnutzung 942 Rthlr. 19 Gr

No. 6. 6 Rthlr.

No. 7. Cessat

No. 8. 10 Rthlr.

No. 9. Cessat

No. 10. 48 Rthlr.

No. 11. 4 Rthlr.

No. 12. 25 Rthlr.

No. 13. 16 Rthlr. 16 Gr

No. 14. Cessat

No. 15. 3 Rthlr. 8 Gr

No. 16. 60 Rthlr.

No. 17. 110 Rthlr.

No. 18. 8 Rthlr.

No. 19. 12 Rthlr.

No. 20. 4 Rthlr. 12 Gr

No. 21. 6 Rthlr.

No. 22. 23 Rthlr.

Summa 1279 Rthlr. 7 Gr

Hievon werden jährlich abgezogen

1. Der Canon von einem gantzen Lehn-Pferde 40 Thlr.

2. Contribution und Hufen und Giebel-Schoß 41 Thlr. 16 gr.

3. Das Gesinde-Lohn

a) Dem Haushalter und seiner Frauen 20 Thlr.

b) Einem grossen Knecht 12 Thlr.

c) Einem Mittel-Knecht 8 Thlr.

d) Einem Jungen 4 Thlr.

e) Zwey Mägden 8 Thlr.

f) Dem Meyer 12 Thlr.

g) Dem Fischer 8 Thlr.

h) Dem Holtz-Warter 8 Thlr.

4. Cessat weil dergleichen Abzüge Tit. I. bereits gemacht seynd.


(405) Dritter Theil. Tit. XLI.

5. Vor 12 Unterthanen und auf die Erndte 12 Tonnen Bier à 1 Thlr.     12 Thlr.

6. Cessat quoque massen bey der Haber-Abnutzung der Abzug bereits gemacht ist.

7. Wegen Speisung des Haushalters und Gesindes sind abzuziehen 3 ½ Achtel Butter à 3 Thlr. das Achtel. Facit 10 Thlr. 12 Gr.

Vierthalb Viertel Käse à 2 Thlr.

Facit 7 Thlr.

7 Mertz-Schaafe à 12 gr. 3 Thlr. 12 Gr.

1 Tonne Saltz 4 Thlr. 22 Gr.

1 Kuhe 6 Thlr.

1 Pfund Pfeffer                        8 Gr

8 & 9 Cessat.

10. An Saltz zum Mulcken vom Vieh und Schäferey 2 Tonnen machen 9 Thlr. 20 Gr

Zu Eisen- und Acker-Geräthe              18 Thlr.

11 & 12 Cessat.

13. Zu Unterhaltung und Conservation der Gebäude wird jährlich ausgesetzt 45 Thlr. 13 gr.

279 Rthlr. 7 Gr

Bleibt also der Ertrag 1000 Rthlr.

Solche Zinsen à 6 pro Cent bey Theilung zwischen Schwestern und Brüdern ein Capital von 16666 Thlr. 18 gr.

14. Hievon das ermangelnde Inventarium abgezogen, als zu Ankaufung eines Acker-Pferdes, so ermangelt 20 Thlr.

Vor 3 fehlende Ochsen 36 Thlr.

Vor 6 Kühe so fehlen à 6 Thlr. 36 Thlr.

Vor 50 tragende Schaafe à 16 gr. 33 Thlr. 8 gr.

Vor 21. Jährlinge 7 Thlr.

Vor eine Mandel Schweine so angeschlagen und nicht verhanden 22 Thlr.

154 Thlr. 8 gr.

Bleiben zum Anschlage 16512 Thlr. 10 gr.


(406) Dritter Theil. Tit. XLI.

Hiezu das Regale wegen der Fischerey  Rthlr. Gr Pf

addiret mit 100 Thlr.

5 Morgen untragbare Eichen 50 Thlr.

Die Jagten 300 Thlr.

Das Wohn-Haus 1000 Thlr.

Die Hof-Lage, Jurisdiction und Jus Patronatus, bleibt bey dieser Taxe zurück, weil diese Stücke keinen Usum Fructum bringen.

Ist also das pretium aestimatum 17962 Rthlr. 10 Gr

Bey dem 2ten Casu, da Brüder unter sich theilen, aber ein Guth an die Vettern eröfnet, und das Guth mit 5 pro Cent angeschlagen wird, beläuft sich die Taxa folgendergestalt, 1000 Thaler machen ein Capital von                       20000 Thlr.

Hievon abgezogen das ermangelnde Inventarium 154 Thlr. 8 gr.

Bleiben 19845 Thlr. 16 gr.

Hiezu gerechnet

Das Regale der Fischerey 100 Thlr.

5 Morgen untragbare Eichen 50 Thlr.

Die Jagten 300 Thlr.

Das Wohn-Haus 1000 Thlr.

Die Hof-Lage 300 Thlr.

Jurisdiction 100 Thlr.

Ist das Pretium aestimationis 21695 Rthlr. 16 Gr

Bey dem 3ten Caso bey Concurs-Processen, da die Güther 4 pro Cent anzuschlagen und dessen rechter Werth anzusetzen verinteressiren 1000 Thlr. ein Capital von 25000 Thlr.

Hievon das ermangelnde Inventarium abgezogen mit 154 Thlr. 8 gr.

Bleibt Summa   24845 Thlr. 16 gr.

Hiezu gerechnet das Regale der Fischerey 150 Thlr.


(407) Dritter Theil. Tit. XLI.

5 Morgen untragbare Eichen 50 Thlr.

Die Jagten 400 Thlr.

Das Wohn-Haus 1500 Thlr.

Die Hof-Lage 300 Thlr.

Jurisdiction 100 Thlr.

Beläuft sich die Taxa auf                      27345 Rthlr. 16 Gr

Womit demnach dieses Protocoll geschlossen worden, ut in antecedenti.

Lit. B.

ad §. 44.

Formula eines Subhastation-Patents eines Ritter-Guths.

Von GOttes Gnaden Wir Friderich, König in Preussen (et)c. Fügen hiemit männiglich zu wissen, was massen das im N. N Creyse belegene Ritter-Guth N. N. samt denen dazu gehörigen Vorwerckern N. N. bey welchen an Aussaat   an Unterthanen   auch   Garten   Teiche   Seen, eine Wasser- Wind-Mühle   Morgen Eichen- Kiehnen- weich(-)Höltzung, Schäferey-Gerechtigkeit von    Häupter, und über dieses noch   Morgen Wiesewachs zum Verkauf die Jurisdiction und Jus Petronatus, auch hohe und kleine Jagten die Hütung und Holtzungs-Gerechtigkeit auf der Feld-Marck N. N. die Mastungs-Gerechtigkeit auf   Schweine in dem N. N. Holtz, nach Abzug der darauf haftenden Lasten, als (Thlr. Canonis) / (Ritter-Pferds) des Predigers   Küsters   auch jährlichen Zinses von   Rthlr. an das Stift N. N. in eine Taxe gebracht, und auf   Rthlr. gewürdiget werden.


(408) Dritter Theil. Tit. XLI.

Wann nun der nach entstandenem Concurs bestellte Curator N. N. um die Subhastation solches Guths allerunterthänigst angehalten; Wir auch dessen Suchen Statt gegeben.

Als subhastiren Wir, und stellen zu männigliches feilen Kauf obgedachtes Ritter(-)Guth N. N. mit allen seinen Pertinentien, Recht und Gerechtigkeiten, wie solche in der Taxe mit mehrern beschrieben, mit der taxirten Summe der   Rthlr.

Citiren und laden auch diejenigen, so Belieben haben möchten, solches Guth mit Zubehör zu erkauffen, auf den 8ten Januarii, 6ten Februarii und 7ten Martii des bevorstehenden   Jahrs, und zwar gegen den letzten Terminum peremtoriè, daß dieselbe in angesetzten Terminis erscheinen, in Handlung treten, den Kauf schliessen, oder gewarten sollen, daß im letzten Termino das Guth dem Meistbiethenden zugeschlagen, und nochmahls niemand weiter dagegen gehöret werde. Das ist Unser Wille.

Uhrkundlich unter Unserm   Gerichts-Siegel, und gegeben N. N den  

Nota. Bey Subhastation eines Hauses werden dessen Pertinentien und Gerechtigkeiten, auch was dasselbe vor Lasten und Dienstbarkeiten, auf sich hat, mit specificiret, und wann dergleichen bey Unter-Gerichten subhastiret, wird im Anfange und Schluß des Proclamatis wie bey der Citation der Creditoren der Stylus curiae observiret.

Lit. C.

ad §. 44.

Formular einer Adjudication in Concursu Creditorum.

Auf vorgegangene gebührende Tax- und Subhastation des allhier in der N. N. Strasse belegenen, und N. N.


(409) Dritter Theil. Tit. XLI. XLII.

zugehörigen Wohn-Hauses und Pertinentien wird nunmehro solches Haus N. N. als plus licitanti für die gebothene Summe der   Rthlr. wie solches mit allen seinen Zubehörungen und Gerechtigkeiten in der Taxe von   auf   Rthlr. gewürdiget, erb- und eigenthümlich zugeschlagen.

Es wird ihm solches sofort von dem Curatore und Creditoren eingeräumet; Er erleget bey der Tradition das Kauf-Geld baar, und sind Creditores gehalten, pro rata accepti ihnen die Gewehr zu leisten.

Nota. Daß nach obigen Formular die Adjudicationes in allen Judiciis einzurichten, nur daß wegen des Unterscheids des Judicii der Stylus observiret werde.

Wo es gebräuchlich, daß der Käuffer etwas ad pias caufas erleget, wird am Ende der Adjudication hinzu gethan; auch erleget der Käuffer ad pias causas   Rthlr.

Wann auf gewisse Sorten Geldes wegen des Kauf-Pretii mit geschlossen, muß solches auch in der Adjudication ausdrücklich mit bemercket werden.

Beym Verkauf und Adjudication eines Ritter- oder Lehn-Guths wann solches wiederkäuflich verkauft wird, müssen nicht nur die Jahre wie lange der Kauf währen soll, in der Adjudication deutlich exprimiret werden; sondern auch wer die Confirmation- oder Consens-Kosten tragen soll, auch, daß, wann der Käuffer solche zu zahlen übernommen, selbige bey der Reluition ihm wieder zu erstatten.

Tit. XLII.

Von Arresten.

§. 1.

Die Arreste sollen mit besonderer Behutsamkeit verstattet und nicht leicht ab executione der Anfang gemachet werden.


(410) Dritter Theil. Tit. XLII.

§. 2. Wann aber jemand seine Forderung, warum der Arrest gebethen wird, durch Vorzeigung scheinbarer Urkunden, oder anderer Nachricht glaublich machen, oder sonst einige dazu bewegende Ursach anzeigen würde warum der Arrest anzulegen, und also gestalten Sachen nach periculum in mora, so kan der Arrest periculo impetrantis angelegt werden.

§. 3. Es hat also der Arrest statt wieder diejenige, welche entweder gar nicht, oder doch nicht genugsam possessioniret, der Flucht, oder anderer Ursachen halber verdächtig sind.

§. 4. Ingleichen wenn jemand aus Unsern Landen sich unter fremde Herrschafft begeben, und nicht so viel an liegenden oder fahrenden Güthern hinterlassen wolte, daß der Kläger daraus seine Befriedigung erhalten könnte.

§. 5. Fürnehmlich können auch Arreste verhänget werden, wann der Schuldner in denen Obligationen seinen Gläubigern zugelassen, auf den Fall da er dem Versprechen nicht nachkommen würde, mit Arrest wieder ihm zu verfahren.

§. 6. Welches ebenfals erlaubet seyn soll, wann der Debitor sich zum Gefängniß in der Verschreibung verbunden, ob gleich desselben Güther noch nicht executiret worden: wovon auch die Frauens-Personen, wenn sie dieserhalb certioriret, nicht befreyet seyn mögen.

§. 7. So können auch eines Pächters oder Miethers, der hinweg ziehen will, invecta & illata, ingleichen die Fructus des gepachteten Fundi wegen rückständiger Liquiden Praetension oder Miethe, so lange von dem Locatore eigenmächtig angehalten werden bis solche Schuld abgetragen.

§. 8. Wann eines Debitoris Vermögen dergestalt in Abnehmen gerathen, daß der Creditor seiner Forderung halber dabey Gefahr läufft, mag dem Befinden nach, mit Personal- oder Real-Arrest wieder ihm verfahren werden.


(411) Dritter Theil. Tit. XLII.

§. 9. Da auch eine Erbschafft oder andere fahrende Haab vermuthlich von dem Besitzer verheelet, oder gar veräussert werden möchte, soll sodann der Arrest auf dergleichen Stücke verstattet werden.

§. 10. Desgleichen mag ein Bürge der von einem Creditore in Anspruch genommen wird, wieder denjenigen vor welchen er caviret, wie auch wieder seinen Mitbürgen, seiner Sicherheit halber Arrest suchen, ohngeachtet er zur Zahlung noch nicht condemniret worden.

§. 11. Es hat auch der Arrest alsdann statt, wann jemand in der Obligation mit verschrieben, daß dem Creditori frey stehen solle, wann die Bezahlung nicht erfolget, seine Güther mit Arrest zu belegen.

§. 12. Hingegen sollen weder Personal- noch Real-Arreste wieder Unsere von Adel, Bürger, und übrige Unterthanen, wann dieselbe mit Immobilibus angesessen, veranlasset werden.

§. 13. Wann eine Sache in processu in diesem oder oder fremden Gerichte hanget, und lis pendens ist, soll kein Arrest verstattet, sondern der Implorant zu Ausführung der Haupt-Sache verwiesen werden; Es wäre dann daß die Sache zur Execution stünde, und der Implorant, daß daß (!) ihm sonst in dem Seinigen zu gelangen schwer fallen möchte, anführen, oder bescheinigen könte daß bey dem Beklagten suspicio fugae oder metus dilapidationis vorhanden, in welchem Fall der Litis pendentz ohngeacht der Arrest angelegt werden kan.

§. 14. Die Vormündere und Curatores können wegen ihrer Pflegbefohlnen Schulden, auch die Bürger oder deren Güther wegen ihrer Stadt Schulden nicht arrestiret, noch detiniret werden; es sey dann daß sie sich selbst davor verbunden hätten.

§. 15. Wann wieder fremde und ausländische Arrest gesuchet wird, ist solcher nicht leicht zu verstatten; es wäre dann daß der Implorant den Arrest auf seine Gefahr suchte; oder demselben anderswo die Justitz denegiret


(412) Dritter Theil. Tit. XLII.

sey, und er solches so fort gebührend bescheinigen könte; oder auch wann ein Fremder in unsern Chur-Landen bey Kauf- und Handels-Leuthen Waaren ausgenommen, in denen Gasthäusern gezehret, oder sonsten contrahiret, imgleichen wann die Zahlung daselbst zu thun versprochen.

§. 16. Doch sollen, dem Juri retorsionis unbeschadet, diejenige oder derselben Güther nicht verarrestiret werden, welche vermöge derer zwischen Uns und denen Benachbarten aufgerichteten Verträgen davon an beyden Seiten befreyet seyn.

§. 17. Es soll aber niemanden erlaubet seyn wegen eines andern einen Arrest ohne Special-Vollmacht zu suchen, welche, er dem Supplicato in originali so fort beyzufügen schuldig; wie dann auch der Kläger und Principal, wann es sich in loco befindet gehalten seyn soll die zu Ausbringung eines Arrest verfertigte Memorialien, eigenhändig zu unterschreiben.

§. 18. Hiervon sollen jedoch diejenige Persohnen ausgenommen seyn welche Inhalts P. I. Tit. 15. §. 13. ohne Vollmacht in Gericht erscheinen können, als welchen erlaubet seyn soll ohne besonderes Mandatum, jedoch cum cautione de rato, alieno nomine Arrest zu suchen.

§. 19. Bey erkantem Arrest soll zugleich Citatio ad justificandum veranlasset und dazu ein kurtzer Terminus angesetzet, derselbe auch nicht weiter prorogiret werden.

Wann der Arrestatus ein andres Forum hat, muß der Arrestante angewiesen werden den Arrest bey sothanem Foro zu justificiren , und binnen 4 Wochen Terminum darzu daselbst ausbringen.

§. 20. Würde nun der Extrahent in dem zur Justification des Arrests anberahmten (!) Termino nicht erscheinen, soll auf des Gegentheils Anhalten, der angelegte Arrest relaxiret werden.

§. 21. Wie denn auch durch Bestellung genugsamer Caution durch Bürgen oder Pfände jederzeit der Arrest, so gar gegen des Klägers Willen, wieder aufzuheben, jedoch


(413) Dritter Theil. Tit. XLII.

daß solche Caution nicht allein de judicio sisti, sondern auch de judicatum solvendo praestiret werde.

Wann aber der Arrest nicht zur künftigen Sicherheit einer noch nicht ausgemachten Schuld-Forderung angelegt worden, sondern die Bezahlung einer geständlichen oder offenbahren Schuld desto eher zu erhalten, so kann der Arrest durch keine Caution, sondern bloß durch die Bezahlung gehoben werden; welches auch statt hat wann aus einem Instrumento guarentigiaro geklagt worden, und der Arrestante nichts erhebliches einwenden kann.

§. 22. Es muss in denen Arrest-Sachen summariter, und ohne die geringste Weitläuftigkeit verfahren werden: Wann aber nach Beschaffenheit der Sache von einem oder dem andern Theil Beweiß mit Zeugen geführet , oder mehrere Weitläuftigkeit verstattet werden muß, kann der Arrest gegen Caution aufgehoben, und die Haupt-Sache zu rechtlicher Ausführung verwiesen werden.

§. 23. Wann über die Justification des Arrests oder dessen Relaxation (et)c. erkant worden, soll kein Remedium dagegen verstattet, sondern beyde Theile in der Haupt-Sache weiter zu handeln angewiesen werden.

§. 24. Wann Jemand Relaxationem Arresti gegen Caution sucht, muß er zugleich eine förmliche Caution nach Beschaffenheit der Sachen übergeben, welche dem Gegentheil cum brevi termino communiciret, und in termino darüber erkannt werden soll. Wann der Citatus nicht erscheinet, und der Extrahente insinuationem docirt, muß die Caution vor sufficient erklärt, und der Arrest relaxiret werden.

§. 25. Da sich aber bey der Justification des Arrests befinden würde, daß solcher ohne Grund gesuchet, soll derselbe nicht allein so fort relaxiret, sondern auch der Arrestant in Erstattung alles verursachten Schadens und Unkosten vertheilet, und im Fall Personal-Arrest ausgebracht, wegen der dem Arrestato dadurch angethanen Beschimpfung demselben billigmäßige Satisfaction zu geben angehalten werden.


(414) Dritter Theil. Tit. XLII.

Wie dann auch demselben gegen den Richter, welcher den Arrest zur Ungebühr angelegt, actionem injuriarum anzustellen vorbehalten bleibt.

§. 26. Derjenige bey welchen der Arrest angeleget muß so fort, bey Insinuation des Befehls, schriftlich declariren, ob und wie viel er von denen mit Arrest belegten Sachen bey sich habe, und soll er nachhero, bey Vermeydung doppelter Erstattung, ohne gerichtliche Verordnung davon nichts abfolgen lassen.

§. 27. Wann die arrestirte Sachen dergestalt beschaffen, daß sie ohne Schaden nicht aufgehalten werden können, oder wann auch Vieh, dessen Unterhalt ein vieles kosten würde, mit Arrest beleget werden, und der Beklagte abwesend, oder ausgewichen wäre, oder in dem ad justificandum angesetzten Termino contumaciter aussen bliebe, mögen dergleichen Sachen oder Vieh auf Klägers Anhalten gerichtlich taxirt, und die daraus gelösete Gelder in judicio deponiret werden.

§. 28. Der angelegte Arrest soll in Unsern Chur-Landen wie bishero also auch forthin kein Hypothec, noch anderes Vorzugs-Recht operiren, sondern dafern wegen der arrestirten Sachen zwischen verschiedenen Partheyen ratione des Vorzugs, Streit entstünde, soll denenselben, nachdem etwa habenden Recht ihrer Forderungen, locus competens assigniret werden.

§. 29. Wann ein Schuldner sich auf flüchtigen Fuß gesetzet, oder zu setzen im Begrif ist, ist dem Gläubiger erlaubt denselben selbst anzugreiffen, und in Verhaft zu nehmen wann er zu der Zeit die Richterliche Hülfe nicht haben kan, seine Forderung aber klar und gewiß ist.

Jedoch muß er an den Arrestanten keinen Muthwillen noch Frevel üben, auch in continenti solches denen Gerichten anzeigen, und die Flucht, oder gründlichen Verdacht derselben, zugleich bescheinigen.


(415) Dritter Theil. Tit. XLIII.

Tit. XLIII.

Von der Sequestration.

§. 1.

Wann der Kläger und Beklagte die Possession praetendiren, beyderseits Jura aber dunckel und zweifelhaft befunden werden, und gleichwohl zu besorgen daß die Partheyen zur Thätlichkeit schreiten möchten, so soll praevia summaria causae cognitione die streitige Possession, bis in summariissimo causa possessionis ausgeführt, sequestrirt, und beyden Theilen sich derselben zu enthalten anbefohlen werden.

Wovon keine Remedia als quoad effectum devolutivum verstattet werden sollen.

Wann aber würcklich mit Thätlichkeiten der Anfang gemacht worden, kann die Sequestratio ex officio und per decretum veranlaßt werden.

§. 2. Kein Richter soll seine Bluts-Freunde, bis auf Bruder- und Schwester-Kinder incl. zu Sequestris bestellen, allermassen solche Einsetzung null und nichtig, und, im Fall der Sequester nicht solvendo befunden würde, der Richter schuldig seyn denen Partheyen allen daraus zugewachsenen Schaden und Kosten zu ersetzen.

§. 3. Wann Moblilia sequestrirt werden müssen, soll darüber ein tüchtiges Verzeichniß gerichtlich verfertiget, und solches von dem Sequester, wann er schreiben kann, unterschrieben, sonst aber in Gegenwart zweyer Zeugen die Mobilien demselben überliefert werden.

§. 4. Wann der Streit über liegende Gründe ist, müssen dieselbe wann es füglich geschehen kann, (aber nicht länger als auf ein Jahr) verpacht werden, wo nicht, müssen dieselbe zur Administration jemand übergeben, jedoch zuforderst alles mit dem Eigenthümer und Creditoren überlegt werden.

§. 5. Solte jemand mit Gewalt die Einrichtung und Verwaltung der Sequestration zu hintertreiben sich unterstehen


(416) Dritter Theil. Tit. XLIII. XLIV.

oder die Einhebung der Früchte zu Verhinderung suchen, soll derselbe dadurch seines Rechts an diesen Früchten verlustig seyn, und solche dem Gegentheil zufallen; über dieses aber so fort arrestiret, und dem Befinden nach mit Geld oder am Leibe gestraft werden.

§. 6. Würde auch jemand bey Sequestration derer Mobilien sich derselben mit Gewalt wiedersetzen, oder nach beschehener Sequestration etwas de facto wegnehmen, so soll er das Duplum des Weggenommenen dem Gegentheil erlegen, zum Arrest gebracht, und wie vorhin verordnet worden bestraft werden.

§. 7. Die Sequestri müssen die ihnen anvertraute Mobilien weder selbst, noch durch andre, zu ihrem eigenen Nutzen gebrauchen oder vermiethen. Wiedrigenfalls sie nicht allein ihrer Gebühren verlustig, sondern auch denen interessirenden Partheyen allen Schaden zu ersetzen gehalten seyn, und diese deshalb ad juramentum in litem verstattet werden sollen.

Tit. XLIV.

Von Pfändungen.

§. 1.

Wann wegen zugefügten Schadens oder intendirter Turbation, bey Fischereyen, Jagten, imgleichen praetendirter Servitut, und sonsten zur Pfändung geschritten werden muß, als welches einem jedweden zu Behauptung des Seinigen frey stehet, ist dabey insonderheit zu beobachten, daß nicht ganze Heerden, sondern ein, zwey, oder drey Häupter, nach Proportion des Schadens abgepfändet werden sollen.

§. 2. Bey ungeschlossenen Feldern aber, da ein oder ander StückVieh übergetreten, soll mit der Pfändung unter Nachbahren nicht verfahren werden, dafern nicht ein Theil durch beständigen Ueberlauf beschadiget, oder der


(417) Dritter Theil. Tit. XLIV.

andere durch Uebertretung des Viehes sich einiges Recht anmassen wolte.

§. 3. Das gepfändete Vieh muß an denen Orten wo Pfandställe vorhanden daselbst eingetrieben, auf dem Lande aber in die Schultzen-Gerichte zur Verwahrung gebracht werden.

§. 4. Im Fall durch das gepfändete Vieh einiger Schaden veruhrsachet, soll solcher durch jedes Orts Gerichte, in Gegenwart dessen dem das Vieh gehöret, besichtiget und taxiret werden; welche Taxation allenfals in dessen Abwesenheit vorzunehmen, wann demselben davon durch die Gerichte gebührende Nachricht gegeben worden, und muß solche Taxe zu mehrer Beglaubigung schriftlich verzeichnet werden: Wären aber Schultze und Schöppen nicht vorhanden, soll die Taxation vorstehender massen, durch andere unpartheyische Leuthe verrichtet werden.

§. 5. Mit denen Taxations-Gebühren soll niemand übersetzet, sondern in denen Städten zum höchsten Ein Rthlr.auf dem Lande aber 6. 8. bis 12 Ggr. nach Entlegenheit des Orts, woselbst die Besichtigung vorzunehmen, dafür entrichtet werden.

§. 6. Imgleichen soll von jedem gepfändeten Stück, es bestehe worinn es wolle, nur zwey Schillinge oder 1 Gr. 6 Pf. an Pfand-Geld genommen werden: Es wäre dann daß es an einem oder andern Orte, sowohl wegen der Taxations-Gebühren als Pfand-Geldes ein anders verglichen, oder observirt werde, welchenfals es dabey gelassen wird.

§. 7. Wann bey Mastzeiten Schweine überlauffen, mögen dieselbe insgesamt nach dem Pfand-Stall gebracht, und davor zuförderst 6 Schillinge, oder vier Groschen, vor die gantze Heerde, und dann wegen des Schadens in der Mast vor jedes Stück täglich 2 Schillinge, oder 1 Gr. 6 Pf. im Fall, wie bey vorigen beyden Puncten schon erwehnet, auch dieserhalb nicht gewisse Vergleiche verhanden


(418) Dritter Theil. Tit. XLIV.

wären, gefodert werden, jedoch daß die geschehene Pfändung demjenigen welchen die Schweine gehören , so fort notificiret werde.

§. 8. Die abgenommene Pfände soll derjenige, welchem solche zugehören, innerhalb 14. Tagen mit vorbeschriebenen Pfand-Gelde einzulösen, auch den etwa verursachten Schaden und aufgewandtes Futter-Geld, womit doch niemand zu übersetzen, zu erstatten schuldig seyn.

§. 9. Würden aber die Pfände dem Pignoranten zur Last länger gelassen, soll derselbe befugt seyn selbige durch die Gerichte des Orths gegen Erlegung 2 Gr. Taxations-Gebühren für jedes Stück taxiren, und den Meistbiethenden verkauffen zu lassen, und ist er nach erhaltener Befriedigung wegen Schaden, Futter- und Pfand-Geldes  schuldig den Ueberrest des Pretii dem gewesenen Eigenthums-Herren zuzustellen, die Gerichte aber müssen solche Taxe gleichfals schrifftlich verfertigen.

§. 10. Dafern jemand vermeynet daß er zur Ungebühr gepfändet sey, der Pignorant aber sich wegerte die abgenommene Pfände, gegen Erlegung des Pfand-Geldes zu restituiren, oder auch die Partheyen wegen Erstattung des Schadens und Futter-Geldes sich nicht vereinigen könten, soll die restitution derer Pfände salvo jure verordnet werden, und solche so fort ohne Entgeld geschehen; ratione des etwa habenden Interesse und Unkosten, auch Pfand- und Futter-Geldes aber, bey einem kurtz anzusetzenden Verhör rechtlich erkant werden, oder sonst befundenen Umständen nach Veranlassung geschehen .

§. 11. Da aber solche Pfände, es sey unter was Verwand es wolle, des Mandati ungeachtet, entweder gar oder doch zum Theil an sich behalten würde, sollen diese auf dessen Unkosten durch den Landreuter, ohne vorhergegangener Ankündigung, so fort abgeholet, und dem Eigenthums-Herren restituiret werden.

§. 12. Damit auch wegen Abhohlung und Lieferung der Pfände kein Streit vorkommen möge, so wollen Wir


(419) Dritter Theil. Tit. XLIV.

daß derjenige so gepfändet worden solche von dem Gegentheil abholen solle; jedoch sind hierunter nicht zu verstehen diejenigen Pfände, wann die Unterthanen etwa der Obrigkeit Vieh, so Schaden gethan, abgepfändet, als auf welchen Fall die Unterthanen schuldig seyn sollen der Obrigkeit die abgenommene Pfände wieder einzuliefern, nicht aber diese von jenen solche abhohlen zu lassen.

§. 13. Bey denen wegen Pfändung vorgefallenen Verhören, muß derjenige so gepfändet hat, justitiam pignorationis erweisen, und wenn solches geschehen, ist demselben so wohl der erweisliche Schade, Futter und Pfand-Geld, als auch Unkosten zuzuerkennen.

§. 14. Solte sich aber befinden, daß die Pfändung unrechtmäßig geschehen, ist der Pignorant in Erstattung alles veruhrsachten Schadens und Unkosten zu vertheilen.

§. 15. Alle Pfandkehrungen, woraus öfters groß Unheil entstehet, sollen schlechterdings verbothen seyn, und derjenige so dergleichen unternehmen möchte mit nachdrücklicher fiscalischer Bestrafung angesehen werden.

§. 16. Mit gleicher, auch dem Befinden nach größerer Ahndung sind zu belegen welche sich unterstehen eines anderen Jurisdiction, durch Erbrechung des Pfandstalles, oder gewaltsamen Hinwegnehmung derer Pfände zu violiren.


(420) Vierter Theil. Tit. I.

Vierter Theil.

Tit. I.

Von einigen besondern Processen, als 1) in Bagatell-Sachen, 2) in Summariissimo, 3) in Injurien, 4) in Caufis fiscalibus, 5) bey Commissionen, und 6) Versuchung der Güthe, 7) zwischen Pächtern und Guths-Herren, Obrigkeiten und Unterthanen, Pupillen und Vormündere: Item wegen streitiger Gräntze, 8) in Concursen (et)c.

§. 1.

Es hat die Erfahrung gezeiget, daß bey Unserm Cammer-Gericht fast in allen Sachen modo ordinario verfahren, und kein Unterscheid unter denen Sachen, worin summarie verfahren werden muß, gemacht worden.

§. 2. Solchergestalt hat sich geäussert, daß 1) die Bagatel-Sachen allezeit durch Advocaten vorgetragen, auf Beweis und Gegenbeweis erkannt, und allerhand Remedia gegen die Erkäntniß verstattet worden.

§. 3. Ob Wir auch schon 2) in summariissimo einen kurtzen modum procedendi vorgeschrieben, so hat doch die Erfahrung gegeben, daß solcher gar nicht beobachtet, unzählige Weitläuftigkeit darbey gebraucht, interventiones und litis denunciationes zugestanden, auch so gar verschiedene Remedia verstattet worden.

§. 4. Wir haben auch 3) in Injurien Processen eine besondere Constitution publiciret, und wie darinn kurtz verfahren werden solle, angewiesen. Es ist aber auch darauf nicht gehalten worden, sondern man hat von diesen Processen kein Ende absehen können.


(421) Vierter Theil. Tit. I.

§. 5. Hauptsächlich aber und 4) seyn bey denen fiscalischen Processen viele Mißbräuche eingeschlichen, wodurch nicht allein die Sachen weitläuftig und kostbar gemacht, sondern auch durch einiger fiscalischen Bedienten Passiones und Chicanen die Partheyen öfters um ihre zeitliche Wohlfarth gebracht worden.

§. 6. Es haben auch 5) die öfters unnöthige, langwierige und kostbare Commissiones die Processe aufgehalten, und die Unterthanen ruiniret.

§. 7. Wir haben auch 6) wahrgenommen, daß die Güthe niemahls gehörig versucht, oder der behörige Ernst darbey gebraucht worden, wodurch, sonderlich im Anfange, viele Processe hätten vermieden werden können.

§. 8. Und wann 7) zwischen Pächtern und Guths-Herrn, Obrigkeiten und Unterthanen, Pupillen und Vormündern, item wegen der Gräntzen Streit entstanden, so seyn die Processe mehrentheils unsterblich gewesen, oder haben sich nicht ohne des einen oder des andern Theils Ruin geendiget.

§. 9. Schließlich und 8) so sein die Concurs-Processe in der grösten Unordnung tractiret worden, der Ausgang aber ist endlich dahin gediehen, daß die Richter und Advocaten, und hauptsächlich der Contradictor, und bonorum Curator, das übrige Vermögen absorbirt, und denen Creditoren das leere Nachsehen gelassen haben.

§. 10. Wir haben daher nöthig gefunden eine besondere Constitution zu entwerfen, wie in allen diesen Sachen verfahren, und dieselbe bald, ohne Weitläuftigkeit und Kosten, zum Ende gebracht werden können. Was die Criminal- und Wechsel-Processe betrift, darüber beziehen Wir Uns auf die dieserwegen publicirte besondere Ordnungen.


(422) Vierter Theil. Tit. II.

Tit. II.

Von Bagatell-Sachen

§. 1.

Weil einige gewissenlose Advocaten sich nicht entblöden in allen Kleinigkeiten ordentliche Processe zu führen, viele Exceptiones dilatorias zu formieren, Incident-Puncte zu erregen, auf Beweiß und Gegenbeweiß zu provociren, und wohl gar verschiedene Remedia gegen die in dergleichen Bagatell-Sachen ergangene Bescheide zu ergreifen, wodurch Unsere Unterthanen gezwungen werden mehr Kosten auf den Process zu verwenden als die Sache importiret (et)c. So ordnen und wollen Wir daß es künftig in dergleichen Sachen fogendergestalt gehalten werden solle.

§. 2. Der Kläger muß 1) eine schriftliche Vorstellung übergeben, das Factum kurtz und deutlich anführen, und das Peritum demselben gemäß formiren; worbey der Advocat ( wann einer admittiret werden muß ) dasjenige was ihm bey Verfertigung eines Libelli vorgeschrieben worden, beobachten muß. Vid. p. I. Tit. 14. § 10. seq.

§. 3. Wenn 2) ein Bauer, oder anderer gemeiner Mann, niemand findet der ihm eine schriftliche Klage in Kleinigkeiten aufsetzen will, und sich bey denen Gerichten meldet, soll der Richter ihn nicht abweisen, sondern jemand committiren, welcher die Klage ex officio auf(-) und solche mit allen Umständen ad protocollum nehmen soll.

§. 4. Der Richter muß auf die schriftliche Vorstellung, aber auf das Protocoll, rechtlich verordnen, und eventualiter Terminum zum Verhör ansetzen, mit der Commination.

Daß, wann Beklagter entweder nicht in Person, oder, wann er kranck, oder anderer wichtigen Ursachen halber verhindert wird ( welches er an Eydes


(423) Vierter Theil. Tit. II.

statt bekräftigen muß,) durch einen Bevollmächtigten erscheinen würde, in Contumaciam erkandt werden solte.

Worbey zugleich dem Beklagten anbefohlen werden muß, dem Kläger ein Recepisse bey 1 Rthlr. Strafe zu ertheilen, und alle seine Documenta, Nachrichten, und Zeugen wann dergleichen fürhanden, in Termino mitzubringen.

Der Richter muß aber auch den Kläger bedeuten, daß er in Termino seine Documenta, Nachrichten, und Zeugen wann er deren bedarf, in Termino produciren müsse.

§. 5. Dieses Decret, nebst der copeylichen Klage oder Protocoll, und dahin gehörigen Beylagen, muß der Richter dem Kläger zustellen, damit er dem Beklagten solches selber insinuiren könne.

Im Fall dieser dem Kläger kein Recepisse ertheilen wolte, muß der Kläger den Notarium, Schultzen oder Richter des Ortes antreten, welche mit Vorbehalt der verwürckten Strafe, ihm ohne alles Entgeld entweder ein Recepisse verschaffen, oder aber daß die Insinuation geschehen, attestiren müssen. Der Richter aber muß dem Kläger daß er der Insinuation solchergestalt verrichten müsse deutlich erklären.

§. 6. Wenn der Beklagte bey Zeiten, schriftlich oder mündlich ad protocollum Dilation bittet, muß das Memorial oder Protocoll nebst dem anderweitig angesetztem Termino, dem Beklagten auf eben dieselbe Art zur Insinuation zugestellet werden.

§. 7. Wann der Beklagte in Termino nicht erscheinet, muß so fort in contumaciam gegen ihn verfahren, und, wann die Klage vor richtig erkannt wird, die Execution dem Judici loci anbefohlen, das Mandatum aber dem Kläger zugestellet werden: wann der Beklagte contumaciam purgiren wolte, muß es salva executione geschehen.


(424) Vierter Theil. Tit. II.

§. 8. Wann der Citatus in Termino in Person erscheinet, muß er die ihm communicirte Klage mit dem Original-Decret produciren, seine Nothdurfft mündlich dargegen vorstellen, der Richter muß dessen Exceptiones ad protocollum nehmen, und die Sache ex officio ad duplicas usque instruiren, und keinen Advocat zulassen.

Wann ein Theil durch einen Advocaten erscheinet, der andre in Person, muß das Verhör dadurch nicht aufgehalten werden, sondern wann des Advocaten Proposition ad Protocollum genommen worden, muß der zu Aufnehmung des Protocolli deputirte Rath dem andern Theil alle angeführte Umstände und Rationes deutlich vorstellen, was er dargegen in facto einwenden kan, von ihm vernehmen, die Jura suppliren,folglich des Indefensi Nothdurfft ex officio beobachten, und wann solchergestalt duplicando geeschlossen, in der Haupt-Sache nach Recht und Billigkeit erkant werden.

Wann beyde Theile extra locum Judicii wohnen, steht dem Richter frey zu Erspahrung der Kosten einem des Orts, oder in der Nachbarschafft wohnenden Rechts-Gelahrten zu committiren, diese geringe Sache zu untersuchen, beide Theile vor sich zu fordern, die Zeugen wo nöthig abzuhören, und das Protocoll zum Spruch einzusenden.

§. 9. Es werden aber unter die Bagatell(-)Sachen gerechnet, wann die Sache 50 Rthlr. und darunter betrifft:

Wann die Sache kein baares Geld, sondern Praestationes, Jura, oder andere Anforderungen importiret, deren Werth nicht über 50 Rthlr. gerechnet werden kann, (welches dem arbitrio judicis lediglich überlassen wird, ) so gehören solche gleichfals unter die Bagatell-Sachen.

§. 10. Weil aber öfters das Wol und Weh, insonderheit bei armen und geringeren Leuthen, in dieser Summe bestehet, und daher die Remedia nicht so schlechterdings versagt werden können, so wollen Wir es folgendergestalt damit gehalten wissen.


(425) Vierter Theil. Tit. II.

§. 11. Wann jemand sich über den Bescheid gravirt befindet, und die Sache 10 Rthlr. und weniger betrifft, so soll niemahls ein Remedium gegen den Bescheid verstattet werden. Vid. Part. 3. Tit. 39. § 3. n. 24 (?).

§. 12. Betrifft aber die Sache über 10 und unter 20 Rthlr. so muß der Gravatus innerhalb 10 Tagen ein Remedium einwenden, und seine Gravamina zugleich bey eben demselben Richter justificiren. Worzu keine Dilation verstattet werden soll.

Diese Justification kan schrifftlich oder auch mündlich geschehen, in welchem letzten Fall der Richter wiederum ex officio die zweite Instantz instruiren muß.

Wann solches geschehen, muß der Richter ohne weiteres Verfahren Acta nebst seinem Bericht und Gutachten ex officio an das Ober-Gericht einsenden: Und was dieses erkennet darbey soll es gelassen, und kein weiter Remedium, auch nicht sub praetextu nullitatis, verstattet werden.

§. 13. Wann die Sache über 20 Rthlr. und unter 50 Rthlr. betrifft, so soll wie in andern Sachen verodnet ist, verfahren, die Justification binnen 4 Wochen bei dem Ober-Gericht schriftlich übergeben, und, wann die Gravamina gegründet scheinen, und daher nöthig befunden wird den andern Theil dargegen zu hören, die Sache zu weiterm Verfahren, wie oben in dem folgenden Tit.   §.   versehen, verwiesen, aber es bey demjenigen was alsdann erkannt wird lediglich gelassen, und die dritte Instantz wann auch die zweyte Sententz reformatoria ist niemahlen verstattet werden.

§. 14. Es können die Richter und Commissarii in dergleichen Bagatell(-)Sachen ausser denen Copial-Kosten keine Gebühren nehmen noch fordern. Es wäre dann daß der Kläger frivole geklagt, oder der Beklagte zur Ungebühr sich belangen lassen: in welchen Fällen der verliehrende Theil allein 2 Rthlr. vor den Bescheid erlegen soll, welches jederzeit in dem Bescheid mit erkannt werden muß.


(426) Vierter Theil. Tit. II. III.

Wann ein Advocat von dergleichen Bagatell-Sachen appellirt und Confirmatoria erfolget, soll derselbe seine Gebühren verlustig gehen, und diese der Sportul-Casse zugesprochen werden.

Tit. II.

Von dem Processu in Possessorio Summariissimo.

§. 1.

Weil das Summariissimum öfters gemißbrauchet, und mit dem Possessorio ordinario confundiret, der Beweiß nicht recht eingerichtet, und dadurch Weitläuftigkeit und unnöthige Kosten verursachet zu werden pflegen, so ordnen und wollen Wir daß künftig in Summariissimo folgendermassen verfahren werden solle.

§. 2. Das Summariissimum soll nur statt haben, wenn von der Possessione praesentanea vel quasi die Frage ist, und ein Theil klagt daß er von einem andern in seiner Possession defacto turbiret werde, und daher Periculum in mora, oder Metus armorum vorhanden, oder ein unwiederbringlicher Schaden zu besorgen sey.

§. 3. Bey diesem Summariissimo muß der Kläger in seinem Libello den Ort wo die Turbation geschehen umständlich beschreiben und benennen, anbey sich in einer beständigen und ruhigen Possession von 1. 2. 3. und mehr Jahren fundiren, das Petitum aber dahin formiren, daß er in seiner Possessione praesentanea & quieta möge geschützet, dem Gegentheil alle Turbation inhibiret, und ( wann ihm etwas weggenommen worden ) das Weggenommene cum omni causa restituiret werden.

§. 4. Worauf der Richter Mandatum de non turbando, vel de restituendo pure, oder salvo jure, cum vel sine poena, oder auch alles in statu quo zu lassen, ertheilen; eventualiter aber Terminum zum Verhör sub poena confessi & convicti ansetzen muß.


(427) Vierter Theil. Tit. III.

§. 5. Weil es nun hauptsächlich auf die Bescheinigung des Orts und der angegebenen Possession ankommt; so müssen beide Theile sothane Bescheinigung durch beyndeter Zeugen Aussage, oder solche Documenta welche actus possessorios in sich halten, führen, und den Rotulum 2 Tage vor dem Termino dem Registratori sub poena praeclusi einliefern, damit der Gegentheil solchen bey demselben nachsehen könne.

Wann der Rotulus in der ersten Instanz nicht eingebracht wird, kann derselbe in der zweyten Instanz nicht beygebracht werden: daher cessirt in Summariissimo das beneficium non deducta deducendi.

§. 6. Die Articuli müssen in Summariissimo genau auf den Ort quaest. ( damit nicht nöthig sey eine Ocular(-)Inspection zu veranlassen,) nicht weniger auf den letztern Actum possessorium NB. non contradictum gerichtet werden, weil allein derjenige, welcher durch die Zeugen bescheiniget, daß er einen oder mehr actus possessorios vor dem letztern Actu, welcher causam liti gegeben, ohne des Gegners Wiederspruch exerciret habe, in summariissimo geschützet werden soll.

Dahero derjenige Actus so den Streit veranlasset, als ein Actuo (= Actus) Possessorius nicht consideriret werden kann.

Wann die Partheyen fürchten, daß die Zeugen nicht gutwillig Gezeugniß ablegen werden, so stehet ihnen frey ante Terminum eine Commission zu deren Abhörung auszuwürcken: Es muß aber derer summarische Aussage, wie schon gedacht, zwei Tage vor der Verhör offen übergeben werden.

§. 7. Interrogatoria und Exceptiones contra personas & dicta testium werden bey der Abhörung nicht zugelassen: Es bleibt aber beyden Theilen frey ihre Nothdurft gegen die Zeugen und ihre Aussage bey der Verhör anzuführen: Jedoch müssen die Richter in Summariisimo auf dasjenige, was die Zeugen nicht gantz inhabil macht, und nicht in continenti verificiret werden kann, oder


(428) Vierter Theil. Tit. III.

altioris indaginis ist, nicht reflectiren, sondern vor denjenigen in summariissimo sprechen, dessen Possessio sowohl intuitu der Qualitaet der Zeugen, als intuitu derer von ihnen angeführten Umstände, und durch deren Aussage, am besten bescheiniget ist: allermassen auch ein Zeuge der omni exceptione major ist, und ein Actus non contradictus, zur Bescheinigung genug ist.

§. 8. Es steht auch einem jeden, es sei actor oder reus, frey, pro colorando summariissimo antiquiores actus possessorios anzuführen, und Zeugen darüber abhören zu lassen, oder solche durch Documenta zu behaupten.

Welches denen Partheyen um desto mehr anzurathen, weil derjenige welcher in summariissimo geschützt worden, künftig alle commoda possessionis geniessen soll. Vid. §. seq. 10.

§. 9. Wenn auch jemand seinen Titulum pro colorando possessorio anzuführen, und seiner Bescheinigung beyzufügen nöthig findet, soll auch dieses erlaubet seyn, welches einen grossen Effect dieserwegen haben kan, weil in dem Fall, da der Gegner den Titulum wahrscheinlich nicht elidiret, der Richter auch in petitorio sprechen kan, obschon nur in summariisimo submittiret worden.

§. 10. Und da Wir wahrgenommen daß einige muthwillige Partheyen, wann sie in summariissimo duch 2 Instantzen die Sache verlohren, nachhero das Possessorium  ordinarium ergreiffen und solches wiederum durch 2 Instantzen durchdisputiren, endlich das Petitorium antreten, und durch drei Instantzen durchtreiben, welches insonderheit zu geschehen pflegt, wann zwischen Obrigkeiten und Unterthanen Processe geführet werden; folglich nicht anders seyn kann, als daß durch dergleichen verschiedene Processe die Unterthanen ruinirt werden müssen. So ordnen und wollen Wir, daß, wann künftig in summariissimo allein gehandelt und einer oder der andre in der Possession durch Urthel und Recht in der zweyten


(429) Vierter Theil. Tit. III.

Instantz geschützt wird, derselbe pro vero possessore gehalten werden und der Gegentheil den Beweis übernehmen müsse.

Wolte nun der verliehrende Theil nachher das Possessorium ordinarium ergreifen, soll ihm zwar solches frey stehen. Er muß aber zugleich ob das Petitorium cumuliren und ausführen, oder er soll mit dem Possessorio gar nicht gehört werden.

Wann jemand gleich Anfangs in possessorio ordinario klagt, hat der processus ordinarius statt, und kann alsdann nicht weiter als super possessione gesprochen werden.

Wolte aber eine Parthei sive agendo sive excipiendo das petitorium cumuliren, stehet ihm solches frey, und ist der Richter schuldig dem Befinden nach darauf zu reflectiren, wann schon nur in possessorio submittirt worden.

§. 11. Es verstehet sich aber in beyden Fällen, es mag in summariissimo oder ordinario gesprochen seyn, von selbsten, daß wann der verliehrende Theil nachher das petitorium antritt und actionem negatoriam anstellet, das ist, sich in libertate fundirt, der Possessor den Beweis übernehmen müsse.

§. 12. Es soll auch zu Abhörung der Zeugen, wann periculum in mora ist, keine Dilation, sonsten aber nur eine, und zwar nicht über 14 Tage verstattet werden.

§. 13. In dem Termino muß der Implorat, daß er denen an ihm ergangenen Mandatis pariret habe, dociren, oder erhebliche Ursachen warum er zu pariren nicht schuldig gewesen, anführen, und solche zugleich bescheinigen: Wann er solches nicht thut, ist er dem Befinden nach in die denen Mandatis einverleibte, oder andere arbitrarische Strafen zu vertheilen, massen jedesmahl der Strafe halber, ob selbige verwürckt sey oder nicht, mit erkannt werden soll.


(430) Vierter Theil. Tit. III.

§. 14. Wann in Termino aus Zusammenhaltung der Zeugen-Verhöre sich hervor thun solten, daß die Zeugen in loco nicht einig seyn, und ein Theil auf eine Ocular-Inspection provociret, oder der Richter dieselbe nöthig findet, so ist solche nicht gäntzlich auszuschliessen, jedoch muß alles de simplici & plano, ohne Veranlassung eines ordentlichen Beweises, und Gegenbeweises (et)c. geschehen. Dergleichen Ocular-Inspection aber ist vor der Verhör zu suchen nicht erlaubt.

Wann metus armorum vorhanden, oder sonst periculum in mora ist, kann der Richter so fort in loco eine Commission ex officio veranlassen: Welche die Sache rechtlich untersuchen, intermistice darinn verordnen, das Protocoll aber an den Committentem zum Hauptspruch einschicken soll.

§. 15. Wann die Possessio in re corporali aus redlichen Ursachen von dem Richter als zweifelhaft angesehen, folglich in summariissimo nicht sogleich gesprochen werden könnte, und daher einige Verwirrung zu besorgen stünde, so soll ohne des einen oder des andern Theils Ansuchen eine Sequestration ex officio veranlasset, oder aber dahin gesehen werden, daß wann es füglich geschehen kan, und de perceptione fructuum die Frage ist, der streitige Ort unterdessen verpachtet werde.

Wann aber der Streit super possessione rerum incorporalium entstehet, soll bei vorgedachten Umständen Inhibition ergehen; wann aber hiernächst gefunden wird daß der Kläger entweder zur Ungebühr gepfändet, oder ihm sonst einiger Schaden zugefüget worden, so soll derjenige, dessen Possession den Vorzug behält, per Mandatum de non turbando geschützet, daß etwa noch ruckständige Pfand so fort ohne Entgeld, auch ohne Erstattung des Futters, oder, da es abhanden kommen, der Werth, nebst dem Genuß davon welchen der Gepfändete inzwischen entbehren müssen, restituiret, und der erweißliche Schaden sogleich nach richterlicher Ermäßigung

setzt


(431) Vierter Theil. Tit. III.

ersetzt werden; die Kosten aber seyn ad finem litis auszusetzen: jedoch ist hierunter dasjenige was vor diesem letzen Process gepfändet, oder an Schaden zugefügt worden, nicht begriffen. §. 16. Es stehet auch einem und dem anderen Theil frey das Jurament über dergleichen ultimos actus non contradictos, wie auch über den Actum turbationis selbst, wann solcher von einem Theil angegeben von dem andern Theil aber negirt worden, zu deferiren.

Wiewohl auch denen Berichten frey gelassen wird, einem oder dem andern, dem Befinden nach, das Juramentum suppletorium oder purgatorium zu zuerkennen.

§. 17. Wann der Richter in summariissimo erkennet, muß er dem Gegentheil possessorium ordinarium und petitorium reserviren.

§. 18. Das Summarissimum soll keine statt haben, wann in Erbfällen inter liberos ein Erbe sich auf die Prioritatem apprehensionis beziehet, und sich dabey zu schützen bittet, weil alle Erben ipso jure haeredes seyn, und die Possessio ipso jure auf sie devolviret wird, mithin kein Actus prioris apprehensionis allegiret werden kan.

Gleiche Bewandniß hat es, wann ein Proximus Agnatus nach Versterben des letztern Vasalli, die Possession des Lehns, oder, wenn ein Haeres Fidei-Commissarius nach dem Tod des ultimi Possessoris das Fidei-Commiss(-)Guth in Besitz nimmt: Es können also diese Agnati und Haeredes gegen die hinterlassene Wittwe nicht bitten, daß sie in Summariissimo geschützet werden mögen, weil die Possessions-Ergreiffung dem Juri retentionis der Witwen nicht praejudiciret, vermöge dessen sie, ehe und bevor sie befriediget ist, aus dem Guth zu weichen nicht schuldig ist.

§. 19. Es soll auch in summariissimo keine Litis denunciatio oder Reconventio (wie solches bishero abusive geschehen ) zugelassen werden.


(432) Vierter Theil Tit. III. IV.

§. 20. In summariissimo soll niemahlen schriftlich verfahren werden, sondern der Vortrag mündlich, oder loco oralis von 3 zu 3 Tagen geschehen.

§. 21. Es soll auch kein Remedium dargegen als quo-ad effectum devolutivum verstattet werden, wann auch gleich auf Schaden und Kosten zugleich mit erkant worden, oder beyde Theile Remedia suchen.

§. 22. Weil die Sententia in possessorio, sive ordinario sive summariissimo lata, nur eine Provisional-Verordnung ist, so soll die Possessio worinn jemand geschützt worden, den Besitzer, wann er nachher in petitorio succumbirt, von der Restitution der Fructuum perceptorum nicht liberiren: Und wann er überfuhrt wird daß er male fide die streitige Sachen besessen, so kan er auch zur Erstattung der Fructuum percipiendorum, und derer Kosten, angehalten werden.

Tit. IV.

Von Injurien-Sachen und wie darin procediret werden soll.

§. 1. Weil wegen mehrentheils geringer Injurien bishero weitläuftige und kostbare Processe geführet worden, so haben Wir auch diesen Processen einen Riegel vorschieben wollen.

§. 2. Wann Injurien unter Handwercks-Genossen oder gantzen Zünften vorgehen, sollen dieselbe nach der in Handwercks-Sachen im gantzen Römischen Reich Ao. 1731. kund gemachten General-Constitution gäntzlich unkräftig und unnachtheilig seyn, auch wie daselbst verordnet ist gegen die Injurianten verfahren werden.

§. 3. Wann die Injurien von keiner Erheblichkeit seyn, und geringere Leuthe angehen, welche nicht von


(433) Vierter Theil. Tit. IV.

beträchtlicher Condition seyn, oder sonst in keinen Ehren-Aemtern stehen; So muß die Sache regulariter in einem Verhör abgethan, und zu dem Ende, wann beyde der Kläger und Beklagte in loco judicii wohnen, der letztere mit Vorzeigung oder Verlesung der Original-Denunciation, von dem Cantzley-Diener auf einen kurtzen Terminum vorgeladen werden, mit dem Beyfügen, daß beyde Theile ihre etwa habende Zeugen mit zur Gerichtsstelle bringen, oder ante Terminum um deren Citation anhalten müssen.

Wann beyde Theile extra locum judicii wohnen, so stehet dem Cammer-Gericht frey, einem des Orts wohnenden Rechts-Gelahrten, Bürgermeister, Syndico, Actuario &c. ex officio zu committiren, daß er beyde Theile in brevi Termino vor sich laden, dieselbe mit ihrer Nothdurft umständlich ad Protocollum hören, Zeugen, wo nöthig, summariter abhören, Acta aber nebst dem Gericht binnen 4 bis 6 Wochen bey 10 Rthlr. Strafe zum Spruch einschicken solle.

In dergleichen Sachen sollen nicht leicht Advocaten admittiret, keine Exceptio suspecti Commissarii angenommen, und auf keine Exception contra personas testium reflectiret; sondern die Sache ex aequo & bono decidiret, und, wann beyde Theile excediret, auch beyde Theile gestraft, von dergleichen Erkäntniß auch keine Remedia verstattet werden.

§. 4. Wann die angebrachte Injurien von einer Wichtigkeit seyn, oder betrofen Standes- und andere honoratioris conditionis Personen, so sollen wegen derglei Injurien, sie mögen durch Minen, Gebärden, Schimpf- und Schelt-Worte, oder auch realiter durch Ohrfeigen, Stockschläge (et)c. begangen werden, keine solene und förmliche Actiones civiles, es sey ad aestimationem. palinodiam, oder wie sie sonst Nahmen haben, angestellet, sondern dieselbe bloß per modum denunciationis angebracht, und niemahlen darinne schriftlich verfahren, sondern


(434) Vierter Theil. Tit. IV.

solche mündlich, oder loco oralis höchstens von 8 zu 8 Tagen, vollführet werden.

§. 5. Zu solchem Ende muß die einzureichende schriftliche Denunciation von dem beleidigten Theil, deutlich, umständlich, mit Benennung des Orts, der Zeit, und der anwesend gewesenen Personen ausgeführet, und ohne also klar genug gemachte That von dem Judicio nichts voreilig fürgenommen werden.

§. 6. Wann Zeugen bey dem Facto gegenwärtig gewesen, wird der Kläger oder Denunciate wohl thun, deren summarische Aussagen beyzulegen, oder in seiner Denunciation zu bitten, daß dieselbe in Termino mit vorgefordert werden möge.

Wann der Beweiß durch schriftliche Documenta geführet werden soll, muß der Denunciate durch Anfügung der Copeyen das Factum bescheinigen.

§. 7. Wann nun solchergestalt  die Denunciation gerichtlich eingebracht ist, muß das Judicium dieselbe dem Gegentheil communiciren, Terminum praejudicialem von 8 bis 14 Tagen ansetzen, dem Beklagten gleichfalls Auflage thun, daß er diejenige Zeugen die er zu seiner Defension gebrauchen will, in Termino mitbringen, oder bey Zeiten bitten müsse, daß sie besonders ad illum Terminum citiret werden.

Wobey zugleich jederzeit dem Officio Fisci anbefohlen werden muß, in Termino pro interesse fisci zu vigiliren.

§. 8. Auf solche Citation ist der Denunciate schuldig, sich ohne alle Entschuldigung persönlich in Termino zu gestellen, mit Vorbeylassung aller dilatorischen Exceptionen (als welche kein Richter in Injurien-Sachen zu consideriren hat, ) so gleich litem zu contestiren, und die Exceptiones peremtorias in ipso Termino  sämtlich, aber nur mündlich beyzubringen; Worauf der geschmähete Denunciate sogleich zu repliciren, und Denunciatus zu dupliciren hat, wodurch die Causa völlig geschlossen seyn soll.


(435) Vierter Theil. Tit. IV.

Der Fiscalis aber muß dem Befinden nach auf die in denen Gesetzen determinirte Strafe in Termino antragen.

§. 9. Hätte aber der Denunciate erhebliche Ursachen aussen zu bleiben, worunter keine andere als unvermuthete Wasserfluth, Krieges-Gefahr, schmertzhafte Kranckheit, und würckliche Niederlage, oder daß er eine Königliche Sache, oder ein Amt, wobey seine Gegenwart beständig nöthig, zu respiciren habe (et)c. ( welche Verhinderung er an Eydes statt bekräftigen muß ) anzunehmen sind, so soll ihm in diesem Fall eine einzige Dilation von 14 Tagen verstattet, oder befundenen Umständen nach, auch sein Mandatarius specialiter instructus admittiret werden.

§. 10. Erschiene aber derselbe in dem angesetzten oder dem prorogirten Termino weder selbst in Person, noch per Mandatarium, oder der Mandatarius wolte einige unnöthige Weitläuftigkeit, unter dem Praetext daß er nicht genugsam instruiret wäre, machen, so soll der Injuriante pro confesso & convicto declariret, und wieder ihn der Gebühr nach verfahren werden.

§. 11. Im Gegentheil soll der in Termino aussenbleibende Kläger nicht ehender mit seiner zu erneuernden Klage gehört werden, bis er den Beklagten expensas Termini refundiret, auch allenfalls, wenn er nicht ansäßig wäre, Caution de lite prosequenda praestiret hätte.

§. 12.  Sind nun Kläger und Beklagte in Termino beysammen, so hat das Gerichte sowohl vor dem Behör, als nach Endigung desselben, und vor erfolgten Bescheid jederzeit durch einen von den Räthen die Güte zwischen denen Partheyen ernstlich zu tentiren, und so viel möglich solche zu bewürcken.

§. 13. Wann die Güte nicht verfangen will, die Sache auch vorgeschriebener massen instruiret ist, und der Injuriante gestünde das Factum, so muß der Richter definitive, und dergestalt deutlich sprechen, daß die Partheyen auf


(436) Vierter Theil. Tit. IV.

einmahl auseinander gesetzet, und dem beleidigten Theil nach Inhalt der Duell-Edicten gebührende Satisfaction verschaffet werde.

§. 14. Wann aber der Denunciatus das Factum entweder in totum, oder in tantum negiret, so sollen die gegenwärtige Zeugen sofort darüber summariter vernommen, oder, wann die Zeugen nicht erschienen, einem fiscalischen Bedienten committiret werden, die angegebene Zeugen höchstens binnen 14 Tagen summariter, jedoch eydlich abzuhören, und im Fall der Denunciatus zu seiner Defension eigentliche Umstände, welche den Denunciaten gleichfalls strafbar machen, und ratione seiner die Strafe moderiren, anzeigen solte, als daß der Denunciate zuerst geschimpfet, daß er den Stock gebrauchen müssen um ihn vom Leibe zu halten, (et)c. auch dieserwegen die Zeugen benennet ( immassen er in Termino zu thun schuldig, nachhero aber nicht weiter damit gehöret werden soll, ) der Denunciate aber solches negiret, so müssen auch diese Defensional-Zeugen von dem Fiscali abgehöret und vernommen werden, welcher das Protocoll ohne einen ordentlichen Rotulum über die Aussage zu formiren, dem Judicio einschicken muß, woraus der Richter ohne die Partheyen weiter darüber zu hören, erkennen soll.

§. 15. Würde aber einem Theil das Jurament deferiret, so ist derselbe schuldig den Eyd, wo nicht in Termino ipso, doch in einer anderweitigen Frist von 8 Tagen (welche nicht prorogiret werden soll) abzulegen, der Deferent aber muß vorhero das Juramentum calumniae praestiren.

Wann derjenige dem der Eyd deferiret worden, in diesen Terminis nicht erscheinet, muß er pro jurare nolente gehalten, und auf die Strafe erkannt werden.

§. 16. Von der solchergestalt ausgesprochenen Sententz oder Bescheid, hat regulariter weder eine Appellation noch Revision, noch ein anderes Remedium juris statt, sondern es haben beyde Theile dabey zu acquiesciren, und dem Bescheid ein Genügen zu leisten.


(437) Vierter Theil. Tit. IV.

§. 17. Hätte aber dennoch der Beklagte und Denunciat erhebliche Ursache zu glauben, daß ihm durch den Bescheid zuviel und wehe geschehe, so hat er, wann von denen Unter-Gerichten erkandt worden, solche per modum ulterioris defensionis bey dem Unter-Richter schriftlich einzureichen.

Dieser Unterrichter muß Acta sofort ex officio an das Ober-Gericht einsenden, welches, ohne weiteres Verfahren der Partheyen, auf die Acta prout jacent ratione Con- vel Reformationis erkennen, und dem Unter-Richter Acta ex officio wieder zurück senden, die Gebühren aber von dem succumbirenden Theil beytreiben lassen muß.

§. 18. Desgleichen stehet dem Kläger und Denunciaten frey, seine wider den Bescheid habende Beschwerden, in einer kurtz gefaßten Gravatorial-Schrifft bey dem Unter-Richter einzubringen, da dann auf gleiche Weise mit Einsendung der Acten verfahren werden soll.

§. 19. Wann bey dem Cammer-Gericht und dessen Ersten Senat in prima Instantia gesprochen worden, muß ulterior defensio an den Zweyten Senat als instantiam superiorem gebracht, und von diesem erkant werden.

§. 20. Es stehet aber keinem von beyden Theilen frey, zu Behauptung ihrer weiteren Defension, neue Zeugen vorzuschlagen, oder neue Documenta vorzubringen, vielweniger neue Attestata beyzulegen; allermassen solche sofort ab actis removiret werden, und auf dasjenige, was in der Defension daraus angeführet wird, gar nicht reflectiret, sondern die Decision bloß ex ante actis genommen werden soll: Weil jeder Theil sich imputiren muß, daß er in primo Termino nicht alles vorgestellet; dem Publico aber daran gelegen, daß dergleichen Injurien-Processe je eher je lieber abgethan werden.

§. 21. Was in dieser zweyten Instantz erkannt wird, dabey soll es lediglich gelassen werden. Gestalten Wir keine Remedia sie mögen Nahmen haben, wie sie wollen, auch


(438) Vierter Theil. Tit. IV. V.

nicht einmahl querelam nullitatis, dagegen admittiren wollen, wenn auch schon die letztere Sententz reformatoria seyn solte; Und soll die Partheyen sowohl als der Advocat, wann sie bey Hofe sich dagegen moviren wolten, jeder 10 Rthlr. Strafe erlegen.

§. 22. Wir befehlen auch Unserm Officio Fisci aller Orten zu vigiliren und Achtung zu geben, daß dieser Unserer Constitution auf das exacteste nachgelebt, und solche bey allen Ober- und Unter-Gerichten zu Effect gebracht und mit Nachdruck darüber gehalten werde.

Tit. V.

Von denen Fiscälischen Processen wie darinn zu verfahren, und von einigen bey den Inquisitionen eingeschlichenen Mängeln.

§. 1. Weil wir allergnädigst wollen daß die Fiscaele sowohl die Inquisitions- als Civil-Processe mit genugsamen Grund und Wissenschafft anstellen, und mit gehöriger Legalitaet führen, niemand aber zur Ungebühr belästigen sollen. So muß

Erstlich kein fiscalischer Bedienter bey Straffe der Cassation sich unterstehen, eine General- oder Special-Inquisition anzustellen, ehe und bevor er wohl überleget, ob auch die Indicia so beschaffen, daß mit Grund einiger Verdacht auf die Thäter fallen können: in specie aber muß der Fiscalis wohl examiniren, wie die Denunciation unterschrieben, ob Zeugen angegeben worden, welche von dem denunciirten Facto Nachricht geben können (et)c. Wann er nach seiner Pflicht und Gewissen glaubt, daß die Denunciation zu einer General-Inquisition sich nicht qualificire, muß er die Denunciation reponiren, auch


(439) Vierter Theil. Tit. V.

niemahlen zu einer General-Inquisition ohne des Collegii Ordre schreiten.

Im Fall also ein rechtlicher Verdacht auf jemand fallen kan, muß Fiscalis die Indicia und Umstände dem Cammer-Gericht vortragen, welche den Fiscal ohne Aufenthalt darüber näher bescheiden soll.

Im übrigen sollen die Denuncianten, welche mit Grund etwas anzeigen, und darüber Beweis anzuführen wissen, das Denuncianten-Theil in denen Fällen da es nach denen Edicten verordnet, wie billig zu hoffen haben.

§. 2. Wann der Fiscal zweytens nach beschehener General-Untersuchung findet, daß nach Anleitung der Criminal-Ordnung die Indicia dergestalt beschaffen seyn, daß eine Special-Inquisition statt finden könne, so muß er dieselbe mit allen Umständen des Cammer-Gerichts denuo schriftlich vortragen, und nähern Befehl darüber erwarten.

§. 3. Es müssen aber drittens die Fiscaele so wohl als die decernirende Räthe mit aller Behutsamkeit hiebey verfahren, damit niemand unschuldig mit fiscalischer Untersuchung und Strafe belegt, und folgendes an seinem guten Leumuth, ehrlichen Nahmen, zeitlichen Güthern, und Leib und Leben gefährdet werde. Sie müssen auch ferner vor allen Dingen des Corporis Delicti, in den Fällen in welchen es die Rechte erfordern, gewiß seyn, und sodann allererst auf die Special-Inquisition antragen oder erkennen. Vid. P. I. Tit. 6.

§. 4. Würde viertens ein Fiscal oder Decernent hierunter sich übereilen, und ohne genugsame Anzeige eine Special-Inquisition veranlassen; Soll er seines Amts verlustig declariret werden, und dem Inquisiten allen Schaden und Kosten, wie er solche vermittelst Eydes erhärten wird, erstatten.

§. 5. Es haben fünftens die Inquisiti selbst bishero auch dadurch die Inquisitions- Processe aufgehalten, daß sie ohne Unterscheid defensionem pro avertenda zu


(440) Vierter Theil. Tit. V.

suchen, und von denen Collegiis mehrentheils ohne Ueberlegung dazu amittiret zu werden pflegen: Wir ordnen und wollen daher, daß sothane Defensio alsdann nur statt habe, wann der Inquisit nach der Lehre Carpzovii Part. 3. p. 115. n. 13. erweisen will, daß die Indicia zur Special-Inquisition nicht zureichend seyn: Welche Defension der Inquisite binnen vier Wochen sub poena praeclusi beybringen muß.

Wann also das Delictum klar vor Augen lieget, oder Indicia proxima vorhanden seyn,; so kan er mit keiner Defension pro avertenda gehöret werden, sondern er muß ohne ein Verhör darüber zu veranlassen, litem contestiren, wo wieder keine Protestation oder einiges Remedium verstattet werden soll.

§. 6. Insonderheit soll der Fiscal bey der Litis Contestation eines Inquisiti sich nicht zu genau an die bey der General-Inquisition entworffene Articul binden, sondern, nach Beschaffenheit der Aussage, aus dieser selbst die zu rechter Ergründung das Facti gereichende Articul von neuem formiren und fortsetzen: Zugleich aber auf dasjenige was zu des Inquisiti Defension gereichet, mit Acht haben, und zu dem Ende bey denen Articuln und Zeugen-Verhören nöthigen fals ex officio interrogatoria machen, und, wann der Inquisite Defensional-Zeugen hat, ihn damit hören.

§. 7. Die nöthige Zeugen muß jede Obrigkeit, wann sie darum ersucht wird, bey 10 Rthlr. Strafe gestellen, und sonst alle erforderliche Hülfe leisten.

§. 8. Gleichwie Wir sechstens die Verschickung der Acten (weil dadurch die Processe so sehr verzögert werden) in genere verbothen, also müssen auch in denen Criminal- und Fiscalischen Sachen, keine Acta mehr auf Universitäten verschicket, sondern es folgendergestalt gehalten werden:

Wann a) bey denen Aemtern und andern Unter-Gerichten eine Inquisition geführet worden, stehet den


(441) Vierter Theil. Tit. V.

inquirirenden Richter, wenn er die Rechte verstehet, oder einen Rechts-verständigen beeydigten Justitiarium bestellet hat, frey, selbst zu sprechen, oder Acta an das Cammer-Gericht einzuschicken.

Letzternfals muß b) der Praesident die Acta einem Criminal-Rath zuschreiben, in wichtigen Sachen einen Correferenten benennen, welcher binnen 8. und höchstens binnen 14. Tagen die Relation verfertigen, und bey dem Criminal-Senat daraus referiren soll.

Wann c) der Unterrichter selber gesprochen, und Inquisitus ulteriorem defensionem gesucht (welche er binnen 4. Wochen praeclusivischer Frist einbringen muß,) soll der Richter ohnverzüglich Acta an das Cammer-Gericht mit der Defension einsenden, dieser aber solche denen Criminal Räthen zu Abfassung eines Urthels distribuiren.

Wann d) das erste Urthel bey dem Criminal-Senat ausgesprochen worden, und der Inquisite ulteriorem defensionem bittet, so muß der Praesident Acta, mit der binnen 4 Wochen einzubringenden Defension, in dem zweyten Senat distribuiren.

Dieser Referente muß gleichfalls e) die Relation binnen 8, oder höchstens binnen 14 Tagen verfertigen, und das Urthel abfassen, zugleich aber auch genau Achtung geben, ob die Inquisitio von dem Unterrichter oder Fiscal legaliter instruiret worden.

Wann einige Hauptfehler dabey begangen, müssen die Referenten solche notiren, dem Judici & Fiscali inquirenti solche verweisen, und dieselbe dem Befinden nach jederzeit in 5 bis 10 Rthlr. Strafe zur Sportul-Casse condemniren.

Es muß auch f) nach einmahl gesuchter defensione ulteriori keine weitere Defension gesucht noch verstattet, sondern Acta müssen dem Unter-Richter oder Fiscal zur Publication der Urthel remittiret werden.

E e 5


(442) Vierter Theil. Tit. V.

Es sollen auch g) dergleichen Urthel nebst denen Acten nicht mehr zur Confirmation eingeschickt werden, in crimine laesae Majestatis, falsae monetae, Todschlag, und wann auf die Tortur, oder Landes-Verweisung erkannt worden.

Wann ein Delinquent blos zur Festungs-Arbeit condemniret worden, dürfen nicht die Acta, sondern blos das Urthel eingeschicket, und die Ordre an den Commendanten zu Annehmung des Delinquenten gesucht werden.

Wenn h) nach erfolgter Confirmation ulterior defensio gesucht, und von dem Collegio abermahl erkant wird soll das Urthel wann es von der vorhergehenden Confirmation abgehet, nebst denen Acten von neuem zur Confirmation eingeschickt worden: Wann Confirmatoria erfolget, braucht es der weiteren Einschickung nicht.

§. 9. Im übrigen werden siebentes die Fiscaele und Unter-Richter auf die Criminal-Ordnung und die Edicta vom 12. Jul. 1732. und vom 9. Jan. 1736. verwiesen, welche sie jederzeit vor Augen haben, bey Anstellung der Inquisitionen alle Passiones und Privat-Absichten bey Seite setzen, und die Processe auf alle Wege beschleunigen, und zum Spruch befördern müssen.

§. 10. Noch sollen achtens die Fiscaele davor sorgen, daß, wann jemand in eine Geld-Strafe verurtheilet wird, derselbe nicht eher als bis er solche samt denen Kosten erlegt oder genugsame Caution bestellet, seines Arrestes erlassen werde: Wann er aber Unvermögens halber die Strafe nicht bezahlen könte, muß der Fiscal so fort davon berichten.

§. 11. Schließlich stehet dem Collegio frey, zur Ersparung der Kosten, sowol in den geringern Inquisitions(-), als Fiscalischen Processen, denen in loco oder in der Nähe befindlichen Magistraten, Fiscaelen, Advocaten (et)c. zu committiren, daß sie die Inquisiten oder Denuncianten ad Protocollum vernehmen, Zeugen abhören (et)c. und das Protocoll, Rotulus &c. binnen gewisser Zeit, bey Verlust ihrer Gebühren einschicken sollen.


(443) Vierter Theil. Tit. V.

§. 12. Von denen Inquisitions-Processen müssen die Fiscalische Processe wohl unterschieden werden, allermassen in diesen niemahls inquisitorie, sondern per modum actionis civilis verfahren werden soll und muß.

Es gehören aber unter die Fiscaelische Processe I) die Delicta Leviora, wo keine Paena Capitalis, sondern nur Poena pecuniaria oder Gefängniß erkannt zu werden pflegt, als in geringen Diebstählen, Stupro, Adulterio simplici zwischen einem Ehe-Mann und lediger Weibs(-)Person, wann jemand in denen Königl. Holtzungen gejaget, Holtz gehauen, und andere dergleichen Delicta. Besonders sollen die Fiscaele nach Anleitung Unseres Rescripts declaratorii vom 9. May 1740 in Injurien-Sachen, wann solche nur verbalis gewesen, oder solche reales die nicht viel auf sich haben, und von denen Parthen selbst nicht gerügt werden, sich aller Action und Inquisition enthalten: Wann aber Parthen darüber klagen, bleibt denen Fiscaelen unbenommen sich interveniendo darbey zu melden.

Im Fall aber die Verbal-Injurien in Kirchen und auf denen Gerichten begangen wären: Imgleichen wann die Real-Injurien auf öffentlicher Strasse oder in loco privilegiato vorgehen, können die Fiscales, wann auch die Partheyen nicht klagen, sich darnach erkundigen, und bey dem Collegio um Verhaltungs-Befehl ansuchen, auch wann die Parthey Klage anstellet, darbey interveniren.

In dergleichen Sachen muß der Richter dem Denunciato causam citationis, und wann eine schriftliche Denunciation vorhanden, solche zugleich mit communiciren.

Es muß auch hierin kein ordentlicher Process verstattet, sondern die Sache bey einem summarischen Verhör abgethan werden, und hat der Fiscal wann die Strafe in lege determiniret ist, auf solche eigentlich mit Anführung des Edicts und des §. anzutragen: Wann solche nicht determiniret ist, muß das Collegium nach der Billigkeit, nach der Grösse des Verbrechens, und nach dem Vermögen der Partheyen, die Strafe einrichten.


(444) Vierter Theil. Tit. V.

Es ist auch in diesen Fällen nicht nöthig, daß der Denunciatus in Person erscheine, sondern es stehet ihm frey, per Mandatarium sich zu gestellen. Es muß aber dieser völlig instruiret erscheinen, massen unter dem Praetext, daß er nähere Instruction einholen müsse, die Decision der Haupt(-)Sache nicht aufgehalten werden soll.

§. 13. Es gehöret auch II) zu denen Fiscaelischen Processen, wann bey einer Civil-Sache dem Fisco anbefohlen wird, bey der Sache zu vigiliren, oder sein Amt zu thun, oder wann ihm die Nothdurft darbey reserviret wird. Nichtweniger wann er bey einem Privat-Process, wegen eines dabey versirenden Interesse Fisci, ohne Befehl interveniret.

Wann einem Fiscaelischen Bedienten, auf eingelaufene Denunciation, befohlen wird sein Amt zu thun, so muß er solches nicht aussetzen, sondern höchstens binnen 8 Tagen, bey arbitrairer Strafe, was er thun soll exequiren.

§. 14. Unter die Fiscaelischen Processe werden auch III) gerechnet, wann Fiscus wegen der Regalien, oder Domainen(-)Güther, item wegen der Grentzen, und anderer die Königl. Aemter angehende Jurium jemanden in Anspruch nimmt. Es muß aber kein Fiscalis sich unterstehen in dergleichen Sachen eine Klage anzustellen, ohne sich durch einen schriftlichen Befehl von dem Collegio zu legitimiren.

§. 15. Keinesweges gehören aber IV) zu denen Fiscaelischen Processen, wann die Fiscaele der Städte, Magisträte, und Cämmereyen Jura defendiren, allermassen diese in denen Processen, welcher ihre Güther und Jura betreffen, nicht anders als Privati, und die Fiscaele bloß als deren Advocati angesehen und gehalten werden können; Dahero sie auch Stempel-Papier, die Sportuln bezahlen, und was sonst in causis privatorum erfodert wird, praestiren müssen.

vid. C. C. de a. 1748. 50. n. 57.

§. 16. Am wenigsten aber können V) promiscue als Fiscaelische Processe angesehen werden, wann einem


(445) Vierter Theil. Tit. V.

Privato assistentia Fisci verstattet wird, sondern es muß distinguiret werden, ob der Privatus in ein wahres fiscalisches Recht succedire, folglich der Fiscus wegen eines wahren Juris Fiscalis dem Privato assistire, als z. E. wann der Landes-Herr dem Privato ein Lehn schenket, und die Agnati demselben viele Lehn-Schulden aufbürden wollen (et)c. In diesem Fall gehöret die Sache zu den Fiscaelischen Processen.

Wann aber einem Privato, weil er abwesend, minor, furiosus &c. ist, oder wann einem Pio corpori die Assistentia Fisci verstattet wird, so ist es mera causa privata, worinn alles, was in andern causis privatis statuiret worden, observiret werden muß. Daher müssen der Cantzley und dem Fiscal die Gebühren bezahlt werden.

Im Fall auch der Fiscal finden solte daß dergleichen Assistentz zur Ungebühr gesucht worden, und die Sache selbst nichts tauge, ist er schuldig mit seiner Vorstellung dargegen einzukommen. Wann er solches nicht thut, muß dem Befinden nach auf dessen Bestrafung erkannt werden.

§. 17. Ob nun schon in denen fiscaelischen Processen Fiscus von dem Stempel und Sportuln frey ist, auch ihm alles ex officio communiciret und ausgefertiget werden muß; so müssen die Fiscaele sich dennoch wie andere Advocaten nach denen Ordnungen achten, und zu dem Ende vor Anstellung der Action alles dasjenige beobachten was oben P. I. T. 14. §. 1. & seq. denen Advocaten vorgeschrieben worden, insonderheit müssen sie von denen Cammer-Aemtern, und andern in deren Nahmen Sie fiscaliter agiren, die benöthigte Nachrichten aus denen Erb(-)Registern, Recessen, Vergleichen, alten Acten (et)c. einziehen.

Es müssen auch die Beamten dasjenige was zu Unserer Aemter-Rechten gehöret in guter Ordnung und bereit halten, und denen Fiscaelen jederzeit die nöthige Information ertheilen, oder, wann sie darunter säumig seyn, Bestrafung erwarten.


(446) Vierter Theil. Tit. V.

Uebrigens seyn die Fiscaele schuldig richtige und völlige Manual-Acta zu halten, damit sie nicht nöthig haben bey allen Fällen die Judicial-Acta nachzusehen.

Es müssen die Fiscaele auch die angesetzte Termine gehörig abwarten, und keine unnöthige Dilationes suchen. Wann Sie selber die Sache nicht abwarten können, insonderheit bey Inquisitionen müssen Sie jederzeit bey 2 Rthlr. Strafe einen andern Fiscal substituiren, und committenti Collegio solches anzeigen.

Wann sie hierunter etwas versäumen und contumaciret werden, soll die Entschuldigung wegen ihrer Amts-Geschäfte nicht angenommen, sondern in contumaciam verfahren, oder wann sie dieserwegen Restitution suchen, jederzeit in expensas termini circumducti ex propriis condemnirt, und sonst nach befinden (!.) bestrafet werden.

§. 18. Wann 1) die Fiscaele in Inquisitions(-) und andern fiscaelischen Sachen, wider die Rechte, Acta und diese Ordnung etwas suchen oder schreiben, sollen sie jedesmahl mit denen darin gesetzten Strafen beleget werden.

2) Wann sie eine ungerechte fiscalische Sache defendiren, und solche wieder besser Willen und Gewissen durch alle Instantzen durchtreiben, müssen sie allezeit in die Unkosten ex propriis condemniret werden.

Allermassen dieselbe 3) wann die Sache gar keinen Grund hat, die Action gar nicht anstellen, oder wann ein Dubium dabey ist, bey dem Collegio anfragen; die Rationes pro & contra anführen, und Verhaltungs-Befehl erwarten müssen.

Wann ihm auch höhern Orts eine Sache aufgetragen wird, die er sich nach denen Rechten auszuführen nicht getrauet, muß er dargegen berichten, und Vorstellung thun.

Wann 4) der Fiscus in zweifelhafter Sache in der ersten Instantz verliehret, muß er ohne wichtige Ursachen keine weitere Instantz suchen, sondern dem Collegio allenfalls vorstellen, daß er sich nicht getraue mit der Sache fortzukommen.


(447) Vierter Theil. Vit. V.

Im Fall 5) das Collegium dem ohngeacht ihm anbefiehlet, die Instantz fortzusetzen, und die erste Sententz confirmiret, auch Fiscus in die Kosten condemnirt würde, soll das Collegium, und in specie der Decernent die Kosten ex propriis bezahlen, auch kein weiteres Remedium contra duas conformes verstattet werden, und muß vielmehr Fiscus dem Reo absoluto assistiren.

Allermassen Wir 6) vermittelst einer besondern Ordre bereits positive declariret haben, wie Wir durchaus nicht wollen, daß Unsere Unterthanen, und insonderheit die von Adel, von denen Fiscaelen chicanniret, und mit Processen fatigiret werden, auch zu dem Ende Unserm General-Directorio kund gemacht haben, daß in Zukunft die von Adel, wann sie gewisse Funda oder Gerechtigkeiten, es haben solche Nahmen wie sie wollen, würcklich non vi non clam nec precario nutzen und besitzen, deshalb unter keinerley Praetext durch das Officium Fisci in Anspruch genommen, vielmehr sie bey ihrer Possession mit Nachdruck mainteniret werden sollen.

Wir haben Uns auch 7) in Unserer, wegen der Kantereckschen Grentz-Sache abgelassenen Cabinets-Ordre ferner Landes-väterlich dahin erkläret, daß, wann es eine Kleinigkeit betrift, Wir lieber etwas verliehren, als Unsere getreue Unterthanen mit Processen belästigen wollen; weil Unserm Interesse, wann Wir verliehren, ein Weniges abgehet, dahingegen Unsere Vasallen und Unterthanen, welche Uns ohnedem mit Gut und Blut unter die Arme greifen, öfters totaliter durch dergleichen Processe ruiniret werden.

Es verstehet sich aber von selbsten, daß, wann jemand schon bey der Possession geschützt wird, dennoch das Petitorium dem Fisco offen bleibe: Wann aber sich hiernächst äussert, daß der Fiscus frivole agirt habe, muß er mit Verlust seiner Gebühren nachdrücklich bestraft werden.


(448) Vierter Theil. Tit. V.

Unterdessen müssen die Fiscaele darauf acht geben daß währendem Process das streitige Guth nicht deteriorirt, sonderlich die Holtzung civiliter gebraucht, und die Excesse sofort untersucht und remedirt werden.

§. 19. Mit denen Remediis soll es in Causis Fiscalibus, wie in andern Civil-Sachen gehalten werden, wovon oben Part. II. Tit. 7. Versehung geschehen.

§. 20. Im übrigen muß dem Fisco gleiches Recht mit denen Privatis angedeyen, und wann demselben nach denen gemeinen und Landes-Rechten etwas vorzügliches beygelegt ist, solches ihm keinesweges versagt und entzogen werden.

Es müssen daher sowohl die Uns denen Rechten nach zustehender samtliche jura fiscalia, in confiscationen, caduquen, vacanten, Herren(-)losen Güthern, Geld-Bussen und Straffen, Juden-Schutz-Geldern. Abschoß und Abzug, unzuläßigen Wuchern (et)c. als auch dem Fisco dasjenige worzu er circa processum vorzüglich berechtiget ist (worunter aber das ungerechte brocardicum, quod princeps non litigiret nisi in possessione constitutus, nicht gehöret) nach wie vor angedeyen.

§. 21. Gleichwie Wir schließlich denen Advocaten verbothen haben einige Gebühren, sie mögen Nahmen haben wie sie wollen, von denen Partheyen zu fordern oder zu nehmen; Also wollen Wir solches Verboth auch auf die Fiscaele extendiren, dergestalt, daß sie weder bey denen Inquisitionen noch bey denen fiscaelischen Processen, weder directe noch per indirectum, etwas währenden Process, bey Strafe der Cassation und anderer Leibes-Strafe nehmen, sondern bey Endigung einer jeden Instantz ihre Liquidation ad Acta geben sollen, welche hiernächst, wie oben bey denen Advocaten verordnet worden, von denen Referenten in dem Urthel moderiret und festgesetzet, auch demselben wann der Gegentheil Temere litigiret, die Unkosten zuerkannt werden müssen.


(449) Vierter Theil. Tit. VI.

Wann der Process völlig zum Ende, soll dem Fiscali zu seinem Gebühren, allenfalls mediante executione, und ohne Kosten verholfen werden.

Tit. VI.

Von denen Commissionen und wie dabey zu verfahren.

§. 1.

Die bisherige Commissiones sind nicht eine von denen geringsten Land-Plagen unserer Chur-Märckischen Länder gewesen, weil ohngeacht aller so deutlich- und nachdrücklichen Ordnungen Unsere arme Unterthanen, insonderheit die Pia Corpora dem Raub einiger Gewissenlosen Räthe exponiret, und durch die abgedrungene unerschwingliche Kosten zum Theil ruiniret worden.

Wir haben dahero nochmahls nöthig gefunden alle wegen der Commissionen in Unsern Landen gemachte Ordnungen zusammen zu fassen, solche zu erläutern, und darin durch eine ewige Verfassung fest zu setzen:

1) Wann Commissiones statt haben sollen.

2) Was vor Personen die Commissiones aufzutragen.

3) Wie bey Commissionen zu verfahren.

4) Wie es mit denen Diaeten derer Commissarien zu halten.

Sectio I.

Wann Commissiones statt haben sollen.

§. 2.

Die Commissiones können nur in folgenden Fällen verstattet werden:

a) Wann jemand, ehe und bevor er sich bey einem Gerichte meldet, bey seinen Obern um Anordnung einer Commission bittet, in der Meynung dadurch kürtzer aus der Sache zu kommen, in diesem Fall stehet

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(450) Vierter Theil. Tit. VI.

dem Richter frey ex officio einen oder zwey Commissarios zu benennen, welche die Partheyen mit ihrer Nothdurft hören, und entweder durch einen rechtlichen Spruch die Sache decidiren, oder an das Collegium cum voto referiren sollen.

b) Wann beyde Theile in possessorio summariissimo versiren, und durch die bey mündlichen Vorträgen ad Acta gebrachte Bescheinigungen, der Locus Controversus, oder auch dasjenige über dessen Possession die Frage ist, nicht eigentlich und vollkommen geurtheilet werden kann.

c) Wann ein Beweiß per ocularem inspectionem angetreten wird.

d) Wann Zeugen abzuhören, so wegen Entlegenheit, Schwachheit, oder Alters ihr Zeugniß in ordentlichen Gericht nicht ablegen können.

e) Wann eine Berechnung zwischen beyden Theilen vorzunehmen.

f) Wann Documenta zu collationiren oder zu vidimiren, so ohne Gefahr, oder erheblicher Umständen halber, in das Gericht zu bringen bedencklich.

g) Wann Testamenta Judicialia aufzunehmen, und Testator wegen Schwachheit, Alters, Standes, oder anderer Ursachen wegen im Gericht persönlich nicht erscheinen kann.

h) Wann Juramenta erkannt worden, und der, oder diejenige, so selbige zu leisten haben, im Gericht deshalb zu erscheinen nicht gehalten, oder sonst nach Ermessen des Richters davon excusiret sind, oder auch

i) Wann bey den ordentlichen Gerichten der Process über ein Jahr gewähret, und durch die Chicanen der Advocaten, oder Nachläßigkeit der Gerichte in solche Weitläuftigkeit und Confusion gesetzt worden, daß die Sache eine nähere und höhere Einsicht erfordert, so können Acta avociret und einer Commission übergeben werden.


(451) Vierter Theil. Tit. VI.

k) Wann sonst etwas vorkommt, so nach Ermessen des Richters nicht anders als durch Commission expediret werden kann; Wann z. E. bey Reluition eines Guths, Meliorationes und Deteriorationis (!) zu untersuchen und zu taxiren, der Werth eines Grund-Stückes auszumachen, Güther unter Brüdern oder andern zu theilen, streitige Grentzen zu reguliren, Allodium a feudo zu separiren; Item in Bau- und Hütungs-Sachen.

§. 3. Hingegen soll keine Sache so bereits Rechtshängig, wider der andern Parthey willen, von dem Foro in welchem beyde Theile Litem contestiret, und dadurch des Gerichts Erkänntniß sich unterworfen haben, abgezogen, und zu einer besondern Commission zum Erkäntniß in der Haupt-Sache verwiesen werden, es wäre denn, daß dieselbe wie vorhin gemeldet, binnen einem Jahr bey denen ordentlichen Gerichten nicht abgethan worden.

§. 4. Wie dann auch in Sachen so per judicata abgemachet worden, oder auch bereits auf der Execution beruhen, keine Commission statt haben solle.

§. 5. Wann auch die Partheyen bey Uns immediate Commissiones suchen und erhalten, so haben Wir durch Unser aus eigener Bewegung unterm 17ten September 1746. ertheilte Declaration, als ein beständiges Principium Regulativum festgesetzet, daß, wann Wir an Unsere Ministres vom Justitz-Departement, oder an Unsere Justitz-Collegia, dergleichen Ordres zu Anordnung einer Commission ertheilen, solche nur in denen vorangeführten Fällen statt haben sollen.

Wann aber in einer Sache, welche rechtshängig ist, und nicht verschleppet wird, oder auf den Spruch stehet, oder gar schon abgethan und rechtskräftig worden ist, eine Commission von Uns veranlasset wird, so muß Unsere Cabinets-Ordre als sub(-) & obrepirt gehalten, die Commission keinesweges verstattet, sondern der Supplicant schlechterdings abgewiesen werden.

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(452) Vierter Theil. Tit. VI.

§. 6. Im Fall auch jemand diesem ohngeacht eine Commission in dergleichen Fällen erschleichen solte, und der Gegentheil sich einlassen müste, so soll diesem solches nicht praejudiciren, sondern alles was zu seinem Praejuditz von der Commission veranlasset worden, dergestalt null und nichtig seyn, daß auch kein Praescriptio, vielweniger exceptio rei judicatae dargegen statt finden, sondern der Gegentheil quovis tempore, ohne Process, mediante executione wieder in dem vorigen Besitz und Stand cum omni causa, und allen verursachten Kosten, praevio juramento in litem gesetzet werden solle. Gestalten Unsere allergnädigste Intention dahin gehet, daß dergleichen Impetrante, oder dessen Erben nimmermehr sicher dabey seyn sollen.

§. 7. Es soll auch der Concipient, welcher das Memorial worinn Commissio gesucht worden verfertiget, und der Advocat oder Consulent welcher solches unterschrieben, in solidum von allen verursachten Schaden haften, und überdem nach Proportion des verursachten Schadens dem Fisco 200 bis 500 Rthlr. Strafe erlegen.

§. 8. Der Commissarius aber selbst ist schuldig in dergleichen Fällen vorläufig an Uns immediate zu berichten, daß die Commissio wider die von Uns wohlbedächtlich gemachte Einrichtung laufe, und der Impetrante und seine Erben nimmermehr sicher seyn könne, auch nähere Ordre darauf erwarten; Wann er solches unterlässet, muß er gleichfalls in solidum vor allen Schaden stehen.

§. 9. Damit auch der leidende Theil bey Vindication seines Rechtes keine Unkosten tragen dürfe, wollen Wir ihm Assistentiam Fisci contra quoscunque, nebst der Freyheit von allen Sportuln verstatten.


(453) Vierter Theil. Tit. VI.

Sectio II.

Was für Personen die Commissiones aufzutragen.

§. 10. Es sollen zu Commissariis keine Leute genommen werden, als welche wegen ihrer guten Aufführung, Redlichkeit, Wissenschaft und Erfahrung bekannt seyn. Insonderheit aber sollen in Sachen, welche eine Quaestionem Juris betreffen, oder dahin einschlagen, als bey Auseinandersetzung der Partheyen, Liquidationen (et)c. keine andre als der Rechten erfahrene genommen werden: Welches auch bey Abhörung der Zeugen in wichtigen Sachen zu beobachten. Weil der Commissarius öfters wegen der sich bey der Aussage ereignenden rechtlichen Umstände, verschiedene Neben-Fragen formiren muß (et)c. Und dieses um so viel mehr, weil genugsame Gelahrte Subjecta in denen benachbahrten Städten sich finden: dahero dann auch die Aufnehmung derer Testamenten in denen Städten, blos denen Rechtsgelahrten committirt werden soll.

§. 11. Weil Unsere Cammer-Gerichts-Räthe keine andere Chargen und Neben-Geschäfte übernehmen, sondern ihre eintzige Intention auf eine solide und rechtliche Administration der Justitz, und deren Beschleunigung richten sollen, so können Wir auch nicht verstatten, daß dieselbe mit auswärtigen Commissionen sich beladen, und die schwere Arbeit im Collegio versäumen sollen.

§. 12. Es sollen daher Unsere Cammer-Gerichts-Räthe keine Commissiones, welche auf dem Lande abgethan werden müssen, übernehmen, sondern es können die Referendarii, Auscultatores, oder die benachbarte Bürgermeister, Syndici, Justitiarii; Im übrigen aber wann Inventarien oder Rechnungen aufzunehmen, AEstmationes zu verfertigen, in geringen Sachen Zeugen abzuhören,

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(454) Veirter Theil. Tit. VI.

Eyde abzunehmen, auch Testamente ausser denen Städten auf dem Lande aufzunehmen seyn, tüchtige Notarii darzu genommen werden.

§. 13. Es sollen aber die Commissarii nicht mehr von denen Partheyen vorgeschlagen, sondern von dem Collegio per majora ex officio benannt werden. Es wäre denn daß beyde Theile auf einen Commissarium compromittiren, welchenfalls derselbe schlechterdings confirmiret werden muß.

§. 14. Wann es auf eine Taxe der Güther, deren Melioration oder Deterioration, bey Reluition oder Theilung derselben, bey Verpachtungen (et)c. ankommt, muß jederzeit ein Oeconomie-verständiger Beamter oder Verwalter des benachbarten Orts der Commission zugegeben, und dadurch die Receptiones Taxae vermieden werden.

§. 15. Wie denn auch in Fällen, da artis peritos bey der Commission zu gebrauchen nöthig, dieselbe von den Commissariis auf der Interessenten Kosten erfordert, und beeydiget werden müssen.

Gestalten dann in specie in Rechnungs- und Handlungs-Sachen, gewisse in der Rechnung erfahrne Notarii oder Kauf- und Handels-Leute, wann die Commissarii es nöthig finden, ex officio mit zugezogen werden sollen.

Diese Artis periti müssen ihr Gutachten blos über die Facta, worüber sie befragt werden, abstatten.

Sectio III.

Wie bey denen Commissionen zu verfahren.

§. 16. Wann eine Commission per Sententiam oder Decretum erkannt wird, muß das Commissoriale ohnverzüglich expediret, und, wann zwey oder mehr Commissarii benennet worden, das Commissoriale zwey oder dreymahl ausgefertiget werden, damit die Commissarii sich desto geschwinder eines Termini vereinigen können.


(455) Vierter Theil. Tit. VI.

§. 17. Es muß auch jedesmahl denen Commissariis nach Beschaffenheit der Sachen eine gewisse Zeit vorgeschrieben werden, binnen welcher sie die Commission expediren und davon referiren sollen, mit der Verwarnung, daß wann sie darunter säumig seyn werden, sie ihrer Gebühren für verlustig erkläret werden sollen.

Wann die Zeit verstrichen, muß der Advocat des Extrahenten ein Excitatorium (welchem allezeit eine Commination von 10 Rthlr. Strafe beyzufügen) suchen, oder gewärtigen, daß er der Gebühren des gantzen Processes verlustig gehen solle.

§. 18. Der benannte Commissarius ist schuldig dergleichen Commissiones zu übernehmen; es wäre dann daß er legale Ursachen hätte solche zu depreciren: In welchem Fall derselbe solches binnen 3 Tagen nach erhaltenem Commissoriali des Cammer-Gerichts so wohl als beyden Partheyen bey 10 Rthlr. Strafe notificiren muß, damit bey Zeiten ein anderer Commissarius an seinen Platz ernennet, und die Sache dadurch nicht aufgehalten werden möge.

§. 19. Wann Commissio zu Abnahme erkannter Eyde, Aufnehmung eines Testamenti, oder dergleichen Verrichtungen wo keine Contradiction vor der Hand sich hervor thut, angeordnet wird, so braucht es keiner besondern Instruction: wann aber die Sache so beschaffen ist, daß es zur Contradiction kommen dürfte, so muß hauptsächlich exprimiret werden, ob die Commissarii facultatem decidendi oder bloß referendi haben sollen. Es muß auch denen Commissarii deutlich vorgeschrieben werden, was sie thun und unterlassen sollen; weil die Erfahrung lehret, daß wann denen Commissariis und ihren Verrichtungen keine Schrancken gesetzt werden, unzehlige Unordnungen und Illegalitaeten daher entstehen.

§. 20. Die Commissarii müssen nach erhaltenen Commissoriali binnen drey Tagen, wann sie in einem Orte wohnen, (sonst aber binnen acht Tagen) sich eines

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(456) Vierter Theil. Tit. VI.

Termini vereinigen, die Citation zusammen unterschreiben, alle Interessenten gehörig citiren, und dahin sehen daß die Insinuation richtig geschehe, und Documentum Insinuationis in Termino ad Acta gebracht werde.

§. 21. Es können Commissarii auch ohne Requisition derer Unter-Gerichte dergleichen Citationes an die Partheyen abgehen lassen; wiewohl solches of dazu dienen kan, damit die Gerichts-Herren die Partheyen oder die Zeugen anhalten, sich in Termino zu gestellen.

§. 22. Wann der eine Theil dem andern Theil notificiret, daß er prorogationem Termini gesucht, und er nicht nöthig habe vor der Commission zu erscheinen, so darf er sich dadurch nicht abhalten lassen den Termin abzuwarten, wann ihm nebst der Abkündigung nicht auch zugleich ein Decretum prorogationis concessae, wenigsten drey Tage vor dem Termino vorgezeigt wird. Wann also nachhero die Prorogation insinuiret wird, müssen demselben, wann er schon einige Kosten verwandt, expensae termini erstattet werden.

§. 23. Wann zwey oder mehr Commissarii benennet worden, und der eine in dem beliebten Termino nicht erscheinet, können die übrigen den Actum verrichten, wann schon die Clausula samt und sonders nicht in dem Commissoriali enthalten ist.

§. 24. Die Commissarii sollen sich künftig keines Commissions-Secretarii oder Notarii weiter bedienen, noch denen Partheyen unnöthige Kosten dadurch verursachen, sondern sie müssen die Protocolla, und was sonst zu thun ist, wie in Unsern übrigen Provintzen geschicht, selber schreiben.

§. 25. Die Commissarii müssen von Morgens um 8 Uhr an, bis um 12 Uhr arbeiten, und des Nachmittags continuiren, damit denen armen Unterthanen die Kosten auf alle Wege menagiret werden.

§. 26. Vor allen Dingen müssen sie die Güte inter partes versuchen, und wann solche Platz greifet, ein


(457) Vierter Theil. Tit. VI.

richtiges Protocoll darüber halten, solches von denen Partheyen unterschreiben lassen, den Vergleich ausfertigen, und Copiam davon ihrem Bericht beylegen.

§. 27. Wann jemand schuldig erkannt wird Rechnung abzulegen, und ein Commissarius benennet worden vor welchem die Abnahme der Rechnung geschehen soll, so muß es folgendergestalt damit gehalten werden.

§. 28. Zuforderst sind alle Administratores fremder Güther, als Tutores, Curatores, Sequestri, Cassen-Bediente (et)c. schuldig Rechnung abzulegen, und sollen dieselbe nicht eher bis solches geschehen, und sie den Bestand abgetragen, auch alle Rechnungs-Belege ausgeantwortet habe, ihres Officii halber quitiret werden.

§. 29. Der Rechnungs-Führer muß am Ende seiner Rechnung die gantze Summe der Einnahme und Ausgabe, auch des Restes richtig verzeichnen, und wann die Einnahme sich höher als die Ausgabe beläuft, stehet dem Gegentheil frey, mit Vorbehalt seiner Exceptionen wegen des Bestandes, Executoriales zu suchen.

§. 30. Wann verschiedene Personen bey einer Rechnung eodem modo interessiret seyn, müssen dieselbe communem mandatarium bestellen: würden sie sich aber hierunter nicht vergleichen, so stehet zwar einem jeden frey einen besondern Mandatarium auf seine Kosten zu bestellen, solchenfalls aber darf nur einem unter ihnen die Abschrift der Rechnungen und Beylagen communiciret werden.

§. 31. Wann hingegen die Interessenten verschiedene Jura dabey zu beobachten haben, muß der Rechnungs-Führer jedem eine Abschrift communiciren.

§. 32. Der Commissarius muß die Rechnung von Post zu Post durchgeben, beyde Theile über jeden Punct ad duplicas usque, wann es nöthig, hören, die Güte zugleich versuchen, die liquide Posten von denen illiquiden separiren, eine jede in gewisse Classes und Numeros bringen, und ein End-Urthel darüber abfassen.

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(458) Vierter Theil. Tit. VI.

§. 33. In dem End-Urthel, so über eine streitige Rechnung ergehet, sollen die Einnahme und Ausgabe, und Bestand, dafern sich einer findet, specifice ausgedruckt und gesetzet werden.

§. 34. Wann jemand durch dieses per sententiam festgesetzte Liquidum graviret zu seyn vermeynet, stehet demselben frey intra decendium ein Remedium zu interponiren und binnen vier Wochen die Justification bey dem Cammer-Gericht einzubringen, worauf ein neuer Commissarius bestellet werden soll, welcher in Gegenwart des vorigen Commissarii die Rechnung revidiren soll.

§. 35. Wann diese Revisores mit denen vorigen einig seyn, soll weiter keine Revisio verstattet werden. Im Fall sie aber dissentiren, muß das Protocoll dem Cammer-Gerichts (!) eingesandt, derselben die Decision überlassen, und davon keine weitere Remedia verstattet werden.

§. 36. Wann bloß ein Error Calculi gegen das Commissarische Liquidum angegeben, und einiger massen bescheiniget wird, (welches auch in ipsa executione geschehen kan) soll die Berechnung zwar von neuem angelegt, und, wie in §. praeced. verordnet, darin verfahren, in den übrigen Puncten aber, und in dem liquiden Quanto, die Execution veranlasset werden.

§. 37. Wie die Commissarii bey Aufnehmung eines Zeugen-Verhörs, oder bey AEstimation eines Guths zu verfahren, darvon ist oben P. 3. T. 38. §. 40. seq. und Tit. 41. §. 43. gehandelt worden.

§. 38. Die Commissarii, Landmesser, Taxatores, können die Rotulos, Berichte, Taxen und Charten, unter dem Praetext nicht bezahlter Gebühren, nicht an sich behalten, sondern müssen bey 10 Rthlr. Straffe dieselbe ex officio einsenden, und ihre Gebühren davor praevia liquidatione & moderatione aus der Sportul-Cassen erwarten.


(459) Vierter Theil. Tit. VI.

§. 39. Wann nach gehaltener Commission der commissarische Bericht einläufft, muß derselbe durch den Tage-Zetul publiciret werden. Die Partheyen aber müssen bey dem Constitutioniren das Benöthigte weiter besorgen, und wann darüber verhandelt werden muß, Terminum dazu ausbitten.

§. 40. Wann eine Commission verstattet wird, ehe und bevor die Sache rechtshängig ist, und die Commissarii ein Urthel in der Sache sprechen, so sollen die Remedia (wann auch schon die Commission von uns immediate angeordnet und das Urthel von Uns confirmiret worden) an das Cammer-Gericht und dessen zweyten Senat, und so weiter an den dritten Senat geben.

Wann aber eine rechtshängige Sache ob neglectam vel protractam justitiam von einem Senat des Cammer-Gerichts ab- und zur Commission gezogen wird, geben die Remedia vom dem commissarischen Urthel an die folgende Instantz.

§. 41. Wann der Commissarius etwas versiehet, und die Commission nicht nach der ihm ertheilten Instruction verrichtet, folglich dieselbe wiederholet, und z. E. Repetitio einer AEstimation und Taxae, oder eines Zeugen-Verhörs geschehen muß, soll solches auf des Commissarii Kosten geschehen, derselbe auch schuldig seyn beyden Theilen die auf vorige Commission verwandte Kosten zu erstatten, und überdem die erhaltene Gebühren zur Sportul-Casse zu liefern.

Würde der Präsident und das Collegium hierunter nachsehen, und den Commissarium nicht mit aller Rigeur zur Restitution anhalten, auch darüber geklagt werden, so wollen Wir die liquidirte Kosten von denen Besoldungen beytreiben lassen, und überdem Uns die Ahndung gegen das Collegium vorbehalten.

§. 42. Schließlich müssen Commissarii gedencken, daß sie Richter zwischen beyden Partheyen seyn, und vor Gottes gerechtem Richter-Stuhl Rechenschafft von ihrem


(460) Vierter Theil. Tit. VI.

Verfahren geben, folglich keinem Theil mehr als den andern, wie solches bishero vielfältig geschehen, favorisiren, vielweniger einem Theil Consilia gegen den andern geben müssen.

§. 43. Die Acta müssen Commissarii nach vollzogener Commission bey Abstattung des Berichts, bey 5 Rthl. Strafe, jederzeit wieder zur Registratur geben, damit dieselbe nicht zerstreuet, oder gar verlohren werden.

Sectio IV.

Von denen Diaeten derer Commissarien.

§. 44. Die Commissarii müssen bey Strafe der Cassation kein Honorarium von denen Partheyen, neque per directum, neque per indirectum, weder vor, noch nach gehaltener Commission, fodern, oder nehmen, sondern ihre Diaeten à 2 Rthlr. per Tag aus der Sportul-Casse erwarten, jedoch seyn die Partheyen schuldig denen Commissariis freye Fuhr zu verschaffen.

§. 45. Diese Diaeten sollen ihnen, wann sie nebst ihrem Bericht die Liquidation übergeben, und solche benöthigten falls moderiret worden, aus gedachter Casse angewiesen werden.

§. 46. Ausser diesen 2 Rthlr. sollen sie weder vor Essen, noch vor Quartier, noch vor einen Wagen, noch vor Abstattung oder Abschreibung des Berichts und der Protocollen das geringste praetendiren, sondern wann sie an dem Ort unbekannt seyn, können sie bey Ansetzung des Termini dem Extrahenten Auflage thun, das Quartier auf der Commissarien Kosten, in loco Commissionis zu bestellen.

Sie müssen auch bey Verlust ihres Honorarii bey keinem Theil logiren, essen, oder von denenselben Eß-Waaren annehmen, sondern wann an den Ort kein Wirths-Hauß oder Krug zu finden, in der nächsten Stadt oder Dorf sich logiren.


(461) Vierter Theil. Tit. VI.

§. 47. Sie müssen ihrer Liquidation jederzeit an Eydes statt beyfügen, daß sie keine andere Commissiones währender Abwesenheit verrichtet haben: Allermassen unbillig seyn würde auf einer Reise die Kosten zweyen Partheyen anzuschreiben, sondern sie müssen solchenfalls die Reise-Kosten, und Diaeten einer jeden Parthey bloß pro rata anrechnen.

Wann ihnen auch währender Commission eine neue Sache an demselben Ort committiret wird, sollen keine andere Diaeten von denen bey dieser neuen Commission interessirenden Partheyen gezahlt werden, als nur für die Zeit die dazu angewant worden.

§. 48. Commissarii müssen auch anzeigen wie viel Tage sie auf der Hin- und Rückreise, auch in loco zugebracht; und dieser eydlichen Versicherung weiter beyfügen, daß sie die Commission nicht haben in weniger Tagen zu Ende bringen können.

§. 49. Wann einem Referendario, Bürgermeister, Syndico &c. eine Commission aufgetragen wird, soll derselbe nebst freyer Fuhr 2 Flor. die Notarii aber (weil ihnen nur geringe Sachen aufgetragen werden sollen) 1 Rthlr. aus der Sportul-Casse haben, auch bey Straffe der Cassation nichts weiter von denen Partheyen nehmen oder fodern; Er muß aber gleichfals die vorhin §. 36. & 37. gemeldete Versicherung beyfügen.

§. 50. Diese vorgeschossene Diaeten müssen der Parthey, welche die Commission extrahiret, von dem Cammer-Gericht angeschrieben, und von derselben wie die andere Gebühren abgefodert, und beygetrieben werden.

§. 51. Wann ex officio eine Commission ohne Ansuchen der Partheyen erkant wird, müssen beyde Theile interim die Kosten entrichten:

Bey Entscheidung der Haupt-Sache aber müssen sie das Erkäntniß, wer dieselbe zu tragen schuldig, erwarten.


(462) Vierter Theil. Tit. VII.

Tit. VII.

Wie bey Versuchung der Güte zu verfahren.

Wegen Ehesachen v. C. C. de an. 1762. n. 32.

§. 1. Es soll vor allen Dingen gleich bey Anfang des Processes, ehe die Partheyen in eine Verbitterung gerathen, die Güte versucht, und alle Mühe angewandt werden, die Sache zu vergleichen.

§. 2. Zu dem Ende sollen jederzeit bey der ersten Citation die Partheyen ermahnet werden, in Person, oder durch einen zur gütlichen Handlung genugsam instruirten Bevollmächtigten, zu erscheinen, mit dem Beyfügen, daß die Güte versucht werden, und beyde Theile sich den Tag vor dem Termino bey dem Präsidenten melden sollen.

§. 3. Wann die Partheyen in Person erscheinen, muß der Präsident einen oder ein Paar Räthe deputiren, welche die Sache in der Neben-Stube ohne Advocaten vornehmen, beyde Theile mit ihrer Nothdurft hören, ihre Documenta und Briefschaften nachsehen, den gantzen Process ex officio instruiren, ein förmliches Protocoll darüber halten, und solches denen Partheyen vorlesen müssen.

§. 4. Wann der Commissarius solchergestalt die völlige Information eingenommen, muß er Vorschläge zur Güte thun, auch wann es nöthig die Advocaten, wann sie vorhanden, mit zu ziehen, und wann die Haupt-Sache selbst nicht abgethan werden kan, wenigstens die Kleinigkeiten vergleichen, und die Incident-Puncten coupiren.

§. 5. In Entstehung der Güte, muß der Commissarius beyden Advocaten Auflage thun die Sache von 3. zu. 3. oder von 8. zu 8. Tagen loco oralis zu verhandeln.

Er muß aber auch zugleich sein gehaltenes Protocoll ad Acta geben, und darin verzeichnen, was für


(463) Vierter Theil. Tit. VII.

Vorschläge geschehen, und welcher Advocat oder Parthey solche nicht annehmen wollen.

§. 6. Wann bey dem künftigen Urthel derjenige Theil, welcher den Vergleich refusiret, verliehret, oder noch weniger, als ihm durch den Vergleich refusiret worden, erhält, so soll er allezeit dem Gegentheil die Kosten erstatten, der Advocat aber, welcher den Vergleich abgerathen, seine Gebühren verliehren, welche der Sportul-Casse zugesprochen werden müssen.

§. 7. Wann Remedia gegen das Urthel eingewandt werden, muß derselbe Rath nochmahls die Güte unter denen Advocaten versuchen, in deren Entstehung aber durch ein kurtzes Protocoll, was für Vorschläge geschehen, und welche Parthey oder Advocat dem Vergleich entgegen gewesen, notiren, und denen Acten beylegen, hiernechst denen Remediis ihren Lauff lassen, der künftige Referent aber muß ratione der Kosten sich nach dem vorhergehenden §pho richten.

§. 8. Wann auch die Referenten, oder andere Räthe, in progressu litis die Güte versuchen wollen, soll ihnen solches ebenfals frey streben.

§. 9. Weil aber die gröste Billigkeit erfordert, daß die Räthe, welche dergleichen Mühe übernommen, und die Advocaten, welche denen Partheyen dazu anrathen, eine zulängliche Belohnung bekommen, so soll es damit folgender gestalt gehalten werden:

Wann 1) die Sache 100 Rthlr. und darunter beträgt, soll der Rath nichts dafür nehmen; der Advocat aber seine Termins-Gebühren à 2 Rthlr. und die Sportuln-Casse wegen Ausfertigung des Vergleichs von jeder Parthey 1 Rthlr. nehmen.

Wann 2) die Sache über 100. bis 500. Rthlr. beträgt, soll der Rath von jedem Theil 2 Rthlr. jeder Advocat aber von seiner Parthey 4 Rthlr. und die Sportuln-Casse wegen auszufertigenden Vergleich von jedem Parth nicht mehr als 1 Rthlr. nehmen.


(464) Vierter Theil. Tit. VII.

Wann 3) die Sache über 500 Rthlr. beträgt, soll der Rath von jedem Theil 4 Rthlr. jeder Advocat von seiner Parthey 6 Rthlr. die Sportuln-Casse aber vor Ausfertigung des Vergleiches von jedem Parth 2 Rthlr. nehmen.

Wann die Summe 1000. und mehr Rthlr. beträgt, soll denen Räthen und Advocaten überdem von jedem 1000. noch 2 Rthlr. und der Sportuln-Casse 1 Rthlr. zugebilliget werden.

§. 10. Ob Wir nun zwar gerne sehen, wann eine Sache in der Güte verglichen wird, so müssen dennoch die Räthe denenjenigen welche das offenbahre Recht vor sich haben nicht zu viel zumuthen, sondern dieselbe bloß in zweifelhaften Sachen zum Vergleich disponiren.

§. 11. Wann der Vergleich statt findet, soll derselbe in einen deutlichen und förmlichen Recess abgefaßt, und unter des Gerichts Unterschrifft und beygedruckten Siegel denen Partheyen ausgereicht werden.

§. 12. Damit Wir aber auch wissen mögen was vor Räthe und Advocaten sich bey denen Vergleichen distinguiret haben, so soll der Präsident alle Monath zwey Listen an Unser Justitz Departement einsenden, und in der einen anmercken:

1) Die Sachen, welche verglichen worden.

2) Den Nahmen des Raths.

3) Die Nahmen der Advocaten.

In der andern Liste sollen angeführet werden:

1) Die Sachen welche nicht verglichen worden.

2) Das Objectum litis.

3) Der Rath welcher die Güte tentiret.

4) Die Nahmen der Advocaten, und

5) Welcher dem Vergleich entgegen gewesen.

§. 13. Es muß unter dem Praetext, daß die Güte versucht werden möchte, die Haupt-Sache nicht aufgehalten, noch dieserwegen eine Dilation bey 5 Rthlr. Strafe weder gesucht noch verstattet werden. Nachdemmahlen die Partheyen, wann sie sich vergleichen wollen, Zeit genug darzu, auch bey Fortsetzung des Process, haben.


(465) Vierter Theil. Tit. VIII.

Tit. VIII.

Wie bey Processen welche a) zwischen dem Guths-Herrn und dem Pächter, b) zwischen denen Obrigkeiten und Unterthanen wegen streitigen Praestationen (et)c. c) zwischen dem Lehns-Folger und Land-Erben, d) zwischen dem Vormund und Pupillen, Item e) wegen der Gräntzen vorfallen, verfahren werden soll.

§. 1.

Alle in dieser Rubric benannte Processe, worinnen gleichwohl eine schleunige Remedur nöthig ist, seyn mehrentheils dergestalt tumultuarie tractiret, und öfters in solche Weitläuftigkeit gesetzet worden, daß sie nicht als mit beyder, oder wenigstens eines Theils Ruin die Endschafft erreichet haben: dahero unumgänglich nöthig ist, auch diesen Processen Ziel und Maas zu setzen.

§. 2. Was erstlich die Processe zwischen denen Guths-Herren und ihren Pächtern betrift, so pflegen eines Theils die Pächter darüber zu klagen, daß der Contract ihnen nicht gehalten, das angeschlagene Land, oder die angegebene Aussaat nicht geliefert, der Mißwachs nicht gut gethan, der durch das Viehsterben verursachte Schaden nicht ersetzet, die Meliorationes und Impensae nicht vergütet werden wolten; daß sie von dem Guths-Herrn in der Nutzung turbiret, oder wohl gar von demselben exmittiret worden (et)c.

Andern Theils pflegen die Guths-Herrn zu klagen, daß der Pächter die Güther nicht hauswirthlich bestelle, kein genugsames Vieh halte, die Bauren ruinire, die Gebäude verwüste, das Inventarium verbringe, und hauptsächlich, daß er seine Pension nicht richtig bezahle.

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(466) Vierter Theil. Tit. VIII.

Damit nun hierunter alle Weitläuftigkeit vermieden werden möge, so wollen Wir es damit folgendergestalt gehalten wissen.

§. 3. Wann zwischen dem Guths-Herrn und dem Pächter Streit entstehet, muß der Guths-Herr, welchem nach der Landes-Verfassung die Jurisdiction über den Pächter zustehet, niemahls eigenmächtig verfahren, sondern einen redlichen und tüchtigen Justitiarium bestellen, solchen ad hunc actum beeydigen, und die Sache rechtlich untersuchen lassen.

§. 4. Dieser Justitiarius muß mit Vorbeygehung aller Exceptionum Dilatoriarum, alle und jede Puncten worüber geklagt wird, hinc inde specifice aufnehmen, eines jeden Theils angeführte Umstände genau und wohl examiniren, dieselbe ad Protocollum nehmen, und vor allen Dingen die Güte versuchen.

§. 5. Wann die Güte nicht verfangen will, muß der Justitiarius genau untersuchen, ob des Pächters oder des Guths-Herrn Praetensiones liquid seyn, oder in continenti liquid gemacht werden können.

§. 6. Wann der Pächter seine Forderungen darthut, ist er befugt solche von der Pension abzuziehen.

Wann dieses Liquidum bey Endigung der Pacht-Jahre gezogen wird, und die Pension nicht zureichend ist solches zu tilgen, kann der Pächter sich des Juris retentionis zwar bedienen, jedoch nur dergestalt, daß ihm ein Vorwerck oder ander ander Stück Landes angewiesen werden muß, woraus er die Befriedigung suchen kann; Es können ihm auch die Bauren-Pächte assigniret, oder dem neuen Pächter sub poena dupli befohlen werden, dem Guths-Herrn nichts eher auszuzahlen bis der abziehende Pächter befriediget worden.

Welche Anordnung um desto billiger ist, weil eines Theils der Guths-Herr, wann er unterdessen keinen andern Pächter ansetzen kann, totaliter ruiniret werden dürfte, andern Theils der Pächter, wenn er das Guth


(467) Vierter Theil. Tit. VIII.

administriren müste, wegen der Rechnung, Bestellung (et)c. in einem neuen Process gerathen würde.

§. 7. Und dieses Jus retentionis hat auch statt, wenn schon andere Creditores in das Guth immittiret werden: Es verstehet sich aber dieses nur von solchen Forderungen des Pächters, welche aus dem Pacht-Contract, nicht aber von andern Forderungen (als z. E. wann der Pächter dem Guths-Herrn ein Anlehn gethan) sich originiren, weil das Jus retentionis des Pächters in praejudicium Creditorum extra Contractum nicht extendiret werden kann. Sondern es muß der Pächter sein Recht wie andere Creditores durch den ordentlichen Weg Rechtens verfolgen.

Wann aber ein Concursus Creditorum sich in des Guths-Herrn Vermögen ereignet, hört das Jus retentionis auf, und muß der Pächter das rückständige Quantum in Termino liquidiren, und locum competentem erwarten.

§. 8. Wann im Gegentheil des Guths-Herrn Forderungen liquid seyn, muß der Pächter angehalten werden, die rückständige Pensiones zu bezahlen: Wann er nicht bezahlen kan, muß mit der Execution nach Maßgebung der Executions Ordnung verfahren werden.

§. 9. Es kann aber auch der Guths-Herr den Caventen, wann Cautio bestellet ist, angreifen, welcher das constituirte Liquidum baar zu bezahlen schuldig ist, und kann derselbe weder auf eine anderweitige Liquidation mit dem Pächter provociren, noch verlangen, daß des Pächters Vieh zuerst verkauft werde.

§. 10. Demjenigen, welcher durch des Justitiarii Spruch graviret zu seyn vermeynet, stehet frey, an die Ober-Gerichte zu appelliren, und in der Appellations(-)Instantz seine Jura weiter auszuführen.

Es soll aber die Appellation blos Effectum devolutivum haben, wann das Urthel zur Sicherheit des Guths-Herrn, oder des Pächters etwas veranlasset, z. E. wann

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(468) Vierter Theil. Tit. VIII.

der Pächter in der Possession geschützet wird, oder wann im Gegentheil ihm der Boden verschlossen, oder ein Aufseher zugegeben, oder das Guth sequestriret wird (et)c.

§. 11. Wann die Exmission des Pächters währender Pacht-Jahre erkannt wird, soll zwar die Appellation Effectum suspensivum haben; Es stehet aber dem Justitiario frey, alle Mittel zur Sicherheit des Guths-Herrn, der eingewandten Appellation ohngeacht vorzukehren, dem Pächter einen Aufseher zu geben, die Boden zuzuschliessen (et)c. und davon sollen keine Remedia statt haben, weil der Pächter allenfalls seine genugsame Sicherheit an dem Guth und bey denen künftigen Pacht-Geldern hat.

§. 12. Und dieses hat also seine Richtigkeit, wann der Guths-Herr durch einen Justitiarium seine mit dem Pächter habende Streit-Sache rechtlich untersuchen läßt.

§. 13. Im Fall aber der Guths-Herr, ohne die Sache einem Justitiario aufzutragen, de facto zu fahren, den Pächter arretiren, ihm die Boden zuschliessen, oder denselben gar exmittiren wolte, stehet dem Pächter frey sich immediate bey dem Ober-Gericht zu melden, welches so fort mandatum de non turbando, de restituendo &c. ertheilen, einen kurtzen Terminum zum Verhör ansetzen, und solchen wann super exmissione geklagt wird, niemahlen, sonst aber nicht als ans höchstwichtigen Ursachen prorogiren muß.

§. 14. In Termino muß der Citatus paritionem, daß er nemlich dem Mandato Regiminis ein Genügen gethan, dociren, oder Ursach anführen warum er nicht dazu angehalten werden könne.

§. 15. Wann die Sache weitläuftig ist, und in vielen Puncten bestehet, soll einem Rath ex officio committiret werden, denselben, oder den folgenden Tag die Nothdurft beyder Theile ad Protocollum zu nehmen, vor allen Dingen die Güte zu versuchen, und wenigstens die Kleinigkeiten so viel möglich zu vergleichen.


(469) Vierter Theil. Tit. VIII.

In Entstehung der Güte muß das Protocoll vorgelegt, ein rechtliches Urthel nach denen vorhin §. 5. & seq. vorgeschriebenen Principiis daraus abgefaßt, und gewöhnlicher massen publicirt, auch mit denen Remediis ex nach dem §. 10. & 11. gehalten werden.

§. 16. Wann das Collegium oder der Rath findet, daß vor Endigung der Sache eine Local-Commission zu veranlassen nöthig sey, oder ein und der andere Theil darauf provociret, so muß das Cammer-Gericht periculo succumbentis ex officio einen Commissarium benennen, welcher nach der Commissions-Ordnung und nach denen vorhin vorgeschriebenen Principiis in loco verfahren soll.

§. 17. Wan der Pächter darüber klaget, daß er eigenmächtig und ohne richterliche Erkänntniß, oder nach eingewandter Appellation de facto exmittiret worden, so muß der Pächter sofort durch eine Commission cum omni causa restituiret werden, wann schon in dem Contract versehen wäre, daß der Guths-Herr den Pächter, wann er die Pension nicht richtig bezahlt (et)c. privata autoritate exmittiren könne; Es soll auch ehe die Restitutio geschehen, der Guths-Herr weder gehöret, noch ihm einiges Remedium verstattet werden.

§. 18. Weil aber bey dergleichen Processen die Sache dadurch weitläuftig gemacht zu werden pfleget, weil in denen Rechten nirgends klar und deutlich versehen ist, wer die Unglücks-Fälle, welche sich entweder bey dem verpachteten Guth selbst, oder bey denen Früchten, oder bey dem Vieh eräugnen (et)c. tragen solle; Und wie der Mißwachs, welcher eine Remission der Pension mit sich führet, beschaffen seyn müsse; So wollen Wir es folgender gestalt gehalten wissen:

§. 19. Wann erstlich das verpachtete Guth durch einen Zufall in den Staub gesetzet wird, daß der Pächter es nicht völlig, oder nicht zum Theil nutzen kann, als z. E. wann das Gehäfte (!) verbrennet, und der Pächter sein

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(470) Vierter Theil. Tit. VIII.

Vieh nicht lassen kan; item wenn ein Stück Landes durch einen Erbfall versincket; oder wann durch den übeln Ausgang eines Processes der Guths-Herr einen Theil des verpachteten Landes verliehret; oder wann der Pächter durch Krieges-Unruhe und feindliche Gewalt die Güther zu gebrauchen verhindert wird (et)c. so kann der Pächter nach Proportion des dadurch verursachten Schadens, und entzogenen Nutzung, um Remission der Pension anhalten.

Es muß aber der Pächter a) erweisen, daß er Schaden gelitten, b) daß der Schade zu der Zeit, und in denen Jahren von welchen die Pension rückständig, sich zugetragen habe, daher z. E. der Pächter sich unter dem Praetext, daß in diesem Jahr Krieg gewesen, sich auch von denen Pensionen, so in denen vorigen Jahren im Rest geblieben, nicht befreyen, sondern die Remissio Pensionis nur auf das Jahr, worinn er den Schaden gelitten, gefordert werden kann; c) daß der Schaden important, und nicht erträglich sey, wovon in dem folgenden §. gehandelt werden soll.

§. 20. Es leidet also diese Regul einen Abfall: 1) Wann der Pächter den Nutzen des Guths ob schon mit einiger Incommodität geniessen kan. Z. E. Wann das Gehäfte im Sommer abbrennet, und das Vieh, bis die Stallung wieder gebauet wird, des Nachts auf dem Felde bleiben kan (et)c.

2) Wann der Pächter selber die Ursach, oder Schuld ist, daß er das Guth nicht nutzen kann, z. E. wann derjenige, der mit ihm in Feindschafft lebt, oder seine eigene Domestiquen, Feuer anlegen.

3) Wann dergleichen Unglücks-Fälle gewöhnlich, oder

4) Der Pächter solche, da er das Guth gepachtet, gewust, und die Gefahr gegenwärtig gewesen.

5) Wann der Schaden gering und leidlich, oder

6) Der Pächter alle Unglücks-Fälle übernommen.

Welche Execeptiones in dem folgenden §. weiter erläutert werden sollen.


(471) Vierter Theil. Tit. VIII.

§. 21. Wann zweytens der Pächter durch Frost, Hitze, Heuschrecken, Mausefraß, Hagel (et)c. ein Mißwachs an denen Früchten leidet, so kann er den Schaden nach Proportion seines Verlustes von der Pension abziehen.

Es wird aber erfordert 1) daß dergleichen Mißwachs an dem Ort etwas ungewöhnliches sey, dann wann sich dergleichen Casus öfters zu eräugnen pflegen, z. E. wenn in denen bey der See gelegenen Aeckern, durch die aufsteigende Nebel, die Blüthe des Korns verfenget wird, so kann der Pächter keine Ersetzung praetendiren, noch an der Pension etwas abkürtzen.

Es wird 2) erfordert, daß diese Zufälle von aussen her, nicht aber aus der Natur des Ackers kommen, als wann der Grund steinigt, kalt, sandig, oder trächtig von Unkraut ist (et)c. weil der Pächter sich imputiren muß, daß er dergleichen Land gepachtet, da her ist er schuldig die gantze Pension zu bezahlen, wann er schon gar nichts geerndtet hat.

Es wird 3) erfordert, daß die Früchte, wobey der Unglücks-Fall sich zugetragen, noch nicht abgemehret, abgebrochen und percipiret seyn.

Dann wann sie abgemehet, oder abgebrochen gewesen, so seyn sie des Pächters eigen, und fället der Schaden ihm als Domino zu Last; welches auch also zu halten, wenn sie auf dem Felde liegen, und noch nicht in die Scheune gebracht oder ausgedroschen, oder noch nicht in Verwahrung genommen worden.

Es wird 4) erfordert, daß der Mißwachs ohne des Pächters Schuld sich zugetragen, und derselbe solchen nicht habe hindern können.

Wann also der Pächter nicht zu rechter Zeit die Saat bestellet, nicht genug gemistet, schlechte Saat gebraucht (et)c. kann er keine Remission verlangen.

Es wird 5) erfordert, daß der Mißwachs groß und important sey: Dann wann es eine Kleinigkeit betrifft, darf der Locator keinen Schaden ersetzen.

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(472) Vierter Theil. Tit. VIII.

§. 22. Weil aber in denen Rechten nicht determiniret ist, was ein importanter und unerträglicher Schaden ist, sondern solches dem arbitrio judicis überlassen worden, so wollen Wir um alle Gelegeit (= Gelegenheit) zum Process zu coupiren hiedurch fest setzen, daß wann die gehabte Abnützung (nach Abzug der Saat und Bestellungs-Kosten) die Hälfte der Pension nicht erreichet, der Schaden vor groß, und nicht erträglich zu halten sey.

Es muß aber nicht allein die Abnutzung der Früchte, sondern alle Einnahme der Güther, so vom Vieh, Holtzungen, Fischereyen (et)c. gehoben werden, mit in computum kommen, und die Abnutzung darnach reguliret werden.

Wie dann auch im Gegentheil wann der Guths-Herr sich einige Douceurs in dem Contract reserviret, solche zu Gelde geschlagen, und der Pension zugerechnet werden müssen.

§. 23. Es muß aber der Werth derer Abnutzungen nicht nach dem Anschlag, sondern dergestalt gerechnet werden, was das Getreyde auf Weyhnachten, oder Ostern nach dem Durchschnitt in dem Jahr gegolten hat:

§. 24. Wann also die Abnutzung nicht bis an die Helfte der Pension anläuft, so ist der Pächter befugt, alles was ihm an der Helfte fehlet von der Pension abzuziehen: Wann also z. E. das Guth vor 1000 Rthlr. verpachtet ist, und der Pächter von dem Guth, alle Einnahme mitgerechnet, nur 100 Rthlr. eingenommen, so kann er nicht mehr als 400 Rthlr. (Welches die Helfte von der Pension ausmacht) von der Pension abziehen.

§. 25. Bey AEstimation des Schadens kan die Einsaat nicht in Consideration kommen, daher wann solche verdorben, und nicht gewonnen wird, kan der Pachter keine Remission fordern, weil er Herr des Saamens ist, folglich er die Unglücks-Fälle davon tragen muß.

§. 26. Wer dann auch die Kosten welche zu Bestellung des Ackerbaues und der Haushaltung, z. E. an


(473) Vierter Theil. Tit. VIII.

Gesinde-Lohn verwandt worden, nicht angerechnet, noch dieserwegen Remission gefordert werden kann.

§. 27. Es wird auch 6) erfordert, daß der Mißwachs nicht durch den Vortheil der übrigen Ländereyen, oder durch den Ueberfluß der vorigen oder der folgenden Jahre ersetzet werde, weil es die grösseste Unbilligkeit seyn würde, wann der Pächter den Ueberfluß desselben, oder der übrigen Jahre nicht allein geniessen, und dem Guths-Herrn nichts davon zufliessen lassen; Hingegen wenn in einem oder andern Jahre ein Mißwachs sich hervor thut, solchen allein dem Guths-Herrn aufbürden, und den Schaden von der Pension abziehen wolte.

§. 28. Wann also a) ein Strich des verpachteten Roggen-Landes durch Hagel-Schaden, Heuschrecken (et)c. verdorben wird, hingegen der Weitzen, die Gerste (et)c. einen grossen Ueberfluß tragen, so kan keine Remission verlangt werden.

Wann b) in dem vorigen Jahr die Erndte so reich gewesen, daß der durch den diesjährigen Mißwachs erlittene Schaden, durch des vorigen Jahrs Ueberfluß ersetzet wird, so kan der Pächter gleichfals nichts von der Pension abziehen.

Wann auch c) in denen folgenden Jahren die Erndte so reichlich erfolget, daß der erlittene Mißwachs und Schaden derer ersten Pacht-Jahre entweder gantz, oder zur Helfte durch diesen Ueberfluß ersetzet wird, so muß der Pächter dasjenige, was er vor den Mißwachs vorhin abgezogen, oder erhalten, wieder herausgeben, und dem Guths-Herrn erstatten.

Es ergibt sich aber d) von selbsten, daß solches blos von dem Ueberfluß derer gegenwärtigen Pacht-Jahre in welchen sich der Verwalter tempore des erlittenen Schaden befindet zu verstehen sey: Wann also ein Pächter nachdem er auf 4 Jahr gepachtet, nach deren Ablauf den Contract auf andere 4 Jahre prorogiret oder erneuert, so kan der bey dem ersten Contract genossene Ueberfluß,

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(474) Vierter Theil. Tit. VIII.

mit dem in dem andern Contract erlittenen Schaden nicht compensiret werden.

§. 29. Ein Pächter kan niemahls eine Remission fordnrn (= fordern), wann er alle Unglücks-Fälle übernommen hat. Weil, wann solches geschehen, auch insolitissimi darunter verstanden werden müssen: Nachdemmahln gemeiniglich wegen dieser Clausul die Pacht geringer gesetzt wird.

Es muß aber deutlich in dem Contract exprimiret werden, daß er alle Unglücks-Fälle über sich nehme, oder daß er aller Remission wegen Unglücks-Fälle sich begebe.

Wann aber nur ein oder ander Casus ohne Beyfügung einer solchen General-Renunciation exprimiret worden, kan der Pächter wegen anderer Unglücks-Fälle Remission fordern.

§. 30. Damit aber der Guths-Herr und Locator wissen könne, wie hoch auf der einen Seite der Mißwachs und der Schaden sich belaufen, und ob auf der andern Seite derselbe durch den Ueberfluß der andern Aecker oder vorhergehenden und folgenden Jahre ersetzt werde, so muß der Pächter

a) Wann er eine Erlassung an der Pension praedentiret, vor der Erndte dem Locatori oder dessen Inspectori &c. den Mißwachs, oder erlittenen Schaden notificiren, und um eine gerichtliche Besichtigung und Untersuchung bitten, oder auch in foro ordinario um dergleichen Untersuchung, mit Citirung des Locatoris (wann er gegenwärtig,) oder dessen Inspectoris &c. Ansuchung thun, welche das Quantum des Mißwachses, oder des erlittenen Schaden, es erscheine der Locator oder nicht, determiniren müssen.

b) Der Pächter muß dem Locatori von denen vorigen Jahren, und von diesem Jahr eine richtige Oeconomie-Rechnung produciren, um daraus ersehen zu können, ob dieser Mißwachs nicht durch den Reichthum derer vorigen Jahre, oder durch den Ueberfluß der übrigen disjährigen Revenuen ersetzt werde.


(475) Vierter Theil. Tit. VIII.

Wann c) weder in diesem noch in denen vorigen Jahren, sich ein Ueberfluß findet, folglich der Mißwachs und andere erlittene Schaden klar am Tage liegt, so kan der Locator sich nicht entbrechen, den Schaden mit zu tragen, und sich solchen nach Anleitung des §. 22. seq. von der Pension abziehen zu lassen.

Wann aber d) in denen folgenden Jahren dieser Schaden durch eine reiche Einnahme ersetzet wird, und solches aus denen Oeconomie-Rechnungen (die Pächter herausgeben muß) bescheiniget werden kann; so ist der Pächter schuldig, dem Locatori dasjenige was er wegen des Mißwachses vorigen Jahres von der Pacht abgezogen, wieder zu erstatten.

§. 31. Es verstehet sich also von selbsten, daß der Pächter von allen Jahren eine accurate Oeconomie-Rechnung halten, und darin notiren müsse, was das gantze Guth getragen, (Vid. supr. §. 22.) und insonderheit wie viel Stiege er jedes Jahr von jeder Art Getreyde eingefahren, und was eine Stiege gelohnt habe.

Hiernächst muß er mittelst Eydes bestärcken, daß er diese Rechnung hauswirthlich geführet, was geerndtet, und sonst an andern Gefällen eingenommen worden, richtig eingetragen habe, und daß er nicht mehr als was darin notiret ist, eingeerndtet, genutzet, und eingenommen habe.

Wann der Pächter dergleichen Oeconomie-Rechnung nicht gehalten, oder dieselbe vorgeschriebener massen nicht beschweren kan; So kan sich derselbe nicht entbrechen die gantze Pension zu bezahlen: Es stehet ihm jedoch frey auf ander Art zu erweisen, daß er die Helfte der Pension nicht gewonnen habe, wodurch aber die Bezahlung der völligen Pension nicht aufgehalten werden kan, weil er sich imputiren muß, daß, wie er doch schuldig, keine richtige Oeconomie-Rechnung gehalten hat.

§. 32. Wann dem Pächter eine Remission ertheilet werden muß, und des Locatoris Schuld nicht dabey


(476) Vierter Theil. Tit. VIII.

concurriret, so ist dieser niemahls das Interesse zu testiren, oder fructus percipiendos zu erstatten schuldig, sondern der Pächter muß sich mit dem Landüblichen Werth begnügen.

§. 33. Was drittens das Viehsterben anbetrift, so muß distinguiret werden, ob das Vieh dem Pächter zugehöre oder dem Guths-Herrn.

Ersternfalls stirbt das Vieh seinem Herrn. Es ist aber auch vor des Pächters eigen Vieh zu halten, wann solches dem Pächter taxato zugeschlagen wird.

Wann das Vieh dem Guths-Herrn eigen ist, so fällt das Vieh-Sterben dem Locatori als Domino des Viehes zur Last.

In beyden Fällen aber ist der Pächter, weil ihm die Abnutzung entgehet, dieserwegen Remission zu fodern befugt: Und muß ihm der Schaden, welchen er durch das Sterben des Viehes an der Abnutzung gelitten, nach dem Land-üblichen Anschlag vergütet werden.

§. 34. So lang der durch den Unglücks-Fall verursachte Schaden nicht völlig gerichtlich reguliret und determiniret worden, kann der Pächter die Pension nicht zurück halten, weil er an dem Guth und denen folgenden Jahren seine Sicherheit hat.

§. 35. Wann in dem letzten Jahr der Mißwachs (et)c. entstehet, und der Schaden vor dem Abzug des Pächters nicht reguliret werden kann, muß dieser die Pension gerichtlich deponiren, oder bürgerliche Caution bestellen, und darf er bis eines von beyden geschehen, mit seinen Invectis & Illatis nicht dimittiret werden.

§. 36. Es soll gegen dergleichen Determination des Schadens kein Remedium als quoad effectum devolutivum, verstattet werden.

§. 37. Wann zweytens Streit zwischen Obrigkeit und Unterthanen z. E. wegen geweigerten, oder übermässigen Dienste, oder andern neuerlichen Praestationen entstehet; So soll niemahls ein ordentlicher Process darüber


(477) Vierter Theil. Tit. VIII.

verstattet, sondern auf eingekommene Klage Terminus angesetzt, und in Termino einem Rath committiret werden die Sache ad Protocollum zu nehmen, die Güte zu versuchen, in deren Entstehung aber die Sache zum rechtlichen Spruch bey dem Cammer-Gericht vorzutragen.

Vor welchem Spruch kein Remedium, als quoad effectum devolutivum, verstattet werden soll.

Bey Entscheidung dergleichen Sachen aber ist jederzeit zum Grund zu setzen, daß in dubio die Unterthanen zu Verrichtung der Dienste und Praestationen angehalten werden müssen, weil dieselbe an dem Guthe jederzeit ihren Regress und Sicherheit haben; dahingegen der Guths-Herr, wann die Unterthanen condemniret werden, und nachdienen, oder die gehäufte Praestationes auf einmahl erstatten sollen, mehrentheils ruiniret werden, oder wenigstens solches vorgeben dürften; allermassen wenig Exempel fürhanden, daß der Guths-Herr etwas ohne einen neuen Process nach erfolgtem Urthel wieder bekommen habe.

Damit aber hiernächst wegen Ersetzung des Schadens kein Streit entstehen möge, so liegt gewinnenden Theil ob z. E. die Dienste die ein jeder Unterthan indebite praestiren, oder die die Obrigkeit entbehren müssen, zu specificiren, die Taxe zugleich beyzufügen, und eine Commission zu Constituirung eines liquidi auszubitten.

Wann bey der Commission hinc inde verfahren, und die Sache nicht verglichen worden, müssen acta ad referendum ausgethan, ein gewisses Quantum ex aequo & bono festgesetzet, und juramento in litem bestärcket werden, wovon kein Remedium verstattet werden soll.

Unterdessen bleibt die Regul feste, daß kein Bauer deswegen, weil er in bessern Umständen wie sein Nachbar ist, mit schwererem Dienst beleget, und ihm ein mehreres als andern in selbigen Dorf angemuthet, sondern alles gleich eingerichtet werden müsse.


(478) Vierter Theil. Tit. VIII.

§. 38. Wann drittens zwischen einem Lehnsfolger und denen Land-Erben Streit entstehet, und das Allodium von dem Feudo separiret werden muß, soll gleichfalls kein ordentlicher Process verstattet, sondern auf eingelaufene Klage in dem darüber angesetztem Termino einem Rath committiret werden, beyde Theile über alle und jede hinc inde habende Forderungen zu vernehmen, ein richtiges Protocoll darüber zu halten, und die Güte zu versuchen: Wann er die Haupt-Sache nicht in der Güte beylegen kann, muß er wenigstens suchen die Kleinigkeiten zu vergleichen, die dilatorische und incident(-)Puncten zu coupiren, und den Process ad definitivam zu instruiren.

Im Fall, vor völliger Entscheidung, in einigen Puncten eine Local(-)Commission veranlasset werden muß, so kann das Cammer-Gericht über die instruirte Puncte sprechen, wegen der andern aber die Sache auf Commission richten, da dann der Commissarius nach Anleitung der Commissions-Ordnung zu verfahren schuldig ist.

Was aber ad feudum oder ad allodium zu rechnen, item wie es mit denen Schulden zu halten, solches ist in Unserer Lehns-Constitution deutlich versehen.

§. 39. Es seyn auch viertens billig unter die unglückseelige Processe zu rechnen, wann zwischen denen Pupillen und Vormündern (et)c. Streit entstehet, und wann entweder der Vormund von dem Unmündigen wegen eines Residui Ersetzung fordert, oder der Unmündige den Vormund wegen übel geführter Administration in Anspruch nimmt.

Item, wenn ein Administrator piorum corporum mit dem pio corpore wegen geführte Administration in Process geräth.

In diesen Fällen soll a) gleichfalls kein ordentlicher Process verstattet, sondern in dem ersten Termino einem Rath committiret werden die Sache aufzunehmen, und


(479) Vierter Theil. Tit. VIII.

soll alsdann eben auf die Art, wie oben §. 38. vorgeschrieben, weiter verfahren werden.

Es ist b) bey einigen Collegiis die üble Gewohnheit eingeschlichen, daß wann ein Vormund oder Curator jährlich seine Rechnung gerichtlich abgelegt, und darüber quitiret wird, dem Unmündigen oder Minderjährigen, wann er die Majorennitaet erlanget, unter dem Praetext daß der Vormund einmahl gerichtlich quitiret worden, nicht gestattet werden will die Vormundschafts-Rechnung einzusehen, noch weniger Monita darüber zu formiren (et)c.

Weil aber nach denen Rechten die Vormundschafts-Rechnung nach geendigter Vormundschaft NB. denen gewesenen Unmündigen abgestattet werden soll und muß; Und die jährliche Abnahme hauptsächlich nur dieserwegen eingeführet worden, damit der Vormund währender Vormundschaft nicht nach Gefallen von des Unmündigen Geldern disponiren könne, sondern den Bestand alle Jahr belegen und vorzeigen müsse; So kann der Vormund auch nach geendigter Vormundschaft sich nicht entbrechen dem Pupillen auf dessen Verlangen die Rechnungen mit denen Belägen nochmahls vorzulegen, die dagegen gemachte Defecten zu beantworten, und darüber richterliche Erkänntniß zu gewarten; welches um desto mehr statt haben soll, wann bey der jährlichen Abnahme keine Monita gegen die Rechnung gemacht, und dem Vormund alles was er angegeben, ohne zu examiniren ob es nöthig gewesen oder nicht, passiret worden.

§. 40. Wann fünftens wegen der Gräntzen zwischen Nachbarn Streit entstehet, ist desto nöthiger die Mishelligkeiten zu coupiren, weil öfters, wann die Verbitterung darzu kommt, Mord und Todschlag daher entstehen kann: dergleichen Processe auch wegen der vielfältigen Commissionen, und Abhörung einer grossen Menge von Zeugen, sehr kostbar, und durch die Negligentz derer Commissarien unsterblich zu seyn pflegen.


(480) Vierter Theil. Tit. VIII.

Wann also 1) jemand klagt daß der Nachbar die Gräntzen verrücke, wann bey Theilung eines Guths oder Holtzes Streit entstehet, wann bey eingeklagter Turbation, Pfändung, Abstammung des Holtzes (et)c. die Gräntze gestritten wird, folglich es auf eine Ocular-Inspection ankommt, so muß so fort ex officio ein Commissarius benannt werden, die Sache in loco zu untersuchen, beyden Theilen aber bey Gefängniß, oder andern Strafe anbefohlen werden, alles bis dahin in statu quo zu lassen.

Der Commissarius muß 2) nach der Commissions-Ordnung terminum praejudicialem ansetzen, und denen streitenden Partheyen Anklage thun, in Termino ihre Documenta und Nachrichten wegen der Gräntze mitzubringen, die Zeugen deren sie sich bedienen wollen, alsdann zu produciren, oder dieselbe beyzeiten ante terminum citiren zu lassen.

In termino muß 3) der Commissarius beyde Theile mit ihrer Nothdurft hören, die Documenta und Nachrichten examiniren, wann die Gräntzen weitläuftig, solche durch einen geschwornen Landmesser aufnehmen lassen, sonst aber selber einen ohngefehren Abriß davon machen (et)c.

Bey Abhörung der Zeugen muß 4) Commissarius auf keine Exceptiones contra personas testium (es wäre dann daß sie ipso jure repellibiles seyn) reflectiren, jedoch was wieder dieselbe angegeben wird fleißig ad protocollum notiren, damit der künftige Referent in quantum de jure darauf reflectiren könne.

Der Commissarius muß 5) nach untersuchter Sache, und geschlossenem Protocoll, die Güte versuchen, und in deren Entstehung durch eine Interims(-)Verordnung den Statum possessionis bis zu erfolgtem Bescheid salvo jure & salva possessione utriusque reguliren, und, wann einige Thätlichkeit zu befürchten, und die Possession sehr


(481) Vierter Theil. Tit. VIII. IX.

zweifelhaftig ist, beyden Theilen bey Gefängniß oder andrer Strafe den Gebrauch des Orts untersagen.

Im übrigen muß 6) der Commissarius Beschleunigung des Berichts, und der Diaeten, sich überall nach der Commissions Ordnung achten.

Wann die Sache 7) bey dem Cammer-Gericht zur Relation kommt, muß dieselbe jederzeit Unsere in denen Rechten und Billigkeit fundirte General-Regul vor Augen haben, daß wann nicht möglich die Gewißheit der Gräntze auszufinden, dieselbe getheilet werden solle.

Es darf aber diese Theilung, wann die Gräntzen an verschiedenen Orten streitig, an einem aber klar erwiesen oder wenigstens ziemlich bescheinigt seyn, nicht allezeit zu gleichen Theilen geschehen: Sondern es muß die Theilung bloß in denen Oertern geschehen, wo beyde Theile entweder gar nichts erwiesen, oder wo beyder Beweiß gleich wichtig ist.

Es muß auch eine vernünftige Proportion bey dieser Theilung beobachtet, und demjenigen welcher mehr Praesumptiones vor sich hat, auch ein grösserer Theil bey der Theilung assigniret werden.

Tit. IX.

Vom Concurs-Process, und von dem Moratorio, auch von Behandlung derer Creditoren, Cessione bonorum, und dem Beneficio competentiae.

§. 1. Wir haben bey denen Concurs-Processen mit dem höchsten Misfallen wahrgenommen, daß solche in der größten Confusion bishero tractiret worden, und kein Ende davon abzusehen gewesen: wann er aber endlich nach langen Jahren geendiget worden, so hat sich nicht

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(482) Vierter Theil. Tit. IX.

allein gefunden daß verschiedene neue Processe daher entstanden, sondern auch daß die Richter und Advocaten, vornemlich aber der Contradictor das Meiste davon prosistiret haben, und den Creditoribus mehrentheils, nach Abzug derer Kosten, das leere Nachsehen gelassen worden.

Wir finden daher nöthig auch diesen unverantwortlichen Mißbräuchen einmal Ziel und Maasse zu setzen, und durch eine besondere Ordnung vorzuschreiben:

1.) Wann ein Concurs-Process zu eröfnen.

2.) Wie dabey civiliter zu verfahren.

3.) Wie gegen einen betrüglichen Banqueroutirer criminaliter zu verfahren.

4.) Wann dem Debitori ein Moratorium zu verstatten, und was dabey zu beobachten.

5.) Wann er zur Behandlung derer Creditoren, oder

6.) Zu dem Beneficio cessionis bonorum zuzulassen.

7.) In welchen Fällen dem Schuldner das Beneficium competentiae zu statten kommen müsse.

Sectio I.

Wann ein Concurs-Process zu eröfnen.

§. 2. Wann 1.) viele Creditores sich zu gleicher Zeit gegen einen Schuldner melden, und aus verschiedenen Documentis Klage anstellen, der Debitor aber die Schulden negiret, oder wahrscheinliche Exceptiones denenselben entgegen setzet, so können die Creditores, weil die Schulden noch nicht liquid seyn, nicht zum Concurs provociren.

Wann aber gleichwohl die Debita nothdürftig bescheiniget, die dargegen eingewandte Exceptiones weit aussehend, folglich eine Vermuthung sich hervor thut, daß Debitor seine Creditores blos mit Processen zu fatigiren


(483) Vierter Theil. Tit. IX.

suche, unterdessen aber seine noch übrige Güther verthun, und denen Creditoribus bey Endigung des Process das leere Nachsehn lassen dürfte; so seyn die sich meldende Creditores befugt, von dem Debitore eine eydliche Specification seines Vermögens, und, wann er ein Handelsmann ist, die Production seiner Handlungs-Bücher zu erfordern.

Der Richter muß solchenfals einen Terminum, höchstens von 4 Wochen ansetzen, den Debitorem mit seiner Nothdurfft hören, dem Befinden nach die Creditores zum Juramento Calumniae anhalten, und nach Beschaffenheit der Sachen, insonderheit wann die Schulden allem Ansehen nach liquid, der Debitor nicht angesessen, oder sonst ein übler Haushalter wäre (et)c. denselben zu der gesuchten Production anhalten.

Im Fall der Debitor in Termino ausbleiben, oder, wann er erscheinet, sich zu der erkanten Specification und Production der richterlichen Erkänntniß ohngeachtet nicht bequemen wolte, oder nach beschehener Production das Vermögen eventualiter nicht zureichen möchte, so soll zur Sicherheit der Creditoren bis die Haupt-Processe geendiget, und ad liquidum gebracht worden, dem Befinden nach ein Aufseher, welchen die Creditores wählen sollen, oder ein Curator bonorum bestellet werden, es wäre denn daß der Debitor bis dahin genugsame bürgerliche Caution bestellen könnte.

Was der Richter hierunter verordnet, davon soll kein Remedium, als quoad effectum devolutivum verstattet werden. Welches auch, wann die Bürgschaft nicht für zulänglich erkannt wird, statt haben soll.

§. 3. Es wird auch 2.) dadurch kein Concurs erreget wann ein Creditor in ein Guth immittiret wird, und viele andere Creditores, welche auf sothanes Guth gleichfals versichert seyn, sich hervor thun, ihre Bezahlung daraus fordern, und auf die Immission und Subhastation bringen. Weil alsdann, wann die Schulden liquid gemacht worden,

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(484) Vierter Theil. Tit. IX.

worden, bloß das Guth verkaufft, und das Geld unter die Hypothecarios getheilet, das übrige aber dem Debitori gegeben, oder, wann andere Creditores chirographarii, Cambiarii &c. auf das Kauff-Geld einen Arrest gelegt, unter diese distribuiret werden muß.

Wann so viele Schulden auf dem Guthe haften, daß alle Hypothecarii nicht daraus bezahlet werden können, so müssen die Creditores einen Liquidations-Process anstellen, einen Curatorem benennen, alle Creditores, oder welche sonst an diesem Guth einen Anspruch haben, per edictales citiren, und zugleich Terminum ad liquidandum ansetzen lassen.

Wann Creditores super prioritate verfahren, müssen sie nach ihrer Ordnung classificiret, das Kauff-Pretium unter die Priores distribuiret, die ausgehende aber an das übrige Vermögen des Debitoris verwiesen weden. Wodurch also noch kein Concurs über das gantze Vermögen veranlasset wird.

§. 4. Gleiche Bewandtniß hat es wann ein Creditor, welcher in einzele Stücke eines Guths immittiret worden, vorher siehet, daß er wegen der darauf haftenden näheren Schulden seine Bezahlung nicht daraus erhalten könne, und daher bittet, daß er in des Debitoris sämtliche Immobilia immittiret, und dieselbe hiernechst subhastiret werden möchten.

Massen auch hiedurch kein Concurs erreget wird, sondern die Creditores welche an diesen Güthern etwas zu fordern haben, werden allein praevia citatione edictali & liquidatione lociret, folglich hat hier gleichfals bloß der Liquidations-Process statt.

§. 5. Es ist auch kein Concurs zu nennen, wann ein Käuffer eines Guths zu seiner Sicherheit die auf dem Guth haftende Creditores, und andere welche ein Recht an diesem Guth zu haben vermeynen, per edictales, und, wann Creditores certi seyn, per Patentum ad domum citiren lässet. Allermassen der Besitzer solches bloß zu


(485) Vierter Theil. Tit. IX.

einer Sicherheit, und alle Creditores zu praecludiren, suchet.

Wann also der Käufer in dem Termino gegen Erlegung des Kauff-Pretii die Tradition erhält, ist er bey seinem Titulo sicher: und müssen alle Creditores, sie mögen Fiscus, Pupilli, oder Pia Corpora seyn, wann sie sich nicht gemeldet, mit ihren Foderungen an diesem Guth per sententiam praecludiret werden, und hat keine Restitutio contra fidem hastae statt.

Die Creditores theilen sich constituto liquido in dieses Kauff-Pretium, wann solches zu deren Bezahlung zureichend ist; wo nicht, müssen sie die Priorität unter sich durch einen Liquidations-Process ausmachen: die ausgehende Creditores müssen sich alsdann an das übrige Vermögen des Debitoris halten, und darin die Execution suchen.

§. 6. Schließlich kann auch kein würcklicher Concurs genannt werden, wann jemand ein Moratorium suchet, folglich sufficientiam bonorum, und daß er, wann ihm Zeit gelassen wird, im Stande sey alle Creditores zu bezahlen, vorgiebt.

Weil er aber gleichwohl zugestehet, daß er vor der Hand nicht im Stande sey, seine Creditores zu befriedigen, so seyn die Creditores befugt, entweder um die Versiegelung seines Vermögens, oder Bestellung eines Aufsehers, oder wohl gar eines Interim-Curatoris bonorum Ansuchung zu thun, bis erkannt wird ob dessen Vermögen solvendo, folglich der Debitor zu diesem Beneficio zu admittiren, oder der Concurs zu eröfnen sey: wovon unten Sectione IV. mit mehrern gehandelt werden soll.

§. 7. Hingegen können die Creditores auf einen Concurs provociren:

Erstlich, wenn ein Schuldner, insonderheit ein Handelsmann, sich zur Verfall-Zeit des Wechsels, oder wann eine Execution gegen ihn vorgenommen werden soll, absentiret, und keine Anstalt zur Bezahlung macht, auch

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(486) Vierter Theil. Tit. IX.

kein ander Objectum Executionis vorhanden ist: und soll keine Entschuldigung, daß er auf die Messen, oder ex alia justa causa verreiset ist, gelten.

Zweytens, wann der Debitor notorie nicht solvendo ist, z. E. wann der Debitor auf die Cessionem bonorum provociret, oder denen Creditoren eine Behandlung offeriret, wovon unten Sectione V. & VI. gehandelt wird.

Drittens, wann ein Debitor sufficientiam bonorum vorgiebt, ein Moratorium suchet, und praevia causae cognitione damit abgewiesen wird. Vid. §. praeced. 5. & infr. Sect. IV.

Viertens, wann ein Schuldner verstirbet, dessen gegenwärtige Wittwe oder Erben sich der Verlassenschafft angenommen, wegen Vielheit der Schulden aber sich der Erbschaft entsagen, so qualificirt sich die Sache gleichfals zum Concurs.

In diesem Fall aber müssen 1) gedachte Wittwe oder Erben sich binnen sechs Wochen, ob sie Erben seyn wollen, erklären (nach deren Ablauff sie sonst pro haeredibus gehalten, und gegen sie agiret werden soll.) 2.) Wenn sie nicht Erben seyn wollen, ein legales Inventarium verfertigen, worinn 3.) alles was in dem Sterbe-Haus gefunden wird, auch so gar der Wittwen und Erben eigene Sachen (welche sie aber, wann sie in continenti bescheinigen. daß sie ihnen zugehören, zurück nehmen können,) mit verzeichnet werden müssen. Worauf 4.) der Richter so fort das Vermögen in seine Verwahrung nehmen, und versiegeln, oder einen Interims-Curatorem bestellen; anbey 5.) den Concurs von dem Tage an, da der Debitor verstorben, per Decretum festsetzen, und 6.) ohnverzüglich mit Citation derer Creditorem ad liquidandum verfahren muß.

Wann die Erben sich der Erbschafft einmahl, ob schon sub beneficio legis & inventarii, angenommen, so können sie sich nachhero derselben nicht entsagen, sondern wann sich demnechst insufficientia bonorum hervor thut,


(487) Vierter Theil. Tit. IX.

und der Concurs eröffnet wird, denen Creditoribus intra vires haereditatis Rede und Antwort geben.

Fünftens, wann keine Erben des Schuldnersgegenwärtig seyn, oder gar keine Erben existiren, hingegen die Creditores ihre Bezahlung urgiren, und der Richter, oder Fiscus, aus dem ex officio zu verfertigenden Inventario wahrnimmt, daß das Vermögen nicht zureiche die sich meldende, oder sonst aus denen Briefschafften und Hypothequen(-)Büchern bekandte Creditores zu befriedigen; So muß ein ordentlicher Concurs, mit Benennung des Jahrs und des Tages, da der Creditor verstorben, veranlasset, auch, daß solches geschehen, ad Protocollum notiret, und in der Citatione ad liquidandum solches gemeldet werden.

§. 8. So bald der Concurs eröfnet worden hören alle Actiones gegen den Debitorem auf, und alle Processe welche vor diesem in diversis judiciis angestellet worden, werden propter connexitatem causarum ad forum concursus gezogen, und kann also der Debitor hernach nirgends weiter als vor diesem Foro belanget werden.

Es kan auch der Debitor von dem Tage des erregten Concurs nicht weiter von seinem Vermögen zu eines oder des andern Creditoris faveur disponiren, oder einem eine grössere Sicherheit verschreiben: Wie denn auch die gerichtliche Eintragung nach den Tag des Concurs keine Praerogativ geben kan.

Sectio II.

Wie nach eröfneten Concurs zu verfahren.

§. 9. Wann der Concurs per decretum oder sententiam eröfnet worden, muß der Präsident zweyen von denen geschicktesten Räthen die Direction des Process auftragen, welche alles in pleno vortragen, und dafür sorgen und stehen müssen, daß der Concurs nach denen

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(488) Vierter Theil. Tit. IX.

vorgeschriebenen Principiis fortgesetzt werde. Zu dem Ende muß das Gerichte

I. sich der Person des Debitoris bemächtigen, und, wann er flüchtig worden, denselben mit Steckbriefen verfolgen. Wovon seq. gehandelt werden soll.

II. Dessen Vermögen (wann es noch nicht geschehen) versiegeln, und ein Inventarium darüber verfertigen.

III. Einen Interims-Curatorem mit Bewilligung der gegenwärtigen Creditoren bestellen, welcher bis zu dem Termino liquidationis auf die Güther Achtung geben, die Edictales befördern, nicht weniger die Aff- & Refixiones besorgen soll.

Hauptsächlich aber und IV) muß der Richter die sämtliche Creditores (wenn solches nicht schon vorher occasione des etwa gesuchten Moratorii &c. geschehen. (Vid. Sect. IV. §.   .) per edictales ad liquidandum citiren lassen. Wovon das Formular in fine h. tit. sub lit. A. beygedrucket worden.

ad. ib. n. 1.

§. 10. Es müssen aber a) diejenige, deren Schulden bey dem Gerichte im Hypothequen-Buche verzeichnet, oder die aus dem Inventario, daß sie dem Orte gegenwartig, bekandt worden, denn auch die Receptores, auch Kirchen und Schulen, so der Orten aus den Güthern etwas zu erheben pflegen, durch offene Citation an ihre Wohnung, nicht weniger andere auswärtige Creditores, deren Domicilia bekandt, durch Subsidiales, die übrigen aber per edictalem citationem ad liquidandum vorgeladen werden; und ist unter das Patent ad domum von jedem, wie es ihm insinuiret, oder in ejus absentia von denen die in dem Hause wohnen, oder es sonst anzunehmen schuldig, zu verzeichnen; Wegen der auswärtigen bekandten Creditoren aber der geschehenen Insinuation halber Documentum von des Orts(-)Obrigkeit zu begehren, und von denen Gerichten beyzuschaffen.

Es muß auch zum Ueberfluß alle Woche einmal, bis zu dem Termino liquidationis, durch den Intelligentz-Bogen


(489) Vierter Theil. Tit. IX.

mit Benennung des Termini kund gemacht werden, daß die Creditores in dieser Concurs-Sache ad liquidandum citiret worden, Welches der expedirende Secretarius beobachten muß. Wann hierunter etwas versäumet wird kann zwar der Terminus liquidationis dadurch nicht rückgängig gemacht werden, der Secretarius aber muß vor jedesmahl 5 Rthlr. zur Sportul-Cassen erlegen.

Die Edictal-Citation aber muß, b) damit Creditores um so weniger die Unwissenheit zu allegiren Ursache haben, nebst dem Orte des erregten Concursus an zweyen Orten verschiedener Jurisdiction angeschlagen werden; es wäre denn der Debitor ein Mann gewesen der nicht sonderlich Verkehr ausserhalb gehabt, oder der Concurs wäre geringer Wichtigkeit, welcherfalls allein bey dem Gerichte des Ortes wo er entstanden, und der Concurs moviret, und einem benachbarten Gericht Citatio anzuschlagen.

Würde aber der Concurs in der Obern-Instantz eröffnet, oder es entstünde dergleichen bey einem von Adel im Lande, sind die Edictal-Citationes in dem höhern Gerichte, und andern zweyen Orten anzuschlagen, und auf den letztern Fall die nächste bey des von Adel Güthern gelegene Haupt-Stadt des Creises unter solchen beyden Orten, zu Besorgung der Affiction, mit zu erwählen.

Wann c) der Schuldner ein Mann, der grosse und weitläuftige Handlung gethan, oder die Wichtigkeit des Concursus, Vielheit an Schulden, Abwesenheit der Creditorum, und deren weit auseinander liegende Wohnungen es erfoderten, so sollen die Edictales auch in dreyer Herren Landen, fürnemlich in denen Handels-Städten, und andern Orten wo die Citation am sichersten zu der Creditorum Wissenschaft kommen kan, angeschlagen, und von Unsern Secretariis und andern Gerichts-Actuariis darunter der Tag, wann sie angeschlagen, und wieder abgenommen, verzeichnet: Von auswärtigen aber eine Registratur, wie solches geschehen, beygebracht werden.

H h 5


(490) Vierter Theil. Tit. IX.

Hinkünftig soll d) nicht mehr als eine Citation ausgefertiget, jedoch der Terminus so wohl in der Edictali, als ad Domum, auf 9 Wochen; bey Handels-Leuthen aber auf 12 Wochen gerichtet, davon drey oder respective vierte für den ersten, drey oder viere für den andern, und drey oder viere für den dritten peremtorie gerechnet werden sollen. Und ist der Citation die Commination beyzufügen, daß in Ansehung derjenigen, welche in den gesetzten 9 oder respective 12 Wochen sich ad acta nicht gemeldet, durch Ablauf des letzten Tages die Acta ipso jure für geschlossen geachtet, und sie nicht weiter gehörte (!), sondern ihnen in der Classifications- und Prioritaets-Urthel ein ewiges Stillschweigen auferleget werden solle.

Dergleichen auch e) derjenigen halber, welche sich zwar ad acta gemeldet, aber in termino praefixo nicht erschienen, noch ihre Forderung bescheiniget, in der Prioritaet-Urthel zu erkennen.

Würde aber f) ein Creditor, der sich nicht gemeldet, ex post justam causam anführen, so soll in solchem Falle, wie unten §.   verordnet, verfahren werden.

Gleichwie aber g) ein vieles an der richtigen Aff- und Refixion der Edictal-Citation gelegen ist, so muß der expedirende Secretarius davor sorgen, daß die Edictal-Citationes völlig 9 und respective 12 Wochen angeschlagen bleiben, damit nicht von dem Debitore oder einem ausgebliebenem Creditore eine Nullität daher genommen werden könne: Zu dem Ende soll der Secretarius den Terminum jederzeit auf 8 bis 14 Tage weiter hinaus setzen, und denen Rescripten und Requisitorialien die Beschleunigung des Anschlages mit einfliessen lassen; Es liegt auch dem Secretario ob, die behörige Anstalt zu machen, daß die Patente gegen den Terminum liquidationis refigirt, Terminus Aff- & Refixionis unter das Patent notiret, und an das Cammer-Gericht eingeschicket werden.


(491) Vierter Theil. Tit. IX.

Wann etwas daran fehlet (worauf die Räthe in Termino Liquidationis hauptsächlich Achtung geben müssen,) soll sofort ein neuer Terminus angesetzet werden, und muß der Secretarius wann er Schuld hat, nicht allein die zur Edictal(-)Citation gehörige Kosten übernehmen, sondern auch denen Creditoribus alle Kosten der vorigen Citation erstatten.

Wann h) der Schuldner noch am Leben, und in dem Orte, wo der Concurs-Process geführet wird, oder auch in der Provintz, zugegen ist, hat der Curator in Zeiten zu besorgen, daß er gegen diesen Terminum nach Gewohnheit des Gerichts, entweder mündlich durch den Gerichts-Bothen, oder, wenn er nicht in dem Orte zugegen, durch eine besondere schriftliche Citation dazu gefordert, und wann er flüchtig ist, in denen Edictalibus citiret werde.

§. 11.

Es muß auch jederzeit einem fiscalischen Bedienten Auflage gethan werden, in dem ad liquidandum angesetzten Termino zu vigiliren, und gegen den Schuldner, wann sich ein Dolus oder lata culpa aus denen Vorträgen hervor thun solte, auch wann derselbe wider die Rechte ein Moratorium oder Cessionem bonorum &c. suchen wolte, die Nothdurfft zu beobachten.

§. 12. In dem ad liquidandum angesetzten Termino müssen die Creditores VI. per majora entweder den etwa bestellten Interims(-)Curatorem (vid. supr. §. 8.) bestätigen, oder einen andern erwählen (welcher zugleich wann der Concurs nicht weitläuftig ist Contradictor seyn soll,) da dann ad Protocollum, daß die Creditores den N. N. zum Curatore oder Contradictore bestellet haben wollen, notiret, und derselbe per Decretum confirmiret werden muß.

Im Fall aber Creditores in Partes gehen, so stehet dem Richter frey jemand von denen so auf der Wahl stehen, oder, nach Beschaffenheit der Sachen, auch einen Tertium ex officio darzu zu bestellen.


(492) Vierter Theil. Tit. IX.

Dem ernanten und confirmirten Curatori liegt ob, a) vermittelst Handschlages an den Richter, oder Präsidenten des Gerichts, oder welchen dieser dazu deputiren möchte, an Eydes statt anzugeloben, mit allen Fleiß die Beytreibung der ausstehenden Schulden, die Verkauffung der Güther, Erhebung der aus denselben fallenden Nutzen, und Beschleunigung des Processes ihm angelegen seyn zu lassen, daß er auch mit dem Einkommenden getreulich umgehen, und sich überall dieser Ordnung gemäß verhalten wolle.

Und ist b) wann der Curator Immobilia besitzet, und die Einnahme groß ist, denen Hypothequen-Büchern so des Orts geführet werden, zugleich einzutragen, daß N. N. zum Curatore in. N. N. in Schuld-Wesen bestellet, und das Vermögen sich ohngefehr auf … … Rthlr. … … Gr. … … Pf. betrage.

Nach geendigten Process und abgelegter Rechnung aber ist gleichfals in vorgemeldten Büchern zu notiren, daß er davon entschlagen sey; wie sonst bey andern Schuldnern, wenn sie bezahlet, zu geschehen pflegt.

Im Fall der Curator bonorum keine Immobilia besitzet, und gleichwohl billig ist denen Creditoribus wegen der Einnahme Sicherheit zu verschaffen, so muß er keine Gelder ohne gerichtlichen Befehl in Empfang nehmen, und bey 50 Rthlr. Strafe gleich nach Ablauff des ersten Monaths seine Rechnung mit Einnahme und Ausgabe dem Gericht übergeben, auch alle Monath damit continuiren.

Von diesen eingehobenen Geldern muß das Gericht dem Curatori so viel, als er zu Betreibung des Concurs nöthig hat, in die Hände geben, das übrige aber versiegeln: Und alle Monath solchergestalt continuiren, da dann der Curator jederzeit die versiegelte Gelder vorzeigen muß.

Es stehet auch denen Creditoren frey, die Gelder an einen andern sichern Ort, auf Erkäntniß des Richters, niederzulegen.


(493) Vierter Theil. Tit. IX.

Es muß also c) der Curator zuförderst sorgen, daß denen Creditoribus in Termino liquidationis das Inventarium nebst denen Briefschafften und Büchern vorgelegt werde, da dann der gegenwärtige Debitor schuldig ist, sowohl dem Curatori, als denen Creditoribus, von Beschaffenheit aller und jeden Obligationen, auf deren Befragen; die verlangte Nachricht jederzeit zu geben.

Würden auch d) der Curator und die Creditores nöthig finden, den gegenwärtigen Debitorem anzuhalten eydlich zu bestärcken, daß er in dem Inventario alles sein Vermögen angegeben, auch nichts vorher an solchs Creditores welche seinen Zustand gewust, alieniret habe, so kann sich der Debitor dessen nicht entbrechen.

Diesemnach muß e) der Curator gleich des andern Tages nach dem gegebenen Handschlage bey dem Gerichte gebührend bitten, daß der gegenwärtige Schuldner mit allen den Seinigen (wenn es noch nicht geschehen,) oder diejenigen so in des Verstorbenen Güthern sitzen, aus den Vermögen geschaffet, und ihm solches nach der zu übergebenden Specification ausgeantwortet werde.

Wie er denn auch f) wenn von der Obrigkeit ein Inventarium gemacht worden, nach selbigem die Effecten, Bücher und Briefschaften von der Obrigkeit in Empfang zu nehmen hat.

Er hat auch g) zu besorgen, daß wenn ein ausgetretener oder verstorbener Debitor ein Handels-Mann gewesen, der anderswo Effecten hat, oder schon von dem Seinen etwas heimlich untergebracht um solches denen Creditoren zu entziehen, sofort und ungesäumt Arrest darauf verhänget, und solches per publicum proclama, so von dem Gericht anzuschlagen, dahin bekannt gemacht werde, daß, bey einer nahmhaften Strafe, ein jeder so unter dem Gerichts-Zwang gesessen alles dasjenige was dem Flüchtigen oder Verstorbenen zugehöret, und er in seinen Händen, Gewahrsam oder Verwaltung hat,


(494) Vierter Theil. Tit. IX.

ohngeachtet ihm dasselbe verpfändet (in welchem Fall er das Jus retentionis hat,) hingeleget, und zu verwahren gegeben, oder auf andere Weise von dem Schuldner selbst, oder jemand anders an dessen statt zugebracht, auch was einer von des Falliten Güthern oder Vermögen des Ortes, oder anderswo mit Arrest beschlagen lassen; imgleichen was ein jeder dem Falliten oder Verstorbenen an Geld oder Waaren zu liefern, oder zu bezahlen schuldig, (ohngeacht einiger Compensation oder anderer Praetension,) bey Verlust seines Rechts und der benannten Straffe, daß er, wenn es hernach entdecket wird, dennoch alles heraus geben müsse, innerhalb 4 Wochen a dato bey dem Gerichte schriftlich, und mit seiner eigenen Hand, (jedoch vorbehältlich seines Rechts) angeben, und davon niemanden als wie es das Gericht verordnet, etwas abfolgen lassen solle. Auf welches Anzeigen dann das Gericht nach Befinden die Verabfolgung an den Curatorem zu veranlassen hat.

Es hat ferner und i) eines ausgetretenen Schuldners zurück gebliebene Frau, Diener, Buchhalter, oder andere, so sich bey demselben aufgehalten, desgleichen eines verstorbenen Schuldners benannte oder nachgelassene rechtliche Erben, oder andere Personen, so bey seinem Absterben in dem Vermögen gewesen, ohne Zeit-Verlauf mit dem Eyde belegen zu lassen:

Daß sie des entwichenen oder verstorbenen Schuldners Haab und Güther, Rechnung- und Handels-Bücher, aussenstehende Schulden, und was ihnen von eines flüchtigen Debitoren Anschlag und Vorhaben bekannt, alles ihres Wissens getreulich angegeben, und davon weder zum Nachtheil der Creditoren etwas verschwiegen, oder selbst unterschlagen, noch von Händen gebracht; daß sie auch was sie noch auffinden, oder erfahren würden, getreulich anzeigen wollen; So wahr ihnen Gott helfen solle durch seinen Sohn Jesum Christum.


(495) Vierter Theil. Tit. IX.

Und soll dieser Eyd auch alsdann gefordert werden, wenn der Schuldner bonis cediret, und sich ein redlicher Verdacht hervor thut, daß nicht alles richtig angegeben, und seine Domestiquen, oder die sein Vermögen mit unter Händen gehabt, davon Nachricht haben möchten.

Wann der Curator k) in denen Büchern, im Inventario, oder beschwornen Specification findet, daß der Schuldner an anderen Orten ausstehende Schulden habe, hat der Curator von dem Gericht darauf gleichfalls Arrest auszubringen, die Schulden beytreiben zu lassen, gegen seine Quitung, wenn die Schuldner freywillig, oder von ihrer Obrigkeit angehalten, Zahlung thun, dieselbe in Empfang zu nehmen, und alle 4 Wochen einen Etat der eingekommenen, noch ausstehenden, oder durch Erkänntniß liquiden Gegen-Rechnung, oder sonst abgegangener Schulden, bey dem Gericht ad acta concursis zu geben, damit sowohl die Gerichte als Creditores von Zeit zu Zeit davon Nachricht haben, die Gelder ad depositum nehmen, und solche hiernächst austhun können.

§. 13. Wann sich VII. in dem ersten Termino niemand ad acta meldete, der etwas von den Mobilien oder Waaren als sein Eigenthum forderte, oder sonst zu Recht reclamirete, und was nicht zu guter Treu verkauft zurück begehrete, (welchemfalls solche Stücke bis zur Erkänntniß auszusetzen) soll der Curator bonorum die bewegliche und unbewegliche Güther des Fallit oder Verstorbenen (die Pretiosa aber davon ausgenommen) ohnverzüglich durch die Auction verkaufen lassen.

Es hat aber der Curator 14 Tage vor der Auction, mit Anzeigung des Tages, Stunde und Ortes, eine generale Designation der zu verkaufenden Sachen, z. E. Bücher, Betten, Spiegel, höltzern und eisern, oder andern Haus-Geräthe, an den Ecken der Stadt und Kirchthüren anzuschlagen, auch in denen Zeitungen so am nächstgelegenen Orte gedruckt werden, oder in denen Intelligentz-Bogen, alle Woche einmahl bekannt machen


(496) Vierter Theil. Tit. IX.

zu lassen, die Auction selbst aber, wo nicht gewisse Auctionarien von Uns angesetzet, durch einen geschwornen Ausrufer (dessen Eyd am Ende dieses Tituls B sub Lit. B. zu finden) und durch einen von dem Gericht dazu Deputirten aus dessen Mittel, oder den Secretarium, oder auch in Unserm Gerichte immatriculirten Notarium, wie hoch jedes Stück, welches aus dem Inventario zugleich nachzuweisen, verkaufet, niederschreiben zu lassen, und muß er solches Auctions-Protocoll, samt den Schluß der Rechnung über das eingekommene Geld, vom Notario, dem Ausrufer, und ihm selbst unterschrieben, auch das für die auctionirte Stücke eingehobene Geld drey Tage nach geendigter Auction, jedoch nach Abzug dessen so an Auctions-Kosten erfordert worden, und gebührend zu specificiren und zu belegen ist, den Gerichten einsenden.

Und wie b) bey solchen Auctionen nicht anders als gegen baar Geld, so gleich zu erlegen, zu verkaufen; Also muß, wenn einer etwas erstanden, derselbe solches sofort folgenden Tages bezahlen; und ist keinem, ohne Unterscheid ob er bekannt, daß er solvendo, oder einer der vornehmsten Creditoren oder nicht, ohne baare Bezahlung nicht das Geringste abzufolgen.

Es stehet also c) dem Curatori nicht frey, Auctions-Reste in seiner Rechnung zu führen, sondern im Fall er jemand ohne Bezahlung, diesem zuwieder, etwas abfolgen lassen, muß er solches aus seinen eigenen Mitteln bezahlen, und das Geld in die Einnahme bringen.

Wenn aber d) uner denen Mobilien Juwelen, rare Schildereyen, Kunststücke, und andere Kostbarkeiten vorhanden, sollen dieselbe wie §. seq. von dem Immobilien geordnet, durch der Sachen verständige und in specie beeydigte Taxatores taxiret, mit der Taxe und umstandlichen Beschreibung subhastiret, und wie sonst mit den Immobilien zu verfahren, gerichtlich an den Meistbiethenden verkauft werden; Jedoch mit dem Unterscheide,


(497) Vierter Theil. Tit. IX.

daß nach einmahliger Adjudication solche zu reluiren dem Schuldner in Zeit von 4 Wochen, anders aber nicht, frey stehen solle; auch der Käufer erst bey Verlauf 4 Wochen a die adjudicationis das Geld zahle, und dagegen die adjudicirte Stücke in Empfang nehme.

§. 14. Was die Immobilien betrift, muß der Curator, a) wenn gleich ein Immissus-Creditor (von dem er Rechnung zu fordern hat) darinnen sasse, derselben Taxation, und wenn die Taxe zu denen Acten gebracht, die Subhastation, wie in der Executions-Ordnng vorgeschrieben worden, suchen. Worauf, wenn selbige geschehen, mit der Adjudication verfahren werden muß. Add. P. 3. Tit. 41. §. 47. seq.

Denen Creditoribus aber und deren Advocaten, wie auch dem Contradictori, wird von denen zur Kauf-Handlung angesetzten Terminis zum Ueberfluß Nachricht ertheilet.

Wann b) kein Creditor immissus vorhanden, müssen die Creditores überlegen ob es besser sey das Guth zu administriren, oder auf ein Jahr zu verpachten. Wann die Creditores sich nicht vergleichen können muß der Richter ex officio decidiren.

Im Fall c) bey der Subhastation zu wenig gebothen wird, können die Creditores (wann sie alle darunter einig) um die dritte, vierte (et)c. Subhastation bitten: Wann aber einer oder der andere auf die Adjudication dringet, kann solche wann das Guth dreymahl angeschlagen worden nicht aufgeschoben werden: Worbey es um desto mehr zu lassen, weil dem Debitori so wohl als denen Creditoribus frey stehet binnen respective 6 Wochen oder 6 Monath pinguiorem emtorem zu verschaffen.

Wann sich d) gar kein Käufer findet, müssen die Creditores das Guth vor 2/3 des taxirten Werths in solutum annehmen, und sich untereinder pro rata debiti darüber vergleichen, oder die Classification und Prioritaet-Urthel abwarten.

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(498) Vierter Theil. Tit. IX.

Wann e) ein Guth wiederkäuflich alieniret worden, so fällt das Jus reluendi nach geendigten Wiederkaufs-Jahren an die Creditores.

Was f) an gemeinen Lasten währenden Concursus, und bis zur Adjudication, von Häusern oder andern liegenden Gründen abzuführen, muß der Curator aus denen einkommenden Nutzungen bezahlen, und was zu repariren nöthig ohnverzüglich, mit Vorwissen einiger Creditoren, oder des Richters besorgen, damit die Gebäude zum Nachtheil derselben nicht verschlimmert, und also immittelst geringer werden.

§. 15. Wann der Debitor in verschiedenen Unsern Provintzien besondere Handlungen, oder verschuldete Güther hätte, und es wäre an einen Orte Concursus entstanden, so kann das in denen andern Provintzen belegene Vermögen, oder Handlungen von dem Curatore zu solchem Concurs nicht gezogen werden, sondern es müssen Creditores, nach Gelegenheit, die Eröfnung des Concurs auch in denen andern Orten und Gerichten suchen, welche auf gleiche Weise das hier Verordnete ex officio zu veranlassen haben.

Auch seyn die auf dieselbe Güther oder Handlungen versicherte Creditores zu dem Vermögen, worinnen Concursus eröfnet worden, nicht zu admittiren; Es wäre dann daß nach Abfindung der zum Concurs gehörigen Creditoren noch etwas übrig bliebe.

§. 16. In dem ad liquidandum angesetztem Termino muß VII. sofort mit der Liquidation verfahren, und von einem jeden Creditore angeführt werden, in was vor einer Classe er nach denen Rechten lociret werden müsse.

Zu dem Ende müssen die Creditores, und deren Mandatarii, in diesem, oder in dem Consensu Creditorum prorogirten Termino sich behörig quoad personam & causam legitimiren, und ihre Anforderung an Capital, Zinsen und Kosten (bey Verlust des Capitals, Zinsen und


(499) Vierter Theil. Tit. IX.

Kosten) angeben, copiam documenti, woraus ein jeder Creditor agiret, ad Acta geben, und solche mit dem Original bestärcken; auch, wenn die Forderung von einem andern herrühret, dasjenige womit er sich dazu legitimiren kann vorlegen; wann er aus Rechnungen, so mit dem Schuldner geschlossen, oder aus seinen eigenen Rechnungs- und Handels-Büchern (welche wann sie Handlungs-mäßig geführt worden semiplenam probationem haben sollen,) seine Forderung zu verificiren gewilliget, solche Stücke gleichfalls in originali produciren.

Es werden auch die Creditores wohl thun, wann sie ante Terminum ihre Forderung liquidiren, weil der Interims-Curator sich darauf praepariren, und in Termino die Liquidation facilitiren kann.

§. 17. Wobey Wir fest setzen, daß, wann ein einheimischer Kauffmann binnen sechs Monath à dato der contrahirten Schuld nicht klagt, er seine Forderung nicht aus dem Handels-Buche, sondern durch ordentlichen Beweis verificiren müsse.

§. 18. Wann ein Creditor schon vorhin, und ante Terminum liquidationis schrifftlich liquidiret hat, kann er sich darauf beziehen, und die Originalia produciren, welche in beyden Fällen dem Protonotario oder Registratori gegen einen Revers gelassen werden müssen.

§. 19. Wenn einiger Verdacht einer Collision mit einem oder dem andern Creditore sich hervor thut, und bey der Obligation einige Unrichtigkeit vermercket werden solte, so stehet dem Contradictori, und einem jedem Creditori frey, von einem jeden Liquidanten praevio juramento calumniae (als welches der Richter jederzeit ex officio beyfügen muß,) den Eyd darüber zu erfordern, daß es mit der Obligation und mit der Schuld seine völlige Richtigkeit habe, und nichts gefährliches dabey vorgegangen sey.

§. 20. Wann bey einem Unserer verrechneten Dienern bey dessen Leben, oder in dessen Verlassenschafft nachhero

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(500) Vierter Theil. Tit. IX.

Concurs- oder Liquidations-Processe entstehen, und demselben entweder selbst, oder mit dessen hinterlassenen Kindern, Erben, und Verwandten, oder auch gesetzten Curatore litis, vor dem Collegio worunter der verrechnete Diener gestanden, oder, wann Wir besondere Commissarios geordnet, vor solchen ein Liquidum constituiret worden, ist genug wenn solche Liquidation von einem Unserer fiscalischen Bedienten ad Acta gegeben, und in Termino nochmahls mit der Commissarien Unterschrifft, und Approbation des Collegii so die Liquidation veranlasset, produciret wird; Und darüber ist weder dem Schuldner und dessen Angehörigen, noch auch andern Gläubigern, ein fernerer Disputat und Streit zu gestatten, sondern die Creditores müssen solche annehmen, die Richter darnach in dem abzufassenden Urtheil erkennen, und die Creditores, alles dagegen beschehenen Einwendens ohngeachtet, an obgedachtes Collegium lediglich verweisen.

§. 21. Und da der Mißbrauch bey denen hiesigen Gerichten eingeschlichen, daß die Praetensiones und Anforderungen derer Creditoren nicht separiret, sondern durcheinander geworffen, in ein Volumen gebunden, auch mit denen generalien des Concurs confundiret worden, so muß auch dieser Mißbrauch abgestellet werden; Zu dem Ende ordnen und wollen Wir, daß a) ein jeder Creditor in Termino besonders seine Forderung justificiren, und mit dem Contradictore ad duplicas usque verfahren solle, welches Protocoll auch besonders geheftet, und eine besondere Rubric darauf gesetzet werden soll.

Wann dieses Protocoll geschlossen, muß b) der zweyte, hiernechst der dritte Creditor, und so weiter auf gleiche Weise liquidiren, und besondere Acta formiren.

Einem jeden Creditori stehet c) frey, wann der Contradictor etwas bey einer oder der andern Liquidation verstehet, solches interveniendo zu suppliren; wie dann auch der Creditor schuldig ist dem Contradictori, was gegen die Forderungen eingewendet werden kann, an die Hand zu geben.


(501) Vierter Theil. Tit. IX.

d) Die Generalia, die bey dem Concurs vorfallen, müssen in einen besondern Fasciculum verfast und geheftet werden.

Der Commissarius oder Richter muß jedes Protocoll eigenhändig unterschreiben, auch oben bey dem Anfang des ersten Blattes, zwischen wem es gehalten worden, notiren.

Wann auch e) der erscheinenden Creditoren so viel seyn, daß dieselben in einem Tage ihre Forderungen nicht alle ad Protocollum liquidiren, und darüber recessiren können, soll damit folgenden Tages, und so ferner bis alle Protocolla geschlossen, verfahren werden;

Worauf der Contradictor und die Creditores in der nächsten Audientz die Acta, ob sie complet seyn, nachsehen, solches durch ihre Unterschrifft attestiren, und solchergestalt Act inrotuliren sollen.

§. 22. Wann ein Creditor sich mit seiner Praetension, erst nach geschlossenen Acten, bey der Inrotulation meldet, so soll er den Process in dem Stande wie er lieget annehmen, und schweren, daß er von dem Concurs vorhero keine Nachricht gehabt, da er dann mit seiner Liquidation und Verification in ipso collationis Termino (nachhero aber nicht) zugelassen, der Contradictor und Creditores auch mit ihren Exceptionibus dagegen gehöret, weiter aber nicht verfahren, sondern Acta pro inrotulatis angenommen werden sollen.

§. 23. Im Fall ein Creditor das Original, worauf sich seine Anforderung gründet, erst nach beschlossenem Verfahren, oder in Termino inrotulationis vorbringen würde, so soll, wann der Creditor und Creditores etwas gegen die Validitaet des Originals einzuwenden hätten, damit wie im vorhergehenden §pho verfahren werden.

§. 24. Wann er das Original gar nicht vorzeiget, anbey an Eydes statt erhalten kann, daß er, aller angewandten Mühe ohnerachtet, solches nicht erlangen können, muß ihm in sententia prioritatis sub conditione,

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(502) Vierter Theil. Tit. IX.

wann er das Document binnen einer gewissen Zeit produciren, und solches richtig befinden würde, sein Ort angewiesen werden.

§. 25. Wann nun VIII. wie vorstehet in dem Process verfahren und geschlossen, müssen die Räthe, die den Process bishero dirigiret haben, ein Classifications- und Prioritaets-Urthel verfertigen: und braucht es daher ratione prioritatis keines besondern kostbahren und weitläuftigen Verfahrens, weil dem Urthels-Fasser alle die Classen wornach die Creditores lociret werden sollen, in der Hypothequen-Ordnung deutlich vorgeschrieben worden.

§. 26. In dem Urthel ist a) zuförderst denenjenigen so nicht liquidiret, der ergangenen Verwarnung zufolge, ein ewiges Stillschweigen aufzulegen, und sind dieselbe von dem Concurs oder dem Grund-Stücke, worüber die Gläubiger citiret, gäntzlich abzuweisen.

§. 27. Demnächst haben b) die Urthels-Fasser in Acht zu nehmen, daß sie fremden Creditoren, aus denen Orten da denen Unsrigen nicht gleiches Vorzug-Recht als nach dieser Ordnung gestattet wird, keine andere Ordnung in der Urthel anweisen, als des Orts woher sie sind geschiehet, sondern hierinn, als überall, auf das Jus retorsionis sehen.

§. 28. Keinem Creditori ist c) in eben der Ordnung als sein Capital mehr als dreyjähriger Zinsen Nachstand (und zwar nur von denen nächsten dreyen vorhergehenden Jahren) anzusetzen; die übrige nachstehende Zinsen aber seyn nachdem alle Creditoren, auch die nur schlechte Hand-Scheine und Buch-Schulden fordern, ihres Capitals halber Befriedigung erhalten, in eben solcher Ordnung wie die Capitalia vorstehen anzuweisen. Jedoch daß auch dieserhalb wieder die Creditoren, so aus den Orten sind wo das Sächsische, oder sonst ein Recht so dieser Hypothequen-Ordnung zuwieder; obtiniret, jure retorsionis verfahren werde.


(503) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 29. Hätte ein Creditor den Schuldner seine Forderung halber ausgeklaget, und wären demselben durch ein Urthel oder Moderations-Abscheid gewisse Unkosten zuerkannt, sollen solche in der Prioritaet-Urthel, wo das Capital ihm angewiesen wird, zugleich mit angesetzet; diejenigen Kosten aber, so er bey dem entstandenen Concurs-Process aufgewendet seine Forderung zu liquidiren und zu justificiren, sollen, wenn gleich in der Obligation sonst Kosten verschrieben, nicht mit angewiesen, sondern übergangen werden.

§. 30. e) Diejenige so einem Gläubiger seine Forderung bezahlet, auch die Bürgen so dergleichen für ihren Principal-Schuldner gethan, treten in der bezahlten Creditoren-Recht, und sind an deren Stelle in der Prioritaet-Urthel zu lociren: Jedoch dergestalt, daß die Bürgen keine Cessionem jurium vonnöthen haben; und, der von ihnen bezahlten Zinsen halber, denen zahlenden Bürgen alle von ihnen bezahlten Zinsen als Capital anzusetzen, wegen der hernach aufgeschwollener Zinsen aber, wie im vorhergehenden §pho 28. geordnet, es zu halten: Andere aber so einem Creditori Zahlung gethan, können ihre Befriedigung wegen der von ihnen diesem bezahlten Zinsen ein mehrers nicht als in gemeldetem §pho 28. versehen, auch in der Ordnung anders nicht, als was wegen der Creditorum selbst geordnet, nehmen.

§. 31. f) Vor allen Creditoren sind die zum gemeinen besten derselben, und zu Fortsetzung des Concurs-Processus, jedoch keine andere als nach dieser Ordnung angewandte Gerichts-Kosten und Adovcaten-Gebühren, darunter das Litis & bonorum Curatoris salarium mit begriffen, in dem Urtheil anzusetzen. Wofern aber das Vermögen nicht hinreichend alle Creditores an Capital und Zinsen zu befriedigen, müssen diejenigen so Bezahlung erhalten die Kosten pro rata tragen.

§. 32. g) Im Fall jemand ein Grundstück und unbewegliches Guth durch freywilligen Kaufhandel an sich

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(504) Vierter Theil. Tit. IX.

bringet, oder auch auf Anhalten einer Creditoris ein solches gerichtlich verkaufet, und diesem zugeschlagen wird, und der Käufer zu seiner Sicherheit und Erforschung der darauf haftenden Schulden Creditores citiren lässet, ohne daß ein Concurs förmlich eröfnet werde, (Vid. supr. §. 4. & 5.) sollen deshalben wenn ein Urtheil darüber abgefasset wird, im ersten Fall keine Kosten so auf die Citation verwandt, im letzten aber die Kosten wie in formali concursu angesetzet werden. Im übrigen werden die Creditores nach folgenden Classen lociret.

Erste Classe.

Von denen, welche ein Eigenthum, so in des Schuldners Vermögen vorhanden ist, zurück fordern.

§. 33. Wann jemand ein eigenthümliches Guth, beweg- oder unbeweglich, welches in des Schuldners Vermögen annoch unverwendet befunden wird, zurück fodert (als welches in ipso termino liquidationis erweislich gemacht werden muß) so ist solches dem Eigenthümer so fort wieder abzufolgen, ohne daß die Creditores sich dessen anmassen, oder dasselbe verkaufen, und daraus ihre Befriedigung suchen können; Als da sind

§. 34. I. Die bey dem Schuldner zu verwahren niedergelegte Gelder, Waaren, oder andere Sache welche noch vorhanden seyn.

Die niedergelegte Gelder seyn alsdann vorhanden, wenn sie, mit des Deponenten Wapen versiegelt, in des Depositarii Verwahrung gefunden werden.

§. 35. II. Was demselben zu gewissem Gebrauch geliehen, oder precario zu nutzen hingegeben worden.

§. 36. III. Sachen so ihm zu verkauffen anvertrauet und in Commission gegeben worden.


(505) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 37. IV. Der Kinder ererbtes, durch Geschenck überkommenes, oder im Krieg sonst erworbenes Guth, auch Pathen-Geschenck, so viel davon würcklich vorhanden.

§. 38. V. Wann jemand einem so in Schulden vertieffet, dessen unwissend, auf guten Glauben Waaren oder Güther verkaufft, der Käuffer aber zwey oder drey Tage nachher Banquerout machet, so kann der Verkäuffer die noch existirende Waaren und Güther vindiciren, massen es solchenfalls, als wäre kein Kauff geschehen, wegen der verkaufften Stücke zu achten.

§. 39. VI. Güther so der Schuldener, unter Bedingung dieselbe baar zu bezahlen angekaufft, das Geld aber davon binnen 4 Wochen nicht erlegt:

§. 40. VII. Pfänder so bey dem Schuldener versetzt seyn, wann die Eigenthümer das darauf vorgeschossene Geld, samt Land-üblichen Zinsen erlegen; andernfals dieselbe zu verkauffen, und dem Eigenthümer was daraus über Capital und Zinsen gelöset wird zurück zu geben.

§. 41. VIII. Wann jemand mit dem Schuldner in gemeinschafftlicher Handlung gestanden, und des Socii Schulden nicht consentiret hat, so gehöret ihm die Hälfte der noch vorhandenen Waaren und Güther zu.

§. 42. IX. Güther die mit fideicommiss belegt, wann sie das Land-Buch eingetragen worden.

§. 43. X. Der Frauen eingebrachte Dotal- und Paraphernal-Stücke, auch Receptitia wann alle diese Stücke würcklich existiren.

§. 44. XI. Wann einem Mann das Ehe-Geld wie auch das paraphernal(-) und Reception-Guth mit dem Beding gegeben wird, daß solches nicht anders als an ein unbewegliches Stück verwendet werden soll, solches auch würcklich dazu erweißlich verwendet, und, NB. daß das Guth mit der Frauen Geld erkaufft sey, dem Land-Buch eingeschrieben worden.

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(506) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 45. XII. Wann der Frauen etwas zur Morgen-Gabe geschencket, und solches noch vorhanden.

§. 46. XIII. Verkäuffer unbeweglicher Güther die sich das Eigenthum bis zu Zahlung reserviret, und solches ins Hypothequen-Buch eintragen lassen.

Es muß aber die Anzeigung mit richtiger Benennung derer Güther, und derer Debitorum Vor- und Zunahmen geschehen: die Eintragung des Reservati Dominii aber darf nicht besonders gebethen werden, sondern die Landschafft oder Lehns-Cantzeley muß solches ex officio notiren, und zu dem Ende den Contract fleißig durchlesen.

Und diese Praeferentz ex capite reservati dominii hat auch statt, wann a) schon dem Käufer das Guth tradiret worden, und dieser seinen Contract und Titulum eintragen lassen, weil dieser Titulus nur conditionalis ist, und durch das zugleich eingetragene Dominium reservatum limitiret wird. b) Wann auch schon der Käufer nach verflossener Tag-Zeit das Kauf-Pretium bey dem Käuffer zinsbar stehen lassen: Weil fides des Land-Buchs, so lang das Dominium reservatum nicht gelöscht ist, subsistiret; allermassen derjenige, welcher ohngeacht des eingetragenen reservirten Dominii dem Käufer Geld leihet, sich imputiren muß wann er sein Geld ehe das Dominium reservatum gelöscht worden, hazardiret.

§. 47. Endlich und XIV. alles was von einem fremden Guth absque justo Titulo in des Schuldners Vermögen gefunden wird.

Es muß also dem Eigenthümer in denen angeführten Fällen das Guth abgefolget werden, wann es noch bey dem Schuldner unverwundet befunden wird: wie aber alle diese Eigenthümer, auf den Fall da alle diese Güther nicht mehr in des Schuldners Vermögen existiren, lociret werden sollen, davon soll unten mit mehrern gehandelt werden.


(507) Vierter Theil. Tit. IX.

Zweyte Classe.

Von denen Creditoren welche ein Singulare Jus praelationis haben.

§. 48. Nach denen Eigenthümern müssen diejenigen welche ein singulare Jus praelationis haben, lociret werden. Als:

§. 49. I. Unser Fiscus und dessen Cessionarii, sowohl wegen der Caduquen und dem Fisco anheim fallenden Güther (wenn solche in zu recht geschehener Zeit gefordert werden,) als wegen der Contributions(-)Reste, auch Unsere Chatoul-Holtz-, Müntz-, Schoß- und Roß-Dienst-Gelder, und an statt derselben des verglichenen Canonis, und aller andern Anlagen und Gelder welche in Unsere Casse fliessen.

Insonderheit wegen der Pacht-Gelder und Unserer Domainen-Pensionen von denen Saltz und andern Güthern, als auch was Unsere Cassen-Administratores, auch andere Bediente, so einige Unserer Gelde Einnahme haben, schuldig bleiben, vermöge Unsers Edicts vom 4ten November. 1713. welches in fin. h. tit. sub Lit. D. beygedruckt worden.

§. 50. II. Es soll Unser Fiscus nicht allein ein Vorrecht haben in des Pächters und Cassen-Bedienten Güthern, sondern auch in denen Güthern des Caventen, welche vor dergleichen Leute fidejubiret haben.

§. 51. Weil aber vielfältig sich zuträgt, daß dergleichen Pächter und Administratores, oder deren Caventen, wann sie schon mit andern Schulden überhäuft seyn Unsere Domainen und andere Güther zu pachten, zu administriren, oder davor zu caviren, und dadurch sich der Execution wegen ihrer andern vorhin contrahirten Schulden zu entziehen suchen, so würde die größte Unbilligkeit seyn wann diejenige Creditores, welche bona fide dergleichen Pächtern und Administratoren vorher ihr Geld und


(508) Vierter Theil. Tit. IX.

Vermögen anvertrauet, und ihre Forderung in das Hypothequen-Buch eintragen lassen, folglich alle menschliche Sicherheit gebraucht haben, unter dem Praetext Unsers fiscaelischen Interesse, dem Fisco nachgesetzet, und ohne ihre Schuld ruiniret werden solten (et)c.

Daher ordnen und wollen Wir daß diejenige Bedienten welche dergleichen Contributiones und andere Gefälle aufschwellen lassen, und binnen Jahres-Frist nicht beygetrieben haben, item die Collegia welche bey Verpachtung der Domainen(-)Güther, Regalien, und Bestellung der Cassen(-)Bedienten, nicht die behörige Vorsorge angewandt, derer Pächter, Administratoren, oder derer Caventen Vermögen nicht genau examiniret, das Hypothequen(-)Buch nicht nachgesehen, oder, wann dergleichen Leute schon vorher mit Schulden überhäuft gewesen, und dennoch zu Pächtern, Administratoren und Caventen angenommen, oder die Caution nicht in das Hypothequen-Buch eintragen lassen, (et)c. denen übrigen Creditoren, welche Ihre Forderungen in das Hypothequen-Buch eintragen lassen, in solidum haften sollen.

Und ob Wir zwar Unserm Privilegio fisci nicht renunciren, sondern die Praeferentz Uns vorbehalten wollen, so declariren Wir doch zugleich hiedurch, daß Wir denen in das Hypothequen-Buch eingetragenen Creditoren auf solchen Fall Unsere Jura cediren, und Assistentiam fisci gegen diejenige Bedienten und Collegia, welche die vorgeschriebene Praecautiones nicht genommen, verstatten wollen: Die Execution soll gegen die Decernenten in solidum, oder wann dieser nicht solvendo ist, oder der Creditor sich lieber an das gantze Collegium halten will, gegen dasselbe pro rata geschehen, und müssen hiernächst dieselbe sich an den Decernenten halten, und mit demselben die Sache ausmachen.

§. 52. Zu dieser Classe gehören III. diejenige so auf ein Grundstück und unbewegliches Stück Geld geliehen, und darauf, ehe und bevor es an den jetzigen Schuldner


(509) Vierter Theil. Tit. IX.

kommen, ein ausdrückliches oder stillschweigendes Pfand darauf erhalten, und NB. solches eintragen lassen.

Und dieses beneficium separationis stehet denen Creditoribus hypothecariis dergestalt beständig zu, daß sie davon durch keinen Zeit-Verlauf ausgeschlossen werden, weil die auf dem Guth vorhin gehaftete Schulden zu des jetzigen Schuldners Vermögen gar nicht gehören.

Wie dergleichen Creditores zu lociren die ihr jus hypothecae nicht eintragen lassen, oder in rebus Mobilibus ein jus separationis haben, davon soll unten §.   gehandelt werden.

§. 53. IV. Die Begräbniß-Kosten des verstorbenen Schuldeners: darunter die der Wittwen und denen Kindern gegebene Standes und dem Vermögen gemässe Trauer-Kleider, und was dazu gehöret, mit begriffen seyn; Jedoch sollen auf andere dem Schuldner angehörige Personen verwandte Begräbniß-Kosten darunter nicht gerechnet werden.

Damit aber künftighin es keines ungewissen und zweifelhaftigen richterlichen Ermessens bedürfe, wie viel in Ansehung des verstorbenen Schuldners Standes und Vermögens an Begräbniß-Kosten anzusetzen, und aus dem Nachlaß vor andern Creditoren, wenn selbiges zu aller Befriedigung nicht hinreichend seyn möchte, zu bezahlen; So ordnen Wir hiermit, daß in eines von Adel Concurs (dann was ausser dem Concurs ein jeder nach seinen Stande anwendet gehöret nicht hierher) an Begräbniß-Kosten zuzulassen 56 Rthlr. die, wann das Allodium nicht zureichend seyn solte, aus den würcklichen oder ins Erbe versetzten Lehn zu bezahlen. Zu eines vornehmen Bedienten bürgerlichen Standes, auch 50 Rthlr. Zu eines geringen Bedientens, Kaufmanns oder Künstlers 30 Rthlr. Zu einem gemeinen bürgerlichen Begräbniß 10 Rthlr. Und solches kann der Sterbende, wann er gleich ein mehreres verordnen wollen, durch seine Disposition in keine Wege ändern; zumahlen aller Ueberfluß, so auf Stand-Reden,


(510) Vierter Theil. Tit. IX.

Leichen-Predigten, Gastmahle, Leichen-Steine und so weiter verwendet werden, billig hier cessiren, und nicht mehr, als vorhin gemeldet, in dieser Classe passiren muß.

Würde aber jemand ein mehreres als hier geordnet, auf das Begräbniß eines Verschuldeten verwenden, hat er, wenn das Vermögen so weit reichet, deshalb seine Befriedigung ihrer Chirographarios zu gewarten.

§. 54. Nach denen Begräbniß-Kosten folget V. was für des Schuldeners, nicht aber dessen Kinder, oder anderer Familie, Artzeney, und nothdürftigen Nahrungs-Unterhalt, in seiner letzten Kranckheit, darin er verstorben, denen Medicis, Wund-Aertzten, auch Apotheckern, und andern schuldig blieben; worunter aber nicht was währender Kranckheit an Gewürz und Delicatessen aufgewendet, mit unterlaufen soll; Vid. infr. §. 128. Und haben sich die Medici, Chirurgi und Apothecker mit ihrer Liquidation nach der Medicinal-Ordnung und Apothecker-Taxe zu richten.

§. 55. V. Diejenige so in des Schuldners Hause und Diensten um ein gewisses Jahr-Geld gedienet, als Praeceptoren, Schreiber, Koch, Diener, Kutscher, Knechte, Vieh-Hirten, Drescher, Ausgeber- und Schliesserinnen, Ammen, Cammer-, Hof-, Haus-, Vieh- und andere Mägde, die Meyer, Hofmeister und deren Weiber auf dem Lande, die Gärtner, Wein-Meister und deren Gesellen, imgleichen in denen Städten die Buchhalter, Provisores und andere Gesellen, so zur Zeit des Absterbens, oder entstandenen Falliments, würcklich in des Schuldeners Brod sich befinden, sollen mit zwey Jahres, und zwar denen in Unsern Landen und Städten publicirten Gesinde-Ordnung, oder wo dergleichen nicht vorhanden, der bisherigen Gewohnheit gemässen Lohn, gleiches Vorrecht geniessen: wie auch diejenigen Handwercks-Leute und Tagelöhner welche auf dem Lande und Städten im Hause um gewissen Lohn gearbeitet.


(511) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 56. Andere Dienstbothen aber so bereits ausser dem Brod des Schuldeners, (es wäre dann, daß sie sogleich, als sie aus dem Dienst getreten, wegen des rückständigen Lohns wider den Herrn geklaget) so wohl als diejenigen welche noch würcklich in dessen Diensten sind, und über zwey Jahre Lohn zu fordern haben, werden deshalb, wenn sie um ein besseres Recht zu erlangen von dem Schuldner keine andere Versicherung genommen, unter denen Chirographarien angewiesen.

§. 57. Nichtweniger sollen auch VII. die ausser dem Hause seyende Professores, Praeceptores auf Universitaeten und Schulen, item Schreib- und Rechen-Meister, und die so in Mathesi und Ingenieur-Kunst informiren, in dieser Ordnung lociret werden.

§. 58. Auf gleiche Weise sind diejenigen zu tractiren, so an statt Lohns ein gewisses Deputat bekommen. Wäre aber kein gewisses Dienst-Lohn oder Deputat versprochen, so hat das Gericht wo der Concurs schwebet das Lohn oder Deputat nach der Condition des Dienstbothen, der Landes-Ordnung, und der Billigkeit gemäß einzurichten.

§. 59. Dem Dienst-Lohn ist VIII. gleich zu achten das in dem letzten Jahr verdiente Pflüger-Lohn, die vorgeschossene Aussaat, auch die zu Unterhaltung des Viehes verglichene und restituirende Weyde-Pacht. Item

§. 60. Die Lasten und Pflichten, so auf den Güthern und liegenden Gründen haften, und daraus gegeben werden müssen: als die Einkünfte der Kirchen, Zehenden, Meßkorn und andere Belohnung der Kirchen- und Schul-Diener; die aus Stiftungen und Vermachungen herrührende, und der Kirchen zustehende Gaben, die Canones emphiteutici, und unabläßliche jährliche Zinsen, Renten und Einkünfte, als Pacht-Korn, auch der Obrigkeit gebührendes Zinse-Geld, Rauchhuhn und der Nachstand wegen nicht geleisteter Dienste; Ingleichen was die Obrigkeit den Unterthanen an Saamen- und Brod-Korn


(512) Vierter Theil. Tit. IX.

vorgesetzet, auch der Orten da solches erhoben wird, an landschaftlicher Accise bezahlet: Ferner dasjenige was Unterthanen ihrer Obrigkeit, und Bürger dem Magistrat geben, auch zu gemeinen Stadt-Bürden tragen müssen: als Bier- und Tranck-Steuer, Servis-, Frohn- und Dienst-Geld, und andere dergleichen Gefälle.

§. 61. Damit aber auch diejenigen, welchen im vorstehenden §pho einiges Vorrecht gegeben wird, dasselbe zum Nachtheil anderer Creditorum nicht mißbrauchen mögen; So soll dasselbe in infinitivum sich nicht erstrecken; sondern ihnen weiter nicht zu statten kommen, als auf einen zweyjährigen Nachstand so vor dem eröfneten Concurs verfallen. Hätten sie aber zum Beschwer der Güther mehr, ungemahnet, nachstehen und aufwachsen lassen, gehören solche unter die gemeine chirographische Schulden, und sind die Vorstehere der Kirchen und anderer Stiftungen, auch Cämmerer und Einnehmer bey den Stadt-Güthern und andere Receptores obrigkeitlicher Gefälle, wenn ein mehrerer Nachstand als von zwey Jahren aus des Schuldners Vermögen bey den chirographischen Schulden nicht bezahlet werden könnte, denselben aus ihren eigenen Mitteln, welche dafür haften, zu erstatten schuldig; Und sollen im Fall diese die Zahlung nicht leisten könten, diejenige so die Rechnung abzunehmen haben, ebenfalls dafür stehen; Maassen Wir denn auch bey Unsern Cassen und Domainen die Versehung werden thun lassen, daß daselbst keine Reste, oder wenigstens nicht höher als von zwey Jahren aufwachsen, und vor den Ueberrest wenn es zum Concurs kommen möchte, die Einnehmer stehen sollen.

§. 62. (nicht vorhanden)

§. 63. Können jedoch die, so jährliche Forderung zu erheben befuget, daß sie durch fleißige Einmahnung und gerichtliche Hülfs-Suchung, die Zahlung nicht erhalten können, aus denen Gerichts-Actis in continenti erweisen, solchenfalls hätten sie auch wegen des über 2 Jahr befindlichen Nachstandes solches Vorrecht zu geniessen.


(513) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 64. Hätten aber die Gerichts-, Pacht- und Dienst-Herren von ihren obgedachten Forderungen bey den Unterthanen so viel aufschwellen lassen, daß derselben Vermögen zu ihrer aller Befriedigung nicht hinlänglich, und es wären keine andere Creditores vorhanden, um deren Willen nach vorstehenden §phis zu erkennen; So geben dieselben ihrer Forderung halber in tributum oder zu gleichen Theilen nach Proportion ihrer Forderungen.

§. 65. X. Wann jemand einen Officier zu seiner Krieges-Equipage mit Consens seines Officiers leihet, aber nicht höher als die im Edict vom 4ten Julii 1746. festgesetzte Summe und Weise: welches Edict zu dem Ende in fin. h. tit. sub Lit. E. hierbey gedruckt worden.

§. 66. XI. Wann jemand auf ein bewegliches Unterpfand Geld leihet, und solches in Händen hat. Wann schon ein anderer ein pignus generale auf alle bewegliche Güther des Debitoris erhalten. Wann aber nach Verkaufung des Pfandes von dem Kauf-Geld nach Abzug dessen was er darauf geliehen, und ihm an Land üblichen Zinsen, auch Kosten gebühret, etwas übrig bleibet, solches ist er denen andern Creditoribus herauszugeben schuldig.

§. 67. Vorstehende Creditoren gehen, wenn des Schuldeners Vermögen zu ihrer aller Befriedigung nicht zureichend seyn solte, nicht in tributum, sondern folgen einander; Und wann aeque privilegiati concurriren, werden die ältere denen jüngern vorgezogen.

Dritte Classe.

Von denen welche eine in das Schuld-Buch eingetragene Hypothec haben.

§. 68. Zur dritten Classe gehören diejenige Creditores, welche ihre Schuld-Forderung oder Recht in das Hypothequen-Buch eintragen lassen; und gehen diese allen

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(514) Vierter Theil. Tit. IX.

Creditoren, welche nicht zu denen beyden vorigen Classen gehören, sie mögen nebst der Hypothec ein Privilegium personale haben, und judiciales seyn oder nicht, vor: Allermassen in soweit die vorige Hypothequen-Ordnung hierdurch geändert wird.

Dann da die Hypothequen-Bücher dieserwegen eingeführet worden, damit ein jeder welcher Geld auf ein Guth leihen, oder seine Sicherheit wegen einer Ehestiftung, Vormundschafft (et)c. haben will, vergewissert seyn möge, ob und was vor Schulden auf den Güthern haften; So würde die Haupt-Intention derer Hypothequen-Bücher wegfallen, wann die stillschweigende Hypothequen, Dominia Reservata, Jura separationis, fideicommissa familiae, dos, pia causa &c. worvon in dem Schuld-Buch keine Nachricht vorhanden, vorgehen solten; in mehrerer Erwegung, da dergleichen Creditores sich selber imputiren müssen, daß sie ihre Jura nicht gleichfals eintragen lassen, und ihre Sicherheit dadurch gesucht haben.

§. 69. Es haben also dergleichen eingetragene Schulden (et)c. eine Praeferentz vor allen folgenden nicht eingetragenen Forderungen, als:

1) Vor denen Dominiis reservatis.

2) Vor denen Frauen, oder deren Kindern, ratione ihrer Dotal- und paraphernel- it. auch Receptitiren-Gelder, auch Leib-Gedings, wann sie auch

3) Schon unter der Conditio hergegeben worden, daß unbewegliche Güther damit angeschafft werden sollen, und würcklich damit angeschafft worden. vid. §. 43. seqq.

4) Vor denen Erb-Geldern welche aus den Guth herausgegeben werden müssen; Es bestehe in ausgemachten Vater- oder Mutter-Guth, oder bruderlichen und schwesterlichen Antheil (et)c.

5) Vor denen Bau- und Besserungs-Kosten eines Guths, die nach der eingetragenen Hypothec in das Guth verwandt worden.


(515) Vierter Theil. Tit. IX.

6) Vor denen fideicommissis familiae, majoraten &c.

7) Vor denen Schulden derer Unmündigen, Soldaten, Kirchen und anderer piorum corporum, mit mit (!) deren Geld Güther eingekaufft worden.

8) Vor denen die zu Erkauffung eines Guths mit dem Beding Geld vorgeschossen, daß ihnen das Guth zur Hypothec haften solle.

9) Vor denen Hypothecariis welche das Jus separationis haben, aber solches nicht eintragen lassen. Vid. infr. §. 94.

10) Vor denen wiederkäufligen reditibus annuis, Zinsen und Renten, welche auf einem Grund-Stücke haften, wann solche nicht eingetragen worden.

11) Und endlich in genere vor allen Hypothecariis welche ein ausdrückliches, gerichtliches, oder stillschweigendes Pfand haben, wann sie solches nicht eintragen lassen.

§. 70. Wann aber auch alle diese Debita nachhero eingetragen werden, so erhalten sie keine Praeferentz als von dem Tage da sie eingetragen worden.

§. 71. Alle eingetragene Creditores folgen einander nach der Ordnung und Zeit der Eintragung, dergestalt daß der ältere denen andern vorgehet.

§. 72. Im übrigen stehet einem jeden Creditori frey zu seiner Sicherheit eine judicialiter, oder extra judicialiter, oder tacite constituirte Hypothec, auch ohne des Debitoris Consens, in das Land-Buch eintragen zu lassen, wann nur der Creditor die Original(-)Obligation produciret, wodurch dann die vorige Hypothequen-Ordnung in diesem Stücke geändert wird.

§. 73. Wann jemand eine General-Hypothec erlanget, und ein anderer nachher auf ein besonderes Stück eine Special-Hypothec sich constituiren lassen, so gehet derselbe General-Hypothecarius einem jüngern Creditori, der auf diesem besondern Stück sich gleichfalls eine Special-Hypothec verschreiben lassen vor: wann nur die

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(516) Vierter Theil. Tit. IX.

General-Hypothec auch an dem Ort eingetragen worden wo das besondere Stück belegen ist.

§. 74. Desgleichen praejudiciret die einem jüngern Creditori von dem Schuldener eingeräumte Possession eines Guths einem ältern Gläubiger, der seine Schuld eintragen lassen, nicht, sondern es wird dieser jenem dennoch vorgezogen.

Vierte Classe.

Von denen welche nebst dem Jure tacitae hypothecae ein Privilegium personale haben aber ihre Jura nicht eintragen lassen.

§. 75. Zur vierten Classe gehören diejenige welche nebst einem stillschweigenden Pfand ein Privilegium personale haben, aber ihre Jura nicht eintragen lassen, als:

§. 76. I. Wenn einer Geld zum Studiren hergegeben.

§. 77. II. Die Ehefrauen und derer Kinder, so viel das eingebrachte Ehe-Geld betrifft: und sind diese von Zeit der Verheyrathung allen und jeden des Ehemanns Gläubigern, welche nicht unter die vorhergehende Classen gehören, vorzusetzen; Desgleichen mit den Paraphernalien von Zeit des Einbringens. (de his vid. p. 302. §. 105.)

§. 78. III. Gleiches Vorrecht haben auch die Ehe-Frauen, wegen der, an statt des Ehe-Geldes, beständig verschriebenen jährlichen Zinsen, oder rechtmäßigen Leib-Gedinges zu geniessen:

Jedoch lieget der Ehe-Frauen oder deren Kinder ob, erweißlich beyzubringen, daß sie das gesetzte Ehe-Geld ihrem Ehemann würcklich und wahrhaftig eingebracht. Die würckliche Verwendung in des Mannes Güther und Nutzen, soll sie zu erweisen nicht gehalten seyn.

§. 79. Damit aber wegen des Beweises nicht Weitläuftigkeit entstehen möge, So ordnen und wollen Wir,


(517) Vierter Theil. Tit. IX.

daß künftig weder auf des Mannes blosse Quitung, noch auf der Frauen Juramentum suppletorium gesehen werden solle, sondern es muß alles dasjenige was eine Ehefrau ihrem Mann einbringet, allemahl in dem ordentlichen Gerichte des Ehemanns oder der Ehefrauen ausgezahlet, deshalb von dem Ehemann gerichtlich quitiret, auch dabey deutlich gesetzet werden, was er an Ehe-Geld, Paraphernal- und Receptien empfangen, worauf das hierüber zu haltende Protocoll in das Gerichts-Buch niedergeschrieben werden soll.

§. 80. Desgleichen wann durch Erb-Recesse, Schenckungen, und sonst, der Frauen noch etwas zufällt, müssen solche ordentlich in denen Gerichten vorgetragen, und derjenige, so das Geld ausgezahlet, von der Frau nebst dem Ehemann quitiret werden, auch ob solches der Mann als ein Eingebrachtes erhalten, oberwehntermassen mit registriret werden.

§. 81. IV. Alles was im vorhergehenden wegen der Frauen geordnet, solches soll auch bey adlichen Personen in Ansehung der Ritter-Güther statt haben: Wovon in Unserer Lehns-Constitution näher verordnet worden.

§. 82. Im übrigen soll auch V. was oben von der Frauen insgemein geordnet, bey den Juden-Weibern statt haben, wann sie in ihrer Ehe-Stiftung den Dotem exprimiret, und solcher in Gegenwart des Rabbi und zweyer Zeugen ausgezahlet worden.

§. 83. Eine Frau aber die VI. mit ihrem Mann Kaufmannschaft gehalten, und neben ihm einen offenen Laden, oder offene Marckt-Handelung, Wirthschaft oder Weinschanck zu ihrem eigenen Vortheil mit getrieben, und dem Mann nicht bloß zur Hand gegangen, und geholfen, hat diese Rechts-Wohlthat und Vorzug nicht zu geniessen.

§. 84. Hätte VII. eine Ehefrau die Güther ihres Mannes in dessen Abwesenheit eine geraume Zeit übel verwaltet, oder durch ihr böses Haushalten, da sie dem Manne

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(518) Vierter Theil. Tit. IX.

ungebührlich das Vermögen verschwendet und verprasset dem Mann zu seinen gefährlichen Aufborgen und Verderben mit geholfen, oder auch wohl gar denselben zum unnöthigen depensiren instigiret, oder vor sich übermäßigen Pracht getrieben, oder sonst ein mehreres, als die Interessen von ihren Illatis betragen, oder hauswirthlich entbehret werden können, verthan, und dergleichen von denen Creditoren mit Grunde auf sie gebracht würde; So soll dieselbe der verstatteten Rechts-Wohlthat und Vorzugs-Recht unwürdig, mit dem ihr sonst zustehenden Vorrecht zurückgesetzet, und alsdann erst, wann nach Befriedigung aller Creditoren noch etwas übrig ist, lociret werden.

§. 85. VII. So gebühret auch das Vorzugs-Recht allen der Frauen Erben in absteigender Linie in infinitum, keinesweges aber derer Eltern, oder seitwerts Verwandten.

§. 86. Ebener massen kann IX. dieses Vorzugs-Recht von der Frau und ihren Erben einem Fremden nicht abgetreten, oder cediret werden; Cedirte sie aber jemand ihr Recht quoad hypothecam consensu munitam, vel protocollo publico inscripta, oder auch hypothecam tacitam, ist solches zu recht beständig, und dem Cessionario deshalb locus competens anzuweisen.

§. 87. X. Diejenige so zu Erbauung eines neuen, oder erweislichen Besser- und Erhaltung eines Hauses, Schiffes, oder andern Guths hergeliehen, wann das Geld würcklich dazu angewandt; desgleichen alle diejenigen so zu Erbauung eines neuen, oder zu Reparirung eines alten Gebäudes oder Schiffes, die Materialien erweislich hergeben, als Steine, Holtz, Kalck, Fenster-Glas, Ofen, und dergleichen; haben den Vorzug ihres Darlehns halber, vor allen folgenden Classen, folglich auch vor denen Hypothecariis expressis & tacitis, etiam judicialiter confirmatis, wann solche nicht eingetragen worden.

§. 88. XI. Auf gleiche Weise gehöret auch hieher der Handwercker Arbeits-Lohn wann die angefertigte oder


(519) Vierter Theil. Tit. IX.

ausgebesserte Häuser und Schiffe noch würcklich vorhanden und brauchbar seyn.

§. 89. Damit aber der Beweis wegen des gethanen Vorschusses an Gelde oder Materialien, dem Gläubiger nicht zu schwer fallen möge, so soll der Gläubiger den geschehenen Bau, oder Refection, durch die Gerichte in Beyseyn des Schuldeners besichtigen, und nach Gelegenheit unter der Obligation, oder sonsten, von denenselben attestiren lassen: welches dann des Beweises halber vor zulänglich gehalten werden soll.

Welches auch also zu halten, wann jemand ein Guth, worinnen das Jus reluendi nach dieser Ordnung vorbehalten ist, kaufet, unterdessen aber nöthige Reparationes vornehmen muß.

§. 90. Damit auch die Handwercks-Leute diese Praerogativ nicht zum Nachtheil anderer Creditorum mißbrauchen möge, so soll dieselbe sich nicht in infinitum erstrecken, sondern nur auf einen zweyjährigen Nachstand, so vor dem entstandenen Concurs verfallen, gelten.

Wann also binnen zwey Jahren die hierunter interessirende Creditores durch gerichtliche Hypothequen, und deren Einschreibung auf Immobilia, oder durch würckliche Einlieferung des Unterpfands, sich binnen solcher Zeit nicht prospiciren, solchenfals sollen sie nach Ablauf der zwey Jahre inter chirographarios lociret werden.

§. 91. XII. Die unmündige und minderjährige, Soldaten, Kirchen, auch andere die in den Rechten mit diesen gleich geachtet werden, haben in denen erweislich mit ihren Gelde erkauften Güthern, Häusern und anderen liegenden Gründen, gleiches Vorzugs-Recht zu geniessen.

§. 92. XIII. Hätte auch jemand zu Erkaufung eines Hauses oder Guthes mit dem Beding Geld vorgeschossen, daß daß (!) erkaufte Guth ihm zum Unterpfand haften solle, solches aber nicht eintragen lassen, so wird derselbe mit sothanen Vorschuß hier angesetzet.

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(520) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 93. XIV. Der ein Haus, Acker, oder andern liegenden Grund, es sey Erb- oder Erben-Zins-Guth, oder ein ins Erbe versetztes Lehn verkauft, und wegen des nicht, oder nicht völlig bezahlten, sondern auf Tagezeit behandelten Kauf-Geldes, ihm das Eigenthum bis zur Zahlung an dem verkauften Stücke vorbehalten, solches aber in das Land-Buch nicht eintragen lassen.

§. 94. Schließlich gehören auch zu dieser Classe diejenige welche das Jus separationis haben: das ist, welche bitten daß das Vermögen ihres Debitoris von dem Vermögen des Successoris separiret werden möge, ihre Hypothec aber nicht haben eintragen lassen.

Es hat dieses Jus separationis nicht allein statt wann des Schuldeners Creditores bitten daß dessen Vermögen von denen Güthern des Successoris separirt werden möge, sondern auch alsdann, wann des Successoris Creditores die Absonderung ihres Debitoris Güther von dem Vermögen des Antecessoris suchen.

Es höret aber diese aus dem Jure separationis herrührende Praeferentz auf 1) wann dieses Beneficium in 3 Jahren nicht gesucht wird, 2) wann eine neue Obligation-Wechsel (et)c. von denen Schuldenern angenommen wird, (nicht aber wann bloß die Zinsen von denen neuen Gläubigern bezahlt worden, es wäre dann daß ausdrücklich beygefügt werde daß solches animo novandi geschehe,) 3) wann das Vermögen des Antecessoris & Successoris dergestalt vermischt und confundirt seyn daß es nicht mehr unterschieden werden kann.

§. 95. Alle in dieser Classe angesetzte Creditores folgen einander nach der Zeit, so daß der ältere dem andern vorgehet.


(521) Vierter Theil. Tit. IX.

Fünfte Classe.

Von denen welche eine gerichtliche oder stillschweigende Hypothec erhalten, solche aber weder eintragen lassen, noch ein Privilegium personale haben.

§. 96. Zur fünften Classe gehören alle Creditores welche entweder eine gerichtliche, oder stillschweigende Hypothec auf ein Grund-Stück erhalten, aber solche weder eintragen lassen, noch ein Privilegium personale haben, und auf folgende Weise zu lociren und anzusetzen seyn.

§. 97. I. Diejenigen welche ihnen eine Hypothec gerichtlich constituiren lassen, gehen allen andern welche ein stillschweigend Pfand haben, oder welchen ausser Gericht privatim eine Hypothec verschrieben worden, ihr Recht aber in das Land-Buch vorhin nicht einschreiben lassen, oder kein Privilegium personale haben, in denen verpfandeten Güthern vor, und werden unter sich nach der Zeit der gerichtlichen Versiegelung lociret.

§. 98. Wann jemand sich neben der General-Hypothec auch eine Special-Hypothec auf ein Guth gerichtlich bestellen lassen, ist er zuforderst auf diese zu verweisen und zu lociren; Im Fall er aber daselbst seine Zahlung nicht erhielte, kann er sich an der gerichtlichen General-Hypothec erholen.

Jedoch hat solches nur alsdann statt, wann der Gläubiger nicht bey der Pfand-Verschreibung bedungen, daß die allgemeine Verpfändung der Güther der specialen, und diese jener, nicht praejudiciren soll.

§. 99. Wann der Gläubiger einem jüngern gerichtlichen Hypothecario das verpfändete Guth einräumet, kann solches dem ältern gerichtlichen Hypothecario nicht praejudiciren. Es wäre dann daß der jüngere seine Hypothec eher als der ältere in das Land-Buch eintragen lassen.

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(522) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 100. Wann jemand allein eine gerichtliche Special-Hypothec hat, aber seine Bezahlung daraus nicht erlanget hätte, kann er zwar aus dem gemeinen Vermögen den Abgang suchen; einem andern aber ist er in dem Stück, welches diesem entweder generaliter oder specialiter gerichtlich verschrieben gewesen, nicht zu praeferiren.

§. 101. Wie dann auch derjenige, der eine General-Hypothec auf nomina activa erhalten, dadurch kein Praeferentz erhält. Es wäre denn daß ihm die Handschrift originaliter eingeliefert, oder zu seiner Sicherheit in das Gericht oder bey einem dritten niedergelegt worden.

§. 102. Diesen gerichtlichen Hypothequen folgen diejenige, welche nach Anleitung der Rechte in des Schuldeners Güthern ein stillschweigendes Unterpfand erhalten, solches aber nicht eintragen lassen, und gehen diese stillschweigende Hypothequen eine der andern nach der Zeit erlangten Rechts vor oder nach.

Dergleichen Tacitam Hypothecam haben 1) die Pupillen und Minderjährige (et)c. Wann nemlich die Gerichte derer Unmündigen ihre väterliche und mütterliche Erbtheile (et)c. nicht in das Hypothequen-Buch einschreiben lassen, oder ohne diese Praecaution den Vormund in die Hände geben.

Item, wann die Vormünder die Vormundschaft nicht eingtragen lassen, oder bey Auslehnung der Pupillen-Gelder diese Praecaution nicht gebrauchen, oder sonst übel administriren; so haben die Unmündige in allen des Vormundes Güthern wegen der Vormundschaft ein stillschweigendes Pfand, jedoch ohne Vorzugs-Recht vor denen gerichtlichen Hypothequen; und seyn demnach solche Unmündige und Minderjährige, item prodigi, muti & surdi, absentes, furiosi, auf der Vormünder und Curatoren Güther in dieser Classe zu lociren.

§. 103. Gleiches Recht stehet auch 2) denen Kindern in der Mütter und Groß-Mütter Vermögen zu, wenn


(523) Vierter Theil. Tit. IX.

selbige die Vormundschaft über sich nehmen und verwalten. Hätten auch diese, ehe sie die Kinder mit andern Vormündern versehen lassen, und Rechnung ihrer Administration abgeleget, sich anderweits verehliget, haften des neuen Ehe-Manns Güther, sowohl als der Mutter eigene, denen Kindern zu ihrer völligen Befriedigung zum Unterpfande.

§. 104. In bonis litis Curatoris, so denen Weibern gesetzet werden, hat 3) keine Hypotheca Tacita statt.

§. 105. Die Frauen haben 4) wegen ihrer Receptien und Gegen-Vermächtniß, auch Morgen-Gabe, wenn dieserwegen sie keine bessere rechtliche Versicherung erlanget, gleichfalls Hypothecam tacitam, und zwar nach der Zeit da der Mann solche administriret.

§. 106. So competiret dergleichen Hypothec auch 5) denen Kindern wegen ihres Mutter-Guths, Pathen-Geldes, und andern Güthern so Adventitia genennet werden, in des Vatern Vermögen, wenn selbige nicht würcklich mehr darin vorhanden, sondern consumiret seyn. §. 107. Ferner und 6) stehet sothane Hypothec denen Kirchen, Schulen, Stipendiaten, Hospitalien, Städten und Gemeinen, in den Güthern ihrer Vorsteher und Administratoren zu, bey deren Bestellung diejenige so sie anzuordnen befugt sind, auf ihres Vermögens Zustand wohl Acht zu haben, und aus dem Hypothequen-Buch deshalb Erkundigung einzuziehen, und insonderheit bey denen Cämmereyen, zu Bestellung gnugsamer Caution die Bediente anzuhalten; Massen widrigenfalls, und da wegen der Caution-Bestellung etwas versäumet, und der Stadt und Cämmerey Schaden zugefüget würde, die Magistrats-Personen und andere so dergleichen Caution zu erfordern haben, ex propriis solchen ersetzen, und dafür haften sollen.

§. 108. Und erstrecket sich auch 7) diese stillschweigende Hypothec auf aller derer Güther, welche denen


(524) Vierter Theil. Tit. IX.

Kirchen, Schulen, Stipendiaten, und Hospitallen auch Städten und Gemeinen ex contractu schuldig seyn, insonderheit wenn der Patronus der Kirchen derselben schuldig worden, von der Zeit an da er das Jus Patronatus erlanget.

§. 109. Desgleichen hat 8) ein jeder Herr dergleichen Hypothec in dem Vermögen und Güthern seiner Bedienten, Einnehmer, Verwalter oder anderer, welche Guth oder Geld zu verwalten und zu bezahlen haben: auch die Creditores so den Woll-Fabricanten und Arbeitern an Wolle oder Geld zu ihrer Manufactur Vorschuß gethan, vermöge Unsers Edicts vom 20ten Sept. 1719. hiebey Lit. D. gedrucket.

§. 110. Unser Fiscus hat eine Hypothecam tacitam wegen verwürckter und wider den Schuldener erkannter Strafe von Zeit der Erkänntniß, im Fall die Strafe nicht auf gäntzliche Confiscation der Güther gehet. Wäre aber dieses, so ist Fiscus erst nach dem alle, auch chirographische Schulden befriediget, in den übrigen Rest des condemnirten Vermögen zu setzen.

§. 111. Was 10) ein Pächter oder Miethsmann von seiner eigenen fahrenden Haab in das gepachtete Guth, Haus, Hoff, Gemach, Keller oder Gewölbe gebracht, darauf hat der Vermiether sowohl für den Schaden so ihm durch den Miethsmann zugefüget wird, als Pacht- und Mieths-Geld, und an denen aus solchen Contract fliessenden Praestandis, tacitam hypothecam, wenn er sich schon anderwerts durch ausdrückliche Verpfändung mehrere Versicheurng geben lassen.

§. 112. Derjenige dem 11) in einem letzten Willen eine gewisse Summe vermachet, hat deshalb Jus tacitae hypothecae auf der ganzen Erbschaft, und kann seins Befriedigung von jedem Erben pro rata suchen; der stillschweigenden Hypothec aber sich darinn erst zu gebrauchen, wenn alle auf der Erbschaft haftende Schulden bezahlet seyn.


(525) Vierter Theil. Tit. IX.

Wofern ihm ein gewisses Stück legiret, oder vermachet, stehet ihm gleiches Recht gegen dessen Besitzer zu.

§. 113. Wann 12) bey entstandenen Concurs der Debitor wegen seiner Schuld-Foderung, so durch eine Hypothec versichert gewesen, sich vergleichet, und seinem Creditori eine neue Verschreibung ausstellet, nachhero aber wiederum fallit wird, so stehet dem Creditori frey sich wieder an sein voriges Unterpfand zu halten.

Wann also die vorige Schuld-Foderung eingetragen und in dem Hypothequen-Buch nicht gelöscht worden, tritt der Creditor in das vorige Recht, und gehet allen nachher eingetragenen Hypothequen vor, wann schon eine Novatio durch den Vergleich geschehen.

Gleiche Bewandniß hat es, wann die alte Hypothec nicht eingetragen gewesen, jedoch ein personale Privilegium hat; oder wann eine gerichtliche Hypothec vorhin constituiret gewesen. Es wäre dann daß eine Novatio ohne Vorbehalt der vorigen Hypothec geschehen.

§. 114. Wann 13) ein Bürge zu Zahlung einer Schuld, wofür der Principal keine ausdrückliche Hypothec constituiret, vertheilet, dabey aber der Regress gegen den Principal(-)Schuldner vorbehalten wird, der Bürge auch darauf Zahlung gethan; Soll solche Reservation ihm statt eines stillschweigenden Unterpfandes gelten.

§. 115. Ferner und 14) sollen gleichen denen so ein stillschweigendes Unterpfand haben geachtet, und mit denenselben in dieser Classe angesetzet werden, die aus klaren Briefen und Siegel, welche vermöge der Rechte Paratam Executionem haben, würckliche Einweisung und Immission erlangen; nicht aber diejenige welche ein blosses Judicatum erstritten, oder dem zu gut die Execution und Immission zwar angeordnet gewesen, aber nicht vollzogen worden; sondern diese Tacita Hypotheca soll erst von Zeit würcklich geschehener Immission ihren Anfang nehmen. Es ist aber die Immissio pro realiter facta zu halten,


(526) Vierter Theil. Tit. IX.

wann der Debitor declariret daß er den Creditore pro Immisso halte.

§. 116. Derjenige so 15) eines entwichenen Schuldners Güther, die er zum Nachtheil der Creditoren wegzubringen getrachtet, oder anderswo verborgen gehalten, entdecket, und mit Arrest zum Besten gemeiner Creditoren beleget, angehalten, oder wieder beygebracht, oder auch den flüchtigen Schuldner selbst aufgesuchet und arrestiren lassen, soll allen Gläubigern, die mit ihm gleiches Recht haben, vorgezogen und vor denselben befriediget werden.

§. 117. Wann 16) jemand so mit Immobilibus angesessen, dieserwegen von Bestellung andrer Caution befreyt worden, so erhält derjenige welcher die Caution gefodert von der Zeit des Decreti ein jus tacitae hypothecae in des Gegentheils Güther. Vid. P. 3. Tit. 17. §. 8.

Sechste Classe.

Von denen Creditoren welche ohne Hypothec blos personaliter privilegiret seyn.

§. 118. Zu der sechsten Classe gehören diejenige, welche ohne Hypothec personaliter privilegiret seyn, oder sonst ein Vorrecht haben vor andern Gläubigern so nur aus blossen Handscheinen fodern: Als

1) Die bey dem Schuldner freywillig etwas in Verwahrung zu treuer Hand niedergeleget, oder demselben zu gebrauchen geliehen oder vergönnet, das Deponirte aber, oder zum Gebrauch geliehene, oder vergönnete, nicht mehr vorhanden.

Wären aber sogleich bey dem deponirten Gelde, im Fall es gebraucht würde, Zinsen stipuliret, so hatten sie die Wiedererstattung unter den blossen Chirographariis zu suchen.


(527) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 119. 2) Gleiche Bewandniß hat es mit denen übrigen Creditoren welche ihr Eigenthum zurücke fodern, wann solches nicht mehr vorhanden ist; und werden nur die Eh-Frauen wegen ihrer Dotal- und Paraphernal- auch Receptien(-)Gelder ausgenommen, als welche wegen ihrer mit einem Privilegio personali verknüpften stillschweigenden Hypothec zur vierten Classe gehören. (Vid. supr. §. 76. seq.)

§. 120. 3) Die, welche zu Erkaufung eines Hauses oder Guths Geld geliehen, und ihnen keine gerichtliche Hypothec constituiren lassen, ingleichen der Verkäufer eines solchen unbeweglichen Guths, wegen des Nachstandes seines Kauf-Pretii, wann er mit keiner gerichtlichen Hypothec versehen.

§. 121. 4) Ferner die ohne Zinsen Geld geliehen, wenn sie ihnen auf keine andere Weise wegen eines Juris realis prospiciret; auf welchem Fall dieselbe sonst auf gleiche Weise, als der sub hypotheca in re emenda Geld zum Kauf geliehen gehörigen Orts zu praeferiren.

§. 122. Aliment-Sachen, so aus Testamenten oder Contracten herrühren, und nicht Kirchen, Schulen und Hospitaeler betreffen; Sie gehören andern piis causis, und seyn ad pios usus destiniret, oder nicht.

§. 123. 6) Die auf sich selbst gegebene Wechsel-Briefe, mit oder ohne Hypothec des Vermögens, als worunter nach Anleitung Unsers Churmärckischen Wechsel-Rechts Art. 37 kein Unterscheid zu machen.

§. 124. 7) Eine Braut, so ihrem Bräutigam vor Vollziehung der Hochzeit zu Bezahlung seiner Schulden, Fortsetzung seiner Nahrung, und dergleichen, Gelder voraus bezahlet, und darüber keine Verschreibung nimmt.

§. 125. 8) Ferner diejenigen, welche einem Possessori eines Land-Guths zu Verbesserung des Inventarii Schafe und ander Vieh verkauft, und nicht bezahlet bekommen; oder zu Ankaufung des Inventarii Geld vorgeschossen, wann das erkaufte Inventarium noch vorhanden.


(528) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 126. 9) Doctores, Apothecker und Chirurgi, wegen des Sostri und Artzeneyen, welche ausser der letzten Kranckheit vor den Defunctum, und dessen Frau und Kinder, gehohlt worden: item Advocaten, Notarien, ingleichen die Exercitien-Meister so in Reuten, Tantzen, Fechten, Sprachen, Zeichnen, und dergleichen informiret, ihrer verdienter Bezahlung halber, ferner das Lehrgeld so bey Handwerckern verdienet ist.

NB. Diese Creditores haben die Praeferentz blos von denen beyden letzten Jahren.

§. 127. 10) Diejenige welche ein Jus separationis haben, wann das bewegliche Vermögen des Defuncti und derer Erben dergestalt vermischt ist, daß man nicht wissen kan was dem Defuncto zugehört habe. (Vid. supr. §. 52.)

§. 128. Alle in dieser Classe benannte Creditores müssen, wann des Schuldners Vermögen nicht hinreichet, ohne Unterscheid der Zeit ihres erlangten Rechts, zusammen treten, und nach Proportion ihre Forderung sich in dasjenige, was nach denen in vorigen Classen stehenden Gläubigern übrig bleibet, theilen.

Siebende Classe.

Von denen Privat-Hypothequen.

§. 129. Zu der siebenden Classe gehören alle Privat-Hypothequen, welche weder eingetragen, noch gerichtlich constituiret seyn, noch ein Privilegium personale haben, nach der Zeit der Verschreibung.

§. 130. Worunter auch die wiederkäufliche annui reditus, Zinsen, und Renthen gehören, welche auf einen Grund-Stücke haften, und nicht eingetragen worden.


(529) Vierter Theil. Tit. IX.

Achte Classe.

Von denen Chirographariis und andern schlechten Creditoren.

§. 131. Nach diesen Hypothecariis folgen die Chirographarii simplices, welche weder ein Jus reale, noch sonst einiges Privilegium haben.

§. 132. Nicht weniger Kram-Waaren und Buch-Schulden.

§. 133. Auch Arbeits-Lohn der Arbeiter, welche nicht bey einem gantzen Bau, oder nothwendiger Reparation, verdienet.

§. 134. Item die gar keine Hand-Schriften, oder Handels-Bücher haben; sondern allein durch Zeugen, oder Eydes-Delation ihre Forderung beweisen wollen.

§. 135. Hierunter gehören auch die Medicinal-Kosten, welche nicht in der letzten Kranckheit des Verstorbenen, auch nicht in denen beyden letzten Jahren vor dessen Absterben verwandt worden: Vid. §. 54. & §. 124.

§. 136. Wie denn auch der rückständige Lohn derer Dienstbothen, ausser den beyden vor den Concurs verflossenen letzten Jahren.

§. 137. Nicht weniger die Onera welche oben §. 60. specificiret, und welche ausser denen beyden letzten Jahren aufgeschwollen seyn.

§. 138. Und endlich wann von deponirten Geldern Zinsen gehoben werden.

§. 139. Alle diese concurrirende Creditores gehen ohne Unterscheid der Zeit nach Proportion ihrer Forderung in tributum.

§. 140. Auf gleiche Weise als vorstehet, ist mit Citation und Classification der Creditoren zu verfahren, wann selbige auf Anhalten eines Käufers, der durch freywilligen Kauf, oder auch bey erfolgter Execution, ohne das

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(530) Vierter Theil. Tit. IX.

Concursus eröfnet, ein Stück Guths an sich gebracht, im Fall sich derer Creditoren im Hypothequen-Buch so viel finden oder meldeten, daß das Kauf-Pretium denenselben zur Befriedigung nicht hinreichte.

Wann das Kauff-Pretium zur Befriedigung derer Creditoren zureichet, darf es aller Umstände so bey Justification derer Foderungen, und daß ein Creditor oder Debitor darüber gegen den andern zu hören, und Creditores nach der Erstigkeit und Vorzug recht zu lociren, nicht: Sondern es soll in ipso termino eine Praeclusiv-Sententz so fort publicirt und erkannt werden, ad Acta sich angegebene Creditores aus dem Kauf-Geld von dem Käufer zu befriedigen:

Falsa auf geschehene Citation, (welche bey freywilligem Verkauf, um sich etwa von ausser gerichtlichen Schulden ausser Gefahr zu setzen, ein Käufer erhalten) sich kein Creditor gemeldet, ist gleichfals in termino ein Praeclusiv-Bescheid so fort zu ertheilen.

§. 141. Wenn nun auf solche Weise die Sententz so bald nur immer möglich abgefasset, soll so fort, ohne daß jemand darüber anhalte, mit der Publication verfahren werden.

§. 142. Solte wieder das Urthel ein und mehrere Creditores, als gravirt, Remedia suchen; so soll denenselben, wann die causa appellabilis ist, deferirt werden.

§. 143. Auf eingewante Appellation soll (wie bey andern Sachen,) einem jeden der vorhin nicht in lite gewesen, pro suo interesse in secunda instantia zu interveniren frey stehen; auch denen die vor der Prioritaet-Sententz nicht liquidiret zugelassen seyn in der Appellations-Instantz ihre Liquidationes, nebst dazu gehörigen Documentis, annoch ad Acta zu bringen, und ihrer Forderung halber locum competentem bey dem erfolgenden Urthel zu erwarten.

§. 144. Es soll ein solcher Liquidant in Zeit von 10 Tagen nach publicirten Urthel solche Intervention, bey


(531) Vierter Theil. Tit. IX.

Straffe der Praeclusion, mit seiner Liquidation und copeylichen Documentis übergeben, und, mit deren Communication, den communem Contradictorem, und alle Creditores, denen er mit seinen Forderungen vorzugeben vermeynet, durch ein Patent ad Domum citiren lassen, und mit denselben so viel ihrer nebst dem Contradictore erscheinen, in einem anzuberaumendem Termino peremptorio, nach vorheriger Production der Original-Documenten, usque ad duplicam verfahren.

§. 145. So viel auch diejenigen betrifft, denen in der Prioritaets-Sententz die Ablegung eines Eydes, Bescheinigung, oder Beweis ihrer Forderung auferleget, haben die erste, im Fall sie von der Sententz nicht appelliren, innerhalb 14 Tagen a die judicati vid. p. 296. §. 12. terminum zu Leistung des Eydes auszubringen, und den Curatorem, daß er sehe wie geschworen werde, dazu citiren zu lassen; Wie denn auch der auferlegte Beweiß oder Bescheinigung innerhalb 14 Tagen, gleichfals a die judicati vid. p. 236. §. 2. anzurechnen, ohnfehlbar anzutreten, und wie jedes Orts hergebracht, auszuführen.

§. 146. Es sollen aber gesamte Creditores weder hierdurch, noch durch eines Appellation aufgehalten, sondern nach dem Quanto, was ihnen in der Prioritaet-Urthel zuerkannt, so weit das Urtheil Rechts-kräftig worden, und das Vermögen in der Ordnung zureichet, bezahlet werden, und, nach Abzug dessen so an Unsere Cassen, nach Anleitung Unsers Edicts von Depositionen der Gelder, nur so viel zu zahlen zurück bleiben, als die Forderung der Appellanten und derer Creditoren, die nach der Sententz noch etwas zu praestiren haben, austräget.

§. 147. Zu dem Ende hat Curator, nach eröfnetem Prioritaet-Urthel, seine Rechnung sofort zu schliessen, dieselbe so einzurichten, daß er in der Einnahme führe was er vermöge des Inventarii bekommen, was an ausstehenden Schulden vermöge der Adjudicationen aus denen

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(532) Vierter Theil. Tit. IX.

vermietheten Immobilien und Pretiosis, und nach Anweisung des Auctions-Protocolls, aus denen veräusseren Mobilien oder Waaren; nicht weniger, wann von den deponirten Geldern etwas angeliehen, an Interessen einkommen sollen, und darauf würcklich eingekommen.

In Ausgabe hat er zu bringen, was auf den Concurs-Process, auch geführte Klagen und Processe mit andern Debitoren aufgegangen, die Auctions-Kosten, dergleichen was an Oneribus publicis, bis die Güther und liegende Gründe verkaufft, und darnach an Deposition-Geldern abgetragen werden müssen; Was auf Verordnung des Gerichts, als Eigenthum, an andere aus dem Nachlaß des Vermögen des Schuldeners abgefolget; Auch was vor Activ-Schulden durch Gegen-Rechnung, oder sonst, abgegangen, und solche von der Einnahme abgezogen, auf den baaren Bestand zu schliessen, auch was an Schulden noch ausstehe, und an Mobilien. so nicht verkaufft werden können, annoch vorhanden; Als worinn sich Curator nach dem bey Unserer Vormundschaffts-Ordnung vorhandenen Formular der Vormundschaffts-Rechnung mit richten kann.

§. 148. Solche Rechnung muß er samt den Belegen, innerhalb 14 Tagen nach publicirter Sententz dem Gericht übergeben, und dabey eine Commission zur Distribution derer Gelder ausbitten, da dann der Commissarius mit Zuziehung des Contradictoris das Distributions-Urthel abfassen, und wie andre Urthel publiciren; die Auszahlung der Gelder aber gegen Herausgebung der General-Obligationen und Quittung gerichtlich geschehen soll.

Wann appelliret, und die vorstehende Creditores vor Austrag der appellirten Puncten die Gelder ex deposito verlangen, müssen Creditores in einem kurtzen Termino darüber gehört, erkannt, und kein Remedium dargegen verstattet werden.


(533) Vierter Theil. Tit. IX.

Es soll aber kein Geld als gegen zureichende Caution abgefolget werden, worbey der Empfänger sich reversiren muß, daß er nach vorhergehender vierwöchentlicher gerichtlicher Anzeige das empfangene Geld, nebst Zinsen wieder zurück geben, und sich mit allen etwa zu habenden Exceptionen ad separatum verweisen lassen, folglich nach Verlauff der 4 Wochen sich der Landreuterlichen Execution unterwerffen wolle: wann er diese in solidum caviren, und dem beneficio ordinis renunciren: da dann dem Contradictori frey stehet die Execution gegen den Bürgen zu suchen.

§. 149. Die übergebene Rechnung aber ist ad acta zu nehmen, und solches denen Creditoren zu notificiren, mit Befehl selbige nachsehen, und, fals habenden Einwendens, dasselbe in einem anzusetzenden Termino anzuzeigen, oder zu gewarten, daß alsdann die Rechnung als richtig angenommen werde. Der Curator aber hat in solchem Termino seine Rechnung in Einnahme und Ausgabe, es erscheinen Creditores oder nicht, gehörig zu justificiren.

§. 150. Insbesondere sind gegen solchen Terminum mit vorzuladen diejenigen Creditoren so noch im Process bleiben, und alsdann sich ad Protocollum zu erklären haben, wie sie vermeynen daß das Geld, so ihrentwegen ausgesetzet ist, und in Deposito lieget, bis zum Ends des Process zinsbar ausgethan werden könne; da dann ferner, nach Inhalt Unsers Edicts von Depostionen, bis zu Austrag der Sache zu verfahren.

§. 151. Nach geendigter Appellations-Instantz muß der Curator die Creditores, so aus der Baarschaft ihre Befriedigung nicht erhalten, vorladen lassen, daß Sie die etwan noch ausstehende Schulden, wann selbige, alles angewendeten Fleisses ungeachtet, nicht beygetrieben werden können, nicht weniger die Mobilien so nicht verkauft werden mögen, zu ihrer Abfindung dergestalt

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(534) Vierter Theil. Tit. IX.

annehmen, daß der erst vorstehende unbezahlte Creditor daraus zu seiner Bezahlung was ihm anständig, so viel seine Forderung austrägt, und wenn es Mobilien, nach der Taxe, welche Curator vor dem Termino durch verpflichtete Taxatoren machen lassen, erwählen, und so ferner die folgenden verfahren, oder sich untereinander vergleichen mögen.

§. 152. Solchemnach ist der Curator über seine Administration völlig zu quitiren, und seiner über sich gehabten Curatel zu erlassen, wie solches geschehen in ein Protocollum zu bringen, und solches ad acta zu legen, auch, wenn in desselben Gerichts-Hypothequen-Buch angezeichnet was der Curator bey seiner Bestellung an Güthern empfangen, darbey zu bemercken, daß solches gäntzlich abgethan sey; Wann aber die Einzeichnung, wie vorstehet, verfahren, und dergestalt der Concurs-Process geendiget, der Curator auch ausser allen Anspruch, und der Opinion als ob seine Güther dieserhalb noch verhaftet, gesetzet werde.

§. 153. Schließlich verstehet sich von selbsten, daß weder die Advocaten noch der Curator oder Contradictor etwas an Gebühren fodern könne, ehe und bevor der gantze Concurs-Process ein Ende hat: Und muß damit wie Part. 1. Tit. 13. §. 4. versehen, verfahren, und von denen Referenten genau Achtung gegeben werden, ob einer oder der andere den Concurs-Process unnöthiger Weise protrahiret, oder sonst wider diese Ordnung gehandelt habe. In welchem Fall die liquidirte und sonst vorgeschossene Gebühren der Sportul-Casse zuerkant, und die Schuldige überdem nachdrücklich bestrafft werden sollen.

§. 154. Im Fall der Curator einige Auslagen zu thun hätte, müssen ihm solche, wann das Gericht solches nöthig findet, aus der Sportul-Casse gegen dessen Quitung vorgeschossen, und hiernechst von denen, welche dieselbe zu erstatten schuldig, wieder abgefordert werden.


(535) Vierter Theil. Tit. IX.

Sectio III.

Wie gegen einen vorsetzlichen und betrüglichen Banqueroutirer zu verfahren.

§. 155. Nachdem eine Zeithero in Unserm Königreich und Landen verschiedene Banquerouts entstanden, welches vornemlich daher gekommen, daß die Fallitten üppig gelebet, und mehr als sie erwerben können, verzehret, grosse Häuser gebauet, kostbare Gärten sich zugelegt, ihre Familie über ihren Stand mit Kleidung unterhalten, und en general mehr als sie in Vermögen gehabt an Geld und Waaren aufgeborget; So dann öfters ausgetreten, und dadurch ihren Nächsten unverschuldet in Schaden, und wohl gar in Ruin, und die Commercia, so von Unsern Unterthanen getrieben worden, in übeln Ruf gesetzet (et)c. so haben Wir nöthig gefunden solchen boshafften Unternehmen, dadurch der Credit, mithin Handel und Wandel geschwächet, und frevelhafter Weise niedergeleget, auch ehrliche Leute gottloser und diebischer Weise betrogen, und um ihre zeitliche Habseligkeit gebracht werden, mit Nachdruck zu steuren: Zu dem Ende ordnen und wollen Wir

§. 156. Zum ersten, daß niemand der in Unsern Landen gesessen, oder sich darinn enthielte, wer er auch sey, mehr als er bezahlen kann, aufborgen solle: da sich befünde, daß sich jemand dessen boshaftig unternommen, durch Ueppigkeit, überflüßiges Bauen, unnöthige Depenses, übel geführte Menages, oder andere einem ehrliebenden, verständigen, und fleißigen Hauswirth nicht anständige Wege, folglich durch sein Verschulden, sich in Abgang seines Vermögens, mithin dadurch Creditores betrogen, und in Schaden gebracht, so soll wieder den, oder dieselbe, ohne Unterscheid der Personen und Standes, nicht nur nach Schärfe der Rechte, und, wann es Wechsel betrifft, nach Inhalt Unser Wechsel-Betrug, als

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(536) ein Dieb und Falsarius angesehen, auch ohne weitere Sententiam Declaratoriam vor unehrlich gehalten, seiner etwa habenden Aemter oder Innungen verlustig, auch hinkünftig derselben auf ewig unfähig seyn.

§. 157. Wobey Wir Uns zweytens ausdrücklich vorbehalten, nach Beschaffenheit der Umstände, und der Grösse des Banquerouts, dergleichen Betrüger als einen Dieb und Spitzbuben zum Pranger, ewigen Gefängniß oder Festungs-Arbeit, auch wohl gar mit Staupenschlägen, Landes verweisen, oder wann das Verbrechen gar enorm, mit dem Strange vom Leben zum Tode bringen zu lassen.

§. 158. Dahero dann drittens, so bald ein Concurs eröfnet worden, jederzeit einem fiscalischen Bedienten anbefohlen worden soll, in Termino zu vigiliren. Vid. supra §. 11.

§. 159. Wann derselbe viertens bey der Verification der Schulden wahrnimmt, daß der Fallite betrüglich gehandelt, muß er alle vorkommende betrügliche Umstände notiren, und wann die Liquidation geschlossen, seine Anmerkungen dem Gericht übergeben, und Verhaltungs-Befehl ausbitten, ob er den Falliten zur Special-Inquisition anhalten solle.

Wann das Gericht die Indicia zur Special-Inquisition zulänglich findet, so soll dem Falliten niemahls defensio pro avertenda inquisitione verstattet werden.

Wie denn auch die Acta Criminalis nicht bis zum Ende des Concurs ausgesetzet, vielweniger mit der Actione Civili confundiret werden soll. Dahero denn auch diese Criminal-Sache, wann Judex Concursus keine Criminal(-)Jurisdiction hat, vor denen Criminal(-)Gerichten fortgesetzet werden soll.

§. 160. Da aber fünftens ein solcher betrüglicher Schuldener flüchtig würde, und austrete, so soll Unser Cammer-Gericht, Judicia, und Gerichte jedes Orts, worunter der Entlauffene gesessen, sofort dessen Bücher,


(537) Vierter Theil. Tit. IX.

Briefschafften und Effecte in genaue Verwahrung nehmen, was an andern Orten sich findet mit Arrest belegen, das gantze Vermögen in ein richtiges Inventarium bringen, zugleich durch ein öffentliches Proclama den Schuldener ein für allemahl citiren, und er erscheine sodann oder nicht, einem jeden zu dem, so ihm zukommen kann, vermittelst Distraction, oder wie es sonst am füglichsten geschehen kann, ohne weitläuftigen Process zu verhelffen. Wobey es auch, wenn gleich der Debitor sich nach Ablauff des Termini wieder einfinde, sein unveränderliches Verbleiben haben, und derselbe was solchergestalt einmahl gerichtlich verordnet, auch unter dem Praetext daß er über die Helfte verletzet, oder der Process nichtig sey, anzufechten, keinen Fug oder Macht haben, sondern damit ohne fernere Untersuchung gleich abgewiesen werden soll.

§. 161. Darneben soll sechstens wieder einen solchen Flüchtigen, so bald sich zeiget, daß hinterlassene Vermögen zu Bezahlung der Schulden nicht zureichet, criminaliter verfahren, und derselbe nicht allein von Zeit des Austrits vor infam gehalten, und an statt der Sententiae declaratoriae sein Nahme an den Galgen geschlagen, sondern auch ferner gegen ihn als einen offenbaren Dieb der Process fortgeführet, und wann er sich auf beschehene Citation, so in Loco delicti zu affigiren ist, nicht gestellet, die Strafe so er verdienet, erkannt, und allenfals an dessen Bildniß exequiret, und wie solches geschehen in die öffentliche Zeitungen gesetzet, auch sonsten überall, da es nöthig gefunden wird, bekandt gemachet werden.

§. 162. Damit aber siebendens, wann möglich, ein solcher entwichener Dieb zur Haft gebracht, und andern zum Exempel oder Abscheu mit der verwürckten Leibes-Strafe beleget werde. So geben Wir hiermit einen jeden dessen Gläubiger freye Macht und Gewalt, denselben wo er ihn findet anzuhalten, und gefangen nehmen zu lassen; Zu welchem Ende die Gerichte jedes Orts, unter welchen der entlaufene Banqueroutirer, wann er zugegen

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(538) Vierter Theil. Tit. IX.

wäre, belanget werden könnte, sofort denen Creditoribus samt oder sonders offene Patente und Steckbriefe ohnentgeldlich mittheilen, Unser Cammer-Gericht, Judicia, Beamte, und andere Gerichts-Obrigkeiten aber in Unsern Landen, wann der Ausgetretene unter ihrer Jurisdiction angetroffen wird, auf beschehenes Anmelden, und vorgedachten Steckbrief, sich dessen so fort bemächtigen, und ihn verwahrlich behalten, auch solches an die Gerichte, da der Process formiret wird, berichten müssen, welche denn zur Abholung unverzügliche Anstalt zu machen haben.

§. 163. Solten auch achtens Unsere Judicia oder Beamte, oder andere Obrigkeit und Gerichts-Personen, hierinnen säumig, oder nachläßig, oder, welches Wir gar nicht vermuthen wollen, eine Collusion bey ihnen befunden werden, und darüber vor oder nach der Haft der Delinquente entkommen; So stehet denen Creditoribus frey an denen auf welche die Schuld fället, behörigen Orts die gebührende Satisfaction zu suchen; Und wollen Wir, befehlen auch hiermit in Gnaden, doch ernstlich, daß ihnen hierin schleunige und unpartheyische Justitz, ohne Ansehung der Personen und Standes, und ohne Verstattung einiger Ausflucht und Ausschweife, administriret werde.

§. 164. Darneben soll auch neuntens, wieder solche Gerichte, Beamte, Obrigkeit, oder Gerichts-Personen, die den flüchtigen Banqueroutirer solchergestalt echapiren lassen, so wohl auch wieder diejenige, so dazu mit Rath oder That behülflich gewesen, Unser Fiscus jedes Orts sein Amt thun, und Inquisitorie verfahren; oder da die Schuld der Gerichte notorisch ist, auf solche Strafe die in denen Rechten auf diejenige gesetzet, die einen gefangenen Delinquenten nicht gehörig verwahren, oder ihn gar forthelfen lassen, antragen, und darüber nach geführter Defension rechtlich erkennen lassen, da denn, was Urthel und Recht mit sich bringet, ohnverzüglich ohne einige Begnadigung exequiret werden soll.


(539) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 165. Nicht weniger setzen und ordnen Wir, zehentens, hiermit und Krafts dieses Unsers Edicts, daß diejenigen, so von einem obseyenden Fallimente zuverläßige Nachricht haben, solches in Zeiten in den Gerichten jedes Orts gebührend anzeigen; Wiedrigenfals aber, nach Beschaffenheit der Sache, mit proportionirlicher Geld- auch wohl Leibes-Strafe beleget; diejenigen aber so den Austritt wissen, und es nicht in Zeiten gerichtlich melden, oder Rath dazu geben, oder sonst behülflich seyn, denen so Diebstähle verheelen, oder deren sich auf einige Weise theilhaftig machen, gleich geachtet, und solchergestalt bestrafet werden sollen.

§. 166. Da auch, elftens, die Erfahrung gezeiget, daß solche diebische Schuldner, wenn sie die Flucht ergriffen, sich insgemein in anderer Gebiethe, auch wohl ausser Reichs begeben; So wollen Wir hinführo, wann ein solcher Banqueroutirer sich unter einem Reichsstand befindet, selbigen den Reichs-Constitutionen gemäß, der Auslieferung halber requiriren. Da aber die Retirade unter einer fremden Potentz genommen, daselbst durch alle hinreichende Mittel es dahin richten lassen, damit der Entlauffene wieder herbey geschaffet, und als ein durch Unsere Landes-Constitution vor infam erklärter Delinquent, der Leib- und Lebens-Strafe verdienet, nicht geduldet werde.

§. 167. Und damit, zwölftens, diese Unsere gerechte Intention desto besser zum Effect gebracht, und dadurch der bisherige Betrug desto eher vermieden werde; So werden Wir in dergleichen Fällen an Unsere auswärtige Ministros und Bediente die Ordre ergehen lassen, dergleichen flüchtige Creditores überall aufsuchen zu lassen, und zu arretiren.

§. 168. Und wiewohl, dreizehentens, Wir diese Unsere Constitution nur von denjenigen Schuldnern so betrüglich gehandelt verstanden wissen, denen aber so durch erweisliche Unglücks-Fälle um ihr Vermögen in Abgang


(540) Vierter Theil. Tit. IX.

der Nahrung gekommen, und dannenhero mehr Mitleiden als Strafe verdienen, die in denen gemeinen, auch Landes Rechten, Gesetzen, verordneten Rechts-Wohlthaten, keines weges abschneiden, vielmehr ihnen solche, wann sie sich gebührend dazu qualificiren, angedeyhen lassen wollen; So verordnen Wir doch hiermit, daß, wenn ein solcher wieder sein Verschulden in Unvermögen gerathener Schuldner sich nicht dieser erlaubten Rechts(-)Mittel in Zeiten bedienet, sondern auf flüchtigen Fuß setzet, und auf das vorhergehende Proclama ungehorsamlich ausbleibet, derselbe aller solcher beneficiorum juris ohne fernerer rechtlichen Erkänntniß so gleich verlustig seyn, und damit nicht weiter gehöret, zugleich auch vor infam und aller Ehren(-)Aemter, auch ehrlicher Gesellschaften, Innungen, Gülden und dergleichen, wozu ein ehrlicher Mann gelangen kan, unfähig, und ipso facto davor erkläret seyn solle.

§. 169. Wann auch, vierzehentens, ein Schuldener, welcher zu Abtrag seiner Schulden sich nicht vermögend befindet, seine Zuflucht zu obgedachten Rechts-Wohlthaten nimmet, dabey aber in der Specification seiner Güther und Effecten, sie seyn in oder ausser Unsern Landen, durch Verschweigung oder sonst betrüglich handelt; So soll derselbe auch alles dessen, so ihm sonst in seinen Schuld-Wesen zu statten kommen könnte, gleichergestalt verlustig seyn, und deshalb als ein Falsarius bestrafet, auch im Fall von denen verschwiegenen oder geborgenen Güthern nach Abzug der Schulden und erforderten Kosten etwas übrig bleibt, solches Unserm Fisco verfallen seyn, und dahin gezogen werden.

§. 170. Im Fall auch, fünfzehntens, sich bey einem Kauf- oder Handelsmann, der nicht bezahlen kan, findet, daß er sein Vermögen ungebührlich verthan, das Seinige oder das Aufgeborgete liederlich hazardiret, oder in Jahres(-)Frist von dem Verfall keine Balance gezogen, oder zwar selbige gezogen, aber die befundene Insufficientz


(541) Vierter Theil. Tit. IX.

seines Vermögens nicht sogleich nach deren Befinden in Zeit von zwey Monathen bey den Gerichten, oder seinen Creditoribus angezeiget, und nach seinen Vermögen Zahlungs-Vorschläge gethan; So soll ebenermassen dasjenige nicht statt haben, was verunglückten Debitoren zum besten im Rechten versehen.

§. 171. Weil auch, sechszehentens, der Kauf-Leuthe Frauens öfters ihre Männer zum unnöthigen Depensiren instigiren, oder vor sich übermäßigen Pracht treiben, oder sonst ein mehrers, als die Interessen von ihren Illatis betragen, oder hauswirthlich entbehret werden könte, verthun, sodann mit ihren weiblichen Beneficiis sich behelfen, und, ob sie schon in der Handlung mit assistiret, Creditoribus vorzugehen suchen, Wir aber auch hierin remediret wissen wollen; So ist Unser ernster Wille, daß hinkünftig die Judicia und Gerichte jedes Orts, da das Falliment geschiehet, auf diese Umstände, und ob dergleichen sich finden genaue Obsicht haben, und nach Befinden, wann durch ihr Verschulden der Mann ausser dem Stande kömmet seine Gläubiger ehrlich zu befriedigen, und sie also die in denen Rechten verstattete Wohlthaten nicht verdienen, gedachten Frauen in solchen Fällen nicht nachsehen, sondern wann Creditores dergleichen mit Grunde auf sie bringen können, sie mit ihrem sonst zustehenden Vorrechte zurück setzen soll.

Sectio IV.

Wie es mit Ertheilung des Moratorii zu halten.

§. 172. Es trägt sich öfters zu, daß, wann ein Creditor den Schuldner ausklaget, alle andere Gläubiger, von was Art deren Forderung auch sey, aufzuwachen, und in ihren gemeinen Schuldner zu dringen pflegen, so daß derselbe wann er auch sonst, ausser baaren Geldes,


(542) Vierter Theil. Tit. IX.

Vermögen genug hätte, übern Haufen geworfen wird, und zu Grunde gehen muß, dahingegen, wann ihm ewige Zeit gelassen würde seine Capitalien beyzutreiben, oder die Güther zu verkaufen, sein Vermögen zureichend seyn dürfte alle Creditores zu befriedigen.

§. 173. Gleichwie Wir nun eines theils dergleichen Leute welche ein genugsames Vermögen haben, und solches in continenti klar dociren können, durch dergleichen Aufschub von ein, zwey, bis drey Jahren gerne geholfen wissen wollen; also muß auch andern theils vor derer Creditoren, welche ihr Geld bona fide hingegeben, völlige Sicherheit gesorget werden.

§. 174. Wir setzen aber hierbey voraus daß der Schuldner, welcher ein Moratorium suchet, sich nicht auf flüchtigen Fuß begeben, und abwesend den Indult suchen müsse: Allermassen einem flüchtigen Debitori niemahls ein Moratorium verstattet werden soll; sondern es muß sofort der Concurs eröfnet, und wie oben vorgeschrieben verfahren werden.

§. 175. Wann also ein Schuldener ein Moratorium suchet, muß er 1) sich bey seinen ordentlichen Gerichten melden, und um einen Indult anhalten:

Dahero sich niemand unterstehen soll ein Moratorium bey Unserm Etats-Ministerio, oder gar bey Uns immediate zu suchen, weil der Schuldener leicht begreifen kann, daß Wir absque causae cognitione keinen Indult verstatten können noch wollen. Daher der Advocat welcher dergleichen Memorial unterschreibet mit 12 Rthlr. Strafe belegt werden, der Debitor aber bloß angewiesen werden soll, sich in foro ordinario zu dem Moratorio zu qualificiren.

§. 176. Er muß 2) seinen Gesuch einen accuraten Statum bonorum beyfügen, und sich zu dessen eydlichen Bestätigung, auch wann er ein Handelsmann ist, zur Production seiner Bücher offeriren, anbey


(543) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 177. 3) Bitten daß seine Creditores, um sich hierüber zu erklären, citiret werden mögen.

§. 178. Der Richter muß 4) die in loco gegenwärtige, und sonst sich meldende Creditores vorfordern, und mit ihnen, wie es mit des Schuldeners Vermögen bis zu derer Creditoren Erklärung zu halten, und ob solches zu versiegeln, oder ein Interims-Curator zu bestellen, oder dem Schuldener bloß ein Aufseher zuzugeben sey, überlegen, und das Benöthigte verordnen. Zu gleicher Zeit aber

§. 179. 5) Die sämtliche Creditores edictaliter (und die bekannte ad domum) citiren, und dazu einen Terminum von zwey Monath (wann es aber Kaufleute seyn, von 3 Monath) ansetzen, mit dem Beyfügen:

Daß sie sich in dem angesetzten Termino ratione des gesuchten Indults declariren, eventualiter aber ihre Forderungen liquidiren, oder gewärtigen müssen, daß auf beschehenes Aussenbleiben mit denen erscheinenden Creditoren allein, wegen des gesuchten Moratorii gehandelt, und ohne auf die Abwesende zu reflectiren, der Ordnung gemäß Veranlassung geschehen, eventualirter aber mit der Liquidation verfahren werden solle.

§. 180. Unterdessen müssen 6) die Actiones welche schon angestrenget oder währenden Termino angestrenget worden, nicht sistiret, sondern die Sache instruiret, die Urthel publiciret, die Personal-Execution, z. E. in Wechsel-Sachen, realisiret, die Execution in das Vermögen aber bis zum Termino ausgesetzet werden.

§. 181. In dem anberaumten Termino müssen 7) alle Documenta, Nachrichten, Obligationes und Handlungs-Bücher denen Creditoren vorgelegt, und sie mit ihrer Nothdurft, ob das Vermögen notorie zureichend sey, und das Indult nach denen Rechten verstattet werden könne, gehöret werden. Allermassen Wir nicht zugeben wollen, daß alte verlegene Obligationes, welche


(544) Vierter Theil. Tit. IX.

in langen Jahren keine Zinsen getragen, oder weit aussehende Processe, oder eigenmächtige Taxae liegender Gründe, vor sufficient angenommen werden sollen.

§. 182. Wann 8) der Richter nach Eyd und Pflicht davor halten solte, daß der Schuldner solvendo sey; So muß er ihn binnen 8 Tagen praeclusivischer Frist zur fidejussorischen Caution (massen die Juratoria nicht gelten soll) anhalten, daß er nichts von seinen Vermögen verbringen, auch durante moratorio, die Zinsen, bey Verlust des Moratorii richtig abtragen wolle.

§. 183. Wann 9) sothane Caution sowohl ratione des Capitals als der Zinsen binnen 14 Tagen bestellet, und dieselbe von dem Richter vor zureichend erkannt wird, so braucht es keines Consensus Creditorum, sondern es soll, wann er davon Bericht an Uns erstattet, das Moratorium dem Befinden nach auf ein, zwey, bis drey Jahr, weiter aber nicht expediret werden.

§. 184. Im Fall aber 10) die Sufficientia bonorum nicht klar und offenbahr dociret wird, und der Richter per decretum oder sententiam solches gleichfalls fest setzet, soll sofort der Concurs eröfnet, und, befundenen Umständen nach, mit Arrestirung der Person, und Versiegelung des Vermögens (wann es noch nicht geschehen) verfahren, und mit dem Debitore als einem Banqueroutirer gehandelt werden.

§. 185. Es soll auch 11) keine Protestation, Appellation, querela nullitatis, gegen dergleichen richterliche Verordnung gelten, noch die Liquidation dadurch aufgehalten werden.

Und wann Wir auch 12) durch ein Rescript oder Cabinets-Ordre Bericht erfordern, oder gar ohne die vorhergehende Requisita ein Moratorium verstatten, soll solche Ordre vor sub- & obrepiret gehalten, und denen Richtern der strenge Lauf gelassen, jedoch sofort dargegen Vorstellung gethan werden.


(545) Vierter Theil. Tit. IX.

Allermassen dem Publico mehr daran gelegen, daß ein übeler Bezahler, dessen Schuld mehrentheils mit zu concurriren pflegt, übereilt werde, als daß die Creditores, welche ihr Geld bona fide hingegeben, der Discretion des Schuldeners, und einem ungewissen Hazard einer gehoften Verbesserung des Vermögens, überlassen werden, oder super sufficientia cautionis & bonorum einen kostbaren Process führen sollen.

§. 186. Es ist zwar 12) in jure communi versehen, daß bey dem Concursu Creditorum minor pars demjenigen folgen müsse was major pars beschlossen. Wir haben auch in Unsern vorigen Verordnungen festgesetzet, daß wann major pars Creditorum die Güther vor zureichend hält, die Caution vor sufficient erklärt, oder schlechterdings in das Indult willigt, die Dissentientes denen majoribus folgen müssen. Es bezeugt aber die Erfahrung, daß unendliche Verwirrungen daraus entstehen, allermassen 1) der computus majoris partis bey denen acht Classen, insonderheit wann viele Classen concurriren, so intricat und confus ist, daß über die Frage, ob major pars vorhanden, mehrentheils viele Jahre processirt wird. Da unterdessen der Schuldner in dem ruhigen Besitz seines Vermögens gelassen, und ihm dadurch Gelegenheit gegeben wird, das Wenige was noch übrig gewesen zu verzehren.

Eben diese Erfahrung zeigt auch 2) daß viele Collusiones hiebey vorzugehen pflegen, indem die Verwandten, insonderheit unter denen Judens-Genossen, gemeiniglich zuzutreten, und ihre Foderungen zu sacrificiren pflegen; zu geschweigen daß diesem oder jenem unter der Hand ratione futuri Sicherheit verschaffet wird.

Es wäre 3) die größte Unbilligkeit, wann die Creditores, welche jetzo, da der Debitor sufficientiam bonorum angiebt, folglich wegen ihrer Forderung, gantz oder grossen Theils befriediget werden könten, ihr Capital ob consensum majoris partis creditorum einem üblen

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(546) Vierter Theil. Tit. IX.

Bezahler in den Händen lassen, und solches auf einen ungewissen Hazard zu exponiren gezwungen würden: Da diese dissentirende Creditores das Capital, wann sie es jetzo in die Hände bekämen, nicht allein sicher austhun, sondern vielleicht durch Handlung, oder durch einen avantageusen Kauf viel besser nützen könten.

Entweder consentiren 4) diejenige Creditores welche denen dissentientibus jederzeit, auch nach Ablauf des Moratorii vorgehen; solchenfalls risquiren die consentirende Creditores nichts, hingegen risquiren die dissentirende alles, weil sie, wann der Debitor seine Güther (wie gemeiniglich geschicht) durante moratorio verringert, künftig leer ausgehen würden.

Oder es consentiren 5) diejenige, welche denen dissentientibus nachgehen, und, weil sie jetzo leer ausgehen würden, durch das Moratorium Hofnung haben, daß der Debitor ad meliorem fortunam kommen werde, (et)c. so würde unbillig seyn wann diejenige, welche wegen ihrer Foderung entweder alle Sicherheit genommen, oder dieselbe lege erhalten, wegen einer ungewissen Hofnung derer jetzo leer ausgehenden Creditoren, ihr Capital einem Hazard exponiren müssen.

Bey diesen Umständen nun soll 6) künftig major pars creditorum bey denen Moratoriis nicht weiter in Consideration kommen, sondern wann die sufficientia bonorum nicht notorie vorhanden, und die Conservation des Vermögens durch eine hinlängliche Caution nicht versichert wird, muß sofort der Concurs eröfnet werden; Es wäre dann daß alle Creditores per unanimia das Indult bewilligten.

§. 187. Wann aber auch dem Schuldner ob sufficientiam bonorum per sententiam judicis ein Indult ertheilet wird; so kann er sich dessen gegen diejenige nicht gebrauchen;

1) Gegen welche er dem Moratorio ausdrücklich renunciiret hat.


(547) Vierter Theil. Tit. IX.

2) Wann der Debitor Uns und Unserm Fisco mit Schulden verhaftet ist.

3) Wann aufgelaufene unbezahlte gemeine Lasten.

4) Begräbniß-Kosten.

5) Aliment-Gelder.

6) Gesinde-Lohn, oder

7) Gebühren wegen geführten Amts, gefodert werden.

8) In causis piis & miserabilium personarum, weil sie zu ihrem höchstnöthigen Unterhalt ihre Gelder benöthiget seyn. Item

9) In causa expromissorum und Bürgen, welche vor dergleichen causas & personas caviret; und bezahlen müssen.

10) Wann jemand sein Dominium zurück fodert, oder

11) Wann die Schuld von anvertrauten Guth, oder

12) Von Pacht und Heuer-Geld vermietheter Häuser oder Güther herrühret.

14) Wenn der Schuldner zu der Zeit Geld aufgenommen, oder Schuld gemacht, da er schon in Abfall seiner Nahrung und Vermögens gekommen, kann der Creditor, ohngeacht des Moratorii seine Schuld fodern.

15) Wann ein Jude ausser den Stand gesetzt wird seine Schulden zu bezahlen, soll demselben niemahlen ein Moratorium ertheilet, sondern nicht allein nach dem Banqueroutir-Edict gegen denselben verfahren werden, sondern derselbe eo ipso nebst seiner Familie des Juden-Privilegii verlustig seyn.

§. 188. Wann derjenige der ein Moratorium erhalten mit denen Zinsen nicht richtig einhält, stehet einem jeden Creditor frey die Execution auf Capital und Zinsen zu suchen.

§. 189. Gegen auswärtige muß das jus talionis observiret werden.

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(548) Vierter Theil. Tit. IX.

Sectio. V.

Wie es mit Behandlung derer Creditoren zu halten.

§. 190.

Wann die Schulden-Last so groß ist daß der Schuldner weder durch die Zeit noch andere Mittel zu retten, auch seine Güther und Vermögen augenscheinlich nicht zureichen, und derselbe daher entweder auf Behandlung, oder endlich gar auf die Cession und Uebergabe seines Vermögens anträgt, so sollen diese Wohlthaten von muthwilligen Schuldnern nicht mißbraucht, sondern es folgendergestalt damit gehalten werden.

§. 191. Wenn jemand durch kundbahre und erweisliche Unglücks-Fälle, die durch Unvorsichtigkeit nicht verursachet, als Handels-, Brand- oder ander dergleichen Schaden, in solchen Abfall seines Vermögens gerathen, daß er sich mit keinem Indulto helfen, noch die Creditores darnach völlig befriedigen könte; und mit ihnen einen Vergleich suchte, auch selbigen etwas gewisses zu geben offerirte, so sollen Creditores darüber gehöret, und eben so wie bey denen Moratoriis versehen, verfahren werden.

§. 192. Wann die Creditores in dem angesetzten Termino sich nicht behandeln lassen wollen, mithin die Güthe mit einen solchen Mitleidens-würdigen Schuldener nicht statt findet, so stehet ihm nichts weiter als das Beneficium cessionis bonorum offen, worvon in der folgenden Section gehandelt werden soll. Und soll der Debitor so wenig durch das eine als das andere Beneficium an seinen Ehren einigen Abbruch leiden.

§. 193. Gleichwie aber diese Behandlung supponiret, daß der Schuldner durch Unglücks-Fälle in den Abgang seiner Nahrung gerathen sey, also folget von selbsten, daß wenn der Debitor die Unglücks-Fälle nicht in continenti klar und deutlich erweiset, sondern durch seine üble Haushaltung und Unvorsichtigkeit in den nothdürftigen


(549) Vierter Theil. Tit. IX.

Zustand gerathen, gegen denselben als einen offenbahren Banqueroutirer vorgeschriebener massen verfahren werden solle.

§. 194. Er ist aber ohne alle weitere Untersuchung vor einen offenbahren Banqueroutirer zu achten, wann er flüchtig worden, und abwesend sich zur Behandelung offeriret, und dadurch seine Creditores, wann sie nicht alles verliehren wollen, zum Vergleich zu zwingen sucht; in welchem Fall der Concurs sofort eröfnet, und wie oben Sect. 3 vorgeschrieben, verfahren werden soll.

Es soll auch der Flüchtige sofort mit Steckbriefen verfolget, Fiscus excitiret, und derselbe, wenn er in dem zur Liquidation angesetztem Termino nicht erscheinet, in effigie aufgehencket; und wenn er nachher ertappt wird, gegen ihm als einen Spitzbuben verfahren werden.

vid. C. C. de a. 1761. n. 18.

Und wenn auch die Creditores sich mit einem solchen betrüglichen Spitzbuben per unanimia (allermassen major pars so wenig in diesem Fall als bey dem Moratorio gelten soll) sich vergleichen wolten, so soll solches dem Fisco nicht praejudiciren, weil dem Publico daran gelegen, daß dergleichen Betrüger nicht andern ein Exempel geben durch die Flucht ihre Creditores zum Vergleich zu zwingen.

Sectio VI.

Von dem Beneficio cessionis bonorum.

§. 195. Es pflegen diejenige welche in Schulden gerathen, wann sie sich nicht weiter zu helfen wissen, ad cessionem bonorum zu provociren: Weil aber dieses flebile beneficium vielfältig gemißbraucht wird, so soll es folgendergestalt damit gehalten werden.

§. 196. Wann ein Schuldner, sonderlich ein Handelsmann, ehe er von seinen Creditoren gedränget wird, bey Nachsehung seines Vermögens, oder gezogener

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(550) Vierter Theil. Tit. IX.

Balance, (welche er alle Jahre ziehen muß) dasselbe nicht zureichend befunden; So muß er binnen 6 Wochen nach gezogenem Calculo (welche Zeit er allenfalls eydlich bestärcken muß) solches in seinem foro ordinario anzeigen, ein Inventarium seines gantzen Vermögens, insonderheit der Activ(-) und Passiv(-)Schulden übergeben, sich zu dessen eydlichen Bestärckung erbiethen, alle und jede Unglücks-Fälle specificiren, und solche bescheinigen, sich zu Edirung seiner Briefschaften und Handlungs-Bücher offeriren, und bitten, daß er zu dem Beneficio cessionis zugelassen und zu dem Ende seine Creditores edictaliter citiret werden mögen:

Der Richter muß darauf wie oben Sect. IV. bey denen Moratoriis versehen, verfahren, und die Creditores citiren um sich zu erklären, eventualiter aber zu liquidiren.

§. 197. Wann die Schuldner in termino in continenti klar und deutlich erweisen, daß sie durch Unglücks-Fälle, die auch selbst von denen Creditoren nicht geleugnet werden können, in den Verfall ihrer Nahrung, und gegenwärtiges Unvermögen gerathen, so soll dergleichen unglücklichen Schuldnern, welche mehr Mitleiden als Strafe verdienen, dieses Beneficium auch invitis creditoribus, per sententiam, wovon kein Remedium als quoad effectum devolutivum Platz haben soll, verstattet werden.

§. 198. Wann ein solcher durch Unglücks-Fälle in Abgang seiner Nahrung gerathene Debitor per sententiam zur Cession seines Vermögens admittiret wird; So soll dieses folgenden Personen keinesweges praejudiciren, nemlich:

1) Denen Wechsel-Inhabern, welche ihr Recht durch Personal-Arrest verfolgen können.

2) Denenjenigen, welche eine Obligation in Händen haben, worin der Cessioni bonorum renunciiret worden.

3) Wenn jemand einen Erben oder Vormund belanget, welcher kein Inventarium verfertiget hat.


(551) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 199. Im Gegentheil sollen zu dem Beneficio cessionis nicht admittiret werden:

1) Wann die Creditores in dem Termino dem Schuldner aus seinen producirten Büchern, oder sonst, überführen daß er nicht redlich gehandelt, sondern betrüglich mit ihnen umgegangen.

2) Wann der Schuldner die angeführte Unglücks-Fälle, z. E. Wasser-Schaden, Schifbruch, Raub, ausstehende Schulden, Bürgschaften (et)c. nicht in continenti, d. i. binnen 3 Tagen erweiset, und genugsam beybringet.

3) Wann der Debitor durch seine Schuld in Unvermögen gerathen, weil er nemlich mehr als er bezahlen kann an Waaren und Geld aufgeborget, oder mehr als er erwerben können depensiret, oder seine Frau und Kinder über ihren Stand mit Kleidung und sonst unterhalten, oder Lust-Häuser und Gärten zu seinem Plaisir erbauet, oder gekaufet (et)c. und dadurch zurück gekommen.

4) Wann der Schuldner flüchtig worden, und abwesend cessionem bonorum offeriret: in welchem Fall wie oben Sect. 3. versehen verfahren werden muß.

5) Wann der Schuldner wissentlich etwas von seinem Vermögen bey Seite gebracht oder verheelet hat.

6) Wann er in fraudem Creditorum seine Güther alieniret hat. Wann auch solche schon von denen Possessoribus recuperiret werden können; oder würcklich recuperiret worden.

7) Wann er schon einmahl bonis cediret hat, und nachhero neue Schulden machet.

In welchem Fall ihm aber das Beneficium competentiae wider die vorige, nicht aber die neue Creditores zu statten kommt.

8) Wann der Debitor anfänglich die Schuld geleugnet, und, nachdem er deren überführet worden, ad cessionem provociret.

9) Wann jemand wegen eienr Uebelthat condemniret worden, und sich zur Cession offeriret.

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(552) Vierter Theil. Tit. IX.

10) Wann der Schuldner einen Gläubiger in einen weitläuftigen Process verwickelt, nachher condemniret wird, und in ipsa executione bonis cediren will.

§. 200. Im Fall nun der Schuldner die Unglücks-Fälle erwiesen, und per sententiam zur Cession seines Vermögens admittiret worden, soll derselbe in Gegenwart derer Creditoren nach vorhergehenden Verwarnung vor den Meineyd, folgenden Eyd abzulegen schuldig seyn.

Ich N. N. schwere zu GOtt dem Allmächtigen einen leiblichen Eyd, daß ich alle meine Haab und Güther, auch ausstehende Schulden, so ich zu fordern, in meinem Verzeichniß, so viel mir wissend, getreulich angegeben, und nichts verschwiegen habe von meinen Güthern und Vermögen: nichts, es habe Nahmen, wie es wolle, zum Nachtheil und Abbruch meiner Creditoren veräussert, noch selbst oder durch andere etwas an Baarschaften, Kostbarkeiten, Briefschafften (im Fall es ein Kauffmann, kann nach Gelegenheit seiner Handlung conjunctim oder alternative hinzu gethan werden, Handels-Bücher und Waaren) von Händen und bey andern untergebracht und verheelet, oder wegbringen und verheelen lassen. Ich will auch, wenn noch etwas auffinden oder mir beyfallen möchte, so wider Vermuthen vergessen, oder hiernächst etwan erwerben und erlangen, oder ererben möchte, solches jedesmahl zu Befriedigung meiner Creditoren getreulich und ohne Gefärde anzeigen, und nicht unterschlagen, sondern nach Vermögen dieselbigen davon bezahlen. So wahr mit GOtt helffe durch (et)c.


(553) Vierter Theil. Tit. IX.

Sectio VII.

Von dem Beneficio competentiae.

§. 201. Weil die Rechte denenjenigen, welche durch den Concurs, oder Execution, in den Stand gesetzt werden daß sie keine Lebens-Mittel übrig behalten, eine gewisse Competentz ausmachen; so soll es damit folgendergestalt gehalten werden.

§. 202. Wir supponiren vor allen Dingen, daß diejenige welche sich auf die Competentz berufen, durch bekannte erwiesene Unglücks-Fälle in einen armseligen Zustand gerathen seyn; dahero diejenige, welche durch ein prächtiges Leben, durch Verschwendung, oder sonst durch ihre eigene Schuld in diesen Stand gerathen, zu gedachtem Beneficio nicht zugelassen werden sollen.

§. 203. Dieses Beneficium competentiae kommt also in dem vorgeschriebenen Casu zu statten, 1) denen Eltern ersten Grades gegen ihre Kinder: (keinesweges aber denen Stief-Eltern) Worbey auch auf die Zahl derer noch unerzogenen oder unversorgten Kinder mit reflectiret werden muß.

2) Denen Kindern, welche aus einem rechtmäßigen Ehe-Bette gezeuget seyn, gegen ihre rechte Eltern:

3) Dem Marito, wann er zur Restitution des Braut-Schatzes, oder Bezahlung andrer seiner Frauen schuldigen Gelder angehalten werden soll; und solche Schulden währendem Ehestand contrahiret worden.

Es kommt ihm also dieses Beneficium nicht zu statten, a) wann ein dritter, welcher den Braut-Schatz vorgeschossen, quantitatem dotis zurück fodert. b) Wann die Schuld soluto matrimonio mit der Frauen contrahiret wird. c) Wann die Ehe culpa mariti dissolviret worden.

4) Der Ehefrauen, welche den Dotem versprochen aber nicht inferiret hat, oder welche stante matrimonio

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(554) Vierter Theil. Tit. IX.

ihrem Ehemann etwas versprochen: Keinesweges aber einem Bräutigam und Braut, vielweniger einer Concubine &c.

5) Dem Vater des Ehemanns und der Ehefrau, so lang diese beyde leben.

6) Demjenigen welcher ex pacto donationis belanget wird, ausser dem aber nicht.

7) Einem Socio, welcher aus einem Societaet-Handel, oder aus einem andern stante Societate errichtetem Contract, von seinem Socio belanget wird.

8) Denen Soldaten welche würcklich in Kriegs-Diensten stehen, wann das Debitum occasione militiae gemacht worden.

9) Denen Brüdern und Schwestern unter sich, sie mögen germani oder uterini seyn.

10) Bey denen Geistlichen, Edelleuten, und Doctoren soll dieses Beneficium blos ob qualitatem personae nicht statt haben.

§. 204. Wann also gegen dergleichen Personen ein Concurs eröfnet, oder eine Execution veranlasset wird, so müssen ihnen die höchstnöthige Lebens-Mittel gelassen worden, welches nicht allein in nothdürftigem Essen, Trincken und Wohnung, sondern auch in einem Kleid, einigem Weiß-Zeug und Bette bestehet: Und können auch diejenige welche in dignitate constituiret seyn, ein mehreres nicht praetendiren: Allermassen die Competentz bey diesen niemahlen über 1 bis 2 Rthlr. wöchentlich belaufen soll.

Worbey die Qualitaet der Güther, oder viele Onera Realia darauf haften, (welchen keinesweges praejudiciret werden muß) item der Zustand des Creditoris, wann er selber nicht Ueberfluß hat, mit in Consideration gezogen, und dem Debitori destoweniger assigniret werden muß.

§. 205. Wann ratione quanti die Partheyen sich in der Güte nicht vereinigen können, so soll das Cammer-Gerichte


(555) Vierter Theil. Tit. IX.

das Quantum ex aequo & bono determiniren, worbey es lediglich bleiben, und kein Remedium dargegen, als quoad effectum devolutivum, verstattet werden muß.

§. 206. Zu Hebung dieser Competentz soll ein gewisses Capital bey dem Concurs ausgesetzet, solches aber keinesweges denen Creditoribus so zur Perception gelangen, pro rata abgezogen, sondern ex Massa Concursus noch vor der Distribution genommen, und bey dem Rückfall zu Befriedigung derer folgenden Gläubiger ihrer Ordnung nach angewandt werden.

§. 207. Es müssen aber dergleichen Personen sich vermittelst Eydes reversiren, daß wann sie ad meliorem fortunam kommen werden (welches die Creditores hiernächst erweisen müssen,) sie die Competentz zurück geben, und die gantze Schuld nebst Interesse nachzahlen wollen.

§. 208. Es können aber zu dem Beneficio competentiae nicht gelassen werden 1) die einen vorsetzlichen und betrüglichen (!) Banquerout gemacht haben.

2) Wann der Creditor selber nichts zu leben hätte, wenn dem Debitori die Competentz gelassen wird.

3) Wann der Debitor des Creditoris Eigenthum besitzet, und solches herauszugeben condemniret worden.

4) Wann der Schuldner dem Beneficio competentiae renunciiret hat.

5) Wann er sich durch seiner Hände Arbeit, oder mit seiner Profession ernähren kan.

6) In allen übrigen Fällen, wo die Cessio bonorum nicht statt hat.

NB. Alle diese Exceptionen können zwischen Eltern und Kindern nicht angeführt werden.

§. 209. Wann auch hierüber Streit entstehet, muß der Richter ex aequo & bono die Sache decidiren, worgegen kein Remedium, als quoad effectum devolutivum, statt haben soll.


(556) Vierter Theil. Tit. IX.

§. 210. Wann dergleichen Debitor von einem andern beklagt wird, kann keine Execution in diese Competentz geschehen, weil diese ex beneficio Creditorum & legis dem Schuldner zugewandt wird.

 

Beylagen der Concurs-Ordnung.

Lit. A.

ad §. 9. in fin. p. 487.

Formular, wie Creditores ad liquidandum edictaliter zu citiren, wann Concurs veranlasset.

Von GOttes Gnaden, Wir Friderich, König in Preussen (et)c. (et)c. Entbiethen allen und jeden Creditoren, so an N. N. Vermögen einigen An- und Zuspruch vermeinen zu haben, Unsern Gruß; Und fügen denenselben hierdurch zu wissen, was massen nach in obgedachten N. N. Vermögen entstandenem Concurs der von Uns bestätigte interims(-)Curator N. N. vermittelst ad Acta gegebenen Supplicati eure gebührende Vorladung ad liquidandum allerunterthänigst gebeten.

Wann Wir nun solchem Suchen statt gegeben; Als citiren und laden Wir euch hiermit und in Kraft dieses Proclamatis (wovon eines hier) (das andere / die übrigen) zu N. N. angeschlagen, peremtorie, daß ihr a dato innerhalb 9/12 Wochen, wovon 3/4 für den ersten, 3/4 für den andern, 3/4 für den dritten Termin zu rechnen, eure Forderungen wie ihr dieselbe mit untadelhaften Documentis, oder auf andere rechtliche Weise zu verificiren vermöget, ad Acta anzeiget, auch alsdann … … … vor Unsern (et)c. N. N. N. N.


(557) Vierter Theil. Beylagen.

welche Wir hiermit zu Commissarien der Liquidation bestätiget, auf dem Gericht allhier euch gestellet, die Documenta zur Justification eurer Forderung in Originali produciret, eurer Forderung halber mit dem Curatore auch Neben-Creditoren ad Protocollum verfahret, gütliche Handlung pfleget, und in deren Entstehung rechtliche Erkänntniß und Locum in abzufassendem Prioritaet-Urthel gewartet. Mit Ablauf des Termini aber sollen Acta für beschlossen geachtet, und diejenigen so ihre Forderung ad Acta nicht gemeldet, oder wenn gleich solches geschehen, sie doch benennten Tages sich nicht gestellet, und ihre Forderungen gebührend justificiret, nicht weiter gehöret, und von dem Vermögen abgewiesen, und ihnen ein ewiges Stillschweigen auferleget werden. Wornach sich also dieselben zu achten. Gegeben Berlin den (et)c.

Nota. Daß, wann der Debitor noch am Leben, der Citation mit zu inseriren, daß Creditores mit dem Curatore, Debitore &c. ihrer Forderungen halber zu verfahren.

Wann in einem Judicio, nicht Nahmens Sr. Königl. Majestät die Sachen ausgefertiget werden, wird Citatio nach obigen Formular nomine Judicii eingerichtet.

Lit. B.

ad §. 13. p. 495.

Eyd eines Ausrufers bey den Auctionen.

Ich N. N. schwere zu GOtt dem Allmächtigen einen Eyd, daß, nachdem ich zum Ausrufer bey dem öffentlichen Verkauf beweglicher Güter bestellet und angenommen worden, ich bey solchem Amt mich nach denen ergangenen Verordnungen wie die jetzo sind oder künftig noch gemachet werden möchten, allemahl getreulich achten, was mir von dem gesetzten Auctions-Commissario, oder wenn aus dem Gericht derselben Direction aufgetragen,


(558) Vierter Theil. Beylagen.

geheissen wird, getreulich verrichten, wann ich ein Stück ausrufe, auf das Geboth, so darauf gethan wird, wohl Acht haben, und solches mit vernehmlicher Stimme, damit alle so zugegen, solches hören können, ausrufen, bey Ausbiethung eines Stücks, und ehe jemand öffentlich gebothen, vor mich keinen Preiß, als wenn schon von andern so viel gebothen, darauf setzen, wann ich mercke, daß die Biethenden nichts mehr nachsetzen, den höchsten Preiß so gebothen worden, zum ersten, andern und dritten mahl jedesmahl absonderlich melden, und wann niemand ein mehrers biethet, alsdann demjenigen, welcher das höchste gebothen, die Sache zuschlagen, jedoch dabey solche Masse halten, daß die Biethende nicht übereilet, noch auch der Zuschlag zur Ungebühr verzögert werde, gegen die anwesende Licitanten gebührende Bescheidenheit, auch keine Gefährlichkeit, Durchstecherey, und was sonsten einem Menschen zum Nachtheil gereichen möchte, oder die Käuffere abhalten könte, gebrauchen, auch weder für mich selbst biethen, noch mir etwas zuschlagen, weniger von andern in Commission zu kaufen übernehmen, oder jemand anders an meine Statt zu meinem Vortheil untersetzen, sondern mich jederzeit und in allen so verhalten will, wie es einem getreuen Auctions(-)Ausrufer eignet, anstehet und gebühret. So wahr mir Gott helfe (et)c.

Nota. Der Orten, wo nach Holländischer Manier eine Sache von dem Ausruffer unter gewissem Preise, der ihm aufgegeben, zum Kauff eingesetzet, und so lang abgelassen, bis jemand mein rufft, sodann mit diesem Preise zur Höhung ausgeruffen und getrieben wird, kan die Form des Eydes dem Erfordern noch geändert werden.


(559) Vierter Theil. Beylagen.

Lit. D.

ad §. 49. pag. 507.

Edict von Praeferentz der Königl. Cassen.

Wir Friderich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König in Preussen (et)c. (et)c. Thun kund; und fügen hiemit zu wissen: Demnach Wir vernehmen, daß ungeachtet Unseren Steuer-Cassen bey ereignenden Concursibus creditorum nicht nur nach den allgemeinen beschriebenen Rechten das Jus praelationis in bonis administrantium vor andern Gläubigern zustehet, sondern auch Unser in GOtt ruhender Groß-Herr-Vater, Churfürst Friderich Wilhelm, Glorwürdigen Andenckens, in dem Land-Tages-Abscheide, Unserer Chur-Marck Brandenburg de anno 1653. ausdrücklich verordnet, daß die Contributions(-)Reste allen denen Creditoren, auch denen so ein Jus separationis zu haben vermeynen, vorgeben, und solches insonderheit in executione und bey den Distributionibus, wann schon aus Unwissenheit solcher Verordnung an fremden Orten ein anders erkannt seyn möchte, in Acht genommen werden, Unsere Tribunalia auch in judicando & pronunciando sich darnach achten solten, welche Constitution dieselbe nachgehends durch unterschiedene Verordnung auf Holtz-, Müntz- und andere dergleichen, fürnemlich aber auch auf solche Gelder, welche Unser Fiscus von denenjenigen; so Uns ex administratione schuldig bleiben, und mit Unsern Geldern malversiret haben, per pragmaticas sanctiones vom 8ten Januarii und 30sten Martii 1685. Unserm Hof- und Cammer-Gerichte allhier gnädigst anbefohlen, dem Fisco ratione solcher Schulden, gleich denen Holtz-, Schoß- und Contributions-Geldern primum locum in concursibus creditorum zu assigniren, auch keine Gegen-Praetensiones von Ehe-Geldern, und dergleichen, dawider zu admittiren, Unsers Höchst-seligsten Herrn Vaters Majestät auch, solch Vorzugs-Recht, durch ein besonderes Edict vom Dato


(560) Vierter Theil. Beylagen.

Charlottenburg den 24ten Julii 1707. welches nachgehends durch unterschiedliche Rescripta und Verordnungen wiederhohlet worden, mit der Erklärung bestätiget, daß in Unserm Hertzogthum Magdeburg die Haupt- und andere Steuer-Cassen, wegen der Reste, so die Receptores schuldig bleiben, vor allen Creditoren, so bey solchen Receptoren Anspruch haben, auch bey deren beweg- und unbeweglichen Güthern, so sie nicht in dem Hertzogthum Magdeburg, sondern in andern Unsern Landen besitzen, bey ereignenden concurso creditorum, ungeachtet dieselbe antiquiorem Hypothecam, Landes-herrlichen und Obrigkeitlichen Consens, oder der Prioritaet halber andere Privilegia haben, den Vorzug behalten, und daraus vor allen andern befriediget werden sollen, (et)c. solch Vorzugs-Recht Unseren Cassen dennoch streitig gemacht, und darüber weitläuftige Processe geführet worden: Wir aber dergleichen Disceptationes zu derselben Nachtheil nicht gestatten, sondern dieselbe bey solchem Jure praelationis undisputirlich geschützet wissen wollen;

Als declariren, setzen und ordnen Wir hiemit und Kraft dieses, daß bey denen vorangeführten Verordnungen und Edicten Unserer in Gott ruhenden Herrn Vaters und Groß-Herrn-Vaters, es in allen Puncten und Clausuln fernerhin unveränderlich verbleiben, und Unsere Haupt-Steuer-Cassen, nach derselben Inhalt, nicht nur in Unserer Chur-Marck Brandenburg und Hertzogthum Magdeburg, wie bisher, sondern auch hinführo in allen Unsern übrigen Landen, bey entstehenden Concursibus Creditorum, in der Receptoren beweg- und unbeweglichen Güthern, sie mögen belegen seyn, wo sie wollen, vor allen Creditoren, es haben dieselben sonst Privilegia, wie sie mögen, keine ausgenommen, die Praeferentz und Vorzug unstreitig behalten und geniessen sollen. Gestalt Wir dann allen und jeden Unserm Cammer-Gericht, Tribunalen und Commissariaten, auch Beamten und


(561) Vierter Theil. Beylagen.

Magisträten in den Städten und auf dem Lande, in Unsern Chur- und allen übrigen Landen, hiermit allergnädigst und ernstlich anbefehlen, sich hiernach in judicando & sententionando allergehorsamst zu achten, dieses Unser Edict, damit es zu jedermanns Wissenschaft desto besser gelangen möge, öffentlich an gewöhnlichen Orten zu affigiren, und keinesweges zu gestatten, daß dawieder auf einige Weise gehandelt werde, auch wann an fremden Orten aus Unwissenheit dieser Unser Verordnung ein anders erkannt werden möchte, solche Sententz nach derselben sofort ohne alle Weitläuftigkeit zu corrigiren und einzurichten.

Uhrkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und aufgedruckten Insiegel. Gegeben Berlin, den 4ten November 1713.

(L. S.) Friderich Wilhelm.

Lit. E.

ad §. 65. pag. 513.

Edict von Schulden derer Officiers und Soldaten.

Wir Friderich von Gottes Gnaden, König in Preussen (et)c. (et)c. Thun kund und fügen hiermit zu wissen: daß ob Wir gleich nicht allein, in denen, Unserer Armée ertheilten Reglements, unter andern denen Officiers das Schuldenmachen auf das schärfeste verbothen haben, sondern auch mittelst eines besondern unterm 7ten April 1744. publicirten Edicts, Unsere hierunter hegende ernsthaftige Intention bekandt machen lassen; So müssen Wir dennoch zu Unserm besondern Mißfallen wahrnehmen, daß darauf so wenig gehalten werde, daß Wir sehr oft mit Klagen wieder Unsere Officiers, wegen ihrer gemachten Schulden, behelliget werden. Weilen aber solches

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(562) Vierter Theil. Beylagen.

gar vielfältig zum Ruin der Officiers gereichet, und dieselben wol gar Ehre und Reputation risquiren, mithin Wir hierunter ferner nachzusehen nicht gemeinet sind; So haben Wir nicht allein die bereits vorhin ergangene Reglements und Edicte, insbesondere aber, das, wie obgedacht, unterm 7ten April 1744. emanirte, und welches Wir nochmals hierbey sub A. andrucken lassen, (damit sich niemand mit der Unwissenheit entschuldigen könne,) hiermit wiederhohlen wollen; sondern Wir verordnen auch, und befehlen hiermit nochmahls, so gnädigst als ernstlich, daß sich kein Officier unterstehen solle die geringsten Schulden zu machen, noch auch jemand denenselben einiges Geld leihen solle, es sey dann nach vorheriger Untersuchung des Chefs oder Commandeurs vom Regiment, und mit deren schrifftlichen Consens, in welchen die Ursachen, wozu das Geld geliehen worden, mit beygefüget werden müssen. Auf dem Fall aber dem ohngeachtet ein oder der andere Officier sich unterstehen sollte, wider diesen Unsern ausdrücklichen Befehl, einiges Geld zu borgen, oder Waaren auf Credit zu nehmen, so soll derselbe darüber zur Verantwortung gezogen und bestraffet werden, wie die deshalb an die Regimenter ergangene Circulair-Ordre vom heutigen Dato besaget. Diejenigen aber, so denen Officiers ohne Vorwissen des Chefs oder Commandeurs des Regiments Geld leihen, oder Waaren verborgen; sollen nicht nur dessen, oder der Waare, ad pias causas, verlustig seyn, sondern noch überdem, wenn sie des Vermögens sind, 50 Ducaten zur Invaliden(-)Casse bezahlen, sonst aber solches proportionirlich mit Gefängniß absitzen. Gleichwie Wir nun wollen daß diesem überall gehörig nachgelebet werde, also soll dieses Edict nicht allein bey Unserer Armée, sondern auch, und damit es zu jedermanns Wissenschafft und Achtung kommen möge, in allen Unsern Landen, von denen Cantzeln öffentlich publiciret, und auf denen Rath-Häusern bey versammleter Bürgerschafft abgelesen, auch damit


(563) Vierter Theil. Beylagen.

alle Viertel-Jahre continuiret werden. Wie Wir dann Unserm Officio Fisci aufgegeben haben zu vigiliren, daß diesem, und insonderheit, daß die Vierteljährige Wiederholung der Publication geschehen möge, gehörig nachgelebet werde. Wornach sich also jedermann insbesondere die Chefs und Commandeurs derer Regimenter und Bataillons, Infanterie, Cavallerie, Dragoner, Hussaren und Garnisons, wie auch die Regierungen, Krieges- und Domainen-Cammern, Magisträte in denen Städten, und alle Obrigkeiten, genau zu achten haben. Des zu Urkund haben Wir dieses Edict höchst-eigenhändig unterschrieben, und mit Unserm Königl. Insiegel bedrucken lassen. So geschehen und gegeben Berlin, den 4ten Julii 1746.

(L. S.) Friderich.

Beylage A. Edicti praeced.

Wir Friederich von GOttes Gnaden, König in Preussen (et)c. (et)c. Thun kund und fügen hiemit zu wissen; daß nachdem Wir mißfällig wahrgenommen, was gestalt das von Unsers in GOtt ruhenden Herrn Vaters Majestät, unterm 6ten April 1726. zu Verhütung der Schulden bey den Capitains und Subalternen-Officiers, auch Unter-Officiers und gemeinen Soldaten, emanirte Patent, ingleichen die den 31ten Decembr. 1729. darauf erfolgete Declaration nicht überall gehörig beobachtet werden, sondern an Theils Orten in Vergessenheit gekommen, Wir nöthig gefunden, solche Patente zu erneuern, auch noch mehr zu erläutern. Wir setzen, ordnen und befehlen demnach hiermit anderweit auf das ernstlichste und nachdrücklichste,

1) Daß kein Capitain, vielweniger ein Subalternen-Officier, sich unterstehen soll, ohne Vorwissen des Commandeurs vom Regiment, von jemand Geld

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(564) Vierer Theil. Beylagen.

zu lehnen, auch unter keinerley Praetext Waaren als Credit auszunehmen, und zu borgen.

2) Wann aber etwa ein Capitain zum Besten der Compagnie Geld aufnehmen müste, so soll er sich deshalb bey dem Commandeur des Regiments melden, und wann dieser findet, daß der Capitain nothwendig Geld auflehnen muß, so soll der Commandeur zur Sicherheit desjenigen, welcher das Geld leihen will, über die von dem Capitain auszustellende Verschreibung, (worin die Summa des Anlehns, auch zu was vor Behuf eigentlich das Geld zum Besten der Compagnie aufgenommen worden, und zu welcher Zeit die Wieder-Bezahlung erfolgen soll, deutlich ausgedrucket seyn muß,) seine schriftliche Einwilligung und Consens ertheilen, auch unter des Capitains Verschreibung, oder in dem Consens attestiren, daß das gelehnte Geld zu dem erwehnten Behuf aufgenommen und angewendet worden, welches sodann völlige Krafft eines Beweises wegen der Anwendung haben, und deshalb kein anderweiter Beweiß gefordert werden soll, wobey der Commandeur des Regiments sich auch noch von dem Capitain die Versicherung geben zu lassen hat, auf welche Art der letztere das Geld zur gesetzten Zeit wieder bezahlen wolle.

3) Wann aber ein Capitain unbewegliche Güther, als Häuser oder andere Grund-Stücken besitzet, und darauf Geld lehnen, mithin solches Grund-Stücken zur Hypothec verschreiben will, so ist dazu der Consens des Commandeurs vom Regiment nicht nöthig, sondern ein solcher Gläubiger muß sich an die ihm verschriebene Hypothec halten, und soll an des Capitains übriges Vermögen, oder Tractament und Compagnie-Gelder, zum Praejuditz des oder dererjenigen, welche mit des Commandeurs Consens zum Besten der Compagnie ohne Hypothec


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ein Anlehn hergegeben, eher keinen Anspruch haben, bis diese von dem Commandeur des Regiments consentirte Schulden bezahlet worden.

4) Wann nun jemand nach dem 2ten §. dieses erneuerten Patents einem Capitain mit Consens des Commandeurs vom Regiment ohne Hypothec Geld leihet, und nach Ablauff der gesetzten Zeit die Wieder-Bezahlung nicht erfolget, noch der Capitain dazu Anstalt machet, so soll alsdann der Commandeur des Regiments dem Capitain das Geld monathlich von der Assignation abziehen, damit der Gläubiger zu seiner Befriedigung gelange.

5) Im Fall aber der Commandeur eines Regiments in Schulden, so nicht zum Besten der Compagnie gemachet, noch dazu angewendet werden, consentirte, und dazu seine Einwilligung ertheilte, dergestalt, daß der Capitain mit Schulden überladen würde, so soll der Commandeur sodann allenfalls, wann der Capitain nicht bezahlen könte, selbst dafür haften.

6) Kein Subaltern-Offiecier muß über acht Rthlr. Schulden machen, wie dann auch der Commandeur vor keinen Subaltern-Officier der ein Anlehn aufnehmen will, darüber seine Einwilligung ertheilen soll, ausser in dem Fall, wann ein neu angenommener Officier zu Bezahlung der Mundirung Geld gebrauchet, welches diesem hernach entweder abgezogen, oder von seinen Mitteln, so er von Hause bekommt, bezahlet werden muß.

7) Wofern indessen diesem Unsern ernstlichen Verboth zuwider, ein oder ander Capitain, der keine Grund-Stücken zur Hypothec zu verschreiben hat, oder ein Subaltern-Officier dennoch unternehmen würde, ohne Vorwissen und Consens des Commandeurs Schulden zu machen, so sollen dergleichen Capitains sowohl, als Subaltern-Officiers, sie mögen bezahlen

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(566) Vierter Theil. Beylagen.

können oder nicht, in Arrest gesetzet, und an Unsere höchste Person von dem Commandeur solches berichtet werden, da Wir sodann den Capitain, weil er wider Unsere Ordre gehandelt hat, dafür bestraffen wollen, und soll ihm überdas von dem Commandeur das Geld abgezogen werden; Die Subalternen-Officiers hingegen sollen so lange auf der Haupt-Wache in Arrest sitzen, und dabey doch ihre Dienste thun, bis sie das betragende Geld wegen ihrer Schulden erleget haben; Jedoch sollen die Creditores, ob gleich dem Capitaine oder Subaltern-Officier die Gelder wegen der ohne Consens gemachten Schulden abgezogen, oder solche sonst von ihnen bezahlet worden, diese Gelder nicht bekommen, sondern selbige sollen zum Besten der Armen und zu milden Sachen angewendet, auch die Gläubiger, weil sie wider dieses Unser erneuertes ernstliches Verboth gehandelt haben, überdas noch bestrafet werden; immassen Wir keinem, er mag seyn wer er will, darunter nachgesehen, sondern das Leihen und Borgen an Capitains oder Subalterne-Officiers ohne des Commandeurs schriftlichen Consens und Einwilligung, ausser in dem §. 3. dieses erneuerten Patents ausgedruckten Fall, wann jemand einem Capitaine auf Hypothec leihen will, gäntzlich abgestellet wissen wollen.

8) Die Unter-Officier und gemeine Soldaten sollen nicht eines Groschens werth von jemand borgen, wiedrigenfals die Unter-Officiers auf Schild-Wache gesetzet, und die Gemeinen durch die Spitz-Ruthen laufen sollen: Auch soll derjenige, welcher creditiret hat, nicht allein nichts bezahlet bekommen, sondern auch überdas noch bestrafet werden.

9) Woferne aber jemand sich unterstehen würde, einem Kaufmann, Brauer, Bäcker, Wirth oder andern Bürgern wegen verweigerten Credits übel zu


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begegnen, oder unter versprochener baarer Bezahlung an Waaren, Victualien, Bier (et)c. etwas an sich gebracht hätte, so soll der Commandeur des Regiments, wann solches innerhalb 24 Stunden angezeiget wird, dem Klagenden schleunige Justitz angedeyhen lassen, auch nach Befinden der Umstände die dabey gegen den(-) oder diejenigen, welche nicht borgen wollen, etwa vorgenommene Gewaltthätigkeit oder übels Betragen ernstlich und nachdrücklich bestrafen.

Damit nun niemand in den Städten oder auf dem Lande sich mit der Unwissenheit entschuldigen könne, so soll dieses Unser erneuertes Patent und ernstliche Ordre von den Cantzeln abgelesen, auch überdas in den Städten der versammleten Bürgerschaft auf den Rath-Häusern durch Verlesung publicret, ingleichen durch Trommelschlag bekandt gemachet, solches auch alle Viertel-Jahr zu mehrer Warnung vor einen jeden wiederholet, nicht minder an öffentlichen Orten angeschlagen und ausgehangen werden.

Auch soll derjenige Chef, der solches quartaliter nicht austrommeln lässet, oder Magistratus, welcher nicht dafür sorget, daß es quartaliter Vor- und Nachmittags, oder Wechsels-weise abgelesen werde, in funfzig Rthlr. unnachläßiger Strafe verfallen seyn.

Urkundlich unter Unserer höchst-eigenhändigen Unterschrift und beygedrucktem Königl. Insiegel. So geschehen und gegeben zu Berlin den 7ten April 1744.

(L. S.) Friderich.

F. v. Görne. A. O. v. Viereck. F. W. v. Happe.

                    A. F. v. Boden. S. v. Marschall.

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(568) Vierter Theil. Beylagen.

Lit. D.

ad §. 109. p. 524.

Edict Zu Sicherheit derer, so die Woll-Arbeiter mit Geld oder Wolle verlegen, de dato Berlin den 20. September. 1719.

Wir Friderich Wilhelm von Gottes Gnaden, König in Preussen (et)c. (et)c. Thun kund und fügen hiermit zu wissen, da seither Unserer Regierung Unsere Landes-väterliche Vorsorge dahin gegangen, daß in Unseren Provintzien der Woll-Webereyen aufgeholfen, und diese höchst nöthige und nützliche Manufacturen retabliret werden möchten; unter andern aber zu dem Ruin dieser Profession bishero sonderlich contribuiret hat, daß wann die Kaufleute oder andere Verieger die Tuch- Rasch- und Zeugmacher mit Geld oder Wolle versehen, diese sich auf die schlimme Seite geleget, die versprochene Tücher, Zeuge und Rasche entweder gar nicht, oder doch nicht zu rechter Zeit, noch in versprochener Güte geliefert, einige auch das Geld liederlich durchgebracht und verprasset haben, wodurch die Verleger in Schaden gesetzet, auch Credit loß gemachet, und dadurch andere, einen Vorschuß zu thun abgeschrecket worden; daher auch leicht die Rechnung zu machen, daß, wann solches heillose Wesen nichts abgestellet, und zu Retablirung des Credits und Stiftung guten Glaubens zwischen den Verlegern und Woll-Arbeitern zureichende Mittel erfunden, und darüber mit hinlänglicher Schärfe gehalten wird, Unsere allergnädigste Intention schwerlich erreichet werden dürfte: Als ergehet Unser allergnädigster und zugleich ernster Befehl, daß, dafern ein Woll-Arbeiter dem mit seinem Verleger getroffenen Contract nicht nachleben, noch die Tücher, Rasch und Zeuge (et)c. in versprochener Zeit und Güte liefern würde, an einem jeden Ort ohne Verstattung des allergeringsten Processus wider solche böse Bezahler mit prompter


(569) Vierter Theil. Beylagen.

Execution verfahren werden soll; Wie Wir dann auch zu Beschneidung der sonst gewöhnlichen Weitläuftigkeiten allen Verlegern der Woll-Arbeiter wegen ihres den Woll-Fabricanten gethanen Vorschusses an Wolle oder Geld das Jus Praelationis gleich den Geldern unmündiger Kinder in Unsern Landen für alle Creditores zulegen. Solte diesem Unserm ernstlichen Befehl zuwider der Magistratus loci hierunter säumig seyn, und darüber bey Unsern Cammer-, Regierungs- oder Hof-Gerichten oder andern Justitz-Collegiis der Verleger klagen, so soll die Gerichts-Obrigkeit, oder der Richter des Orts, oder sonst derjenige aus dem Magistrat, so daran schuldig, den Verleger zu befriedigen, und durch schleunige Execution schadlos zu halten, angestrenget werden. Wann auch einiger Woll-Arbeiter so leichtfertig wäre, und entweder das anvertraute Geld zu Befriedigung seiner andern Creditoren anwenden, oder die bestellten Tücher und Zeuge an andere verkaufen oder ausschneiden, und sonst mit den Seinigen das anvertraute Geld oder Wolle liederlich durchbringen, und darüber in den Stand gerathen möchte, daß er seinen Verleger nicht befriedigen kann, soll derselbe zu gefänglicher Haft gezogen, und davon an Uns allerunterthänigst berichtet werden, so wollen Wir denselben, andern zum Abscheu, in einer Vestung zur Karren-Arbeit verurtheilen, und seines Meister-Rechts verlustig erklären. Wie nun hierdurch den Verlegern alle Sicherheit verschaffet wird, so wollen Wir auch des allergnädigsten Vertrauens zu den Kaufleuten leben, daß sie nunmehro besser als geschehen, den Tuch-, Zeug- und Raschmachern auch andern Woll-Arbeitern mit Geld und Wolle unter die Arme greifen, und die dem gantzen Lande profitable Manufacturen wieder in Flor bringen helfen, dabey aber auch die armen Tuch- und Zeug-Macher nicht drücken werden, wiedrigenfalls sich dieselben dieser Praelation nicht zu erfreuen haben, sondern gleich andere Creditores zu tractiren, auch wohl, wann usuraria pravitas

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(570) Vierter Theil. Beylagen.

erwiesen werden sollte, den Rechten nach zu strafen sind.

Zu mehrer Urkund haben Wir dieses geschärfte Edict, darüber Wir mit aller Rigueur gehalten wissen wollen, eigenhändig unterschrieben, und mit Unserm Königlichen Insiegel bedrucken lassen, wie dann solches alle Jahr am ersten Sonntag im May-Monath in denen Kirchen an gewöhnlichen Orten abgelesen, und in locis publis affigiret werden soll. Gegeben zu Berlin den 20ten September 1719.

(L. S.) Friderich Wilhelm.

F. W. v. Grumbkow.