Der Kampf um das Recht

Vortrag des Hofrates Professor Jhering

Gehalten in der Wiener Juristischen Gesellschaft
am 11. März 1872*

Meine hochverehrten Herren!

Wenn ich meinen Vortrag mit der Bemerkung eröffne, daß
ich ein gewisses Gefühl der Befangenheit nicht bemeistern
kann, so bin ich allerdings gefaßt darauf, daß dies bei man-
chen Herren einem ungläubigen Lächeln begegnen wird;
ich würde dasselbe für vollkommen berechtigt halten, wenn
ich mir ein Thema erwählt hätte, das ich gewohnt bin, seit
Jahren zu behandeln; und in der Tat, wenn ich noch im
jetzigen Momente die Wahl hätte, ein Thema aus den
Pandekten, aus der römischen Rechtsgeschichte oder ähn-
liches zu wählen, ich würde es tun. Ich habe mich aber,
meine Herren, bei der Wahl des Themas von einem
anderen Gesichtspunkte leiten lassen, ich habe geglaubt,
aus Rücksicht gegen Sie schuldig zu sein, ein Thema zu
wählen, das meines Wissens bisher weder von anderen
behandelt wurde, noch habe ich es selber bisher be-
handelt, und zugleich ein Thema, über das einem jeden
von Ihnen ein Urteil freisteht, ein Thema, das, ich möchte
sagen, aus den Grenzen der Jurisprudenz hinausfällt,
über das einem Laien ebenso ein Urteil zusteht als dem
Juristen.

Ich habe das Thema bezeichnet als „Der Kampf um das
Recht" und bin vielleicht in der überglücklichen Lage, ein
Thema hinzustellen, über dessen Inhalt Sie sich gar keine
Vorstellungen machen können.

Nach stenografischer Aufzeichnung.


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Unsere gewöhnlich herrschende Vorstellung pflegt den
Begriff des Rechtes an die Vorstellung des Friedens, der
Ruhe, der Ordnung zu knüpfen, und diese Vorstellung ist
in der Tat nach einer Seite hin vollkommen berechtigt; sie
ist ebenso berechtigt, sie ist ebenso wahr wie die Vorstel-
lung des Eigentums als Mittel des Genusses. Aber dieser
Seite entspricht eine andere. Beim Eigentum ist die Kehr-
seite des Genusses die Arbeit, und beim Rechte ist die Kehr-
seite des Friedens und der Ruhe der Kampf. Nach Verschie-
denheit der Lebensstellung, ja ich möchte sagen, nach Ver-
schiedenheit der historischen Zeitalter, tritt bei beiden Be-
griffen bald die eine, bald die andere Seite mehr hervor.

Dem reichen Erben, der sein Eigentum mühelos erwor-
ben hat, dem ist Eigentum nicht Arbeit, Eigentum ist ihm
Genuß; aber dem Arbeiter, der täglich erinnert wird an die
Mühseligkeit des Erwerbes, dem ist Eigentum Arbeit.

Und so ist's auch beim Rechtsbegriffe. Dem Laien, der
nicht in das Getriebe des Rechts eingeweiht ist, der glück-
licherweise davon verschont geblieben ist, dem Laien mag
immerhin das Recht der Friede, die Ordnung sein; Sie, mei-
ne Herren, praktisch erfahrene Juristen, Sie wissen es an-
ders, Sie wissen, daß das Recht zugleich ein Kampf ist und
daß Sie berufen sind, bei diesem Kampfe hilfreiche Hand
zu leisten.

Von diesen beiden Auffassungen nun ist es gerade die
eine, daß das Recht vorzugsweise die Ruhe, die Ordnung,
der Friede sei, welcher unsere romanistische Wissenschaft
vorzugsweise Geltung erworben hat. Wenn ein junger
Mensch aus den Vorlesungen über römisches Recht ins
praktische Leben tritt, so wird er etwa von folgenden Vor-
stellungen erfüllt sein: Das Recht entwickelt sich (wie es
Savigny dargestellt hat) wie die Sprache aus dem Volksge-
fühle heraus; die vollen Ideen des Rechtes, die brechen sich
von selbst Bahn, d. i. das Gewohnheitsrecht; es ist das also
die Macht der rechtlichen Überzeugung, die sich hier
be-


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währt hat. Daß diese Überzeugungen aber einen Kampf zu
kämpfen haben, der bei der Entwickelung der Sprache und
ebenso der Kunst gar nicht stattfindet, das tritt bei seinen
Vorstellungen in den Hintergrund. Ganz dasselbe wieder-
holt sich bei der Theorie der gesetzlichen Kraft. Die gesetz-
liche Kraft ist das Produkt der organisatorischen Weisheit;
daß aber die Geburt des Gesetzes mit den allerhöchsten
Schwierigkeiten, unter größten Wehen, im steten Kampfe
gegen friedliche Interessen erfolgt, davon ist in unserer
Theorie gar nicht die Rede.

Und doch, meine Herren, wir gerade in der Gegenwart
brauchen ja nur einen Blick zu werfen auf die Welt, die uns
umgibt, um zu sehen, wie das Recht ein unausgesetzter
Kampf ist.

Jede Wahrheit, die auftritt, hat nicht bloß Irrtum, son-
dern auch Interessen zu bekämpfen; jeder Wahrheit stellen
sich sofort unzählige Sonderinteressen entgegen. Jede
Rechtsänderung (ich meine natürlich nicht Änderungen
unbedeutender Rechtsnormen) erfordert ebenso einen
Kampf gegen die bestehenden Interessen. Denn das beste-
hende Recht hat sich sofort mit Tausenden von Interessen
verbunden, mit Tausenden von Wurzeln hängen die beste-
henden Rechtssätze mit der Wirklichkeit zusammen, und
wenn jetzt ein neuer Rechtssatz auftritt, so handelt es sich
nicht bloß um Wahrheit, sondern zugleich um einen Kampf
des neuen Rechtssatzes gegen bestehende Interessen. Und
so kann man denn sagen: Alle Rechtssätze haben ihren Weg
über zertretene Interessen genommen, die Interessen
haben geopfert werden müssen, damit der neue Rechtssatz
entstehen könne. Ich behaupte also: Das Recht entsteht
nicht wie die Sprache, nicht schmerzlos, nicht im Wege
bloßer Überzeugung, sondern es wird geboren mit Schmer-
zen, und gerade darauf, daß es mit Schmerzen geboren
wird, wie das Kind bei der Mutter, gerade darauf beruht
diese Kraft, die sich hinterher dem Rechte zuwendet. Der


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Rechtssatz, der von uns nicht erkämpft werden mußte, der
hat für uns nicht den vollen Wert; nur der Gedanke, daß wir
ihn selbst errungen haben, nur dieser Gedanke schlingt zwi-
schen uns das sittlich Band, das uns veranlaßt, für diesen
Rechtssatz ganz einzutreten.

Meine Herren! Es ist nun nicht meine Aufgabe, diesen
Gedanken, wie das Recht stets zu kämpfen habe, hier durch-
zuführen; ich werde also nicht sprechen von der Bildung
des Rechtes, obschon Sie mir gestattet haben, einen Seiten-
blick darauf zu werfen, sondern ich werde sprechen von der
Verwirklichung des Rechts, und zwar von der Verwirkli-
chung des einfachen Privatrechtes oder, wie ich es be-
zeichnet habe, von dem Kampfe ums Recht.

Dieser Kampf, meine Herren, wie er heute stattfindet,
scheint von vornherein kein hohes Interesse darzubieten.
Vergleichen wir die Form, in der dieser Kampf heutzutage
stattfindet, mit der Form, in der jene gewaltigen Kämpfe im
Völkerleben stattfinden. Betrachten wir jene Kämpfe, so
handelt es sich um Geschicke der Staaten, der Menschheit;
hier handelt es sich um Mein und Dein; welches Interesse
kann ein solcher Kampf uns darbieten?

Und doch glaube ich, meine Herren, Ihnen den Nach-
weis bringen zu können, daß wir mit Unrecht diesen Kampf
geringschätzen würden, daß er eine ethische, ja sogar eine
poetische Bedeutung beanspruchen kann.

Die Verwirklichung des Privatrechtes geschieht be-
kanntlich rein durch die Tätigkeit der berechtigten Person.
Während beim öffentlichen Rechte es die Organe des
Staates sind, denen diese Verwirklichung als Pflicht zufällt,
so ist es beim Privatrechte Sache der Individuen, ihr Recht
geltend zu machen oder es fallenzulassen. Von dieser ihrer
Tätigkeit aber hängt in Wirklichkeit die Realität des Privat-
rechtes im abstrakten Sinne ab. Das Verhältnis zwischen
dem Rechte im abstrakten und konkreten Sinne wird von
unserer Wissenschaft meines Erachtens höchst einseitig so


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aufgefaßt: Das Recht im abstrakten Sinne ist die Voraus-
setzung des konkreten Rechtes, die Möglichkeit des Rechtes
ist im Gesetze gegeben, und diese Möglichkeit verwirklicht
sich, sowie die Bedingung hiezu eintritt.

Allein, so gut wie das Privatrecht bedingt ist durch das
Dasein eines abstrakten, des abstrakten Rechtes, so ist auch
die Wahrheit, die Realität, die Herrschaft des abstrakten
Rechtes bedingt durch die Tätigkeit, die innerhalb der kon-
kreten Sphäre stattfindet. Mit anderen Worten: Wenn die
einzelnen Individuen das Recht nicht verwirklichen, wenn
sie nicht den Mut haben, es zu verwirklichen, so ist das ab-
strakte Recht ein Schein, besteht nur auf dem Papiere, fin-
det nicht seine Wirklichkeit, denn die Wirklichkeit erhält es
dadurch, daß es eintritt, wenn das Privatrecht verletzt wird.

Insofern kann man sagen, jeder einzelne habe die
sittliche Aufgabe, mitzuwirken an der Wahrheit und dem
Rechte im allgemeinen, jeder einzelne sei für seine
beschränkte Sphäre der Wächter und Vollstrecker des
Gesetzes.

Nun, meine Herren, wohin würde es führen, wenn, sei
es, weil die Staatseinrichtungen diesen Kampf erschweren,
sei es aus anderen Gründen, ein bedeutender Bruchteil
eines Volkes nicht mehr den Mut hat, sein Privatrecht zu
verwirklichen? Es würde dahin führen, daß dem einzelnen,
der den Mut hat, seine Aufgabe zu erfüllen, dieselbe unend-
lich erschwert wird. In demselben Maße, wie die übrigen zu-
rückgehen, fällt auf den einzelnen eine ungleich schwerere
Last. Ich. möchte es vergleichen mit der Flucht in der
Schlacht; wenn alle im Kampfe zusammenstehen, haben sie
die Stütze an sich; sowie einer sich zurückzieht, so wird die
Aufgabe der Zurückbleibenden immer bedenklicher. Es
liegt in der Aufgabe des einzelnen, sein Recht zu verwirk-
lichen, und erfüllt er diese Aufgabe nicht, so gibt er nicht
bloß sein eigenes Interesse auf, sondern das Interesse der
Gemeinschaft.


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Nun, meine Herren, Sie können mich fragen, wozu
solche Pflichten aufstellen, den Menschen noch erst auffor-
dern, sein Recht geltend zu machen, das tut er ja ohnehin,
sein Interesse bestimmt ihn hinlänglich, glücklicherweise
liegt jedem Rechte ein Interesse zugrunde, und das Inter-
esse ist mächtig genug, diesen Kampf aufzunehmen. Ist
aber das Interesse das einzige Motiv, das uns in den Kampf
ums Recht treibt? Das leugne ich.

Meine Herren! Wenn mir ein Objekt im Werte von
10 Gulden verlorengegangen ist, so werde ich keine 11 Gul-
den daransetzen, um die Sache wiederzufinden. So würde
ich, wenn es eine Frage des Interesses wäre, auch wenn ein
Objekt von 10 Gulden in Frage steht, keine Auslage von
vielleicht 100 Gulden daran wenden, um mir dieses Objekt
wieder zu verschaffen. Und doch zeigt uns die tägliche Er-
fahrung das Gegenteil, und niemand ist besser in der Lage,
es besser zu beurteilen, als Sie, meine Herren. Nun, wir
finden hier, daß jemand einen Prozeß übernimmt wegen
eines unbedeutenden Objektes, und mancher nüchterne
Mann, der für diese Auffassung des Rechtes kein Verständ-
nis hat, nennt einen solchen Mann einen „Streitsüchtigen"
und begreift es nicht, wie der solche Opfer an Anstrengung
und an Geld daran wenden mag, um einen Gegenstand von
2 bis 10 Gulden zu retten.

Ja, meine Herren, das einfache Rechtsgefühl begreift es
sehr gut, was da geschieht; der Mann will sein Recht haben,
und dieser moralische Erfolg ist es, der ihn treibt, die zehn
Gulden sind bloß die äußere Veranlassung.

Darum werden wir es völlig begreiflich finden, wenn
ein solcher die Aufforderung, daß ihm der Gegenstand
seines Rechtes ersetzt werde, einfach zurückweist. Mir sind
Fälle bekannt aus der patriarchalischen Zeit der Justiz, daß
ein bequemer Amtmann, dem die Entscheidung von Pro-
zessen lästig war, bei unbedeutenden Streitobjekten dem
Kläger stets das Objekt offerierte, aus eigenem bezahlte und


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dadurch gleich den Prozeß entschied. Meine Herren, ich
würde diesen Betrag zurückgewiesen haben, ich will mein
Recht haben! - Worauf beruht dieses Verlangen nach sei-
nem Rechte? Das bringt uns auf die Frage vom Zusammen-
hange des Rechtes mit der Person. Nach meiner Auffassung
ist das Recht ein Stück der Person selbst, es ist hervorgegan-
gen aus der Person; es ist meine Arbeit, wie sich auch die
Arbeit darstellt, in diesem Objekte liegt ein Stück von mir
selber; es gehört zur Peripherie meiner Rechte, es ist sozu-
sagen meine erweiterte Kraft, meine erweiterte Persönlich-
keit, ich bin es selbst.

Nun gut. Wenn auf eins der Stücke, welche die Peri-
pherie meiner Rechte bilden, ein Schlag geführt wird, so
empfindet es das zentrale Organ, die Persönlichkeit selbst,
und hier tritt das pathologische Moment des Rechtes her-
vor: Das Recht wird verletzt, und dieser Zustand bringt das
wahre Wesen des Rechtes erst zur vollen Einsicht. Wie den
Mediziner gerade die pathologische Affektion gewisser Or-
gane erst über die wahre Bedeutung dieser Organe auf-
klärt, so bringt, meine Herren, auch für uns Juristen die
Verletzung des Rechtes das wahre Leben und den wahren
Zusammenhang des Rechtes mit der Person zum Vor-
scheine. So wie also dieses Recht als solches verletzt wird,
teilt sich der Schlag der Persönlichkeit mit, sie reagiert da-
gegen, es ist eine Rechtskränkung, die Person wird heraus-
gefordert.

Es liegt auf der Hand, daß nach Verschiedenheit der
Verletzung des Rechtes die Reaktion selbst eine verschie-
dene ist, heftig oder minder heftig. Es gibt zuletzt eine Art
der Verletzung, bei der die Person dieses Gefühl ganz über-
winden kann. Ich nehme den Fall, das Objekt wäre ab-
handen gekommen; hier ist es für mich keine Frage der Per-
sönlichkeit, ob ich etwa die Vindikation anstellen will, hier
ist es eine reine Sache des Kalküls; ich vergebe mir und mei-
nem Rechte nichts dadurch, daß ich von diesem Prozesse


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zurücktrete. Ganz anders aber, wenn mit dem objektiven
Unrechte eine persönliche Schuld des Gegners sich ver-
bindet, das Wissen des Unrechts, die Absicht, mich zu ver-
letzen. Dann gilt die Verletzung nicht mehr bloß der Sache,
und es handelt sich nicht mehr um eine Interessenfrage,
sondern um meine Persönlichkeit, und es ist eben ein
Zeichen der Feigheit, wenn ich den Kampf ablehne. Meiner
Ansicht nach ist es in einem solchen Falle, wo das Recht ab-
sichtlich gekränkt wird, eine Pflicht der Person gegen sich
selber, eine Pflicht gegen das Gemeinwesen, diesen Kampf
anzunehmen. Der einzelne erscheint als Vertreter des
Staates dem Unrechte gegenüber, ihm ist die Aufgabe zuge-
wiesen, das Unrecht in seine Schranken zurückzuweisen.

Ist es aber, meine Herren, bloß etwa die Person, die hier
getroffen ist? Worauf beruht die gerechte sittliche Ent-
rüstung, das Unvermögen, diesen Schmerz zu überwinden?
Ist es bloß eine gewöhnliche persönliche Kränkung? O
nein! Es ist der Gedanke, daß zugleich immer das Recht
selber, das Recht, die Majestät des Rechtes getroffen, ver-
höhnt, verletzt ist. Also es teilt sich dieser Schlag von dem
zunächst getroffenen Objekte der Person und von dieser
dem Rechte mit. Diese Person steht dann also für das Recht
selber ein, und gerade dieser Gedanke wird in solcher Wei-
se den Affekt hervorrufen. Unsere Dichter haben ja mehr-
fach diesen Stoff behandelt; ein deutscher Dichter, Kleist in
„Michel Kohlhaas", zeigt uns den Menschen im Kampfe mit
dem Unrechte - eines der tragischsten Momente, die ich
kenne -, er unterliegt, der Mann, mit der ganzen Person den
schlechten Einrichtungen - in meinen Augen ein tragisches
Schicksal. Ebenso ist es in dem „Kaufmann von Venedig",
mit Shylock; er will sein Recht haben, und ganz Venedig soll
es ihm nicht nehmen; er bricht zuletzt ebenso tragisch zu-
sammen, als er diesen Kampf nicht auskämpfen kann.

Nun, meine Herren, diese Empfindlichkeit der Person,
die wir also, wenn ihre Rechte getroffen sind, als die


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Empfindlichkeit des Rechtsgefühls bezeichnen können,
diese Empfindlichkeit ist bei den Individuen sehr verschie-
den, so auch nach Verschiedenheit der Zeiten bei den ein-
zelnen Völkern. Ich habe mir öfter die Frage vorgelegt, wor-
auf beruht dies? Hängt es mit der Volksindividualität zu-
sammen, ist es eine Verschiedenheit der nationalen Auf-
fassung? O nein! Ich bin zu dem Resultate gekommen, daß
es zusammenhängt mit der Verschiedenheit der Bewertung
des Eigentums.

Es ist nicht einem jeden Geschlechte und nicht einem je-
den Individuum das Eigentum in gleicher Weise wert: Die
Bewertung beruht wesentlich mit auf dem Erwerbe des
Eigentums. Ein arbeitendes Volk, das mühsam ringen muß
mit der Natur, mit dem Boden, um seine Existenz sich zu
sichern, wird täglich an die Bedeutung des Eigentums erin-
nert. Ihm erscheint das Eigentum als ein Niederschlag
vieler Arbeit, vieler Entbehrung, vieler Mühen. Im Eigen-
tume und in dem Angriffe auf das Eigentum erblickt es also
in ganz anderem Maße die Person selbst verletzt als eine
Zeit, die in verhältnismäßig leichterer Weise das Eigentum
erwirbt. Nehmen wir die Jetztzeit an, den Gegensatz zwi-
schen Stadt und Land. Denken wir uns den Stadtbewohner
und den Bauer auf dem Lande, und zwar in gleichen
Vermögensverhältnissen, so bin ich fest überzeugt, daß
beide das Geld mit ganz anderen Augen ansehen werden.
In der Stadt, wie etwa in Wien, bestimmt sich die Art der
Schätzung nicht nach Leuten, die schwer arbeiten, sondern
nach Leuten, die verhältnismäßig die Sache leichter ver-
dienen, und diese Schätzungsweise, die wird nachher maß-
gebend für den allgemeinen Preis. Umgekehrt auf dem
Lande, wo jeder weiß, wie schwer das Geld zu verdienen ist,
da ist die Schätzung des Eigentums eine völlig andere, selbst
für diejenigen, die nicht in dieser Weise arbeiten. Und so,
meine Herren, ist es auch für die verschiedenen Zeiten.
Unsere heutige Zeit wird die Eigentumsverbrechen in ganz


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anderer Weise betrachten wie das alte Rom. In dem alten
Rom hat die Arbeit, möchte ich sagen, die Strafe diktiert,
bei uns ist eine ganz andere Auffassung maßgebend.

Es bestimmt sich also das Maß der Reaktion bei der Ver-
letzung des Rechtes einmal nach der Art des Angriffes, so-
dann nach diesem zweithervorgehobenen Gesichtspunkte,
nach der Nähe oder Ferne des Eigentums zur Person.

Es ergibt sich aus dem bisherigen, daß dieser Kampf,
den das Subjekt zu kämpfen hat für das Objekt, nicht bloß
für das Subjekt selber eine Frage der sittlichen Zufrieden-
heit ist, sondern daß er ebenso für das Gemeinwesen von
äußerster Wichtigkeit ist. Für das Subjekt ist es eine Frage
der moralischen Selbsterhaltung; seine Achtung ist da-
durch bedingt, daß es sich das Zeugnis ausstellen kann, daß
es in einer solchen Lage, wo es gereizt worden ist, nicht
feige zurückgetreten. Den Wert dieses Kampfes für das
Gemeinwesen habe ich bereits früher des näheren ange-
geben. Daraus ergibt sich, daß der Staat die dringendste
Pflicht hat, dieses Gefühl des Individuums, das kräftige
Rechtsgefühl in jeder Weise zu nähren. Es beruht in letzter
Instanz hierauf die Sicherheit, die Verwirklichung des
Rechtes.

Dazu gesellt sich ein anderer Gesichtspunkt. Im Privat-
leben muß sich die moralische Kraft ausbilden, da muß das
Rechtsgefühl seine Schule bestehen und durchmachen, da-
mit es in einer höheren Region, in der staatlichen Notwehr
gut bestellt sei. Ein Volk, das eben in der niederen Region
des Privatrechtes nicht den Mut hat, einen gerechten
Kampf zu kämpfen, das wird auch da nicht den Mut haben
zu kämpfen, wo es um den Staat gilt, um die Macht des
Staates.

Für die politische Pädagogik ist es die wichtigste Auf-
gabe, das Rechtsgefühl im Privatleben zu pflegen, denn dar-
aus geht schließlich die ganze moralische Kraft hervor, die
später die Geschicke der Staaten bestimmt.


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Nun, in welcher Weise kann denn der Staat, das Gesetz
dieses Rechtsgefühl pflegen?

Darauf will ich die Antwort geben, indem ich jetzt einen
Blick werfe auf das römische Recht. Meiner Ansicht nach
soll die Gesetzgebung diesen Kampf nicht bloß durch pro-
zessualische Einrichtungen erleichtern, sondern vor allem
dadurch, daß sie dieser gerechten Indignation Genüge
leistet. Das Gesetz soll also da, wo das Objekt angegriffen ist,
in seinem Rechte eine Rechtskränkung erlitten hat, sich
nicht bloß beschränken, den Schaden gutzumachen, ganz
so wie im Falle des objektiven Unrechtes, sondern es soll
diesen Fall der Kränkung als ein qualifiziertes Unrecht er-
fassen, und zwar auch privatrechtlich, soweit eben nicht
Kriminalstrafen eintreten können, damit dem gekränkten
Rechtsgefühle auch in diesem Verhältnisse Genüge ge-
schehe. Ich will jetzt nachweisen, wie dies im römischen
Rechte geschehen ist.

Im älteren römischen Recht ist dies in dem Maße ge-
schehen, daß hier bei einem Unrechte kaum unterschieden
wird, ob den Gegner ein Verschulden trifft oder nicht, ob
der Mann, der ein Recht verletzte, dies auch gewußt oder
beabsichtigt hat, ob er durch Schuld, culpa, einen Eingriff
in mein Recht vorgenommen hat; das ist gleichgültig. Das
alte römische Recht unterscheidet nicht zwischen mora-
lisch seiner Zurechnung, ob Schuld, culpa, culpa lata oder
levis, sondern ihm genügt es, daß mir der Mann genom-
men, was mir gehört, daß er es jedenfalls hat und es mir
nicht herausgeben will. So also werden hier selbst Fälle des
bloßen objektiven Unrechts, wie ich es bezeichnet habe,
ganz mit denselben Strafen belegt wie die des subjektiven
Unrechtes. Nach älterem römischen Rechte mußte der Be-
klagte bei der Vindicatio, wenn er unterlag, die doppelten
Früchte zahlen; dabei wurde nicht gefragt, ob er gewußt hat
oder nicht, daß er meine Sache mir vorenthält. Ebenso geht
bei der
Eviction der Evictions-Spruch stets auf das Doppelte;


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dabei wird nicht gefragt, ob mein Vormann gewußt hat, daß
er mir eine fremde Sache verkaufe; er hat sie mir verkauft,
er zahlt mir das Doppelte. Ich habe bei einer anderen Gele-
genheit solche Fälle zusammengestellt und kann, was das äl-
tere römische Recht anbetrifft, sagen, daß es über das Maß
der gerechten Berücksichtigung des Affektes weit hinaus-
ging-

Ich wende mich dem mittleren römischen Rechte zu.

Hier treffen wir ein volles Gleichmaß; es unterscheidet ge-
nau zwischen voller Verschuldung, dolus, culpa lata, culpa
levis, bona, mala fides, und es legt überall Nachdruck
darauf, wie der Beklagte sich zu mir verhalten habe. Es tritt
diese Rücksicht bei allen Verhältnissen ein; bei der Vindi-
kation, bei den Obligationen, überall tritt diese Berück-
sichtigung des pathologischen Momentes hervor, welches
beabsichtigt, dem Verletzten Genüge zu leisten.

Ich will einige Beispiele aus dem römischen Prozesse
dieser Zeit anführen:

Ich fordere mein Darlehen zurück, der Beklagte bestrei-
tet es mir, läßt er es auf einen Prozeß ankommen, so zahlt er
mir zur Strafe ein Drittel mehr. Der Beklagte hat verspro-
chen, zur bestimmten Zeit sicher zu zahlen, ich habe ihm
Aufschub gewährt, er hält sein Wort wieder nicht; zur Strafe
zahlt er mir die Hälfte mehr.

In gewissen anderen Verhältnissen, wo der Beklagte
wissen muß, ob meine Klage gegründet ist oder nicht, z. B.
bei der Actio legis Aquiliae, zahlt er das Doppelte, wenn er
leugnet. So auch in den Verhältnissen, die das römische
Recht als besondere Vertrauensverhältnisse bezeichnet:
Mandat, Sozietät, Depositum, Vormundschaft. Läßt es mein
Gegner auf den Prozeß ankommen und ich weise ihm nach,
daß er wirklich das Unrecht verschuldet, so trifft ihn die
Strafe der Infamie.

So kennt das römische Recht eine Reihe von derar-
tigen Strafen, die berechnet sind, den Beklagten für sein


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wissentliches Unrecht zu strafen. Gerade der römische
Prozeß ist besonders reich an derartigen Strafen. Eine
interessante Erscheinung in dieser Richtung bieten die
prätorischen Interdikte dar, namentlich die Interdicta
prohibitoria.

In gewissen Fällen erließ der Prätor bekanntlich ein
Interdikt, namentlich ein prohibitorisches:
vim fieri veto.
Bisher mochte die Sache zwischen beiden Parteien mehr
eine Frage des objektiven Unrechts sein; von jetzt an, sowie
der Prätor sein Verbot erlassen hat, ändert sich die Sache;
wer jetzt noch seinen Widerstand fortsetzt, richtet damit
seinen Widerstand gegen den Prätor selbst; der Prätor als
Vertreter des Rechts schiebt sich vor die verletzte Person.
Dem Gegner ist jetzt die Wahl geboten, zurückzutreten
oder nicht; der Prätor sagt: Trittst du nicht zurück, so wisse,
daß es sich nicht mehr um die Frage des Rechts oder
Unrechts, sondern um eine offenbare Rechtsverletzung
handelt. Ein ähnliches Institut des römischen Rechtes ist
das Arbitrium iudicis. Bei manchen Ansprüchen erkannte
der römische Richter nicht sofort mit der Sentenz auf Geld,
sondern er schickte ein Arbitrium voraus; es war ein
Versuch zur Güte, wenn ich so sagen darf, sein Urteil ging
auf Naturalrestitution, und es stand beim Beklagten, ob er
diesem Rate folgen wolle oder nicht. Allein der Richter hat
ihm jetzt seine Anschauung, sein Urteil über die Sache
mitgeteilt, und jetzt fällt jeder Widerstand unter einen ganz
anderen Gesichtspunkt. Der Beklagte kann sich nicht ent-
schuldigen, er habe nur sein Recht zu verfechten geglaubt,
und kommt er jetzt der Auflage nicht nach, dann trifft ihn
die Strafe, welche darin besteht, daß der Kläger zum Iura-
mentum in litem zugelassen wird.

Wie sehr nun, meine Herren, die Römer diesen
Gesichtspunkt, das Interesse des Gegenstandes und das In-
teresse der Rechtskränkung, jenes pathologische Interesse
scharf unterschieden haben, dafür haben wir einen Beleg


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in der bekannten Kategorie von Klagen, in den Actiones
vindictam spirantes: Injurienklagen, Widerruf einer Schen-
kung wegen Undankbarkeit, und vor allen am interessan-
testen die Querela inofficiosi testamenti. Diese Klage
bezweckt die Umstoßung des Testaments, die Beseitigung
einer Lieblosigkeit von dem Erben; nicht das Geld ist es, das
der Kläger erhalten soll, sondern die Kränkung, die der
Vater ausgeübt hat, die soll ausgeglichen werden, und die
Klage hat den Zweck, dieser Indignation Genüge zu leisten.
Dieser Gesichtspunkt ist besonders dadurch betont und
markiert, daß diese Klagen auf die Erben gewöhnlich nicht
übergehn. Ihre Zulässigkeit hängt davon ab, daß der Ver-
letzte die Verletzung als solche empfinden muß, anerkennt
er die Injuria, geschieht es, daß er sich durch die Injuria
nicht getroffen fühlt, so kann er sie nicht geltend machen;
er kann die Querela inofficiosi, sobald er sich nicht ge-
kränkt fühlt, nicht anstellen. Darauf beruht es, daß diese
Klagen erst durch die Litis contestatio auf die Erben über-
gehen.

So, meine Herren, ist das mittlere römische Recht. In
meinen Augen ist das das Ideal. In diesem Rechte fanden
die Forderungen des verletzten Rechtsgefühls vollkom-
mene Anerkennung, ebensoweit entfernt von jenem Ex-
treme, das uns das ältere römische Recht gezeigt hat, als von
der anderen Art der Behandlung, die ich nachher charakte-
risieren werde. Im mittleren römischen Rechte hat diese
Richtung ihren Höhepunkt erreicht. Aber schon in der spä-
teren Kaiserzeit schwächte sich dieses Verhältnis ab; in den
Blättern der späteren Rechtsgeschichte steht für den, der
lesen kann, verzeichnet, daß die moralische Kraft des
Volkes schwach wurde, daß sie erlahmte, daß das knech-
tische Rechtsgefühl der alten Römer dahin war. Darum
ändern sich auch die Rechtssätze. Es verschwindet eine
Reihe von jenen früher angedeuteten Strafen. Dem Gläubi-
ger, dem schmählicherweise die Hingabe des Darlehens


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abgestritten wird, wird bloß sein Geld gegeben. Der Schuld-
ner, der die Zahlung auf bestimmte Zeit fest zugesichert hat,
hat nicht mehr die Hälfte mehr zu zahlen. Es tritt für diese
Fälle ganz dasselbe Resultat ein, mag der Beklagte absicht-
lich bestritten haben oder nicht. Überhaupt zeigt sich die in
meinen Augen charakteristische Erscheinung des späteren
Rechts, daß es mit dem Schuldner symphatisiert, daß das
Recht des Gläubigers in vielen Fällen preisgegeben wird,
und das ist das Zeichen einer verkommenen Zeit („Bravo!"
anhaltendes „Bravo!"), wenn der Gesetzgeber aus falschem
Wahne das Recht, das feste, gute Recht des Gläubigers hin-
gibt, um den Schuldner zu schonen. („Bravo!") -

Das führt zur Kreditlosigkeit, und ich wage nicht, hier
meine Ansicht weiter auszuführen, ich würde fürchten, ver-
ketzert zu werden, wenn ich hier mit voller Schroffheit die-
ser Richtung entgegentreten würde, vielleicht bin ich auch
nicht kompetent (Rufe: „Bitte!"), aber meine Ansicht ist es,
daß wir auch heutzutage sehr an diesem Fehler leiden.
(Stürmische Bravorufe.)

Nun, meine Herren, diese Ihre Bravos ermutigen mich
sehr, jetzt meinen letzten Sprung zu machen, nämlich vom
justinianäischen Rechte auf das heutige Recht überzu-
gehen. Mein Urteil in dieser Richtung ist ein nicht sehr gün-
stiges; wir sind viel weiter zurückgegangen als die justi-
nianaische Zeit. Im justinianäischen Recht finden sich noch
manche Einrichtungen, die den obigen Zweck hatten; wir
haben nicht die Einsicht oder vielleicht nicht den Mut
gehabt, dieselben anzuwenden. Man sieht, ich darf es sagen,
unser heutiges Privatrecht ist durch das Filtrum der Gelehr-
samkeit hindurchgegangen; der Gelehrte fühlt eben nicht
so wie der Mann des Lebens, wie der Praktiker; man merkt
es unserem Privatrechte der Neuzeit an, daß es von Gelehr-
ten behandelt wurde.

Jene Einrichtungen des römischen Rechts, die noch im
justinianischen Rechte vorkommen, hat man einfach fallen-


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gelassen. Die wichtigen Strafen des Leugnens, des frivolen
Leugnens, wo sind sie geblieben? Sie figurieren in unseren
Kompendien, ebenso wie die Privatstrafen; im Leben
kommen sie nicht zur Geltung. Heutzutage ist also der
Gläubiger, dem in der schändlichsten Weise die Existenz
der Schuld abgestritten wird, in derselben Lage wie je-
mand, der von den Erben des Schuldners die Schuld zu-
rückfordert. Entspricht das der Gerechtigkeit? Das heißt ja,
geradezu eine Prämie auf das Leugnen setzen. Im günstig-
sten Falle zahlt der liebe Mann gar nichts, im ungünstigsten
Falle tut er das, was er schon früher hätte tun müssen: Er
zahlt. Ich will einen Blick werfen auf einen Hauptschaden
unserer Rechtspflege, auf die Schadensprozesse. („Bravo!")
Ja, ich kann mich nur freuen, daß ich nicht in der Lage
bin, einen Schadensprozeß anzustellen (Heiterkeit), weder
als Advokat noch als Beteiligter, nach dem, was ich davon
weiß. Mein offenes Rechtsgefühl empört sich, wenn ich
sehe, in welcher Weise der ganze Schadensprozeß darauf
angelegt ist, den Gläubiger um sein gutes Recht zu bringen.
Wehe dem, der Schaden erlitten hat, er mag klagen oder
nicht, er hat immer den Schaden. (Stürmische Bravorufe.)
Aber es ist noch eine andere Seite, wo unser Recht der Hilf-
losigkeit gleichkommt. Ich bin selber in der Lage gewesen,
das bitterlich zu fühlen. Es handelte sich um einen Fall mit
meinem Dienstmädchen. Sie wollte plötzlich weg, behaup-
tete, sie hätte gekündigt; sie hatte aber nicht gekündigt. Ich
konnte nichts tun, keine Hilfe dagegen. Ich suchte Hilfe bei
der Polizei; das Mädchen wurde inquiriert und gestand,
nicht gekündigt zu haben, wollte aber doch den Dienst
nicht fortsetzen; endlich sagte man mir bei der Polizei: „Kla-
gen Sie auf das Interesse!" (Anhaltende Heiterkeit.) Und vor
Gerichte? Das Mädchen leugnet, die Polizei ist ein Testis
singularis, dessen Qualität... (Vermehrte Heiterkeit.) Da
habe ich aber, kann ich sagen, gefühlt diesen Stachel des er-
littenen Unrechts, wenn man sein gutes Recht hat und die


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Einrichtungen des Staates derartige sind („Bravo!"), daß
man mit dem besten Willen sein Recht nicht geltend ma-
chen, nicht durchsetzen kann. Und diesen Vorwurf mache
ich den heutigen Rechtssätzen, sie sind darauf berechnet,
daß ein Mann von kräftigem Rechtsgefühle heutzutage ge-
radezu gezwungen ist, jenen Akt der Feigheit vorzuneh-
men, von dem ich vorhin sprach, sein gutes Recht im Stiche
zu lassen.

Ich eile zum Schlüsse. Ein Bild müssen Sie mir verstat-
ten Ihnen noch vorzuführen, das ist das Bild der Notwehr.
Ich freue mich, hier noch einen Herrn anwesend zu er-
blicken, ja, und noch einen zweiten Herrn*, die mit mir die-
se Auffassung teilen werden. In der neueren Zeit ist gegen
die verkommene Auffassung der Notwehr eine heilsame
Reaktion aufgetreten. Die Notwehr in früherer Zeit, was
war sie? Ein Übel, das man so viel wie möglich beschränken
wollte, und jeder Jurist glaubte ein gutes Werk zu tun, wenn
er eine Beschränkung hinzutat. Da kam zunächst der Wert
des Gegenstandes in Betracht, also das Maß des Wertes des
angegriffenen Objektes und der Wert des Gutes, das ich,
der Bedrohte, zu meinem Schütze angreife. Vor allem,
meine Herren, möchte ich wissen, wenn der Mann mir auch
ein Objekt von 100.000 Gulden entgegenhielte, ob mir
meine Uhr, die er mir entreißen will, nicht lieber ist als
seine 100.000 Gulden? (Große Heiterkeit.) Welche Zumu-
tung, in einem solchen Momente von meinem Standpunkte
aus abzuwägen, ob mir die 100.000 Gulden, von denen
ich nichts habe, die er hat, ob die mir wertvoller sein
sollen als meine Uhr?! (Anhaltende Heiterkeit und
„Bravo!") Nun, wer zählt alle Beschränkungen der Notwehr
auf; man kann sagen, daß man hier bei der Notwehr gerade-
zu die Pflicht der Feigheit wissenschaftlich ausgesprochen

* Auf den anwesenden Minister Dr. Glaser und den Präsidenten Hye
anspielend.


130

hat. („Bravo!") In einer Schrift, einer holländischen, glaube
ich, ist ein Fall der Notwehr von Lewits niedergelegt. Ein
holländischer Soldat wird angegriffen, der Mann zieht sich
zurück - ich hätte auch dies nicht getan; der andere folgt
ihm, der Mann geht wieder weiter zurück; endlich faßt ihn
der Angreifer, der Soldat wehrt sich und schlägt dabei
seinen Gegner tot. Was ist ihm geschehen? Hingerichtet
wird er! Meine Herren! Das sind Justizmorde grauenhafter
Art, man kann sagen, es ist eine Verkommenheit des
Rechtsgefühls, bei der eine einfache Natur sich entsetzen
und Fluch aussprechen würde über alle Gelehrsamkeit!
(„Bravo!") -Ja in bezug auf die Ehre ist man nun so weit
gegangen, daß man nur gewisse Klassen der Gesellschaft für
berechtigt erkannte, ihre Ehre zu verteidigen. Offiziere,
Männer von Adel und Standespersonen - Kaufleute
dagegen haben keine Ehre, die haben sie nicht nötig, ihre
Ehre ist ihr Kredit, wenn der nur erhalten wird. (Heiter-
keit.)

Meine Herren! Lassen wir dies, ich habe mich genug
dabei aufgehalten. Wir sehen aber, daß unsere heutige
Zeit weit entfernt ist, den Anforderungen, die ich hier
aufgestellt habe, zu entsprechen, und daß es die Aufgabe
der Zukunft sein muß, ein kerniges, einfaches Rechtsgefühl
heimisch zu machen in unseren heutigen Einrichtungen.

Ich kann also die Quintessenz meiner Ausführungen
dahin aussprechen: Das Preisgeben eines verletzten
Rechtes ist ein Akt der Feigheit, der der Person zur Unehre
und dem Gemeinwesen zum größten Schaden gereicht; der
Kampf für das Recht ist ein Akt der ethischen Selbst-
erhaltung, eine Pflicht gegen sich selbst und die Gemein-
schaft.

Ich bin also weit entfernt, mit der neueren Philosophie,
mit Herbart, das Recht aus dem Mißfallen am Streite her-
vorgehen zu lassen; davon weit entfernt, will ich mich
schuldig bekennen, in diesem obigen Sinne Gefallen am


131

Streite zu finden, und wenn mein Vortrag dazu beigetragen
haben kann, den Kampf für das Recht wachzurufen, so
werde ich mir erlauben, ihn drucken zu lassen. Ich halte es
für wichtiger, solche Punkte herauszugreifen, als Stellen, an
denen jetzt schon so viele sich abmühen, zum sovielten
Male. Ich bin zu Ende. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerk-
samkeit. (Stürmischer, minutenlang anhaltender Beifall
und Händeklatschen.)


 


Hermann Kienner

Jherings Kampf
ums Recht

Juristisch gesehen stand in Deutschland das ganze 19. Jahr-
hundert im Zeichen eines Doppelkampfes: der Herausbil-
dung einer der sich kräftig entwickelnden bürgerlichen
Gesellschaft gemäßen Rechtsordnung und eines diesem
nationalen Grundinteresse entsprechenden Rechtsbegrif-
fes. In diesem langwierigen und widersprüchlichen Prozeß
spielte Jhering eine herausragende Rolle. Sein „Kampf um's
Recht" verkörpert einen Wendepunkt in diesem Kampf
ums Recht.

Rudolf Jhering, geboren am 22. August 1818 im ostfrie-
sischen Aurich, studierte seit 1836 in Heidelberg, Mün-
chen, Göttingen und seit 1838 in Berlin, wo er 1842 mit der

1 Ms?

Dissertation De hereditate possidente promovierte und
seit 1843 als Privatdozent an der juristischen Fakultät zu
lehren begann. Bereits ein Jahr später veröffentlichte er
seine erste Monographie (Abhandlungen aus dem römischen
Recht) sowie anonym in der Berliner Literarischen Zeitung
eine Artikelserie über „Die historische Schule der Juristen",
bei deren rechtshistorischem wie rechtsdogmatischem
Oberhaupt Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) er Vor-
lesungen gehört und dessen Schriften er natürlich studiert
hatte. Ab 1845 lehrte er als Ordentlicher Professor der
Rechte in Basel, ab 1846 in Rostock, ab 1849 in Kiel, ab 1852
in Gießen, ab 1868 in Wien und ab 1872 für die nächsten
zwei Jahrzehnte in Göttingen, wo er am 20. September 1892
gestorben ist und wo er auch begraben liegt.


134

Jherings Nachruhm ist größer noch und internationaler
als der Ruhm, der ihm bereits während seiner Lebenszeit
zuwuchs. Er war Korrespondierendes Mitglied der Akade-
mien in Amsterdam, Rom, Wien und schließlich auch

177

Berlin . Er hat von allen deutschen Juristen des 19. Jahr-
hunderts die am meisten bewunderten, am häufigsten
nachgedruckten, am zahlreichsten in andere Sprachen
übersetzten und dennoch angefeindeten Monographien
geschrieben: 1852 erschien sein Geist des römischen Rechts,
1877 Der Zweck im Recht - in beiden Fällen handelt es sich
übrigens um voluminöse Torsi -, und seiner Feder ent-
stammt schließlich die berühmteste und sogar auch tatsäch-
lich immer wieder gelesene Streitschrift eines Juristen, sein
Meisterpamphlet, eben „Der Kampf um's Recht" von 1872.
Dieses zuletzt genannte wissenschaftspolitische, wissen-
schaftspropagandistische Werk übertrifft an Resonanz,
Auflagenzahl und internationaler Verbreitung - mehr als
50 verschiedene Übersetzungen in andere Sprachen sind
nachweisbar -alle vergleichbaren Juristenschriften, von
denen sich Savignys „Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetz-
gebung und Rechtswissenschaft" (1814), Kirchmanns
„Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft" (1847),
Bährs „Rechtsstaat" (1864), Renners „Soziale Funktion der
Rechtsinstitute" (1904), Kantorowiczs „Kampf um die
Rechtswissenschaft" (1906) wahrlich nicht zu verstecken
brauchen.

Um das würdigen zu können, was Jhering für die Rechts-
und Rechtswissenschaftsentwicklung bis zum heutigen Tag
und noch dazu international bewirkt hat, ist es ratsam, sich
des Stellenwertes zu versichern, den sein Lebenswerk in der
Entwicklung des juristischen Denkens im Deutschland des
19. Jahrhunderts einnimmt. Bevor nämlich über den Ewig-
keitswert von Gedankengebilden gesprochen werden kann,
sollte man wenigstens versuchen, ihren Zeitwert zu be-
schreiben. Im Falle Jherings ist das besonders spannend. Er


135

war nämlich an allen ineinander übergehenden und sich
allmählich als herrschend ablösenden Schulen und Ten-
denzen innerhalb des deutschen Juristendenkens im ver-
gangenen Jahrhundert als Lernender und als Lehrender
beteiligt. Es ist kein Zufall, daß er als ein Meisterschreiber
unvollendeter, abgebrochener Werke in der Geschichte der
Rechtswissenschaft gilt. Anders als andere Forscher seines
Faches, die immer nur den einen großen Gedanken ihrer
intellektuellen Blütezeit variiert oder gar bloß repetiert ha-
ben, blieb Jhering zeitlebens auf dem Weg. Seine Wahrhei-
ten von heute liefen Gefahr, von ihm schon morgen als die
Lügen von gestern bloßgestellt zu werden. Er hatte nicht
nur eine Bekehrung, nicht nur ein Damaskuserlebnis, wie
man es genannt hat179, sondern taumelte von einem Para-
digmenwechsel in den nächsten.

So scheint es zumindest. Tatsächlich jedoch hätte sein
Forschermotto sein können: Ich kann nicht bleiben, was ich
war, und doch nur werden, was ich bin. So stand er zwar zu-
nächst im Bann der Historischen Rechtsschule, bei der
Rechtsentstehung und -entwicklung aber setzte er nicht
oder jedenfalls nicht ausschließlich auf die „stillwirkenden
Kräfte" von Volksglaube und Volksgeist, womit Savigny sich
begnügt hatte12. Allen quieszierenden Konsequenzen, die
sich aus dessen Konzeption für die Rechtstheorie ergaben
und für die Rechtspraxis von Savigny selbst dann gezogen
wurden, als er nicht mehr Universitätsprofessor, sondern
Gesetzgebungsminister war, stellte sich Jhering bei allem
schuldigen Respekt von vornherein entgegen: man dürfe
keinen Quietismus predigen und deshalb auch nicht war-
ten, bis uns die Zeit von selbst die Frucht in den Schoß würfe;
was die Geschichte möglich mache, müsse als Tat in dieWelt
treten, weshalb man, umjene Frucht zu erlangen, kämpfen(!)
solle.1    Kampf ums Recht, als Leitmotiv, schon hier!

Zwar opponierte Jhering, wiederum als treuer Gefolgs-
mann der Historischrechtler, zunächst gegen die Vernunft-


136

rechtler, also gegen deren Aufkläreridee eines erfahrungs-
unabhängigen Naturrechts, das als zeit- und raumübergrei-
fendes Legitimitätskriterium für existente Legalität zu er-
schließen und zu handhaben sei, aber seine inzwischen auf-
gefundenen Erstvorlesungsmanuskripte belegen, daß er
selbst nicht empirisch, sondern spekulativ vorging und sich
unter dem offenkundigen Einfluß von Thibaut (1772-
1840), Feuerbach (1775-1833), Hegel (1770-1831) und Gans
(1797-1839), also den Gegnern Savignys, nicht mit der
historisch-organischen Verarbeitung des „heutigen römi-
schen Rechts" begnügte, sondern auf eine Universalrechts-
geschichte zusteuerte, aus deren Basisgedanken vom Men-
schen als freie Persönlichkeit und Selbstzweck das Postulat
erwachse, sich auf die Suche nach „Zweck, Geist und Ver-
nunft" in der Geschichte auch des Rechts zu begeben.181

Was nun den Geist des Rechts betrifft (auf dessen Zweck
später zurückzukommen sein wird), so hat sich Jhering al-
lerdings zunächst in rücksichtsloser Anwendung pandekti-
stischer Methoden des von ihm verehrten „großen Mei-
sters" Puchta26 darauf konzentriert, aus dem Stoff des sei-
nerzeit geltenden römischen Rechts gültige Prinzipien zu
gewinnen, deren fachgerechte Berücksichtigung die Lö-
sung aller anstehenden Rechtsprobleme ermögliche. Diese
begriffsjuristische Vorgehensweise basierte auf dem Glau-
ben, daß die immanenten Ideen eines gegebenen Rechts-
systems durch Selbstentfaltung dessen Weiterentwicklung
zu gewährleisten vermögen. Rechtswissenschaft wird so, ab-
gekoppelt von Sozialwissenschaft und Philosophie, auf
Rechtsdogmatik reduziert. Exakt dieser positivistischen
Denkweise entspricht Jherings in den fünfziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts vertretenes Ideal, „das Rechtliche als
die wahre Substanz hinzustellen" (JW 10)* und mit Hilfe

* Die Erklärung der verwendeten Siglen findet sich zu Beginn der
Anmerkungen S. 147.


137

einer eigens konstruierten „Rechtstechnik" die überkom-
menen „Rechtskörper" logisch dergestalt zu „zersetzen", bis
deren „anatomische Struktur" und ein „universelles Rechts-
alphabet" freigelegt seien, aus denen dann wie aus einer
„unversiegbaren Quelle" die „juristische Produktion" für
ewig und alle Zeiten erfolgen könne (vgl. JG 2/322 ff.). Es
handelt sich hier um eine Selbstentwicklungstheorie des
Rechts aus dem Recht. Das Recht vermehre sich aus sich
selbst, es sei seine eigene Quelle. Man könnte auch von
Rechtsinzucht sprechen: die Rechtsbegriffe seien produktiv,
heißt es (JG 1/40), sie paarten sich (!) und zeugten neue.
Wiesich für gläubige Katholiken durch das priesterliche
Wort beim Meßopfer Brot und Wein in Leib und Blut Chri-
sti verwandeln, so finde durch die intellektuelle Verdau-
ungskraft des Juristen eine „Transsubstantiation" (JG 1/42)
der empirisch gegebenen Rechtssätze in die wahre Natur
des Rechts, eben seinen Geist statt, der wiederum die
eigentliche Produktivitätspotenz des Rechts für die Zu-
kunft sei.

Es spricht für die erstaunliche Selbsterneuerungskraft
Jherings (die ihresgleichen kaum hat unter den Juristen vie-
ler Länder und Zeiten), daß kein anderer als er selbst zum
schärfsten Kritiker seiner vormals mit klassischer Klarheit
ausformulierten Begriffsjurisprudenz emporwuchs. Keine
zehn Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes seines
fragmentären „Geists des römischen Rechts" begann er
Hohn und Spott über jene zivilistischen Konstrukteure -
ausdrücklich auch über sich selbst! - auszugießen, die in ei-
nem offensichtlich mystischen Vorgang einem juristischen
Homunkulus Leben und Odem einhauchen, so daß sich die
Rechtsbegriffe schließlich mit ihresgleichen begatten und
neue Rechtsbegriffe zeugen (JS 7, 245 ff.). Und so findet er
den Verzweiflungsmut, sein auf Ztegr^sjurisprudenz im
Gefolge der Historischen Rechtsschule angelegtes erstes
Monumentalwerk über den „Geist des römischen Rechts" ,


138

bevor er es mit der 1. Abteilung des 3. Bandes 1865 ganz ab-
bricht, in einer Selbstanklage, ja Selbstwiderlegung in der
Form seines Bekenntnisses zu einer Lebensjurisprudenz
enden zu lassen: Es sei nur das Blendwerk einer juristischen
Dialektik, dem Positivrechtlichen den Nimbus des Logi-
schen zu geben und die Rechtswissenschaft zu einem
Tummelplatz für die Akrobaten scholastischer Spitzfindig-
keiten zu machen; man sprenge die Fesseln, in denen uns
der Irrwahn gefangen halte, jener ganze Kultus des Logi-
schen, der die Jurisprudenz zu einer Mathematik des Rechts
hinaufzuschrauben gedenke; das Leben sei so nicht der Be-
griffe, sondern die Begriffe seien des Lebens wegen da;
nicht was die Logik, sondern was das Leben, das Rechts-
gefühl postuliere, habe zu geschehen, möge es logisch dedu-
zierbar oder unmöglich sein (JG 3/318 ff.). Um eine von
Jhering gegen Ferdinand Lassalle (1825-1864) gemünzte
Wendung gegen ihn selbst zu wenden, könnte man sagen,
er habe mit seiner unerschrockenen Konsequenz histo-
risch-rechtlichen und system-strukturellen Denkens der
Wissenschaft insofern einen wertvollen Dienst geleistet, als
seine frühere Begriffsjurisprudenz im Sumpf geendet habe
und so alle Urteilsfähigen nunmehr über die wahre Be-
schaffenheit des Weges aufgeklärt seien (JG 3/333).

Jedenfalls hat sich Jhering auf seine Weise den Weg für
ein Rechtsverständnis qualitativ neuer Art freiargumen-
tiert. Rechtswissenschaft dürfe nicht auf Literaturlektüre li-
mitiert werden, da dies das sicherste Mittel sei, um geistes-
stumpf zu werden.182 Weil das (objektive) Recht menschli-
che Bedürfnisse befriedige, indem es des Menschen Inter-
essen und Zwecke fördere, seien also die (subjektiven)
Rechte11 nichts anderes als rechtlich geschützte Interessen
(JG 3/339 f.). Mit dieser am Ende seines Werkes „Geist des
römischen Rechts" gewonnenen Position hat deren Autor
sich selbst den Übergang für sein anderes Monumental-
werk, den (freilich auch fragmentären) „Zweck im Recht"


139

von 1877 ermöglicht und erkämpft. Und auf dem halben
Weg zu diesen neuen Ufern liegt seine Wiener Abschieds-
rede von 1872, eben sein „Kampf um's Recht", eine „feuer-
flüssige Schrift", wie man sie genannt hat.183 Hier wird in
nuce, aber mit unverhüllter Brisanz einem österreichisch-
deutschen und binnen weniger Jahre auch einem interna-
tionalen Publikum eine Inversion obrigkeitsstaatlichen
Rechtsdenkens zugemutet. Wie seines Glückes so sei auch
jeder seines Rechtes eigener Schmied, könnte man die
Quintessenz dieser offenen Juristenapologie der bürgerli-
chen Gesellschaft und eines ihr gemäßen Verhaltensko-
dexes umschreiben. Für sein eigenes Recht zu kämpfen sei
die Pflicht eines jeden Berechtigten gegen sich selbst wie
gegen die Gesellschaft (JK 27, 51). Man lese selbst. Jhering
braucht keinen Dolmetsch, und niemand könnte es besser,
als er selbst es gesagt hat.

Dieungeheure Resonanz, diedieserunverblümten Weise
beschieden war, den für ihr Recht Kämpfenden (und nicht
den ihnen angetanes Unrecht Duldenden) ein gutes Gewis-
sen zu machen, ist gewiß auch der literarischen Form des
Vorgetragenen geschuldet, die dem wissenschaftlichen und
politischen Inhalt ebenbürtig war. Nach allem, was wir wis-
sen, war Jhering ein begnadeter Universitätslehrer (übri-
gens auch ein ebensolcher Briefschreiber und ein leiden-
schaftlicher dazu. Wer wissen will, wie es in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts an deutschen Universi-
täten im allgemeinen, an Juristenfakultäten im besonderen
und in Professorenhaushalten im speziellen ausgesehen
hat, greife zu Jherings Briefen). Seine Vorlesungen las er
nicht vor, in seinen Vorträgen trug er keinen ausgearbeite-
ten Text vor. Er sei kein Redner, pflegte er sich zu entschul-
digen, und auch als Professor stets gewohnt gewesen, sein
Augenmerk auf Faßlichkeit und Anschaulichkeit der Dar-
stellung zu legen, was ein Memorieren irgendeines zuvor
ausgearbeiteten Manuskripts ausschließe.


140

Die Flut schöner Gedanken brauste wie ein reinigendes
Gewitter durch den bis in den letzten Winkel dichtgedrängt
gefüllten Konsistoriaisaal, als der von Wien scheidende
Jhering seinen Schwanengesang anstimmte, so vermeldet
jedenfalls, und wir können es nachempfinden, die Gerichts-
halle
von anno dunnemals den Widerhall der in freier Rede
gehaltenen Philippika über den Kampf ums Recht. Mit
zitternder Stimme und tränenden Augs sei ihm von dem
vor wehmütiger Erregung bleichen Vereinspräsidenten
gedankt worden in einer Ansprache, die von den An-
wesenden stehend angehört wurde (JK 108). Das waren
noch Zeiten, als nicht Tennisprofessionals, sondern
Juristenprofessoren mit standig
ovations gedankt wurde.
Als freilich Jhering seinen Vortrag endlich, endlich und -
wie üblich bei ihm - nach stilistischen Drehkämpfen (JB
284: „an einzelnen Seiten tagelang gearbeitet und gefeilt,
bis schließlich alles verpfuscht war"!) auf den Markt brach-
te, da meldete sich neben Enthusiasmus auch Entsetzen,
und das bis zum heutigen Tag. Jhering sei in die Mörder-
grube des Darwinismus gefallen, hieß es damals, und neuer-
dings: er habe die Ethik des Tierreiches als Rechtsethik aus-
gerufen.185 Nun läßt sich natürlich ein gewisser Zusam-
menhang zwischen Charles Darwin und Rudolf Jhering
kaum leugnen. Auch wenn letzterer in seiner Rede ersteren
nicht nennt -der Gleichklang zwischen „Kampf ums Recht"
und „Kampf ums Dasein" ist nun einmal unüberhörbar,
und genau mit diesen Worten war Darwins
„struggle for
life"
von Anfang an verdeutscht worden.1 Es war aber
nicht etwa Anpassung an den Zeitgeist oder sprachspieleri-
sche Virtuosität, die Jhering sich in die Reihe derer bege-
ben ließ, die -wie dereinst Heraklit (ca. 550-480 v. u. Z.) mit
seiner Apotheose des Kampfes als Vater von allem, wie
Hobbes (1588-1679) mit seinem berühmt-berüchtigten bel-
lum
omnium contra omnes oder gar wie Marx (1818-1883)
mit seiner These vom Klassenkampf als der Triebkraft gan-


141

zer Geschichtsepochen - dem Kampf einen zentralen Platz
in ihrer jeweils durchaus differenten Evolutionstheorie ein-

187

räumten.

Später hat der sich zur Utilitarismus- und zur Sittlich-
keitsidee bekennende Jhering übrigens sich zwar kein Ur-
teil über die Richtigkeit der Darwinschen Theorie ange-
maßt, sich aber nicht davor gescheut, seine eigenen Resul-
tate in bezug auf die historische Entwicklung des Rechts als
eine vollständige Bestätigung der Theorie des Briten zu be-
zeichnen (JZ 1/XIII). Obschon er sich für beschränkt genug
erklärte, ohne einen Gott, der den Gang der Dinge in Bewe-
gung gesetzt hat, nicht auskommen zu können (auch New-
ton brauchte ja ungeachtet seines
„hypotheses non fin-
go"1 einen lieben Gott, der den Himmelskörpern einen
ersten Anstoß zu geben hatte), bekundete er seine Sympa-
thie sogar mit der „extremsten Linken des Darwinismus",
die, mit den Einzellern und nicht mit einem Schöpfungsakt
beginnend, den unerbittlich zermalmenden Kampf des Da-
seins lehrte, der alles weitere aus sich selbst gebar (JZ 1/XII;
vgl. auch JB 463).

Mit solchen Ketzereien leitete Jhering sein zweites
Monumentalwerk, den „Zweck im Recht" ein, in dem dann
Erstaunliches zu lesen ist, zumindest für diejenigen, die den
„Kampf ums Recht" als Aufforderung zu einem rüden Wer-
kann-der-darf-Verhalten mißverstanden hatten. Eine klei-
ne Blütenlese, voreingenommen ausgewählt, versteht sich,
möge den Überraschungseffekt verdeutlichen. JZ 1/296,
566:
Die bürgerliche Gesellschaft könne als ein Mechanis-
mus der Selbstregulierung der Gewalt nach Maßgabe des
Rechts und das Gesetz als die unentbehrliche Waffe der In-
telligenz im Kampf mit der Dummheit bezeichnet werden;
JZ 2/587: Die Grundlage der ganzen bürgerlichen Ordnung
liege in der Sicherheit und dem Schutz des Eigentums;
JZ 1/450: Wie die Erfahrung zeige, sei die Staatsgewalt kei-
neswegs immer dem Interesse der ganzen Bevölkerung,


142

sondern nicht selten bloß dem eines einzelnen mächtigen
Standes dienstbar und folglich auch das Recht vor allem
dem Interesse des bevorzugten Standes; JZ 1/553: Die
Rechtsordnung der bürgerlichen Gesellschaft entspreche
stets den Machtverhältnissen der verschiedenen Schichten
oder Klassen, aus denen sie zusammengesetzt ist, und der
Sieger werde dem besiegten Volk, wenn er es in seinen
Staatsverband aufgenommen habe, nicht die gleiche Stel-
lung mit sich einräumen, sondern dasselbe in ein abhängi-
ges Verhältnis setzen (das ist nicht etwa nachträglich aus
der Sicht von 1990 frisiert); JZ 1/552: Ein Zustand der wirkli-
chen oder vermeintlichen sozialen Ungerechtigkeit führe,
wenn dies die Stimmung einer ganzen Gesellschaftsklasse
ist, entweder die Massenauswanderung herbei oder den so-
genannten Klassenkampf, wie die Kämpfe der Plebejer mit
den Patriziern im alten Rom, wie die Bauernaufstände zur
Zeit der Reformation oder die Arbeiterbewegung der
Gegenwart. ..

Solche und andere Äußerungen ähnlichen Kalibers ma-
chen es verständlich, daß Jhering gelegentlich der materia-
lismusverdächtigen hegelianisierenden Linken zugerech-
net und ihm gar zugemutet wurde, daß er sich ausgerechnet
in jenem Werke, dem im Urteil gewichtiger Stimmen im In-
und Ausland wissenschaftlicher Ewigkeitswert zugespro-
chen wurde, bis auf Haaresbreite den Marxschen Aussagen
über Staat und Recht genähert habe.189 Bei allen punktuel-
len Überlappungen zwischen Jherings und Marxens Rechts-
philosophie sollte nicht übersehen werden, daß ersterer
„Interesse" idealistisch-teleologisch als Zwecksetzung des
Subjekts verstand (JZ 1/XIII), während letzterer materia-
listisch-kausal darauf insistierte, daß private Interessen
gesellschaftlich determiniert seien und Gesetzgebung wie
Rechtsprechung auf den Interessen ökonomisch, politisch
und intellektuell herrschender Gesellschaftsklassen basieren.
Übrigens hat Jhering, der, wie so manche Juristen, die sich


.   143

rechtsphilosophischen Problemen zuwenden, damit koke-
tierte, nur ein Dilettant in der Philosophie zu sein (JZ 1/IX),
vermutlich kein Werk seines ihm gleichaltrigen Kommi-
litonen aus der Berliner Zeit Marx gelesen (wohl aber dieser
Werke von jenem). Hingegen wurde für Jhering später
Bismarck zu einer Kultfigur (JW 600, 672) und er selbst
durch die siegreichen Kriege von 1866 und 1870 sogar zu
einem Monarchisten (JB 442). Von jung an hatte er aus seiner
fundamentalen Abneigung gegen Sozialismus und Kom-
munismus keinen Hehl gemacht. In seinem Vorlesungsma-
nuskript „Universalrechtsgeschichte" von 1843/1844, also
exakt aus jener Zeit, da Marx seinen Übergang vom bürger-
lichen Radikaldemokratismus zum proletarischen Existen-
tialhumanismus vollzog, heißt es: der heutige Kommunis-
mus wolle zwar Freiheit und Gleichheit der Individuen
durch Aufhebung all jener Ungleichheiten, die sich im Lau-
fe der Zeit ausgebildet haben, also im Interesse der Freiheit
das historische Prinzip bekämpfen, aber er würde der ärg-
sten Unfreiheit verfallen, indem er den dann bestehenden
Zustand verewigen und die diesem Zustand tödliche Frei-
heit der Individuen aufheben wollen werde.1 Auch später
hat er die gegen das seiner unumstößlichen Meinung nach
ewige Privateigentum gerichteten sozialistischen Ideen für
eitle Torheit erklärt (JZ 1/533), was ihn aber nicht daran ge-
hindert hat, August Bebel und der Arbeiter- wie der
Frauenemanzipation im Sinne einer nach heutiger Begriff-
lichkeit liberal-sozialdemokratischen Anschauung mit viel
Sympathie zu begegnen: nicht „Beseitigung des Kapitalis-
mus", sondern „Hebung der sozialen Bedingungen der ar-
beitenden Klassen" (JB 456). Parteipolitisch sah er sich in
der Nähe der gemäßigten National-Liberalen (JW 681).

Das alles waren Erkenntnisse seiner Göttinger Jahre, de-
ren Produktivitätsmöglichkeiten zuliebe er Wien, wo er
zweifellos seine Glanzperiode erlebte, aufgegeben hatte.
Vier Tage nach seinem Montagsvortrag über den „Kampf


144

ums Recht", am 15. März 1872, hatte Jhering Seiner Exzel-
lenz, dem Herrn Minister für Cultus und Unterricht, Carl
von Stremayr (1823-1904), sein Abschiedsgesuch mit fol-
gendem, bisher unveröffentlichtem Brief191 eingereicht:

„Hochgebietender Herr Minister!

Ew. Excellenz habe ich bereits mündlich die Ehre gehabt die
Mittheilung zu machen, daß ich zum nächsten Winter-
Semester einen Ruf an die Universität Göttingen angenom-
men habe und habe ich mir damals zugleich erlaubt, Ew. Ex-
cellenz den Grund anzugeben, der mich zu diesem schweren
Schritt genöthigt hat -die Rücksichten auf den Gesundheits-
zustand der Meinigen haben mir leider keine Wahl gelassen.
Es geschieht mit dem Gefühl des größten und aufrichtig-
sten Bedauerns, wenn ich an Ew. Excellenz das gehorsamste
Gesuch richte:

mir zum lten October dieses Jahres meine Entlassung

aus den hiesigen Diensten zu erwirken,
und ich kann es mir nicht versagen, diese Gelegenheit zu be-
nutzen, um der K.K. Regierung für die ausgezeichnete Stel-
lung, welche hochdieselbe mir bei meiner Berufung einge-
räumt hat sowie insbesondere auch Ew. Excellenz für das mir
geschenkte Wohlwollen sowie den Werth, den hochdieselbe
auf mein Bleiben an hiesiger Universität gelegt haben, mei-
nen innigstgefühlten Dank auszusprechen.

Es würde mir zur größten Ehre sowohl als Befriedigung
gereichen, wenn ich jemals, etwa in Berufungsangelegenhei-
ten, in die Lage käme, dem Cultus und Unterrichts-
ministerium meine Dienstbereitwilligkeit und meine fort-
dauernde Anhänglichkeit an Österreich zu beweisen.

Genehmigen Ew. Excellenz die Versicherungen größter
Hochachtung und schuldiger Ehrfurcht, mit der ich zu sein

die Ehre habe

Ew. Excellenz

Gehorsamster Dr. Rud. Jhering

K.K. Hofrath u. Professor"


145

Diesen Antrag unterstützte natürlich der liberale Unter-
richtsminister bei seinem Kaiser. Mehr noch. In einem
Immediatsgesuch vom 25. März 1872 bat er seinen Aller-
gnädigsten Herrn,
Jhering, dessen Tätigkeit an der Wiener
Universität ihr immer zur Ehre gereichen werde, „als Zei-
chen allerhöchster Huld das Ritterkreuz des Leopoldor-
dens allergnädigst zu verleihen"192, was denn auch ge-
schah, so daß der kaiserlich-königliche Hofrat Professor
Jhering auch noch mit dem erblichen Adel für sich und
seine Kindeskinder versehen der Rückübersiedlung von
Österreich nach Deutschland entgegenblicken konnte. Zu-
nächst freilich arbeitete er seinen Vortrag „Der Kampf um
das Recht" zu seinem populärsten Opusculum „Der Kampf
um's Recht" aus, das noch im gleichen Jahr 1872 unter fal-
scher Schreibweise seines Namens -Ihering statt Jhering193
- in zwei Auflagen sofort Furore machte. Das Honorar be-
trug je Auflage 10 österreichische Gulden (JB 304). In Göt-
tingen bezog er dann ein behagliches Haus mit elf Zimmern
und ein Fixum von 3200 Talern. Hier lebte er den Rest sei-
nes Lebens ganz der Wissenschaft - mit einer „höchst mäßi-
gen Arbeitskraft", wie er charmant untertrieb (JB 295).

Freilich blieben die Enttäuschungen nicht aus, denn
Jhering war alles andere als ein ausgeklügelt Buch. Er war
ein Vollblutmensch, der zwar sehr genau wußte, daß man
sich nur als Junggeselle ganz und gar der Wissenschaft wid-
men könne (JB 73), und der sich doch dreimal verheiratete.
Sein Heißhunger nach Arbeit, das stete Verlangen nach
Tinte stand bei ihm jedenfalls nicht seiner Sucht nach vol-
len Weinfässern (eines davon mit 1330 Litern), geräucher-
ten Aalen (ide-alen und re-alen, wie er schrieb!), Austern,
Zigarren, Rebhühnern, Schnepfen, Whist, Klavier, Frau,
Freundinnen (alles in dieser Reihenfolge: JB 411) im Wege.
Ganz im Gegenteil, sie gehörten zu seinen Produktivitätsbe-
dingungen. Und um diese war es in Göttingen wohl doch et-
was karg, zumindest einseitig bestellt. Jedenfalls klagt er in


146

längeren Briefen an Frau von Littrow, also diejenige, der er
seinen „Kampf um's Recht" gewidmet hatte1, daß er sich
wohl nur in einer Art selbstmörderischer Pflichtstimmung
an die Leine-Stadt habe berufen lassen, denn da seien die
Musen in Schweinsleder gebunden, und ein einziges Früh-
stück auf dem Heidelberger Schloß würde sämtliche Genüs-
se Göttingens während eines halben Jahres aufwiegen (JB
314). Auch habe er einen höchstpersönlichen Kampf ums
Recht mit den Herren im Berliner Ministerium führen
müssen, da man ihm, dem so Ehrgeizigen wie Stolzen, zuge-
mutet habe, einen Orden zugleich mit Rechnungsräten,
Kanzlisten, Proviantmeistern und Rentiers anzunehmen
(JB 318). Den dümmsten Streich seines Lebens habe er ge-
macht, als er Wien mit Göttingen vertauschte, denn da sei
er vom General wieder Unteroffizier geworden, und er
komme sich vor wie ein edles Roß, das zum Karrendienst
verwendet wird (JB 353).

Jhering litt zeitlebens an der Überfülle seiner Begabung
und Talente. Er, der sich gelegentlich als ostfriesischer Phi-
lister verstand, war eine ebenso geist- wie fleischhungrige
Natur. Er scheute sich nicht, Rechtsprobleme buchstäblich
„auf der Straße und im Kehrricht" zu suchen (JZ 2/XIII) und
sie dort auch zu finden! Seine Vorschläge für eine praxis-
orientierte Juristenausbildung sind bis heute unabgegol-
ten. Sein Humor, seine Selbstironie, seine herzerfrischen-
den Attacken auf seine wissenschaftlichen Gegner suchen
ihresgleichen innerhalb der Juristenliteratur. Seine theater-
reife Inszenierung eines juristischen Begriffshimmels mit
Haarspaltemaschinen und Konstruktionsapparaten, dia-
lektischen Bohrmaschinen und einem anatomisch-patholo-
gischen Begriffskabinett (JS 245 ff.) braucht bloß noch auf
einen Regisseur (und Subventionen) zu stoßen.

Freilich: Depressionen waren ihm nicht weniger ver-
traut als Euphorien, entstanden doch seine Werke unter
„greulichsten Geburtswehen" (JW 164). Die sich zuweilen


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bis zur Impotenz steigernde Mühseligkeit, mit der er produ-
zierte, hinderte ihn daran, sich etwas Geniales zu leisten zu-
zutrauen (JW 589). Und doch ist zumindest sein „Kampf
ums Recht" ein Geniestreich!

Ungeachtet der gewandelten und sich wandelnden Ver-
hältnisse bleibt das eigentliche Anliegen jenes Wiener Vor-
trages von 1872 eine zeitübergreifende Botschaft für jeder-
mann und jedefrau. Auch und gerade in der Welt von heute
gilt: Es gibt keine Selbstverwirklichung von Recht und Ge-
rechtigkeit. Wirklich, es rettet uns kein höheres Wesen. Wer
die von Oben betriebene Rechtsentwicklung nicht durch ei-
ne Rechtsentwicklung von Unten zu konterkarieren und
daher für seine eigenen Recht zu kämpfen bereit ist, der
wird seiner Pflicht weder gegen sich selbst noch gegenüber
der Gesellschaft gerecht. Das Perpetuum mobile der Welt-
geschichte (JZ 2/113) sind die Interessen der Menschen, und
das Recht - das lebende Recht, versteht sich, nicht das in
den Gesetz- und Lehrbüchern - kann nicht besser sein als
die Menschen, die für ihre Interessen auch den Rechts-
schutz zu erstreiten befähigt und gewillt sind. Um es mit
den ureigenen Gedanken Jherings zu wiederholen, wie er
sie nach der stenographischen Aufzeichnung seiner Wie-
ner Abschiedsrede vom 11. März 1872 über den „Kampf um
das Recht" den „lauschenden Hörern mit mächtigem Zau-
ber" vorgetragen hat (JK 115): Jede auftretende Wahrheit
hat nicht bloß den Irrtum, sondern auch Interessen zu be-
kämpfen; ebenso erfordert jede Rechtsänderung einen
Kampf gegen die bestehenden Interessen, denn alle Rechts-
normen haben ihren Weg über zertretene Interessen ge-
nommen. - Oder sprechen unsere Erfahrungen dagegen?