(333) Reichsgesetzblatt für im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder
LVIII. Stück. - Ausgegeben und versendet am 9. August 1895
Inhalt: Nr. 111. Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdictionsnorm).
111. Gesetz vom 1. August 1895,
über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdictionsnorm).
Mit Zustimmung beider Häuser des Reichsrathes finde Ich anzuordnen, wie folgt:
Erster Theil.
Von der Gerichtsbarkeit im allgemeinen.
Erster Abschnitt.
Gerichte und gerichtliche Organe.
Ordentliche Gerichte.
§. 1. Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen wird, soweit dieselben nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, durch Bezirksgerichte, Bezirksgerichte für Handels- und Seesachen, Kreis- und Landesgerichte, Handelsgerichte, Handels- und Seegerichte, durch Oberlandesgerichte und durch den Obersten Gerichtshof (ordentliche Gerichte) ausgeübt.
Instanzenverhältnis der Gerichte.
§. 2. In erster Instanz sind zur Ausübung dieser Gerichtsbarkeit die Bezirksgerichte, die Kreis- oder Landesgerichte, die Handelsgerichte und Handels- und Seegerichte berufen.
Besondere Bezirksgerichte für Handels- und Seesachen werden zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handels- und Seesachen an allen Orten errichtet, in welchen ein selbständiges Handelsgericht oder ein Handels- und Seegericht besteht. Durch Verordnung können auch an anderen Orten solche Bezirksgerichte für Handels- und Seesachen errichtet werden.
§. 3. Der Rechtszug gegen Urtheile und Beschlüsse der Bezirksgerichte (Berufung, Recurs) geht in zweiter Instanz an die Kreis- und Landesgerichte, wenn aber gegen ein in Ausübung der Handels- oder Seegerichtsbarkeit oder der Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten des Bergbaues gefälltes und dementsprechend bezeichnetes bezirksgerichtliches Urtheil Berufung erhoben wird, an die Handelsgerichte, Handels- und Seegerichte, an die Handelssenate oder an die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten des Bergbaues berufenen Senate der Kreis- und Landesgerichte. In dritter Instanz hat über Rechtsmittel gegen Urtheile und Beschlüsse der Bezirksgerichte (Revision, Recurs) der oberste Gerichtshof zu entscheiden.
§. 4. Gegen die in erster Instanz von den Kreis- und Landesgerichten, sowie von den Handelsgerichten gefällten Urteile und Beschlüsse geht der Rechtszug in zweiter Instanz (Berufung, Recurs) an die Oberlandesgerichte, und in dritter Instanz (Revision, Recurs) an den obersten Gerichtshof.
Ausübung der Gerichtsbarkeit bei den ordentlichen Gerichten.
§. 5. Bei den Bezirksgerichten wird die Gerichtsbarkeit durch einen oder mehrere Einzelrichter ausgeübt. Diese sind der Vorsteher des Bezirksgerichtes (Bezirksrichter) und diejenigen zur Ausübung des Richteramtes befähigten richterlichen Beamten des Bezirksgerichtes, welche durch den Vorsteher des übergeordneten Oberlandesgerichtes befugt erklärt werden, bei diesem Bezirksgerichte das Richteramt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten oder in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit selbstständig auszuüben. Durch Verfügung des Vorstehers des übergeordneten Oberlandesgerichts kann einzelnen der zur selbständigen Ausübung des Richteramtes befugten richterlichen Beamten des Bezirksgerichtes die ausschließliche, selbständige Besorgung der gesamten, den Bezirksgerichten in Ansehung des Executionsvollzuges und in Grundbuchssachen obliegenden Geschäfte übertragen werden. Den Bezirksgerichten, welche sich am Sitze eines Kreis- oder Landesgerichtes befinden, wird die erforderliche Anzahl von richterlichen Beamten durch den Vorsteher des Kreis- oder Landesgerichtes aus den zur selbständigen Ausübung des Richteramtes befugten richterlichen Beamten dieses Gerichtshofes zugewiesen.
§. 6. An Orten, in welchen sich ein selbständiges Handelsgericht oder ein Handels- und Seegericht befindet, sind die Richter für die im §. 2, Absatz 2 bezeichneten Bezirksgerichte durch den Präsidenten des Handelsgerichtes oder Handels- und Seegerichtes aus der Zahl der zur selbständigen Ausübung des Richteramtes befugten richterlichen Beamten dieser Gerichtshöfe auszuwählen. Sonst haben für die Besetzung der genannten Bezirksgerichte, falls sich dieselben am Sitze eines Kreis- oder Landesgerichtes befinden, die Bestimmungen des §. 5 zu gelten.
§. 7. Bei den Kreis-, Landes- und Handelsgerichten wird die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, sofern nicht durch die Civilprocessordnung oder durch die über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte erlassenen Vorschriften etwas anderes angeordnet ist, durch Senate ausgeübt, welche, gleichviel ob in erster oder zweiter Instanz entschieden wird, aus einem Vorsitzenden und zwei Mitgliedern bestehen. Bei den Senaten der selbständigen Handelsgerichte und bei denjenigen Senaten der Kreis- und Landesgerichte, welche die Gerichtsbarkeit in Handels- oder Seesachen (Handelssenate) oder die Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten des Bergbaues (bergrechtliche Senate) in erster oder zweiter Instanz ausüben, wird in Rechtssachen der streitigen Gerichtsbarkeit die Stelle eines der Mitglieder durch einen fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstande oder aus dem Kreise der Schiffahrts- oder Bergbaukundigen versehen. In allen anderen Fällen sind die Senate der Kreis- und Landesgerichte mit richterlichen, zur Ausübung des Richteramtes befähigten Beamten besetzt. Die Erledigung von Gesuchen in Amortisirungs- und Grundbuchssachen sowie von Anträgen auf Executionsbewilligung, welche bei Kreis- oder Landesgerichten als erster Instanz angebracht werden, kann ohne vorläufige Berathung in einem Senate durch vom Vorsteher des Gerichtshofes hiezu bestellte Mitglieder des Gerichtes als Einzelrichter erfolgen. Die näheren Anordnungen hierüber sind im Verordnungswege zu treffen. Die Erlassung von wechselrechtlichen Zahlungs- und Sicherstellungsaufträgen hat stets durch ein hiezu bestelltes Mitglied des Gerichtshofes als Einzelrichter zu erfolgen.
§. 8. Bei den Oberlandesgerichten wird die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, sofern nicht durch die über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte erlassenen Vorschriften etwas anderes angeordnet ist, in Senaten ausgeübt, welche je aus einem Vorsitzenden und vier Richtern bestehen. In welcher Art die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen bei dem Obersten Gerichtshofe auszuüben ist, wird durch ein besonderes Statut bestimmt.
Berathung und Abstimmung
§. 9. Bei den vor Gerichtshöfen stattfindenden Verhandlungen in bürgerlichen Rechtssachen und bei allen in solchen Rechtssachen vorkommenden, dem Gerichte vorbehaltenen Entscheidungen darf die Zahl der Stimmführer in den Senaten mit Einschluß des Vorsitzenden nicht kleiner sein, als sie in §§. 7 und 8 festgesetzt ist. Zu Verhandlungen von längerer Dauer können vom Vorsitzenden Ergänzungsrichter zugezogen werden, welche an der Verhandlung theilnehmen und im Falle der Verhinderung eines Mitgliedes des Senates einzutreten haben.
§. 10. Der Vorsitzende leitet die Abstimmung, sowie die der Abstimmung etwa vorausgehende Berathung. Der Berichterstatter, wenn ein solcher bestellt ist, gibt seine Stimme zuerst, der Vorsitzende, welcher sich an der Abstimmung gleich jedem anderen Senatsmitgliede zu betheiligen hat, gibt die seine zuletzt ab. Außerdem stimmen die dem Dienstrange nach älteren Richter vor den jüngeren. Der fachmännische Laienrichter hat seine Stimme unmittelbar nach dem Berichterstatter, und wenn kein solcher bestellt ist, vor den übrigen Senatsmitgliedern abzugeben.
§. 11. Kein Richter darf die Abstimmung über eine zur Beschlussfassung gestellte Frage verweigern; dies gilt namentlich auch dann, wenn er bei der Abstimmung über eine Vorfrage in der Minderheit geblieben ist. Über die Zuständigkeit des Gerichtes, über die Nothwendigkeit von Ergänzungen des Verfahrens und andere Vorfragen muß immer zuerst abgestimmt werden. Ist bei der Entscheidung der Hauptsache über mehrere Ansprüche zu erkennen, so muß über jeden einzelnen Anspruch besonders abgestimmt werden.
§. 12. Zu jedem Beschlusse des Gerichtes wird absolute Stimmenmehrheit, das ist mehr als die Hälfte sämtlicher Stimmen, erfordert. Ergeben sich hiebei Schwierigkeiten, welche durch Theilung der Fragen und Wiederholung der Umfrage nicht behoben werden, so hat der Vorsitzende die Frage, über welche Beschluß zu fassen ist, in die einzelnen, für die Entscheidung erheblichen Punkte aufzulösen und durch Einleitung besonderer Abstimmungen über dieselben in geeigneter Weise die Vereinigung der Stimmen zu einem Mehrheitsbeschluß über den zur Verhandlung stehenden Gegenstand herbeizuführen.
Bilden sich in Beziehung auf Summen, über welche Beschluß zu fassen ist, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die für die größte Summe abgegebenen Stimmen den für die zunächst geringere Summe abgegebenen so lange hinzugezählt, bis sich eine absolute Stimmenmehrheit ergibt.
§. 13. Über Meinungsverschiedenheiten, welche über die Richtigkeit des vom Vorsitzenden bekannt gegebenen Ergebnisses einer Abstimmung entstehen, entscheidet der Senat.
§. 14. Die Aufzeichnungen über die Berathung und Abstimmung des Gerichtes sind in ein besonderes Protokoll aufzunehmen. Dessen Führung wird durch die über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte erlassenen Vorschriften geregelt.
Schriftführer
§. 15. Die zur Führung der Protokolle bei Verhandlungen und anderen gerichtlichen Amtshandlungen verwendeten Personen müssen hiezu beeidigt sein.
Gerichtskanzlei
§. 16. Bei jedem Gerichte besteht eine Gerichtskanzlei. Dieser obliegt die Übernahme der an das Gericht gelangenden Acten, die Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidungen und sonstigen Erledigungen, die Bewirkung der Zustellungen und Ladungen und die Verwahrung der gerichtlichen Acten, sowie die Vornahme aller anderen ihr durch Gesetz oder Verordnung zugewiesenen Amtshandlungen. Dem Personale der Gerichtskanzlei können auch die zur Führung der Protokolle benöthigten Personen entnommen werden.
Vollstreckungsorgane
§. 17. Zur Vornahme von Executionshandlungen können bei einzelnen Gerichten nach Maßgabe des Bedarfes besondere Vollstreckungsbeamte bestellt werden. Bei den Gerichten, für welche solche Vollstreckungsbeamte nicht bestellt sind, erfolgt die Vornahme der den Vollstreckungsorganen zugewiesenen Executionshandlungen durch Gerichtsdiener oder andere durch das Gesetz hiezu berufene Organe.
§. 18. Zu Vorstehern und leitenden Beamten der Gerichtskanzlei, sowie zu Vollstreckungsbeamten können nur solche Personen bestellt werden, welche die Mittelschulstudien zurückgelegt und den Besitz der für ihre amtliche Thätigkeit erforderlichen besonderen Kenntnisse durch eine mit gutem Erfolge abgelegte Prüfung nachgewiesen haben. Die Vorschriften über die Gegenstände und die Einrichtung dieser Prüfung, sowie über die Zusammensetzung der Prüfungscommission sind im Verordnungswege zu erlassen. Diese Prüfung hat sich auch auf die zur Erfüllung des Amtes nothwendigen Rechtskenntnisse zu erstrecken. Vollstreckungsbeamte haben eine Caution im Betrage ihres einjährigen Gehaltes nach den für Dienstcautionen bestehenden Vorschriften zu leisten.
Zweiter Abschnitt.
Ablehnung von Richtern und anderen gerichtlichen Organen.
Ablehnung von Richtern.
§. 19. Ein Richter kann in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden:
1. weil er im gegebenen Falle nach dem Gesetze von der Ausübung richterlicher
Geschäfte ausgeschlossen ist;
2. weil ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.
§. 20. Richter sind von der Ausübung des Richteramtes in bürgerlichen Rechtssachen ausgeschlossen:
1. in Sachen, in welchen sie selbst Partei sind, oder in Ansehung deren sie zu einer der
Parteien in dem Verhältnisse eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regress- Pflichtigen stehen;
2. in Sachen ihrer Ehefrauen oder solcher Personen, welche mit ihnen in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind, oder mit welchen sie in der Seitenlinie bis zum vierten Grade verwandt oder im zweiten Grade verschwägert sind;
3. in Sachen ihrer Wahl- oder Pflegeeltern, Wahl- oder Pflegekinder, ihrer Mündel und Pflegebefohlenen;
4. in Sachen, in welchen sie als Bevollmächtigte einer der Parteien bestellt waren oder noch bestellt sind;
5. in Sachen, in welchen sie bei einem untergeordneten Gerichte an der Erlassung des angefochtenen Urtheiles oder Beschlusses theilgenommen haben.
§. 21. Das Ablehnungsrecht kann von jeder Partei ausgeübt werden, gleichviel ob nach Beschaffenheit der Verhältnisse die ablehnende Partei oder deren Gegner gefährdet erscheint.
Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei demselben, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt haben.
§. 22. Die Ablehnung ist bei dem Gerichte, welchem der abzulehnende Richter angehört, mittels Schriftsatzes oder mündlich zu Protokoll zu erklären. Dabei sind zugleich die Umstände genau anzugeben, welche die Ablehnung begründen. Über eine solche Erklärung hat sich der abgelehnte Richter zu äußern. Die wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnende Partei hat die vom Richter bestrittenen Ablehnungsgründe glaubhaft zu machen. Wird ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, bei welchem die Partei vor der Ablehnung sich bereits in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, so ist von der Partei auch glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder ihr erst später bekannt geworden ist. Von der Partei behauptete Ausschließungsgründe sind stets von amtswegen festzustellen.
§. 23. Über die Ablehnung entscheidet, falls der abgelehnte Richter einem Bezirksgerichte angehört, das vorgesetzte Kreis-, Landes- oder Handelsgericht, falls er aber einem Gerichtshofe angehört, dieser Gerichtshof, und wenn dieser durch das Ausscheiden des abgelehnten Richters beschlussunfähig werden sollte, der im Instanzenzuge übergeordnete Gerichtshof.
§. 24. Die Entscheidung über die Ablehnung erfolgt ohne vorhergehende mündliche Verhandlung durch Beschluß; es kann jedoch das zur Entscheidung berufene Gericht vor der Beschlussfassung alle ihm zur Aufklärung nöthig scheinenden Erhebungen und Einvernehmungen anordnen. Eine Entscheidung, welche der Ablehnung Folge gibt, kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Eine solche Entscheidung ist von amtswegen dem Vorsteher des Gerichtes mitzutheilen, dem der abgelehnte Richter angehört, bei Ablehnung des Vorstehers eines Bezirksgerichtes aber dem Vorsteher des zur Entscheidung über die Ablehnung zuständigen Gerichtshofes; wenn die Ablehnung den Präsidenten eines Gerichtshofes trifft, so ist von der Entscheidung dem Stellvertreter des Gerichtshof-Präsidenten, und wenn der Präsident eines Gerichtshofes zugleich mit allen Mitgliedern seines Gerichtshofes abgelehnt wurde, dem Präsidenten des im Instanzenzuge übergeordneten Gerichtshofes Kenntnis zu geben.
§. 25. Ein abgelehnter Richter kann bis zur rechtskräftigen Erledigung des Ablehnungsgesuches nur solche Handlungen vornehmen, welche keinen Aufschub gestatten.
Wird einer Ablehnung stattgegeben, so haben die nach §. 24, Absatz 2, von der Entscheidung zu verständigenden Personen ohne Aufschub das Nöthige zu verfügen, damit durch Bestellung eines zur Ausübung des Richteramtes in der betreffenden Rechtssache geeigneten Richters das der Aufnahme der Verhandlung oder der Erledigung der Rechtssache entgegenstehende Hindernis thunlichst bald beseitigt wird.
Ablehnung anderer gerichtlichen Organe.
§. 26. Die Vorschriften über die Ablehnung von Richtern finden auch auf Schriftführer, Angestellte der Gerichtskanzlei und Vollstreckungsbeamte, sofern sie als Zustellungs-, Beurkundungs- oder Vollstreckungsorgane einschreiten, mit der Maßgabe Anwendung, dass zur Entscheidung der Gerichtsvorsteher berufen ist, welchem die Dienstaufsicht über diese Organe zusteht.
Diese Entscheidung kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.
§. 27. Gerichtliche Organe, auf welche sich die vorstehenden Bestimmungen nicht beziehen, haben, wenn sie sich in einem Verhältnisse befinden, welches einen Richter von der Ausübung des Amtes ausschliessen würde, dieses Verhältnis dem Vorsteher des Gerichtes anzuzeigen.
Der Vorsteher des Gerichtes hat in Ausübung der ihm zustehenden Geschäftsleitung zu bestimmen, ob sich solche gerichtliche Organe der Ausübung ihres Amtes im einzelnen Falle zu enthalten haben.
Dritter Abschnitt.
Zuständigkeit.
Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof.
§. 28. Wenn für eine bürgerliche Rechtssache zwar die inländische Gerichtsbarkeit begründet ist, die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinne dieses Gesetzes aber fehlen oder nicht zu ermitteln sind, so hat der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat. Diese Bestimmung hat in streitigen bürgerlichen Rechtssachen auf Antrag einer Partei, sonst aber von amtswegen zu geschehen.
Dauer der Zuständigkeit.
§. 29. Jedes Gericht bleibt in Rechtssachen, welche rechtmäßigerweise bei demselben anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig, wenn sich auch die Umstände, welche bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten. Dies gilt jedoch nicht von solchen Änderungen, durch welche die Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit überhaupt oder doch dem Wirkungskreise der ordentlichen Gerichte entzogen wird.
Delegation.
§. 30. Ist ein Gericht aus einem der im §. 19 vorgesehenen Gründe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert, so hat dasselbe diese Behinderung dem im Instanzenzuge übergeordneten Gerichte anzuzeigen. Dieses hat sodann ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen.
§. 31. Auch kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei von dem Oberlandesgerichte, in dessen Sprengel das zuständige Gericht gelegen ist, an Stelle desselben ein anderes im Sprengel dieses Oberlandesgerichtes gelegenes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden; die einem Bezirksgerichte zukommende Abhandlung einer Verlassenschaft oder Besorgung der vormundschafts- oder curatelsbehördlichen Geschäfte kann überdies unter der gleichen Voraussetzung auch einem Gerichtshofe erster Instanz übertragen werden. Delegirungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind dem Obersten Gerichtshofe vorbehalten.
Ein Antrag auf Delegirung hat keine das Verfahren aufschiebende Wirkung. Die Entscheidung über denselben erfolgt ohne vorgängige mündliche Verhandlung. Vor der Entscheidung sind jedoch dem Gerichte, welches zur Verhandlung oder Entscheidung an sich zuständig wäre, sowie den Parteien unter Bestimmung einer Frist die zur Aufklärung nöthigen Äußerungen abzufordern.
Beschränkung der Zuständigkeit auf den Gerichtsbezirk.
§. 32. Jedes Gericht hat die zu seinem Wirkungskreise gehörigen Amtshandlungen innerhalb des ihm zugewiesenen Sprengels selbst vorzunehmen. Zustellungen und andere gerichtliche Amtshandlungen in militärischen oder Landwehrgebäuden, oder in Gebäuden, welche von Militär oder Landwehr besetzt sind, können jedoch nur nach vorgängiger Anzeige an den Commandanten und unter Zuziehung einer von diesem beizugebenden Militär- oder Landwehrperson erfolgen. Behufs Bewirkung von Zustellungen an exterritoriale Personen oder an Personen, welche ihren Gerichtsstand vor dem Obersthofmarschallamte haben, und behufs Ausführung der gerichtlichen Verfügungen, welche die genannten Personen betreffen, ist die Vermittlung des Obersthofmarschallamtes und erforderlichenfalls des Ministeriums des kaiserlichen Hauses und des Äußeren in Anspruch zu nehmen. Gleiches ist zu beobachten, wenn ein gerichtlicher Act gegen Personen, die den ordentlichen Gerichten unterstehen, in den kaiserlichen Hofgebäuden oder in den Wohnungen der Mitglieder des kaiserlichen Hauses oder exterritorialer Personen vorzunehmen ist.
§. 33. Ausnahmsweise und immer nur innerhalb der Staatsgrenzen darf ein Gericht behufs Vornahme einer Amtshandlung die Grenzen seines Sprengels überschreiten, wenn Geahr am Verzuge obwaltet oder wenn eine Amtshandlung an der Grenze des Gerichtssprengels stattfinden soll. Das Gericht, in dessen Sprengel eine solche Amtshandlung vollzogen wird, ist hievon in Kenntnis zu setzen.
Übertragung einzelner Geschäfte an den Vorsitzenden oder an einen beauftragten Richter.
§. 34. Die Vornahme gerichtlicher Handlungen durch den Präsidenten des Gerichtshofes oder durch den Vorsitzenden des Senates, welchem eine Rechtssache zur Verhandlung oder Entscheidung zugewiesen ist, oder die Übertragung gerichtlicher Handlungen an ein einzelnes Mitglied dieses Senates oder des zuständigen Gerichtshofes (beauftragter Richter) ist nur in den gesetzlich bestimmten und in den durch die Vorschriften über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte bezeichneten Fällen zulässig. Die Übertragung gerichtlicher Handlungen an ein Mitglied des Senates oder des zuständigen Gerichtshofes steht, wenn nicht durch die hierauf bezüglichen Vorschriften etwas anderes angeordnet oder insbesondere der Vorsitzende hiezu ermächtigt ist, nur dem zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache berufenen Senate zu.
§. 35. Richterliche Amtshandlungen, welche außerhalb einer mündlichen Verhandlung oder außerhalb einer Sitzung vorzunehmen sind, ohne dass die Bedingungen für ein deshalb an ein anderes Gericht zu stellendes Ersuchen vorhanden wären, sind im Verfahren vor Gerichtshöfen einem beauftragten Richter zu übertragen. Beschlüsse eines beauftragten Richters können, sofern im Gesetze nichts anderes bestimmt ist, von dem Gerichte, welches den Auftrag erheilt hat, auf Antrag oder von amtswegen abgeändert werden. Vor der Entscheidung sind die zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen.
Übertragung des Vollzuges von Amtshandlungen an andere Gerichte.
§. 36. Der Vollzug von Amtshandlungen, die ein Kreis-, Landes-, Handelsgericht oder ein Handels- und Seegericht gemäß §. 32, Absatz 1, selbst vorzunehmen hätte, ist einem im Sprengel dieses Gerichtshofes gelegenen Bezirksgerichte zu übertragen, wenn dies entweder durch besondere gesetzliche Vorschriften angeordnet ist, oder wenn dadurch die Behandlung der Sache erleichtert oder unnützer Kostenaufwand vermieden werden kann. Wegen des Vollzuges der außerhalb seines Sprengels vorzunehmenden Amtshandlungen (Rechtshilfe) hat sich das Gericht, bei welchem die Rechtssache anhängig ist, an das Gericht zu wenden, bei welchem oder in dessen Sprengel die Handlung vorzunehmen ist. Die Übertragung des Vollzuges von Amtshandlungen an ein anderes Gericht (ersuchter Richter) geschieht durch ein an dasselbe gestelltes Ersuchen. Wird ein ausländisches Gericht ersucht, so sind dabei die besonderen hierauf bezüglichen Anordnungen (Staatsverträge, Regierungserklärungen, Ministerialverordnungen) zu beobachten.
Rechtshilfe auf Ersuchen inländischer Gerichte.
§. 37. Die im Geltungsgebiete dieses Gesetzes befindlichen Gerichte haben sich gegenseitig Rechtshilfe zu leisten. Das Ersuchen um eine im Geltungsgebiete dieses Gesetzes zu gewährende Rechtshilfe ist, wenn nichts anderes bestimmt ist, an das Bezirksgericht zu stellen, in dessen Sprengel die Amtshandlung vorgenommen werden soll. Das Ersuchen um Vornahme bücherlicher Eintragungen oder solcher Amtshandlungen, die nur bei einem bestimmten Gerichtshofe vorgenommen werden können, sind an das Gericht zu stellen, bei welchem sich die Einlage befindet, in der die Eintragung erfolgen soll, oder welches die Amtshandlung sonst vorzunehmen hat. Das Ersuchen ist abzulehnen, wenn der ersuchte Richter zu der betreffenden Handlung örtlich unzuständig ist.
Rechtshilfe auf Ersuchen ausländischer Gerichte.
§. 38. Die im Geltungsgebiete dieses Gesetzes befindlichen Gerichte haben ausländischen Gerichten über Ersuchen Rechtshilfe zu leisten, sofern nicht besondere hierauf bezügliche Anordnungen (Staatsverträge, Regierungserklärungen, Ministerialverordnungen) etwas anderes festsetzen.
Die Rechtshilfe ist zu verweigern:
1. wenn die von dem ersuchenden Gerichte begehrte Handlung nach den im Inlande hiefür
geltenden Bestimmungen dem Geschäftskreise der Gerichte entzogen ist; sollte die begehrte Handlung im Geschäftskreise anderer inländischer Behörden gelegen sein, so kann das ersuchte Gericht das Ersuchen an die hiernach zuständige Behörde leiten;
2. wenn die Vornahme einer Handlung begehrt wird, welche durch die für das inländische . Gericht verbindlichen Gesetze verboten ist; oder
3. wenn es an der Beobachtung der Gegenseitigkeit fehlt. Bezweifelt das ersuchte Gericht den Bestand der Gegenseitigkeit, so hat es darüber die für dasselbe sodann bindende Erklärung des Justizministers einzuholen.
§. 39. Die begehrte Rechtshilfe ist nach den Vorschriften der für das ersuchte Gericht verbindlichen Gesetze zu gewähren. Soweit es nach diesen Gesetzen zulässig ist, hat das ersuchte Gericht alle zur Erfüllung des Ersuchens erforderlichen Vorkehrungen und Verfügungen von amtswegen zu treffen.
Bei Gewährung der Rechtshilfe von den Vorschriften der im Inlande geltenden Gesetze abzuweichen ist nur dann gestattet, wenn ausdrücklich ersucht wurde, bei den vorzunehmenden Handlungen einen bestimmten, durch das ausländische Recht geforderten Vorgang einzuhalten, und dieser Vorgang durch keine Vorschrift der inländischen Gesetzgebung verboten erscheint.
§. 40. Wird die Gewährung der Rechtshilfe von dem ersuchten Gerichte verweigert, oder entstehen aus Anlaß der Gewährung der Rechtshilfe in Bezug auf deren Ausführung oder in anderer Hinsicht Meinungsverschiedenheiten zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Gerichte, so hat auf Begehren des ersuchenden ausländischen Gerichtes oder eines anderen hiezu berufenen ausländischen öffentlichen Organes das dem ersuchten Gerichte vorgesetzte Oberlandesgericht ohne vorhergehende mündliche Verhandlung über die Rechtmäßgkeit der Weigerung oder über den sonstigen Gegenstand der Meinungsverschiedenheit zu entscheiden.
Prüfung der Zuständigkeit.
§. 41. Sobald eine Rechtssache der streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit bei einem Gerichte anhängig wird, hat dasselbe seine Zuständigkeit von amtswegen zu prüfen.
Diese Prüfung erfolgt in bürgerlichen Streitsachen auf Grund der Angaben des Klägers, dafern diese nicht dem Gerichte bereits als unrichtig bekannt sind.
In nicht streitigen bürgerlichen Rechtssachen jedoch, ferner im Executionsverfahren, sowie bei Erlassung einstweiliger Verfügungen und bei Eröffnung des Concurses hat das Gericht, ohne an die Angaben der Parteien gebunden zu sein, die für die Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse von amtswegen zu untersuchen. Es kann zu diesem Zwecke von den Betheiligten alle nöthigen Aufklärungen fordern.
§. 42. Ist die anhängig gewordene Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit oder doch den ordentlichen Gerichten entzogen, so hat das angerufene Gericht in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens sofort durch Beschluß auszusprechen. Das Gleiche hat seitens der Gerichte höherer Instanz zu geschehen, wenn der Mangel erst hier offenbar wird.
Wenn der Mangel erst nach rechtskräftigem Abschlusse des Verfahrens offenbar wird, so ist auf Antrag der obersten Administrativbehörde vom Obersten Gerichtshofe die Nichtigkeit des durchgeführten gerichtlichen Verfahrens auszusprechern.
Ein Ausspruch im Sinne des Absatzes 1 und 2 kann nicht erfolgen, wenn demselben in Ansehung des Grundes der Richtigkeit eine von demselben oder von einem anderen Gerichte gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht.
Die Bestimmungen des Absatzes 1 und 3 haben auch Anwendung zu finden, wenn eine Angelegenheit, welche einen Gegenstand der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht bildet, im Verfahren außer Streitsachen bei Gericht anhängig gemacht wurde.
§. 43. Hält sich das angerufene Gericht aus anderen als den im §. 42 angeführten Gründen für unzuständig (§. 41, Absatz 2), so ist die Klage von amtswegen zurückzuweisen. Sobald jedoch über die Klage die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung bestimmt wurde, kann sich das Gericht nur dann für unzuständig erklären, wenn der Beklagte rechtzeitig die Einrede der Unzuständigkeit erhebt oder wenn das Gericht nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes selbst durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien für die betreffende Rechtssache nicht zuständig gemacht werden kann.
Dieser Ausspruch erfolgt mittels Beschluß.
§. 44. Ist für eine zur nichtstreitigen Gerichtsbarkeit gehörige Rechtssache, ferner im Executionsverahren, im Verfahren bei Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie im Concursverfahren ein anderes als das angerufene Gericht zuständig, so hat letzteres seine Unzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von amtswegen oder auf Antrag durch Beschluß auszusprechen und, sofern ihm die Bestimmung des zuständigen Gerichtes nach den Verhältnissen des einzelnen Falles möglich ist, die Rechtssache an das zuständige Gericht zu überweisen. Von diesem ohne vorgehende mündliche Verhandlung zu fassenden Überweisungsbeschlusse sind die Parteien zu verständigen. Das Gericht, welches seine Unzuständigkeit ausgesprochen hat, ohne einen Überweisungsbeschluß zu fassen, kann bis zum Eintritt der Rechtskraft jenes Ausspruches alle zur Wahrung öffentlicher Interessen oder zur Sicherung der Parteien oder des Zweckes des Verfahrens nöthigen Verfügungen treffen.
§. 45. Entscheidungen eines Gerichtshofes erster Instanz über seine sachliche Zuständigkeit können nicht deshalb angefochten werden, weil für die Rechtssache die Zuständigkeit eines Bezirksgerichtes begründet ist. Ebenso können Entscheidungen eines Bezirksgerichtes oder des im Sprengel dieses Bezirksgerichtes bestehenden besonderen Bezirksgerichtes für Handels- und Seesachen nicht deshalb angefochten werden, weil die Rechtssachen statt vor das Bezirksgericht für Handels- und Seesachen vor das allgemeine Bezirksgericht, oder statt vor letzteres zum Wirkungskreise des Bezirksgerichtes für Handels- und Seesachen gehören.
§. 46. Ist die Unzuständigkeit eines Gerichtes auf Grund der Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte rechtskräftig ausgesprochen, so ist diese Entscheidung für jedes Gericht bindend, bei welchem die Rechtssache in der Folge anhängig wird.
Auf Grund der Entscheidung eines Bezirksgerichtes, welches sich mit Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes für unzuständig erklärte, kann die Rechtssache schon vor Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung bei einem Gerichtshofe erster Instanz mit der Wirkung angebracht werden, dass die über die Zuständigkeit erflossene Entscheidung des Bezirksgerichtes für den Gerichtshof erster Instanz insolange maßgebend bleibt, als sie nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wird. Der nämliche Grundsatz hat zur Anwendung zu kommen, wenn die Rechtssache von einem Handelsgerichte oder von einem zur Ausübung der Handels- und Seegerichtsbarkeit oder der Berggerichtsbarkeit berufenen Senate als nicht dorthin gehörig an ein Gericht oder an einen Senat verwiesen wurde, welche die allgemeine Gerichtsbarkeit auszuüben haben, oder wenn letztere sich mit Rücksicht auf die in den §§. 51 und 53 enthaltenen Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes unzuständig erklärten.
Streitigkeiten über die Zuständigkeit zwischen inländischen Gerichten.
§. 47. Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gerichten erster Instanz über die Zuständigkeit für eine bestimmte Rechtssache sind von dem diesen Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichte zu entscheiden. Die Entscheidung erfolgt auf Antrag einer Partei oder auf Anzeige seitens eines der betheiligten Gerichte mittels Beschluß. Die Entscheidung ist ohne vorhergehende mündliche Verhandlung zu erlassen; es kann jedoch das Gericht vor der Entscheidung den Gerichten, welche sich in der Rechtssache für zuständig oder für nichtzuständig erklärten, sowie den Parteien die zur Aufklärung erforderlichen Äußerungen unter Anberaumung einer Frist abfordern. Die Entscheidung, welche durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden kann, ist den Parteien durch das als zuständig bestimmte Gericht mizutheilen. Das zur Entscheidung berufene höhere Gericht kann alle Verfügungen treffen, welche sich in der Zwischenzeit zur Wahrung öffentlicher Interessen oder zur Sicherung der Parteien oder des Zweckes des Verfahrens nöthig erweisen.
Streitigkeiten über die Zuständigkeit mit ausländischen Behörden.
§. 48. Zuständigkeitsstreitigkeiten inländischer Gerichte mit ausländischen Gerichten oder Behörden sind dem Justizminister anzuzeigen. Bis zu dessen Erklärung über das den Beziehungen zu anderen Staatsgebieten entsprechende Verhalten der inländischen Gerichte haben sich letztere darauf zu beschränken, in der Rechtssache diejenigen Verfügungen zu treffen, welche zur Wahrung öffentlicher Interessen oder zur Sicherung der Parteien oder des Zweckes des Verfahrens dringend nöthig erscheinen.
Die Erklärung des Justizministers ist für das inländische Gericht bindend.
(341) Zweiter Theil.
Von der Gerichtsbarkeit in Streitsachen.
Erster Abschnitt.
Sachliche Zuständigkeit.
Bezirksgerichte.
§. 49.
Vor die Bezirksgerichte gehören:
1. Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche einschließlich der zum Mandatsverfahren gehörigen Streitigkeiten, sobald der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von fünfhundert Gulden nicht übersteigt, und diese Streitigkeiten nicht ihrer Beschaffenheit nach ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes Gerichtshöfen erster Instanz zugewiesen sind.
Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes:
2. Streitigkeiten über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde und über die dem unehelichen Vater der Mutter und dem Kinde gegenüber gesetzlich obliegenden Verpflichtungen;
3. Streitigkeiten über die Bestimmung oder Berichtigung von Grenzen unbewegklicher Güter, sowie Streigikteiten über die Dienstbarkeit der Wohnung und über Ausgedinge;
4. Streitigkeiten wegen Besitzstörung, wenn das Klagebegehren nur auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten thatsächlichen Besitzstandes gerichtet ist;
5. alle Streitigkeiten aus Bestandverträgen, sowie aus dem im § 1103 a.b.G.B. bezeichneten Vertrage, sofern dieselben weder das Bestehen eines solchen Vertrages noch die Bezahlung des Zinses betreffen, Streitigkeiten über die Aufkündigung, Übergabe oder Übernahme gepachteter oder gemieteter oder nach § 1103 a.b.G.B. zum Gebrauche überlassener Sachen, und Streitigkeiten wegen Zurückhaltung der vom Mieter oder Pächter eingebrachten oder der sonstigen dem Verpächter zur Sicherstellung des Pachtzinses haftenden Fahrnisse;
6. Streitigkeiten aus Dienst- und Lohnverträgen zwischen Dienstgebern und Dienstboten oder anderen im Dienstverhältnisse stehenden, zu den Hausgenossen der Dienstgeber gehörigen Personen, zwischen Land- und Forstwirten und ihren land- und forstwirtschaftlichen Hilfsarbeitern oder Taglöhnern, dann zwischen Bergwerksbesitzern und allen sonstigen Arbeitgebern und den von ihnen beschäftigten Werkführern, Gehilfen, Arbeitern oder Lehrlingen, sowie Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnisse der Schiffsmannschaft, dafern all diese Streitigkeiten nicht der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen sind;
7. Streitigkeiten zwischen Rhedern, Schiffern, Flößern, Fuhrleuten oder Wirten und ihren Auftraggebern, Reisenden und Gästen über die aus diesen Verhältnissen enstpringenden Verpflichtungen;
8. Streitigkeiten wegen Viehmängel.
Zum Wirkungskreise der Bezirksgerichte gehören auch die Verfügungen über gerichtliche Aufkündigungen von Bestandverträgen über die in Z. 5 bezeichneten Gegenstände, die Erfassung von Aufträgen zur Übergabe oder Übernahme solcher Bestandgegenstände und die Aufnahme der Seeverklarung.
Gerichtshöfe erster Instanz.
§. 50. Vor die Gerichtshöfe erster Instanz gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche nicht den Bezirksgerichten zugewiesen sind.
Die Gerichtshöfe erster Instanz sind ausschließlich zuständig für nachfolgend verzeichnete Rechtsstreitigkeiten:
1. Streitigkeiten über die Anerkennung oder Bestreitung der ehelichen Abstammung;
2. Streitigkeiten über die nicht einverständliche Scheidung, über die Trennung oder Ungiltigerklärung einer Ehe;
3. alle anderen aus dem gegenseitigen Verhältnisse der Ehegatten oder aus dem Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern entspringenden nicht rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten, dafern sie nicht nach den gesetzlichen Vorschriften im nichtstreitigen Verfahren zu erledigen sind;
4. Streitigkeiten, welche die Nachfolge in ein Fideicommiss oder andere aus dem Fideicommissverhältnisse entspringenden Ansprüche betreffen;
5. Lehensstreitigkeiten.
Handelsgerichte.
§. 51. Vor die selbständigen Handels- oder Handels- und Seegerichte gehören, falls der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von fünfhundert Gulden übersteigt:
1. Streitigkeiten, welche aus Handelsgeschäften hervorgehen, wenn die Klage gegen eine Handelsgesellschaft oder einen Kaufmann, deren Firma im Handelsregister erscheint, oder gegen eine registrirte Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft gerichtet ist und das Geschäft auf Seite des Beklagten ein Handelsgeschäft ist;
(342) 2. Streitigkeiten aus den im §. 39 des Gesetzes zur Einführung eines Handelsgesetzbuches vom 17. December 1862, R.G.Bl. für 1863, Nr. 1, bezeichneten Handelssachen.
Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes gehören vor das Handelsgericht oder Handels- und Seegericht die Rechtsstreitigkeiten:
3. welche aus Wechselgeschäften entspringen;
4. aus den Rechtsverhältnissen, welche sich auf den Schutz und den Gebrauch von Marken, Mustern, Modellen und Privilegien beziehen;
5. aus den Geschäften, welche sich auf die Seeschiffe und die Seefahrt beziehen, sowie aus allen sonstigen Rechtsverhältnissen, welche nach Privatseerecht zu beurtheilen sind, sofern nicht die Bestimmungen des § 49, Z. 5 bis 7, zur Anwendung kommen.
Wo ein selbständiges Handelsgericht oder Handels- und Seegericht nicht besteht, wird die Gerichtsbarkeit in allen vorgenannten Rechtsstreitigkeiten durch die Handelssenate der Kreis- und Landesgerichte ausgeübt.
§. 52. An Orten, an welchen ein selbständiges Handelsgericht oder ein Handels- und Seegericht besteht, gehören die Streitigkeiten aus den im §. 51, Z. 1 und 2, bezeichneten Geschäften und Rechtsverhältnissen, bei welchen der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünfhundert Gulden nicht übersteigt, vor die Bezirksgerichte für Handls- und Seesachen.
Desgleichen gehört an solchen Orten die Entscheidung der Streitigkeiten, welche aus der Schiffsmiete, dem Dienstverhältniosse der Schiffsmannschaft und dem Seefrachtgeschäfte entstehen (§. 49, Z. 5 bis 7), und die Aufnahme der Seeverklarung zum Wirkungskreise der Bezirksgerichte für Handels- und Seesachen.
Im gleichen Umfange sind die besonderen Bezirksgerichte für Handels- und Seesachen, welche etwa an anderen Orten errichtet werden, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Streitsachen zuständig.
Streitsachen in Angelegenheiten des Bergbaues.
§. 53. Vor die bergrechtlichen Senate der im Verordnungswege zu bezeichnenden Kreis- oder Landesgerichte gehören die den Bergbau betreffenden Streitigkeiten, soweit dieselben nicht nach §. 49, Z. 1, dann 3 bis 6, vor das Bezirksgericht gehören.
Ferner ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Streitigkeiten:
1. über Klagen, durch welche ein dingliches Recht auf Gegenstände des Bergwerkseigenthums nebst den zutage liegenden Bestandtheilen desselben und dem Zugehör der Bergwerke geltend gemacht oder die Aufhebung eines solchen Rechtes bewirkt werden soll;
2. über die Benützung der in Z. 1 bezeichneten Gegenstände;
3. über das Alter im Felde bei Bergwerksverleihungen;
4. über die Aufforderung zur Feldesstreckung (Lagerung des Grubenmaßes mit bestimmter Begrenzung);
5. über Freierklärung (Verfallenheit) von Bergbauberechtigungen;
6. über das Eigenthum oder die Benützung von Grubenwässern;
7. über die in den Berggesetzen geregelten Verhältnisse der Bergbauunternehmer untereinander, sowie zu ihren Beamten und Bevollmächtigten über den Betrieb des Werkes und dessen Zugehör;
9. über Gesellschaftsverträge rücksichtlich des Betriebes, der Benützung oder Verwertung gemeinschaftlicher Bergbaue;
10. über die in den Berggesetzen geregelten Verhältnisse der Gewerkschaften zu ihren Mitgewerken.
Wert des Streitgegenstandes.
§. 54. Für die Berechnung des für die Zuständigkeit maßgebenden Wertes des Streitgegenstandes ist der Zeitpunkt der Anbringung der Klage entscheidend.
Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, bleiben bei der Wertberechnung unberücksichtigt.
§. 55. Mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei oder von Streitgenossen geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet. Wird nur ein Theil einer Capitalsforderung begehrt, so ist der Gesammtbetrag der noch unberichtigten Capitalsforderung maßgebend. Wird der Überschuss in Anspruch genommen, der sich aus der Vergleichung der Forderungen ergibt, welche beiden Parteien gegen einander zustehen, so entscheidet der Gesammmtbetrag der vom Kläger zur Begründung des begehrten Überschusses geltend gemachten Forderungen.
§. 56. Erbietet sich der Kläger an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen
(343) oder stellt er ein alternatives Begehren auf Zuerkennung eine Geldsumme, so ist die in der Klage angegebene Geldsumme für die Beurtheilung der Zuständigkeit maßgebend.
In allen anderen Fällen, in welchen der Wert des nicht in einem Geldbetrage bestehenden Streitgegenstandes für die Bestimmung der Zuständigkeit von Belang ist, hat der Kläger diesen Wert in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen.
Bei der Bewertung des Streitgegenstandes sind die dem Kläger etwa obliegenden Gegenleistungen nicht in Abzug zu bringen.
§. 57. Bei Streitigkeiten, welche nur die Sicherstellung einer Forderung oder ein Pfandrecht zum Gegenstande haben, ist der Betrag der Forderung, oder wenn der Pfandgegenstand einen geringeren Wert hat, dessen Wert für die Bewertung des Streitgegenstandes maßgebend.
§. 58. Als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen ist bei immerwährender Dauer das Zwanzigfache, bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesammtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Falle mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen.
Ist das Bestehen eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag des auf die gesammte streitige Zeit fallenden Zinses der Bewertung zugrunde zu legen.
§. 59. Bei Klagen auf Vornahme von Arbeiten oder anderen persönlichen Leistungen, auf Duldung oder Unterlassung, auf Abgabe von Willenserklärungen ist die vom Kläger angegebene Höhe seines Interesses als Wert des Streitgegenstandes anzusehen.
§. 60. Erscheint bei einer Klage, welche bei einem Gerichtshofe erster Instanz angebracht wurde, die im Sinne des §. 56, Absatz 2 erfolgte Bewertung des Streitgegenstandes übermäßig hoch gegriffen, so kann das Gericht, wenn es zugleich wahrscheinlich ist, dass bei richtigerer Bewertung des Streitgegenstandes dieser die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes maßgebende Wertgrenze nicht erreichen dürfte, von amtswegen die ihm zur Prüfung der Richtigkeit der Wertangabe nöthig erscheinenden Erhebungen und insbesondere die Einvernehmung der Parteien, die Vornahme eines Augenscheines und, wenn es ohne erheblichen Kostenaufwand und ohne besondere Verzögerung geschehen kann, auch die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Dies kann erforderlichenfalls auch schon vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung geschehen.
Als Wert einer grund- und hauszinssteuerpflichtigen unbeweglichen Sache ist jener Betrag anzusehen, welcher als Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt.
Muss infolge der Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen die Streitsache von dem Gerichtshofe an das Bezirksgericht abgetreten werden, so hat der Kläger die durch diese Erhebungen und Beweisführungen entstandenen Kosten zu tragen oder zu ersetzen.
Außer dem in Absatz 1 bezeichneten Falle ist die in der Klage enthaltene Bewertung des Streitgegenstandes in Ansehung der Zuständigkeit sowohl für das Gericht als für den Gegner bindend.
Bestreitung der Zuständigkeit eines Civil-, Handels- oder bergrechtlichen Senates.
§. 61. Wenn in einer vor dem Civilsenate eines Kreis- oder Landesgerichtes verhandelten Rechtssache der Antrag auf Verweisung der Rechtssache vor den handels- oder bergrechtlichen Senat desselben Gerichtshofes gestellt wird (Einrede der Unzuständigkeit) und das Gericht dem Antrage noch vor Schluss der Verhandlung zur Hauptsache stattgeben zu müssen erachtet, kann es, sofern der Stand der Verhandlung eine solche Maßregel zweckmäßig erscheinen lässt, zugleich mit der Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede den Beschluss fassen, dass sofort an Stelle eines der Senatsmitglieder ein fachmännischer Beisitzer zu treten habe und die Verhandlung vor dem so veränderten Senate gleich durchzuführen sei.
Dasselbe kann vermittels Ersatzes des fachmännischen Beisitzers durch einen richterlichen Beamten geschehen, wenn die Unzuständigkeit des Handelssenates oder des zur Ausübung der Berggerichtsbarkeit berufenen Senates deshalb behauptet wird, weil die Rechtssache zur allgemeinen Gerichtsbarkeit gehört.
Die Entscheidung über die Einrede der Unzuständigkeit ist in diesen Fällen nicht besonders auszufertigen, sondern in die nach Schluss der Verhandlung zur Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen.
§. 62. Wird in den im §. 61. bezeichneten Fällen die Entscheidung über die Einrede der Unzuständigkeit
(344) vom Gerichte dem nach Schluss der Verhandlung zur Hauptsache ergehenden Ausspruche vorbehalten, so kann der Vorsitzende, je nachdem die Verweisung an einen Handels- oder bergrechtlichen Senat oder an einen Civilsenat begehrt wurde, einen fachmännischen Beisitzer oder einen richterlichen Beamten der Verhandlung als Ergänzungsrichter beiziehen. Wird sodann die Einrede der Unzuständigkeit von dem Senate, vor welchem die Verhandlung anberaumt war, auf Grund der Ergebnisse der Verhandlung als gerechtfertigt erkannt, so hat, sofern die vor einem Civilsenate verhandelte Rechtssache vor einem Handels- oder bergrechtlichen Senat gehört, der als Ergänzungsrichter beigezogene fachmännische Beisitzer zum Zwecke der Entscheidung der Hauptsache an Stelle eines der Mitglieder jenes Senates zu treten. Bei Rechtssachen, welche vor einen Civilsenat gehören, hat hingegen der richterliche Beamte, welcher als Ergänzungsrichter an der Verhandlung theilgenommen hat, an die Stelle des fachmännischen Beisitzers des ursprünglich zur Verhandlung berufenen Senates zu treten. Gegen diese Beschlüsse ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Die Veränderung in der Zusammensetzung des Senates und die Namen der Senatsmitglieder, welche an der Urtheilsfällung thatsächlich mitgewirkt haben, sind in diesem Falle bei der Verkündung der Entscheidung stets bekanntzugeben.
Dasjenige Mitglied des Senates, welches infolge der erhobenen Einrede der Unzuständigkeit vor der Entscheidung der Hauptsache kraft Gerichtsbeschlusses aus dem Senate ausschied, hat sich an der Berathung und Abstimmung über das Urtheil nicht zu betheiligen. Es ist jedoch verpflichtet, dem Vorsitzenden seine Meinung über die Entscheidung der Streitsache in besonderer schriftlicher Ausfertigung innerhalb drei Tagen bekanntzugeben. Dieses Votum ist dem Berathungsprotokolle beizulegen.
§. 63. Die Bestimmungen der §§. 61 und 62 sind auch anwendbar, sofern in einer bei einem selbständigen Handelsgerichte oder Handels- und Seegerichte angebrachten Rechtssache die Einrede der Unzuständigkeit deshalb erhoben wird, weil die Rechtssache vor das zur Ausübung der allgemeinen Gerichtsbarkeit berufene Kreis- und Landesgericht gehört.
Wenn ein Handelsgericht oder der Handels- oder bergrechtliche Senat eines Kreis- oder Landesgerichtes eine bei ihnen anhängig gewordene Rechtssache für eine Angelegenheit der allgemeinen Gerichtsbarkeit halten, sind die in den §§. 61 und 62 bezeichneten Maßnahmen von amtswegen einzuleiten.
§. 64. Wenn eine gemäß §. 62 unter Zuziehung eines Ergänzungsrichter gefällte Entscheidung wegen Unzuständigkeit des Gerichtes angefochten wird und die höhere Instanz der Ansicht ist, dass der Senat, vor welchem die Verhandlung anberaumt war, zur Entscheidung der Rechtssache thatsächlich zuständig gewesen wäre, so ist dennoch auf die Unzuständigkeit nicht weiter Bedacht zu nehmen, falls auch das vor der Endentscheidung aus dem Senate ausgeschiedene Mitglied nach Inhalt seines den Acten beiliegenden Votums die Rechtssache so entschieden hätte, wie es durch den angefochtenen Spruch geschehen ist.
Zweiter Abschnitt.
Örtliche Zuständigkeit.
Allgemeiner Gerichtsstand.
§. 65. Alle Klagen, für welche nicht ein besonderer Gerichtsstand bei einem anderen Gerichte begründet ist, sind bei dem sachlich zuständigen Bezirksgerichte oder Gerichtshofe erster Instanz anzubringen, bei welchem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
§. 66. Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch deren Wohnsitz bestimmt. Der Wohnsitz einer Person ist an dem Ort begründet, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen.
Wenn eine Person in den Sprengeln mehrerer Gerichte einen Wohnsitz hat, so ist für sie bei jedem dieser Gerichte ein allgemeiner Gerichtsstand begründet. Es steht in einem solchen Falle dem Kläger die Wahl frei, bei welchem der verschiedenen Gerichte er die Klage anbringen will.
§. 67. Für Personen, welche weder im Geltungsgebiete dieses Gesetzes, noch anderswo einen Wohnsitz haben, wird der allgemeinen Gerichtsstand durch den Ort ihres jeweiligen Aufenthaltes im Inlande begründet. Mangels eines solchen oder bei Unbekanntheit des inländischen Aufenthaltsortes können diese Personen wegen aller während ihres Aufenthaltes im Inlande begründeten oder hier zu erfüllenden Verbindlichkeiten bei dem Gerichte des letzten Wohnsitzes oder Aufenthaltes belangt werden, den sie im Inlande gehabt haben.
§. 68. Für die in activer Dienstleistung stehenden Personen des Heeres, der Kriegsmarine und der Landwehr, einschließlich aller bei der Militärverwaltung in activer Dienstleistung stehenden Militärpersonen, sowie endlich für die
(345) in activer Dienstleistung stehenden Personen der Gendarmerie gilt in Ansehung des Gerichtsstandes der Ort der Garnison als Wohnsitz.
Der hiedurch begründete Gerichtsstand dauert im Falle eines Wechsels der Garnison bis zum Eintreffen in eine neue Garnison fort.
Als Wohnsitz der Militärpersonen, welche sich nicht im Inlande befinden, gilt bei Ausmittlung des Gerichtsstandes der letzte inländische Garnisonsort des Militärkörpers, dem sie angehören, oder der letzte inländische Garnisonsort dieser Militärpersonen.
§. 69. Österreichische Staatsangehörige, welche sich in ständiger amtlicher Stellung als Beamte oder Diener des österreichischen Staates oder der österreichisch-ungarischen Monarchie außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes aufhalten, behalten den allgemeinen Gerichtsstand, den sie im Geltungsgebiete dieses Gesetzes hatten. Ist ein solcher nicht begründet oder doch nicht zu ermitteln, so ist für sie der allgemeine Gerichtsstand in Wien, und zwar im Sprengel desjenigen Bezirksgerichtes begründet, in welchem das k. und k. Ministerium des Äußeren seinen Sitz hat.
§. 70. Der allgemeine Gerichtsstand des Ehemannes ist auch der seiner Ehegattin, selbst wenn diese eine Pflegebefohlene ist, sofern die Ehe nicht gerichtlich geschieden oder getrennt oder durch den Tod des Mannes aufgehoben ist.
Wenn der Ehemann seinen Wohnsitz im Geltungsgebiete dieses Gesetzes aufgegeben, seine Gattin jedoch im Inlande zurückgelassen hat, so begründet ihr ständiger Aufenthalt für sie den allgemeinen Gerichtsstand insolange, als nicht der Ehemann wieder seinen Wohnsitz im Geltungsgebiete dieses Gesetzes nimmt.
§. 71. Den allgemeinen Gerichtsstand des Vaters theilen die seiner väterlichen Gewalt unterworfenen ehelich geborenen, legitimirten oder adoptirten Kinder; sie bleiben diesem Gerichtsstande auch nach dem Erlöschen oder Unwirksamwerden der väterlichen Gewalt so lange unterworfen, als sie das Recht zur freien Vermögensverwaltung nicht erlangt haben.
§. 72. Uneheliche Kinder unterstehen dem allgemeinen Gerichtsstande der Mutter; sie behalten diesen Gerichtsstand trotz des Todes der Mutter so lange fort, als sie das Recht zur freien Vermögensverwaltung nicht erlangt haben.
Kinder, die auf Kosten einer öffentlichen, zugleich zur gesetzlichen Vertretung dieser Kinder berufenen Anstalt in oder außerhalb derselben untergebracht sind, unterstehen für die Dauer dieser Versorgung dem allgemeinen Gerichtsstande dieser Anstalt.
§. 73. Der durch den Ort der Garnison bestimmte allgemeine Gerichtsstand einer Militärperson erstreckt sich auf deren Gattin und Kinder nur dann, wenn dieselben mit der Militärperson in gemeinschaftlichem Haushalte leben. Sonst wird der allgemeine Gerichtsstand für diese Personen durch den Ort ihres ständigen Aufenthaltes bestimmt.
Gleiches gilt hinsichtlich der Gattin und der Kinder der im §. 69 bezeichneten Personen.
§. 74. Der allgemeine Gerichtsstand des Ärars oder eines Landes wird durch den Sitz des öffentlichen Organes bestimmt, welches nach den hierüber geltenden Vorschriften das Ärar oder Land in der Streitsache zu vertreten berufen ist.
Der allgemeine Gerichtsstand einer Gemeinde richtet sich nach dem Sitze der Gemeindevorstehung.
§. 75. Sofern nichts anderes in allgemein verbindlicher Weise festgesetzt ist, bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand von offenen Handelgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Actiengsellschaften, Genossenschaften, Gewerkschaften, öffentlichen Fonden und Corporationen, Kirchen, Pfründen, Stiftungen, zu öffentlichen Zwecken bestehenden Anstalten, Vermögensmassen, Vereinen und anderen nicht zu den physischen Personen gehörigen Rechtsubjecten, welche nicht unter die Bestimmungen des §. 74 fallen, nach ihrem Sitze. Als Sitz gilt im Zweifel der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.
Hat für eines dieser Rechtssubjecte der Vertreter des Ärars oder eines Landes einzuschreiten oder untersteht dasselbe der Verwaltung einer Gemeinde, so ist der allgemeine Gerichtsstand nach den Bestimmungen des §. 74 zu beurtheilen,
Besondere Gerichtsstände.
1. Ausschließliche.
Ehesachen.
§. 76. Klagen auf Scheidung, Trennung oder Ungiltigerklärung einer Ehe, sowie Klagen wegen aller nicht rein vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem
(346) ehelichen Verhältnisse gehören vor das Gericht, in dessen Sprengel die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten.
Verlassenschaftsangelegenheiten.
§. 77. Der Gerichtsstand für Klagen, durch welche Erbrechte oder Ansprüche aus Vermächtnissen oder sonstigen Verfügungen auf den Todesfall geltend gemacht werden, sowie für Klagen der Nachlassgläubiger aus Ansprüchen an den Erblasser oder an den Erben als solchen bestimmt sich, solange die Einantwortung des Nachlasses nicht erfolgt ist, nach dem Sitze des Gerichtes, bei welchem die Nachlassabhandlung anhängig ist.
Klagen, welche die Theilung der Erbschaft zum Gegenstande haben, gehören vor das Gericht, bei welchem die Nachlassabhandlung anhängig ist. Dieser Gerichtsstand bleibt auch nach rechtskräftiger Einantwortung des Nachlasses bestehen.
Fideicommiss- und Lehenangelegenheiten.
§. 78. Die den Gerichtshöfen erster Instanz zugewiesenen Klagen in Fideicommissangelegenheiten gehören vor den Gerichtshof, von welchem die Gerichtsbarkeit in den nicht streitigen Angelegenheiten des Fideicommisses in erster Instanz ausgeübt wird.
Klagen in Lehenangelegenheiten, für welche nicht der im §. 77 bezeichnete Gerichtsstand eintritt, sind, wenn das Lehen ein landesfürstliches ist und der Lehensherr an dem Streite theilnimmt, bei dem Gerichtshofe erster Instanz, in dessen Sprengel die Lehenstube ihren Sitz hat, außer diesem Fall aber bei demjenigen Gerichtshofe erster Instanz anzubringen, in dessen Sprengel das Lehen gelegen ist.
Klagen von Richtern und gegen Richter.
§. 79. Klagen gegen Personen, die bei dem nach den Bestimmungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Bezirksgerichte als Einzelrichter in Verwendung stehen, gehören vor das Kreis- oder Landesgericht, in dessen Sprengel sich das Bezirksgericht befindet. Klagen gegen den Vorsteher eines Gerichtshofes erster Instanz, welche vor diesen Gerichtshof oder vor ein im Sprengel desselben gelegenes Bezirksgericht gehören würden, sind bei einem der Gerichtshöfe erster Instanz anzubringen, deren Sprengel an den jenes ersten Gerichtshofes unmittelbar angrenzt.
Dieselben Vorschriften haben zur Anwendung zu kommen, wenn ein Einzelrichter eine Klage erhebt, für welche an sich das Bezirksgericht, bei dem er zur Zeit thätig ist, zuständig wäre, oder wenn der Vorsteher eines Gerichtshofes erster Instanz in einer Rechtssache als Kläger antritt, welche durch die Bestimmungen dieses Gesetzes dem Gerichtshofe, dem er vorsteht, oder einem Bezirksgerichte im Gerichtshofsprengel zugewiesen ist.
Ersatzklagen wegen der von richterlichen Beamten zugefügten Rechtsverletzungen.
§. 80. Der Gerichtsstand für Klagen zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen der von richterlichen Beamten in Ausübung ihrer amtlichen Wirksamkeit zugefügten Rechtsverletzungen bestimmt sich nach dem Sitze des Gerichtes, von welchem oder von dessen Bestellten die Rechtsverletzung verursacht wurde.
Streitigkeiten um unbewegliches Gut.
§. 81. Klagen, durch welche ein dingliches Recht auf ein unbewegliches Gut, die Freiheit von einem solchen Rechte oder die Aufhebung desselben geltend gemacht wird, Theilungs-, Grenzberichtigungs- und Besitzstörungsklagen gehören vor das Gericht, in dessen Sprengel das unbewegliche Gut gelegen ist.
Betrifft die Klage eine Grunddienstbarkeit oder Reallast, so ist die Lage des dienenden oder belasteten Grundstückes entscheidend.
Wasserrechts–Besitzstörungsstreitigkeiten.
§. 82. Streitigkeiten wegen Störung des Besitzes (§. 49, Z. 4) an Wasserrechten gehören vor das Gericht, in dessen Sprengel die Störung erfolgte.
Bestandstreitigkeiten.
§.83. Die im §. 49, Z. 5, bezeichneten Bestandstreitigkeiten gehören vor dasjenige Gericht, in dessen Sprengel der Bestandgegenstand liegt.
Dieses Gericht ist auch zur Erlassung der in §. 49, letzter Absatz, angeführten Verfügungen und Aufträge in Bestandsachen zuständig.
Lage der Sache in verschiedenen Sprengeln.
§. 84. Ist eine Sache in den Sprengeln mehrerer Gerichte gelegen, so hat in allen Fällen, in welchen die Lage der Sache für die Bestimmungen des Gerichtsstandes maßgebend ist, der Kläger die Wahl, bei welchem dieser Gerichte er die Klage anbringen wolle.
(347) Gleiches gilt, wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke zweifelhaft ist, welches von mehreren Gerichten als das nach dem Orte der gelegenen Sache zuständige anzusehen ist.
Wenn in einer Klage mehrere Ansprüche verbunden werden, welche nach den vorstehenden Bestimmungen mit Rücksicht auf die Lage der Sache, auf welche sie sich beziehen, vor verschiedene Gerichte gehören würden, so kann diese Klage nach Wahl des Klägers bei jedem dieser Gerichte erhoben werden.
Exterritoriale Personen.
§. 85. Die Vorschriften über den ausschließlichen Gerichtsstand der gelegenen beweglichen Sache (§. 81), sowie über die in §§. 82 und 83 bezeichneten Gerichtsstände finden auch auf exterritoriale Personen und auf diejenigen Personen Anwendung, welche ihren Gerichtsstand vor dem Obersthofmarschallamte haben.
2. Wahlgerichtsstände.
Gerichtsstand des Ortes der Beschäftigung.
§. 86. Personen, welche sich unter Umständen die ihrer Natur nach auf einen Aufenthalt von längerer Dauer hinweisen, insbesondere als Dienstboten, Hand- oder Fabriksarbeiter, Gewerbegehilfen oder Lehrlinge, als Studirende oder Schüler an einem Orte aufhalten und processfähig sind, können wegen vermögensrechtlicher Ansprüche bei dem Gerichte des Aufenthaltsortes geklagt werden.
Diese Bestimmungen findet auch auf Militärpersonen, welche selbständig einen Wohnsitz nicht begründen können, in der Art Anwendung, dass an die Stelle des Gerichtes des Aufenthaltsortes das Gericht des Garnisonsortes (§. 68) tritt.
Gerichtsstand der Niederlassung.
§. 87. Wenn Inhaber von Bergwerken, Fabriken, Handels- oder gewerblichen Unternehmungen außerhalb des Sitzes des Unternehmens besondere Niederlassungen haben, so kann gegen sie in streitigen Rechtssachen, die sich auf diese Niederlassungen beziehen, bei dem Gerichte des Ortes geklagt werden, an dem sich die Niederlassung befindet.
Personen, welche ein mit Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden versehenes Gut als Eigenthümer, Nutznießer oder Pächter bewirtschaften oder durch von ihnen Bestellte bewirtschaften lassen, können aus allen, auf die Bewirtschaftung des Gutes sich beziehenden Rechtsverhältnissen bei dem Gerichte geklagt werden, in dessen Sprengel das Gut gelegen ist.
Gerichtsstand des Erfüllungsortes.
§. 88. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vertrages, auf Erfüllung oder Aufhebung desselben, sowie auf Entschädigung wegen Nichterfüllung oder wegen nicht gehöriger Erfüllung, können bei dem Gerichte des Ortes erhoben werden, an welchem der Vertrag nach schriftlicher Übereinkunft der Parteien vom Beklagten zu erfüllen ist; in derselben muss enthalten sein, dass durch die Begründung des Erfüllungsortes auch die Berechtigung zur Klage an diesem Orte begründet ist.
Unter Personen, welche ein Handelsgewerbe betreiben, wird der Gerichtsstand des Erfüllungsortes auch durch die unbeanständet (!) gebliebene Annahme einer zugleich mit der Ware oder schon vor Einlangen derselben übersendeten Factura begründet, welche mit dem Vermerke versehen ist, dass die Zahlung an einem bestimmten Orte zu leisten ist und dass an demselben Orte die Klagen aus dem Geschäfte angebracht werden können.
§. 89. Aus einem Wechsel verpflichtete Personen können vom Inhaber des Wechsels bei dem Gerichte des Zahlungsortes belangt werden.
§. 90. Streitigkeiten aus der Schiffsmiete, aus dem Dienstverhältnisse der Schiffsmannschaft und aus Seefrachtgeschäften können auch bei dem Gerichte des Ortes angebracht werden, in welchem sich der Beklagte aufhält, wo die Ware abgeliefert werden soll, wo der Transport des Reisenden zu beendigen ist oder wo die Reise abgebrochen wird.
Gerichtsstand der belasteten Sache.
§. 91. Bei dem nach §. 81 zuständigen Gerichte kann mit der Klage zur Geltendmachung des Pfandrechtes die Klage auf Zahlung der pfandrechtlich versicherten Forderung, mit der Klage auf Aufhebung (Löschung) des Pfandrechtes die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der pfandrechtlich versicherten Forderung verbunden werden, wenn beide Klagen wider denselben Beklagten gerichtet sind.
Klagen auf die aus einer Reallast rückständigen Leistungen können gegen den Besitzer des belasteten Grundstückes bei dem Gerichte erhoben werden, in dessen Sprengel das belastete Grundstück gelegen ist.
Gerichtsstand für Besitzstörungsstreitigkeiten,
§. 92. Besitzstörungsklagen (§.49, Z. 4) können, sofern sie nicht eine unbewegliche Sache betreffen, bei dem
(348) Gerichte angebracht werden, in dessen Sprengel die Störung erfolgte.
Gerichtsstand der Streitgenossenschaft.
§. 93. Mehrere Personen, welche ihren allgemeinen Gerichtsstand vor verschiedenen Gerichten haben, können als Streitgenossen, soferne nicht für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist, vor jedem inländischen Gerichte geklagt werden, bei welchem einer der Streitgenossen, oder wenn sich unter ihnen Haupt- und Nebenverpflichtete befinden, einer der Hauptverpflichteten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Aus einem Wechsel verpflichtete Personen können als Streitgenossen beim Gerichte des Zahlungsortes geklagt werden.
Gerichtsstand des Hauptprocesses.
§. 94. Klagen, womit ein Anspruch auf eine Sache oder ein Recht geltend gemacht wird, über welchen zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig ist (Hauptintervention), können bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Processes bei demselben Gerichte angebracht werden.
Klagen der Process- und Zustellungsbevollmächtigten wegen Gebüren und Auslagen können beim Gerichte des Hauptprocesses angebracht werden.
§. 95. Die in den §§. 91 und 94 bezeichneten Klagen können bei den daselbst benannten Gerichten auch dann angebracht werden, wenn diese Gerichte in Gemäßheit der über die sachliche Zuständigkeit geltenden Bestimmungen zur Entscheidung über den mittels Klage geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruch an sich nicht zuständig wären.
Gerichtsstand der Widerklage.
§. 96. Bei dem Gerichte der Klage kann eine Widerklage angebracht werden, wenn der mit letzterer geltend gemachte Anspruch mit dem Anspruche der Klage im Zusammenhange steht oder sich sonst zur Compensation eignen würde, ferner wenn die Widerklage auf Feststellung eines im Laufe des Processes streitig gewordenen Rechtsverhältnisses oder Rechtes gerichtet ist, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Theile abhängt.
Der Gerichtsstand der Widerklage tritt nicht ein, wenn die Zuständigkeit des Gerichtes für den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch oder für eine derartige Feststellungsklage auch durch Vereinbarung der Parteien nicht begründet werden könnte, oder wenn zur Zeit der Anbringung der Widerklage die mündliche Verhandlung über die Klage in erster Instanz bereits geschlossen ist.
Gerichtsstand des früheren Wohnsitzes.
§. 97. Handwerker, Kleinverschleißer, Wirte, Schiffer, Fuhrleute und sonstige Gewerbetreibende, ferner Gesellen, Gehilfen, Dienstleute und sonstige Arbeiter um Lohn können wegen ihrer Forderungen für gelieferte Erzeugnisse und Waren, für geleistete Dienste und Arbeiten innerhalb neunzig Tagen von der Zeit der letzten Lieferung oder Leistung bei dem nach dem früheren Wohnsitze des Abnehmers oder Arbeitgebers zuständigen Gerichte klagen, wenn letzterer mittlerweile seinen Wohnsitz in einen anderen Gerichtsbezirk verlegt hat.
Ein Gleiches steht den Privatlehrern in Betreff ihres Entlohnungsanspruches zu.
Gerichtsstand der Schiffer und der Schiffsmannschaft.
§. 98. Gegen Schiffer und Personen der Schiffsmannschaft können Forderungen der im §. 97 bezeichneten Art auch dann bei dem nach dem jeweiligen Aufenthalte des Beklagten zuständigen Gerichte geltend gemacht werden, wenn derselbe an einem anderen Orte seinen Wohnsitz hat.
Gerichtsstand des Vermögens.
§. 99. Gegen Personen, welche im Inlande keinen Wohnsitz haben, kann wegen vermögensrechtlicher Ansprüche bei jedem Gerichte innerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes Klage angebracht werden, in dessen Sprengel sich Vermögen dieser Personen oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand selbst befindet.
Bei Forderungen gilt der Wohnsitz des Drittschuldners als der Ort, an welchem sich das Vermögen befindet. Hat der Drittschuldner im Inlande keinen Wohnsitz, befindet sich jedoch eine Sache, welche für diese Forderung zur Sicherheit haftet, im Inlande, so ist der Ort, wo diese Sache gelegen ist, für die Bestimmung des Gerichtsstandes maßgebend.
Ausländische Anstalten, Vermögensmassen, Gesellschaften, Genossenschaften und andere Personenvereine können überdies auch bei dem inländischen Gerichte geklagt werden, in dessen Sprengel sich ihre ständige Vertretung für das Inland oder ein mit der Besorgung der Geschäfte solcher Anstalten und Gesellschaften betrautes Organ befindet.
(349) Für Streitigkeiten, welche sich auf Seeschiffe und Seefahrten beziehen, gilt der im Inlande gelegene Heimatshafen des betreffenden Seeschiffes als der Ort, an welchem sich das Vermögen befindet.
Subsidiärer Gerichtsstand für Klagen aus dem Ehe- oder Elternverhältnisse.
§. 100. Klagen gegen einen österreichischen Staatsangehörigen auf gerichtliche Scheidung, Trennung oder Ungiltigerklärung einer Ehe und andere Klagen wegen nicht rein vermögensrechtlicher Streitigkeiten aus dem ehelichen oder Elternverhältnisse können, wenn im Inlande hiefür weder ein allgemeiner, noch ein besonderer Gerichtsstand begründet ist, entweder bei dem allgemeinen Gerichtsstande des Klägers, oder wenn auch für diesen ein solcher im Inlande nicht begründet ist, bei dem Landesgerichte in Wien angebracht werden.
Gerichtsstand der Gegenseitigkeit für Klagen gegen Ausländer.
§. 101. Wenn in einem anderen Staatsgebiete gegen österreichische Staatsangehörige in bürgerlichen Rechtssachen Klagen vor Gerichten zugelassen werden, welchen nach dem gegenwärtigen Gesetze für derlei Rechtssachen überhaupt keine oder nur eine beschränkte Zuständigkeit zukommen würde, so ist ein gleicher Gerichtsstand gegen die Angehörigen jenes Staatsgebietes auch bei den inländischen Gerichten begründet.
Mehrheit von Gerichtsständen.
§. 102. Unter mehreren zuständigen Gerichten hat der Kläger die Wahl; dieselbe ist mit der Zustellung der Klage an den Beklagten vollzogen.
Mehrheit von Bezirksgerichten an einem Orte.
§. 103. Ist jemand bei dem Bezirksgerichte an einem Orte zu klagen, wo mehrere Bezirksgerichte bestellt sind, so ist die Klage bei demjenigen Bezirksgerichte anzubringen, in dessen Sprengel der Beklagte seinen Wohnsitz oder mangels eines solchen seinen Aufenthalt hat. Wenn hingegen der Beklagte an diesem Orte sich nicht wirklich aufhält, so hat der Kläger zwischen den mehreren Bezirksgerichten die Wahl (§. 102).
Für Rechtssachen, welche den Bezirksgerichten für Handels- und Seesachen zugewiesen sind, gilt diese Vorschrift insofern, als sich an demselben Orte mehrere Bezirksgerichte für Handels- und Seesachen befinden.
Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte.
§. 104. Die Parteien können sich einem an sich unzuständigen Gerichte erster Instanz durch ausdrückliche Vereinbarung unterwerfen. Die Vereinbarung muss dem Gerichte schon in der Klage urkundlich nachgewiesen werden.
Die Vereinbarung hat nur dann rechtliche Wirkung, wenn sie sich auf einen bestimmten Rechtsstreit oder auf die aus einem bestimmten Rechtsverhältnisse entspringenden Rechtsstreitigkeiten bezieht. Jedoch können Angelegenheiten, welche dem Wirkungskreise der ordentlichen Gerichte überhaupt entzogen sind, durch solche Vereinbarung nicht vor diese Gerichte, Rechtssachen, welche vor ein Bezirksgericht gehören, nicht vor einen Gerichtshof erster Instanz, Rechtssachen der allgemeinen Gerichtsbarkeit nicht vor ein Handelsgericht, Handels- und Seegericht, oder vor einen Handels- und bergrechtlichen Senat und endlich ausschließlich den Gerichtshöfen erster Instanz zugewiesene Streitigkeiten nicht vor ein Bezirksgericht gebracht werden.
Ein an sich unzuständiges Gericht wird insoweit, als dasselbe durch Übereinkommen der Parteien zuständig gemacht werden kann, auch dadurch zuständig, dass der Beklagte, ohne rechtzeitig die Einwendung der Unzuständigkeit erhoben zu haben, in der Hauptsache mündlich verhandelt.
Dritter Theil.
Von der Gerichtsbarkeit in Geschäften außer Streitsachen.
Verlassenschaftsabhandlungen.
§. 105. Zur Abhandlung von Verlassenschaften ist das Bezirksgericht, wenn sich aber in der Verlassenschaft landtäfliche oder aus dem Gemeindeverbande ausgeschiedene Güter oder Lehen befinden, das Kreis- oder Landesgericht berufen, bei dem der Verstorbene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hatte.
§. 106. Ist ein österreichischer Staatsangehöriger im Auslande gestorben, so ist zur Abhandlung seiner Verlassenschaft das Gericht, bei welchem der Verstorbene seinen letzten allgemeinen Gerichtsstand im Inlande hatte, oder wenn sich dieser nicht ausmitteln lässt, das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die in die Verlassenschaft gehörigen unbeweglichen Güter ganz oder zum größeren Theile, und wenn er bloß
(350) bewegliches Vermögen besessen hat, der größere Theil des im Inlande befindlichen beweglichen Vermögens gelegen ist. Gehören landtäfliche oder aus dem Gemeindeverbande ausgeschiedene Güter oder Lehen zur Verlassenschaft, so sind die Bestimmungen des §. 105 entsprechend anzuwenden.
§. 107. Rücksichtlich der im Geltungsgebiete dieses Gesetzes gelegenen unbeweglichen Güter eines verstorbenen Ausländers kommt die Verlassenschaftsabhandlung dem Bezirksgerichte oder, wenn diese Güter oder ein Theil derselben in einer Landtafel eingetragen oder aus dem Gemeindeverbande ausgeschieden sind, dem Kreis- oder Landesgerichte zu, in dessen Sprengel diese unbeweglichen Güter ganz oder ihrem größeren Theile nach gelegen ist.
§. 108. Wenn nach den darüber bestehenden gesetzlichen Vorschriften die Abhandlung über den beweglichen Nachlass eines verstorbenen Ausländers von einem im Geltungsgebiete dieses Gesetze befindlichen Gerichte zu pflegen ist, so ist hiefür das Bezirksgericht zuständig, bei dem der Ausländer seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte; wenn sich dieser aber nicht ermitteln lässt, das Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich der größere Theil des hinterlassenen beweglichen Vermögens befindet.
Vormundschaft und Curatel.
§. 109. Zur Bestellung des Vormundes oder Curators und zur Besorgung aller Geschäfte, welche der Vormundschafts- und Curatelsbehörde obliegen, ist das Bezirksgericht berufen, bei welchem der Minderjährige oder Pflegebefohlene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitssachen hat. Ist für einen Ausländer, für den im Inlande ein allgemeiner Gerichtsstand nicht begründet ist, ein Vormund oder Curator zu bestellen, so ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der Ausländer seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat.
Doch ist die Entscheidung über die Beschlüsse der Bezirksgerichte, durch welche die Verlängerung der väterlichen Gewalt oder Vormundschaft oder die Verhängung oder Aufhebung einer Curatel wegen Wahn- und Blödsinnes oder wegen Verschwendung bewilligt oder verweigert werden soll, sowie die Entscheidung über die Beschlüsse der Bezirksgerichte, durch welche Adoptionsgesuche definitiv erledigt werden oder durch welche die Bewilligung zum Ansuchen um Legitimation durch landesfürstliche Begünstigung oder die Genehmigung der Veräußerung unbeweglicher Sachen der Minderjährigen oder Pflegebefohlenen ertheilt oder verweigert werden soll, dem Kreis- oder Landesgerichte vorbehalten, in dessen Sprengel das zuständige Bezirksgericht gelegen ist. Das Bezirksgericht hat in diesem Falle dem Gerichtshofe erster Instanz noch vor Ausfertigung des bezirksgerichtlichen Beschlusses die Acten über die gepflogene Verhandlung zu übersenden.
§. 110. Als Vormundschafts- oder Curatelsbehörde über die minderjährigen Kinder solcher Erblasser, in deren Nachlasse sich landtäfliche Güter oder aus dem Gemeindeverbande ausgeschiedene Gutsgebiete befinden, und über Mündel und Pflegebefohlene überhaupt, welche solche Güter oder Gutsgebiete besitzen, ist dasjenige Kreis- oder Landesgericht zuständig, vor welchem der Minderjährige oder Pflegebefohlene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat.
Diese Zuständigkeit tritt auch dann ein, wenn Mündel und Pflegebefohlene landtäfliche Güter oder aus dem Gemeindeverbande ausgeschiedene Gutsgebiete erst erwerben, nachdem bereits ein Bezirksgericht seine Gerichtsbarkeit als Vormundschafts- oder Curatelsbehörde auszuüben angefangen hat. Die Übertragung an das zuständig gewordene Kreis- oder Landesgericht hat auf Anzeige des Vormundes oder Curators oder von amtswegen zu erfolgen.
§. 111. Wenn dies im Interesse eines Mündels oder Pflegebefohlenen gelegen erscheint, und namentlich wenn dadurch die wirksame Handhabung des den Pflegebefohlenen zugedachten vormundschafts- oder curatelsbehördlichen Schutzes voraussichtlich befördert wird, kann das zur Besorgung der vormundschafts- oder curatelsbehördlichen Geschäfte zuständige Gericht von amtswegen oder auf Antrag die Aussicht und Fürsorge über die Person des Pflegebefohlenen oder die Ausübung der dem Gerichte in Ansehung der Vermögensangelegenheiten des Pflegebefohlenen zukommenden Obliegenheiten ganz oder zum Theile einem anderen Gerichte gleicher Gattung übertragen.
Ein solcher Beschluss bedarf der vorgängigen Genehmigung des dem zuständigen Gerichte vorgesetzten Oberlandesgerichtes, wenn aber die Übertragung an ein Gericht eines anderen Oberlandesgerichtssprengels oder an ein ausländisches Gericht stattfinden soll, der Genehmigung des Obersten Gerichtshofes. Ein solcher Beschluss ist für das um die Ausübung der vormundschafts- oder curatelsbehördlichen Geschäften ersuchte inländische Gericht bindend.
Für die Ausfertigung des Ersuchens gelten die Bestimmungen des §. 36, letzter Absatz.
(351) §. 112. Welche Gerichte zur Bestellung eines Curators für einzelne Streitsachen oder Geschäfte berufen sind, ist nach den für einzelne Fälle von Curatelen erlassenen besonderen Vorschriften, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes und endlich nach den für das gerichtliche Verfahren geltenden Bestimmungen zu beurtheilen.
In Ermanglung einer anderweitigen Vorschrift ist für die Bestellung eines Curators das Bezirksgericht zuständig, bei welchem die um die Bestellung eines Curators ansuchende Partei zur Zeit des Ansuchens ihren allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat.
Legitimation unehelicher Kinder.
§. 113. Sofern bei einer Annahme an Kindesstatt oder bei einer Legitimation unehelicher Kinder das Gericht mitzuwirken hat, ist hiezu, wenn für die zu adoptirende oder legitimirende Person bereits ein Vormund oder Curator bestellt ist, die Vormundschafts- oder Curatelbehörde, sonst aber das Bezirksgericht zuständig, bei dem der Wahlvater, die Wahlmutter oder der Vater des zu legitimirenden unehelichen Kindes den allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat.
Soll nach dem Tode des Vaters die Behebung oder die schuldlose Unwissenheit des Ehehindernisses (§. 160 a. b. G. B.) oder die Vaterschaft zu einem außer der Ehe geborenen Kinde behufs Legitimation desselben durch nachfolgende Ehe (§. 161 a. b. G. B.) festgestellt werden, so ist hiezu, wenn für die zu legitimirende Person bereits ein Vormund oder Curator bestellt ist, die Vormundschafts- oder Curatelbehörde, sonst aber das Bezirksgericht zuständig, bei dem die zu legitimirende Person ihren allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat.
Einverständliche Scheidung und Trennung.
§. 114. Zur Bewilligung der einverständlichen Scheidung, sowie der Trennung nach §. 133 a. b. G. B. ist das Bezirksgericht berufen, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Die Anzeige der Wiedervereinigung geschiedener Ehegatten kann beim Gerichte, welches die Scheidung auf Ansuchen der Ehegatten bewilligt hat, oder bei dem Bezirksgerichte gemacht werden, in dessen Sprengel sich der gemeinschaftliche Wohnsitz der Ehegatten zur Zeit der Anzeige befindet. Letzterenfalls ist in der Anzeige zum Zwecke entsprechender Verständigung das Gericht zu bezeichnen, von welchem die Scheidung bewilligt wurde.
Amortisirung von Urkunden.
§. 115. Aufforderungen zum Zwecke der Amortisirung von Staatsobligationen und der denselben gleichgeachteten Creditpapiere sind bei demjenigen Gerichtshofe erster Instanz zu beantragen, an dessen Amtssitze die bezüglichen Creditbücher geführt werden.
Für die Amortisirung von abhanden gekommenen Wechseln, sowie von Urkunden, deren Amortisirung sich zufolge gesetzlicher Vorschrift nach Artikel 73 der Wechselordnung zu richten hat, ist das Handelgericht (Handelssenat des Kreis- oder Landesgerichtes) des Zahlungsortes zuständig.
Der Gerichtsstand zur Einleitung und Bewilligung der Amortisirung aller anderen Urkunden ist nach den darüber erlassenen besonderen Bestimmungen zu beurtheilen.
In Ermanglung einer anderweitigen Vorschrift ist für das Amortisirungsverfahren und die Bewilligung der Amortisirung das Bezirksgericht zuständig, bei welchem die um Amortisirung ansuchende Partei zur Zeit des Ansuchens ihren allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat.
Fideicommiss-Angelegenheiten.
§. 116. Bei Verhandlungen in nichtstreitigen Fideicommiss–Angelegenheiten einschließlich der Abhandlung des Fideicommissvermögens bei Todesfällen der Besitzer, der Erklärung über die erfolgte Erlöschung des Fideicommisses und der Bewilligung zu dessen Auflösung hat, soferne nicht in den genehmigten Fideicommissstatuten bezüglich der einzelnen Fideicommisse eine andere Fideicommisinstanz bestimmt ist, dasjenige Kreis- oder Landesgericht einzuschreiten, vor welchem der Stifter des Fideicommisses zur Zeit seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. Dagegen hat in Bezug auf Fideicommisse, welche schon vor Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes errichtet wurden, derjenige Gerichtshof einzuschreiten, welcher bisher zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in nichtstreitigen Fideicommissangelegenheiten zuständig war.
Wenn das Fideicommiss durch den Tod des letzten Besitzers erlischt, hat zwar die Verlassenschaftsbehörde des Verstorbenen die Abhandlung zu pflegen, die auf das Fideicommissband bezügliche Erklärung aber, dass das Fideicommiss erloschen sei, steht auch in dem Falle, als das Fideicommissgericht nicht zugleich Abhandlungsbehörde ist, dem Fideicommissgerichte zu.
Realangelegenheiten.
§. 117. Die Vornahme aller Realacte, als insbesondere eines Augenscheines und Sachverständigenbefundes,
(352) einer Inventur, Schätzung, Feilbietung, Einführung eines Verwalters kommt, soferne nicht bezüglich einzelner Acte oder bestimmter Verfahren etwas anderes angeordnet ist, den Bezirksgerichten, wenn aber derlei Realacte in Bezug auf landtäfliche oder Lehengüter oder aus dem Gemeindeverbande ausgeschiedene Gutsgebiete vorzunehmen sind, dem Kreis- oder Landesgerichte zu, in dessen Sprengel sich die Sache befindet.
Führung der öffentlichen Bücher.
§. 118. Zur Führung der öffentlichen Bücher über unbewegliche Güter, für welche die Vorschriften des allgemeinen Grundbuchgesetzes (!) gelten, sind berufen:
1. in Ansehung jener Güter, welche bisher einen Gegenstand der Land- und Lehentafeln ausgemacht haben, der Gerichtshof erster Instanz an dem Orte, wo die Land- und Lehentafel sich befindet;
2. in Ansehung der unbeweglichen Güter im Umkreise der Städte, in welchen ein Gerichtshof erster Instanz seinen Sitz hat, der daselbst befindliche Gerichtshof erster Instanz;
3. in Ansehung aller übrigen unbeweglichen Güter das Bezirksgericht, in dessen Sprengel dieselben ganz oder ihren Hauptbestandtheilen nach gelegen sind.
Für die Führung der öffentlichen Bücher über die im Gemeindegebiete von Wien gelegenen unbeweglichen Güter bleiben bis auf weitere Anordnung die bestehenden Vorschriften in Geltung.
Aufkündigung von Hypothekarforderungen.
§. 119. Die gerichtliche Aufkündigung einer
Hypothekarforderung (§. 59 allgemeines Grundbuchsgesetz) hat stets bei dem
Grundbuchsgerichte zu erfolgen.
Bestätigungen über die Führung der Handelsbücher.
§. 120. Zur Ertheilung von Bestätigungen über die gesetzmäßige Beschaffenheit der Handelsbücher ist, wenn die Bücher an einem Orte geführt werden, an welchem ein Handelsgericht oder ein Kreis- oder Landesgericht seinem Sitz hat, dieser Gerichtshof, sonst aber das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die Handelsbücher geführt werden.
Beglaubigung von Unterschriften und Abschriften, und Aufnahme letztwilliger Anordnungen.
§. 121. Die Beglaubigung von Unterschriften, die Vidimirung von Abschriften und die gerichtliche Aufnahme letztwilliger Anordnungen können von jedem Bezirksgerichte vorgenommen werden.
Mehrheit von Bezirksgerichten an einem Orte.
§. 122. Sind die zur nicht streitigen Gerichtsbarkeit gehörigen Rechtssachen bei dem Bezirksgerichte an einem Orte anzubringen, für welchen mehrere Bezirksgerichte bestellt sind, so wird das zuständige Gericht durch den Wohnsitz oder mangels eines solchen durch den Aufenthalt der Person bestimmt, deren allgemeiner Gerichtsstand in Streitsachen für die Zuständigkeit entscheiden soll. In Ermanglung eines solchen Wohnsitzes oder Aufenthaltes kann die Rechtssache bei jedem der an dem Orte befindlichen Bezirksgerichte anhängig gemacht werden.
Ischl, den 1. August 1895.
Franz Joseph m. p.
Kielmansegg m. p. Krall m. p.
(353) Inhaltsverzeichnis.
Erster Theil.
Von der Gerichtsbarkeit im allgemeinen. §§. 1-48
Erster Abschnitt.
Gerichte und gerichtliche Organe. §§. 1-18 333
Zweiter Abschnitt.
Ablehnung von Richtern und anderen gerichtlichen Organen. §§. 19-27 336
Dritter Abschnitt.
Zuständigkeit. §§. 28-48 337
Zweiter Theil.
Von der Gerichtsbarkeit in Streitsachen. §§. 49 bis 104
Erster Abschnitt.
Sachliche Zuständigkeit. §§. 49-64 341
Zweiter Abschnitt.
Örtliche Zuständigkeit. §§. 65-104 344
Dritter Theil.
Von der Gerichtsbarkeit in Geschäften außer Streitsachen. §§. 105-122 349